Auf Diät von caladriuss (Setox Joey) ================================================================================ Kapitel 1: Das Desaster beginnt ------------------------------- Hallo erstmal. Das hier ist meine erste ff seid deswegen nicht zu streng mit mir. Konstruktive Kritk ist erwünscht und ihr könnt ruhig Vorschläge machen, wie es weitergehen soll. Vielleicht baue ich sie ja ein ;) Pairing:SetoxJoey Das Desatster beginnt Der Schulhof war völlig leer, als ich ihn erreichte. Kein Wunder. Schließlich hatte es schon vor zehn Minuten zum Unterricht geklingelt. So schnell ich konnte, durchquerte ich das Treppenhaus und rannte den Korridor entlang. Ich klopfte kurz an die Tür und huschte dann in den Klassenraum. „Entschuldigen Sie meine Verspätung, Frau Ikana, ich habe verschlafen“, leierte ich noch schnell runter, bevor ich mich auf meinen Platz verdrückte. „Der erste Schultag nach den Ferien und schon kommen Sie wieder zu spät, Mr. Wheeler“, meinte sie nur augenrollend. Das stimmte. Die Herbstferien waren gerade erst vorbei, und genau da lag das Problem. Ich hatte vergessen meinen Wecker zu stellen. Aber auch sonst kam ich oft zu spät. Ich hatte morgens einfach keine Motivation aufzustehen. Und kaum döst man mal fünf Minuten weiter, da war es auch schon um Neun und die Schule fing ohne einen an! „Kommt nicht wieder vor“, versicherte ich Frau Ikana. Doch sie schien mir nicht so recht glauben zu wollen. „Kommen wir zurück zum eigentlichen Thema, bevor wir unterbrochen wurden“, sagte sie streng. Derweil sank ich zurück auf meinen Stuhl und versuchte aufzupassen, aber ich war immer noch im Halbschlaf. Was musste Geschichte auch so öde sein! Am Ende der Stunde öffnete sich die Tür erneut und Kaiba trat ein. Er wirkte kein bisschen gehetzt oder so und die Lehrerin sagte auch nichts zu seinem späten Erscheinen. In aller Ruhe packte er seine Sachen aus und ließ sich dann auf seinem Platz nieder. Großkotz! Nur weil er eine große bedeutende Firma hatte, konnte er kommen und gehen, wie er wollte, denn er war ja wichtig. Er hielt sich ja für sowas Besseres! Die bloße Anwesenheit dieses Typen machte mich rasend. Es klingelte. Verärgert schmiss ich meine Sachen in die Tasche und stapfte an Kaiba vorbei, wobei ich ihn 'ausversehen' anrempelte. Doch er ignorierte es einfach und ging nicht darauf ein. Was war denn mit dem? Normalerweise gingen er und ich bei der kleinsten Gelegenheit, die sich bot, aufeinader los. Aber stattdessen griff er seinen Koffer und ließ mich stehen. Dabei hätte ich einen kleinen Streit mit Kaiba jetzt so gut vertragen können. Das hätte mich wenigstens davon abgelenkt, dass Tristan, Duke und Tea die nächsten neun Monate im Ausland waren und nur noch Yugi und ich zurückblieben von unserer Clique. Mürrisch lief ich den Gang entlang zu unserem nächsten Fach: Biologie – eines der wenigen Fächer, das ich mit Yugi zusammen hatte. Er wartete bereits an unserem Platz auf mich. „Was ist los, Joey?“, fragte er neugierig. „Kaiba ignoriert mich!“, ich knallte meine Tasche auf den Tisch. „Sei doch froh darüber“ „Das ist doch garantiert seine neue Art mich fertig zu machen!“, ich schnaubte verächtlich, „Aber in Bio sitzt er ja neben mir. Da werd ich ihm zeigen, dass sich ein Joey Wheeler nicht einfach ignorieren lässt!“ Im Bioraum gab es nur Dreierbänke und da an dem Tag, an dem die Sitzordnung erstellt worden war, Kaiba mal wieder gefehlt hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als den einzigen freien Platz neben uns zu nehmen. So war ich zwischen Kaiba und Yugi eingeklemmt, was öfters mal meine Nerven stark strapazierte. Aber heute war es perfekt, um Mr. Universum zu reizen. Kurz bevor es klingelte, kam dieser herein stolziert und setzte sich schweigsam neben mich. Kein feindlicher Blick, kein dummer Spruch, gar nichts. Er ignorierte mich vollkommen. Ich wollte gerade einen Spruch loslassen, als es klingelte und der Lehrer unsere Aufmerksamkeit auf sich lenkte „Heute werden wir das zweite persönliche Protokoll von uns anfertigen“, erklärte Herr Noro, „Ihr wisst ja, was zu tun ist“ Ich erinnerte mich vage. Vor den Ferien hatten wir das erste Protokoll gemacht. Wir mussten uns wiegen, Größe messen, BMI (Bodymaßindex) ermitteln , Reaktionstests machen und unser Lungenvolumen prüfen. Diesmal sollten wir genau dasselbe tun, um zu sehen, ob sich Veränderungen ergeben hatten. Und natürlich mussten wir das in den Gruppen machen, in denen wir saßen – also mit Kaiba zusammen. Jetzt konnte er mich nicht mehr ignorieren! Herr Noro teilte die Protokolle aus und wir gingen an die Arbeit. Aber weiterhin sagte Kaiba rein gar nichts zu mir. Wir nahmen uns die Messungen vor und er schrieb die Protokolle. Als Erstes wogen wir uns, wobei mir auffiel, dass Kaiba wesentlich leichter war als ich, obwohl er größer war. Dann nahmen wir die anderen Werte und zum Schluss maß ich Yugis Größe und er meine. Als ich bei Kaiba das Maßband ansetzen wollte, meinte er nur trocken „Ich wachse nicht mehr, Wheeler.“ Wow! Er hatte mit mir gesprochen. Wie edel von ihm! „Hör endlich auf, mich zu ignorieren!“, fauchte ich. Endlich sah er mich mal an. Seine blauen Augen musterten mich knapp.Augen, blau wie Saphire, die je nach Stimmung die Farbe zu wechseln schienen. Wenn Kaiba sich über etwas amüsierte (meistens über mich) waren seine Augen heller als sonst, wenn er gereizt oder genervt war (so wie jetzt) oder sich ärgerte, wurden sie dunkler. Aber meisten sah er nur kalt und emotionslos drein.„Wieso sollte ich dich ignorieren?“ „Weil du heute noch kein Wort mit mir gewechselt hast! Ist das deine neue Art dich fertig zu machen?“ Kaiba hob kurz die Augenbraue, dann wandte er sich wieder den Protokollen zu. „Du hast Komplexe!“ „DU HAST KOMPLEXE!!!“, rief ich zornig, „Wieso sonst solltest du nicht mit mir reden?“ „Weil, Joey Wheeler...“, er funkelte mich spöttisch an, wobei seine Augen heller leuchteten „...du nicht das Zentrum meines Universums bist. Ich bin ja wohl nicht verpflichtet jedes mal, wenn ich dich sehe, auch mit dir zu reden“ Ich sah ihn sprachlos an. Das war so gar keine typische Antwort von ihm gewesen. Dann ignorierte er mich wieder. War in den Ferien irgendetwas vorgefallen, das Kaiba so verdreht hatte oder hatte er wirklich einfach keine Lust mit mir zu reden? „Gebt her. Ich rechne eure BMI -Werte aus“, entgegnete er stattdessen. Vermutlich wusste er noch vom letzten Mal, dass Yugi und ich das überhaupt nicht konnten. „Siehst du?“, flüsterte ich verzweifelt zu Yugi, „Der ignoriert mich einfach“ „Was ist denn so schlimm daran“, fragte er genauso leise, „Ist doch besser, als wenn ihr euch ständig anschreit.“ „Aber... das war doch immer unsere Tradition“, ich sah verbittert zu Kaiba rüber, der geschickt den Taschenrechner bediente, „Wir waren doch so etwas wie Hassfreunde“ Ich liebte es mit Kaiba zu streiten, weil er nur mit mir stritt. Niemand anderes schaffte es ihn so zu reizen. Wenn wir stritten, war das der einzige Moment, in dem so etwas wie Leidenschaft in seine sonst emotionslosen Augen trat . „Entspann dich“, tröstete mich Yugi, „vielleicht ist er heute nur nicht in Stimmung dafür. Morgen sieht die Welt gleich anders aus“ „Ich nickte hoffentlich hast du recht“ Doch auch am nächsten Tag änderte sich nichts an Kaibas Verhalten mir gegenüber und auch am Tag darauf nicht. So konnte es einfach nicht weitergehen! Am Donnerstag morgen beschloss ich ihn im Biologieunterricht direkt zu konfrontieren und nicht locker zu lassen, bis ich eine Antwort hatte. Aber soweit kam es gar nicht, denn durch göttliche Fügung löste sich mein Problem von selbst.Herr Noro trat vor die Klasse „Ich habe eure Protokolle bereits ausgewertet und das Ergebnis ist nicht zufriedenstellend.“, sagte er streng, „Vor allem,was den BMI -Wert einiger angeht, ist das Resultat doch äußerst wünschenswert.Ich werde herumgehen und jedem einzelnen seine Werte und Maßnahmen dagegen sagen“ Das tat er auch. Da wir in der zweiten Reihe saßen kam er auch bald zu uns. Er warf einen kurzen Blick auf seine Liste „Nun Mr. Wheeler, Mr. Muto Sie haben beide über die Ferien deutlich zugenommen“ Mist! Doch zu viel faules Rumsitzen und Frustfuttern. „Mr. Muto, Sie werden ein Team mit Takato bilden und gemeinsam abnehmen. Ich habe Takato bereits eingewiesen. Fragen Sie ihn für Details“ Yugi nickte schüchtern und verzog sich dann zu seinem Teamkollegen. „Und Sie Mr. Wheeler haben zehn Kilo zugelegt. Das ist zwar noch kein Übergewicht, aber damit es auch keines wird, werden Sie mit Mr. Kaiba ein Team bilden“ Kaiba und ich ein Team? Super, jetzt musste er mich beachten. Moment... irgendwas war falsch daran. „Äh... Herr Noro?“ „Was ist Wheeler?“ Ich sah musterte Kaiba kurz „Ich glaub nicht, dass Kaiba noch mehr abnehmen sollte. Das wäre doch sicherlich ungesund.“ Herr Noro nickte „Richtig. Aber er soll ja auch nicht ab- sondern zunehmen“ „Ich denk ja nicht dran!“, zischte Kaiba böse. „Sie haben in den Ferien drei Kilo verloren und sind jetzt bei 62 Kilo, wobei es letztes Jahr konstante 65 waren. Das ergibt einen BMI von 17,9 und gilt als untergewichtig. Grenze ist normalerweise 18 aber der Wert sollte ungefähr bei 20 – 23 liegen, vielleicht auch 24.“ „Ein zwei Kilo zu viel oder wenig sind auch egal!“, Kaiba taxierte den Lehrer mit einem gefährlichen Blick. „Ich zeig ihnen etwas“, Herr Noro zog einen Stift raus und kritzelte eine Rechnung auf. 186 – 100 86 – 10% = 77,4 „Das ist eine ganz einfache Rechnung.“, erklärte er, „Man nimmt die Größe in Zentimetern, zieht 100 ab und dann zieht man noch einmal 10% ab und man erhält das Idealgewicht, zu dem Ihnen nur nebenbei 15,4 Kilo fehlen.“ „Das ist ja wohl mein Problem und nicht Ihres“, entgegnete Kaiba scharf. Doch Herr Noro ignorierte seinen Einwand „Sie beide werden ab jetzt den selben Sport treiben und dasselbe essen. Ihr Hausarzt ist bereits eingeweiht, Mr. Kaiba. Er ist der gleichen Meinung wie ich. Ihre Häuser liegen nicht mal einen Kilometer voneinander entfernt. Es ist also ideal. Sind Sie einverstanden, Mr. Wheeler?“ Ich nickte hastig. „Sehr schön. Sie werden bei Mr. Kaiba essen. Das mit dem Sport klären Sie selber.“, erklärte Herr Noro, „Aber denken Sie dran: alles, was der eine isst, muss auch der andere essen. Wenn der eine nichts isst, kriegt auch der andere nichts“ Ich schluckte. Wer wusste schon, was Kaiba für Essgewohnheiten hatte? Garantiert würde ich verhungern. Herr Noro ging zum nächsten Tisch, sodass nur ich und Kaiba da waren. Und endlich schenkte er mir Aufmerksamkeit. Nur ich war mir nicht mehr so sicher, ob das gut war. Sein Blick hätte selbst Pinguinen in der Wüste eine Gäsehaut verpasst... Kapitel 2: Peinlich peinlich ---------------------------- Peinlich peinlich Es war Freitag Abend und es regnete leicht, als ich mich auf den Weg zu Kaiba machte. Heute sollte die Diät beginnen. Einerseits war ich froh darüber. Schließlich war mir Kaibas Aufmerksamkeit jetzt sicher und ein paar Kilo weniger wären auch nicht schlecht. In den Ferien hatte ich ganz schön Fett angesetzt. Aber andererseits hatte ich auch etwas Angst vor Kaiba. Gestern und heute hatte er mich nicht nur ignoriert, sondern auch noch wie Luft behandelt, als ich versuchte mit ihm zu reden. Ich hatte Kaiba noch nie nackt oder mit freiem Oberkörper gesehen, daher konnte ich nicht einschätzen, ob er nun knochendürr war oder nicht. Aber von dem her, was ich gesehen hatte, war ich ebenfalls der Meinung, dass ihm ein paar Kilo mehr nicht schaden würden. Nervös klingelte am Tor des riesen Anwesens. Ich war schon ein zwei mal hier gewesen, als Mokuba uns eingeladen hatte. Allerdings hatte Kaiba da gearbeitet... Es summte kurz und das Tor öffnete sich. Ich ging den endlos langen Weg entlang, als mir plötzlich eine Limousine entgegen kam. Wollte Kaiba jetzt noch weg? Ich klopfte an das Fenster. Die Scheibe fuhr langsam hinunter, doch drinnen saß gar nicht Kaiba, sondern sein kleiner Bruder Mokuba. „Hey Mokuba, wo willst du hin“, fragte ich neugierig. „Zur Firma, arbeiten.“, der Kleine lächelte mich an, „Bist du hier wegen diesem Projekt?“ Ich nickte „Dein Bruder scheint davon gar nicht begeistert zu sein. Er muss mich wohl hassen wie die Pest“ „Ach Joey. Ich glaub nicht, dass du das Problem bist. Es ist nur...“ „Ja?“ „Seto ist ziemlich empfindlich, was dieses Thema, von wegen Gewicht und so, angeht, wegen früher, weißt du?“ „Was war denn früher?“, hakte ich nach. „Ich muss wirklich los Joey. Die Arbeit stapelt sich sonst“ „Wieso arbeitest du überhaupt?“ Mokuba sah mich zweifelnd an „Du weißt wirklich nicht, wie das mit der Firma jetzt läuft? Seto erzählt euch nichts und Zeitung lest ihr wohl auch nicht, oder? Naja wie auch immer. Bis bald“, er winkte noch kurz, dann fuhr die Limousine weiter. Jetzt hatte ich definitiv das Gefühl, dass ich nicht alles wusste. Ich kam zum Anwesen und klingelte erneut. Ein alter Butler öffnete die Tür. „Sie wünschen?“ „Ich möchte zu Seto Kaiba. Wir sind verabredet.“ „Tut mir Leid, aber Master Seto ist beschäftigt. Er hat mir nicht gesagt, dass er Besuch erwartet“, entgegnete der Alte stur. „Aber ich muss mit ihm reden!“ „Der Zutritt ist fremden nicht gestattet“ „Lassen Sie ihn schon rein, Frevol“, erklang es hinter mir. Ein dicklicher Mann in den Dreißigern stand hinter mir. Er streckte mir die Hand entgegen „Sie müssen Joey Wheeler sein. Ich bin Dr. Kana. Ich bin der Hausarzt der Kaibabrüder und werde das Projekt beaufsichtigen“ Zögernd schüttelte ich seine Hand „Darf ich denn jetzt rein?“ „Natürlich“ Kana schob den Butler beiseite und bedeutete mir, ihm zu folgen. Wir betraten die riesige Eingangshalle. Beim ersten Mal hatte sie mich regelrecht umgehauen und auch jetzt machte sie noch mächtig Eindruck. Kana führte mich in den hinteren Bereich des Raumes, der bis zur Hälfte durch eine andere Wand abgegrenzt war. Hier standen eine rote Couch, zwei dazugehörige Sessel und ein kleiner Tisch aus Marmor. „Warten Sie hier. Ich bin sicher Seto wird sich bald um Sie kümmern“, meinte der Arzt, dann verschwand er einfach. Also machte ich mich auf der Couch breit und wartete. Und wartete. Und wartete. Ob Kaiba das mit Absicht machte, mich hier versauern zu lassen? Mit Sicherheit! Plötzlich hörte ich in der Eingangshalle eine Stimme. Ich konnte die Person nicht sehen, aber ich erkannte wohl, dass es Kaiba war. „Was hängst du da so faul rum, du Hund?“, begann er. Musste er schon wieder anfangen, mich Hund zu nennen? Ich hasste das! Ich wollte gerade etwas erwidern, als er sagte: „Los, komm schon näher!“ Ich dachte ja gar nicht dran! „Nun komm schon. Ich tu dir doch nichts“ Seine Stimme klang ungewohnt sanft. Also beschloss ich doch mal etwas näher zu gehen. „Gut so. Und jetzt bleib“ Was sollte das denn? Zwischen uns war immer noch die Wand, sodass ich ihn nicht sehen konnte. Trotzdem blieb ich kurz davor stehen. „Dann wollen wir dich mal ausziehen“ WAS??? „Soll ich das für dich machen?“ Nein!!! Bloß nicht! Bevor er seine Idee wirklich in die Tat umsetzte, zog ich mir doch lieber selbst das Hemd über den Kopf mit freiem Oberkörper stand ich nun da. War das ein Spiel von Kaiba oder wie? „Den Rest kriegen wir auch noch aus“ Noch mehr? Nur langsam zog ich meine Hose aus. Was hatte er vor? Wollte er etwa...? Mit mir??? Hier??? „Wollen wir doch mal sehen, was für Tricks du kannst“ War das sein Ernst? „Sitz!“ Scheinbar schon. Widerwillig setzte ich mich auf den Boden. „Gut. und jetzt leg dich hin!“ Na gut. Legte ich mich halt hin. „Roll dich auf den Rücken!“ Ich tat, wie geheißen (Wieso machte ich das eigentlich mit?) „Braves Hündchen. Und jetzt roll wieder auf den Bauch und krauch zu mir!“ Auch das noch! Brav krauchte ich zu ihm. Ich entdeckte ihn hinter der Wand. Er hockte mit dem Rücken zu mir da und sah irgendwoanders hin. Tat er jetzt so, als ob er mich bemerkt hätte? „Und jetzt?“, fragte ich ungeduldig. Ich wollte wissen, was er damit bezweckte. Ruckartig drehte er sich zu mir um. Er stieß einen Schreckensschrei aus, wobei er das Gleichgewicht verlor und auf dem Hintern landete. Entsetzt sah er mich an „Wheeler was machst du in meinem Haus... und dann noch halbnackt?“ „A-aber du hast mir doch gesagt, ich soll mich ausziehen und auf dich zukrauchen“; meinte ich verdattert. Kaiba sah mich immer noch entgeistert an. Auf einmal wurden seine Augen so hell, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Dann schien er sich nicht mehr halten zu können vor lachen. Ich errötete. Toll! er wollte mich also nur als Volldeppen hinstellen! Aber sein Lachen klang gar nicht spöttisch oder schadenfroh. Es klang... aufrichtig. Ich hatte Kaiba noch nie so unbweschert lachen gehört. Obwohl ich immer noch nicht die Situation verstand, war ich glücklich ihn so zu sehen, so menschlich... Mit einem Mal erkannte ich den Grund für diese Lage. Hinter Kaiba standen tatsächlich zwei Hunde. Er hatte also wirklich nicht mit mir, sondern mit ihnen geredet. Spätestens jetzt wurde ich knallrot. Das war aber vielleicht auch peinlich! Und was musste Kaiba erst gedacht haben, als ich plötzlich halbnackt hinter ihm auf dem Boden gelegen hatte? Ich wäre am liebsten gestorben vor Scham. Erst jetzt fiel mir auf, dass Kaiba anders aussah als sonst. Er trug ein schwarzes T-shirt und eine schwarze Hose. Und er war von oben bis unten mit Dreck bespritzt. Selbst sein Gesicht und sein Haar waren schmutzig, was ihn nicht sonderlich zu stören schien. „Wie siehst du eigentlich aus?“, fragte ich verwirrt. „Wieso?“, er wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augenwinkeln, „Ich bin noch angezogen“ „Aber total verdreckt“ „Es ist halt etwas matschig draußen. Da wird man schon mal schmutzig, wenn man mit seinen Hunden spielt. Außerdem: Wie siehst du überhaupt aus?