Rückkehr nach Merilian von june-flower ================================================================================ Kapitel 2: Krönung hin oder her ------------------------------- Die Zustände in Merilian mochten sich verändert haben. Die Menschen Merilians mochten sich verändert haben. Sogar Andrea und Katharina mochten sich verändert haben – aber Merilian war gleich geblieben, genauso wie das Verhältnis der Personen zueinander. „Andrea! Rina!“ Die Hochkönigin Merilians, Clara, raffte undamenhaft die Röcke ihres Kleides hoch und rannte ihren Freundinnen freudestrahlend entgegen. Hinter ihr folgte mit gemessenen Schritten, aber nicht weniger fröhlich, ihr Ehemann, Hochkönig von Merilian, Cross. Lachend blieb er in einiger Entfernung stehen und beobachtete, wie seine Frau und ihre Freundinnen einen Freudentanz aufführten, sich umarmten und umeinander herumhüpften wie wildgewordene Kaninchen. Glücklich durcheinanderschnatternd, kamen sie auf Cross zu, der sie weniger wild, aber genauso herzlich begrüßte. Clara und Cross waren erwachsen geworden, hatten sich aber nicht allzusehr verändert. Noch immer wehte Claras Haar wild hinter ihr her, ergänzt durch einige Blumen, und noch immer blitzten Cross Augen vor Humor und Güte. Die zwei liebten sich innig, das konnte man an der Art sehen, wie Clara sich an ihren Mann schmiegte und er ihr einen Arm um die Schultern legte. Das sie kleiner war als er, spielte dabei keine Rolle und machte das Bild nur noch süßer. Lachend und plaudernd machten sich alle vier auf den Weg zum Schloss. Alle waren da. Alle ehemaligen Könige und Königinnen, alle jetzigen Könige und Königinnen, alle Thronfolger, Prinzen und Prinzessinnen, alle lieben und bekannten Gesichter konnten Andrea und Rina erkennen. Margerite und Lynn grüßten die Zwei als erstes. Dann kamen alle anderen, um ein Wort des Grußes und der guten Wünsche an sie zu richten, und beide freuten sich, endlich wieder unter den Bewohner Merilians zu sein. Als endlich alle wieder plaudernd und lachend in Gruppen im Garten des Schlosses standen, näherten sich abermals die zwei Frauen, die sie als erste begrüßt hatten. „Robin und Luke sind extra hergekommen!“, verkündete Lynn stolz. „Natürlich“, erwiderte Margerite, „Sie würden doch keine Gelegenheit verpassen, ihre Lieblinge zu besuchen!“ Sie kicherte. „Streiten die zwei sich immer noch so oft?“, fragte Rina. „Aber sicher!“ Königin Lynn lachte auf. „Ihr glaubt nicht, was letzten Sommer...“ „Redet hier jemand über mich?“, fragte plötzlich eine scheinheilige Stimme. Andrea schrak zusammen. Dieser Mann war gerade noch nicht dagewesen! Groß, mit silberweißem Haar, zu einem Zopf gebunden, mit einem schalkhaften Grinsen auf dem Gesicht. „Wenn man vom Teufel spricht...“, murmelte Margerite und verbarg ihr Grinsen hinter ihrem Fächer. „Wer zum Teufel...“ Rina drehte sich um. Andrea starrte den Mann vor sich an. Er hatte sich äußerlich nicht viel verändert, aber er sah anders aus... „Luke!“ Rina kreischte auf und fiel ihm um den Hals. „Wie geht’s dir? Immer noch glücklich verheiratet?“ „Oh ja“, lachte Luke und löste sich von ihr. „Schnell, ich muss euch beide umarmen bevor Robin das sieht...“ Er umarmte auch Andrea, die schließlich auch Worte fand. „Luke! Wie geht’s dir so? Was macht Manuel? Und Robin?“ „Danke der Nachfrage, alles ist bestens! Manuel ist in Magie und Kampfkunst mindestens genauso gut wie Claras Töchter und er bestimmt mal ein großer Held, so wie sein Vater! Naja“, fuhr er fort, „Und Robin... ist Robin, wenn ihr wisst, was ich meine.“ „Was meinst du denn?“, schnurrte es seidenweich hinter seinem Rücken. „Waaah!“ Luke sprang erschrocken mehrere Schritte nach vorn und wäre beinahe auf Andrea gelandet. Die musste lächeln – das war Luke, wie er leibte und lebte! Flux von einem Fettnäpfchen ins nächste. „Das Schleichen muss in der Familie liegen“, sagte Cross, als er sich mit Clara der Gruppe näherte. Derweil hatte Robin ihren Gatten an der Robe gepackt und schüttelte ihr durch. Diese Kraft hätte man der zierlichen Frau nicht zugetraut, aber Cross wusste nur zu gut, wie stark sie war. „Du sollst Manuel zu Bett bringen, aber nein, du vergnügst dich anderweitig und redest auch noch hinter meinem Rücken von mir, das hätte ich dir nicht zugetraut! Wie kannst du mich einfach so vor anderen bloßstellen, du nichtsnutziger, nichtsnutziger...“ Anscheinend fehlten ihr die Worte. „Hund?