Rückkehr nach Merilian von june-flower ================================================================================ Kapitel 7: Freiheit und Flügel ------------------------------ Alexander, der ehemalige König des Wolfsclans, hatte bereits lange gelebt. Er hatte in seinem Leben viele Menschen kennengelernt und viele Erfahrungen gemacht. Er hatte vier Kinder großgezogen und erzog gegenwärtig mehrere Enkel. Er hatte seinen Clan lange Zeit weise und klug durch gute und finstere Zeiten geleitet. In diesem Moment beobachtete er seine Tochter, wie sie mit ihren Freundinnen und ihrem Ehemann ein munteres Gespräch führte, und er unterdrückte einen Seufzer. Von hinten näherten sich Nicholas, Gustav und Arthur, seine Freunde und ebenfalls ehemalige Könige der Clane. Arthur folgte seinem Blick und sah seinem Sohn vergnügt zu, wie er einen Arm um Clara legte. Alex drehte sich weg und zu seinen Freunden hin. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck deutlichen Missfallens. „Was denn“, lachte Arthur. „Gefällt es dir nicht, dass deine Tochter glücklich ist?“ Alex murrte nur. Nicholas schaltete sich in das Gespräch ein. „Er ist eifersüchtig, nicht?“, scherzte er und kam damit der Wahrheit erstaunlich nahe. „Alex hat sich noch nicht daran gewöhnt, dass er seine Tochter mit einem anderen Mann teilen muss“, bemerkte Gustav weise. „Du kannst nicht immer an ihr hängen“, rügte Arthur. „Sie ist erwachsen geworden.“ Alex verzog das Gesicht. „Das braucht ihr mir nicht zu sagen, dass erledigt Lynn drei mal am Tag!“, stöhnte er. „Dann muss an der Sache etwas Wahres dran sein“, sagte Nicholas schmunzelnd. „Lass ihr ihre Freiheit.“ „Aber das tue ich doch“, verteidigte sich Alex. „Ich bin lediglich mit ihrem Ehemann nicht einverstanden.“ „Wie bitte?“ Alle drei Männer sahen ihn entgeistert an und begannen dann gleichzeitig zu sprechen. „Was hast du gegen meinen Sohn?“, wetterte Arthur. „Warum magst du Cross nicht?“, erkundigte sich Nicholas, und Gustav fragte: „Warum hast du dann dein Einverständnis gegeben?“ „Nur um eines Klarzustellen: ich habe nur zugelassen, dass Clara Cross heiratet, weil es sie glücklich gemacht hat. Dass ich Cross nicht mag, geht auf eine Begebenheit in der Vergangenheit zurück.“ Arthur schaute beleidigt in eine andere Richtung. „Ich mag Clara auch nicht besonders.“ „Waaaaas?“ Alex machte Anstalten, auf seinen Freund loszugehen. Gustav und Nicholas fielen beiden in den Arm. „Seid nicht verrückt. Solltet ihr hier aufeinander losgehen, bringt euch das gar nichts.“ „Das gibt Krieg!“ Alex drohte Arthur mit der Faust. „Und ich werde ihn gewinnen!“ Arthur stand ihm in nichts nach. Gustav schüttelte belustigt den Kopf. „Und wie wollt ihr das anstellen?“ „Na ganz einfach, wir rufen unsere Armee...“ Nicholas lachte auf. „Welche Armee?“ Alex und Arthur wurden gewahr, was für einen Mist sie redeten. „Mist! Clara und Cross haben den Oberbefehl über die Armee... Wenn man das noch eine Armee nennen kann!“ „In friedlichen Zeiten braucht man nun mal keine große Armee“, belehrte Gustav die Streithähne. „Und Clara und Cross könnten euch mit einem Handstreich vom Angesicht unserer Landkarte fegen, solltet ihr wirklich einen Krieg beginnen.“ Arthur und Alex starrten sich feindselig an. Nicholas war neugierig. „Warum magst du Cross denn nicht?“ Alex wandte ihm den Kopf zu. „Cross hat einmal, als er noch sehr klein war, meinen schönsten Golfball in den Teich fallen lassen! Es war ein Ball der Meisterschaft, in der der Wolfsclan alle ersten drei Plätze belegt hat und zum 25. Mal Golfmeister von Merilian geworden ist. Er hatte ein goldhinterlegtes Logo und eine Delle, die der Meister bei seinem Siegesschlag geschlagen hat. Dieser Ball war Millionen wert!“ Er wandte sich wieder Arthur zu. „Und dein nutzloser Sohn hat ihn in den Teich fallen gelassen, an einer Stelle, an der er zu tief zum tauchen ist!“ Arthur machte den Mund auf, um etwas zu sagen, und schloss ihn wieder. Dann schnaufte er. „Das ist lächerlich!“ „Von wegen! Das ist eine Tragödie! Mein Golfball! Der 129ste in meiner Sammlung! Er hätte niemals verloren gehen dürfen!