Schattenkrieg von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: Zwei Welten ---------------------- „Warum sind all diese Menschen noch immer hier?" Der angesprochene Officer drehte sich, offensichtlich stark irritiert von der groben Ansprache, zu seinem Gegenüber um und musterte diesen abschätzend. Auf seinem durch eine große Sonnenbrille entstelltem Gesicht lag ein Hauch von Geringfügigkeit, als er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete und mit vor Sarkasmus triefender Stimme antwortete. „Nun, ich denke so etwas nenn man Schaulustige, Sir. Es kommt ja schließlich nicht alle Tage vor, dass in den Feldern eines kleinen, unscheinbaren Dorfes ein verschollen geglaubter Marine-Kreuzer auftaucht." Einen winzigen Moment lang maßen sich die beiden ungleichen Männer mit Blicken, dann schob sich der aufgeklappte Ausweis eines Bundesagenten vor die Augen des Officers. „Gibbs, NCIS. Sie und Ihre Leute werden umgehend dafür sorgen, dass diese Schaulustigen von diesem Ort verschwinden. Alle. Ich will eine weiträumige Absperrung des Fundortes von mindestens einer Meile. Niemand betritt oder verlässt diesen Bereich ohne meine Kenntnis. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?" Die eisblauen Augen des Agents blitzten. „Sir…" Der Officer wirkte für den Moment tatsächlich verunsichert, als sein Blick über die stetig anwachsende Zahl von Menschen glitt, die wie Ameisen aus allen nur erdenklichen Himmelsrichtungen zu kommen schienen. Zudem nahm die Zahl von Kamerateams und Hobbyfotografen sprunghaft zu. „Sir, bei allem Respekt, aber diese Leute…sie bleiben doch schon von sich aus auf Abstand. Und ich habe viel zu wenig Männer, um eine solche Absperrmaßname überhaupt durchführen zu können." Ein leises Knurren kam von seinem Gegenüber und deutlich war der unverhohlene Zorn in der Stimme des Bundesagenten zu hören, als dieser den Officer am Arm packte und näher zu sich heran zog. „Dann, zum Teufel, lassen Sie sich etwas einfallen, Mann! Das hier ist keine Familienveranstaltung auf einer Sightseeing-Tour. Das ist ein Kreuzer der amerikanischen Navy. Und diese Schiffe haben, wie Sie wissen sollten, Waffen, Sprengstoff, sensible Technik und weiß Gott noch was für hochgefährliche Stoffe geladen. Wir wissen nicht was mit diesem Schiff in den Wochen, in denen es als verschollen galt, geschehen ist, und so wissen wir auch nicht, ob die Ladung nicht vielleicht derart beschädigt worden ist, das irgendetwas davon unkontrolliert in die Luft gehen könnte!" Das darauf folgende Entsetzen des Officers war Beweis genug für Gibbs, dass er nicht einmal ansatzweise über diese Gefahr nachgedacht hatte. „Und Sie wollen all diese Menschen tatsächlich in unmittelbarer Nähe zu dem Kreuzer lassen?" Er ließ den Mann los und sein Blick wurde wieder etwas sanfter. „Holen Sie alle Kräfte hier her die Sie auftreiben können. Sie können sich an das Militär wenden, wenn Ihnen Männer und Gerät für diese Aufgabe fehlen." Damit ließ er den Officer stehen und ging an ihm vorbei weiter auf das Schiff zu. Sein Blick glitt immer und immer wieder über den zerschundenen Rumpf und sein Herz wurde ihm dabei schwer. Wie konnte so etwas geschehen? Wie konnte irgendjemand ein Schiff dieser Größe, hunderte Meilen entfernt vom nächsten schiffbaren Gewässer, über Nacht in einem Maisfeld auftauchen lassen. Und wie konnte ein Schiff, welches über Jahre hinweg gepflegt und gewartet worden war und sich im aktiven Einsatz befunden hatte, innerhalb von zwei Monaten zu einem beinah unerkenntlichen Wrack werden? Gibbs konnte nicht leugnen, dass nach wie vor Zweifel an der Echtheit dieser Lage in seinem Kopf umher spukten. Es war einfach unmöglich! Nicht machbar, ohne eine Kettenreaktion