“, schlug Andrea ihr liebenswürdig vor. „Ach ja, danke... du nichtsnutziger Hund!“, beendete Robin ihre Schimpfkanonade. Mittlerweile stand ein kleiner Kreis von Zuschauern um die zwei herum und beobachtete sie schmunzelnd. Als sie gerade zum nächsten Teil ansetzen wollte, machte Luke sich frei und umarmte seine Frau. Wie von einer Tarantel gestochen sprang Robin zwei Schritte zurück. Sie schlug die Hand auf den Mund und lief blutrot an. „Was...“, begann sie. „Hey“, unterbrach Luke sie, „Schau mal, wer da ist!“ Robin sah sich um und entdeckte Clara, Cross, Andrea und Rina. Ihre Gesichtsfarbe normalisierte sich, als sie freudestrahlend aufsprang und alle umarmte, allen voran Cross. Auch Andrea und Rina freuten sich, sie wiederzusehen. Robin war eine liebe, nette Frau, deren Temperament manchmal mit ihr durchging, und gerade wegen ihrer Macken liebten die zwei Freundinnen sie innig, genauso wie alle Menschen hier. Als sich die Wiedersehensfreude einigermaßen gelegt hatte und sich die Lautstärke der Gespräche einigermaßen auf Zimmerlautstärke reduziert hatte (Frau Schneider wäre stolz gewesen, dachte Rina kurz), lud Cross alle Gäste zum Bankett in den Schlossgarten ein. Dort stand ein Buffet, so beladen, dass sich die Tische beinahe unter dem Gewicht der Speisen bogen. Cross schlug mit seinem Löffel gegen sein Glas, und langsam verstummten die Gespräche. „Herzlich willkommen zum 5. Jahrestag unserer Krönung“, begann Cross seine Rede, und alle lauschten gespannt. „Als ich vor Fünf Jahren meine erste Rede hielt, war ich so nervös, dass ich mit dem Löffel das Glas zerbrach. Viele können sich sicherlich noch erinnern, es war zu meiner Hochzeit und neben mir“, er warf einen liebevollen Blick auf Clara, „Neben mir saß die schönste Frau der Welt und hatte mich gerade geheiratet. Trotzdem, ich muss zugeben, dass ich mich an diesem Tag überhaupt nicht wohl fühlte. Was, wenn ich vor dem Altar in Ohnmacht fallen würde? Wenn die Krone mir vom Kopf rutschen würde? Wenn ich den Eid vergessen würde? Diese Dinge schossen mir durch den Kopf. Plötzlich wusste ich auch nicht mehr, ob ich überhaupt König werden wollte. Wäre es nicht schöner, als Bauer irgendwo zu leben und das Leben zu geniessen? Mit zwei Dutzend Kindern und einer grässlichen Ehefrau? Der Tag vor der Hochzeit war bereits schwierig gewesen. Meine Zweifel nagten an mir wie Holzwürmer, ich überlegte sogar kurzfristig, ob es nicht besser wäre, mich im Schrank zu verstecken... Meine Freunde, ich hatte keine Chance. Robin fand mich und steckte mich in dieses zeremonielle Gewand, und ehe ich es mir versah, stand ich am Altar. Wie ich hingekommen bin, weiß ich nicht. Aber als ich Clara sah, wie sie unbeirrt auf mich zuschritt, wusste ich, dass ich sie heiraten wollte. Nicht nur das, ich wollte auch in Zukunft mit ihr König dieses wunderschönen Landes werden, welches die Göttin uns geschenkt hat. Ich wollte helfen, die Zukunft zu gestalten, die uns die Göttin geschenkt hat. Ich wollte jeden Menschen auf dieser Welt beschützen, jedes Tier, jede Pflanze, und ich wollte es mit der Frau tun, die jetzt neben mir steht.“ „Diese Welt ist wunderschön. Ich liebe sie wie meine Kinder, und auch sie sollen sie lieben und erblühen sehen. Liebe Freunde, eine Krönung ist nicht nur eine Krönung. Mit ihr besiegelt man ein Band, das niemals reißen kann, man leistet einen Eid, den man niemals brechen kann. Ich habe ihn geleistet, erinnert ihr euch?“ Er erhob die Stimme. „Hiermit gelobe ich, Cross, Sohn von Arthur vom Katzenclan und Margerite vom Katzenclan, dass ich diese Welt leiten und beschützen werde in Guten und in schlechten Tagen, in Hunger und Überfluss, in Not und Reichtum, und dass ich, solange ich lebe, niemanden dulden werde, der diesen Frieden zerstören will. Ich gelobe treu zu sein meinem Land und seiner Bevölkerung, sie niemals zu belügen und immer zu ihnen zu stehen, sowahr die Göttin mich erwählt und gesegnet hat. Dies habe ich geschworen, und vielleicht war es nicht immer eine einfache Aufgabe. Dennoch, ich hatte euch an meiner Seite, und ich würde nirgendwo anders lieber leben als hier. Meine Aufgabe werde ich pflichtbewusst erfüllen, im Wissen, dass ich damit euch allen ein friedliches und glückliches Leben garantieren kann.“ Er lächelte. „Und nun habe ich euch lange genug in Anspruch genommen. Jahrestag hin oder her – dazu habe ich nicht das Recht! Greift zu! 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