Goldener Drache von abgemeldet (Zorros Reise) ================================================================================ Kapitel 1: Nächtlicher Besuch ----------------------------- Vorwort: Diese FF ist der zweite Teil in einer mehrteiligen, aneinanderknüpfenden FF. Der erste Teil heißt „Die Nachtigal“ und wird bald auch auf dieser Seite online sein. Doch bis dahin hier noch eine kleine Zusammenfassung. In „Der Nachtigal“ kommt ein neues Mitglied in die Strohhutbande. Ihr Name ist Joren und sie ist blind. Wie das alles sich entwickelt müsst ihr selber lesen. Ansonsten ist nur zu sagen, dass Joren Sanjis Freundin ist. Dann wünsch ich euch viel Spaß beim Lesen und freu mich über jede Kritik, jedes Lob und jede Anregung. Vielen Dank fürs Lesen! Das Haus ist in den Schatten nicht leicht zu finden. Konturlos liegt es vor ihr. Die Ebene hier ist voller Schatten und aufragender Dunkelheit. Kein guter Ort. Sie können überall lauern, sie spuckt aus. Verfluchte Seelenräuber. Flink steigt sie die Stufen hinauf, gleitet durch die schattenhafte Türe. Sie sieht sich um. Alles normal. Der Schemen einer Person liegt auf einem Umriss, in dem man ein Bett erkennen könnte. Das Mädchen kniet sich neben sie. „Alte, hör mir zu. Sie sind da. Ihr Schiff liegt zwei Inseln weiter vor Anker. Du kannst damit anfangen. Bedenke einen Faden vom Feigling, der die Stärke hat mutig zu sein. Ein Faden vom Naiven, der mit eisernen Willen seine Träume jagt. Ein Faden von der Klugen, die weiß, dass sie nicht alles weiß. Ein Faden von der Willensstarken, die sich auch biegen kann. Einen Faden von der Blinden, die ihren Weg auch in der Dunkelheit findet. Einen Faden vom Edlen, der immer verteidigt, was beschützt werden muss. Und ein Faden vom Heiler, der die Wunden schließt. Aber bedenke von dem Kämpfer darfst du keinen Faden ziehen. Beginne sobald wie möglich.“ Ihre Hand legt sich auf den Kopf der Schlafenden. Sie schreckt hoch. Schwitzend sieht sie sich im Raum um. Niemand hier. Langsam, den sie ist alt, steigt sie aus dem Bett. Heute Nacht wird sie keinen Schlaf mehr finden. Keuchend kramt sie Kerzen und Kreide aus einer verstaubten Kiste. Gähnend betrachtet sie die staubigen Utensilien. Im Geist rechnet sie noch einmal die Fäden nach, 7 Fäden, 7 Kerzen, 7 Kreise. Sie buckelt sich hinunter. Malt mit steifen Fingern die Zeichen auf den Holzboden. „Worauf habe ich mich da bloß eingelassen.“ Belustigt beobachtet das Mädchen den Schemen, er wirkt müde und alt. Sie lacht. „Dass weißt du doch ganz genau altes Weib.“ Kapitel 2: Katerstimmung ------------------------ „Das war vielleicht eine Party.“ Nami gähnt. „Meine Güte können diese Typen feiern.“ Joren lacht. „Ich glaub… ich bin betrunken.“ Sanji, der seine Joren führt, denn sie schwankt gefährlich hin und her, meint amüsiert. „Das glaub ich auch.“ Zorro bildet das Schlusslicht der ausgelassenen Truppe. Seine Augen glänzen weinselig. „Ja, das kann man doch nicht ahnen, dass wenn man so eine Seeschlange zerlegt, man als Helden gefeiert wird.“ Ruffy grinst Lysop an. „Aber ist doch toll!“ Zwei Tage haben sie mit Feiern verbracht. Da stößt sogar der härteste Pirat an seine Grenzen. Erschöpft flüchtet sich die Crew auf die Flying Lamp. Keine Party, nur eine erholsame Mütze Schlaf. Zorro reibt sich den schmerzenden Kopf. Sein Magen knurrt, aber Hunger hat er nicht. Mit zusammengebissenen Zähnen zischt er: „Verdammter Rum!“ Er krabbelt aus der Hängematte. Schaut sich im Schlafraum um. Keiner seiner Freund rührt sich. „Verdammter Rum“ keucht er noch einmal und stürmt die Treppe hinauf ans Deck. Er hat es eilig, immerhin muss er sich die letzten zwei Tage noch einmal durch den Kopf gehen lassen. „Verdammter Rum.“ Er reibt sich den Bauch. „Nie wieder.“ Er blinzelt. Die Sonne blendet ihn. Es ist schon Nachmittag. „Hey Jungs, kommt mal hoch.“ Keine Antwort. Es bleibt ruhig an Deck. Knurrend, denn seine Laune ist heute wirklich nicht die beste, geht er unter Deck zu dem Schlafraum der Jungs und bedenkt Ruffy mit einer Kopfnuss. „Aufstehen fauler Kerl. Wir müssen wieder weiter. Genug geschlafen.“ Doch Ruffy fällt aus der Matte und bleibt reglos am Boden liegen. Zorro hält inne. Etwas stimmt hier nicht. Etwas fehlt. Es ist zu still. Aber wieso, was fehlt, welches Geräusch? Zorro zieht die Luft an. Das Geräusch, wenn Menschen atmen. Hier in diesem Raum atmet niemand. Zorros Augen weiten sich. Er packt Ruffy, zieht ihn hoch. Haut ihm mit der Handfläche ins Gesicht. „Komm schon, lass den Blödsinn. Das ist nicht witzig.“ Achtlos lässt er den Kapitän wieder zu Boden fallen. Keuchend steht er bei den Frauen im Zimmer, in dem die gleiche Totenstille herrscht. „Was ist hier los? Verdammt. Wacht auf. Nami!“ Er schüttelt die Navigatorin. Nichts. Panisch stürmt er aufs Deck, dreht sich, sieht sich um. Was soll er jetzt machen? Sind alle tot? Hat man sie vergiftet? Er fällt auf die Knie. „Dafür wird jemand zahlen, dass schwör ich…“ Sein heulen donnert über das Meer und irgendwo in einer Welt aus Schatten lächelt ein Mädchen. „Das Netz ist ausgeworfen, warten wir ab. Bald geht uns der Fisch in die Falle.“ „Hey Kumpel, hast du deinen Rausch ausgeschlafen?“ Der runde, rotnasige Wirt winkt Zorro zu. Sein Lachen vergeht ihm, als er mit angsterfüllten Blick den Schwertkämpfer mustert. „Freund, was hast du? Warum mit gezogenen Schwert unterwegs? Hey…“ Zorro packt den rundlichen, kleinen Mann mit den wenigen Haaren an der Schürze. „Meine Freunde… Meine Freunde sind tot. Und du hast sie vergiftet!“ Der Wirt beginnt zu zappeln, angelt mit den Fingern nach einer Flasche, kann sie nicht greifen und wirft sie um. „Malle, was geht hier vor?“ In der Tür steht ein älterer Herr, elegant gekleidet, mit geschwungenem Schnurrbart. „Dr. Joses, bitte…“ Zorro verpasst dem kleinwüchsigem Wirt eine. „Wir haben geschlossen.“ Er funkelt den Störenfried an. „Junger Freund, vielleicht sollte ich ihre Freunde mir mal ansehen, bevor sie einen alten Kameraden von mir töten, der in seinem Leben noch nicht einmal eine Fliege umgebracht hat.“ Zorro hebt den kleinen Mann wieder vom Tresen. „Dann los. Aber du kommst mit, kleine Made.“ Der Wirt duckt sich vor ihm. Aber die Rechte sitzt. Jammernd wird er von dem wütenden Schwertkämpfer zu Flying Lamp geschleift. Der Arzt folgt ihnen mit gemäßigten Schritten. Immer wieder muss Zorro und der Wirt Malle anhalten, damit der Arzt nicht verloren geht. Ungeduldig schnauzt Zorro den Arzt an, ob das nicht schneller geht. Dieser hebt nur lachend die Hand. „Auf ein Wort.“ Zorro folgt dem großen, schlanken Mann in die Kombüse. „Deine Freunde haben eine Temperatur von 37,5 Grad. Konstant.“ Zorro schaut ihn an. „Sie atmen nicht mehr.“ Der Arzt nickt. „Aber der Körper beginnt nicht zu verfallen. Deine Freunde müssten langsam erstarren, kälter werden oder wenigstens an Farbe verlieren. Aber schau sie dir an, sie sehen aus, als würden sie schlafen.“ Zorro wirft durch die offene Tür einen Blick aufs Oberdeck. Seine Freunde liegen aufgebart an Deck, während der Wirt weinend am Hauptmast kauert. „Was geht hier vor?“ Der Arzt zuckt mit den Schultern. „Mein Freund, dass weiß ich nicht. Aber ich kenne jemanden, der Erfahrung mit ungewöhnlichen Dingen hat.“ Zorro blitzt ihn an. „Man kann sie vielleicht noch retten?“ Der Arzt zuckt wieder mit den Schultern. „Du musst zu einer alten Freundin von mir. Sie wird dir eventuell weiterhelfen können. Ich beschreibe dir den Weg. Du hast Glück, sie lebt auf einer Insel, die nur zwei Inseln von dieser entfernt ist.“ Es ist nicht leicht ein Segelschiff alleine zu steuern. Aber was bleibt ihm anders übrig. Mit grimmiger Miene lichtet er den Anker und nimmt Kurs auf die beschriebene Insel. Immer wieder blickt er auf die leblosen Körper seiner Freunde. Seine Gesicht wird noch finsterer. Kapitel 3: Der Sumpf -------------------- Ein Fluss führt ins Innere der Insel, genau so wie es der Arzt beschrieben hat. Zorro kratz sich die Stirn. Er sagte, den Fluss entlang, immer weiter, bis sich die Landschaft ändert. Und aus dem breiten Fluss eine Ebene aus Sümpfen und Morast wird. Immer in der Rinne zwischen den riesigen Bäumen, mit den Luftwurzeln bleiben, dort ist das Wasser tief genug, um auch mit einem großen Kahn entlang zu schiffen. Mindestens zweihundert hat er heute schon erschlagen, aber es kommen immer noch mehr nach. Gerade beobachtet er, mit zusammen gekniffenen Augen, wie sich so ein Mistvieh auf seinem Handrücken niederlässt und genüsslich zubeißt. Platsch – platt ist sie. Zorro wischt angewidert seinen Handrücken an seiner Hose ab. Das Vieh hat sich ja ganz schön vollgefressen. Es ist heiß, er ist müde und furchtbar gelaunt. Langsam vergisst er über seinen Ärger auch die Angst und die Trauer um seine Freunde. Er kocht und nicht nur, weil ihn die Sonne hartnäckig auf den Kopf brennt. Seine rechte Hand beginnt mit dem Schwertknauf von Kuinas Schwert zu spielen. Er seufzt. Sein Blick fällt auf die starren Körper. Kuina lag damals auch so da. Sie starb. Was wäre geworden, hätte sie nicht sterben müssen. Sie hat ihn einst im Schwertkampf besiegt. Sie wollten beide die besten Schwertkämpfer der Welt werden. Doch ein Unfall beendete alles, bevor es überhaupt begann. Damals nahm Zorro ihr Schwert und trug ihren Traum mit sich in die Weite. „Kuina“, schwor er an ihrem Grab. „Ich werde für dich der beste Kämpfer der Welt werden. Ich werde dein Schwert tragen, bis sich unser Traum erfüllt hat.“ Der Fluss macht eine Linksbiegung. Es ist ungefähr 500 Mückenstiche später und 5 Grad heißer. Zorro kaut auf seiner Unterlippe. Er lehnt mit verschränkten Armen an der Kabinenwand. „Rauch.“ Er schirmt seine Augen vom Sonnelicht ab. Nach ein paar Metern kann man bereits vom Fluss aus die Hütte sehen. Sie ist auf Stelzen in den Fluss gebaut. Der vordere Teil der Hütte liegt an einer Felsplattform, eine kleine steinerne Insel, in diesem Meer aus Morast. Man kann direkt von einem Schiff auf die hintere Veranda steigen. „Jungs, wir sind da. Nein, keine Angst, ich schaff das schon alleine. Bleibt ruhig liegen.“ Er lacht böse. Trag nach außen den kalten Stahl, ist das nicht sein Lebensmotto, mit dem er bisher gut gefahren ist. Nur darf man nicht hinter die Fassade blicken, denn in ihm sieht es anders aus, mit einem mulmigen Gefühl verlässt er die Flying Lamp. „Hallo. Hallo ist jemand da?“ Beinahe wäre er mit einer alten Frau zusammengestoßen, die gerade um die Ecke gebogen ist. Sie ächzt, schlägt sich mit ihrer rechten Hand auf die linke Brust. „Um Himmelswillen musst du mich so erschrecken.