von Aufmerksamkeit zu erregen. Aber die weiß getünchten Letter, die unter der dichten Kruste Rost hervor blitzten, zeichneten das Schiff zweifellos als die "Seacrawler" aus. Er würde den Kreuzer von oben bis unten durchleuchten. Bis dahin, blieb der Zweifel. Der NCIS-Agent drehte sich um, als er hinter sich die Schritte seines Teams und das angestrengte Keuchen McGees hörte, die sich mühsam einen Weg durch die dichten Maispflanzen suchten. Sie alle hatten gebannt ihre Blicke auf das imposante Kriegsschiff geheftet, als sie neben ihm ankamen, und die selben Zweifel waren ihnen ins Gesicht geschrieben, die auch in Gibbs Brust stritten. Er ließ ihnen nicht viel Zeit Maulaffenfeil zu halten. „Kate, du machst Fotos. Schnapp die dafür auch den Piloten dieses Helikopters da drüben und frag ihn, ob bereits Übersichtsaufnahmen aus der Luft gefertigt worden sind. Wenn nicht..." „... werde ich einen kostenfreien Flug mit einem Hubschrauber genießen und nebenbei ein paar Fotos schießen. Selbstverständlich." Die junge Agentin grinste frech zu ihm herüber und wandt dem noch immer in stummer Faszination gefesselten McGee den Koffer mit der Fotoausrüstung aus der verschwitzten Hand. Für den Moment schien er vergessen zu haben, wie sehr er noch wenige Augenblicke zuvor über die Hitze und die ach so ungerechte Behandlung von Tony und Kate geflucht hatte. Ein unsanfter Klaps auf den Hinterkopf holte ihn abrupt in die Gegenwart zurück. „McGee, Sie nehmen Proben von allem was ihnen in die Finger kommt und uns in unseren Ermittlungen nach vorne bringen könnte. Von der Außenhaut, vom Rost, vom Boden. Setzten Sie sich zur Not mit Abby in Verbindung. Sie weiß am besten was sie benötigt. Und vermutlich ist sie auch die einzige von uns, die eine Fantasie besitzt, die rege genug ist um DAS hier zu verstehen." Er hielt inne und streckte vorsichtig eine Hand aus, um die Bordwand zu berühren. Mit einem leisen Knistern zerfiel der Rost unter seinen Fingern zu Staub. Gibbs schauderte. Nichts zerfiel zu Staub, das nicht steinalt war. „Boss?“ Tony stand noch immer neben ihm und hatte mit ähnlichem Unbehagen verfolgt, wie sich der Rost in Nichts aufgelöst hatte. Ernsthafte Sorge spiegelte sich auf seinem Gesicht, als er Gibbs von der Seite her ansah. „Was hat das zu bedeuten?“ „Ich kann es nicht sagen, Tony. Dieses Schiff birgt ein Geheimnis, das wir ihm erst abringen müssen. Und ich hoffe, dass wir das auch wirklich können...“ Er war selbst überrascht von seiner plötzlichen Unsicherheit. Nie war es seine Art gewesen zu zaudern. Aber etwas an diesem Kreuzer war ihm unbehaglich und wühlte seine sonst so unerschütterliche Gradlinigkeit auf. Es war unheimlich. Mit einem Ruck riss er seine Gedanken los und begann längsseits am Schiff entlang zu gehen. Dabei suchten seine Augen nach einem Hinweis, einem noch so kleinen Detail, an dem er zupacken und beginnen konnte. „DiNozzo, setz dich mit unserer Zentrale und der Marine in Verbindung und finde heraus, was das für ein Einsatz war, in dem die Seacrawler vor ihrem Verschwinden gebunden war. Ich will alles wissen. Über die Besatzung, die Fracht, die Route. Einfach alles was du finden kannst.“ „Selbstverständlich Boss.“ Tony wandte sich ab und klappte dabei theatralisch sein Handy auf. „Ich werde Licht in die mysteriöse Dunkelheit bringen die dich umgibt, meine Hübsche. Welche düsteren Geheimnisse auch in deinem unergründlichen Dasein liegen mögen, ich werde sie dir entreißen.“ Ein schiefes Grinsen huschte über seine Züge, bevor er sich hastig von dem finsteren Blick abwandte, den Gibbs ihm hinterher sandte. „Und niemand betritt das Schiff, ehe wir keine weiteren Informationen haben!