“ Ich wurde noch etwas dunkler im Gesicht „Ich geh mich anziehen“ Dann stand ich auf und schlurfte zurück zu meinen Sachen. Wir saßen in einem geräumigen Zimmer, das wohl ein Wohnzimmer darstellte, aber unglaublich groß war. Kaiba hatte inzwischen geduscht und sich umgezogen und auch ich war wieder in meine Sachen geschlüpft. Nervös hielt ich mein Glas, das Kaiba mir in die Hand gedrückt hatte. Ich war immer noch rot im Gesicht, und die Tatsache, dass mein Gastgeber öfters mal Mühe hatte, nicht wieder loszulachen, machte es noch schlimmer. Aber immerhin sagte er nichts darüber. Dabei hätte ich von ihm erwartet, dass er mich den Rest meines Lebens damit aufzieht. „Warum hast du deinem Hund gesagt, dass er sich ausziehen soll?“, fragte ich betreten. „Es war Mokubas Hund. Er ist noch nicht so lange bei uns. Mokuba hat die seltsame Angewohnheit, ihm Hundesöckchen anzuziehen.“, wieder erschien ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht, das er, jedoch erfolglos, zu unterdrücken versuchte. Dabei stand es ihm so gut. Er sah überhaupt heute besser, nein ungezwungener, aus als sonst. Er trug jetzt ein weißes Hemd und schwarze Jeans. Sein nasses Haar hatte er einfach zurück gestrichen. Vielleicht hatte er keine Zeit oder keine Lust gehabt, es zu kämmen. Neben ihm auf dem Boden lagen die beiden Hunde. Ein schwarzer Border Collie mit weißem Bauch und einem Schwanz, der wie ein Schweif aussah und ein Golden Retriever. Beide Hunde waren sehr schön und in etwa gleich groß. „Welcher ist denn dein Hund?“ „Der schwarze - Raiko. Der andere heißt Popcorn“, erklärte er. „Ich wusste nicht, dass du einen Hund hast“, gestand ich. „Ich habe Raiko seit einem Jahr. Eigentlich hat er meiner damaligen Freundin gehört. Zu der Zeit waren ihre Eltern mitten in der Scheidung und keiner von beiden wollte den Hund. Da sie ihn nicht behalten durfte, hab ich ihn halt genommen. Und als wir uns trennten, habe ich ihn ganz behalten“, er nippte nachdenklich am Glas. Ich sah bedrückt zu Boden „Ich fühle mich irgendwie mies. Ich dachte immer, ich würde dich gut kennen, aber ich wusste weder, dass du einen Hund hast, noch, dass du eine Freundin hattest.“ „Ich trage mein Privatleben nicht so gern nach außen. Es ist ätzend, wenn einem die Presse auf Schritt und Tritt folgt, um Fotos von deiner Beziehung zu veröffentlichen. Das geht doch keinen was an mit wem ich zusammen bin!“ Ich nickte knapp. Eine Weile hing ich meinen Gedanken nach. Privat war Kaiba irgendwie anders. Er wirkte nicht so kalt wie in der Schule – auch wenn sein Blick momentan wieder eisig war. Hatte ich ihn all die Jahre falsch eingeschätzt? Ich hatte nie darüber nachgedacht, ob er auch ein eigenes Leben hatte. Wie töricht! Natürlich hatte er ein Privatleben. Auch wenn ich ihn manchmal für einen Roboter hielt. „Du dachtest ernsthaft, ich hatte noch nie eine Freundin?“, fragte er plötzlich. Ich sah ihn überrascht „Ja – ich meine nein - ... ich... hab irgendwie nie-“ „- daran gedacht, dass ich ein Privatleben haben könnte?“, sein Blick haftete auf mir. Erwartete er etwa eine Antwort? „Naja nein. Es ist nur... schwer...-“ „- vorstellbar, dass ich ein normaler Mensch bin?“ „Nein. - Ich meine, natürlich bist du ein Mensch. Aber-“ „Du dachtest, ich lebe nur für die Firma“, er nickte flüchtig und lehnte sich in den Sessel zurück. Verdammt! Wieso wusste er so genau, was ich dachte? „Die meisten denken so. Es überrascht mich also nicht sonderlich. Eigentlich gar nicht so schlecht, wenn alle so denken würden. Dann hätte ich wenigstens meine Ruhe“ Ich schluckte hart. „Im übrigen: Ja, ich hatte eine Freundin. Naja... nicht nur eine.“ „Und momentan?“, fragte ich neugierig. Ich wusste auch nicht, wieso, aber es interessierte mich brennend. Seine Augen verdunkelten sich merklich „Was geht's dich an! Wir sind keine Freunde, schon vergessen?“ „Entschuldige“, meinte ich betreten. Er seufzte leicht genervt „Wieso fragst du das alles?“ Was sollte ich da sagen? Mich interessiert dein Leben nun mal, ich will alles darüber wissen? Ich wusste ja nicht mal, wieso ich es wissen wollte. Eigentlich konnte es mir ja scheißegal sein. „Was ist mit dir? Zu verlegen, um zu antworten?“ Woher wusste er das schon wieder? „Ich hab mal Psychologie ausführlich studiert. ich kann Gestik, Mimik und Körperhaltung ganz gut deuten“, erklärte er, als sei es das normalste der Welt. „Aha“, murmelte ich peinlich berührt. „Hattest du mal eine Freundin?“, fragte er gelangweilt. „Ich? Nein“ „Wieso nicht?“ „Weil ich...?“, keine Ahnung. Woher sollte ich das wissen. „Weil du nicht weißt, ob du auf Männer oder Frauen stehst“ „Unsinn!“, fauchte ich, „Wer behauptet denn sowas?“ „Deine Körperhaltung verrät dich“, Kaibas Augen blitzten aufmerksam. „Das ist aber nicht wahr!“ „Selbstverleugnung. Schwerer Fehler. Ist schlecht für die Psyche, weißt du?“ „Als arrogantes Arschloch warst du mir irgendwie sympathischer.“ Er zuckte mit den Schultern „Warum bist du hier?“ „Verrät dir das etwa nicht meine Körperhaltung?“, spottete ich. „Ich frag deinen Körper lieber nichts mehr, bevor er mir noch was sagt, das ich gar nicht wissen will“ Ich verstand kein Wort. Was sollte ihm mein Körper schon großartiges sagen? „Ich bin wegen der Diät hier“, meinte ich beleidigt. Sofort runzelte er missbilligend die Stirn. Seine Augen verengten sich zu schmalen dunklen Schlitzen. „Du willst das also wirklich tun?“ „Warum nicht? Ein paar Kilo weniger wären schon klasse und du-“ „Was ich?“, seine Stimme war zu einem bedrohlichen Flüstern geworden. „Ach komm schon. Ein zwei Kilo mehr werden dir nicht schaden“ Er stand so ruckartig auf, dass ich vor Schreck fast nach hinten fiel. „Ich habe noch zu tun“, sagte er eisig, „Du findest den weg nach draußen ja sicherlich selbst“ „Aber... die Diät“, beharrte ich. „Nimm ab so viel du willst, Köter! Aber lass mich da raus!“ Er stapfte wütend davon. Die beiden Hunde folgten ihm sofort. Und so blieb ich allein und verlassen zurück. Kapitel 3: ein offenes Geheimnis -------------------------------- Ein offenes Geheimnis Am Samstag ging ich zu Yugi, um mir von ihm Ratschläge geben zu lassen. Schließlich schien er mehr Erfolg bei der Diät zu haben. Aber bevor ich auf das zu sprechen kam, schaufelte ich mich erst mal frustriert mit Eis voll. Yugi hatte sich halb schlapp gelacht, als ich ihm die Geschichte mit dem Missverständnis erzählt hatte, und jetzt grinste er immer noch breit. Aber wirklich helfen konnte er mir auch nicht. „Sprich dich doch mal mit ihm aus“, schlug er vor. „Dann schmeißt er mich wieder achtkantig raus!“ „Hm. Aber du kannst ihn ja wohl schlecht zwingen, mitzumachen, wenn er das partout nicht will.“ „Ach! Der soll nicht so rumzicken!“, knurrte ich, „Es geht doch nur um ein paar Kilo“ „Wer zickt rum?“, fragte Großvater Muto plötzlich. Er war gerade vom Einkaufen zurück gekommen und stellte nun die Tüten auf den Tisch. „Joey kommt mit Kaiba nicht klar bei seinem Projekt“, erklärte Yugi. Der alte Mann sah mich freundlich an „Der junge Kaiba ist nicht so arrogant, wie du denkst. Er ist eigentlich recht nett“ „Ich meine nicht den jungen Kaiba, ich meine Seto Kaiba!“ „Den jungen Kaiba, ich weiß.“ „Aber Mokuba ist doch jünger“ Der Alte lachte amüsiert „Gosaburo ist der alte Kaiba, Seto der junge Kaiba und Mokuba ist der Minikaiba. Wenn ihr in der Zeitung über sie lest, werdet ihr merken, dass es üblich ist, sie so zu bezeichnen.“ „Na toll! Noch etwas, das ich nicht wusste“, deprimiert löffelte ich noch mehr Eis in mich hinein. „Was wusstest du denn noch nicht?“ „Dass er einen Hund hat, dass er eine Freundin hatte... und in seiner Firma scheint sich auch etwas geändert zu haben“, ich seufzte. „Ach, du meinst Raiko. Das ist wirklich ein hübscher Hund. Seto ist total in ihn vernarrt“ „Wie? Du kennst ihn?“, fragte Yugi verwirrt. „Ja, Seto geht jeden morgen mit dem Hund raus. Wir treffen uns ab und zu. Manchmal reden wir auch ein bisschen. Er ist wirklich sehr sympathisch, wenn er nicht so eiskalt tut. Der Junge hat schöne Augen, findet ihr nicht?“ „Wie können Sie so gut von ihm denken?“, ich fuhr verärgert auf, „Er hat Sie schließlich mal entführt und Ihre Lieblingskarte zerrissen!“ „Das ist schon über zwei Jahre her. Außerdem war er selbst damals äußerst gastfreundlich zu mir. Er hat es mir an nichts mangeln lassen. Und er hat sich dafür ja auch schon bei mir vor einem Jahr entschuldigt.“ „ER HAT SICH ENTSCHULDIGT?“, rief ich ungläubig, „Das ist doch albern!“ Großvater Muto nickte „Er ist sowieso mehr aus sich heraus gekommen, seit er nicht mehr die ganze Firma alleine leitet. Er scheint momentan ziemlich zufrieden mit seinem Leben zu sein“ „Er leitet die Firma nicht mehr alleine?“, ich war am Rande der Verzweiflung. Der alte Mann sah Yugi und mich ungläubig an „Herrje, ihr wisst ja gar nichts. Ich räum nur schnell den Einkauf weg, dann zeig ich euch ein paar Zeitungsartikel“ Er verschwand für eine Weile in der Küche, bevor er wieder mit einem Stapel Zeitungen zurück kam. „Wieso hast du so viele Artikel über Seto Kaiba, Großvater?“ „Weil ich ihn, von dem Moment an, wo ich ihn das erste Mal sah, einfach nur faszinierend fand. Der Junge hat irgendetwas an sich, was die Leute um ihn herum reihenweise in seinen Bann zieht.“ „Der Typ hat die Aura eines Kühlschranks. Was ist daran so toll?“ Der alte Mann fuhr unbeirrt fort „Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich ihm das erste mal begegnet bin...“ ***********************FLASHBACK****************************** Die Gänge wirkten kalt und verlassen. Mit einem mulmigen Gefühl folgte ich dem breitschultrigen Mann vor mir. Er führte mich zu seinem Büro,bevor er sich zu mir umdrehte. „Bitte warten Sie hier, Mr. Muto. Ich habe noch kurz etwas zu erledigen.“ Ich nickte hastig. „Natürlich“ „SETO!!!“, schrie Gosaburo Kaiba laut. Ein kleiner schmächtig wirkender Junge erschien so plötzlich hinter mir, dass ich zusammenzuckte, als seine helle Stimme erklang „Was hab ich nun wieder falsch gemacht?“, fragte er genervt. „Nichts, noch nicht... Kümmere dich um Mr. Muto, bis ich wieder da bin!“, Kaiba wartete nicht einmal eine Antwort ab, bevor er den langen Gang zurück ging. „Bitte treten Sie doch ein“, auf einmal klang die Stimme des Jungen selbstbewusster und freundlicher. Ich folgte seiner Einladung und betrat das Büro. Auf einem Sessel vor dem großen Schreibtisch nahm ich Platz. Nervös sah ich mich um. Das Zimmer wirkte genauso kalt wie schon der Flur und es wurde vollkommen von Aktenschränken eingenommen. „Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, fragte Seto höflich. „Kaffee.“, murmelte ich, „ Ein Kaffee wäre nett“ „Natürlich“ Der Junge verschwand kurz und tauchte dann mit einer Tasse und einer Kanne frischgebrühtem Kaffe wieder auf. „Ich wusste nicht, dass Gosaburo Kaiba einen Sohn hat“, sagte ich erstaunt. Seto, der gerade den Kaffe eingoss, zuckte zusammen, wobei er abrutschte und ein Teil des Kaffes über seine Hand floss. Er verzog das Gesicht vor Schmerz, doch er brachte keinen Ton des Leides über die Lippen. Stattdessen stellte er die Kanne ab und ging in die Küche. Als er wiederkam, war er mit einer Küchenrolle bewaffnet. „Entschuldigen Sie die Schweinerei“, sagte er knapp, bevor er den Tisch sauberwischte. „Deine Hand muss verarztet werden, Junge“, meinte ich besorgt. „Nein, ist schon in Ordnung“ Ich griff nach seiner Hand und drückte sie leicht. Wieder erschien dieser schmerzverzerrte Gesichtsausdruck. Seufzend schob ich den schob ich den Jungen in die Küche, wo ich ein paar Blätter der Küchenrolle nass machte und dann wie einen Verband um seine Hand wickelte. „Es tut mir Leid“ murmelte ich, „Nur wegen mir hast du dich verbrannt.“ „Ich war nur ungeschickt“ „Wieso bist du so zusammengezuckt, Junge?“ Seine Augen musterten mich, „Ich bin nicht Gosaburos Sohn“, sagte er ernst, „Er hat mich adoptiert. Aber ich bin froh, nicht sein Sohn zu sein. Dann werde ich wenigstens nicht so wie er“ Seine blauen Augen glänzten hell vor Entschlossenheit. Komisch. Vorhin waren sie noch dunkler gewesen... „Sind Sie von meinen Augen so fasziniert?“, fragte er knapp. Ich nickte betreten „Entschuldige“ Er winkte ab „Macht nichts. Ich bin es gewohnt, dass die Leute mich deswegen anstarren. Man sieht halt nicht oft einen Japaner mit so blauen Augen“ „Wohl wahr. Und dann auch noch welche, die so facettenreich sind“ Jetzt lächelte er leicht „Man kann sich seine Augen nun mal nicht aussuchen. Aber es ist vielleicht ganz vorteilhaft, wenn sie so interessant sind. Ich muss nur noch rausfinden wofür“ Ich schwieg dazu. Der Junge hatte nicht mal gejammert vor Schmerz. Wenn ich da an Yugi dachte... der hätte vermutlich den ganzen Tag nicht mehr aufgehört zu plärren. „Möchten Sie sich von Gosaburo Geld leihen?“, fragte Seto plötzlich. Ich nickte „Ich will einen Spieleladen eröffnen“ Inzwischen waren wir wieder im Büro und ich saß bei meiner Tasse Kaffee. „Ich gebe Ihnen einen guten Ratschlag“, sagte Seto ernst, „Wenn Sie mit Gosaburo sprechen, reden Sie nicht um den heißen Brei herum, sondern kommen Sie sofort auf den Punkt. Er kann Schwafler nicht leiden“ „Ich werde es mir merken, danke. Du bist ziemlich reif für dein Alter“ Jetzt grinste er leicht „Ich bin nicht reifer als andere, ich bin nur besser an die Umstände angepasst“ Seine Augen funkelten in einem himmlischen Blau. ************************FLASHBACK ENDE*************************** „Jaja, so war das damals“, sann Großvater Muto. „Haben Sie das Geld bekommen?“, fragte ich neugierig. „Allerdings. Der alte Kaiba sagte damals >Endlich mal jemand, der mich nicht so blöd zutextet< Er gab mir das Geld, weil er mich angenehm direkt fand“ „Dann hast du deinen Laden ja eigentlich Seto Kaiba zu verdanken“, Yugi lächelte, „Dann hat er also doch einen guten Kern und wir können Freunde werden“ „So würde ich das nicht sehen“, unterbrach der Alte, „Seto Kaiba ist nun mal kein normaler Jungendlicher, das dürft ihr nicht vergessen. Seine Interessen gehen in eine vollkommen andere Richtung als eure und er wird seine Zeit wohl lieber mit Leuten verbringen, mit denen er etwas gemein hat. Außerdem hat er doch seinen Freundeskreis“ „Kaiba und Freunde? Das ich nicht lache!“, knurrte ich. Großvater Muto seufzte „Schon traurig, dass ich ihn besser kenne als ihr zwei, wo ihr doch so viel mit ihm durchgemacht habt“ „Das erinnert mich an die Firmengeschichte.“, meinte ich, „Wer leitet sie denn jetzt?“ „Die drei Kaibabrüder natürlich“ „Die drei?“ „Seto, Noah und Mokuba. Jedem gehören 25%. Der Rest ist auf dem Aktienmarkt. Seto hat mir erzählt, dass er von seinen 25% nur 13% leitet und den Rest seinen Mitarbeitern anvertraut. Damit behält er die Mehrheit, ist aber nicht mehr so ein Kontrollfreak wie davor. Deshalb ist es nun sehr schwer einen Job bei ihm zu kriegen, weil er nur Leute einstellt, denen er vertrauen kann“ Großvater Muto suchte eine Zeitung heraus und breitete sie vor uns aus. Das Titelbild waren tatsächlich die drei Kaibabrüder, wie sie gemeinsam eine Pressekonferenz leiteten unter der Überschrift „Ein neuer Wind weht durch die Kaiba Corp“ Am Datum erkannte ich, dass die Zeitung bereits über ein Jahr alt sein musste. Kaiba leitete seit einem Jahr nur noch 13% der Kaiba Corp, also schätzungsweise 80% weniger. Und mir war nichts aufgefallen. Ich Idiot! Ich kannte Kaiba wirklich nicht. Darunter lag noch eine ältere Zeitung mit derselben Überschrift, jedoch mit einem anderen Bild. Es zeigte Kaiba allein, wie er vor der Firma stand und erhaben in die Kamera schaute. Das Foto musste zu der Zeit entstanden sein, als er Gosaburo die Firma abgenommen hatte, denn Kaiba wirkte noch sehr jung und er war gut einen Kopf kleiner als heute. Dazu hatte er eine noch schlankere Statur als momentan. Ich blätterte die anderen Zeitungen durch. Ein Großteil davon ging um irgendwelche tollen Verträge, die Kaiba mal abgeschlossen hatte, andere zeigten ihn mit verschiedenen Frauen an seiner Seite und Überschriften wie „Sind sie nun ein Paar?“, „Wird sie die neue Mrs. Kaiba?“ oder „Wie lange hält die Beziehung diesmal?“ Die Mädchen an seiner Seit sahen alle sehr schön aus und sie schienen auch etwas im Kopf zu haben – zumindest einige. Eine Zeitung jedoch fiel mir sofort ins Auge. Dort stand groß und breit „Firmenchef zusammengebrochen. Erlitt er einen Rückfall?“ Laut Datum musste es, kurz bevor er die Firma gesplittet hatte, gewesen sein. „Was ist damals passiert?“, fragte ich. „Nichts Besonderes.“, erklärte der Alte, „Wegen dem ganzen Stress ist nur sein Kreislauf kollabiert. Das war alles“ „Was meinen die mit Rückfall?“ „Nicht so wichtig“ Ich sah den Stapel erneut durch. Es gab keine Ausgabe, die zeigte, was mit Kaiba war, bevor er die Firma übernommen hatte. „Gibt es denn keine älteren Berichte über ihn?“ „Doch, schon“, Großvater Muto schüttelte streng den Kopf, „Aber was davor war, geht euch nichts an. Da sind viele üble Sachen abgelaufen, die eigentlich hätten verhindert werden müssen. Aber keiner hat etwas getan aus Angst vor Gosaburo“, er seufzte, bevor er die Zeitungen wieder einsammelte und wegbrachte. „Ich hab das Gefühl, gar nichts zu wissen“, murmelte Yugi. „Und ich erst.“ Kapitel 4: Übrigens: es ist aus! -------------------------------- Übrigens: Es ist aus! Der Tag schleppte sich nur träge dahin und sie labberte die ganze Zeit. Ich fragte mich, wie sie das anstellte, ohne auch nur einmal Luft zu holen. Vielleicht hatte sie ja Kiemen versteckt oder sie war eine Außerirdische. Was weiß denn ich!!! Aber es war faszinierend, wie sie selbst nach meiner wiederholten „Halt endlich die Klappe!“ Ansage ohne Punkt und Komma weiter redete. Wie war ich nur an diese Horrorbraut gekommen? Ach ja, ich war betrunken gewesen. Und wieso hatte ich sie am nächsten Morgen nicht einfach hinausgeschmissen? Vielleicht, weil ich nicht zu Wort kam, um ihr zu sagen, dass sie gehen sollte oder weil sie so gut im Bett war. Bin ich denn tatsächlich so notgeil, dass ich mich für ein bisschen Spaß zu Tode quatschen lasse? Wie tief kann man nur sinken! „Hörst du mir überhaupt zu?