“ Gustav und Nicholas standen sprachlos neben den Zweien. Arthur kratzte sich am Kopf. „Jetzt, wo du es sagst, einmal kam Cross nach Hause und erzählte eine wirre Geschichte von einem Golfball.... Aber er hatte ihn nicht in den Teich geworfen, sondern er hat ihn im Pferdestall verloren und sich nicht getraut, ihn herauszuholen, weil er Angst vor Pferden hatte. Wir sind nachts hinausgeschlichen und haben ihn geholt, und er hat ihn irgendwo hingetan, um ihn am nächsten Morgen zurückzubringen... Zumindest habe ich das so in Erinnerung.“ „Wie zum Teufel ist Cross an den Ball gekommen?“ Alex blieb misstrauisch. „Er hatte ihn Oliver und Julien abgenommen, die ihn ihrerseits von Leo hatten, der ihn auf dem Tisch im Wohnzimmer gefunden hatte. Er wollte ihn zurückbringen... Hast du ihn nicht bekommen?“ „Nein! Deshalb mag ich Cross nicht! Er lügt!“ „Das ist nicht wahr!“ Arthur machte Anstalten, sich von Gustav loszureißen und Alex an den Kragen zu gehen. „Cross lügt nicht! Er hat den Ball sicher zurückgebracht!“ „Hat er nicht!“ „Hat er doch!“ „Hat er nicht!“ „Hat er doch!“ Nur mit Mühe gelang es Nicholas und Gustav, die Beiden auseinanderzuhalten. Plötzlich kam Lynn mit ihren drei Freundinnen vorbeigeschlendert. Offensichtlich kamen sie gerade vom Strand, denn ihre Haare waren feucht und sie trugen ihre Schuhe in der Hand. „Margerite!“, wandte sich Arthur an seine Frau. „Hat Cross den Golfball, den er mit 12 gefunden hat, wieder zurückgebracht oder nicht?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ihn seine Frau an, bevor sie antwortete. „Ja, das hat er. Er hat ihn Lynn gegeben, da bin ich mir sicher.“ „Ha!“, trumpfte Arthur auf. „Siehst du? Mein Sohn ist kein Lügner. Er hat den Ball zurückgebracht!“ „Lynn!“ Nun war Alex an der Reihe, in seiner Frau eine Verbündete zu suchen. „Hat Cross dir damals meinen 129sten Golfball wiedergebracht?“ „Woher soll ich wissen, welchen deiner Golfbälle du genau meinst?“ „Du weißt schon, den mit dem goldenen Logo und dem Knacks.....“ „Ach, der, der vor Jahren verlorengegangen ist und weswegen du drei Tage lang geschmollt hast? Ja, den hat Cross mir wiedergebracht. Ich habe ihn an seinen Platz in die Vitrine gelegt. Hast du ihn nicht gesehen?“ Alex öffnete und schloss mehrmals den Mund, bevor er antwortete. „Aber wieso hast du mir nichts gesagt?“ Lynn zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, du würdest ihn sehen, wenn du in den Schrank hineinschaust.... Du tust es ja oft genug am Tag.“ Nicholas war der Unterhaltung gefolgt und konnte nur mit Mühe das Lachen zurückhalte. „Heißt das, du magst Cross nicht, weil er dir einen Ball geklaut hat, den in Wirklichkeit einer deiner Söhne gefunden hat, und dir ist nicht mal aufgefallen, dass er seit Jahren wieder an seinem Platz in der Vitrine steht?“ „Woher sollte ich das auch wissen?“, verteidigte sich Alex. „Nachdem der Ball offensichtlich verschwunden war, habe ich mich geweigert, in die besagte Vitrine zu sehen. Ich habe es schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan!“ Arthur brach in Gelächter aus. „Mein Gott! Und deshalb magst du Cross nicht? Du bist einfach nur dumm!“ „Hey!“ Alex reagierte empfindlich. „Hör auf, mich zu beleidigen! Du bist nicht besser als ich. Welcher Idiot hat seine eigene Verlobte nicht erkannt und so furchtbar beleidigt, dass sie für Jahre verschwunden ist? Und dann erst merkt er, dass er sich in sie verliebt hat? Entschuldige mal, hirnrissiger kann man wohl nicht mehr sein!“ „Ja, aber wer ist den Jahre hinter derselben Frau hergelaufen, obwohl sie dich eindeutig nicht ausstehen konnte? Wer hat denn so ein bescheuertes Hobby?“ „Beleidige nicht meine Golfballsammlung!“, fuhr Alex auf. „Typisch, aber seine Frau darf er beleidigen“, murmelte Lynn und zog ihre Freundinnen mit sich. „Lasst uns irgendwohin gehen, wo diese Idioten nicht zu hören sind!“ Margerite, Georgia und Amedilia folgten ihr lachend. „Vielleicht solltet ihr euch einmal richtig aussprechen“, schlug Nicholas vor und erntete böse Blicke seitens der Kontrahenten. „Halte du dich da raus! Warum sollten wir uns von jemanden unterbrechen lassen, der früher Höhenangst hatte? Noch dazu, während er vom Adlerclan ist?