Oddness von mystique (∼ Seltsamkeit ∼ KaibaxWheeler) ================================================================================ Kapitel 1: Overlap ------------------ Titel: Oddness Pairing: KaibaxWheeler Serie: Yu-Gi-Oh! Disclaimer: Würde Yu-Gi-Oh! mir gehören, würde ich dann darüber schreiben müssen?! Es gab Dinge in meinem Leben, die konnte ich nicht ändern. Zum Beispiel die Tatsache, dass ich in Mathe niemals die Top Ten der Stufe erreichen würde und auch meine sich stetig wiederholenden Verspätungen konnten sich stolz dazu zählen. Dazu gehörten die Launen meiner Lehrer und sicherlich auch mein ständiges Verlieren gegen Yugi beim Duel Monsters waren zweifellos Teil davon. Offen gesagt waren dies jedoch alles Dinge, die mir im Grunde genommen schlichtweg egal waren (abgesehen davon, dass ich ständig gegen Yugi verlor. Bester Kumpel hin oder her, irgendwann war die Toleranzgrenze überschritten. Warte nur Alter, beim nächsten Mal mache ich es dir nicht so leicht, denn der Fehler passiert mir sicher nicht viermal!) Doch in meinem durchaus abwechslungsreichen Oberschülerleben gab es eine Sache, die sich genauso wenig ändern ließ, wie die bereits genannten Dinge, mich jedoch im Gegensatz dazu mehr als nur lästig war. Mich regelrecht in den Wahnsinn trieb, noch mehr als Kapuzenpullover (zweifellos eine Erfindung des Teufels um Frisuren zu zerstören!). „Na Wheeler, verweist du geistig wieder in dem Paralleluniversum, in dem du kein Versager bist?“ Und diese verdammte Sache, die sogar noch schlimmer war als Kapuzen hieß Seto Kaiba. Wieso es ausgerechnet dieser, anscheinend zu kühl gelagerte, Saftsack war, der meine Nerven an den Rand ihrer Leistungsmöglichkeit trieb, verstand ich leider auch nicht, doch Fakt war nun mal, dass seine alleinige Präsenz mein Temperament auf 180 brachte und bereits der bloße Klang seiner Stimme mein Blut in Wallung brachte. Im negativen Sinn, versteht sich. Wie er das schaffte entzog sich meines Wissens, doch erfüllte es mich umso mehr mit Zorn, dass ich ihn scheinbar vollkommen kalt ließ. Nur wenige Male war es mir gelungen, diese elende contenance - ja Kaiba, ich beherrsche Fremdwörter! - zumindest flackern zu lassen wie de Flamme einer Kerze. Einmal habe ich Kaiba tatsächlich zum Husten gebracht - aber auch nur, weil ich ihn in der Caféteria angerempelt hatte (mein Dank galt ganz und gar Tristan: He Alter, ich weiß genau, dass du mich geschubst hast und nicht Duke!) als er einen Schluck Kaffee getrunken und sich durch mein unerwartete Nähe verschluckt hatte. Als Folge aus diesem, für mich äußerst peinlichen Zwischenfall, trank er nun in meiner Gegenwart überhaupt nichts mehr und beäugte mich stattdessen öfter als sonst mit einem argwöhnischen Blick, wann immer ich mich ihm in einem Radius bestehend aus drei Metern nähere. Zumindest ein kleiner Erfolg. Seine sonstige Reaktion beschränkte sich immer nur auf einen kühlen Blick, ein abschätziges Heben seiner Augenbrauen oder ein spöttisch herablassendes Lächeln. Und genau das war es, was mich störte. Kaiba verlor nie die Fassung. Zumindest nie in der Größenordnung wie ich es tat. Seine Selbstbeherrschung wäre sogar beneidenswert, würde er sich mir gegenüber nicht wie der schlimmste Großkotz, den Mutter Erde jemals auf sich hat wandeln lassen, benehmen. Dafür hasste ich ihn. Und Mutter Erde genauso. Zumindest manchmal. Wie schaffte er es nur immer wieder derart kontrolliert zu bleiben, während ich ihm gegenüber jedes Mal die Fassung verlor? Natürlich, ich war ein Hitzkopf, das wusste ich, womit ich bereits einen Teil der Antwort hatte, doch worum handelte es sich bei dem anderen, noch fehlenden Teil? War es, weil Kaiba im Gegensatz zu mir ein Sturkopf war? Und ja, das war er zweifellos! Ich nahm es mir sogar heraus, zu behaupten, dass er nach mir der größte Sturkopf überhaupt war. Woher