“ Zorro seufzt beruhigt, für eine Sekunde glaubte er doch fast, die Alte würde aus den Latschen kippen. „Ich wurde von einem alten Arzt zu dir geschickt. Meinen Freunden geht es nicht gut und er meinte, du wärst die Richtige für solche Fälle.“ „Solche Fälle?“ Die Alte blinzelt neugierig. Sie mustert den jungen Mann mit den ungewöhnlichen grünen Haaren. Ihr Blick fällt auf die drei Schwerter an seinem Gürtel und für einen kurzen Augenblick blitzen ihre Augen. Zorro dreht sich um, scheinbar so voller Sorge um seine Freunde, aber er hat diesen Blick gesehen. Ein guter Schwertkämpfer hat auch hinten Augen und er ist gut. Die Alte folgt ihm auf die Flying Lamp. Die Alte bückt sich über Sanji. „Ein Jammer, er ist viel zu hübsch für so ein schreckliches Schicksal.“ „Weißt du, was man da machen kann?“ Die Alte wedelt mit der Hand vor seinem Gesicht. „Komm mit.“ Ratlos bleibt sie vor dem improvisierten Steg, zur Hütte hinüber, stehen. „Na los, gaff nicht lange und hilf mir lieber hinüber.“ Widerwillig hebt Zorro die unförmige, alte Frau auf den Steg. „Danke.“ Den Rest versteht er nicht mehr, irgendetwas über die heutigen Männer und das früher alles anders war. Kopfschüttelnd folgt er dem Weib. Er mustert die Umgebung, sie sind völlig alleine hier draußen. Sein Instinkt warnt ihn vor etwas, aber hier ist niemand, der eine Gefahr wäre. Die Alte muss er nun wirklich nicht fürchten, aber trotzdem will das ungute Gefühl nicht verschwinden. Das Moor liegt flirrend in der Nachmittagssonne. Die Alte führt ihn vor die Hütte, bleibt stehen und dreht sich zu dem Krieger um. „Sie wurden angehalten, zwei Tage und sie sind wirklich tot. Niemand hat es länger überlebt. Kannst sie dort drüben begraben.“ Ihre faltige Hand zeigt auf ein verkrüppelte Akazie, die sich in den Felsen krallt. Der Baum sieht so fehl am Platz aus, mit seinen knorrigen Äste, die klagend in den Himmel zeigen. Zorro läuft ein kalter Schauer über den Rücken. „Oder nimm sie wieder mit. Mir gleich. Ich hät’ aber noch Platz.“ Zorro packt das alte Weib am Kragen. „Ich will hier niemanden begraben. Kannst du mir helfen oder soll ich meine Meinung ändern und dich dort drüben begraben? Platz ist ja noch, hast du gesagt.“ Die Alte funkelt ihn an, wischt seine Hände weg. „Ein Morga-Meister hat ihren Lebensfaden gezogen. Da kann man nichts machen. Still stehen werden sie bis zum Tod. Verschwinde jetzt.“ „Der Dok hat gesagt, du könntest mir helfen.“ Seufzend setzt sie sich auf die Bank auf der vorderen Veranda. „Dieses feuchte Klima“ Ihr Gesicht wirft noch mehr Falten. „Du bist immer noch da?“ Zorro spreizt die Arme in die Hüfte. „Und werde es auch noch bleiben.“ „Hm, ich halte jetzt ein Nickerchen, kannst dich ja weiter von den Mücken fressen lassen.“ Sie schließt die Augen. Beinnahe wäre sie tatsächlich auch eingeschlafen, an so einem sonnigen Tag auch kein Wunder, aber da ist etwas, eine kleine lästige Mücke will ihr keine Ruhe lassen. Sie lacht in sich hinein. Dieses Spielchen gefällt ihr. Viel zu wenig geschieht hier draußen in den Sümpfen. „Du bist sehr leise und geschickt.“ Ihre faltigen Augenlider öffnen sich ein Stück, sie mustert das Gesicht über ihr. Die alte Hand legt sich fest um das Schwert an ihrer Kehle. „Du glaubst, du hast immer die Kontrolle, aber du wirst schnell begreifen mein Junge, dass du nichts bestimmen kannst, denn die Würfel sind schon längst gefallen. Du hast soeben dein Schicksal besiegelt.“ Ihre Augen werden groß, groß und gierig. Zorro starrt auf die Klinge. Ein kleiner Rinnsal roten Blutes läuft von der Hand der Alten über das Schwert. Kuinas Schwert. Das Blut windet sich wie eine Schlange über den Griff auf seine Hand. Erschreckt springt er zurück, fällt rücklings die Treppen hinab und landet auf hartem Felsgestein. Das Schwert hält er verkrampft fest, kann es nicht loslassen. Er spürt die Blutschlange an seinem Arm entlang kriechen. Ihr folgt eine beklemmende Taubheit. Sein Arm gehorcht ihn nicht mehr. Er starrt, auf dem Rücken liegend, in den blauen Himmel. „Was geschieht hier…?“ Er keucht. Die Schlange legt sich um seinen Hals und drückt zu. Die Alte taucht über ihm auf. „Lass los, desto mehr du dich wehrst, desto schlimmer wird es. Lass dich fallen.“ Noch einmal versucht er sich aufzubäumen. Aber er hat schon längst keine Kontrolle mehr über seinen Körper. Mit zusammengebissenen Zähnen lehnt er sich gegen die aufziehende Dunkelheit. Die Sonne lacht auf ihn herab, die Alte schleicht wie eine Katze um ihn herum. Er beißt die Zähne zusammen. Immer wieder versucht das Weib ihn mit Worten einzulullen, ihn gefügig zu machen, ihn einzuschläfern. Mit süßlicher Stimme erzählt sie von dem Ende des Kampfes und das eine Niederlang keineswegs eine Schande ist. Sie spricht von dem leichten Weg und dass er einfach aufhören soll sich zu wehren. Die Würfel seien doch schon längst gefallen. Seine Kieferknochen fest zusammen gepresst, starrt er hinauf in den Abendhimmel. Aber irgendwann, als bereits die ersten Sterne am Himmel erscheinen, schließt er die Augen und fällt in die Dunkelheit. Die Alte seufzt. „Na endlich. Ich dachte schon, den krieg ich nicht klein.“ Sie wischt den Schweiß von ihrer Stirn. „Du bist stark.“ Ihr Blick gleitet an seinen muskulösen Armen entlang. „50 Jahre jünger und du müsstest nicht hier draußen liegen, sondern würdest in meinem Bett liegen.“ Sie lächelt, schüttelt den Kopf. Nein, solche Gedanken schicken sich wirklich nicht für eine Frau in ihrem Alter. Seufzend lässt sie sich auf die Bank nieder, jetzt kann sie ja ihr Nickerchen halten. Kapitel 4: Sieben rote Fäden ---------------------------- Nirgendwo im Irgendwo gibt es eine Freundschaft wie diese. Die schlanke, großgewachsene Schönheit, mit der goldenen Haut, den goldenen Haaren und den großen lila Augen schaut auf das jünger wirkende Mädchen. Ihre schwarzen, schulterlangen Haaren hängen ihr in die dunklen Augen. „Du kannst noch etwas bleiben. Wirklich. Ich hab doch Platz!“ Das Mädchen schaut zu ihrer Freundin auf. „Ich kann ja wiederkommen. Hab ja von dir den Schlüssel bekommen.“ Die beiden umarmen sich. „Pass auf dich auf. Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde das Zimmer hinter der Türe unheimlich.“ Das Mädchen lacht. Sie schaut den Goldenen Drachen an und umfasst ihre glänzende Hand mit ihren bleichen Fingern. „Vielleicht kommt er ja heute.“ Der Goldene Drache legt ihr Köpfchen schief. „Glaubst du? Kannst du ihn mir zeigen?“ Die Freundin lacht, „das mach ich.“ Sie dreht sich um und öffnet die Türe. Die junge Frau ruft ihr nach. „Kuina lass dir bis zu deinem nächsten Besuch nicht wieder so viel Zeit.“ Das Mädchen winkt ihr zu und ist schon durch die Tür geschlüpft. Die goldene Frau seufzt. Verschwunden ist die Tür, die noch nie in einer Wand gesteckt hat. Lachend wendet sie sich um, sie hat eine neue tolle Idee. Der Goldene Drache hat bereits vergessen, dass gerade noch auf der Blumenwiese eine Türe stand und ihre Freundin darin verschwand. Sie fängt sich einen Lichtstrahl, immerhin will sie nicht ewig in dem Mondlicht rumlaufen. Prüfend dreht sie sich im Kreis. Ihr langes Kleid wird unter ihrer Drehung weit, lachend lässt sie sich zurückfallen und verschwindet in dunklem Wasser. Zorros Kopf schmerzt. Aber irgendwie fühlt es sich seltsam an. „Du bist wach?“ Er reibt sich die Stirn. „Was ist passiert?“ Er öffnet die Augen. Alles ist verschwommen. Ganz langsam klärt sich sein Blick. Ein kleines Mädchen kauert über ihm. Lächelt ihn frech an. Wortlos starrt er sie an. Schwarzes, schulterlanges Haar, goldene Haut und ein schwarzes und ein lilafarbenes Auge. Irgendetwas an der Kleinen kommt ihm schmerzlich bekannt vor. „Bist du ein Engel?“ Sie kichert. „Nur wenn du auch einer bist.“ Zorro schüttelt verwirrt den Kopf. Alle Geräusche sind gedämpft, die Luft ist irgendwie dicker geworden und will sich gar nicht wie Luft atmen lassen. Auf seinen Ohren ist ein unerträglicher Druck, alles klinkt hohl und stumpf und weit entfernt. Die Kleine packt beherzt seine Hand. „Komm steh auf, die Seelenräuber sind unterwegs.“ Er schüttelt ihre Hand ab und richtet sich auf. „Seelenräuber? Ich verstehe nicht?“ Sein Blick gleitet über eine unförmige Ebene mit dunklen Flecken und schwarzen Fetzen, die an Bäume erinnern. Wabernde Schatten ziehen wie Wolken über einen noch dunkleren Himmel. Aber trotzdem kann man den düsteren Horizont sehen, obwohl es hier kein Licht zu geben scheint, nur ein graues, stumpfes, etwas helleres Irgendwas, ein Dunkellicht von irgendwoher. Seine Gedanken kann man wohl deutlich an seinem Gesicht ablesen, denn die Kleine flüstert ihm zu. „Das ist nicht der Himmel, aber das spürst du, nicht wahr?“ Zorro nickt. Sein Mund ist so trocken, er würde bestimmt keinen Ton seiner Kehle entringen können. „Komm jetzt, wir haben keine Zeit.“ Die Kleine packt seine Hand, ihr kleines Händchen verschwindet in der seinen. Sie zieht ihn mit sich. Benommen stolpert er über den dunklen Boden. Er sieht verbrannt aus, der Gedanke lässt ihn zusammenzucken. Sein Blick vermeidet den Boden zu treffen, lieber einen schwarzen Himmel anstarren. Beinahe wäre er über die Kleine gestolpert. Sie ist so plötzlich stehen geblieben. Mit einem breiten Grinsen zeigt sie auf einen Strang roter Fäden. „Schau.“ Zorro schüttelt den Kopf. „Ich verstehe nicht.“ Es will noch immer nicht klar werden in seiner Gedankenwelt. Das Mädchen lässt seine Hand los und springt zu den Fäden, die von Osten her nacht Westen laufen. Zorro folgt ihr mit schwankenden Schritten. Sie nimmt einen Faden hoch und meint lächelnd. „Euer Kapitän ist ein lustiger Typ. Schau…“ Zorro starrt den roten Faden an. „Was soll ich sehen?“ Das Kind lacht. „Du bist ja ganz schön dumm. Da, schau im Faden siehst du deinen Ruffy. Hier, seine Träume, seine Erinnerungen, seine Hoffnungen und dort die Wünsche.“ Zorro lässt sich auf den verbrannten Boden fallen. Noch nie hat er sich schwächer gefühlt. „Ich will von hier weg. Bring mich bitte hier weg.“ Die Kleine sieht ihn mit ernster Miene an. „Das kann ich nicht. Du bist nicht ohne Grund hier. Es tut mir leid, wir müssen weiter. Du musst den Fäden folgen.“ Sie drückt Ruffys Faden in seine Hand. Zorro starrt ihn an. „Deine Freunde sterben. Du musst den Fäden folgen, am Ende des Fadens findest du die Rettung für sie.“ „Meine Freunde…“ „Ja, die Strohhutbande. Ach her je, dich kann ich unmöglich hier lassen. Na los, komm steh auf oder willst du gefressen werden. Schau dort drüben ist schon einer.