Goldener Drache von abgemeldet (Zorros Reise) ================================================================================ Kapitel 5: Drachenland ---------------------- Der Fall ins Nichts, hat er davon nicht schon einmal geträumt? Er stürzt in die Tiefe, die keinen Boden hat. Während seines freien Falls scheint der Druck leichter zu werden und verschwindet ganz. Die beklemmende Angst verringert den eisernen Griff um sein Herz. Gelassen und gedankenlos fällt er. Und irgendwann schließt er die Augen. Diesmal verspricht die Dunkelheit Ruhe und Friede. Er spürt, dass er auf etwas aufkommt. Weich federt der Boden seine Landung ab. Eine rote Sonne streichelt sein Gesicht. Fasziniert prüft er den Untergrund, der seinen Sturz aufgefangen hat. Schwarzes Wasser, aber er liegt darauf, wie auf Daunen. Mit gekreuzten Beinen sitzt er auf der wabernden Flüssigkeit, schaut sich um. Aber kann nichts anderes als das schwarze Wasser erkennen und die rote Sonne, die ihn wärmt. Staunend wandert er über das schwarze Meer. Wohin hat es ihn jetzt wieder verschlagen? Jeder Schritt löst kleine, kreisförmige Wellen aus. Er seufzt. Die roten Fäden fallen ihm wieder ein. Suchend lässt er seinen Blick schweifen. Nichts. Manchmal erlebt man Dinge, die der Verstand nicht begreifen kann. Und manchmal kommt soviel auf einmal, dass man sich über nichts mehr wundert. Hat ihn noch diese dunkle Welt erschreckt, die Türe, aus dem Nichts verwirrt und das schwarze Meer, in dem man nicht versinkt verwundert, so überfordert ihn das, was ihm jetzt wiederfährt, vollkommen. Sein Geist hat begriffen, dass Verstand und Logik seit kurzer Zeit keine Rolle mehr spielen, aber trotzdem ist das, so unglaublich, dass selbst die Geschehnisse der jüngsten Zeit verblassen. Zuerst ist da nur eine Wölbung im Wasser. Eine Unregelmäßigkeit in der glatten Oberfläche, dann jedoch taucht aus der Flüssigkeit etwas auf, dass ihn veranlasst, stehen zu bleiben. Die junge Frau steht nackt vor ihm und mustert ihn neugierig. Sein erster Gedanke, und dass wird er nie vergessen, ist – geniert sie sich den gar nicht? – Und dann bemerkt er erst, was für ein seltsames Geschöpf vor ihm steht. Eine Venus mit goldener Haut, goldenem Haar, schimmernden Lippen und lilafarbenen Augen. Er schluckt. Irgendwie sieht sie dem Mädchen, dass ihn hier her geführt hat ähnlich, aber nur irgendwie. Sie tritt auf ihn zu, er macht einen Schritt zurück. Kommt ins Taumeln und setzt sich unfreiwillig auf den Boden. Mit offenen Mund starrt er sie an. Sie lächelt, steht über ihm und beugt sich zu ihm hinunter. „Wo kommst du denn her?“ Zorro schluckt. Starrt sie an und fühlt sich wie ein Idiot, aber er kann nichts anderes sagen. „Solltest du dir nicht etwas anziehen.“ Verwirrt schaut sie ihn an, um dann loszulachen. „Wenn du meinst.“ Das was jetzt geschieht ist eindeutig zu viel. Sie hebt ihre Hand nach oben und ein rotes Licht erscheint auf ihrer Handfläche. Mit der anderen Hand presst sie das Lichtlein zusammen. Zorro zuckt zurück, als sie ihre Hände auseinander schnellen lässt und mit einer Bewegung sich das Licht um ihren Körper hüllt. Aus dem Schimmer wird etwas greifbares. Ein zarter Stoff, der sich als kunstvolles Kleid an sie schmiegt. „Gefällt es dir?“ Lachend setzt sie sich neben ihn. Zorro beobachtet jede Bewegung von ihr. „Ich habe nicht oft Besuch und vor allem nicht von Fremden. Das ist toll!“ Quirlig springt sie wieder auf und packt den armen Zorro bei den Händen. „Komm mit, ich muss dir was zeigen. Vielleicht gefällt es dir, so wie mir.