ich das wusste? Ganz einfach: Kein normaler oder auch nicht-sturer Mensch schaffte es über Jahre hinweg die Behauptung aufrecht zu erhalten, nichts, aber auch gar nichts mit unserer Weltrettungs-Clique, bestehend aus Yugi, Téa, Tristan, und mir, zu tun zu haben, nachdem er mit uns - Pegasus zur Strecke gebracht hat - sein Battle Ciy Turnier und die ganze Welt vor dem Reich der Schatten bewahrt hat - seinen Stiefbruder von der totalen Machtübernahme abgehalten hat - die Welt vor einem Leviathan bewahrt hat - und einen noch widerlicheren, großkotzigeren, rosahaarigen Typen mit dem Spitznamen Ziggy und null Modegeschmack hat auffliegen lassen. Niemand, abgesehen von Kaiba. Und diese Tatsache war für mich der Beweis für seine unglaubliche Sturheit. Vielleicht nannte man so etwas auch Verdrängung der Tatsachen? Egal, in meinen Augen handelte es sich hierbei eindeutig um Sturheit. Eine Kaiba-Sturheit. Doch dies war nur ein Bruchteil der Theorie, die ich im Laufe der Jahre, in denen wir uns kannten und hassten, bezüglich Kaiba aufgestellt habe. Ich kam nämlich zu folgendem Schluss: Kaiba war seltsam. Und ich hatte einschneidende Gründe, die diese These stützten und untermauerten: 1. Kaiba war knapp 19 und Leiter der Kaiba Corporation. Dies war eine Grundvoraussetzung, die nicht jeder knapp 19-jährige auf diesem Planeten für sich beanspruchen konnte. (Ich übrigens auch nicht.) Kaiba schon. Und alleine wie oft er einen darauf aufmerksam machte, jeden daran erinnerte, dass es so war, sei es durch das KC-Logo auf seiner Schuluniform, seiner Tasche, seinen Heften, seinen Stiften und sogar auf – Gott bewahre – seiner Sportkleidung, ließ jedes Mal die kalte Wut in mir aufsteigen. Wahrscheinlich hatte er in seinem Wahn auch irgendwo auf seinem Körper ein Tatoo mit dem Logo der Kaiba Corporation! Nicht, dass es mich interessierte, wo es war. Ich wäre aber auch nicht gänzlich abgeneigt, es zu erfahren. Irgendwann vielleicht ... Wie auch immer, Kaiba machte keinen Hehl aus dem, was er hatte. Und das regte mich auf! Was fanden bloß alle an ihm?! Die Lehrer krochen geradezu vor ihm auf Knien, überhäuften ihn mit höflichen Floskeln, und sämtliche meiner Mitschüler vergötterten ihn. Alle Mädchen waren regelrecht scharf auf ihn und während die meisten Jungs ihn nur argwöhnisch oder neidisch betrachteten, gab es da noch einen Anteil männlicher Schüler, die sich der Meinung der Mädchen anschlossen. Nicht, dass sich zu diesen Jungen gehörte – soweit käme es noch! Ich wäre der letzte, der Kaiba als attraktiv ansehen würde. Wo war der denn bitte attraktiv?! Ich konnte ihn nicht leiden! Und ich verstand nicht, was alle an ihm so toll fanden. Ich sah im Gegensatz zu ihm immerhin unverschämt gut aus. Doch auch das schien ihn vollkommen kalt zu lassen. Ignorant. In meiner Schilderung war ich bereits an den nächsten Punkt meiner Aufzählung gelangt: 2. Kaiba besaß einen Fanclub. Als ich vor einigen Monaten zum ersten Mal davon gehört hatte, war mein erster klarer Gedanke gewesen: Ich will auch einen! Erst Minuten später hatte sich mir die Frage gestellt: Warum hat ausgerechnet der Großkotz einen Fanclub? Weil er reich war? Weil er 19 war? Weil er (angeblich) attraktiv war? Weil er solo war? Oder weil er ein Arsch war? Standen die Mädchen von heute auf unterkühlte Kotzbrocken mit zu viel Ego und zu wenig Einfühlvermögen? Sollte sich ihre Einstellung zu mir ändern, sobald ich mit einer Kaiba-Maske in der Schule erschien und den Mistkerl markierte? Nein, so weit würde es nicht kommen – mein Stolz hatte eindeutig etwas dagegen. Den Fanclub gab es trotzdem. Und alleine der Name bereitete mir Kopfschmerzen: Seto Kaiba – the sexiest Man alive! Wie verzweifelt und vor allem krank musste man sein, um diesem Club beizutreten?! Doch leider dachten nicht alle so wie ich. Der Club boomte regelrecht, hatte