“ Zorro folgt dem Finger des Kindes. Ein riesiges Gebilde wandert über die dunkle Weite. „Was ist das?“ „Hörst du mir eigentlich zu?“ Sie rümpft die Nase, wie eine strenge Lehrerin. „Seelenräuber. Und jetzt komm.“ Sie führt den Krieger weiter an der Hand, durch das Land der Dunkelheit, der Schatten und der Verzweiflung, wie Zorro bald am eigenen Herzen spürt. Noch nie war ihm so elend. Schon seit Stunden folgen sie den roten Fäden. Langsam hat er sich wieder gefangen. Aber noch immer schwächt ihn ein Gefühl, ein Druck auf ihm. Diese Umgebung scheint in ihrer abgrundtiefen Unerbittlichkeit alles zerquetschen zu wollen. Zorro seufzt. Das Kind führt ihn schweigend an den Fäden entlang. Dankbar für die Stille nutzt er die Zeit zum Nachdenken. Was ist das letzte, an das er sich erinnern kann? Die Hexe im Moor… die scheintoten Freunde…, die Blutschlangen. Ein Zittern durchläuft seinen Körper …die Dunkelheit. „Wie heißt du?“ Seine Stimme klingt viel zu schwach für seinen Geschmack. „Ich habe keinen Namen. Ist es für dich von Wichtigkeit, mich bei einem Namen rufen zu können?“ Zorro schluckt. „Jeder hat einen Namen.“ Sie dreht sich um. Schaut zu ihm auf und kichert. „Jeder ist nicht hier, nur du und ich. Wie nennt man dich?“ „Zorro.“ Ihre Augen werden groß. “Woher hast du diesen Namen?” Er schüttelt den Kopf. „Meine Eltern haben mich so genannt.“ „Pah, da hast du’s“ Die Kleine unterstreicht ihre Worte mit ausladenden Handbewegungen und einem belehrendem Gesichtsausdruck. „Ich habe keine Eltern, also hab ich auch niemanden der mir einen Namen gibt. Verstehst du?“ Der Druck auf seinen Schultern wird stärker, er sinkt auf die Knie. Ihre Gesichter sind auf einer Höhe. Mit flehenden Augen schaut er in die leuchtenden und doch so fremdartigen Kinderaugen. „Bin ich tot?“ Die Kleine lächelt liebevoll. Umarmt den Schwertkämpfer mit dünnen Ärmchen. „Was soll ich dir sagen.“ Flüstert sie in sein Ohr. „Ich kenne das Leben nicht, wie soll ich da den Tod beurteilen können. Aber trage Hoffnung in dir. Es wird sich alles zur Zeit geben. Vertraue.“ Seine Stimme bricht. „Wem soll ich vertrauen?“ Das Kind legt seine Stirn an seine. Schaut mit dem schwarzen und dem lila Auge in seine. „Der Hoffnung in deinem Herzen.“ Kichernd dreht sie sich um und springt auf einem Fuß voran. „Wer als erster bei der Tür ist hat gewonnen.“ „Tür?“ Zorro blinzelt. Mitten in der düsteren Ebene steht eine braune Holztüre, die zuvor noch nicht da war. Die roten Fäden laufen unter dem Türspalt durch. Verwirrt kämpft er sich auf die Beine. Das Mädchen steht schon ungeduldig an der Türe. Laut lacht es auf und ruft ihm zu. „Wofür hast du nur so lange Beine bekommen, wenn du damit nur wie eine Schnecke kriechst?“ Sie scheint es nicht zu stören, dass die dunklen Wesen auf der Ebene hinter ihnen, sich auf den Weg zu ihnen machen. „Bist du bereit?“ „Wofür?“ Zorro starrt in die Dunkelheit, die sich hinter der Türe ausbreitet. Nicht einmal fahles Licht. Einfach Nichts. „Für einen Weg, der dich für immer verändern wird.“ Er schluckt. Zieht die Luft an, dass was er jetzt gleich sagen wird, fällt ihm furchtbar schwer. Noch nie in seinem Leben hat er diesen Satz ausgesprochen oder auch nur gedacht. „Ich habe Angst.“ Die Kleine drückt seine Hand. „Das ist gut. Geh jetzt.“ Er schaut auf ihre schwarzen Haare. „Wirst du nicht mitkommen?“ Sie schüttelt den Kopf. „Es wäre nicht gut, wenn ich dich jetzt begleiten würde. Glaub mir. Aber wir werden uns wiedersehen.“ „Was ist mit den Seelenräubern? Sie kommen.“ „Mach dir keine Sorgen. Damit komm ich schon klar. Geh jetzt.“ Zorro nickt und macht einen mutigen Schritt in die Dunkelheit. Die Kleine schließt die Türe hinter ihm und dreht sich um. Ein seltsamer Ausdruck liegt auf ihrem kleinen Gesicht. Hinter ihr erstreckt sich eine unheilvolle Landschaft. So weit das Auge reicht, nur Schatten und Dunkelheit. Die Tür ist verschwunden. Kapitel 5: Drachenland ---------------------- Der Fall ins Nichts, hat er davon nicht schon einmal geträumt? Er stürzt in die Tiefe, die keinen Boden hat. Während seines freien Falls scheint der Druck leichter zu werden und verschwindet ganz. Die beklemmende Angst verringert den eisernen Griff um sein Herz. Gelassen und gedankenlos fällt er. Und irgendwann schließt er die Augen. Diesmal verspricht die Dunkelheit Ruhe und Friede. Er spürt, dass er auf etwas aufkommt. Weich federt der Boden seine Landung ab. Eine rote Sonne streichelt sein Gesicht. Fasziniert prüft er den Untergrund, der seinen Sturz aufgefangen hat. Schwarzes Wasser, aber er liegt darauf, wie auf Daunen. Mit gekreuzten Beinen sitzt er auf der wabernden Flüssigkeit, schaut sich um. Aber kann nichts anderes als das schwarze Wasser erkennen und die rote Sonne, die ihn wärmt. Staunend wandert er über das schwarze Meer. Wohin hat es ihn jetzt wieder verschlagen? Jeder Schritt löst kleine, kreisförmige Wellen aus. Er seufzt. Die roten Fäden fallen ihm wieder ein. Suchend lässt er seinen Blick schweifen. Nichts. Manchmal erlebt man Dinge, die der Verstand nicht begreifen kann. Und manchmal kommt soviel auf einmal, dass man sich über nichts mehr wundert. Hat ihn noch diese dunkle Welt erschreckt, die Türe, aus dem Nichts verwirrt und das schwarze Meer, in dem man nicht versinkt verwundert, so überfordert ihn das, was ihm jetzt wiederfährt, vollkommen. Sein Geist hat begriffen, dass Verstand und Logik seit kurzer Zeit keine Rolle mehr spielen, aber trotzdem ist das, so unglaublich, dass selbst die Geschehnisse der jüngsten Zeit verblassen. Zuerst ist da nur eine Wölbung im Wasser. Eine Unregelmäßigkeit in der glatten Oberfläche, dann jedoch taucht aus der Flüssigkeit etwas auf, dass ihn veranlasst, stehen zu bleiben. Die junge Frau steht nackt vor ihm und mustert ihn neugierig. Sein erster Gedanke, und dass wird er nie vergessen, ist – geniert sie sich den gar nicht? – Und dann bemerkt er erst, was für ein seltsames Geschöpf vor ihm steht. Eine Venus mit goldener Haut, goldenem Haar, schimmernden Lippen und lilafarbenen Augen. Er schluckt. Irgendwie sieht sie dem Mädchen, dass ihn hier her geführt hat ähnlich, aber nur irgendwie. Sie tritt auf ihn zu, er macht einen Schritt zurück. Kommt ins Taumeln und setzt sich unfreiwillig auf den Boden. Mit offenen Mund starrt er sie an. Sie lächelt, steht über ihm und beugt sich zu ihm hinunter. „Wo kommst du denn her?“ Zorro schluckt. Starrt sie an und fühlt sich wie ein Idiot, aber er kann nichts anderes sagen. „Solltest du dir nicht etwas anziehen.“ Verwirrt schaut sie ihn an, um dann loszulachen. „Wenn du meinst.“ Das was jetzt geschieht ist eindeutig zu viel. Sie hebt ihre Hand nach oben und ein rotes Licht erscheint auf ihrer Handfläche. Mit der anderen Hand presst sie das Lichtlein zusammen. Zorro zuckt zurück, als sie ihre Hände auseinander schnellen lässt und mit einer Bewegung sich das Licht um ihren Körper hüllt. Aus dem Schimmer wird etwas greifbares. Ein zarter Stoff, der sich als kunstvolles Kleid an sie schmiegt. „Gefällt es dir?“ Lachend setzt sie sich neben ihn. Zorro beobachtet jede Bewegung von ihr. „Ich habe nicht oft Besuch und vor allem nicht von Fremden. Das ist toll!“ Quirlig springt sie wieder auf und packt den armen Zorro bei den Händen. „Komm mit, ich muss dir was zeigen. Vielleicht gefällt es dir, so wie mir.“ Zorro entreißt ihr seine Hand und bleibt stehen. Erstaunt dreht sich die seltsame Frau um. Mit fragender Miene mustert sie den finsteren Mann. Dieser legt die Hand auf den Schwertgriff und zischt. „Was geht hier vor? Wo bin ich hier und wo sind die roten Fäden?“ Die Frau schaut ratlos an ihm herab und mustert das Schwert. Und dann beginnt sie zu Lachen, hell und klar. Zorro lässt die Hand sinken und schaut sie an. „Bitte, sag mir wo ich bin und wer du bist?“ Sie verstummt, zwinkert ihm zu. „Ich bin der Goldene Drache und du bist hier. Soll ich dir etwas zeigen?“ Müde und kraftlos nickt der Schwertkämpfer. Sie nimmt seine Hand, streicht über seine Wange. „Du siehst müde aus und…“ Ihre Augen scheinen förmlich in seine Seele zu blicken. „Und es ist so furchtbar kalt in dir. Wir müssen dich wärmen. Sonst kommst du nicht weit.“ Sie dreht sich um und hebt erneut die Hände. Doch diesmal beginnt sich das Wasser zu bewegen. Panisch schaut sich Zorro nach einer Stelle, in der er in Deckung gehen kann, um. Aber da ist nichts. Alles bewegt sich. Vor ihm schießt eine Fontäne schwarzen Wassers in die Höhe. Das Wasser steht still und beginnt sich zu verformen. Nimmt Farbe an und wird zu einer Hütte. Tausend Kaskaden erheben sich aus den dunklen Fluten rings um ihn herum in den roten Himmel. Alles geht so schnell, das Wasser steht still und verändert sich. Hört auf Wasser zu sein und kleidet sich in Farben, intensiver, wie er sie jemals gesehen hat. Der Boden unter ihm verändert sich. Erschreckt stellt er fest, dass er auf weichem Laubboden steht. Die heruntergefallenen Blätter glänzen golden. Er fährt herum, dreht sich um sich selbst und stellt fest, dass sie in einem Laubwald stehen, mit großen Bäumen, deren Kleider in allen Farben des Herbstes leuchten. Die Frau, wie hat sie sich genannt? Der Goldene Drache dreht sich zu ihm um. „Du siehst blas aus. Hast du dich erschreckt?“ Sie umfasst seine Hand, legt dann ihren Arm um seine Hüfte, als er schwankt und führt ihn ins Haus. „Komm, drinnen ist es schön warm.“ Sie deckt ihn zu. Kraftlos flüstert er: „Ich kann nicht bleiben, ich muss weiter.“ „Still jetzt. Ruh dich aus, nimm Kraft und Wärme auf. Beides brauchst du dringend. Schlafe und gönne deinem Kopf etwas Ruhe.“ Sie nimmt seine Hand und streicht sanft darüber. Er fühlt sich in seine Kindheit zurückversetzt. Als kranker Junge, da lag er einst auch so im Bett, mit einer liebvollen Hand, die seine hielt. Seufzend, denn die Wärme dringt schon langsam in seinen Körper, in seine Seele und in sein Herz, schließt er die Augen und schläft ein. Der Goldene Drache weicht nicht von seiner Seite, lässt seine Hand nicht los. Er wacht auf. Energiegeladen verlässt er die Hütte und schaut sich um. Der Wald liegt in hellen Farben im roten Schein der Sonne. Keine Spur vom Goldenen Drachen. In welche Richtung soll er gehen? Eine innere Stimme sagt ihm, dass es gleich ist, welche Richtung er einschlägt. In dieser Welt würde es so und so keine Rolle spielen. Pfeifend marschiert er den schmäleren Weg entlang, ohne sich Gedanken über das Warum und Wieso zu machen. Noch nicht lange nach seinem Aufbruch, hört er ein Rascheln zwischen den Bäumen zu seiner Linken. Alarmiert bleibt er stehen, den Griff des Schwertes umfasst. Zwischen den Schatten der Bäume tritt eine Gestalt auf den Weg. Diesmal hat die junge Frau ein sehr kurzes Kleid aus, er würde tippen, Regentropfen an. Und natürlich ist sie ohne Schuhe unterwegs. Sie springt auf ihn zu. Seine Hand lässt den Griff wieder los. „Der Fremde! Na, gut geschlafen?