“ Nicholas lachte. „Ja, warum eigentlich?“ Gustav schaute ihn erstaunt an. „Du hattest Höhenangst?“ „Ja“, nickte Nicholas. „Schon als kleines Kind. Aber dann habe ich ein Mädchen getroffen, welches praktisch in einem Baumhaus wohnte. Da musste ich notgedrungen klettern und fliegen lernen. Heute habe ich überhaupt keine Angst mehr und kann die Flüge richtig geniessen!“ „Nicht zu glauben!“ Gustav schüttelte den Kopf. „Bei den Flugmanövern, die du immer machst, muss einem automatisch der Gedanke kommen, dass du nicht mal weißt, was Angst ist. Nicholas zuckte die Schultern und lachte. In der Zwischenzeit waren Arthur und Alex immernoch mit Streiten beschäftigt. Gerade warfen sie sich die tollsten Schimpfwörter an den Kopf. Alle Gäste in Hörweite drehten sich belustigt um, um der Szene beizuwohnen. Nicholas und Gustav standen mit gekreuzten Armen daneben und waren bereit, im Notfall einzugreifen. Als den Gegnern nichts mehr einfiel, schwiegen sie erschöpft. Der Kreis um sie war mittlerweile erstaunlich angewachsen, aber keinem von ihnen schien das etwas auszumachen. Im Gegenteil, sie schienen es als ihre Pflicht zu betrachten nun für das Publikum weiter zu streiten. Gerade als sie zu einer neuen Schimpfkanonade ansetzten wollten, schallten die Stimmen von Clara und Cross hinüber. Sie kündeten von einem kleinen Spätsnack mit Saft und Knabberzeug, von verheißungsvollem Gebäck und Wein. Nicholas und Gustav sahen sich an und grinsten in gemeinsamem Einverständnis. Was jetzt kommen würde, würden die Zuschauer in ihren kühnsten Träumen nicht erwarten. Als das Wort Gebäck fiel, schauten sich die ehemaligen Gegner strahlend an. „Nachtisch!“, verkündete Alex. „Dafür ist es nie zu spät“, stimmte ihm Arthur zu. „Los, wir gehen das Buffet plündern!“, hörten sie plötzlich eine Stimme und sahen Katharina und Andrea im Ansturm auf den langen Tisch. Gleichzeitig krähten beide Männer empört auf und hasteten den beiden hinterher. „Das Buffet gehört uns!“, riefen sie ihnen zu. „Denkste!“, antwortete Andrea. „Alter vor Schönheit!“, machte auch Arthur seinen Standpunkt deutlich. Katharina begann zu lachen und legte einen Zahn zu, so dass ihr die Männer nicht mehr so einfach folgen konnten. Die Zwei Frauen waren schon am Tisch, bevor Alex und Arthur keuchend ankamen. „Habt ihr keinen Respekt vor dem Alter?“ „Nur, wenn es schnell genug ist!“ Verblüfft sahen die Zuschauer zu, wie aus den Gegnern die besten Freunde wurden, um mit jemand anderem zu streiten. „Das gibt’s nicht“, sagte jemand kopfschüttelnd. Gerade hatten sich Alex und Arthur sich gegenseitig an die Kehle springen wollen, nun saßen sie friedlich am Tisch und stritten mit jemand anderem, diesmal gemeinsam. „Was für ein Bild!“ Nicholas grinste über das ganze Gesicht. „Die zwei sind einfach genial.“ „Oh ja“, stimmte ihm Gustav zu. „Lass ihnen ein bisschen Freiraum, und sie drehen am Rad. Gut, dass die zwei nicht fliegen können. Stell dir vor, was passieren würde, wenn man ihnen die Freiheit gäbe, überall auf der Welt ihren Senf dazuzugeben. Merilian würde untergehen!“ „Vielleicht“, schränkte Nicholas ein. „Dennoch, beide sind unzertrennlich. Merkwürdig, nicht?“ „Menschen, mit denen man streiten und sich sofort wieder vertragen kann, ohne sich entschuldigen zu müssen, gibt es wirklich nur selten auf der Welt.“ Gustav blickte auf und sah, dass Nicholas ihn forschend anstarrte. „Du hörst dich an, als würdest du sie beneiden“, meinte er. „Ach wo! Einen Freund zu haben, mit dem man nie streiten muss, ist noch seltener.“ „Da stimme ich dir zu“, meinte Nicholas. „Siehst du?“ Gustav grinste ihm zu. Nicholas lachte und war froh, ihn als Freund zu haben. „Gehen wir ans Buffet?“, fragte er. „Das wollte ich auch vorschlagen“, gab Gustav zurück und beide machten sich auf den Weg zum großen Tisch, um noch eine Portion Nachtisch zu ergattern, bevor Alex, Arthur, Katharina und Andrea über ihren Streitereien alles wegputzen konnten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)