“, fragte sie empört. „Nein!“ „Aber Seddoooooooooo“ Ich hasste es, wenn sie mich so nannte! Nein ich hasste sie! „Nenn mich noch mal so und du bist tot!“, zischte ich. „Ach du bist so witzig“, kicherte sie, „Jedenfalls...“ Und schon schwappte mir ein neuer Wortschwall entgegen. Ich stand auf und zog mich an. „Ich geh mit den Hunden raus.“, rief ich in ihr Selbstgespräch, „Übrigens: es ist aus! und wenn ich heute abend wiederkomme, bist du verschwunden! Sonst rufe ich den Sicherheitsdienst!“ Mit etwas Glück würde meine Nachricht in etwa einer halben Stunde bis in ihr Gehirn vorgedrungen sein. Solange konnte sie ruhig weiter meine Wände zutexten. Hauptsache sie war heute Abend verschwunden! Ich zog mir in der Eingangshalle ein paar Stiefel an und pfiff dann kurz. Inzwischen reichte das vollkommen aus, damit Raiko und Popcorn angerannt kamen. Ich ging mit den beiden in den Park. Dort gab es einen schönen See, an den ich mich setzte. Die Hunde tollten derweil ein wenig durch die Gegend. Sie waren hier bereits halbwegs bekannt, deswegen störte sich keiner an ihnen. Und da sie kaum bellten, durfte ich sie auch ohne Leine laufen lassen. Ab und zu kamen ein paar Leute an mir vorbei, die mich freundlich grüßten, aber im Grunde waren es die selben Gesichter, die man hier so oft sah. Irgendwie war es immer das Gleiche. Die selben Menschen... egal, ob im Park, in der Firma oder in der Schule. Zwar sah man ab und zu neue Leute im Nachtleben der Stadt, jedoch waren nicht alle davon wirklich ansprechbar. Diese Stadt bot einfach keine richtige Abwechslung mehr. Vor einem Jahr, als ich noch die Firma allein leitete und fast keine Freizeit hatte, war mir das nie aufgefallen, aber jetzt... Es war alles so... routiniert. Nachdenklich sah ich aufs Wasser. Die ersten bunten Blätter tanzten auf den kleinen Wellen, die der Wind zustande brachte. Ich spürte, wie sich jemand neben mich setzte. „Kommt dir die Stadt auch so öde vor?“, fragte ich versonnen. „Nein. Sollte sie?“, Akito grinste mich an, „Das liegt an deiner Einstellung. Du hast einfach zu hohe Erwartungen“ Ich sah verärgert zu meinem besten Freund, „Jetzt bin ich also Schuld, dass hier nichts passiert!“ „Du würdigst das, was passiert nicht genug“ „Zum Beispiel?“ Sein Grinsen wurde breiter „Wenns dir hier nicht spannend genug ist, lass uns doch ins Ghetto gehen. Da ist immer was los. „Was sollen wir denn da?“ „Wir könnten Billard spielen und sehen, was geschieht“ Seufzend stand ich auf „Wenns sein muss. Ich bring nur vorher die Hunde nach Hause“ Es dämmerte langsam, als wir in das Viertel der Stadt kamen, das als Ghetto verschrien war. Hier wimmelte es nur so von Dealern, Gewalt und Kriminalität. Akito und ich waren schon öfter mal hier gewesen, denn die Gefahr machte durchaus einen gewissen Reiz aus – auch wenn wir uns zu wehren wussten. Solange man sich halbwegs angemessen verhielt, war es nur halb so gefährlich, wie die meisten dachten. Wir gingen in einen Club im Zentrum des Viertels, der aüßerst beliebt bei Jugendlichen war.Wir spielten Billard und tranken Alkohol. Es wäre vermutlich friedlich verlaufen, wenn nicht am Nachbartisch plötzlich eine Schlägerei ausgebrochen wäre. Einer der Kämpfenden wurde durch einen Tritt in den Magen zurück geschleudert und landete auf unserem Tisch. Sofort riss Akito ihn hoch und schleuderte ihn seinen Gefährten entgegen. Die nahmen ihm das wohl übel. Und so entstand ein Kampf zwischen uns und dem Nachbartisch. Wir zwei, sie fünf. Wir halb angetrunken, sie total besoffen. Es war ein Kinderspiel sie auf die Matte zu schicken. „Ist das Abwechslung genug für dich?“, fragte Akito belustigt, nachdem er auch den letzten umgehauen hatte. „Ganz nett“, entgegnete ich, „aber auch nicht sooo ungewöhnlich. Ich denke für heute reichts. Lass uns lieber verschwinden, bevor doch noch Verstärkung kommt“ Wir verschwanden tatsächlich – allerdings nur in eine Bar ein paar Straßen weiter, um uns weiter volllaufen zu lassen. Vor einem Jahr hätte ich mich niemals in dieses Viertel begeben, um hier geschweige denn woanders in einen Club zu gehen. Aber es hatte sich viel verändert. An erster Stellte ich mich selbst. Und ich war froh darüber. So fertig. Dieses Kapitel ist etwas kürzer als die anderen. Aber das nächste ist wieder etwas länger. Ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen ;) Kapitel 5: Eine Petzte namens Joey ---------------------------------- Eine Petze namens Joey Pünktlich am Montag um halb acht stand ich bei Kaibas vor der Tür. Die Schule begann erst um neun, aber wir mussten ja noch frühstücken. Normalerweise war ich nie so früh wach, aber Kaiba motivierte mich dazu. Vermutlich würde er nicht erfreut sein, mich zu sehen. Immerhin hatte er klar gemacht, was er von diesem Projekt hielt. Ungeduldig klingelte ich. Wieder war es der Butler, der mir öffnete. „Sie sind es“, stellte er nüchtern fest, „Master Seto hat angeordnet, dass ich Sie nicht reinlassen soll“ „Was? Das ist wohl ein schlechter Scherz!“, fluchte ich, „Holen Sie ihn her, dann kann er es mir selbst ins Gesicht sagen!“ „Bedaure, er ist gerade unpässlich“ Dr. Kana tauchte hinter mir auf „Lassen Sie uns schon rein, Frevol. Sie kennen den Jungen doch schon. Wo liegt das Problem?“ „Master Seto hat mir aufgetragen weder Ihnen, Doktor, noch dem Jungen Eintritt zu gewähren“, Frevol schien seine Überlegenheit zu genießen. „Das ist doch albern!“, der Arzt verdrehte die Augen, „Sie kennen doch Setos Launen. Er sagt halt manchmal Dinge, die er nicht so meint. Wollen Sie, dass er Sie rausschmeißt, nur weil Sie die Gäste, die er sehnsüchtig erwartet, nicht reingelassen haben?“ Doch der Butler grinste nur fies „Netter Versuch, Doktor. Aber ich weiß zufällig, dass er momentan gar keinen Besuch erwarten kann“ „Was nun?“, fragte ich hilflos. „Bei drei“, flüsterte mir Dr. Kana ins Ohr. Ich verstand. „DREI!“, rief er laut. Sofort stürmten wir auf Frevol zu und rammten ihn zur Seite. Als wir drinnen waren, lachte der Arzt triumphierend auf „Was wollen Sie jetzt Ihrem Master sagen? Dass Sie nicht in der Lage waren einen Jungen und einen Arzt aufzuhalten oder, dass Sie von der Dringlichkeit unseres Besuches Überzeugt waren? Was klingt wohl besser?“ Frevol seufzte resignierend, während er die Tür schloss „Schön! Sie haben gewonnen“ „Sehr schön“, nickte Kana, „Ich schlage vor, wir suchen jetzt Seto und stellen ihn zur Rede“ „Genau!“, nickte ich entschlossen, „Dem werde ich ordentlich die Meinung geigen! - Wo sollen wir ihn denn suchen?“ „Vermutlich in seinem Zimmer.“ Also liefen wir durch die langen Gänge der Villa. Zum Glück schien Dr. Kana zu wissen, wo es lang ging, denn ich hätte mich sofort verlaufen. Vor einer Tür blieb er endlich stehen. Doch bevor er klopfen konnte, hielt ich ihn noch einmal zurück. „Kann ich Sie etwas fragen?“ „Natürlich“, er sah mich erwartungsvoll an, „Wieso nennen ihn hier alle beim Vornamen? Das versteh ich nicht.“ „Ganz einfach. Wenn er jemanden mag oder zumindest nicht unsymphatisch findet, bietet er einem recht schnell an, ihn beim Vornamen anzusprechen und zu duzen. Er hat es mal so erklärt, dass sein Vorname seine Identität und sein Nachname das ist, was er verkörpert, also ein Firmenchef“ „Meinen Sie, er hasst mich so sehr? Er hat mir nie angeboten, ihn so zu nennen“, meinte ich missmutig. „Vielleicht, weil ihr zwei fast gar nichts miteinander zu tun habt. Klar, ihr seid in derselben Schule, aber das macht euch noch lange nicht zu Freunden“ „Wir haben sehr viel gemeinsam durchgemacht!“ „Schon möglich, aber hast du dabei jemals ein normales Gespräch mit ihm geführt oder habt ihr bloß zwangsweise zusammen gearbeitet? Das ist ein beachtlicher Unterschied“ Ich seufzte „Auch wieder wahr“ „Denk nicht darüber nach, Junge“ Ich nickte betrübt. Vorsichtig klopfte Dr. Kana. Auch nach einer ganzen Weile kam keine Reaktion. Also öffnete er leise die Tür und wir traten ein. Der Raum war hauptsächlich in blau und weiß gehalten. Die Wände waren weiß und auf dem Boden lag ein dunkelblauer Teppich. Auf einem Schreibtisch aus Kirschholz lag sein Laptop neben weiteren technischen Geräten und einem Stapel Papier. Die gesamte Wand gegenüber der Tür war eine Fensterfront, die Ausblick auf einen wunderschönen Garten gab. Und dann war da noch dieses unglaublich große und gemütlich aussehende Bett mit dunkelblauer Bettwäsche. Und da war Kaiba. „Er schläft ja noch“, Dr. Kana schütttelte tadelnd den Kopf, „Typisch!“ Ich ging etwas näher heran, um einen besseren Blick auf ihn erhaschen zu können. Aber er war fast völlig unter der Decke begraben. Plötzlich schrillte es in meinen Ohren. Bevor ich überhaupt verstand, was los war, schnellte unter der Decke eine Hand hervor und fegte den Wecker vom Nachttisch. Klirrend fiel er zu Boden und das Klingeln verebbte. Die Hand derweil hatte sich bereits wieder unter die warme Decke verzogen. Ich blinzelte verwirrt „Was sollte das denn?“ Kana knirschte mit den Zähnen „Wohl zu faul zum Aufstehen, was?“ Er beugte sich am Kopfende weit runter. Dann grinste er fies, bevor er laut „AUFWACHEN“ rief. Sofort schreckte Kaiba hoch, wobei er kurz erschrocken aufschrie. Total verpeilt sah er uns an. Irgendwie hatte das schon was Schönes an sich, Kaiba so verschlafen zu sehen. Wenn er noch nicht seinen kalten Blick drauf hatte, waren seine Augen noch leuchtender. Als er uns sah, verfinsterten sie sich jedoch. „Was zum - “, er brachte den Satz nicht zu Ende, denn plötzlich stöhnte er gequält auf und ließ sich wieder zurück in die Kissen sinken. „Wieso ist das so hell?“, jammerte er, wobei er sich mit der Hand die Augen verdeckte. Kana grinste fies „Wohl gestern zu tief ins Glas geschaut. Wie viel wars denn?“ „Ich weiß nicht mal, wie ich nach Hause gekommen bin. Reicht das als Antwort?“ Der Arzt lachte spöttisch „Nie wieder Alkohol?“ „Nie nie wieder! - Bis heute abend“ Kaiba schien wirklich verkatert zu sein, denn er massierte sich die Schläfen als hätte er Kopfschmerzen. „Und? Was gibt's zum Frühstück?“, fragte ich taktvoll, wie ich war. Kaiba blinzelte mich schief an „Was macht der denn hier?“, knurrte er. „Frühstücken“ „Und ich werde das beaufsichtigen“, ergänzte Dr. Kana. Kaiba schnaubte verächtlich, wobei er sich wieder die Decke über den Kopf zog. „Sie wissen ja, wo die Küche ist!“ „Wir warten ja auch nur darauf, dass du aufstehst und uns Gesellschaft leistest“ „Sadist!“ Ungeduldig zog Kana die Decke weg „Steh endlich auf! Du musst sowieso bald zur Schule“ „Erst in 90 Minuten!“, Kaiba massierte sich immer noch die Schläfen und hielt die Augen geschlossen. Ich hätte Kaiba für den Pyjamatypen gehalten, aber er trug eine normale Sporthose und ein schwarzes T- shirt dazu. Es stand ihm ziemlich gut, aber es schien einem Milliardär nicht unbedingt würdig. „Was glotzt du so, Köter?“ Mist! Er hatte meine Blicke bemerkt. „N-nichts“ „Ihr könnt euren Streit beim Frühstück fortsetzen“ Plötzlich ging die Tür auf und ein Mann im Schwarzen Anzug und mit Sonnenbrille kam herein. Das war doch dieser Typ, der ständig an Kaibas Fersen klebte... Roland, glaube ich. „Du hast geschrien?“, meinte er tonlos. Kaiba deutete auf Kana und mich „Rausschmeißen!“ „Sofort“, nickte Roland. Ehe ich mich versah, hatte der Kerl uns gepackt und mit einem Fußtritt vor die Tür der Villa befördert. So was Mieses! „Was sollte denn der Scheiß jetzt!“, fluchte ich, „Spinnt Kaiba denn? Das lass ich mir nicht bieten! Dem werd ichs zeigen!“ Ich wollte wieder in die Villa stürmen, doch Kana hielt mich zurück. „Er hat es sicherlich nicht böse gemeint“ „Nicht böse gemeint? Der hat uns vor die Tür gesetzt!“ „Nimms ihm nicht übel. Seto ist nun mal ziemlich mies drauf, wenn er Kopfschmerzen hat. Da kann er schon mal überreagieren“ Dann musste Kaiba ja immer Kopfschmerzen haben, denn er reagierte doch ständig über und war fies. So eine billige Ausrede! Und ja: ich nahms ihm übel! Aber ich wusste auch schon, wie ich mich revangieren würde. Am selben Tag noch hatten wir wieder Bio mit Herrn Noro. Gleich vor der Stunde ging ich zu ihm und erzählte, was heute morgen passiert war. Er nickte ernst „So was hab ich schon erwartet. Ich werde mich gleich darum kümmern“ Zufrieden setzte ich mich an meinen Platz und wartete darauf, dass der Unterricht begann. Kaiba konnte was erleben! Als es endlich klingelte und Herr Noro die Klasse begrüßt hatte, fing er auch gleich an. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass es bei einigen zu Problemen bei unserem derzeitigen Projekt gekommen ist. Daher möchte ich noch einmal deutlich machen, wie wichtig dieses Projekt für jeden einzelnen von Ihnen ist. Schließlich wird sich der Versuch auf Ihre Noten auswirken. Und wenn Sie, Mr. Kaiba, das nicht ernst nehmen, werde ich Ihr Projekt persönlich beaufsichtigen und das dürfte Ihnen nicht gefallen! Ich möchte, dass so etwas wie heute Morgen nicht wieder vorkommt. Ansonsten können Sie Ihre Note vergessen. Haben Sie das verstanden, Mr. Kaiba?“ Kaibas Augen funkelten schwarz wie die Nacht „Natürlich, Herr Noro“ „Gut.“, der Lehrer warf mir noch einen kurzen Blick zu „Ansonsten wird mir Mr. Wheeler darüber Bericht erstatten. Also weiter im Stoff“, er wandte sich der Tafel zu und schrieb irgendetwas an. Kaiba beugte sich leicht zu mir und flüsterte mir bedrohlich ins Ohr: „Ich hätte dich für alles gehalten, Wheeler, aber nicht für eine miese Petze! Wenn du so was noch mal abziehst, dann verabschiede dich schon mal von deinen Zähnen!“ Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken. Seine Stimme war so kalt und schneidend, dass ich befürchtete zu Eis zu erstarren. „Du hast Kaiba verpetzt?“, fragte Yugi leise, „Man, das hätte ich an deiner Stelle lieber gelassen“ „Er hat doch angefangen!“, zischte ich. „Trotzdem. Ich glaube nicht, dass er das so auf sich beruhen lässt“ Wenn Yugi nur wüsste, wie sehr er damit Recht hatte... Kapitel 6: Die Sache mit den Schafen... --------------------------------------- Die Sache mit den Schafen... Als der Unterricht vorbei war, wartete Wheeler draußen vor dem Tor auf mich. Am besten, ich ignorierte ihn einfach. Zielstrebig ging ich auf meine Limousine zu, und er folgte mir einfach. „Wo fahren wir denn hin?“, fragte er neugierig. Betont langsam drehte ich mich um „WIR?“ „Ja, natürlich wir. Wir müssen ja schließlich zusammen Mittag essen“ Er wollte an mir vorbei in den Wagen huschen, doch ich hielt ihn zurück „Was soll das werden?“ „Ich will einsteigen, damit wir zu dir fahren und was essen können“ „Garantiert nicht!“, zischte ich, „Was du machst, weiß ich nicht, aber ich fahre jetzt arbeiten. Und da kommst du garantiert nicht mit!“ Er überlegte kurz „Gut, dann sag mir halt, was du zum Mittag isst, damit ich das gleiche essen kann“ „Nichts“, ich grinste fies, „Weder zum Mittag, noch zum Abendbrot. Wenn ich arbeite, habe ich keine Zeit dazu“ „W-was?“, fragte er entsetzt. Ich sah, dass ihm der Magen jetzt schon in den Kniekehlen hing. Selbst Schuld! „Und da du ja scheinbar an dieser albernen Diät festhalten willst, heißt das folglich, dass du bis morgen auch nichts essen darfst“ „Das ist doch nicht dein Ernst! Das ist total ungesund. Kein Wunder, dass du so dünn bist!“ Schlagartig sank meine sowieso schon miese Laune in den Keller „Nimms, wie es ist, Köter, oder vergiss dieses blöde Projekt!“ „Das könnte dir so passen! Fein, dann esse ich heute eben nichts mehr. Wir sehen uns dann morgen zum Frühstück und wehe, du bist wieder nicht wach!“ „Was dann, Köter?“ „Dann wecke ich dich mit einer kalten Dusche!“, damit stapfte er wütend davon. Sollte er es doch einmal versuchen! Mürrisch stieg ich in die Limousine. Aber ich fuhr nicht zur Arbeit sondern zu Akito. Ich wollte mit ihm etwas klären. Als ich bei ihm ankam, schien er etwas verwirrt darüber, sagte aber nichts. Ich erzählte ihm, was passiert war. „Wie kann es dieser blöde Köter wagen, mich zu verpfeifen?“, fluchte ich, „Weiß der denn nicht wie lebensmüde das ist?“ „Was solls“, meinte Akito ungerührt. „Was solls? geht's noch? Dieser miese kleine Verräter! Wenn ich könnte, dann würde ich ihn ungespitzt in den Boden rammen!“ „Was hält dich davon ab?“ „Das Tierschutzgesetz!“ Akito lachte leise. „Und wenn ich sonst etwas tue, dann wird er mich wieder verraten und ich hab noch mehr Ärger am Hals!“, ruhelos lief ich auf und ab. „Du musst ja nicht auf körperliche Gewalt zurückgreifen“ „Sondern?“ „Plüschologie“ „Plüscho- was? Ach so, Psychologie.“ „Genau, überzeug ihn doch einfach davon, dass du wahnsinnig bist. Treib ihn mit Psychospielchen an den Rand der Verzweiflung. Muahaha! Dürfte dir ja nicht allzu schwer fallen. Du musst dich nicht mal verstellen“ Ich verpasste ihm eine Kopfnuss „Der ist zu doof für so was.“ „Glaub mir, der wird drauf anspringen.“ „Und weiter? Das hilft mir nicht, ihn aus dem Projekt zu drängen“ „Doch wird es. Dazu wirst du ihn nämlich körperlich so hart drillen, dass er freiwillig aufgibt“ „Plüschologie kombiniert mit Folterung. Nicht schlecht“, ich musste grinsen, „Der wird keinen Fuß mehr auf den Boden kriegen!“ „Du hast es erfasst. Nebenbei meinte ich nicht, dass du ihn foltern sollst“ „Das ist mein Bonus. Lass uns gleich morgen damit anfangen.“ „Uns?“, Akito sah mich zweifelnd an. „Du musst mir nur ein bisschen helfen. Ich sag dir schon wie. Ich steige am Anfang ganz langsam ein und je länger Wheeler durchhält, desto gnadenloser wird es.“, zufrieden nahm ich mir ein Stück Pizza vom Tisch. Ich weiß ich weiß, ich hatte dem Köter gesagt, ich würde nichts essen. Nehmen wir es einfach als Anfang eines schrecklich schönen Plans. Ich erklärte Akito schnell, was er zu tun hatte, bevor ich zur Firma fuhr. Ein bisschen arbeiten musste ich doch noch. Als ich am nächsten Morgen zu Kaiba ging, war mir schon ganz schlecht vor Hunger und ich war ziemlich mies drauf. Wenn mir jetzt dieser Frevol wieder dumm kam, würde ich ihm eins auf die Nase geben! Doch diesmal ließ er mich ohne Gezeter ein. Er geleitete mich sogar in die Küche, wo Mokuba bereits frühstückte. Aber von Kaiba war keine Spur in Sicht. „Morgen Joey“, rief Mokuba fröhlich. „Morgen“, murrte ich, „Schläft dein Bruder etwa noch?