“ Zorro entreißt ihr seine Hand und bleibt stehen. Erstaunt dreht sich die seltsame Frau um. Mit fragender Miene mustert sie den finsteren Mann. Dieser legt die Hand auf den Schwertgriff und zischt. „Was geht hier vor? Wo bin ich hier und wo sind die roten Fäden?“ Die Frau schaut ratlos an ihm herab und mustert das Schwert. Und dann beginnt sie zu Lachen, hell und klar. Zorro lässt die Hand sinken und schaut sie an. „Bitte, sag mir wo ich bin und wer du bist?“ Sie verstummt, zwinkert ihm zu. „Ich bin der Goldene Drache und du bist hier. Soll ich dir etwas zeigen?“ Müde und kraftlos nickt der Schwertkämpfer. Sie nimmt seine Hand, streicht über seine Wange. „Du siehst müde aus und…“ Ihre Augen scheinen förmlich in seine Seele zu blicken. „Und es ist so furchtbar kalt in dir. Wir müssen dich wärmen. Sonst kommst du nicht weit.“ Sie dreht sich um und hebt erneut die Hände. Doch diesmal beginnt sich das Wasser zu bewegen. Panisch schaut sich Zorro nach einer Stelle, in der er in Deckung gehen kann, um. Aber da ist nichts. Alles bewegt sich. Vor ihm schießt eine Fontäne schwarzen Wassers in die Höhe. Das Wasser steht still und beginnt sich zu verformen. Nimmt Farbe an und wird zu einer Hütte. Tausend Kaskaden erheben sich aus den dunklen Fluten rings um ihn herum in den roten Himmel. Alles geht so schnell, das Wasser steht still und verändert sich. Hört auf Wasser zu sein und kleidet sich in Farben, intensiver, wie er sie jemals gesehen hat. Der Boden unter ihm verändert sich. Erschreckt stellt er fest, dass er auf weichem Laubboden steht. Die heruntergefallenen Blätter glänzen golden. Er fährt herum, dreht sich um sich selbst und stellt fest, dass sie in einem Laubwald stehen, mit großen Bäumen, deren Kleider in allen Farben des Herbstes leuchten. Die Frau, wie hat sie sich genannt? Der Goldene Drache dreht sich zu ihm um. „Du siehst blas aus. Hast du dich erschreckt?“ Sie umfasst seine Hand, legt dann ihren Arm um seine Hüfte, als er schwankt und führt ihn ins Haus. „Komm, drinnen ist es schön warm.“ Sie deckt ihn zu. Kraftlos flüstert er: „Ich kann nicht bleiben, ich muss weiter.“ „Still jetzt. Ruh dich aus, nimm Kraft und Wärme auf. Beides brauchst du dringend. Schlafe und gönne deinem Kopf etwas Ruhe.“ Sie nimmt seine Hand und streicht sanft darüber. Er fühlt sich in seine Kindheit zurückversetzt. Als kranker Junge, da lag er einst auch so im Bett, mit einer liebvollen Hand, die seine hielt. Seufzend, denn die Wärme dringt schon langsam in seinen Körper, in seine Seele und in sein Herz, schließt er die Augen und schläft ein. Der Goldene Drache weicht nicht von seiner Seite, lässt seine Hand nicht los. Er wacht auf. Energiegeladen verlässt er die Hütte und schaut sich um. Der Wald liegt in hellen Farben im roten Schein der Sonne. Keine Spur vom Goldenen Drachen. In welche Richtung soll er gehen? Eine innere Stimme sagt ihm, dass es gleich ist, welche Richtung er einschlägt. In dieser Welt würde es so und so keine Rolle spielen. Pfeifend marschiert er den schmäleren Weg entlang, ohne sich Gedanken über das Warum und Wieso zu machen. Noch nicht lange nach seinem Aufbruch, hört er ein Rascheln zwischen den Bäumen zu seiner Linken. Alarmiert bleibt er stehen, den Griff des Schwertes umfasst. Zwischen den Schatten der Bäume tritt eine Gestalt auf den Weg. Diesmal hat die junge Frau ein sehr kurzes Kleid aus, er würde tippen, Regentropfen an. Und natürlich ist sie ohne Schuhe unterwegs. Sie springt auf ihn zu. Seine Hand lässt den Griff wieder los. „Der Fremde! Na, gut geschlafen?“ Sie wartet keine Antwort ab. „Na los, komm mit, ich will dir so viele Dinge zeigen.