“ Sie wartet keine Antwort ab. „Na los, komm mit, ich will dir so viele Dinge zeigen.“ Geduldig lässt er sich von ihr ins Schlepptau nehmen. Nach ein paar Metern bleibt sie stehen. Geduld ist nicht ihre Stärke. Der Weg scheint ihr zu lange zu sein, also wischt sie kurzerhand den Wald weg und lässt vor ihnen eine Lichtung erscheinen. Sie rümpft die Nase. Eine weitere Bewegung und aus dem goldenen Laub am Boden werden goldene kleine Blümchen, auf einer grünen Wiese. Ihr prüfender Blick hellt sich auf. „Komm!“ Auf der Mitte der Lichtung liegt eine Decke, mit einem Picknickkorb. Sie kichert. „Ich habe noch nie mit jemanden gepicknickt.“ Zorro lässt sich auf die Decke fallen. Die junge Frau setzt sich neben ihn und mustert ihn. Irgendetwas scheint sie zu stören. Mit schmollendem Mund schaut sie zur Sonne hoch und ändert das Rot in ein sanftes Gelb. Mit strahlenden Augen schaut sie Zorro noch einmal an und nickt dann zufrieden. „Es ist hier sehr seltsam.“ „Ist es bei dir nicht so?“ Zorro lacht auf. „Was?“ „Na, ich meine, ist es nicht so wie bei mir?“ Er schüttelt den Kopf. „Nein, es ist anders. Ganz anders.“ „Oh, wie ist es dort? Ich war noch nie irgendwo, wo es anders war.“ Verwirrt schaut er den Goldenen Drachen an. Er schweigt, doch sie stört es nicht. Lachend serviert sie ihm allerlei Speisen. Den ersten Bissen nimmt er mit viel Vorsicht, den Zweiten noch zaghaft, aber schnell hat er seine Bedenken vergessen. Es schmeckt köstlich und das Kitzeln, dass es in seinem Bauch hinterlässt, macht ihn viel ausgeglichener und das Finstere in ihm verschwindet. Satt und zufrieden hat er sich auf der Decke ausgestreckt. Der Goldenen Drache flattert auf der Blumenwiese herum und spielt sich mit den Farben der Blumen. Zorro beobachtet sie. Doch eine Falte teilt seine Stirn, er richtet sich auf. „Ich bin hier her gekommen, durch eine Türe, um die roten Fäden zu finden.“ Die Frau richtet sich auf und schaut zu ihm rüber. Er kann nicht sagen, ob sie ihm wirklich zuhört oder ob ihre Gedanken noch über die Blumenwiese hüpfen. „Freunde von mir sind in Gefahr.“ Sie horcht auf. „Tut ihnen was weh?“ Er nickt. Ihr offenes Gesicht nimmt einen bestürzten Ausdruck an. „Das ist ja schrecklich!“ Sie kommt zu ihm rüber und setzt sich neben ihn. „Ich muss ihnen helfen.“ Ein Nicken. „Ich bin hier her durch eine Tür gekommen, weil ich sieben rote Fäden suche.“ Enttäuscht ließt er nur Unverständnis in ihrem Gesicht. „Schau,“ versucht er ihr, wie einem Kind zu erklären. „Meinen Freunden geht es nicht gut, weil ihnen die Fäden gestohlen worden sind und ich suche den, der sie ihnen weggenommen hat. Wenn du mir hilfst ihn zu finden, dann kann ich ihnen helfen. Aber dazu muss ich die Fäden wiederfinden.“ Sie beißt auf ihre Lippen. Zorro schaut sie von der Seite an und fragt sich, was wohl in ihrem hübschen Köpfchen vorgehen mag. Sie springt auf. „Ich helf dir.“ Verspielt läuft sie ein paar Schritte rückwärts. Ein Windstoß von irgendwoher nimmt die Regentropfen ihres Kleides mit sich. Zorro schaut auf die Decke. „Das musst du nicht.“ Er schaut in ihr liebevolles Gesicht. „Schau nicht weg. Schau her.“ Sie breitet die Arme aus. Reckt das Haupt gen Himmel. Und wieder verformt sie die Wirklichkeit, wenn es Wirklichkeit in dieser Welt überhaupt gibt. Der zierliche Körper der Frau beginnt sich zu verändern, sanft biegt sich die Realität in eine neue Form. Staunend verfolgt er dieses Schauspiel, bis ein großer, goldener Drache auf der Lichtung steht. Majestätisch und betörend schön. Zorro klettert auf seinen Rücken. Die Schuppen unter seinen Fingern fühlen sich warm an. Mit rauschenden Schwingen erheben sie sich in den Himmel. Kapitel 6: Auf dem Seerosenmeer ------------------------------- Noch nie war ihm Endlosigkeit so bewusst wie in diesem Moment. Noch nie fühlte er sich freier. Die Welt liegt ganz klein unter ihnen. Von dieser Höhe aus haben sich die Farben des Herbstwaldes leuchtend vermischt. Sorgen, dass sie die Fäden nicht finden, hat er nicht. Wie könnte man hier oben auch Sorgen haben. Staunend, wie ein Kind, gleitet er mit dem Drachen durch einen gelben Himmel. Ein Ruck unterbricht den Gleitflug. Der Drache legt die Flügel anders in die Luft und sie beginnen zu sinken. Zorro beugt sich nach vorne und hält sich an seinem Hals fest. Ganz dicht über den Baumwipfeln gleiten sie dahin. Trotz des wieder ruhigeren Fluges, nimmt Zorro die Hände nicht vom Hals des leuchtenden Geschöpfes. Legt seinen Kopf an die Schuppen und schließt die Augen. Lauscht dem Rauschen der gewaltigen Schwingen und dem Geräusch des schlagenden Drachenherzens. Er lächelt. Ein neuerlicher Ruck und Zorro fährt hoch. Der Drache setzt zur Landung an. Vor ihnen liegt ein Berg. Am Fuß des Berges landet der Drache erstaunlich sanft. Schnaubend beugt sich das Wesen hinab, um Zorro das Absteigen zu erleichtern. Mit verklärtem Gesichtsausdruck stellt er sich vor den Drachen. Berührt seine Nüstern, sie fühlen sich hart und steinern an. Streicht über seine Backen entlang, die mit kleinen schimmernden Schuppen, die sich erstaunlich weich anfühlen, versehen sind. Der Drache atmet aus und Zorros kurze Haare wirbeln umher. Lachend dreht er sich um. Er spürt, wie hinter ihm aus dem Drache wieder eine Frau wird. Sein Herz klopft. Sie umfasst seine Hand. Dreht ihn zu sich um, strahlt ihn an. „Wie hat es dir gefallen?“ Er schüttelt den Kopf. Enttäuscht fällt das Strahlen von ihrem Gesicht. Er kann sie nicht ansehen, starrt nur auf den Boden. „Ich kann es nicht in Worte fassen, ich bin Krieger kein Poet. Aber auch der beste Dichter könnte es nicht umschreiben.“ Sie tritt vor sein Gesicht und meint. „Komm, dort drüben sind die Fäden.“ Er folgt dem Goldenen Drachen, die sich anscheinend einen Sonnenstrahl gefangen hat. Abwiegend hält er die Fäden in der Hand. Die Frau an seiner Seite kann nicht mehr still neben ihm stehen und huscht fort, um sich etwas zu suchen, was sie wachsen, verschwinden, verformen oder neu entstehen lassen kann. Sind es die Fäden, die er gesehen hat? Sieben sind es. Er folgt mit dem Blick, den Fäden. Sie laufen den Berg entlang. Er dreht sich um, aber die junge Frau ist verschwunden. „Drache“ Keine Antwort. „Goldener Drache.“ Nichts. Mit hängenden Schultern folgt er wieder den Fäden. Wie lange wandert er schon am Fuß des Berges entlang? Am Himmel zeichnet sich die Dämmerung ab, ohne Sonnenuntergang, einfach nur schwächer werdendes Licht. Abrupt bleibt Zorro stehen. Die Fäden verschwinden im Gestrüpp an einer Felswand. Zorro zieht Kuinas Schwert, ein Seufzer von irgendwoher, dringt zu ihm, liebkost ihn wie ein Windhauch und ebnet ab. Zorro schüttelt den Kopf. Da hat ihm seine Fantasie einen Streich gespielt. Mit wenigen Schlägen ist das Sträucherwerk weg. Verzweifelt lachend sinkt Zorro auf die Knie und reißt an den Fäden. Mehr klagend, als lachend wirf er die Fäden zu Boden. „Ruffy, da schaust du was! Ha, ein ganzer Berg steht auf euch.“ Er schlägt die Hände vors Gesicht und lacht hysterisch. „Diese Welt bringt mich noch um den Verstand!“ „Du jagst immer noch den roten Fäden nach?“ Zorro dreht den Kopf leicht nach hinten. „Komm, ich habe ein Feuer gemacht.“ Sie zeigt nach hinten. Sie trägt ein schlichtes schwarzes Kleid. „Komm mit und setz dich zu mir.“ Still folgt er ihr in den Wald hinein, auf eine diesmal viel kleinere Lichtung. Zorro lässt sich ihr gegenüber nieder. Über das Feuer hinweg schaut sie ihn an. „Soll ich dir etwas zeigen?“ Er nickt. Sie streckt die Hand aus, schaut Zorro geheimnisvoll lächelnd an und greift ins Feuer. Zorro zuckt zusammen, überlegt ob er zu ihr springen und ihre Hand aus dem Feuer ziehen soll, aber ihre Finger bewegen sich langsam in der Flamme hin und her und ihr Gesicht ist entspannt. Endlich zieht sie ihre Hand aus dem Feuer, Zorro atmet auf, um gleich darauf wieder die Luft anzuhalten. Auf ihrer gestreckten Hand züngelt ein kleines Flämmchen. Sie hat es aus dem Feuer geholt. Die Flamme lodert auf und verformt sich zu einer Rose. Die lila Augen fixieren ihn. Ein kurzer Ruck ihrer Hand und die Rose verliert ihre Form, um im nächsten Moment von ihrer Hand zu gleiten und seine Kreise um den Schwertkämpfer zu drehen. Fasziniert und neugierig streckt Zorro seine Hand aus und das Flämmchen landet darauf. Lächelnd beobachtet er, wie sich die Flamme zu einem Schwertkämpfer verformt, der auf seiner Handfläche seine Übungen absolviert. „Dein Geist ist stark.“ Ihre Augen treffen sich. „Was ist das hier?“ Der Goldene Drache schließt die Augen. „Es ist Gefühl, es ist Leben, es ist Alles.“ Er ballt seine Hand zur Faust, das kleine Flämmchen flieht erschrocken ins Feuer zurück. „Wieso bekomme ich keine Antwort, mit der ich etwas anfangen kann.“ Die Frau, ihm gegenüber, hebt beschwichtigend die Hand. „Es liegt nicht an den Antworten, sondern daran, dass du sie nicht verstehst.“ Zorro seufzt. „Ich muss weiter. Meine Freunde brauchen mich. Ich muss sie retten und zurück zu ihnen.“ Noch bevor er aufstehen kann hat sich der Goldene Drache erhoben. Eine Handbewegung und der Wald verschwimmt, biegt sich und seine Farben fallen schwarz zu Boden. Der Berg vor ihnen zerfließt und wird zu schwarzem Wasser. Aus der Lichtung ist eine Insel im schwarzen Meer geworden. Das Feuer zieht sich in den Boden zurück. „Ich werde dich an den Ort tragen, wohin die Fäden laufen. Nicht dort hin, wo du ihnen nachlaufen kannst, sondern dort wo sie in meiner Welt enden. Dahinter wirst du denjenigen finden, der deinen Freunden weh tut.“ Sie klingt fremd, erwachsen, ihre Gedanken wirklich bei der Sache. Nicht wie ein Schmetterling. „aber dafür musst du etwas für mich tun.“ „Was?“ Sie senkt den Kopf und blickt ihn verlegen an. “Ich habe noch nie getanzt. Tanzt du mit mir?“ Damit hat er nun wirklich nicht gerechnet. Diese Frau ist an diesem Ort fast allmächtig und sie bittet ihn, mit ihr zu tanzen. Lachend erhebt er sich. „Darf ich bitten, gnädige Frau.“ Ihre seltsamen Augen leuchten. „Einen Moment.