“ „Nein, er ist mit den Hunden im Garten“ Also sah ich halt im Garten nach und ich wurde auch schnell fündig. Er saß da und spielte Apportieren mit dem hellen Hund, während der andere den Kopf in seinen Schoß gelegt hatte. Wenn man Kaiba mit seinen Hunden sah, wirkte er fast wie ein süßes, unschuldiges Kind – abgesehen davon, dass er natürlich größer war. Aber er hatte dabei so etwas Liebevolles in seinem Blick. Ich hätte ihm gern dabei noch ein bisschen zugesehen, doch er hatte mich schon bemerkt. Wieder nahmen seine Augen dieses typische eiskalte Funkeln an, als er mich sah. „Na? Soll ich dir auch ein paar Tricks beibringen?“, fragte er spitz. Ich sah an seinen hellen Augen, dass er es nicht ernst meinte. Ich hätte ihn eigentlich umbringen sollen, weil er mich hatte hungern lassen und jetzt wieder mal als Hund bezeichnete. Aber irgendwie war mein Ärger wie verflogen, wenn ich ihn ansah. Ich schüttelte nur den Kopf als Antwort. Kaiba sah mich schief an „Bist du zu entkräftet, um patzig zu antworten?“ „Das auch“ „Und was noch?“ „Ich weiß nicht...“, wie sollte ich ihm denn erklären, dass mir sein Anblick jegliche Wut nahm? „Ich hab keine Lust auf diese kindischen Streitereien“, sagte ich stattdessen. Kaiba zog nur eine Braue hoch als Antwort. Dann stand er in aller Ruhe auf und rief kurz „Petit dejeuner“ Die beiden Hunde rannte schneller als ich gucken konnte an mir vorbei ins Haus. „Petit dejeuner?“, fragte ich zweifelnd. „Es ist französich und bedeutet Frühstück“, erklärte er gelassen. „Wieso bringst du deinen Hunden französische Befehle bei?“ Er zuckte mit den Schultern „Keine Ahnung. Ich dachte es klingt besser“ „Ein Seto Kaiba tut doch nichts einfach nur, weil er denkt, es klingt besser. Das hat doch bestimmt einen anderen Hintergrund, oder nicht?“, ich sah ihn ungläubig an. „Du wirst es nicht glauben, aber ich bin der Meinung, dass ein Seto Kaiba besser als ein Joey Wheeler weiß, was ein Seto Kaiba aus welchem Grund tut“ „Könnte sein...“ „Ist auch so“ „Und wenns nicht so ist?“ „Ist es aber!“, meinte er patzig. Ich musste lachen, was mir einen verständnislosen Blick einbrachte. „Das war eben total kindisch wie du geantwortet hast“, lachte ich. „Stimmt doch gar nicht!“ Ich musste mich zusammenreißen, um nicht laut loszugröhlen „Du hast es schon wieder gemacht“ Kaiba verdrehte nur die Augen, „Gehen wir was essen“ Stimmt. Essen. Ich hatte total vergessen, was für einen Mordshunger ich hatte. Immer noch grinsend folgte ich Kaiba nach drinnen. Inzwischen saßen mehrere Leute am Tisch. Neben Mokuba waren jetzt auch noch Dr. Kana und Roland da und ein Dienstmädchen stand locker daneben und unterhielt sich mit ihnen. Es gab noch drei Plätze, die gedeckt waren. Kaiba und ich setzten uns jeweils an einen davon. „Für wen ist das dritte Gedeck?“, fragte ich. „Wirst du schon sehen“ Ich konnte es kaum erwarten, endlich etwas zu essen. Ich lud so viel ich konnte auf meinen Teller und wollte gerade ordentlich zulangen, als Dr. Kana mich zurückpfiff. „Ihr beide müsst das gleiche essen, schon vergessen?“, mahnte er. Also sah zu Kaiba, um zu sehen, was er aß. Aber der trank nur Kaffee. „Hey Kaiba, was essen wir denn nun?“, fragte ich ungeduldig. Er sah mich nachdenklich an. Dann nahm er ein Brötchen und legte es auf seinen Teller, bevor er sich wieder seinem Kaffee zuwandte. Wow. Ein ganzes Brötchen. Ich Glückspilz! „Willst du mich verarschen? Ein Brötchen ist doch kein Frühstück. Das ist höchstens eine Zwischenmahlzeit.“ „Dann verteile ich eben das Essen“, meinte Dr. Kana. Er legte zusätzlich noch ein zweites Brötchen und ein paar Weintrauben auf Kaibas Teller. „Das ist immer noch zu wenig“, maulte ich. „Das ist viel zu viel!“, knurrte Kaiba. „Na Bitte, dann ist es Mittelmaß“, Kana grinste flüchtig. „Soll ich ihn rausschmeißen?“ „Noch nicht, Roland – ist noch Kaffee da?“, fragte Kaiba Das Dienstmädchen nickte „In der blauen Kanne auf dem Tresen“ Und jetzt kam etwas, das ich nicht für möglich gehalten hatte: Kaiba stand auf und holte die Kanne selbst, während das Dienstmädchen einfach auf der Tischkante sitzen blieb. Ich sah sie ungläubig an. Wozu war sie denn da, wenn nicht zum Bedienen und wie konnte sie es wagen, so selbstverständlich auf dem Tisch zu sitzen? Und wieso saß überhaupt Roland mit am Tisch? „Hat sich halt so eingebürgert. Was dagegen, Wheeler?“, knurrte Kaiba. Ich sah ihn noch verständnisloser an. „Mimik und Gestik, schon vergessen?“ Richtig. Kaiba ,der Psychologe in Person! Der kaffeesüchtige Psychologe scheinbar. „Wieviel Kaffee trinkst du eigentlich täglich?“ Er sah mich forschend an „Wieso willst du das wissen?“ „Nur so“ „Seto braucht seine ein bis zwei Tonnen Kaffee täglich, um gut in den Tag zu kommen“, meinte plötzlich einer hinter mir. „Halt die Klappe, Akito!“, murrte Kaiba. Wer war denn der? Akito setzte sich schwungvoll auf den letzten freien Platz am Tisch, klaute ein Brötchen von Kaibas Teller und lehnte sich zufrieden zurück, wobei er mich kurz musterte. „Ist das der Hund?“ Kaiba nickte. „Hat dein Plan schon angefangen?“ „Noch nicht, noch nicht...“, Kaiba grinste mich hinterhältig an. „Was für ein Plan?“, wollte Kana wissen. „Fragen Sie lieber nicht, Doktor“, seufzte Mokuba, „Er ist sowieso total bescheuert“ „Ich vertrete nur mein Recht auf Rache, kleiner Bruder“ „Egal.“, meinte Akito, „Ich bin sowieso nur gekommen, um dir zu sagen, wie sauer ich auf dich bin, Seto Kaiba!“ „Ach ja?“ „Rate mal, wer gestern durch die Führerscheinprüfung gefallen ist“ „Du natürlich“ „Genau. Und rate mal, wieso“ Kaiba zuckte mit den Schultern „Weil du nicht Auto fahren kannst?“ „Nein! Weil ich die ganze Zeit über deine blöde Sache mit den Schafen nachdenken musste und mich nicht auf die Straße konzentrieren konnte!“ „Schafe?“, fragte ich überrascht, „Was für Schafe?“ Akito lehnte sich vor „Okay, was glaubst du, ist Setos Lieblingsfarbe?“ „Blau?“ „Genau. Und nun stell dir vor, du stehst mittellos auf einer grünen Wiese. Vor dir sind zwei Schafe, die genau so groß sind wie du. Das erste Schaf ist von Kopf bis Fuß grün wie die Wiese. Alles an dem Schaf ist grün, auch das Weiße in den Augen, verstehst du? Du kannst es von der Wiese also gar nicht unterscheiden. Das andere Schaf ist blau wie der Himmel, ebenfalls so, dass du es nicht unterscheiden kannst. Gegen eines der beiden Schafe musst du auf Leben und Tod kämpfen. Welches nimmst du und wie besiegst du es?“ Was war das denn für ein Schwachsinn? Aber ich beschloss erst einmal mitzumachen. Gut, Kaibas Lieblingsfarbe war blau. „Ich würde das blaue Schaf nehmen“, meinte ich überzeugt. „Und wie besiegst du es?“ „Ich schubs es um“ „Aber du kannst es ja nicht sehen, weil es genauso blau wie der Himmel ist. Und immer wieder rammt es dich von allen Seiten, bis du tot bist, aber du kannst nichts dagegen tun, weil du es nicht siehst“ „Dann warte ich halt, bis sich der Himmel zuzieht. Dann seh ich es ja wieder“ „Das Schaf passt seine Farbe an den Himmel an. Du kannst es also immer noch nicht sehen“ „Dann lausche ich eben, von wo es kommt“ „Es ist ein lautloses Schaf“, meinte Kaiba. Darüber musste ich erst einmal nachdenken. Wie sollte ich das Vieh denn besiegen, wenn ich es weder sehen, noch hören konnte? „Löst du es endlich auf?“, fragte Akito Kaiba verzweifelt, „Ich will nicht noch einen Tag darüber nachdenken müssen“ „Heute Abend“, meinte der Angesprochene ruhig, „Lass Wheeler doch mal darüber nachdenken“ Der Tag war der Horror! Nach dem Frühstück waren wir gemeinsam in die Schule gefahren. Nachdem wir ausgestiegen waren, hatte Kaiba gemeint, wir können wieder nicht zu Mittag , aber dafür Abendbrot essen. Er meinte, morgen würden wir das Projekt dann richtig angehen, wobei er diabolisch grinste. Jetzt konnte ich mich in der Schule gar nicht mehr konzentrieren, weil ich darüber nachdenken musste, wie das mit dem Schaf war und warum Kaiba gegrinst hatte. Und zu meinem Glück schrieben wir in Mathe auch noch einen Überraschungstest. Ich konnte kaum eine Aufgabe lösen, weil ich ständig blaue Schafe übers Blatt rennen sah. Verdammter Kaiba! Selbst am Abend, als ich zu ihm ging, war ich noch mit dieser blöden Aufgabe beschäftigt. Ich kam an einem Laden vorbei, wo ein Verkäufer einen Kunden anmeckerte: „Putzen sie sich gefälligst die Schuhe ab! Sie hinterlassen ja überall Spuren“ Das war die Lösung! Das Schaf hinterließ Abdrücke auf dem Gras. Meine Laune hob sich schlagartig an und rannte die letzten Meter zu Kaibas Anwesen. Er saß bereits mit Akito und Mokuba beim Essen - okay die anderen aßen und er saß daneben. Triumphierend knallte ich ihm die Antwort um die Ohren. Doch er schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Stattdessen schüttelte er nur den Kopf und sagte: „Es ist kurzes hartes Gras. Das biegt sich nicht, wenn das Schaf rauftritt“ „Oh“, verzweifelt sank ich auf den Stuhl, „Dann ist es unmöglich, oder?“ „Nun lös es endlich auf!“, forderte Akito. „Ganz einfach: ich nehme das grüne Schaf. Es hat zwar dieselbe Farbe wie die Wiese, aber wenn ein Grashügel auf mich zurennt, kann ich mir ja denken, dass es das Schaf ist. Dann weiche ich ihm aus und stell ihm ein Bein.“ „Das ist deine Lösung?“, fragte ich ungläubig, „Du nimmst einfach das grüne Schaf?“ „Hat euch doch keiner gezwungen, das blaue zu nehmen, oder?“ „Ja, aber... du hast doch geasgt deine Lieblingsfarbe sei blau...“ Er lächelte amüsiert „Genau das war der Grund, weshalb ihr nie über das grüne Schaf nachgedacht habt. Das nennt man Psychologie. Weil ihr dachtet, wenn ich blau mag, wird das blaue Schaf das richtige sein. Aber überlegt mal: wieso sollte ich einem blauen Schaf wehtun wollen, wenn ich seine Farbe mag? Ist doch klar, dass ich lieber gegen grün kämpfe. Grün mag ich sowieso nicht“ Akito sah ihn sprachlos an „Das... ist... DOCH TOTAL BESCHEUERT!“, fluchte er, „und wegen sowas bin ich durch die Prüfung gefallen!“ „Und ich hab den Mathetest vergeigt“, sagte ich fassungslos. Mokuba kriegte sich gar nicht mehr ein vor Lachen „Ihr...müsstet mal eure Gesichter... sehen“ „Ihr hättet ja nicht drüber nachdenken brauchen.“, meinte Kaiba leichtfertig. „Das war genauso schwachsinnig wie damals deine Frage, inwiefern ein Meerschwein, das um die Erde kreist, die Welt verändert“, meinte Akito, der sich langsam wieder gefasst hatte. „Wie kommst du nur auf solche Fragen?“, fragte ich überrascht. Es passte nicht zu Kaiba, der sonst so realistisch war, solchen Blödsinn zu hinterfragen. „Ich hab davon geträumt“, er lächelte verträumt, „Puff, das Meerschwein.“ „Puff?“ „Ja es war total intelligent, weißt du? Es hat damals Albert Einstein die Relativitätstheorie verraten. Und damit es ihn nicht verpetzt, hat er es ins All geschossen“ „Sowas träumst du?“ „Manchmal“, Kaiba sah immer noch so versonnen an die Decke. Mit einem Mal musste ich total loslachen. Wenn ich mir das mit dem Meerschwein bildlich vorstellte, konnte ich einfach nicht anders. Es entfachte aber auch mein Interesse an Kaiba noch mehr. Schließlich schien Großvater Muto Recht zu haben. Er war anders als ich immer dachte. Ihn umgab tatsächlich eine Aura, die mich bereits voll und ganz in ihren Bann gezogen hatte. Kapitel 7: Knock out -------------------- Knock out Das Frühstück am nächsten Tag verlief ungefähr so, wie auch schon beim ersten Mal. Es schien tatsächlich Gang und Gebe zu sein, dass Roland mit am Tisch saß und das Dienstmädchen genauso nützlich wie überflüssige Tischdeko war. Anscheinend war es auch normal, dass Akito unangekündigt hereinschneite und von Kaibas Teller klaute, obwohl er doch einen eigenen hatte. Weiterhin trug Kaiba zu Hause scheinbar nie die Sachen, die er sonst in der Schule trug. Heute hatte er normale Jeans und ein schwarzes Hemd an. Und wie ich es erwartet hatte, stellte sich heraus, dass Kaiba kein großer Esser war. Was er zum Frühstück aß, um satt zu werden, stopfte bei mir keineswegs das riesige Loch in meinem Magen. Wenn das so weiterging, würde ich schon am Ende der Woche mein Normalgewicht wiederhaben. Aber es sollte noch schlimmer werden, denn Kaiba schien sich einiges ausgedacht zu haben, um mich auf Trab zu halten. Nach der hundertsten Tasse Kaffee, sah er mich schief grinsend an und meinte „Heute werden wir mal meinen normalen Plan durchziehen. Macht dir das was aus?“ Ich schüttelte den Kopf. Wenn ich gewusst hätte, was da auf mich zukam, wäre ich schreiend weg gerannt. Aber so dachte ich nur naiv, dass es ja ganz interessant sein könnte, Kaibas Tagesablauf zu sehen. „Gut“, meinte er plötzlich und stand auf, „Dann werden wir als erstes mal die Hunde spazieren führen. Willst du mit, Mokuba?“ „Nein danke“ „Du weißt aber schon noch, dass Popcorn dein Hund ist, oder?“ „Ja doch“, erwiderte der Kleinere, „Aber ich hab gerade viel zu tun“ Kaiba zuckte mit den Schultern „Wie du meinst. Komm Wheeler!“ Gehorsam stand ich auf. „Hey Seto, kommst du heute Abend noch vorbei?“, fragte Akito. Kaiba nickte nur. Dann bedeutete er mir, ihm in den Garten zu folgen. „Nous nous promenons“, rief er knapp. Sofort kamen die Hunde angerannt. Raiko sprang schwanzwedelnd auf Kaiba zu, der ihn lächelnd empfing. Derweil wurde ich von dem anderen Hund genauer beschnuppert. Doch er verlor schnell das Interesse. „Was hast du ihnen gesagt?“, fragte ich. Mein Französisch war leider so schlecht, dass die Lehrer oft dachten, ich hätte noch nie etwas davon gehört. „Ich hab ihnen gesagt, wir gehen Spazieren“, Kaiba gab den Beiden ein Handzeichen und schon liefen sie vor uns her. Sie waren an keiner Leine und so waren sie bald außerhalb unserer Sichtweite. „Kannst du sie hier denn einfach so frei rumlaufen lassen?“, meinte ich besorgt. Nicht, dass die Zwei noch ausbüchsten. „Ich kann alles tun, was ich will, Wheeler“ „Und was machst du, wenn du sie nicht wieder findest?“ Er pfiff kurz aber laut. Innerhalb weniger Sekunden waren die Hunde wieder direkt vor uns. „Beantwortet das deine Frage?“ „Ja, denke schon...“ „Dann lass uns mal ein bisschen Tempo machen“ „Was meinst du?“ Er antwortete nicht, sondern rannte seinen Hunden hinterher. Perplex sah ich ihm hinterher. Was war denn jetzt wieder los? Schnell eilte ich ihm nach, bevor ich noch ganz den Sichtkontakt verlor. Aber ich musste ganz schön hetzen, um mit ihm mithalten zu können. „Was... soll das?“, fragte ich atemlos, als ich halbwegs neben ihm angekommen war. „Ein bisschen Joggen am Morgen ist gut für dich. Dadurch wirst du richtig wach“, er war noch nicht einmal außer Atem. „Hat dir... der Kaffee... dafür... nicht gereicht?“ „Wenns dir nicht passt, kannst du jederzeit aus dem Projekt aussteigen.“ Ich sah ihn empört an „Hör endlich... auf, mich... aus dem Projekt... drängen... zu wollen!“ „Wie du meinst“ Mein Blick haftete auf Kaibas Gesicht. Es schien ihm wirklich egal zu sein, ob ich weitermachte oder nicht. Mir fiel auf, dass er nicht mal rot im Gesicht war. Ihn schien das Laufen gar nicht anzustrengen... „Anstatt mich zu bewundern solltest du lieber aufpassen, wo du hinläufst“, meinte er trocken. „Wieso?“ Dann hielt er plötzlich an. Aber bevor ich verstand, wieso, war ich schon im Wasser gelandet. Ich war mitten in den See gelaufen. „Deswegen“, hörte ich Kaiba rufen. Toll! Jetzt war ich patschnass. Mit vollgesogenen Kleidern watete ich wieder aus dem See heraus. Kaiba schien das ungemein witzig zu finden. Er lachte zwar nicht, aber seine Augen waren schon fast so hell, dass sie mich blendeten. „Hättest du mich nicht warnen können?“, murrte ich. „Doch“ „Warum hast du es dann nicht getan, du Idiot!?“ Er setzte ein unschuldiges Lächeln auf „Du wärst ja trotzdem reingefallen. Wenn ich dich gewarnt hätte, hättest du erst einmal überlegen müssen, wovor ich dich warne, ob das mein Ernst ist und wie du reagieren musst. Und bis du soweit gewesen wärst...“ Dieses Lächeln... zauberhaft. Ich musste feststellen, dass Kaiba unglaublich... süß aussah, wenn er lächelte. „Aber wenns dich tröstet, ich hätte dich auch gerettet, wenn du in Gefahr gewesen wärst“, fügte er hinzu. Er hätte mich gerettet? »Vielleicht hätte ich doch absaufen sollen, dann hätte er mich wiederbeleben können.« AAAAAAARGH! Was dachte ich da eigentlich? Das war doch völlig bescheuert! Ich wollte doch gar nicht von Kaiba Mund zu Mund beatmet werden! »Wieso eigentlich nicht? Er hat tolle sinnliche Lippen.« Verflucht nein!!! Ich wollte nichts von ihm! Konnte jemand das mal meinem Verstand ausrichten? „Was ist mit dir?“, Kaibas Stimme drang in mein inneres Zwiegespräch ein. „N-nichts, gar nichts. Und es geht auch gar nicht um dich“, meinte ich schnell. Er sah mich wortlos an, doch seine Augen sprachen Bände. »Diese wundervollen Augen...« Halt die Klappe, Verstand! In ihnen lag Unmut. Vielleicht wusste er nicht, woran er bei mir war... „Lass uns zurück gehen“, meinte er knapp, „Du kannst ein paar Sachen von mir haben“ »Mein Held« Klappe, blöder Verstand! War das normal, dass mein Gehirn sich bei Kaibas Anblick hin und wieder ausschaltete? Niedergeschlagen folgte ich ihm, während die Hunde nun an seiner Seite liefen. In der Villa führte er mich direkt in sein Zimmer und suchte ein paar Sachen heraus. „Meine Sachen dürften dir alle etwas zu lang sein“, murmelte er dabei, „Aber vor drei Jahren hatte ich, glaube ich, die gleiche Größe wie du jetzt“ „Ich habe alte Fotos von dir gesehen. Vor drei Jahren warst du definitiv kleiner.“ Er sah mich schief an „Dann eben vor zwei. Wo hattest du die Fotos denn her?“ „Von Herrn Muto. Er hat mir alte Zeitungsartikel gezeigt.“ „Hat er das?