“ Geduldig lässt er sich von ihr ins Schlepptau nehmen. Nach ein paar Metern bleibt sie stehen. Geduld ist nicht ihre Stärke. Der Weg scheint ihr zu lange zu sein, also wischt sie kurzerhand den Wald weg und lässt vor ihnen eine Lichtung erscheinen. Sie rümpft die Nase. Eine weitere Bewegung und aus dem goldenen Laub am Boden werden goldene kleine Blümchen, auf einer grünen Wiese. Ihr prüfender Blick hellt sich auf. „Komm!“ Auf der Mitte der Lichtung liegt eine Decke, mit einem Picknickkorb. Sie kichert. „Ich habe noch nie mit jemanden gepicknickt.“ Zorro lässt sich auf die Decke fallen. Die junge Frau setzt sich neben ihn und mustert ihn. Irgendetwas scheint sie zu stören. Mit schmollendem Mund schaut sie zur Sonne hoch und ändert das Rot in ein sanftes Gelb. Mit strahlenden Augen schaut sie Zorro noch einmal an und nickt dann zufrieden. „Es ist hier sehr seltsam.“ „Ist es bei dir nicht so?“ Zorro lacht auf. „Was?“ „Na, ich meine, ist es nicht so wie bei mir?“ Er schüttelt den Kopf. „Nein, es ist anders. Ganz anders.“ „Oh, wie ist es dort? Ich war noch nie irgendwo, wo es anders war.“ Verwirrt schaut er den Goldenen Drachen an. Er schweigt, doch sie stört es nicht. Lachend serviert sie ihm allerlei Speisen. Den ersten Bissen nimmt er mit viel Vorsicht, den Zweiten noch zaghaft, aber schnell hat er seine Bedenken vergessen. Es schmeckt köstlich und das Kitzeln, dass es in seinem Bauch hinterlässt, macht ihn viel ausgeglichener und das Finstere in ihm verschwindet. Satt und zufrieden hat er sich auf der Decke ausgestreckt. Der Goldenen Drache flattert auf der Blumenwiese herum und spielt sich mit den Farben der Blumen. Zorro beobachtet sie. Doch eine Falte teilt seine Stirn, er richtet sich auf. „Ich bin hier her gekommen, durch eine Türe, um die roten Fäden zu finden.“ Die Frau richtet sich auf und schaut zu ihm rüber. Er kann nicht sagen, ob sie ihm wirklich zuhört oder ob ihre Gedanken noch über die Blumenwiese hüpfen. „Freunde von mir sind in Gefahr.“ Sie horcht auf. „Tut ihnen was weh?“ Er nickt. Ihr offenes Gesicht nimmt einen bestürzten Ausdruck an. „Das ist ja schrecklich!“ Sie kommt zu ihm rüber und setzt sich neben ihn. „Ich muss ihnen helfen.“ Ein Nicken. „Ich bin hier her durch eine Tür gekommen, weil ich sieben rote Fäden suche.“ Enttäuscht ließt er nur Unverständnis in ihrem Gesicht. „Schau,“ versucht er ihr, wie einem Kind zu erklären. „Meinen Freunden geht es nicht gut, weil ihnen die Fäden gestohlen worden sind und ich suche den, der sie ihnen weggenommen hat. Wenn du mir hilfst ihn zu finden, dann kann ich ihnen helfen. Aber dazu muss ich die Fäden wiederfinden.“ Sie beißt auf ihre Lippen. Zorro schaut sie von der Seite an und fragt sich, was wohl in ihrem hübschen Köpfchen vorgehen mag. Sie springt auf. „Ich helf dir.“ Verspielt läuft sie ein paar Schritte rückwärts. Ein Windstoß von irgendwoher nimmt die Regentropfen ihres Kleides mit sich. Zorro schaut auf die Decke. „Das musst du nicht.“ Er schaut in ihr liebevolles Gesicht. „Schau nicht weg. Schau her.“ Sie breitet die Arme aus. Reckt das Haupt gen Himmel. Und wieder verformt sie die Wirklichkeit, wenn es Wirklichkeit in dieser Welt überhaupt gibt. Der zierliche Körper der Frau beginnt sich zu verändern, sanft biegt sich die Realität in eine neue Form. Staunend verfolgt er dieses Schauspiel, bis ein großer, goldener Drache auf der Lichtung steht. Majestätisch und betörend schön. Zorro klettert auf seinen Rücken. Die Schuppen unter seinen Fingern fühlen sich warm an. Mit rauschenden Schwingen erheben sie sich in den Himmel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)