“ Sie beginnt sich um sich selbst zu drehen und gleitet zu ihm. Während der Boden sich mit ihr zu bewegen beginnt. Der Untergrund verschwindet und macht dem schwarzen Wasser platz. Ganz dicht bei ihm hält sie inne. Ihre Gesichter sind sich ganz nah. Zorro ist schwindlig. Und das liegt nicht an den Kreisen, die sie vor ihm gedreht hat. „Du bist seltsam.“ „Ich!“ Zorro schüttelt belustigt den Kopf. „Ich bin seltsam?“ Sie nickt. „Aber trotzdem mag ich dich.“ Langsam geht sie zurück, lässt ihn nicht aus den Augen. Ihr Kleid wird zu Wasser und fällt plätschernd nach unten. Nackt steht sie vor ihm. Ihre goldene Haut glänzt im gedämpften Sonnenschein. Seine Augen gleiten über dieses wunderschöne Geschöpf. Sie hebt die Hand und die Sonne verschwindet, einen Herzschlag lang ist alles finster auf dem schwarzen Meer. Dann geht silbern leuchtend der Mond auf. Sie fängt sich eine Strahl und legt ihn um ihren Körper. „Wie gefällt dir mein Kleid?“ Es dauert einen kleinen Moment bis Zorro seine Sprache wiederfindet. „Unglaublich…“ Er verstummt. Das lange Kleid glänzt silbern. Der Stoff schmiegt sich sanft an sie und fällt dann wie ein Wasserfall zu Boden. Es verdeckt nicht ihren zierlichen Hals und ihre Arme will er auch nicht einengen, der Stoff aus Mondlicht. Sie schließt die Augen. Gespannt beobachtet er ihr konzentriertes Gesicht. Seerosenblätter mit Knospen tauchen aus dem Wasser auf und entfalten ihre Blüten. Diese unbeschreiblichen Augen blicken ihn wieder an. Und plötzlich zerbricht leise klirrend der Mond über ihnen in tausend Lichter. Jedes von ihnen setzt sich in eine Seerosenblüte, die sanft zu leuchten beginnt. „Das ist ein Traum, nicht wahr?“ Sie tritt zu ihm. „Natürlich. Und wir träumen ihn gemeinsam. Wollen wir tanzen?“ „Wir haben keine Musik…“ Lachend zieht sie ihn, in ihre Arme, dreht sich mit ihm über die dunklen Wellen. Die Seerosenlichter bewegen sich auf und ab. Leise dringt Musik an sein Ohr. Seine starken Arme übernehmen die Führung. Gleich einem Rausch wirbeln sie über das schwarze Wasser. Und Zorro versinkt in der bezwingenden Macht dieser Welt. Eng umschlungen drehen sie sich langsam im Kreis. Seine Wange liebkost ihr goldenes Haar. „Was machen wir, wenn wir wieder erwachen?“ Sie schweigt. Er schließt die Augen. Sie mustert ihn. „Frag mich.“ Er seufzt. „Was soll ich fragen?“ Ihre Füße baumeln im schwarzen Wasser. Irgendwann waren sie zu erschöpft um noch weiter zu tanzen. Jetzt ruhen sie auf einer kleinen Insel, unter Weidenbäumen auf einem kleinen Steg, der ins dunkle Wasser führt. Verspielt gibt der Goldene Drache einer leuchtenden Rose einen Schups. Die Blüte schwankt hin und her und das kleine Licht in ihrem Kelch macht einen Satz und fällt ins Wasser. Sie zieht die Lippen kraus. „Wer bist du?“ Blinzelnd schaut sie zu dem Mann an ihrer Seite. Er lächelt. Sie ist wie ein Schmetterling, ihre Gedanken flattern von einer Blüte zur nächsten. Schon nachdem sie ihn aufgefordert hat, sie etwas zu fragen, hat sie die Aufforderung auch schon wieder vergessen. Er wartet keine Antwort ab. Sie hätte sowieso nur noch mehr Fragen nachgezogen, stattdessen küsst er sanft ihre schimmernden Lippen. Er zieht sich wieder zurück. Lächelnd seufzt sie und lässt sich zurückfallen. Schaut in das dunkle Nichts über ihnen. „Ich bin, was ich bin, denn was ich einmal war, das bin ich nicht mehr. Dieser Ort bin ich und ich bin dieser Ort. Schon vor langer Zeit habe ich vergessen, wer ich einmal war. Und ich glaube, es ist gut so. Ich glaube, würde ich wissen wer ich bin, ich wäre verloren.“ Sie blickt ihn an. „Ich will nicht verloren gehen. Verstehst du das?“ Zorro lässt sich ebenfalls zurückfallen. Schaut in die Weite über ihnen und ergreift ihre Hand. „Nein, aber ich glaube, ich fühle was du meinst. Verstehst du das?“ Sie lacht, springt auf und zieht ihn an den Händen hoch. „Ja!“ Sie küsst ihn. Kapitel 7: Die Hand, die alle Fäden hält ---------------------------------------- Arm in Arm spazieren sie über eine malerische Blumenwiese. Die Sonne scheint gelb auf sie herab. Ein Meer aus roten und rosa Blüten umgibt sie. Sie folgen einem Steintafelweg, der zu einem kleinen Hügel führt. „Warum nicht mehr rot?“ Sie kichert. „Was?“ „Als ich hier angekommen bin, hat die Sonne rot geschienen, warum jetzt nicht mehr?” Verlegen guckt sie auf ihre nackten Füße. „Deine Haare, sie sehen scheußlich im roten Licht aus!“ Lachend packt Zorro die junge Frau und wirft sie über die Schulter. Scherzend schlägt sie auf seinen Rücken. „Was erlaubst du dir?“ Beide fallen in die duftenden Blumen. Mit einem Schlag wird sie wieder ernst, zieht in wieder auf die Beine. Erst als sie wieder auf dem Weg sind, hört sie auf ihn zu schieben. „Wohin führst du mich?“ Sie schmiegt sich an ihn. Irgendetwas scheint sie zu bedrücken. „Nicht jetzt. Später, wenn wir auf dem Hügel sind.“ Er folgt ihrem Blick. „In Ordnung, aber warte noch einen Moment.“ Fragend schaut sie zu ihm auf. „Ich weiß, das alles hier kann nicht wahr sein. Ich bin töricht…“ Zärtlich zieht er sie an sich. Sie schmiegt sich in seine Umarmung. „Deine Augen, sie sind so offen und ehrlich. Und ich lese den Abschied in ihnen. Aber,…“ Er küsst ihr goldenes Haupt. „Ich will nicht gehen. Ich will hier bleiben. Noch nie war ich so glücklich in meinem Leben, noch nie mein Herz so leicht.“ Mit funkelnden Augen schaut sie ihn an, um im selben Moment wieder traurig zu ihn aufzusehen. „Du weißt, dass du das nicht kannst. Du gehörst nicht in diese Welt.“ Sie küssen sich, umarmen sich und genießen diesen süßen Moment, auch wenn sie den Weg weiter gehen müssen. Oben auf dem Hügel angelangt kann Zorro die Türe sehen. Sie steht mitten im Blumenmeer. Dunkel und bedrohlich. „Ich habe keine Kontrolle über diese Türen. Sie sind da, wann sie es wollen. Ich kann sie nur zuschließen.“ Sie hebt die Hand und macht eine entsprechende Bewegung. Und plötzlich ist Zorro wieder kalt. „Aber ich werde sie für dich öffnen. Die Fäden laufen dort hinein.“ Nein, noch will er nicht wieder in die Kälte und in die Einsamkeit. Noch einmal zieht er sie an sich, atmet ihren Duft, den er nicht beschreiben kann, fühlt ihre Wärme und küsst die glänzenden Lippen, die noch nie von jemanden geküsst wurden, außer ihm. „Wir werden uns nie wieder sehen, nicht wahr?“ Ihr unschuldiges Lächeln brennt sich in sein Herz. „Niemand kann uns die Wege zeigen, die wir noch gehen werden.“ „Ich habe dir meinen Namen noch nicht einmal gesagt.“ Sie legt einen Finger auf seinen Mund. „Und das wirst du auch nicht. Geh jetzt. Dieser Weg führt dich dort hinein.“ Wie sie es gewünscht hat, dreht er sich um, die Türe im Visier. Eine Hand greift nach ihm, der Goldenen Drache dreht ihn noch einmal zu sich und küsst ihn leidenschaftlich, unschuldsfremd und erschreckend. Zorro schiebt sie von sich und wischt die Träne weg, die unschuldig über ihre Wange gleitet. Noch einmal schaut er sie an. Sie lächelt wehmütig. Verschwunden ist die Gier, sie ist wieder der Goldene Drache erhaben und weltfremd. Zorro verneigt sich vor ihr. „Nie werde ich vergessen. Niemals.“ Sie legt ihre Hand auf seinen Kopf. „Geh. Ich will dein Herz nicht binden und ich werde auch mein Herz nicht binden. Es würde nur Kummer daraus hervorgehen.“ Summend wendet sie sich ab, sie hat eine neue Idee, ihre Gedanken fliegen schon wieder von einer Blume zur nächsten. Lächelnd blickt er ihr nach und dann wendet er sich ab. Voller Kraft, die nur von seinem Drachen kommen kann, geht er auf die Türe zu. Mit der Hand am Griff des Schwertes öffnet er die Türe und betritt das Zimmer dahinter. Mit allem hat er gerechnet. Was hat er eigentlich erwartet? Ein Monster, dass die Fäden gefräßig in seinem Maul hat? Aber das ist nun wirklich seltsam. Er steht in einer Hütte, mit offenem Mund. Was soll er jetzt davon halten. Durch die Wände sieht man die dunkle Weite. Die Wände, ja sogar der Boden auf dem er steht ist durchscheinend. „Wir haben Besuch.“ Die Kleine steht fest und real in der sonst geisterhaften Umgebung. Sie zwinkert ihm mit dem schwarzen Auge zu. „Ich hab dir doch gesagt, wir werden uns wiedersehen.“ Ein Schemen sitzt auf einem Stuhl, wenigstens glaubt das Zorro und hält die Fäden der Freunde in der Hand. Die Finger, die einen Faden berühren, sind klarer gezeichnet. Geschickt flechtet es die Fäden zu einem Zopf. Mit verwischten Bewegungen hebt es den Kopf und schaut Zorro an, der sich immer noch nicht bewegen kann. „Keine Angst. Bald wirst du verstehen.“ Die Kleine stellt sich vor ihn. Er geht auf die Knie. Schüttelt den Kopf. „Was…?“ Die Kleine legt eine Hand auf seine Wange. “Du solltest nicht jeden Wildfremden dir so nahe kommen lassen. Ich habe die Kontrolle mein Lieber. Nur ich. Aber es gilt nach wie vor. Vertrau der Hoffnung in deinem Herzen.“ Mit schreckensgeweiteten Augen schaut er zu, wie die Fäden der Freunde abgerissen werden. Mit einem Ruck federn sie zurück und sind verschwunden. Die Finger binden den Zopf zu einem Kranz zusammen. Die Kleine dreht sich um und tritt zum Schatten, der ihr den Kranz, wie eine Krone aufsetzt. Dann löst sich der Schatten auf. Die Kleine seufzt. „Deine Zeit ist bald um. Dann bist du wieder fort.“ Sie dreht sich noch einmal um. „Das alles wirst du niemals vergessen, dass kannst du mir glauben. Sie kann dir noch soviel Kraft von sich gegeben haben. Du wirst nicht vergessen. Keine Sorge um deine Freunde. Sie sind gerettet. Gut gemacht.“ Zorro blinzelt. Irgendwie beginnt alles vor ihm zu verschwimmen. Panik steigt in ihm auf, er versucht das lächelnde Kindergesicht zu erwischen, will sich an der Kleinen einkrallen, aber er fällt haltlos in die Dunkelheit. Kapitel 8: Dunkle Blüte ----------------------- Die Sonne hat ihren Glanz verloren. Wehmütig erinnert er sich an den Zauber in der Welt des Goldenen Drachens. Aber irgendwie erscheint alles weit weg. Er erinnert sich an einen schönen Traum. Aber verspürt in sich keinen Schmerz. Der Sumpf liegt im Morgennebel. Die Alte sitzt auf der Bank, in eine dicke Decke eingewickelt und beobachtet Zorro. Er setzt sich mit verschränkten Beinen auf den Boden. „Wie lange war ich fort?“ Die alte Frau entgegnet sanft. „Eine Nacht. Die Zeit vergeht dort langsamer als hier bei uns.“ „Meine Freunde?“ „Ich habe vorher nach ihnen geschaut. Es geht ihnen gut.“ „Warum das alles?“ Die Alte schüttelt den Kopf. „Das weiß ich nicht.“ Zorro steigt schweigend die Stufen hinauf, lässt die alte Frau unbeachtet und folgt der Veranda um die Hütte. Seine Freunde schlafen noch. Beruhigt lauscht er ihrem Atem. „Hey Zorro! Hab dich schon gesucht.“ Ruffy steigt die Treppe zum Deck herauf. „Ruffy!