“, Kaiba kramte wieder im Schrank. „Ja, er hat auch erzählt, dass er es eigentlich dir verdankt, dass er seinen Laden öffnen konnte“ „Er erzählt viel, wenn der Tag lang ist...“ „Ich weiß von ihm auch, dass du seit einem Jahr die Firma nur noch zu 13 Prozent leitest“ „Und wenn schon“, er warf ein paar Sachen aufs Bett und deutete darauf, „Zieh das mal an“ „Warum hast du uns das nie erzählt?“, fragte ich, während ich die Hose an meine nasse ranhielt „Wieso hätte ich es euch erzählen sollen? Es geht euch gar nichts an!“, er warf einen prüfenden Blick auf mich, „Die Größe ist okay, aber sie dürfte zu eng sein“ „Hast du keine Sachen, die etwas weiter sind?“ Er hielt mir eine andere Hose hin. „Die ist zu lang und zu eng“, maulte ich. Stirnrunzeld sah er mich an „Das kann ich nicht ändern“ „Hast du nichts weiteres?“ „Nein...“ „Wenn du mehr essen würdest, wärst du nicht so dünn. Dann würden mir deine Hosen passen“, murrte ich entnervt, „Gosaburo war doch so ein kräftiger Kerl. Hat er dir nicht gezeigt, wie man sich vernünftig ernährt?“ Schlagartig wurden seine Augen fast schwarz. Furcht einflößend starrte er mich an, wobei er leise zischte „Vielleicht bist du ja auch einfach zu fett, du blöder Köter!“ „Das glaube ich nicht. Du musst einfach mal ein bisschen zunehmen“, ich hatte keine Ahnung, wieso ich das sagte. „Pass auf, was du sagst!“, seine Stimme war kaum mehr, als ein bedrohliches Flüstern. „Wieso? Ist doch wahr!“ Ehe ich mich versah, lag ich auf dem Boden. Meine eine Gesichtshälfte schmerzte. Wer hätte gedacht, dass Kaiba so heftig zuschlagen konnte? Er stand über mir, die Hand immer noch zur Faust geballt. Dann stapfte er an mir vorbei. „Was ist nun mit meinen Sachen?“, rief ich eilig hinterher. Schon komisch, was einem in so einem Moment wichtig erscheint... „Frag doch Akito!“, schnaubte er. Dann verschwand er und ich lag allein in seinem Zimmer. Ich hatte keine Ahnung, wie lang ich da lag. Um mich herum drehte sich alles. Aber irgendwann erschien über mir ein Gesicht. Es war Akito. „Hast du Seto etwa geärgert? Der sah irgendwie sauer aus.“, meinte er. „Ich hab gar nichts gemacht“ Akito half mir wieder auf die Beine „Sieht so aus, als wärst du seiner Faust begegnet.“, ein leicht schadenfrohes Grinsen zierte sein Gesicht. „Er hat völlig grundlos zugeschlagen“ „Seto schlägt - wenn überhaupt – nie grundlos zu. Komm mit“ Immer noch benommen folgte ich ihm in ein anderes Zimmer der Villa. Akito kramte ein paar Sachen aus einer kleinen Kommode und warf sie mir zu. „Wieso hast du hier in der Villa Sachen?“, wollte ich wissen. „Ich übernachte hier manchmal. - Das sollte dir passen. Probiers an“ „Kannst du dich umdrehen?“, fragte ich kleinlaut. Mir war es irgendwie peinlich, mich vor ihm umzuziehen. Augenrollend drehte er sich weg. Die Sachen passten tatsächlich, auch wenn sie etwas eng waren. Vielleicht lag das ja doch an meinem momentan voluminösen Umfang... „Sag mal, Kleiner...“, er sah mich forschend an, „Was hast du zu Seto gesagt, dass er dermaßen sauer geworden ist?“ Ich wiederholte haargenau das Gespräch, das ich mit Kaiba geführt hatte. Als ich geendet hatte, sog Akito die Luft ein. „Dann verstehe ich es“, meinte er. „Was?“ „Dass er dir eine runtergehauen hat.“ „Freut mich!“, knurrte ich, „Ich verstehe es leider immer noch nicht“ „Hör zu, Kleiner, ich gebe dir einen Rat: Mit Seto klarzukommen ist nicht schwer. Du darfst nur niemals die Tabus ansprechen“ „Tabus?“ Er nickte eifrig „Tabus. Du darfst in seiner Nähe niemals, hörst du, NIEMALS über sein Gewicht oder Gosaburo Kaiba reden. Bei diesen Themen rastet er ziemlich schnell aus“ „Wieso?“ „Ist halt so. Jeder hat doch Dinge, über die er nicht sprechen will“ „Das mit Gosaburo verstehe ich ja noch, aber was hat er denn nur mit seinem Gewicht?“ Akito seufzte „Es ist einfach so: vor ein paar Jahren ist etwas passiert, das Seto damals extrem fertig gemacht hat, verstehst du? Dazu kam dann auch noch Gosaburo, der ihn noch mehr fertig gemacht hat. Also kam es, wie es kommen musste“ „Wie ist es denn gekommen?“, wollte ich wissen. „Na wie wohl? Er ist ziemlich übel weggebrochen. Er stand kurz davor, seelisch völlig zusammen zu brechen. Körperlich hatte er dabei schrecklich viel Gewicht verloren. Und da er sowieso nie besonders dick war, kannst du dir ja vorstellen, wie fatal sich das auswirkte. Er brach immer wieder vor lauter Entkräftung zusammen. Für die Medien war das ein gefundenes Fressen. Sie attackierten ihn immer wieder deswegen, was ihm noch stärker zusetzte. Aber er kam einfach nicht aus diesem Teufelskreis raus.“ „Und weiter?“, drängte ich, als Akito nicht weiter sprach. „Das ist irrelevant. Wichtig für dich ist nur, dass jedes Mal, wenn du von seinem Gewicht oder Gosaburo anfängst, Seto sich in genau dieser Situation von damals wiederfindet. Also lass ihn damit einfach in Ruhe, okay?“ „A- aber wie ist er damals aus dem Teufelskreis rausgekommen? Und was ist passiert, dass er so aus der Bahn geworfen wurde?“, fragte ich verzweifelt. Ich brannte darauf, alles zu erfahren. „Sorry, Kleiner, das geht dich nichts an. Wenn du das wissen willst, musst du schon warten, bis Seto es dir selbst erzählt.“, sagte er bestimmt. Ich nickte betrübt. Einerseits konnte ich Kai- ... Seto jetzt wirklich besser verstehen, und ich war Akito auch dankbar, dass er mir das erzählt hatte. Schließlich erklärte das einiges. Aber andererseits warf es auch schon wieder so viele neue Fragen auf. Ich bezweifelte, dass Seto mir die einfach so beantworten würde. Also blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten. So das wars fürs erste Ich denke, dieses Kapitel erklärt schon mal ein bisschen Setos Reaktionen aber wenn ihr es wirklich genau wissen wollt, müsst ihr euch noch etwas gedulden. Ich hoffe euch gefällt die ff bis jetzt... Kommis sind immer erwünscht ;) Kapitel 8: Kaibas Rache ----------------------- Kaibas Rache Nachdem ich endlich trockene Sachen anhatte, beschloss ich, dass es vielleicht an der Zeit wäre nach Seto zu suchen, um mich zu entschuldigen. Aber wieder einmal wurden mir dabei die Dimensionen der Kaibavilla bewußt. Ich wusste nicht einmal, wo ich mich gerade befand, geschweige denn, wo ich lang sollte. Also lief ich einfach mal drauf los und da ich ja nicht doof war, suchte ich mir erst einmal eine Treppe, um ins Erdgeschoss zu kommen. Von dort aus würde ich vielleicht wenigstens die Eingangshalle finden. Aber denkste, Pustekuchen! Ich hatte das Gefühl, im Kreis zu gehen. Ständig sah alles gleich aus. Doch zum Glück fiel mir eine simple Lösung für mein Problem ein. Ich beschloss, den Gang zu verlassen und in eines der anliegenden Zimmer zu gehen. Von dort aus würde ich einfach durchs Fenster ins Freie klettern. Es sah aus wie eine Abstellkammer. Überall standen Kisten und Regale mit lauter Akten herum. Das war ja entsetzlich viel Papierkram. Ob Seto das alles gelesen und bearbeitet hatte? Dann war es kein Wunder, dass er damals so gestresst war, als er die Firma noch alleine geführt hatte. Ich sah mich ein bisschen weiter um und entdeckte einen kleinen Karton. Neugierig öffnete ich ihn. Er enthielt ein großes Fotoalbum und ein Tagebuch. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich, dass es Setos Tagebuch sein musste. Dass ausgerechnet er früher so etwas geführt hat... Dann nahm ich mir das Fotoalbum vor. Auch das war wohl schon sehr alt, denn Seto wirkte kaum älter als zwölf oder dreizehn. Interessant welche Schätze man hier finden konnte. Ich beschloss, beides mitzunehmen und mir später anzusehen. Bevor ich aus dem Fenster kletterte warf ich die Sachen in ein naheliegendes Gebüsch. Schließlich sollten sie ja nicht unbedingt dreckig werden. Dann schwang ich mich aufs Fensterbrett und kletterte nach draußen. Gerade als ich den weichen Boden unter den Füßen spürte, ließ mich eine wohlbekannte Stimme aufschrecken. „Gibt es einen Grund dafür, dass du aus einem Fenster springst wie ein Einbrecher auf der Flucht?“, fragte Seto entgeistert. Ich sah ihn betreten an „Ich hab mich verlaufen und wusste nicht, wie ich sonst rauskommen soll“ Mit einem riesen Satz sprang Raiko auf mich zu und warf mich zu Boden, bevor er sich in meine Hose verbiss. „Was zum-?“, rief ich erschrocken. „Raiko mag keine Einbrecher“, meinte Seto kühl. „Ich bin kein Einbrecher“, jammerte ich verzweifelt, „Je ne suis pas ein Einbrecher, Raiko“ „Da kann ja jeder kommen und das sagen!“, jetzt grinste er auch noch schadenfroh, „Raiko ist ein schlauer Hund. Er hört nur auf mich“ „Dann sag ihm er soll aufhören!“ „Aus!“ Tatsächlich ließ der Hund endlich von mir ab. Schnell kämpfte ich mich auf die Beine „Kein französischer Befehl?“ „Als ich ihm das beigebracht habe, war mir nicht nach Französisch“ „Schon klar...“ „Wie es scheint passen dir Akitos Sachen“, sagte Seto kalt. Seine Augen waren immer noch dunkel, also ging ich mal davon aus, dass er noch sauer war. „Sie zwicken etwas“, murmelte ich, „Vielleicht liegt es doch an mir, dass mir deine Sachen nicht passen“ „Sollte das so etwas wie eine Entschuldigung sein?“ „Denke schon. Es tut mir Leid. Ich sollte mich nicht in deine Sachen einmischen“ Endlich wurde sein Blick etwas heller. „Schon gut. Merk dir das für die Zukunft“ Ich lächelte erleichtert „Mach ich“ Plötzlich fiel mir wieder etwas ein. „Wie spät ist es eigentlich?“ „Viertel nach neun“, meinte Seto. „Viertel nach...? Oh Scheiße! Wir kommen zu spät zur Schule!“, ich wollte schnell losrennen, doch als ich merkte, dass Seto sich nicht bewegte, blieb ich wieder stehen. „Wir müssen uns beeilen, komm schon!“ „Wieso?“ „Wieso? Weil wir zu spät kommen! Beeil dich gefälligst!“, ich griff seine Hand und zog ihn hinter mir her. Aber er stellte einfach auf stur und blieb wie angewurzelt stehen. „Was soll denn das jetzt?“, fragte ich verzweifelt. „Der Unterricht hat vor einer Viertelstunde angefangen. Und so lange du nicht so schnell laufen kannst, dass die Zeit rückwärts geht, ist es doch schwachsinnig, jetzt so zu hetzen. Entspann dich einfach.“ „Das mag ja bei dir so laufen. Aber zu mir hat Frau Ikana gesagt, sie wird jede verspätete Minute eintragen. Und wenn ein bestimmter Wert überschritten ist, muss ich nachsitzen. Willst du das etwa?“ Er sah mich unschuldig an, wobei er so allerliebst lächelte, dass man ihm alles verziehen hätte. „Was hab ich denn damit zu tun?“ „Du bist Schuld, dass ich zu spät bin!“, fluchte ich, „Und jetzt ist keine Zeit, so süße Gesichter zu ziehen! Wir müssen los“ OH NEIN! Hatte ich gerade gesagt, dass er ein süßes Gesicht zieht? Wie blöd kann man eigentlich sein? Ich meine... eigentlich stimmt es ja. Sein Gesichtsausdruck war einfach nur niedlich. Aber wie konnte ich ihm das denn nur sagen? »Weil er einfach nur süüüüüüüüß ist« Halte die Klappe, Verstand! Ich muss denken. „Süß?“, Seto sah mich verwirrt an. „Äh... nun... -“ » - Ja süß im Sinne von 'ich will dich knuddeln, du göttliches Wesen!'« Knuddeln? Göttliches Wesen? Setzt mein Verstand denn jetzt völlig aus? „Ich meinte deine ich-bin-so-unschuldig-Tour. Die zieht nicht, verstanden?-“ »Doch, tut sie!« „- Also komm endlich!“, meinte ich gereizt. Diesmal ließ er sich widerstandslos hinter mir herziehen. „Hast du nicht etwas vergessen?“, fragte er spitz. „Nein!“ „Was ist mit deinen Schulsachen?“ Abrupt blieb ich stehen. Verdammt, die waren noch im Haus. „Bleib genau hier stehen!“, meinte ich streng. Dann eilte ich schnell in die Villa und holte meine Sachen. Doch als ich rauskam, war er verschwunden. Ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Also rannte ich allein zur Schule. Sollte der Typ doch sehen, wo er bleibt! Als ich in der Schule ankam war der Sportunterricht schon vorbei. Ich wollte schnell nach oben in den Klassenraum schleichen, doch der Coach hatte mich bereits bemerkt. „Wheeler! Antreten!“, bellte er. Wie schön, dass man gar nicht merkte, dass er bei der Armee war! Der Typ ließ seine Schüler sogar salutieren. „So, zu spät gekommen, was?“, meinte er hämisch, „Möchten Sie hören, was Sie verpasst haben, Wheeler?“ „Nein danke, Sir“ „Den Coopertest“, er grinste fies, „Und deshalb werden Sie den nach der Schule absolvieren! Zusammen mit allen anderen, die gefehlt haben. Das betrifft Takato, Muto und Kaiba. Wegtreten, Wheeler!“ „Ja, Sir“ Wieso waren denn Yugi und sein Partner nicht gelaufen? Ich fand Yugi draußen und fragte ihn gleich mal. Er seufzte „Wir waren auf dem Weg zur Schule, als wir an einer Bäckerei vorbeikamen. Die hatten herrlichen Kuchen im Schaufenster. Und weil wir schon so lange auf Zuckerentzug sind, konnten wir einfach nicht widerstehen. Wieso seid ihr denn zu spät?“ Ich erzählte ihm von Setos Schafen, wie ich heute morgen in den See gefallen war und alles, was ich sonst noch herausgefunden hatte, wobei ich jedoch ausließ, dass ich bei Setos Anblick nicht mehr klar denken konnte. „Seit wann nennst du ihn denn beim Vornamen?“ „..... nur so... - hey aber immerhin können wir nachher zusammen laufen. Dann wird es halb so schlimm“, gute Ablenkung, bravo, Joey. Yugi stöhnte gequält auf „Das sagst du so einfach. Aber ich muss nachher mindestens eine 2+ schaffen, sonst falle ich in Sport durch. Das wären zwölf 200m Runden in zwölf Minuten. Und du weißt doch, wie schlecht ich im Ausdauerlauf bin.“ „Stimmt. Aber was willst du dagegen tun?“, mir fiel gerade Setos Mantel ins Auge, „Entschuldige mich kurz“ Ich eilte auf ihn zu und stellte mich ihm in den Weg, wobei mir nur flüchtig auffiel, dass er wieder seine typischen Sachen trug. „Wieso bist du vorhin verschwunden?“, fragte ich vorwurfsvoll. „Weil du gesagt hast, ich soll bleiben.“, er zuckte leichtfertig mit den Schultern, „Da müsste mir ja ein Bein fehlen, damit ich auf dich höre, Wheeler!“ Wow, er war wieder so charmant wie eh und je! Langsam verstand ich sein Prinzip: Sei in der Öffentlichkeit schön frostig, dann hast du privat deine Ruhe. Aber so lief das nicht! Mich konnte er nicht mehr täuschen. „Also muss ich das Entgegengesetzte befehlen, damit du auf mich hörst?“ „Ich nehme generell keine Befehle von einem Hund an!“, meinte er provozierend. „Ich denke, du bist auf einen Streit aus, aber den Gefallen werde ich dir nicht tun“, ich grinste fies, „Dafür respektiere ich dich zu sehr. Also wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich muss mit Yugi überlegen, wie er sich vor dem Lauf drücken kann“ Seto schien von dieser Reaktion ein wenig verwirrt. Aber nur kurz „Was denn für ein Lauf?“, fragte er schnell, bevor ich verschwinden konnte. „Ausdauerlauf nach der Schule. Wenn er keine 2+ schafft, fällt er in Sport durch. Übrigens müssen wir auch mitlaufen“ „Und wann hattest du vor, mir das zu sagen?“, fragte er verärgert. „Hab ich doch gerade, oder?“, grinsend ließ ich ihn stehen. Nachdem Yugi und mir in der Pause nichts Konstruktives eingefallen war, machte ich mich betrübt auf zum Geschichtsunterricht mit unserer Klasssenlehrerin Frau Ikana. Als ich zu meinem Platz ging, warf ich kurz einen Blick auf Setos Gesicht, aber er beachtete mich nicht. Scheinbar war er beleidigt. Ich fand die Vorstellung, dass er schmollte, irgendwie süß. Manchmal schien er doch noch etwas kindisch zu sein. Es klingelte und Frau Ikana kam herein. Ihr unheilvoller Blick verriet nichts Gutes. „Wie ich soeben erfahren habe, Mr. Wheeler, waren Sie wiedereinmal zu spät. Deswegen werden Sie die ganze nächste Woche nachsitzen.“ „Aber-“ „Mr. Kaiba wird Ihnen dabei Gesellschaft leisten“ „WAS?“, fuhr der Angesprochene auf, „Wieso das denn?“ „Herr Noro hat mir von seinem Projekt berichtet. Und da Sie alles gemeinsam tun sollen, werden Sie auch gemeinsam nachsitzen“, sie besah uns streng, „Vielleicht gibt Ihnen das eine Motivation dafür zu sorgen, dass Mr. Wheeler in Zukunft pünktlich ist, Mr. Kaiba“ „Ich hab schon was zu tun, also werde ich leider keine Zeit zum Nachsitzen haben“, entgenete Seto fest. „Was haben Sie denn so Wichtiges vor?“ „... Arbeiten...oder so“ „Dann werden Sie das wohl verschieben müssen!“ Grummelnd ließ sich Seto auf seinen Platz zurücksinken. Ich grinste schadenfroh. Selbst Schuld! Dafür ignorierte er mich den restlichen Tag wieder gekonnt, bis wir uns auf dem Sportplatz versammelten, um den Test zu laufen. „Ich schaff das nie im Leben“, jammerte Yugi, „Wie soll ich das denn machen?“ „Du könntest einfach mal ein bisschen schneller laufen“, meinte Seto bissig. „Das sagst du so einfach! Aber du hast ja auch längere Beine“ „Wenn du nett Bitte sagst, leihe ich sie dir vielleicht.“ „“Witzig!“, murrte ich. Seto wollte schon etwas erwidern, als plötzlich seine Hosentasche vibrierte. Er fischte ein Handy heraus und warf kurz einen Blick auf das Display, bevor er ranging. „Was gibt's?“, fragte er. „Wozu?“ „Und dann?“ „Gut, okay. Bis gleich“ Gerade als er aufgelegt hatte, tauchte der Coach auf und nahm ihm das Handy ab „Das brauchen Sie zum Laufen nicht! Und jetzt alle Mann an den Start. Vergesst nicht: für eine 1 möchte ich 14 Runden sehen. Ob ihr durchs Ziel lauft, kriecht, schwimmt oder fliegt, ist mir egal. Hauptsache ihr kommt durch. Alles klar?“ Wir stellten uns am Start auf. „Wollen wir zusammen rennen?“, fragte ich Seto etwas schüchtern. „Klar, wenn du mit mir mithalten kannst...“ Dann kam der Startpfiff und wir liefen los. Ich versuchte an Seto dranzubleiben, ja ich gab wirklich mein bestes. Aber bereits nach der ersten Runde lag ich zu weit zurück. Der Typ war aber auch verflucht schnell. Jede Wette, dass er das Tempo nicht durchhielt. Doch die Runden verstrichen und er wurde einfach nicht langsamer. Inzwischen hatte er mich und Yugi zweimal überholt. Ich versuchte unterdessen Yugi mit mir durch die Runden zu schleifen, damit er seine Note noch retten konnte. Aber der Kleine war bereits vollkommen ausgepowert und wir lagen hinter der Zeit. Ich warf einen Blick zu Seto. Momentan lief er etwas langsamer. Jedoch nur, weil ein komischer Typ mit langem schwarzen Haar und Sonnenbrille neben ihm herlief und ihm irgendetwas erzählte. Ich sah, wie Seto resignierend die Augen verdrehte und dann wieder schneller lief, während der andere die Rennstrecke verließ. Diesmal holte er uns erstaunlich rasant ein, überholte aber nicht, sondern lief mit uns. „Wie viele Runden habt ihr denn schon?