sogar schon eine eigene Seite im Internet und ich war bereits schon so manchen Morgen aus dem Schlaf geschreckt, mit den Albträumen, in denen es sogar eine Zeitschrift von Kaiba gab. Erschreckend. Noch viel erschreckender war jedoch, dass ich erst kürzlich in Serenitys Zimmer, als ich wieder meinen wöchentlichen Besuch mit Blick nach dem Rechten verrichtet hatte (das stand mir als großer Bruder zu und nein, ich las nicht die Mädchenzeitschriften, die sie in einer der Kisten neben ihrem Bett verwahrte!), auf ein Banner mit der Aufschrift I love Seto gestoßen war. Mein Gesichtsausdruck muss schockierend gewesen sein, zumindest verspürte ich in dem Moment des Fundes den starken Drang, die Person, der die Aufschrift gewidmet war, langsam und genüsslich mit dem eigenen Fanbanner zu erwürgen. Dazu war es nicht gekommen, wofür hauptsächlich meine Schwester verantwortlich war. Nach einer halben Stunde des ernsten Levitenlesens, in der ich ihr eindeutig klar gemacht hatte, warum Seto Kaiba ein derart hassesnwerter Mensch war, dass selbst die Pflanzen in seiner Umgebung ihr Leben ließen, die Luft unnatürlich dünn würde und unschuldige Lebewesen durch ihn zu Schaden kämen und der heftigen Beteuerung, dass es ihre Aufgabe als Wheeler sei, ihn genauso zu verachten wie ich es tat, schien sie nicht wirklich überzeugt. Auch glaubte ich ihr die Ausrede nicht, dass das Banner einer ihrer Freundinnen gehörte. Ich habe das eindeutige entschlossene Wheeler-Glitzern in ihren Augen gesehen und im Zusammenhang mit einem I love Seto-Banner verhieß es eindeutig nichts Gutes. Ein weiterer Punkt, der Kaiba noch verhasster werden ließ – er brachte meine eigene Schwester gegen mich. Welche Schmach. Das Banner hatte ich vorsorglich an mich genommen, Serenitys Protest dabei geflissentlich ignorierend – wer wusste schon was aus meiner Schwester unter weiteren derartig schlechten Einflüssen würde? – und jetzt befand es sich in meiner Tasche. Kein geeigneter Ort für ein Banner mit einem eindeutigen Geständnis an meinen Erzfeind, aber ich hatte bis jetzt noch nicht die Gelegenheit gehabt, es zu verbrennen. Das wollte ich gleich nach der Schule tun ... Hätte ich bei Serenity ein I love Yugi-Banner gefunden, wäre das ganze nur noch halb so schlimm. Yugi war mein Kumpel und sogar ein I love Duke oder I love Tristan-Banner hätte ich irgendwie verkraftet. Vielleicht auch nicht ganz, aber besser als das Banner von Kaiba! Und warum gab es verdammt noch mal kein I love Joey-Banner?! Die Welt war grausam. Das schlimmste an der ganzen Fanclub-Geschichte aber war: Kaiba ging es sonst wo vorbei. Es kümmerte ihn nicht im Geringsten und dafür hatte ich ihm schon oft genug den Hals umdrehen wollen. Doch leider war es unmöglich, das zu tun. Zudem würde ich einer Mordanklage seiner Anwälte kaum standhalten können. Mit Sicherheit nicht. Das waren hoch bezahlte Profis. Wie auch immer, ich konnte ihn schlicht und ergreifend nicht leiden. Und seine Launen machten das ganze nicht unbedingt leichter. Denn ob er es leugnete oder nicht: 3. Kaiba war ein cholerischer Phlegmatiker. Man mochte mich für diese Behauptung mit schiefen Blicken taxieren, doch das war mir egal. Ich wusste, dass es so war, denn ich hatte die Wörter extra nachgeschlagen! Kaiba gab sich anderen gegenüber immer kühl und beherrscht, doch in Wahrheit war er nicht immer so. Man musste ihm nur lange genug auf die Nerven gehen oder geduldig darauf warte, dass etwas in der Kaiba Corporation nicht ganz glatt lief, dann fing irgendwann seine Augenbraue an zu zucken. Erst kaum merklich, dann zunehmend deutlicher. Ich wusste nicht, ob er selbst diese Mimik ebenfalls mitbekam – die Tendenz neigte eher zu nein, denn sonst hätte er sie sicherlich schon längst unterbunden – aber eins musste einem von dem Moment an klar sein: Die Zeitbombe tickte. Von da an wurde es