“ Tief in Gedanken setzte er seinen Weg entlang des Schiffsrumpfes fort. „In diesem Schiff befindet sich nichts mehr, was Ihnen und Ihren Leuten Schaden zufügen könnte, Agent Gibbs.“ Überrascht drehte sich der NCIS-Agent um und begegnete dem wachen Blick eines hochgewachsenen Mannes. Ein Stück hinter ihm wartete eine rothaarige Frau. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war alles andere als glücklich und Gibbs bekam den Eindruck, dass es ihr mehr als nur ein bisschen unangenehm war hier zu stehen und mit ihm zu reden. Er wandte sich wieder dem Mann zu und musterte ihn misstrauisch. Jeans, Hemd und die zerzausten braunen Haare ließen auf einen Schaulustigen schließen, der es irgendwie geschafft hatte, die Absperrung zu unterlaufen. „Sie befinden sich in einem streng abgeriegelten Sicherheitsbereich, in dem sie beide nichts verloren haben. Gehen Sie, auf der Stelle!“ Der Ton duldete keinen Wiederspruch. Doch der Mann schürzte unbeeindruckt die Lippen und warf einen demonstrativen Blick auf die Seacrawler. „Dieser Kreuzer soll eine beachtliche Menge hochradioaktives Material geladen gehabt haben, als er seinen Heimatstützpunkt in Georgia verließ. Zudem Waffen, die mit diesem Material ausgerüstet werden können und weitere Zusatzmunition. Nichts von all dem ist jetzt noch an Bord.“ Er machte eine berechnende Pause, in der er den dienstälteren Agent genau musterte. Ganz so, als suche er nach etwas bestimmten. „Wir haben hier ein nicht zu verachtendes Problem, das hochsensiebele Bereiche unserer Politik und Regierung tangiert, Agent Gibbs.“ Die Augen des NCIS-Agents wurden schmal. Wer immer dieser Typ war, er wusste für seinen Geschmack viel zu viel. Sogar mehr, als er im Moment von sich selbst behaupten könnte. „Was soll das heißen 'wir' haben ein Problem? Wer sind Sie, dass Sie mit solch brisanten Informationen um sich werfen als wäre es billige Marktware? Wenn diese Behauptungen an die falschen Ohren gelangen, DANN haben wir ein Problem.“ Was dieser Fremde behauptete war ungeheuerlich und Gibbs konnte sich nicht entsinnen, von einem solch hochgefährlichen Projekt gehört zu haben. Allerdings waren die Umstände, die sich um die Seacrawler rankten, bislang noch derart unerklärlich, dass er sich der Befürchtung nicht verschließen konnte, sein Gegenüber könnte Recht haben. Wer wusste denn schon, seit wann der Kreuzer hier lag? Es war möglich, dass zuvor bereits Menschen in das Schiff eingedrungen waren und so auf diese brisante Informationen gestoßen waren. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine solche Operation ohne die Kenntnis des NCIS vollzogen worden wäre. Seine Grübeleien fanden ein jähes Ende, als der Mann und die rothaarige Frau in ihre Jacken griffen und vor seinen Augen zwei Ausweise entklappten. Unmittelbar darauf entglitt ihm ein unwirsches Schnauben. Er hätte es ahnen müssen. „Fox Mulder, und das hier ist meine Partnerin Dana Scully. FBI.“ „Nennen Sie mir einen Grund, weshalb sich ausgerechnet das FBI für diesen Fall interessieren sollte? Die Seacrawler ist ein marines Kriegsschiff, das auf seinem Weg in den Nahen Osten verloren ging. Jetzt ist es wieder aufgetaucht. Das ist originär der Zuständigkeitsbereich des NCIS, nicht der des FBI.“ Verärgert schritt er an den beiden Agents vorbei zur Luke des Seiteneinstieges. Auf Grund der Schräglage der Seacrawler war sie jetzt mühelos zu erreichen und stand offen. „Hat vor Ihnen schon jemand das Schiff betreten?“ „Wir wissen es nicht. Aber es gab keine Hinweise, die darauf schließen lassen. Die Luke war verschlossen, bevor ich sie öffnete.“ Gibbs warf Mulder einen vernichtenden Blick zu. „Ich hoffe für Sie, Agent Mulder, dass Sie und ihre Partnerin in Ihrem Übereifer nicht versehentlich wichtige Spuren vernichtet haben. Andernfalls wird das Konsequenzen nach sich ziehen!