“, Seto schien nicht mal außer Atem zu sein. „Acht...“, keuchte ich. „Und es sind nur noch drei Minuten“, er überlegte kurz, bevor er sich an Yugi wandte, „Komm, spring auf meinen Rücken, ich trag dich“ „Wieso... soll...te ich...?“, stöhnte der Kleine. „Weil das die einzige Chance ist, deine Note zu retten.“ Da Yugi zu erschöpft war, um etwas einzuwenden, ließ er sich von Seto Huckepack nehmen. „Und was... ist... mit mir?“, jammerte ich. Erneut verdrehte er die Augen, bevor er mein Handgelenk umfasste, so dass ich mich gleichzeitig an seins klammern konnte, und mich einfach hinter sich herzog. Er hatte ganz samtig weiche Haut, so schön warm. Beim Ziehen war er sanft aber bestimmt, damit es nicht weh tat. Und diese Kraft, die er an den Tag legte... Wo konnte er nur so viel Kraft hernehmen? Meine Gedanken schwirrten nur noch um ihn. Ich bekam gar nicht mit, wie er Takato, der eine halbe Runde vor uns gewesen war, auch noch packte und mit sich zog. Dann legte er ein wahnsinns Tempo an den Tag. Mir war, als würde ich hinter ihm herfliegen und nicht mehr rennen. Fasziniert beobachtete ich, wie sich seine Hose bei jedem Schritt perfekt an seine Haut schmiegte, so seine Muskeln und seinen formvollendeten Hintern sichtbar machte. Beim Laufen hatte sein ganzer Körper etwas ungemein Ästhetisches an sich. „Nur noch zehn Sekunden“, hallte es in meine Gedanken. „Kommt schon! Die letzten Meter schaffen wir auch noch“, rief Seto. Dann gab er noch einmal Gas. Diesmal gab ich mir Mühe wirklich mein Bestes zu geben, damit er mich nicht nur ziehen musste. Und tatsächlich überquerten wir die Ziellinie kurz vor dem Abpfiff. Dann ließ er los. Ein bisschen traurig darüber war ich schon. Schließlich hatte es sich so gut angefühlt. Aber das blöde Gesicht, das der Coach machte, munterte mich wieder auf. Dem Typ war vor Entsetzen die Pfeife aus dem Mund gefallen. Ungläubig starrte er immer noch Seto an. Wahrscheinlich fragte er sich auch, wo er so viel Kraft her nahm, zumal auf seinem Gesicht nur eine hauchfeine Röte lag und sein Atem fast normal ging. „Sind Sie auf Drogen, Mann?“, fragte der Coach zweifelnd. „Er ist nur gut trainiert“, erwiderte der Kerl mit der Sonnenbrille zufrieden, „Das hat er meiner Wenigkeit zu verdanken“ „Als ob“, Seto grinste leicht, „Damit haben wir alle uns wohl eine 1 verdient, oder?“ Der Coach sah noch etwas perplex aus, „Ich... ich weiß nicht, ob das legitim war“ „Sie haben selbst gesagt, es sei Ihnen egal wie. Hauptsache wir erreichen das Ziel“ „J- ja okay“, damit stapfte er davon. Nachdem ich wieder etwas zu Atem gekommen war, ging ich zu Seto, wobei ich Yugi gleich mitschleifte. „Wir wollten uns bei dir bedanken“, meinte ich, wobei ich mich demütig verbeugte. „Schon okay“, er streckte sich genüßlich, „Es war ja nicht so anstrengend“ „Woher nimmst du nur die Kraft?“ Er lächelte leicht amüsiert „Ich hab mal eine Firma fast ganz allein geleitet, nebenbei noch für meinen Bruder gesorgt, die Schule bewältigt, versucht noch Kontakt zu meinen Freunden zu halten, trainiert und gegebenfalls noch eine Beziehung geführt. Da baut man ganz schöne Energiespeicher auf. Und jetzt, wo ich nur noch ab und zu in der Firma arbeite, habe ich 70% mehr Energie zur Verfügung. Und das jeden Tag. Versuch die mal loszuwerden“ „Du bist ein Weltwunder“, sagte ich beeindruckt. „Oder einfach nur hyperaktiv“, warf der Sonnenbrillenmann ein. Seto zuckte mit den Schultern „Sucht es euch aus. - Hat jemand mein Handy gesehen?“ „Hier“, der Schwarzhaarige reichte es ihm, „Ich habs deinem bösen Coach abgenommen. Wenn ihr alles habt, können wir ja fahren“ „Wohin?“, fragte ich. „Wirst du schon sehen“ Der Mann mit der Sonnenbrille hieß übrigens Leo und er war Setos Trainer in weiß ich wie vielen Kampfsporttechniken. Er furh mit Seto und mir in seinem tollen roten Porsche zu seinem Sportverein. Dabei war ich nach der ganzen Rennerei sowieso schon so gut wie tot. Aber Seto schien sich noch ein bisschen austoben zu wollen. Er hatte sehr schnell Spaß daran gefunden, mich schwungvoll auf die Matte zu werfen. Mir tat davon nur das Kreuz weh. Und als ich dachte, schlimmer könne es nicht mehr werden, machten wir Konditionstraining. Eine qualvolle Stunde lang. Vielleicht ist es daher verständlich, dass ich nicht unbedingt traurig war, als das Training zu Ende ging. „Ich bin so froh, dass das jetzt vorbei ist.“, stöhnte ich, als wir bei Seto waren, „Ich werde mich heute kein Stück mehr bewegen“ „Doch wirst du“, erwiderte Seto trocken, „Ich muss die Hunde noch ausführen“ „Trägst du mich?“ „Hatte ich eigentlich nicht vor, nein. Aber wir gehen ja auch nur am See spazieren. Es wird also nicht so anstrengend“ Ich seufzte gequält. Aber es war wirklich nicht schlimm. Wir gingen ganz entspannt am See entlang und die Hunde tobten vor uns. Seto trug jetzt wieder gewöhnlichere Sachen. „Wieso trägst du in der Schule immer andere Sachen als in deiner Freizeit?“, fragte ich neugierig. „Psychologie“ „Versteh ich nicht“ „Ganz einfach: Wenn die Leute an mich denken, sehen sie immer diesen weißen Mantel vor Augen. Das ist sozusagen mein Erkennungszeichen. Trage ich den Mantel nicht, erkennen sie mich auch nicht mehr“ „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das funktioniert.“ Er lächelte „Erinnerst du dich noch, wie du letztes Jahr im Winter Schlittschuhlaufen warst und dann plötzlich umgerannt wurdest?“ Ich nickte „Das war irgendein Idiot, der nicht richtig lenken konnte“ „Ich konnte richtig lenken, ich bin nur weggerutscht“ Ich sah ihn verblüfft an „Das warst du?“ „Ja, das war ich“ „Aber ich hab ja auch nicht so genau hingesehen. Das sagt also gar nichts!“ „Ach Joey... ich bin schon so oft an Yugi und dir vorbei gegangen, ohne dass ihr es bemerkt habt. ich hab dir einmal sogar direkt in die Augen geschaut“, er lachte leicht, „Was so ein Mantel alles ausmacht“ Ich blieb plötzlich stehen. „Was ist?“, fragte Seto verwirrt. „Du... du hast mich Joey genannt“, stammelte ich. „Und? Soll ichs lieber lassen?“ Ich schüttelte hastig den Kopf, „Ich mag es, wenn du mich so nennst. Aber... kann ich dich dann auch beim... Vornamen nennen?“ Er zuckte mit den Schultern, „Klar, nenn mich, wie du willst“ Überglücklich lächelte ich ihn an „Dann nenn ich dich Hasi“ „Hasi...“, er zog eine Grimasse, „Weißt du, eigentlich... ich mag meinen Vornamen. Also nenn mich doch lieber Seto“ „Auch gut“, ich musste lachen. Das konnte der Anfang für ein besseres Verhältnis zueinader werden. Vollgepumpt mit Euphorie lief ich neben ihm her, wobei ich wie ein Honigkuchenpferd grinste. Seto sah mich deswegen zwar schief an, aber das machte mir nichts. Hätte mir vor ein paar Monaten jemad gesagt, dass wir uns jemals beim Vornamen ansprechen würden, hätte ich denjenigen ausgelacht. Aber damals hatte ich ja auch noch keine Ahnung, was für ein toller Kerl Seto war. Am Abend war er sogar noch so nett, dass er mich persönlich in seinem Auto nach Hause fuhr. Als ich ausstieg, fragte er: „Was magst du lieber? Inlineskaten oder Skateboard fahren?“ „Weiß nicht. Wieso?“ Er lächelte „Dann machen wir morgen einfach beides.“ „Wenns sein muss. Gute Nacht, Hasi“ „Nenn mich nicht so, sonst knallts!“ „Wie du meinst. Gute Nacht, Seto“ „Schon besser. Nacht, Joey“, dann rauschte er davon. Die Aussicht auf einen weiteren sehr anstrengenden Tag morgen störte mich nicht. Nicht, solange ich dabei mit Seto zusammen sein konnte. Glücklich schloss ich meine Wohnungstür auf. Nachdem ich Joey abgesetzt hatte, war ich zu Akito gefahren. Wir saßen zusammen vor dem Fernseher und faulenzten. Ich weiß, das war nicht sonderlich spektakulär, aber manchmal brauchte sogar ich einfach ein bisschen Zeit zum Entspannen. „Hey Seto, wie läuft dein Plan bis jetzt?“ Ich sah Akito abschätzend an „Nicht schlecht. Er hat sich zwar heute gut geschlagen, aber in den kommenden Tagen werde ich erst recht loslegen. Der wird so fertig sein, dass er freiwillig aus dem Projekt zurücktritt“ „Willst du das wirklich durchziehen? Ich meine, der Junge ist doch gar nicht mal so übel“ „Ich hab ja nichts gegen Joey“, murrte ich, „Aber solange er an dem Projekt festhält, muss ich ihn loswerden.“ „Und wenn er das Projekt fallen lassen würde, würdest du ihn dann trotzdem verjagen?“ „Weiß nicht. Aber er wird sowieso nicht locker lassen. Also muss er weg!“ „Na dann viel Erfolg“, Akito gähnte, „Ich hab das Gefühl, der Junge ist hartnäckiger als du denkst“ „Das werden wir ja sehen!“ Kapitel 9: Nachsitzen mal anders -------------------------------- Nachsitzen mal anders Wie erwartet wurden die nächsten Tage mehr als anstrengend. Seto hatte sich so einiges einfallen lassen, um mich auf Trab zu halten und er fing gleich nach der Schule damit an. Dabei konnte ich immer wieder nur staunen, welche Energie sich in seinem schlanken Körper versteckte. Wir joggten morgens mit den Hunden, fuhren Inliner, spielten Fußball oder andere Ballarten und abends gingen wir mit den Hunden spazieren. Und Kampfsport. Das schien er am liebsten zu machen. Er zeigte mir sogar ein paar Tricks zur Selbstverteidigung. Ich war einige Male davor an seiner Ausdauer zu verzweifeln, aber ans Aufgeben dachte ich nie. Dazu machte mir die Zeit mit Seto zu viel Spaß. Am Wochenende lernte ich dann wieder eine neue Lektion über Seto: er reagierte extrem giftig, wenn man ihm am Wochenende vor Zehn oder Elf Uhr morgens weckte. Wer das nicht respektierte, musste um sein Leben fürchten. Mir hatte er fluchend einen Wecker hinterher geworfen, zum Glück aber verfehlt. Aber ich nahms ihm nicht übel. Trotz seiner Energie war er wohl doch ein kleiner Langschläfer und das ließ ihn noch ein Stück liebenswürdiger erscheinen. Als ich am Montag zu ihm kam, schlief er noch tief und fest. Scheinbar fiel ihm der Übergang von Wochenende zu Woche etwas schwer. Ich fand sein Zimmer inzwischen schon alleine. Also machte ich mich munter auf, um ihn zu wecken. Aber das stellte sich als schwierig heraus. Ich rüttelte und zog an seiner Decke und was tat er? Er schubste mich einfach weg, wobei er nur „Verschwinde!“ knurrte. War ja recht süß, wie er sich gegens Aufstehen wehrte, aber langsam verlor ich die Geduld mit ihm. Immerhin wollte ich nicht schon wieder zu spät kommen. Ich wollte schon resignieren, als plötzlich Mokuba und Akito gefolgt von den Hunden reingestürmt kamen. „War klar, dass du noch schläfst“, meinte Akito. Dann sprang er aufs Bett und setzte sich auf Setos Rücken, was diesen aufkeuchen ließ. „Ich schlafe nicht, ich liege nur“, knurrte er. Jetzt sprangen auch noch Mokuba und die Hunde aufs Bett und tobten darauf herum. „Seto steh auf“, flötete Mokuba, „Ich hab Waffeln gemacht, ganz alleine“ „Steht die Küche noch?“ „Natürlich. Ich bin doch kein Anfänger“ Seto seufzte „Ihr nervt!“ Er warf Akito von seinem Rücken und rollte sich langsam aus dem Bett, „Womit hab ich das nur verdient?“ „Na weil wir dich alle so schrecklich lieb haben. Und jetzt zieh dich an. Wir warten in der Küche“ Nach einem mehr oder weniger ausgiebigen Frühstück fuhren wir in seiner Limo zur Schule. Je mehr sich der Unterricht dem Ende zuneigte, desto mieser wurde Setos Laune. Vermutlich dachte er an das Nachsitzen, denn immer, wenn ich an ihm vorbeiging, warf er mir einen bösen Blick zu. Dann war es soweit. Ich saß bereits im Raum fürs Nachsitzen, aber von Seto war keine Spur. Diesmal waren erstaunlich viele Leute da. Der Lehrer, der scheinbar nur eingestellt worden war, um die nachsitzenden Schüler zu betreuen, betrat kurz nach dem Klingeln den Raum. Zwei Minuten später tauchte Seto mit einem Becher Kaffee in der Hand auf und setzte sich ohne ein Wort der Entschuldigung auf einen Platz neben mir. „Dürfte ich erfahren, wieso Sie zu spät sind?“, fragte der Lehrer streng. „Der Kaffeeautomat in der Schule war leer. Deshalb bin ich zum Bäcker gegenüber gegangen“, meinte Seto gelangweilt, während er aus seiner Tasche ein Buch holte. „Fangen wir an“, seufzte der Lehrer, „Mein Name ist Herr Kanato und wir sind hier, weil - Was zum Teufel tun Sie da?“ „Ich lese“, meinte Seto kühl. „Legen Sie das Buch gefälligst weg! Sie können hier noch einiges Lernen“ „Beim... Nachsitzen“, er sah den Lehrer zweifelnd an, „Sind Sie nicht nur die Aufsicht? Was sollten Sie mir schon großartig beibringen?“ „Religion. Ich lehre Sie Religion!“ „Nein danke, ich glaube nicht an so ein Zeug. Da ist mein Buch schon spannender. Geht um so einen Typen, der von der Schule geflogen ist und nicht erwachsen werden will oder so“ Ich beugte mich zu ihm vor, „Verärgere den Typen lieber nicht. Sonst will er dich noch bekehren“ „Viel Spaß dabei!“ Herr Kanato kam auf uns zu und nahm Seto das Buch weg „Sie werden hier schön brav aufpassen, sonst sitzen Sie noch eine Woche länger nach!“ Jetzt verschränkte der Blauäugige die Arme vor der Brust und sah genervt nach vorn „Und um welche Religion geht es?“ „Das Christentum natürlich“ „Natürlich“, Seto verdrehte die Augen. Der Lehrer begann begeistert von der Religion zu erzählen. Jedes Mal, wenn ich bis jetzt bei ihm nachsitzen musste, erzählte er dasselbe. Wie toll doch alles sei und wie schlecht alle anderen Religionen wären. Seto beugte sich unterdessen zu mir „Hat er vor, das jeden Tag für den Rest der Woche zu machen?“ „Für den Rest seines Lebens wohl eher. - Möchtest du einen Muffin?“, ich reichte ihm einen. Denn wenn er einen aß, konnte ich meinen genießen, ohne gegen das Projekt zu verstoßen. „Eine Woche lang halt ich das nicht aus!“, murrte er, „Ich hol uns hier raus“ „Na dann viel Erfolg. Der Typ ist unbarmherzig“ Seto meldete sich „Herr Lehrer? Ich hab da mal eine Frage“ „Oh, konnte ich Ihr Interesse für dieses Thema doch entfachen?“, rief er erfreut. „So... ähnlich. Ist das Christentum denn die einzig wahre Religion?“ „Ja, mein Junge, das ist sie“, dann erzählte er weiter. „Hat der Typ mich gerade 'mein Junge' genannt?“, fragte er leise. „Scheint so“, ich stopfte mir den Muffin in den Mund. „Das wird er noch bereuen!“, er meldete sich erneut. „Ja, mein Junge?“ „Ich bin felsenfest überzeugter Atheist. Darf ich jetzt gehen?“ „Nein! Sie werde ich auch noch bekehren. Ich habe ja die ganze Woche Zeit dazu“ „Wieso? Was geht es denn Sie an, woran ich glaube?“ „Ich versuche Sie doch nur vor der ewigen Verdammnis zu retten, man! Dort landen nämlich alle, die an das falsche glauben“ „Ich glaube ja nicht an das falsche, sondern an gar nichts“, meinte Seto angriffslustig. „Noch schlimmer. Ungläubige sind Menschen, die den rechten Weg aus den Augen verloren haben. Sie sind nichts wert! Ich werde Sie wieder zurückholen auf den Pfad der Tugenden“ „Sind dann Menschen, die einer anderen Religion angehören auf den falschen Weg gekommen?“ „Erfasst!“ „Sie sind nicht sehr tolerant“, stellte Seto fest, „Dabei ist das doch einer der Grundsätze jeder Religion“ „Gegenüber dem bösen kann man nicht tolerant sein. Nur wer der wahren Religion folgt, ist gut. Und das ist das Christentum“, dann fuhr der Lehrer unbeirrt mit seinem Unterricht fort. „Der ist echt stur“, murmelte Seto zu mir, „ Der hat sich richtig in seiner Religion verrannt“ „Schon möglich“, meinte ich gelangweilt, „Was solls“ „So einen intoleranten Idioten kann man doch nicht auf die Schüler loslassen. Der schmeißt ja das ganze Prinzip von Toleranz und Glaubensfreiheit über den Haufen“ „Du wirst ihn wohl kaum bekehren können“ „Wer weiß. Keine schlechte Idee...“ Ich sah, wie es in Setos Augen kurz angriffslustig funkelte. Dann setzte er aber einen unschuldig naiven Blick auf „Und was ist mit dem Judentum und dem Islam? Sind das dann auch wahre Religionen?“ „Aber nein, natürlich nicht“ „Aber das Christentum, das Judentum und der Islam stammen doch alle voneinander ab. Dann müssen es doch wahre Religionen sein, oder nicht?“ „Nun das mit der Abstammung ist wahr. Aber die Religionen, die vor dem Christentum waren, waren nur erste Versuche. Und aus dem Dritten Versuch entstand dann die wahre Religion“ Seto war wirklich überzeugend als naiver Junge, der danach strebte mit Wissen gefüttert zu werden. Und der Lehrer schien davon vollkommen überzeugt zu sein. „Oh“, Seto sah den Lehrer aus großen blauen Kulleraugen an, „Wissen denn die anderen, dass sie an die falsche Religion glauben?“ Herr Kanato wuschelte Seto kurz durch die Haare und meinte „Du bist ein guter Junge. Aber nein, leider wissen sie es nicht. Und sie lassen sich auch nicht bekehren.“ Ich musste mir das Lachen verkneifen, als Seto total entgeistert sein Haar wieder glatt strich und dem Lehrer einen mach-das-nochmal-und-du-bist-tot-Blick hinterher warf. Der Lehrer fuhr derweil unbeirrt fort, „Als guter Christ muss man sich an viele Regeln halten. Kein Sex vor der Ehe, keine Spielsucht, keine Drogen, nicht töten, keine Eifersucht, kein Geiz, keine Völlerei, keine Eitelkeit...“, er zählte noch viel mehr auf. „An wie viele dieser Regeln muss man sich denn halten?“, fragte Seto leise. „Vermutlich an alle“, meinte ich. „Wie schade, dann kann ich wohl doch kein guter Christ werden.“, meinte er sarkastisch, „Ich hab ja schon mindestens gegen die Hälfte verstoßen“ „Hm“, ich nickte träge, „Was hast du eigentlich vor?“ Er grinste schief „Ich sorge dafür, dass er uns freiwillig aus seinem Nachsitzen verbannt“ „Wie willst du das machen?“ „Ich bombardiere ihn so lange mit dummen Fragen, bis er nicht mehr weiß, woran er noch glauben soll!“, er meldete sich erneut, „Herr Lehrer? Welche christliche Religion ist denn die wahre Religion?“ Herr Kanato blinzelte verwirrt „Wie meinst du das?“ „Na das Christentum ist die wahre Religion. Das habe ich ja verstanden. Aber was ist denn nun die wahre christliche Religion? Die Evangelen, die Protestanten oder die Katholiken?