erst interessant. Denn seiner Augen verdunkelten sich und seiner Stimme wurde zu einem gefährlichen Fauchen. Cholerisch war er auf alle Fälle – soviel stand fest. Nur mir gegenüber schaffte er es eigentlich immer, seine Fassade aufrecht zu halten. Während ich jedes Mal vor Wut rot anlief, sollte er es wieder einmal gewagt haben, mich oder meine Freunde zu beleidigen, behielt er seine stoische Miene – den Begriff hatte ich ebenfalls nachgeschlagen – aufrecht und musterte mich mit einem beinahe schon gelangweilten Blick. Unfassbar, warum es immer ich war, der den überstarken Drang verspürte, ihm für jede seiner schönen Beleidigungen einen ganz besonderen Dank à la Joey zu geben, dieser Versuch jedoch aufgrund Yugis und Téas aufopferungsvoller Aufhaltaktionen unterbunden wurde, die meist damit endeten, dass ich keuchend zwischen ihnen hing, jeder von ihnen einen meiner Arme schraubstockfest umklammerte und Kaiba mich nur wieder herablassend musterte. Mistkerl. Ein weiterer Grund, der mir jedes Mal aufs Neue vor Augen hielt, warum ich ihn so hasste. So abgrundtief: 4. Kaiba hatte offenbar eine Hundephobie. Entweder das, oder er versuchte seine überschüssige Energie durch Beleidigungen an mir abzubauen. Vielleicht hatte ihn als kleiner Junge auch ein Hund gebissen und dadurch die Phobie hervorgerufen und da Kaiba mich ohnehin nicht leiden konnte, versuchte er diese Phobie auszugleichen, indem er sie an mir auslebte. Klang sehr kurios, könnte aber auch möglich sein. Wahrscheinlich nannte er mich darum dauerhaft Köter, Töle oder Kläffer. Na wunderbar. Ein cholerischer Phlegmatiker mit Hundephobie. Hallelujah. Dem Hund, der Kaiba gebissen hat würde ich zu gerne danken ... Je mehr ich über Kaiba nachdachte, desto seltsamer wurde er. Verdammt, warum dachte ich überhaupt über ihn nach? Wahrscheinlich lag es wieder einmal an Yugi und einer seiner berühmten ‚Du solltest anfangen dich mit Kaiba zu vertragen’-Phasen oder Téas strengem ‚Werd endlich erwachsen’-Blick, gepaart mit einer ermunternden ‚Téa hat Recht’-Geste seitens des Pharaos. Warum immer ich? „Wheeler? Hast du Probleme oder was? Ich versuche jetzt seit geschlagenen fünf Minuten, dich zu einer möglichen Antwort zu bringen. Ist dein Gehirn im Ruhezustand oder hast du es mittlerweile längst verloren?“ Kaibas kalte Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Irritiert blinzelte ich und sah mich unvermittelt einem Paar stechender blauer Augen gegenüber, welches ich vorher nicht einmal ansatzweise wahrgenommen hatte. Schwer schluckend wich ich ein Stück auf meinem Platz zurück. Sekunden später realisierte ich seine Worte und verzog das Gesicht. „Probleme? Nein, wieso?“ Blieb nur noch das Rätsel zu lösen, warum Kaiba so darauf beharrte, dass ich ihm Aufmerksamkeit schenkte ... Seine Augenbrauen zogen sich kaum merklich zusammen und ich meinte bereits, die schwachen Ansätze eines Zuckens erkennen zu können, tat dies jedoch Augenblicke später als Hirngespinst ab, da sein Blick dieselbe Herablassung widerspiegelte wie vorher und sein Mund sich leicht verzog. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, hatte er sich doch leicht zu mir hinab gebeugt um auf Augenhöhe mit mir zu sein – Gott wusste wieso er das gewollt hatte – und sah nun mit demselben Blick von oben auf mich hinab. Mein Herzschlag beschleunigte und meine Miene verdüsterte sich. Wie ich es hasste, wenn er so viel größer war als ich, das gab mir jedes Mal das Gefühl, ihm untergeordnet zu sein. Grauenhaft. „Weil die Stunde längst zu Ende ist und du noch immer wie ein Stein auf deinem Platz hockst. Deswegen.“ Ich blinzelte. Einmal, zweimal, konnte zunächst nicht begreifen, was er mir soeben eröffnet hatte. Dann wandte ich langsam, als würde ich gesteuert, den Kopf und blickte mich in der Klasse um. Tatsächlich. Alle Plätze waren leer. Nicht einmal Yugi und die anderen waren noch da. Warum hatten sie nicht auf mich gewartet? Gemeinheit! „Wird’s bald.