“ Freudig hebt Zorro die Hand. „Ruffy, still. Weck sie noch nicht. Lassen wir sie noch etwas schlafen. Sie können ruhig noch etwas an Deck liegen bleiben. Sie sind ja zugedeckt und es ist nicht wirklich kalt.“ Ruffy blickt seinen Freund prüfend an. Irgendetwas ist mit ihm geschehen. Er hat sich verändert. „Komm an Bord und erzähl mir erst einmal wo wir überhaupt sind und was passiert ist. Die Feier war doch auch nicht so ausgelassen, dass ich so `nen Blackout habe.“ Zorro beginnt zu lachen. Stutzig schaut Ruffy den sonst so finsteren Schwertkämpfer an. Irgendwie strahlt er seltsam. Ruffy grinst. Das wird bestimmt eine interessante Geschichte. Zorro springt mit einem Satz auf die Lamp. „Komm lass uns fahren. Ich will erst einmal nur hier weg. Mein Kopf“ Lachend reibt er sich den Hinterkopf. „Ich glaub, ich bin noch nicht wirklich ganz da.“ Ruffy schaut ihn schief an. Der Kapitän öffnet den Mund, um ihn etwas zu fragen, hält inne und nickt mit dem Kopf in Richtung Hütte. Zorro dreht sich um und schaut die Alte an. „Was?“ Langsam und sehr klein schleicht sie zum Geländer. “Zorro.“ Sie schüttelt den Kopf. Schweigend reicht sie ihm eine schwarze Rose. Sie dreht sich schniefend um und verschwindet. Zorro starrt auf die dunkle Blüte in seiner Hand. Und das Strahlen, das ihn umgibt, verdunkelt sich. Besorgt stupst Ruffy seinen Freund an. Normalerweise würde er ihn schimpfen oder sogar schlagen, aber Zorro erwidert nur ein leises – jetzt nicht – und verschwindet unter Deck. Ratlos und noch immer mit ziemlich vielen Fragen, steht der Kapitän da. Zorro umschließt die Rose mit eisernem Griff. Aus dem Gefühl nur geträumt zu haben wird das Einsehen, dass es alles, nur kein Traum war. Verwirrt und unglücklich gleitet er der Wand in der unteren Kabine entlang. Sein Herz verkrampft sich. Mit wenigen Worten und nicht wirklich aufschlussreich erklärt Zorro, dass die alte Frau, ihm geholfen hat, sie zu retten. Jemand hat ihren Lebensfaden gezogen, aber er hätte das schon wieder hingebogen. „Ihr habt euren Faden wieder zurückbekommen und jetzt geht es euch ja wieder gut.“ Nami schaut grimmig drein. „Hast du den Kerl fertig gemacht, der uns umbringen wollte?“ Zorro blickt zu Boden. „Nein.“ „Und was, wenn der die Nummer noch einmal abziehen will.“ Sanji ballt die Hände zur Faust. „Das wird nicht wieder geschehen. Es ist kompliziert. Und ich verstehe es selbst nicht. Aber ihr müsst euch keine Sorgen machen.“ Vor seinem inneren Auge sieht er leuchtende Seerosen und einen Drachen. Er seufzt. In ihm brennt eine Sehnsucht, die er vorher nicht kannte. „Zorro hast du gehört, was ich gefragt habe.“ Er schüttelt den Kopf. „Nein Robin.“ „Ich habe gefragt….“ Zu mehr kommt sie nicht. Er ignoriert sie, geht an ihr vorbei, hinaus, legt seine Schwerter auf den Boden, streift sein Oberteil ab und ruft nach unten. „Ich gehe eine Runde schwimmen.“ Er springt ins Wasser der kleinen Bucht, an der sie vorerst vor Anker gegangen sind. Die Crew hat sich an Deck versammelt. „Irgendetwas stimmt hier nicht.“ Robin blickt auf den immer kleiner werdenden Krieger. „Ja, aber er wird nicht darüber sprechen.“ Joren schüttelt den Kopf. „Ich verstehe das. Lassen wir ihn eine Weile in Ruhe.“ „Ja, das machen wir. Zorro dieser Dickschädel wird doch mit allem fertig und wenn nicht hauen wir ihn eben aus der Patsche raus.“ Ruffy wirft seinen Stohhut in die Luft und fängt ihn wieder auf. „Stimmt doch, oder?“ Kapitel 9: Zorros Entscheidung ------------------------------ Seine Arme schmerzen, die Flying Lamp ist nicht mehr in Sicht. Mit müden Beinen schleicht er an einen Strand. Er zieht die schwarze Rose aus dem Tuch, das um seinen Oberarm gewickelt ist. Dabei ritzt er seine Haut mit den Stacheln auf. Er bemerkt es nicht. Gedankenverloren dreht er die Blüte in seinen Händen hin und her. Er schließt die Augen und fällt in den warmen Sand. „Du bist kein Traum. Aber was bist du dann? Beantworte mir meine Fragen! Bitte. Ich brauche Antworten.“ Wellen brechen am Strand. Ein Schwarm Möwen zieht kreischend vorbei. Zorro schläft ein, träumt von einem Drachen, der groß und angsteinflössend vor ihm steht. In seiner Seite steckt ein Sperr. Das große Geschöpf zerfällt zu Asche. Er hört eine Frau weinen, an einem Stein, wo schwarze Rosen blühen. Es ist schon Abend, als Zorro sich aufrappelt. Die Rose lag die ganze Zeit auf seiner Brust. Er steckt sie wieder in sein Tuch. Mit kräftigen Zügen schwimmt er zurück zur Lamp. Sanji empfängt ihn fröhlich mit einem – ich hab dir etwas zu Essen aufgehoben – Zorro winkt ab. Hunger hat er keinen, oder besser gesagt, den Hunger, den er verspürt, kann man nicht mit Essen stillen. Er will Antworten. Will Klarheit. Ruffy sägt ganze Wälder ab. Lysop brabbelt im Schlaf seine Lügengeschichten vor sich her. Und Sanji ist schon vor längerer Zeit aus der Kabine geschlichen. Zorro denkt schmunzelnd, dass man wahrscheinlich Joren auch nicht in ihrem Bett finden wird. Wache hat heute Chopper übernommen. Er will sowieso aufbleiben und die Sterne beobachten. Die sind hier so schön, hat er gemeint, da kann er auch gleich den Dienst für heute übernehmen. Zorro liegt wach. Die Rose liegt auf seiner Brust. Er richtet sich auf, fällt beinahe aus der Hängematte. Gerade noch rechtzeitig kann er das Wackeln ausbalancieren. „Der Schatten!!! Die Alte war der Schatten in der Hütte. Sie hat mir die Blume gegeben, damit mein Herz an den Goldenen Drachen gebunden wird. Sie will das ich wieder komme.“ Die Klarheit überwältigt ihn, er sinkt wieder auf sein Lager. „Ich soll wiederkommen. Die Alte will, dass ich zum Goldenen Drachen gehe.“ Er schweigt. „Ich soll die Strohhüte verlassen für eine Frau, die nicht real sein kann. Aber…“ Er schließt die Augen und erinnert sich an dieses goldene Wunder. Antworten, ich brauche Antworten und die Alte muss sie mir geben. Aber dieser Weg, wenn ich ihn wirklich gehen will, führt nur in eine Richtung. Er schließt die Augen. Er hat sie hier her gerufen. Die gesamte Crew steht vor ihm. Dunkle Augenringe lassen erkennen, dass er die letzten Nächte nicht viel geschlafen hat. Nicht viel geschlafen, noch weniger gegessen und fast nichts gesprochen. „Nun Zorro, wir warten, was willst du uns so wichtiges mitteilen.“ Sanji klopft mit den Fingern auf das Holz der Reling. Der Schwertkämpfer richtet sich auf. Schaut einem nach dem anderen finster an. „Ich verlasse die Stohhutbande.“ Wortlos dreht er sich um, ignoriert alle Rufe und geht zum Beiboot. Er lässt es zu Wasser und rudert fort. „Wir sollten ihm hinterher fahren.“ „Ne, lass mal Chopper. Ich glaube, wir werden ihn wiedersehen. Ich denke, er muss was regeln, wo er uns nicht brauchen kann.“ Alle schauen Ruffy an, der seinem Freund nachdenklich hinterher schaut. Eigenartigerweise schmerzt der Abschied nicht. Etwas hat in ausgehöhlt, ihn von innen heraus aufgefressen. Die quälenden Fragen, die verwirrenden Gefühle. Er braucht Klarheit und zwar gleich. Und die findet er nur alleine. Und nur an einem Ort. Bis er die Insel erreicht hat, wird noch ein Tag vergehen und bis zur Hütte im Sumpf bestimmt auch noch einer, denkt er bitter. Er rudert schneller. Kraft hat er, den Wille auch, nur Geduld hat er nicht mehr. Er findet die Alte auf der Bank, so wie er es vermutet hat. Ohne Einladung lässt er sich neben sie fallen. „Wir müssen reden.“ Sie nickt. „Du hast die Fäden gezogen und den Kranz gebunden, nicht wahr?“ Wieder nur ein stummes nicken. „Was soll das Ganze?“ „Willst du das wirklich wissen?“ Er spürt einen Klos im Hals. „Glaub mir, ich bin bereit.“ Sie seufzt. „Dazu nicht mein Sohn. Aber wir beide haben keine Wahl. Hatten es nie.“ Er zieht die Hand nicht weg, als sich die alten Finger um sie schließen. „Wir sind verbunden. Ohne es zu wollen, durch die Schuld an unseren Freunden.“ Zorro schüttelt langsam den Kopf und blickt dann betreten zu Boden. „Was geht hier vor?“ Die Alte erhebt sich. „Komm, du musst gehen. Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt. Der schwere Teil des Weges liegt erst vor dir.“ Mit traurigen, alten Augen schaut sie den jungen Mann an. „Zorro, du darfst nicht auf ein glückliches Ende in dieser Geschichte hoffen.“ Der Schwertkämpfer hebt stutzig den Kopf. „Woher kennst du meinen Namen?“ Die Alte lacht, das Lachen geht in Schluchzen über. „Es ist unsere Vergangenheit, die uns einholt und sie kennen unsere Namen, sie kennen unsere Seelen. Aber du wirst selbst sehen.“ Er kann es sich nicht erklären, warum er es macht, aber irgendetwas verbindet sie. Vorsichtig legt er seine Hand auf ihre Schulter. „Zeig mir den Weg. Ich werde mir die Antworten holen.“ Die Alte wischt die Tränen weg. „Viel Glück.“ Mit entschlossenen Schritten steigt er die Treppe hinab, setzt sich im Schneidersitz auf den Boden. „Na los, schick mich zurück, ich bin bereit.“ Die Alte seufzt. „Es geht nicht mehr so leicht. Das letzte mal konnte ich dich mit Hilfe der Fäden in diese Welt ziehen. Du kannst dir das wie ein großes Schleppschiff vorstellen. Jetzt ist es komplizierter und gefährlicher.“ „Spuck schon aus, was los ist.“ „Du kommst hin mit einem Fluch. Aber nicht mehr zurück ohne die Fäden.“ Sie blickt zu Boden und schweigt. „Na los, ich habe nicht ewig Zeit.“ Die Alte schaut ihn an und Zorro lächelt. Die Frau auf der Treppe richtet sich auf, in seinem Kopf beginnt es sich zu drehen. Dann umschließt ihn die Dunkelheit, doch diesmal macht sie ihm keine Angst. Mutig und aufrecht, dem Druck gewachsen tritt er in die dunkle Weite. Bereit für alles, glaubt er. Und weiß nicht, wie sehr er sich irrt. Kapitel 10: Zwei Schwerter -------------------------- Wenigstens scheint das Glück auf seiner Seite zu sein, denn es dauert nicht lange, bis er eine Türe gefunden hat, die zum Drachen führt. Hat er sich das eingebildet, oder ist die Türe gerade erst ins Schloss zurück gefallen. Er beschleunigt seine Schritte. Vielleicht ist jemand in die Welt des Goldenen Drachen eingedrungen. Die Tür schnellt auf und er springt in die andere Welt. Um im nächsten Moment zu erstarren. Sein Herz setzt aus. „Kuina…“ Das Mädchen dreht sich zu ihm um. Auf ihrem Gesicht zeichnet sich Überraschung, Entsetzen, Verwunderung und Verwirrung ab. „Zorro?“ Beide machen ein paar unsichere Schritte aufeinander zu. “Aber… Wie kommst du hier her? Bist du tot, Zorro?“ Er schüttelt den Kopf. Ein Moment, einen kleinen Moment nur, in dem er seine Gedanken sammeln kann. Als er seine Sprache wiederfindet, erschrickt er von seiner kläglichen Stimme. „Kuina, Kuina, Kuina.