“ „Sie sind alle wahr, denn sie unterscheiden sich nicht besonders“ „Heißt das, der 30Jährige Krieg war völlig umsonst?“ „Krieg ist immer umsonst, mein Junge, denn er ist gegen Gottes Willen“ „Aber es ging dabei doch darum, ob die Protestanten oder die Katholiken Recht haben. Dann war es doch ein Streit um die wahre Religion, der gegen die Regeln Gottes verstoßen und damit beide Seiten unwürdig gemacht hat, sich die wahre Religion zu nennen“ „Das siehst du falsch. Es ging ja dabei nicht nur um Religion. Außerdem war es ja nur ein kleiner Krieg.“ „Ein kleiner Krieg, der 30 Jahre andauerte, Elend über Europa gebracht und nebenbei Deutschland von der Karte gewischt hat. Das Land hat sich erst über 200 Jahre später wieder als Kaiserreich vereinigt. Sowas nenne ich nicht gerade einen kleinen Streit“ Herr Kanato seufzte „Wenn es um die Verteidigung der wahren Religion geht sind auch manchmal unstete Mittel von Nöten, um die Wahrheit durchzubringen“ „Aha“, Seto nickte eifrig, „Der Zweck heiligt die Mittel“ „Exakt, schlauer Junge“ „Dann waren die sieben Kreuzzüge wohl auch gerechtfertigt.“ „Absolut“ In Setos Augen blitzte es kurz auf „Warum hat Gott den Christen, die ja wohl die wahre Religion verkörpern, dann nicht geholfen, die heilige Stadt zu halten? Ich meine, der erste Kreuzzug war zwar erfolgreich, aber die anderen sechs hätten sich die Christen dann wohl lieber sparen sollen“ „Er wollte ihren Willen testen.“ „Aha, sagten Sie nicht eben noch, jeder Krieg sei umsonst? Wie konnte Gott dann diese Kriege zulassen, nur um den Willen zu testen? Damit hat er die Menschen doch dazu gebracht, seine Regeln zu brechen.“ Herr Kanato seufzte „Gottes Wege sind unergründlich. Ist deine Frage damit beantwortet?“ „Nicht wirklich - wieso ist die Kirche gegen den Fortschritt?“ „Ist sie doch gar nicht. Wir begrüßen alles,was die Menschheit voran bringt“ „ - solange es nicht euren Lehren widerspricht. Sonst hätte die Kirche Galilei ja nicht weggesperrt, was die Wissenschaft um Jahre zurückwarf“ „Das hat nun wahrlich -“ „ - Beobachtet uns Gott denn unser ganzes Leben lang?“ „J-ja, natürlich“ „Wie viele Augen hat er denn?“ Amüsiert beobachete ich, wie der Lehrer immer mehr ins schleudern geriet. „Augen? Wozu?“ „Wie will er denn sechs Milliarden Menschen beobachten, wenn er nur zwei Augen hätte?“ „Er beobachtet ja nur die Christen“ „Also kann ich über ihn sagen, was ich will, wenn ich kein Christ bin, weil er eh nicht auf mich achtet?“ „Nein!“ „Beruht das Christentum auf der Bibel?“, Seto schien langsam Gefallen daran zu finden, den Lehrer auflaufen zu lassen. Trotzdem behielt er seinen naiven Blick bei. „J-ja“ „Ist das Buch nicht manchmal ganz schön widersprüchlich? Irgendwo heißt es doch, dass Kain seinen Bruder erschlägt und dann in ein anderes Land geht, wo er sich eine Frau nimmt. Dabei sind seine Eltern die ersten Menschen der Welt. Wie kann es da eine andere Frau, geschweige denn ein anderes Land geben?“ „Das war ein Übersetzungsfehler aus dem Lateinischen“ „Lateinisch? Oh, ich liebe Latein. Ich habe es drei Jahre lang gelernt. Geben Sie mir das Buch, vielleicht kann ich es ja richtig übersetzen. - Andererseits, wie kann denn eine Religion richtig sein, wenn sie auf einem Buch mit Übersetzungsfehlern basiert?“ „Die ganze Religion basiert doch nicht nur auf dem Buch“, langsam schien Herr Kanato zu verzweifeln, „Erst kam die Religion, dann die Bibel“ „Hat der Autor der Bibel noch mehr Bücher geschrieben?“ „Es waren mehrere Leute, die aus Überlieferungen die Bibel zusammengetragen haben. Und es waren keine Autoren!“ „Ach so. Unterhält sich Gott manchmal mit den anderen Göttern?“ „Welche anderen Götter?“, fragte der Lehrer. Er schien kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen. „Na mit Zeus und Budda und Vishnu und Baldur und so weiter“ „Nein, denn er ist der einzige Gott!“ „Also ist er sich zu fein dafür?“ „Nei~ein!“ Und schon klingelte es. „Na endlich“, stöhnte der Lehrer, „Ihr könnt gehen“ „Aber ich hab doch noch so viele Fragen“, meinte Seto enttäuscht, „Aber ich kann Sie ja auch noch morgen fragen. Und übermorgen und überübermorgen...“ „Weißt du...“, der Lehrer stellte sich vor Setos Platz und sprach mit einfühlsamer Stimme, „Du bist wirklich ein kluger Junge. Ich denke nicht, dass es nötig ist, dass jemand wie du eine ganze Woche beim Nachsitzen verschwendet. Ich stelle dich davon frei. Was hältst du davon, hm?“ Seto sah ihn immer noch mit großen wissbegierigen Augen an „Aber ich will doch noch so viel lernen...“ „Dann nutze die gewonnene Zeit in der Bibliothek.“ Jetzt lächelte er brav „Okay, mach ich. Aber dann müssen Sie ihn auch befreien“, er deutete auf mich, „Wir müssen wegen einem Projekt alles zusammen tun“ „Schön schön, er wird auch freigestellt. Und jetzt geht!“ „Übrigens“, plötzlich sah Seto wieder ernst drein, „Religion ist eine gute Sache, solange man sie nicht übertreibt. Sie sollten mal Nathan der Weise lesen. Vielleicht haben sie danach ein bisschen mehr Toleranz für andere Glaubensrichtungen übrig. Jede Religion hat für sich etwas Gutes, sonst würde es sie nicht mehr geben, oder?“ „Raus hier!“, fauchte der Lehrer. „Denken Sie mal drüber nach“ Seto und ich verließen gehorsam die Schule. Dabei konnte ich einfach nicht aufhören zu grinsen. „Du warst ziemlich überzeugend. Hätte nicht gedacht, dass du so auf liebenswürdig machen kannst.“ „Bei solchen Lehrern kommst du mit Autorität oder einem Mörderblick nicht weit“, er seufzte, „Bei denen muss man sich schon demütigen, um sie loszuwerden“ „Demütigen?“ „Weißt du, es ist eigentlich nicht meine Art so dumm-naiv zu tun. Ich bevorzuge es doch lieber, seriös rüberzukommen“, er straffte seine Schultern und sah stolz und entschlossen geradeaus, „Eher so“ „So läufst du sowieso immer rum. Es ist viel interessanter, dich mal anders zu sehen. Wieso kannst du dich überhaupt so gut verstellen?“ „Ich hab drei Jahre lang bei der Theater AG mitgemacht. Ich kann alles spielen. Ich kann sogar auf Kommando heulen“ „Zeig doch mal“ „Sonst noch was?“, er verdrehte die Augen. „Moment... Unsere Schule hat weder eine Lateinklasse, noch eine Theater AG. Wo hast du das dann gelernt?“ „Hm, mal überlegen“, er tat so, als müsste er scharf nachdenken, „Ich bin vor zwei Jahren auf diese Schule gekommen. Könnte es vielleicht sein, dass ich davor auf einer anderen Schule war? Oder bin ich da nur durchs All geflogen? Hm, schwere Frage“ „Blöde Frage, schon kapiert. Was für eine Schule war es denn?“ „Es war ein Internat für besonders besserwisserische Kinder, die von ihren Eltern dorthin verfrachtet wurden, damit sie mal ein bisschen Ruhe haben“ „Ah, du meinst eine Schule für kleine Genies“ Er nickte düster. „Und wie waren die anderen Genies so? Unter deinesgleichen müsstest du dich doch ziemlich wohl gefühlt haben“ „Nein, das waren alles Freaks. Ich war als einziger normal. Immer ging es nur um Physik und Philosophie. Ich meine, wenn einer sagt, es wehe ein starker Wind durchs Land, wieso kann man das nicht einfach so stehen lassen? Muss man darüber gleich wochenlange Diskussionen führen, was er wohl gemeint hat? Vielleicht wollte der arme Mann ja wirklich nur sagen, dass es windig ist. Aber nein, ihm werden die Worte im Mund umgedreht! Die hatten alle so komische Weltansichten da. Freaks halt!“ Ich musste grinsen. Nach dem, wie ich Seto erlebt hatte, war er auch nicht unbedingt ganz normal. Allein die Sache mit den Schafen hatte das deutlich gemacht. „Vielleicht waren die anderen ja auch ganz normal und du warst derjenige, der aus der Reihe getanzt ist“, schlug ich vor. „Denkst du also, ja?“, er blähte beleidigt die Backen auf, „Nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass die anderen die Freaks waren. Ich bin viel zu bodenständig für sowas“ „Bodenständig. Ich hätte andere Begriffe dafür“ „Sag jetzt nichts Falsches!“ „Fantasievoll, ein wenig... abgehoben“ „Wer zwingt dich denn bei mir zu sein?“, jetzt wirkte er richtig eingeschnappt. „Ich finde dich so, wie du wirklich bist, viel besser, als wenn du die ganze Zeit so steif tust.“, ich knuffte ihm gegen die Schulter, „Du bist wirklich schwer in Ordnung“ „Wer sagt, dass ich dir das alles nicht nur vorspiele?“ „Das verrät mir mein Gefühl.... und deine Augen“ „Meine Augen, genau“, er sah mich resignierend an, „Ich geh lieber arbeiten. Sonst bleibt noch alles liegen“ „Darf ich wieder nichts essen?“ „Mach doch, was du willst!“ „Ich will mich an das Projekt halten“ „Genau das ist dein Problem!“, knurrte er leise. „Wie?“ „Ach nichts“ „Na gut, dann bis morgen“, rief ich. Dann machte ich mich auf den Weg zu Yugi. Ich musste unbedingt mit ihm oder seinem Großvater reden. So fertig. Jetzt aber nichts falsch verstehen. Ich hab nichts gegen religion. Aber wir hatten mal einen Lehrer, der uns davon überzeugen wollte und meine Freundin und ich fanden das irgendwie seltsam Danke für die kommis ;) Kapitel 10: Das Eingeständnis ----------------------------- Das Eingeständnis Ich hatte mich beeilt, um zu Yugi zu kommen, weil mir wirklich etwas auf dem Herzen lag, was ich mit ihm besprechen wollte. Aber unglücklicherweise war er nicht allein. Sein Partner Takato war auch da und vor dem wollte ich nicht unbedingt darüber sprechen. Also beließ ich es vorerst dabei, ihm zu erzählen wie wir dem Nachsitzen entkommen waren und was ich so neues erfahren hatte. „Er hat also alles nur gespielt?“, fragte Yugi zweifelnd. „Ja“, ich nickte begeistert, „Aber er war unglaublich überzeugend.“ „Ob das gut ist...?“ „Wie meinst du das?“, fragte ich misstrauisch. „Naja... wenn er das so überzeugend rübergebracht hat, wer sagt dir dann, dass er dir nicht auch nur etwas vormacht?“ „Das weiß ich einfach!“ „Trotzdem“, meinte Yugi ernst, „Das macht ihn gefährlich. Sei lieber vorsichtig. Ich glaube nämlich nicht, dass dir gegenüber so ehrlich ist wie du glaubst“ Ich verdrehte die Augen, „Was du wieder denkst“ „Wie läuft denn euer Projekt so?“, warf Takato ein. „Hervorragend. Wenn das so weitergeht, bin ich in spätestens zwei Wochen in Topform“ „Und was ist mit Kaiba?“, fragte Yugi missmutig, „Wie viel hat er schon zugelegt?“ „Nun ja...“, ich kratzte mich verlegen am Kopf, „Er... arbeitet noch daran.“ „Also weigert er sich immer noch.“ „Er braucht nur etwas Zeit, um sich darauf einzustellen!“ Wir schwiegen eine Weile betreten und aßen Eis – auch wenn es gegen die Regeln war. „Ich werde schnell zum Bäcker gehen und Kuchen holen“, verkündete Takato, bevor er eilig verschwand. Endlich konnte ich mit Yugi ungestört reden. Er schien zu bemerken, dass mir etwas auf der Seele lag. „Was ist los mit dir, Joey? Du benimmst dich in letzter Zeit irgendwie merkwürdig.“ „Was meinst du?“ „Wenn wir früher über Kaiba geredet haben, warst du der erste, der auf ihm rumgehackt hat. Jetzt nimmst du ihn in Schutz und jedes Mal, wenn du über ihn sprichst, leuchten deine Augen“ „Genau darüber wollte ich mit dir reden“, ich seufzte, „Immer, wenn Seto etwas Nettes sagt oder lächelt, setzt mein Gehirn aus. Ich denke dann so seltsames Zeug und egal wie hart er mich rannimmt, ich genieße es bei ihm zu sein.“ Yugi schwieg eine Weile, bevor er nüchtern fragte: „Bist du in ihn verliebt?“ „Was? Nein! Unsinn!“, ich schüttelte energisch den Kopf, „Das ist doch absurd!“ „Nicht so absurd wie du denkst“ „Ich darf mich nicht in ihn verlieben. Er bringt mich glatt um!“ „Dann brich das Projekt doch einfach ab. Wenn du ihn nicht mehr ständig um dich hast, kannst du dich auch nicht so richtig in ihn verlieben“, schlug Yugi vor, „Außerdem ist Kaiba dann auch viel glücklicher, weil ihm keiner mehr sagt, er soll zunehmen“ „Meinst du echt, Seto ist unglücklich wegen diesem Projekt?“, fragte ich missmutig. „Natürlich ist er das. Du hast mir doch selbst erzählt, dass sein Gewicht ein absolutes Tabu ist.“ „Ja aber er soll nicht wegen mir unglücklich sein“ „Ach Joey“, Yugi sah mich ernst an, „Wenn er dir wirklich etwas bedeutet, dann lass ihn gehen. Mit diesem Projekt quälst du ihn doch nur und dich selbst auch“ Sollte ich wirklich alles abbrechen? „Nein!“, energisch schüttelte ich den Kopf, „Ich werde es nicht abbrechen. Damit ist niemandem geholfen. Aber ich habe da eine Idee, die es für Seto einfacher macht“ „Und die wäre?“ „Darüber muss ich noch nachdenken“ „Und wird es für dich dadurch auch einfacher?“ „Ich glaube nicht. Aber darum geht es ja auch nicht“ Yugi schüttelte resignierend den Kopf „Junge, du bist wirklich voll in ihn verknallt“ „Stimmt doch gar nicht! Er hat mich nur in seinen Bann gezogen. Mehr nicht!“ „Du belügst dich doch nur selbst!“ „Nein! Ich beweise es dir! Ich werde mich aus seinem Bann befreien. Dann siehst du, dass ich recht hatte“ „Und wie?“ Ich überlegte „Dazu müsste ich deinen Großvater etwas fragen“ „Tu das. Er ist vorne im Laden“ Ich verabschiedete mich von Yugi und ging nach vorn zu Herrn Muto, der gerade gelangweilt eine Zeitung las. „Guten Tag, Herr Muto“, sagte ich freundlich. Überrascht blickte er mich an „Joey. Was gibt es?“ „Ich hätte da mal eine Frage“ Großvater Muto sah mich erwartungsvoll an „Nun?“ „Wie Sie gesagt haben, zieht Seto einen total in seinen Bann. Aber wie kann ich mich daraus wieder befreien?“ „Wieso willst du das denn?“ „Weil... ich Angst habe, sonst vollkommen abhängig zu werden“ Er überlegte einen Moment „Ich weiß nicht so genau, was du da tun kannst. Geh ihm doch einfach aus dem Weg“ „Nein, das geht nicht!“ „Dann... versuch doch einfach das Schlechte in ihm zu sehen. Seto ist ja auch nicht perfekt“ „Wie soll das gehen?“ „Such dir einfach irgendwelche Charaktereigenschaften, die dich nerven und achte ganz genau darauf. Das treibt dich irgendwann zur Weißglut“ „Tatsächlich? Das funktioniert?“, fragte ich hoffnungsvoll. „Keine Ahnung. Probiers einfach aus“ Da mir nichts Besseres einfiel, beschloss ich es gleich zu versuchen. Ich fuhr zur Kaiba Corp. Aber die Blödmänner vom Empfang wollten mich nicht zu Seto lassen. Zum Glück traf ich Mokuba. „Joey, was machst du denn hier?“, fragte er überrascht. „Ich wollte deinem Bruder bei der Arbeit zusehen.“ „Er ist gerade in einer Besprechung. Aber du kannst in seinem Büro warten, wenn du willst“ Ich nickte dankbar. Setos Büro lag in der obersten Etage. Als ich eintrat, hatte ich das Gefühl von dem ganzen Papierkram erschlagen zu werden, der auf dem Tisch lag. Wann las er dieses Zeug nur durch? Ich ließ mich auf dem Sessel an seinem Schreibtisch sinken und starrte auf den Bildschirm des Computers vor mir. Da waren so viele Zahlen und seltsame Buchstaben, dass ich kein Wort verstand. Also lehnte ich mich zurück und sah aus der riesigen Fensterfront nach draußen. Man konnte über die ganze Stadt sehen. Neben den Papierstapeln lag noch ein handschriftlich abgefasstes Essay über ein Buch Namens „Der gute Mensch von Sezuan“ auf dem Tisch. Wahrscheinlich nahm er das Buch gerade in seinem Literaturkurs durch. Außer Bio, Geschichte und Mathe hatten wir ja nicht die gleichen Kurse. Ich musste zugeben, dass Seto wirklich eine sehr saubere und feine Handschrift hatte. Also machte er neben seiner Arbeit hier auch noch seine Hausaufgaben? Wie schaffte er das nur? Mir blieb keine Zeit darüber nachzudenken, denn plötzlich kam Seto herein, in der einen Hand eine Tasse Kaffee, in der anderen noch mehr Papierkram. Und im Mund einen Keks. Als er mich entdeckte, sah er mich leicht verwirrt an. „Ich dachte, während der Arbeit isst du nichts“, meinte ich tadelnd. Er stellte den Kaffee und den Papierkarm auf dem Tisch ab, bevor er den Keks in die Hand nahm, um frei sprechen zu können. „Was geht's dich an?“ „Ich meine ja nur, weil du damit gegen das Projekt verstößt“ „Verklag mich doch!“, meinte er patzig, „Außerdem scheinst du dich ja auch nicht dran zu halten, oder?“ „Natürlich halte ich mich dran!“ „Wenn du das sagst... Nebenbei kleben dir noch Eisreste an der Wange“ „Oh“, peinlich berührt wischte ich mir übers Gesicht. Seto beobachtete mich dabei amüsiert. Als ich fertig war, besah ich mir meine Hand, doch sie war sauber. „Moment, da war gar kein Eis an meiner Wange!“, murrte ich. „Stimmt. Aber die Tatsache, dass du mir geglaubt hast, da wäre welches, beweist, dass du Eis gegessen hast“ „Woher wusstest du das?“, fragte ich verwirrt. „Ich hab einfach mal ins Blaue geraten. Im Übrigen hast du wirklich Eis im Gesicht, allerdings an der Nase“ Diesmal hatte er Recht. Schnell wischte ich mir die Spuren aus dem Gesicht. "Krieg ich auch einen Keks?" "Nein, ich hab ja auch kein Eis gekriegt", er sah mich beleidigt an. "Bist du etwa sauer deswegen?" "Wer weiß" "Ich spendiere dir irgendwann mal eines, okay?", meinte ich besänftigend. „Mal sehen. So und jetzt geh weg!“, Seto stand direkt neben mir und sah mich auffordernd an. „Wieso?“, fragte ich entrüstet. „Weil ich an den Computer muss und wenn du davor sitzt, komm ich nicht ran.“ Schnell stand ich auf und machte ihm Platz. Er ließ sich seufzend auf dem Sessel nieder und starrte auf den Bildschirm. Dann tippte er ein paar Befehle ein und der Computer arbeitete allein weiter. „Was hast du eben gemacht?“, fragte ich neugierig. „Ich hab dem Computer befohlen ein paar Programme neu zu laden, damit ich sehen kann, ob er die Veränderungen, die ich eingegeben habe, auch übernommen hat“ „Für mich stehen da nur Hieroglyphen.“, gestand ich. „Dein Problem“, nachdenklich knabberte er an dem Keks rum. „Was ist das alles für Papierkram?“ „Daten, Bilanzen, Verträge -“ „ - Hausaufgaben“ Er nickte leicht, während er ein neues Programm aufrief. Es war eine grafische Darstellung eines Modells für ein neues Videospiel. „Was ist das?“ „Die Zukunft.“ „Wie funktioniert das?“ „Bist du gekommen, um mich von der Arbeit abzuhalten?“, fragte er genervt. „Nein“ „Sondern?“ Sollte ich ihm denn jetzt sagen, dass ich hier war, um etwas an ihm zu entdecken, dass ich hassen konnte? Wohl kaum! „Nur so. Und? Willst du mich jetzt rausschmeißen?