“ Seine scharfen Worte ließen mich erneut zu ihm aufsehen. Perplex starrte ich zu ihm hoch. „Wird was?“ Sicher – es war keine wirklich schlaue Frage, angesichts seines Gesichtausdrucks wurde mir schlagartig bewusst, wie bescheuert sie tatsächlich war - doch verstand ich momentan wirklich nicht, was er von mir wollte. Er schloss die Augen, fasste sich mit einer Hand an die Stirn. „Ich bezweifle deine geistige Anwesenheit.“ „Ach ja?“, fragte ich konfus. Ich verstand noch immer nicht worauf er hinaus wollte. Lediglich sein Tonfall verriet mir, dass diese Worte keinesfalls positiv zu deuten waren. „Aber ich bin doch hier.“ Er starrte mich an, als wäre ich nicht mehr ganz richtig im Kopf. Was hatte er denn jetzt wieder? Offenbar konnte man es ihm nie recht machen. Verwöhnter Snob. „Wheeler, sag mir bitte“, meinte er schließlich nach einer mehr als unangenehmen Pause, in der mir der Sinn seiner augenblicklichen Präsenz noch immer nicht begreiflich wurde, „geht es dir nicht gut? Oder hat deine Intelligenz nur einen weiteren Tiefpunkt erreicht?“ Die Wut in mir schwoll an. Ich verengte die Augen. „Hör mal Kaiba, wenn du hier bist, um mich mit sinnlosem Zeug voll zu quatschen, dann herzlichen Dank – darauf kann ich verzichten!“ „Ich schätze“, erwiderte er kühl und seine Stimme war schärfer als Eis, „dass das ‚sinnloseste’ immer noch dein beinahe schon apathisches ‚Gestarre’ ist, nicht mein ‚Rumgequatsche’." Ich erhob mich in einer ruckartigen Bewegung. Mein Stuhl quietschte beinahe schon protestierend – vielleicht auch warnend – doch ich ignorierte es geflissentlich. Kaiba hatte nicht das Recht, mich wieder zu beleidigen! Er hatte es nie besessen und das würde er jetzt zu spüren bekommen! „Was willst du noch hier?!“, knurrte ich und meine Stimme klang mehr als nur gereizt. Wunderbar, offensichtlicher ging es kaum noch. Hier zeigte sich wieder einmal der Kontrast zwischen uns. Ihm schien meine Wut keinesfalls entgangen zu sein, denn seine Augenbraue schoss in die Höhe und er taxierte mich mit einem abschätzigen Blick. Hitze stieg in mir auf und vernebelte meinen Verstand. „Jetzt sieh mich nicht wieder so an, Kaiba!“ „Wie sehe ich dich denn an?“ „Na so eben!“, gab ich zurück. „Tu jetzt nicht so, als würdest und es nicht wissen!“ Meine Hände zitterten und ich ballte die Fäuste. Wie schaffte er es nur jedes Mal, mich derart in Rage zu bringen? „Ich kann nichts dafür“, meinte er mit unbeteiligter Stimme, „dass du dein Temperament nicht zügeln kannst.“ Mit diesen Worten traf er einen wunden Punkt. Einen äußerst wunden Punkt. Genau genommen hatte er Salz in die offene Wunde gestreut. Das tat verdammt weh. Und es machte mich rasend! „Was willst du damit sagen?!“, knurrte ich drohend. „Ich denke, dass du das sehr genau weißt, Wheeler“, entgegnete er abwertend. „Oder reicht es bei dir nicht einmal dazu?“ Mit wenigen Schritten war ich bei ihm und packte ihn am Kragen. Meine Hände zitterten unkontrolliert, während ich sie in den dunklen Stoff seine Schuluniform krallte. „Was bildest du dir eigentlich ein, Kaiba?“ Er erwiderte meinen Blick gelassen. „Nicht mehr als mir zusteht. Und das ist mehr als genug.“ Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Langsam löste sich mein Griff um seiner Uniform. Ich gewann die Kontrolle über mich zurück. „Du bist wirklich ein unglaublich arroganter Mistkerl, Kaiba.“ Es war eine Feststellung, die ich mehr aus Zufall, denn aus tatsächlicher Absicht laut aussprach. „Unfassbar, dass jemand wie du einen Fanclub hat.“ Sein Blick verriet mir, dass er mit solchen Worten nicht gerechnet hatte. Gut so, wenigstens konnte ich ihn so ein wenig überraschen. Wenn es nicht anders ging ... „Eine Fanclub?“, fragt er skeptisch. „Ist das alles, was du dazu zu sagen hast, Wheeler?