“ Seine Gedanken drehen sich im Kreis, bringen keinen klaren Satz zustande. Es lässt sich kein anderes Wort in seinem Kopf finden als: „Kuina.“ Das Mädchen findet als erster die Fassung wieder. Sie geht auf ihn zu, hält aber Abstand zu ihm. „Zorro, bist du gestorben?“ Er schüttelt abermals den Kopf. „Kuina was machst du hier?“ Sie lacht auf starrt an ihm vorbei. Ein seltsamer Ausdruck liegt auf ihrem Gesicht. Irgendwie fremd, dieser Blick passt nicht zu seiner Kuina. Ihr Blick fällt richtend auf ihn und es bricht aus ihr heraus, kann es nicht zurückhalten, auch wenn sie damit dem alten Freund eine Wunde zufügt, die lange brauchen wird, bis sie heilt. „Ich bin verdammt. Du hast mich verdammt. Hast mir das Schwert genommen. Mein Geist fand keinen Frieden. Seit Jahren warte ich an der Straße, die die Seelen gehen, auf dich, um mein Schwert einzufordern.“ Zorro starrt sie an. Kann nicht begreifen was die alte Freundin da sagt. „Wovon redest du da?“ Der Hass in ihren Augen versiegt. Sie seufzt und tritt zu ihm. „Es war unser Traum. Wir wollten die besten Schwertkämpfer der Welt werden. Ich habe diesen Traum im Herzen, bis über den Tod hinaus getragen. Aber mir wurde mein Schwert genommen. Du hast mein Schwert. Ich konnte nicht gehen, ohne meine Waffe stolz, wie es eine Kriegerin verdient hat, mit mir zu nehmen. Zorro… Du hast mir meinen Teil des Traumes gestohlen.“ Ihre Stimme bricht und sie fällt schluchzend in seine Arme. Der Krieger steht starr da. Schuld an unseren Freunden… Hat das die Alte nicht gesagt. Schuld… Er bricht zusammen, beide liegen sich weinend in den Armen. Jede Träne schmerzt wie ein Dolchstoss im Herzen. „Hey, Besuch, wie schön. Ihr weint ja. Alles in Ordnung?“ Über ihnen taucht das Gesicht des Goldenen Drachen auf. Sie erheben sich, wischen ihre Tränen weg. Kuina bringt es sogar fertig, die Freundin anzulächeln. Aber diese interessiert sich nicht für sie, Zorro fesselt ihren Blick. Besser gesagt, die schwarze Rose, die er noch immer am Arm trägt. „Drache?“ Kuina will den Drachen anstupsen, hält aber inne. Über die goldenen Wangen rinnen zwei lilafarbene Tränen. Lassen zwei braune Augen zurück. Kuina hält den Atem an. Der Goldene Drache beginnt zu zittern. Langsam scheint auch Zorro zu merken, dass etwas nicht stimmt. Bestürzt schaut er in die andersfarbigen Augen. „Drache?“ Mit einer schnellen Bewegung ist die goldene Frau bei ihm, reißt die Rose von seinem Platz und taumelt zurück. Die Rose hüpft auf und ab, sie schüttelt es am ganzen Körper, keucht und gibt unartikulierte Laute von sich. Zorro tritt zu ihr und umfasst ihre Hände, will ihr die Rose entwinden, aber sie beginnt zu kreischen. Unmenschlich zu schreien. Zorro fährt erschreckt zurück. Dunkelheit legt sich über den Goldenen Drache. Sie klagt so laut, das ihre Welt zu bröckeln beginnt. Die Blumen, die sie umgeben, lösen sich in dunklen Rauch auf und der Boden verfärbt sich, sieht verbrannt aus. „Nein, nein, was habe ich getan?“ Das pure Grauen steht in seinem Gesicht. Kuina packt ihren Freund am Arm. „Wir müssen hier raus. Hier geht alles vor die Hunde. Schnell.“ Sie zieht Zorro durch die Türe, die zum Glück noch am selben Ort steht. Am Ende seiner Kraft fällt Zorro auf die Knie. „Was habe ich getan? Ich habe ihr diese Blume hierher gebracht. Was, Kuina? Verfällt alles was ich berühre der Verdammnis?“ Kuina tritt zu ihm, bettet seinen Kopf an ihre Schulter. Streicht über seine grünen Haare. „Beruhige dich. Alles wird gut, du wirst sehen. Aber bitte, beruhige dich.“ Die Türe hinter ihnen verschwindet. Was ist bloß geschehen? Fragt sich still das junge Mädchen. Was? Sie schließt die Augen. Die Dinge sind aus dem Ruder gelaufen. Alles scheint zu zerbrechen. „Bitte, bitte…“ Die Stimme klingt schwach. Zorro schreckt auf, beide drehen sich um. Dort wo zuvor die Türe stand, steht eine hochgewachsene Frau, schlank, mit schmalen Gesicht und braunen Augen. Ihre braunen Haare sind sehr kurz und furchtbar ungleichmäßig geschnitten. Sie sieht krank aus. „Drache?“ Kuinas Stimme ist kaum zu hören. Die Fremde lacht. „Alles ist verloren. Die Rose…“ Sie dreht die schwarze Rose zwischen ihren Fingern. Und dann fällt ihr Blick auf Zorro und sie lächelt. „Du hast mir die Rose gebracht.“ „Es tut mir so leid.“ Sie schüttelt den Kopf. „Nein.“ Sie berührt ihre Lippen. „Ich habe von dir geträumt. Du hast mich geküsst.“ Zorro schluckt. Kuina zieht sich lautlos zurück. „Ja, das habe ich.“ Er tritt zu ihr. Vorsichtig kommen sich ihre Gesichter näher. Bleiben dicht bei einander stehen, um sich dann behutsam zu küssen. Sie trennen sich wieder. Ihr Blick fällt auf Kuina. „Von dir habe ich auch geträumt. Wir haben zusammen gelacht. Nicht wahr? Du wartest doch auf jemanden oder?“ Sie nickt. „Ist er schon da?“ Kuina nickt wieder. „Oh, ich fühl mich nicht gut.“ Sie strauchelt. Zorro muss sie stützen. Sie schaut dankbar zu ihm auf. Ihre Blicke begegnen sich und sie spricht mit veränderter Stimme. „Weißt du noch, ich habe dir einmal gesagt, dass es gut ist, dass ich nicht weiß wer ich bin. Sonst wäre ich verloren.“ Zorro nickt. „Du hast gesagt, du verstehst was ich sage. Hat sich daran etwas geändert?“ Zorro schüttelt den Kopf. Sein Herz umfasst eine kalte Hand. Er spürt, dass sich das Ende mit schweren Schritten nähert. Zärtlich streift sie seine Arme ab. Der Schimmer des Goldenen Drachen liegt auf ihren Zügen. „Ich will nicht verloren gehen.“ Zorro starrt sie an. „Ich will nicht verloren gehen. Auch wenn das heißt, dass ich mein Herz binden muss.“ Er schüttelt mit weiten Augen seinen Kopf. Sie lächelt ihn traurig an. „Ich vertraue dir den Goldenen Drachen an. Achte immer gut auf ihn.“ Mit ihren Händen formt sie einen Kelch in dem die schwarze Rose ruht. Sie schaut auf die Blüte hinab, ihre Lippen bewegen sich stumm und die Blüte beginnt zu glühen, beginnt sich wie die Welt des Drachens, auf ihr Wort hin zu verbiegen. Die Blume verliert die Form, bleibt als Glühen in ihren Handflächen und wird ein Teil von ihr. Sie schaut Zorro an. „Achte auf das Gute in mir, das Kindliche, auf das was meinen Fluch unbeschadet überstehen kann, bis in alle Ewigkeit.“ Sie nimmt seine Hand und legt sie auf ihre linke Brust. Er fühlt ihren Herzschlag und dann gleitet er durch ihr Fleisch, er spürt in seiner Hand ihr pochendes Herz. „Nein, bitte nicht.“ Nur ein Hauch, auf seinen Lippen. Er kann sich ihrem Blick nicht entziehen. Und dann umfasst seine Hand etwas Hartes, ihr Herzschlag hat aufgehört. Still schauen sie sich an. Ein Blick, der ein Leben dauert. Er spürt Tränen über seine Wangen rinnen. „Bitte nicht.“ Ihre Hände umfassen seinen Arm. „Es tut mir leid.“ Die Frau ihm gegenüber lächelt. Und mit einem Ruck lässt sie sich nach hinten fallen. Er spürt ihre Finger seinen Arm entlang gleiten und sieht wie er aus ihrer Brust ein Schwert zieht, ihre Hände streichen über den Stahl der Schneide. Und als die Spitze des Schwertes ihren fallenden Körper verlassen hat, landet nur Asche auf dem verbrannten Boden. Wie betäubt hebt er die Klinge an sein Gesicht. Der Stahl fühlt sich warm an. Die Klinge ist schwarz, nur dort wo ihre Finger das Schwert berührt haben, zeichnet sich in feinen Linien eine weiße Dornenranke ab. Am Ende des Griffes blüht bis in alle Ewigkeit die schwarze Rose, gegossen in Stahl. „Ein Schwert mit einer Seele.“ Kuina ist hinter ihn getreten. „Was wirst du nun machen Zorro?“ Mit geröteten Augen dreht er sich zu dem Mädchen um, fällt vor ihr auf die Knie und umarmt sie schluchzend. Sie streicht über seinen Kopf. „Ach, Zorro. Wieso musste es nur so kommen.“ Er rappelt sich auf. Zieht ihr Schwert aus der Scheide und reicht es ihr. Ehrfürchtig nimmt sie es mit beiden Händen. „Kämpfe mit mir. Ein letztes Mal.“ Zorros Stimme klingt wieder fest. Die Klingen sprühen Funken, wenn sie sich treffen. Diesmal ist niemand der Sieger. Zorro und Kuina verbeugen sich mit gesenkten Schwertern voreinander. „Was wird jetzt werden?“ Sie zuckt die Schultern. „Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich endlich gehen kann.“ Zorro nickt. „Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen.“ Die alte Freundin lacht unbeschwert. „Das habe ich doch schon längst.“ Er hebt seine Freundin hoch und schließt sie in die Arme. „Wir werden uns wiedersehen und dann besiege ich dich.“ Zorro setzt sie ab und sie verschwindet mit ihrem Schwert in der Hand, in die Welt hinter der dunklen Weite. Mit hängendem Kopf steckt er sein neues Schwert in die Scheide. „Goldener Drache, was wird werden? Du und ich, für immer hier verloren?“ „Sie hätte dem Schwert eine andere Farbe geben können. Aber es sieht schön aus, finde ich. Wie wirst du es nennen?“ Zorro dreht sich nicht zu dem Kind um. Wieso auch. „Kommst du, um über mich zu spotten?“ Das Mädchen seufzt. „Du verstehst immer noch nicht.“ „Was soll ich verstehen?“ „Du dummer Kerl. Ich werde es dir erklären.“ Sie tritt neben ihn und schaut auf die Asche am Boden. „Der Goldene Drache war das Gute in ihr, das Kindliche und Reine. Sie wurde vor vielen Jahren hier her gebracht um für ewig verdammt zu sein. Aber sie erschuf in sich eine Welt, in der ein Teil von ihr unbekümmert leben konnte.“ Zorro seufzt. „Der Goldene Drache.“ Die Kleine nickt. „Sie hat mich unbewusst erdacht. Alysia, so hieß sie, hoffte immer auf Erlösung und Friede, verschloss diese Gedanken jedoch vor dem Goldenen Drachen, aber sie waren da. Also entstand ich. Klein und unwirklich, da der Drache mich nicht leben ließ, er kannte mich ja nicht. Ich war ein Schatten, mehr nicht in der Welt des Goldenen Drachens. Unentdeckt und unnütz. Als dann Kuina in diese Welt stolperte, denn der Drache vergaß eine Türe zuzuschließen, da mischte sich die Hoffnung von Kuina und von Alysia und ich wurde geboren.“ Sie nimmt etwas von der Asche in ihre kleine Hand. „Alysia wurde vor vielen Jahren verdammt. Hier wäre sie zerbrochen. Schau dich um, der Druck hätte sie irgendwann zerquetscht. Der Goldene Drache war ihre kindliche Seele, ihre Liebe und alles Gute in ihr, sie musste die Verzweiflung vor ihm abschirmen. Das Schwarz fraß an ihr, über kurz oder lang hätte Alysia nicht mehr die Kraft gehabt, die Welt des Goldenen Drachens zu beschützen. Sie wäre vernichtet worden. Verzeih, dass ich mit dir gespielt habe. Aber was hatte ich für eine Wahl. Dieser Weg war der einzige. Zwei Schwerter, zwei Hoffnungen, Vergänglichkeit und Ewigkeit.“ „Ich werde das Schwert Schwarze Rose nennen.“ Die Kleine nickt. „Wie kam Alysia hier her?