“ Bevor der Streit ernste Ausmaße annehmen konnte, beschloss Scully sich einzuschalten. Sie war wütend auf ihren Partner, hatte er sie doch mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, um sie ein weiteres Mal auf eine unfassbar unvernünftige und von ihrem Dienstherrn ausdrücklich untersagte Ermittlung mitzunehmen. Innerlich hatte sie zwar bereits darauf gewartet, wann Mulder der Geduldsfaden riss und er seine alte Tätigkeit als heimlicher Ermittler bei den X-Akten wieder aufnehmen würde. Aber es änderte nichts daran, dass ihm dies mehrmals und nachdrücklich verboten worden war und er jetzt mit jedem Mal, in dem er dieses Verbot missachtete, nicht mehr nur allein seinen Ruf aufs Spiel setzte. Und genau aus diesem Grund hatte sie sich auch wieder überreden lassen. Sie konnte nicht einfach in Washington bleiben, die Hände in den Schoß legen und abwarten, wie Mulder mit Feuereifer in sein Unglück rannte. Er brauchte jemanden, der ihn hin und wieder bremste und zurück in die richtigen Bahnen lenkte. Und ihm zur Not den Rücken stärken konnte. Sie schnitt eine Grimasse. Weshalb sie sich immer wieder dazu hinreißen ließ, konnte sie sich selbst nicht beantworten. „Ich versichere Ihnen, dass wir in unserem Vorgehen auf diesen Umstand geachtet haben, Agent Gibbs. Wir haben das Innere des Schiffes ein Mal in Augenschein genommen, ohne etwas zu verändern oder zu berühren. Darauf haben Sie mein Wort.“ Für den Moment schien ihn das zu besänftigen, doch Scully ahnte, dass er sich damit allein nicht zufrieden geben würde. Der durchdringende Blick seiner blauen Augen richtete sich nun auf sie. „Also gut. Aber dann können Sie mir mit Sicherheit auch erklären, wie es sein kann, dass das FBI besser über die Hintergründe der Seacrawler informiert ist als der NCIS. Woher zum Teufel wollen Sie all das wissen, was Sie mir da eben erzählt haben?“ Er wusste, es war ein schmerzhaftes Eingeständnis, dass der NCIS über die näheren Umstände nichts wusste. Aber die Vermutung, die der FBI-Agent hier angebracht hatte, duldete keine Kompetenzrangelei. Jedenfalls nicht in dieser Art. Scully schaute auffordernd zu Mulder hinüber, der dünn lächelte. „Ich habe mich informiert.“ Es half nichts. Mulder war ganz offensichtlich auf Konfrontation aus und offensichtlich wusste er mehr über das Schicksal des Kreuzers als Gibbs lieb war. Das konnte er nicht einfach so leichtfertig in den Wind schlagen. „DiNozzo!“ Hastig drehte sich der junge Mann zu seinem Boss, schaltete das Handy aus und war mit wenigen Schritten an seiner Seite. Verwundert musterte er die Mulder und Scully. „Schaff diese beiden FBI-Agenten raus aus dem Sicherheitsbereich und unterhalte dich mit ihnen. Ich will jedes noch so kleine Detail erfahren, was sie über die Seacrawler wissen.“ Er entließ die drei mit einem knappen Kopfnicken und setzte dann seinen Weg um das Schiff fort. Mulder verfolgte Gibbs noch einen Moment mit nachdenklichem Blick. Konnte es wirklich sein, dass der NCIS nichts von der Mission der Seacrawler gewusst hatte? Er schätzte den silberhaarigen Agent mit diesen unglaublich harten blauen Augen als einen fähigen und weisen Ermittler ein. Ihm war die Bestürzung, die ihn für einen kurzen Moment überrascht hatte, nicht entgangen und er wertete sie als durchaus reale Reaktion. Unwohlsein breitete sich in seinem Magen aus. Wenn das tatsächlich so war, dann verhieß das wahrlich nichts Gutes. Er hatte richtig gehandelt, hier nach Tennessee zu kommen. Soviel stand fest. Mulder wandte den Blick ab und folgte dem jüngeren NCIS-Agent, fort von der unheimlichen Aura des havarierten Kreuzers. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)