“ Ich zuckte die Schultern, während ich gänzlich von ihm abließ und einige Schritte nach hinten machte, nach meiner Schultasche griff und sie schulterte. „Ja, mehr nicht. Ich kann es wirklich nicht glauben, was alle an dir finden. In meinen Augen bist du nicht mehr als ein neureicher Großkotz mit zu viel Ego.“ Ich wandte mich ab, wollte gehen. Mir war schlecht, denn wieder hatte Kaiba mich mit wenigen Worten an den Rand meiner Selbstbeherrschung gebracht und darüber hinaus. Das machte mich wahnsinnig. Wortlos durchschritt ich die Klasse, wollte einfach nur raus, da das Gefühl der Übelkeit von Sekunde zu Sekunde zunahm. Ich hasste Kaiba so sehr, dass es schon wehtat! Ein fester Griff um meine Schulter ließ mich aufkeuchen. Grob wurde ich herumgewirbelt, wodurch mir meine Tasche von der Schulter rutschte. Mit einem dumpfen Geräusch landete sie auf dem staubigen Boden der Klasse. Meine Augen weiteten sich, als ich zusah, wie der Verschluss der Tasche Aufsprang und sich ihr Inhalt über den Boden verteilte. Himmel nein das durfte nicht sein! Mein Kopf schnellte herum und ich fixierte Kaiba. Er sah mich durchdringend an. „Was sollte das Wheeler?“ „Ich-“ Mein Mund schloss sich, öffnete sich wieder und schloss sich erneut. Ich fühlte mich wie ein Fisch auf dem Trockenen, dem die nötige Luft ausging. Hilfe, Kaiba ... er musste nur leicht zur Seit sehen, dann – nein! Panik musst ein meinem Blick gelegen haben und dies schien auch ihm nicht entgangen zu sein. Verdammt, nur ein kleines Stück und er könnte – Vielleicht hatte ich ja Glück und es war womöglich nicht alles aus der Tasche gefallen ...? Das Blut wich mir aus dem Gesicht, als sein Blick langsam an mir vorbeiwanderte. Scheiße Kaiba, konntest du nicht einmal das tun, was du tun solltest und nicht das, was mich am Ende als größten Idioten der gesamten Schule dastehen ließ?! „Kaiba, dass ...“ Mir gingen die Worte aus, als sein Blick auf das helle Banner mit dem Schriftzug fiel. Seine Augen weiteten sich und auch er öffnete den Mund, sagte jedoch nichts. Zum ersten Mal in meinem Leben stand Kaiba sprachlos vor mir und ich ... hätte alles gegeben, um diesen Moment ungeschehen zu machen. Welche Ironie. Ich hatte mein Ziel erreicht, doch mir wäre es lieber gewesen, niemals so weit zu kommen. „Wheeler ...“ Sein Blick wanderte über das Banner, die Übelkeit in mir verdoppelt sich und ich sehnte mich nach einer Toilette. Warum passierten immer mir diese Dinge? „Weißt du Kaiba, ich kann das erklären!“ Nichts konnte ich. Egal, was ich ihm nun sagen würde, er würde es mir ohnehin nicht glauben. Kaiba war jemand, der strikt nach dem Motto lebte ich glaube, was ich sehe und in diesem Fall sah er eindeutig zu viel. Und das wirkte sich nicht unbedingt zu meinem Besten aus. Ganz und gar nicht. Minuten verstrichen und noch immer hatte er sich nicht gerührt. Sein Blick ruhte auf dem unscheinbaren Banner. Dann, nach einer Ewigkeit sah er mich an. In seinen Augen lag ein Funkeln, bei dem es mir kalt den Rücken runter lief. „Wheeler, das hätte ich nicht erwart.“ Ach, tatsächlich? Dann waren wir ja schon zu zweit. „Wirklich interessant.“ Ja? Das fand ich nicht unbedingt. Seine Hand lag noch immer auf meiner Schulter und schien Tonnen zu wiegen. Er beugte sich leicht vor, kam meinem Gesicht gefährlich nahe. Ich wich zurück. Das bedeutete nichts Gutes. Auch der Ansatz eines selbstzufriedenen Grinsens konnte nicht gut für mich sein. Seine Augen waren auf derselben Höhe wie meine und nur ein kleines Stück trennte unsere Gesichter. Mein Magen machte einen unangenehmen Salto. Das. War. Nicht. Gut. Kaibas Nähe machte mich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich unsicher. Mehr als nur das. „Sag mir bitte etwas, Wheeler“ – in mir zog sich alles zusammen – „wem gehört dieses Ding wirklich?