“ „Zorro, wir haben keine Zeit mehr. Schau, wir bekommen bald Besuch. Du musst gehen. Aber die alte Frau wird dir viel über Alysia erzählen können.“ An die Seelenräuber verschwendet er keinen Gedanken. Sollen sie doch kommen. Er schaut die Kleine wütend an. „Du hast dein Spiel mit uns allen gespielt. Deine Fäden gezogen, wie ein Marionettenspieler.“ Tränen steigen in seinen Augen auf, er blickt auf die Asche. „Und doch kann ich dich nicht hassen. Ich kann nicht hassen, nur weinen. In meinem Leben habe ich mir meine Wege mit Wut und Zerstörung gebahnt. Und jetzt fühle ich mich nackt und schutzlos.“ Er schlägt die Hand vor die Augen. Kleine, sanfte Finger greifen nach seinem Arm. „Nicht Zorro. Bitte, gib dich nicht auf. Du wirst es nicht vergessen, niemals, aber irgendwann wird es nicht mehr weh tun.“ „Und was mach ich bis dahin.“ Die Kleine lacht. „Du Dummchen, der Hoffnung in deinem Herzen vertrauen.“ Ein kurzes Zögern. „Ich habe immer die Endgültigkeit meiner Existenz gekannt. Erlösung bedeutet für mich, dass ich aufhöre zu Sein. Jetzt heißt es, die Fäden loszulassen.“ Sie schmunzelt. „Mein Plan ist perfekt, aber eins liegt im Schatten. Was aus mir wird.“ Sie seufzt. Zorro schaut in das ernste Kindsgesicht. „Ich hoffe für dich.“ Ihre großen Augen schauen ihn zärtlich an. „Danke.“ Der traurige Ausdruck auf ihrem Gesicht macht einem triumphierenden platz. Sie nimmt den Kranz aus Lebensfäden von ihrem Kopf, zwinkert Zorro zu und wirft den Ring fort. Er bleibt in der Luft stehen, beginnt sich zu drehen und wird zu Licht. Sonnenlicht fällt in die lichtlose Weite. Zorro starrt die Öffnung an. „Du hast doch nicht geglaubt, irgendetwas geschieht aus Zufall in dieser Welt.“ Er kann der Kleinen darauf nichts erwidern. Sie ist verschwunden. Zorro wendet sich dem Licht zu. Kapitel 11: Zu Hause -------------------- Mühsam kämpft er sich in die Höhe. Er fühlt sich erschöpft und sein Kopf ist schwer. Für einen Moment bleibt er reglos sitzen und genießt die Wärme der Sonne. Irgendetwas liegt auf der Veranda. Keuchend schleppt er sich nach oben und zieht die Luft an. Die Alte liegt auf den Brettern und bewegt sich nicht mehr. Alle Kraftreserven mobilisierend trägt er die alte Frau in die Hütte und legt sie auf ihr Bett. Die Sonne geht unter. In der Hütte steht die Luft. Zorro erhebt sich und entzündet eine kleine Kerze auf dem Tisch. Er kniet neben dem Bett nieder. „Ich sterbe.“ Sie hustet. Ihr Gesicht ist fahl, aber sie hat die Augen geöffnet. „Es war zu viel. Ich habe dich hingeschickt, aber es überstieg meine Kraft. Ohne Fäden war das mein Todesurteil.“ Zorro nickt, legt seine Hand auf ihre Stirn. „Alles war schon beschlossen, alles geplant.“ Er seufzt. „Wir waren nur Marionetten. Aber es ist gut so.“ Die Alte lächelt. „Es ist gut so. Soll ich dir die ganze Geschichte erzählen?“ „Gerne, erzähl mir von Alysia.“ Ihre Stimme wird klar und ihre Augen verlieren etwas von dem Schleier, der sich über sie gelegt hat. „Vor vielen Jahren, als ich noch jung war, da lebte ich in einem großen Kloster. Die Schwestern waren gute Menschen, kämpften für die Kinder auf der Grandline, die unter Kriegen und Piratenangriffen zu leiden hatten. Eines Tages legte sich das Flagschiff der Barmherzigen Schwestern mit dem Schiff eines gefürchteten Piraten an. Sie bescherten ihm eine Niederlage, von der sich sein Stolz nie erholte.“ Sie krümmt sich unter einem Hustenanfall. Zorro hebt sanft ihren Körper an. Langsam kommt sie wieder zu Atem. „Doch er war ein sehr kluger Mann und fand andere Waffen, mit denen er den Schwestern alles heimzahlen konnte. Er opferte sein Leben um den Schwestern einen alles vernichtenden Schatten auf den Hals zu hetzen. Damals war es meine beste Freundin, die den Mut fand sich ebenfalls schwarzer Magie zu bedienen. Sie gab nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Seele. Ewige Verdammnis. Sie rette uns alle. Die Schwestern verwehrten ihr eine Beisetzung in den Reihen des Klosters, man verscharrte sie einfach unter einem Stein. Ich empfand es als Verrat. Aber auch ich verriet sie.“ Ihre Stimme bricht. „Sie bekam keine Blumen. Kein Gebet, dass ihre Qualen vielleicht gelindert hätte. Man verscharrte nicht nur sie, sondern ihr Opfer und die Erinnerung an einen wunderbaren Menschen. Zuerst spürte ich nichts, aber es dauerte nicht lange und ich machte mir schwere Vorwürfe. Jede Nacht träumte ich von ihr, hörte sie unter Qualen schreien. Im Frühjahr nach diesem furchtbaren Winter, ging ich zu ihrem Grab und pflanzte dort eine paar Rosenstöcke. Ich redete mir ein, das würde genügen, meine Schuld an ihr zu begleichen. Es war in Ordnung, dass ich noch leben durfte, es war doch ihre Entscheidung. Die Träume hörten auf. Die Rosen wuchsen und umrankten den Stein und ich war glücklich. Doch als der erste Sommer kam und sie erblühten, waren die Blüten schwarz.“ Zorro streicht über die kleinen Wunden, von den Dornen der schwarzen Rose. „Ich verließ in diesem Sommer das Kloster und begann die schwarze Magie zu studieren. Das einzige was ich mitnahm, war eine Blume von ihrem Rosenstock.“ Die Alte lächelt weltentrückt. „Sie ist nie verblüht – Nun, ich verließ das Kloster, denn wenn das Licht ihr nicht helfen konnte“ Sie macht eine bedeutungsvolle Pause. „Oder wollte, dann half ihr vielleicht das Dunkel. Wenn sie den Mut hatte, sich für uns zu opfern, dann konnte ich den Mut aufbringen in der Dunkelheit nach einem Weg zu suchen. Ich wollte Alysia erlösen.“ Tränen rinnen über die faltigen Wangen. Zorro erhebt sich, blickt hinab zur Sterbenden. „Sie hat sich eine Welt aus Farben und Licht gebaut. Aber über kurz oder lang hätte man ihr Selbst gefunden und ihre Welt vernichtet. Irgendwann wäre sie wieder in die Verdammnis gestürzt und der Drache, die Unschuld, wäre gestorben.“ Die Alte schaut zu ihm auf. Ihre Augen flehen stumm. „Alysia hat das alles nicht verdient.“ Zorro nickt mit Tränen in den Augen. „Nein, das hat sie nicht. Würdest du für sie beten, denn ich kenne kein Gebet.“ Die Alte blickt zur Decke. Zorro zieht die Schwarze Rose, lässt das kleine Licht von der Kerze auf der Klinge tanzen. Mit einer geschmeidigen Bewegung fällt er auf die Knie, bettet die Klinge auf die Brust der Alten und legt ihre Hände auf den warmen Stahl. Sie schließt die Augen und bewegt stumm die Lippen. Ihr Gesicht verklärt sich und ein friedvolles Lächeln legt sich auf ihren Mund. Sie hört auf zu atmen. Ein Hauch von Friede liegt auf ihrem blasen Gesicht. Zorro wacht die Nacht über beim Leichnam. Beim ersten Sonnenstrahl nimmt er die Schwarze Rose wieder an sich und begräbt die Alte unter dem Akazienbaum. „Zorro, da kommt Zorro.“ Hektisch versammeln sich alle Crewmitglieder auf der Flying Lamp. Lysop purzelt vom Ausguck. Nur Ruffy schlendert übers Deck. „Was soll die Aufregung, hab doch gewusst, dass er wieder kommt.“ Mit ernstem Gesichtsausdruck betritt Zorro die Lamp. Nacheinander schaut er seine Freunde an. Dann tritt er vor den Kapitän. „Wenn ihr mich noch brauchen könnt, dann wäre ich froh, wieder ein Mitglied der Strohhutbande zu sein.“ Ruffy grinst. „Das warst du die ganze Zeit. Hat sich nie geändert.“ Der Reihe nach umarmen die Freunde den Heimkehrer. „Das müssen wir feiern.“ Zorro hebt müde die Hand. „Nein, bitte Chopper, keine Feier. Danach ist mir nicht zumute.“ Bitter wendet er sich von seinen Freunden ab. Ratlos blicken ihm alle nach. Mit unsicherer Stimme ruft Nami ihm hinterher. „Hast du ein neues Schwert Zorro?“ Triumphierend lächelnd, schaut sie zu, wie sich der Schwertkämpfer wieder zu ihnen dreht. Schweigend zieht er die schwarze Klinge aus der Scheide. Gleich einem Tanz teilt er die Luft. Perfekt führt er die Klinge. Absolute Stille herrscht an Deck. Alle halten den Atem an und lauschen dem Klang, wenn das Schwert durch die Luft gleitet. Es hört sich an, als würde eine Frau lachen. Er steckt die Klinge wieder ein. Sein Gesicht ist schmerzverzehrt. Die Stille wird noch greifbarer, die Gesichter der Freunde sind ernst und bestürzt. Zorro wendet sich wieder um. Nami stürmt zu ihm und schließt ihn, ohne dass er sich zu ihr umdreht, in die Arme. Mit erstickter Stimme flüstert sie: „Dein Schwert ist wunderschön.“ Zorro legt vorsichtig eine Hand auf ihre umschlungenen Hände. „Danke.“ Er streift ihre Arme ab, die Tränen wird er nicht wegwischen. Nein, er trägt sie mit Stolz, immerhin weint er sie für die Verdammten. „Mein Kind beruhige dich doch. Was ist los?“ „Ehrwürdige Mutter, ich war am Rosenstein. Wollte dort eine Blume hinlegen und für gutes Wetter für nächste Woche bitten.“ Die junge Frau zuckt unter dem strafenden Blick der Ordensfrau zusammen. „Das machen alle Novizinnen. Es heißt doch, wenn man auf den Stein eine Blume legt, wird die Blüte schwarz und von deinem Herzen fallen alle Sorgen ab.“ Die ehrwürdige Mutter schaut das Mädchen strafend an. „Es ist genug. Diesmal bekommt du keine Strafe, aber sollte ich je wieder von solchem Unsinn hören, dann Gnade dir Gott. Was ist nun mit dem Rosenstein? Und prüfe deine Worte, ob du sie nicht unnütz sprichst.“ Das Mädchen wird rot. „Ehrwürdige Mutter, die schwarzen Rosen, die auf dem Stein blühen, sind nicht mehr schwarz.“ Die Alte zieht die Luft ein. „Sie blühen in allen Farben, gelb, rot, rosa und eine sogar in blau. Mutter was hat das zu bedeuten?“ Sie bleibt der Novizin die Antwort schuldig. Schweigend folgt die junge Schwester der Vorsteherin des Klosters zu dem kleinen Felsen im Wald. Die junge Frau hat Mühe mit der alten Frau Schritt zu halten. Die jüngeren Schwestern wissen nichts von der Frau, die unter dem Felsen ruht. Sie hat nie einen Grabstein bekommen, nie wurde für sie ein Gebet gesprochen. Auch die jetzige Herrin des Klosters hat für ihre damalige Freundin nicht gebetet. Wie viele Tränen hat sie des Nachts geweint, als die Freundin starb und dann die nächste Freundin, wütend über den Verrat an der Mitschwester, das Kloster verlies. Sie mussten einst einen Schwur leisten, nie über sie zu berichten. Nie für sie zu beten. Sie hätte damals auch gehen sollen, aber sie blieb und schwieg. Vergessen konnte sie jedoch nie. Nun steht sie vor dem Stein, hinter ihr die junge Novizin. „Mutter, ihr weint ja.“ „Manchmal darf man weinen, mein Kind.“ „Aber…“ „Still jetzt Telli. Schau dir diese Rosen an. Sie blühen in Farben, die nicht von dieser Welt sind.“ „Was bedeutet das?“ Die Alte seufzt. „Das weiß ich nicht mein Kind, aber ich hoffe, dass es Erlösung verspricht.“ ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)