“ Bitte was?! Momente lang hatte ich das Gefühl, den Boden verloren zu haben. Ich starrte Kaiba an und der Sinn seiner Worte wollte sich mir einfach nicht offenbaren. „Äh ... was?“ Nun erschien tatsächlich ein spöttisches Lächeln auf seinen Lippen. „Wheeler, dachtest du ehrlich, dass ich jetzt annehme, dass das zu dir gehört?“ „Ja?“ „Das überrascht mich nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Als ob ich so naiv wäre, anzunehmen du würdest Mitglied meines -“ Er unterbrach sich, da die Vorstellung so lächerlich war, dass selbst er den Satz nicht zu Ende bringen konnte. Du bist schon immer so kurzsichtig gewesen." Herzlichen Dank auch. Ich starb innerlich tausend Tode an Herzversagen und dieser Typ war nie der Überzeugung, ich wäre ein Fan von ihm. Hätte er es nicht sofort sagen können oder hatte er es darauf angelegt, mir eine Überdosis Adrenalin zu verpassen? Kaibas Grinsen wurde eine Spur selbstzufriedener. „Dennoch, kann ich nicht verleugnen“, er beugte sich ein Stück weiter vor und ich spürte bereits seinen Atem auf meinem Gesicht. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Das war kein gutes Zeichen. „Dass es schade ist, dass es nicht dir gehört.“ Hä?! Hatte ich richtig gehört? Oder litt ich an Wahnvorstellungen? War der Adrenalinüberschub daran schuld? Und was war mit Kaiba los? Warum grinste er jetzt so ... kaibauntypisch? Dass heißt, es war doch irgendwie typisch, aber auch so ... eindeutig zweideutig. Hilfe ... „Wheeler, du überraschst mich.“ Und er mich. Allerdings negativ. Mehr als nur negativ. Er beugte sich leichter vor – Gott, was tat er da?! „Werde doch einer meiner ... Fans.“ Wo war der Kaiba, denn ich seit Jahren zu kennen geglaubt hatte?! Und was war das hier für ein Kaiba?! Und warum machte er mich so unsicher? Ich war sonst nie unsicher! Zumindest so gut wie nie ... Seine heißen Lippen trafen auf meine, bevor ich in der Lage war, zu protestieren. Sämtliche Beschimpfungen die mir auf der Zunge gelegen hatten waren vergessen. Verdammt, was dachte er sich eigentlich, was er da tat?! Ich stemmte meine Hände gegen seine Schultern und drückte ihn grob von mir. Keuchend starrte ich ihn an. Ungläubig. Fassungslos. Und verdammt wütend! „Kaiba, was sollte das?! Bist du von allen guten Geistern verlassen?!“ Meine Stimme überschlug sich beinahe, doch ihn kümmerte es nicht. In einer schnellen Bewegung schoss seine Hand hervor, legte sich um meinen Nacken und zog mich ruckartig zu ihm. Erschrocken sog ich die Luft ein, als ich seine Stimme dicht neben meinen Ohr vernahm. „Vielleicht bin ich das wirklich, Wheeler.“ Dann waren seine Lippen wieder da, nahmen meine in Beschlag und raubten mir den Atem. Aufkeuchend wurde ich noch näher zu ihm gezogen und fand mich Sekunden später in einer festen Umklammerung wieder, aus der ich mich unmöglich lösen konnte. Zu überrumpelt von seiner Aktion, war ich nicht in der Lage, mich zu wehren. Mein Keuchen nutzte er schamlos aus, fuhr mit seiner Zunge über meine Lippen, biss leicht zu und fuhr in meinen, vor Überraschung, leicht geöffneten Mund. Rücksichtslos plünderte er ihn, strich über meine Zähne, fand schließlich meine Zunge und forderte sie unmissverständlich auf und mir blieb nichts anderes übrig, als es geschehen zu lassen und nach dieser eindeutigen Aufforderung zum Duell darauf einzugehen (ein Wheeler ließ nie eine Möglichkeit ungenutzt, sich einer Herausforderung zu stellen!). Es war unglaublich, dass jemand der sich nach außen hin so unterkühlt und kaltherzig gab, so überwältigend heiß küssen konnte. Wo hatte dieser Mistkerl gelernt, so zu küssen? Ich fühlte mich in meiner Ehre als Wheeler beleidigt und sah es als meine persönliche Pflicht, ihm zu beweisen, dass ich ihm in der Hinsicht um nichts nachstand! Ich hob meine Hand und vergrub sie in seinem Nacken, krallte meine Finger in sein Haar, das so unglaublich weich war, dass es eigentlich hätte verboten werden müssen. So viel hatte ich eigentlich nie von ihm wissen wollen. Ich ging auf sein Spiel ein, kam seiner Zunge entgegen, versuchte sie zurückzudrängen. Zu meinem Unglück schaffte ich es nicht, erwies er sich in dieser Hinsicht doch als äußerst standfest. Er wies mich unmissverständlich in meine Schranken, intensivierte jedoch seine Bemühungen und brachte mich erneut zum aufkeuchen. Nie hätte ich erwartet, dass Kaiba - Kaiba! – so küssen konnte – dass er überhaupt küssen konnte! Doch er belehrte mich eines besseren und so sehr es mir widerstrebte, dieser hinterhältige Snob hatte mich überrascht, überrumpelt und – zumindest was das anging – überzeugt. Verdammt, er hatte es wieder geschafft. Nach einer Ewigkeit zog er sich zurück, gab meine Lippen frei, ließ es sich jedoch nicht nehmen, noch einmal fordernd darüber zu lecken, dann lehnte er sich leicht zurück, lächelte mich beinahe schon lasziv an. So ein – dieses Lächeln sollte sofort verboten werden, wir waren doch noch ... äh, wo waren wir noch mal? Ich fühlte mich seltsam ... anders. Hatte vergessen, wo wir waren, warum wir hier waren, nur dass ich ihn eigentlich hassen sollte, ihm für diese hinterhältige Attacke eine verpassen sollte, doch irgendwie ... Meine Lippen kribbelten und mein Atem ging in unregelmäßigen Abständen. Was hatte Kaiba sich nur dabei gedacht?! Ich hatte immer angenommen, er könnte mich nicht ausstehen. Was sollte das hier werden? Was sich hasst das liebt sich in Wahrheit? oder Gegensätze ziehen sich an und dann aus? Bei allen Göttern, nein! Ich konnte Kaiba noch immer keinen Deut mehr leiden, einzig und alleine der Umstand, dass er ganz gut Küssen konnte machte ihn nicht sympathischer. Höchstens etwas interessanter. „Na sieh mal einer an Wheeler. Wenn ich mich nicht irre, scheint das Banner“ - er legte zwei Finger unter mein Kinn und hob es leicht an – „bei dir in sehr guten Händen zu sein. Du solltest es behalten. Ich schätze, ich überdenke mein Bild von dir noch einmal. Wenigstens in dieser Hinsicht“ – er strich mir mit dem Daumen über die Lippen – „scheinst du zumindest nicht zur Gänze unbegabt zu sein.“ Ich öffnete bereits den Mund, um zu protestierend, doch sein Griff um mein Kinn verfestigte sich und erstickte meine Worte im Keim. „Versuch lieber gar nicht erst, nach einer Antwort zu suchen. Jetzt bekommst du sie sicher noch nicht, das verspreche ich dir.“ Er ließ die Hand sinken. Ein letztes Mal sah er mich durchdringend an. „Vielleicht bekommst du sie, wenn du dem Club beitrittst – wer weiß.“ Er wusste also doch von dem Club? Er nahm ihn wahr? Er wollte, dass ich beitrat?! Er wandte sich zum Gehen und ich war zu perplex, um ihn daran zu hindern. Erst als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, kam ich wieder ins Hier und Jetzt zurück. Die Wut, die in den letzten Minuten wie ausgelöscht erschienen, kehrte mit einem Schlag zu mir zurück. Ich ballte die Fäuste und starrte die Tür zornig an. „Kaiba, du elender Mistkerl, was denkst du eigentlich, wer du bist?!“ Mein Ruf verhallte in den leeren Gängen der Schule, in denen nur vereinzelt die Putzkräfte aufzufinden waren, die verwundert aufsahen, sich jedoch kurze Zeit später wieder ihrer Arbeit zuwandten. Und ich stand alleine in dem verlassenen Klassenraum, meine Tasche neben mir, ihr Inhalt über den Boden verteilt. Ich musste meiner Liste einen fünften Grund beifügen. Leider. 5. Kaiba konnte verboten gut küssen. Kaiba war tatsächlich mehr als seltsam. Dieser Idiot - vollkommen hassenswert! Ich biss mir auf die Lippen und mein Blick fiel auf das unschuldig scheinende Banner, welches zwischen all meinen Büchern und Heften auf dem dunklen Boden lag. Vielleicht würde ich es doch nicht verbrennen. Zumindest nicht sofort. *∼*∼*∼* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)