“ „Mach doch was du willst. Hauptsache du lässt mich in Ruhe arbeiten“ „Gut“, ich setzte mich auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches, „Dann sehe ich dir zu, wie du arbeitest“ Seto verdrehte die Augen „Ich bin doch keine Zirkusattraktion! Warum nutzt du die Zeit nicht und machst ausnahmsweise deine Hausaufgaben?“ „Oder so“, so gesehen war das ja gar keine schlechte Idee. Also tat ich beides: Seto beobachten und nebenbei Hausaufgaben machen. Ich hatte unglaublich viele Hausaufgaben auf und ich wusste nicht so Recht, wo ich anfangen sollte. Also schob ich das erst mal zur Seite und sah Seto zu, wie er immer wieder hochkonzentriert Befehle in den Computer eingab. Nebenbei schrieb er irgendwas auf. Okay, bis jetzt tat er nichts, was man hassen könnte. Dabei knabberte er die ganze Zeit an ein und demselben Keks herum, ohne ihn wirklich zu essen. Ich könnte ihn ja dafür hassen, dass er diesen verdammten Keks nicht endlich vernichtete. Ich meine, wer brauch den dafür schon so lange? Also versuchte ich mich ganz genau darauf zu konzentrieren. Das konnte einem wirklich auf die Nerven gehen! Aber je länger ich ihm dabei zusah, desto niedlicher fand ich ihn, wie er so vorsichtig an den Ecken knabberte. Ich musste ihm irgendwie ständig auf seine sinnlichen Lippen starren. Sie luden auf jeden Fall zum Küssen ein. Es dauerte tatsächlich 47 Minuten, bis dieser blöde Keks endlich weg war und ich endlich nicht mehr ständig auf seinen Mund sehen musste. Dafür nahm ich mir jetzt die Augen vor. Er starrte zwar ohne jegliche Gefühlsregung auf den Bildschirm, aber ich konnte trotzdem erkennen, was er ungefähr tat. Einen Großteil der Zeit schien er ein Problem zu bekämpfen, das er einfach nicht gelöst kriegte. Seine Augen wurden dabei immer dunkler und irgendwann fing er an ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch zu trommeln. Aber als es scheinbar gelöst war, klarten sie sofort auf und leuchteten himmlisch blau. Zufrieden lehnte er sich zurück. Dabei bemerkte er meinen Blick. „Ich bin immer noch keine Zirkusattraktion!“, meinte er verstimmt. „Ja ich weiß“ „Solltest du nicht Hausaufgaben machen?“ Ich grinste verlegen „Ich mach meine lieber, wenn du deine machst. Dann kannst du mir helfen“ „Ich mache meine schon die ganze Zeit!“, er sah mich stirnrunzelnd an, „Du beobachtest mich die ganze Zeit, aber das ist dir nicht aufgefallen?“ „Nicht wirklich. - Was machst du denn für Hausaufgaben? Zufällig Mathe und Bio?“ „Sag bloß, du willst abschreiben“ „Ein... wenig?“ „Ich mache nie Mathehausaufgaben und Bio schon gar nicht!“ „Wieso nicht?“, fragte ich empört. „Was wir in Bio machen, hatte ich an meiner alten Schule schon 1000 mal präziser und Mathe kann man in zwei Minuten im Kopf rechnen. Dazu muss ich nichts aufschreiben“ „Aber ich bin nicht so ein Genie wie du! Ich könnte den Scheiß nicht mal ausrechnen, wenn ich wüßte, was ich machen soll. Und Bio ist mir sowieso zu hoch“ „Du hast mein Mitgefühl“, meinte er lahm. „Du weißt bestimmt gar nicht wie das ist, wenn man etwas nicht versteht“, ich seufzte, „Muss toll sein, wenn man ein Genie ist“ „Ich habs mir nicht ausgesucht!“, meinte er gereizt, „Und wenn ich die Wahl gehabt hätte, wäre ich lieber ein Dummkopf geworden als ein Genie!“ „Versteh ich nicht“ „Wie auch? Stell es dir einfach so vor: du läufst durch die Welt und um dich herum sind überall Menschen, die vor irgendwelchen Herausforderungen stehen, die etwas hinterfragen, die noch so viel vor sich haben, was sie nicht verstehen und auf das sie eine Antwort suchen. Und du stehst daneben und denkst dir: >Sind die alle blöd?<, weil für dich diese Antworten so offensichtlich sind. Für dich gibt es keine Rätsel und Herausforderungen, weil alles zu leicht ist. Irgendwann wirst du dann darüber sauer, dass keiner da ist, dem es ganauso geht wie dir und du beginnst diese Menschen, die alle so dumm sind zu verachten. Du kommst einfach nicht mit ihnen aus, weil sie nicht verstehen können, worüber du redest. Sie verstehen dich einfach nicht, weil du zu verwinkelt und zu kompliziert denkst. Glaub mir, es ist besser, dumm zu sein.“ „So habe ich das nie gesehen.“, meinte ich betreten. „Aber andererseits kannst du auch nicht so tun, als ob du dumm wärst“, fuhr er fort, „Zwar gehörst du dann dazu, aber gleichzeitig hast du das Gefühl durchzudrehen, weil dein Verstand zu verkümmern droht. Unter diesen Idioten fühlst du dich, als würdest du geistig ersticken“ Ich nickte bekümmert, „Also ist es auch nicht so leicht ein Genie zu sein“ „Die Welt ist generell nicht einfach“, Seto schüttelte energisch den Kopf, „Vergessen wir das einfach“, erneut arbeitete er an seinem Computer. Also wandte ich mich meinen Hausaufgaben zu. Ich wollte lieber nicht zu genau darüber nachdenken, was Seto gesagt hatte. Es war bestimmt nicht einfach wegen seinem Intellekt so isoliert zu sein. Nach einer halben Stunde hatte ich es endlich geschafft meine Englischaufgaben zu erledigen. Zwar mit tonnenweise Fehlern, aber immerhin. Bei Mathe brauchte ich nur zehn Minuten, um zu erkennen, dass ich das einfach nicht hinbekam. Also sah ich wieder Seto zu. „Wenn du weder Mathe noch Bio machst, welche Hausaufgaben machst du denn dann?“, fragte ich neugierig. „Chemie, Literatur und Französisch“ „Du machst tatsächlich noch Französisch?“, meinte ich entgeistert. Ich hatte diese Sprache letztes Jahr abgewählt, so wie wohl die meisten. „Französisch ist neben Literatur mein zweiter Leistungskurs“, meinte er knapp. „Ich hätte gedacht, du hast Mathe als Leistungskurs“ Er blitzte mich amüsiert an „Wenn dem so wäre, wie könnte ich dann bei dir mit im Grundkurs sitzen?“ „Gute Frage...“ „Außerdem hab ich mein ganzes Leben lang was mit Zahlen gemacht. Rechnen ist keine Hreausforderung mehr und langweilig. Da ist Literatur viel spannender, weil man wenigstens nachdenken muss“ „Aber Französisch?“ „Schöne Sprache, nicht so trocken wie die Naturwissenschaften. Obwohl ich zgeben muss, dass Chemie recht interessant ist. Das Orbitanmodell ist wirklich faszinierend“ „Ja genau...“, Orbiwas? Ich könnte ihn ja hassen, weil er so schlau war, aber dafür konnte er wirklich nichts. „Und wieso Literatur?“ „Ich liebe Bücher. Lessing, Schiller, Goethe, Wilde... solltest du auch mal lesen“ „Nein danke! - Wie lange arbeitest du noch?“ „Eine Weile. Wieso? Langweilst du dich?“ „Nicht wirklich. Ich komm nur nicht vorwärts“ Seufzend stand er auf und stellte sich neben mich. Er beugte sich zu mir runter, um besser ins Mathebuch sehen zu können. Dabei war er mir so nah, dass ich seinen Geruch wahrnehmen konnte – und er roch einfach unglaublich gut. Er vernebelte mir vollkommen die Sinne. „Die Nullstellen liegen bei 0 und 2.“, er nahm mir meinen Füller ab, wobei er leicht meine Hand streifte, und schrieb mir Nullstellen, Extrema und Wendepunkte auf. Mein erster Gedanke war >Die Hand werde ich mir nie wieder waschen< Dann gab er mir den Füller zurück. „Soll ich dir Bio auch noch machen oder kriegst du das selber hin?“, fragte er spöttisch. „Hilf mir doch dabei“, hauchte ich. Geduldig erklärte er mir den Unterschied zwischen homoiothermen und poikilothermen Lebewesen. Ich hörte ihm nicht sonderlich zu, ich war viel zu sehr damit beschäftigt, seine Nähe und seinen Duft einzusaugen und ihn von der Seite anzuhimmeln. Okay, dann hatte Yugi halt Recht! Ich schätze, ich war wirklich in Seto verliebt. Aber kann man mirs verübeln? Ich meine der Typ ist doch einfach nur zum Anbeißen. Er hatte etwas an sich, das mich magisch anzog. Außerdem sah er göttlich aus und war ungemein liebenswert. Man musste ihn einfach lieben. So fertig. Im nächsten Kapi kommt noch ein Kumpel von Seto dazu und ihr kriegt einen kleinen Hinweis was früher passiert ist. Ihr könnt gespannt sein. ;) Kapitel 11: ------------ Ein alter Freund Am Abend hatte Seto mich nach Hause gefahren, weil es doch recht spät geworden war. Und nachts hatte ich kaum geschlafen, denn immer wieder musste ich an seine blauen Augen denken. Sie spukten mir immer wieder durch den Kopf. Irgendwie erinnerten sie mich an einen klaren tiefen Bergsee, der je nach Umstand mal aufgewühlt, mal friedlich war. Ich beschloss am nächsten Morgen direkt zur Schule zu gehen und nicht erst zu Seto. Wieso, wusste ich auch nicht so genau. Am Schuleingang erwartete mich Yugi schon. „Und?“, er sah mich erwartungsvoll an, „Hast du dich aus seinem Bann ziehen können?“ „Nein“, ich seufzte glücklich, „Man kann ihn nicht hassen. Er ist einfach zu liebenswert“ „Früher konntest du ihn hassen“ „Da war ich ja auch noch ein unwissender Idiot“ „Joey“, er sah mich ernst an, „Kann es sein, dass du schon vorher in ihn verknallt warst? Vor diesem Projekt, meine ich“ „Nein Unsinn! Da kannte ich ihn ja noch nicht richtig. Wie kommst du darauf?“ „Nun ja... zum Beispiel, weil mir nie aufgefallen ist, ob seine Augen die Farbe ändern oder nicht. Ich war mir ja nicht einmal richtig im Klaren darüber, dass seine Augen blau sind.“ „Das sieht aber doch jeder!“, meinte ich verärgert. „Nur, wenn man darauf achtet. Außerdem: wieso hat es dich sonst so aufgeregt, als er dich ignoriert hat?“ Ich überlegte „Was willst du mir damit sagen?“ „Nichts. Ich hab nur darüber nachgedacht.“, er winkte lächelnd ab, „Ist doch egal, wann du dich in ihn verliebt hast“ „Genau“ „Wirst du es ihm sagen?“ „Wie denn?“, fragte ich trübsinnig, „Vermutlich wirft er mich dann raus. Ich liebe ihn lieber heimlich.“ „Das ist aber nicht gut für dich“ „Ich mach das schon“ „Was machst du schon?“, fragte Seto neugierig. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören. „Ich... äh...“ „Er meint die Matheklausur heute“, warf Yugi schnell ein. „Matheklausur?!“, ich sah Yugi entsetzt an, „Schreiben wir die etwa heute?“ „So weit ich weiß, schreibt euer Kurs heute“, meinte Yugi verwundert, „Hast du das etwa vergessen?“ „Äh...“ „Das hab ich total verplant“, murmelte Seto nachdenklich, „Egal. Es wird schon nicht so schwer“ „Für dich vielleicht!“ „Wieso?“, er durchbohrte mich mit seinem Blick, „Weil ich ein Genie bin?“ „N-nein. Weil du rechnen kannst. Ich nicht“ „Du bist ja nicht allein bei der Klausur“, meinte er leichtfertig, „Du hast doch deinen Taschenrechner und dein Tafelwerk“ Ich wurde kreidebleich, „I-ich hab keinen Taschenrechner dabei“ „Wie konntest du den nur vergessen, Joey?“, fragte Yugi vorwurfsvoll. „Dann nimmst du halt meinen“, meinte Seto schulterzuckend. „Und was machst du dann?“ „Ich brauche keinen. Ich bin ein Genie, schon vergessen?“, er grinste leicht. Ich sah ihn aus großen Augen an „Du rettest mir das Leben“ „Übertreib nicht! Komm, gehen wir zur Klausur“ Ich folgte ihm fröhlich. Er gab mir seinen Taschenrechner kurz vor der Klausur. Überglücklich darüber vergaß ich sogar, aufgeregt zu sein. Aber als die Arbeit dann vor mir lag, sank ich entgeistert auf den Boden der Tatsachen zurück. So viele verwirrende Zahlen und Gleichungen. Mir schwirrte der Kopf schon beim Hinsehen. Diese Klausur war verflucht schwer! Diese Klausur war ein Kinderspiel! Die Aufgaben hätte sogar ein Dreijähriger schaffen können. Ich brauchte nicht einmal die Hälfte der Zeit, um sie zu lösen. Dass ich Joey meinen Taschenrechner gegeben hatte, stellte kein Problem dar. Gerade als ich aufstehen wollte, spürte ich, wie mein Handy vibrierte. Sicherheitshalber sah ich unterm Tisch nach, von wem die SMS kam. Sie war von Ryo Niamoto. Er saß zwei Reihen hinter mir an derselben Klausur und wollte nun, dass ich ihm bei einigen Aufgaben half. Im Grunde genommen war er nicht blöd, das wusste ich. Ihm fehlte immer nur der Ansatz. Also schrieb ich ihm schnell eine Hilfestellung, bevor ich nach draußen ging. Ich setzte mich unter den Baum im Hof und versuchte mich zu erinnern, seit wann Ryo und ich uns kannten. So gesehen hatten wir fast eine gemeinsame Vergangenheit. Er liebte das Surfen, genau wie mein Vater und ich. Als ich kleiner war, gingen mein Vater und ich fast jeden Sommertag an den Strand und irgendwann hatte ich dabei Ryo kennen gelernt. Von da an waren wir oft gemeinsam surfen gegangen. Aber als mein Vater starb und ich zu Gosaburo kam, hatte ich kaum noch Zeit dazu. Nur manchmal, wenn ich abgehauen war, trafen Ryo und ich uns noch. Ich weiß noch, dass seine Schwester damals Krebs hatte und kurz darauf starb. Fast zur gleichen Zeit starb dann auch mein bester Freund und ich wurde aus der Bahn geworfen. Wir wollten beide weg, irgendwohin, wo wir es besser hatten, aber es endete in einem Fiasko. Danach steckte mich Gosaburo ins Internat und Ryo und ich verloren uns aus den Augen. Nachdem ich von Gosaburo die Firma übernommen hatte und wieder auf eine öffentliche Schule ging, traf ich ihn wieder, weil wir einige Kurse gemeinsam hatten. Aber damals war er mir relativ egal. Schließlich wollte ich meine Firma nach vorne bringen und hatte weder Zeit zum Surfen noch für Freundschaften. Erst vor etwa einem Jahr, als ich die Firma mit Mokuba und Noah aufteilte, hatte ich wieder Zeit, um surfen zu gehen. Und am Strand traf ich wieder auf Ryo. Inzwischen waren wir wieder Freunde, nur dass wir nicht oft etwas miteinander unternahmen. Er hatte seinen eigenen Freundeskreis, der meiner Meinung nach fast nur aus Prolls und Idioten bestand. Aber wenn wir etwas gemeinsam unternahmen, dann war es meistens Surfen. Seufzend schloss ich die Augen und wartete darauf, dass die Stunde zu Ende ging. Schließlich hatte ich danach noch Französisch. Als es kingelte kamen auch die anderen Schüler aus meinem Mathekurs auf den Hof. Die meisten wirkten ein wenig verstimmt. Genauso wie Joey. Er steuerte direkt auf mich zu und lehnte sich neben mir gegen den Baum. „Das war ja eine ätzende Arbeit!“, schnaubte er. „Findest du?“ „Allerdings. Ich hoffe, du hattest keine Probleme ohne Taschenrechner. Immerhin kamen Logarithmen dran“ „So simple Logarithmen kann ich auch im Kopf ausrechnen.“ „Ach echt? So was geht?“ „Genie, schon vergessen?“, ich grinste leicht, „Ehrlich gesagt habe ich sie nicht ausgerechnet. Aber es waren diese typischen Logarithmen, die sowieso jeder im Kopf hat“ „Du bist merkwürdig. So einen Scheiß merkt sich doch kein Schwein“ „Ein Schwein nicht, aber ich. Wie liefs denn bei dir so?“, ich war nicht wirklich neugierig, aber ich hatte das Gefühl, dass er genau auf diese Frage wartete. „Es war furchtbar. Allein schon Aufgabe 1...“, er begann bei jeder kleinen Aufgabe zu erzählen, was ihm nicht gepasst hatte. Ich hörte nicht wirklich zu, sondern besah mir den Himmel. Heute war er herrlich blau, keine einzige Wolke. Und es war warm für diese Jahreszeit. Außerdem wehte ein angenehmer Wind. „Ich weiß genau, was du denkst“, meinte plötzlich Ryo. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören. „So?“ Er lehnte sich neben mir gegen den Baumstamm „Weißt du, was für wundervolle Wellen so ein Wind macht? Schön hoch, aber trotzdem gut zu reiten“ „Stimmt“ „Und wer weiß. Vielleicht ist das der letzte Tag in diesem Jahr, an dem es warm genug ist zum surfen...“ „Ich weiß ganz genau, worauf du hinaus willst“, meinte ich ruhig. „Und?“ „Wen interessiert schon Schule“, ich stand auf, „Lass uns gehen“ „Genau die Reaktion hab ich erwartet“, Ryo grinste breit, „Mein Onkel hat am Strand seinen Laden. Da können wir uns Bretter holen“ „Und rein zufällig bin ich mit Auto da“ „Welch Zufall, wie perfekt das alles passt“ „Na das muss wohl Schicksal sein“, ich hatte heute morgen den Wetterbericht gehört und gehofft, dass es so kommen würde. „Ob die Lehrer das Schicksal als Ausrede akzeptieren?“ „Klar, du musst es nur richtig rüberbringen“ Wir gingen zu meinem Wagen. Aber Joey eilte uns hinterher. „Was ist mit mir?“ „Pack ihn mit ein“, meinte Ryo. „Du kommst einfach mit“, nickte ich. „A-aber ihr könnt doch nicht einfach die Schule schwänzen“ „Tun wir ja nicht“, ich sah ihn gelassen an, „Aber das Schicksal hat gerufen. Und wenn das Schicksal ruft, dann muss man folgen“ „Ich dachte, du glaubst nicht ans Schicksal“ „Doch, solange ich es mir aussuchen kann“ „Schon klar...“ Wir fuhren in Setos Auto zum Strand. Aber ich wusste nicht so recht, ob ich von seinem Fahrstil begeistert sein sollte, denn er schien dabei seiner eigenen Logik zu folgen. War eine Ampel gelb, dann fuhr er weiter und wenn sie rot war, meinte er sie war ja vorher noch gelb und fuhr ebenfalls drüber. Er versicherte mir, dass er das in der Stadt nicht machen würde, aber auf Landstraßen wäre das schon in Ordnung. Außerdem beschimpfte er immer die Autos vor uns, wenn sie seiner Meinung nach zu langsam oder zu schnell fuhren. Als wir am Strand ankamen, war es zu meiner Überraschung erstaunlich voll. Scheinbar machten heute viele Leute blau, um das gute Wetter zu genießen. Wir suchten uns einen Platz nah am Wasser, während Ryo Surfbretter besorgte. „Kannst du überhaupt surfen?“, fragte ich zweifelnd. „Natürlich“, meinte Seto entrüstet, „Das hat mir mein Vater beigebracht“ „Gosaburo konnte surfen?“ „Nicht Gosaburo! Mein Vater“, erwiderte er ungeduldig, während er sich seine Sachen auszog. Praktischerweise hatte er eine Badehose drunter. Ich konnte nur über seinen Körper staunen. Er war tatsächlich gut trainiert. Seine Brust war makellos und sein Bauch schön flach. In der Mitte zierte ihn ein geradezu niedlicher Bauchnabel. Und er hatte wirklich schöne Beine. Man konnte nicht unbedingt sagen, dass er mager oder unterernährt aussah. Eher gertenschlank. Nur wenn er die Arme hob, konnte man seine Rippen deutlich sehen. Ein- zwei Kilo mehr hätten ihm bestimmt nicht geschadet, aber sie waren auch nicht wirklich notwendig, um seinen Anblick perfekt zu machen. Es war nur etwas Schade, dass ich seinen Hintern nicht so genau bewundern konnte, weil seine Badehose fast bis zu den Knien ging. „Willst du dich nicht auch ausziehen?“, fragte er beiläufig. „Ich hab keine Badesachen bei“ „Dann geh halt in deinen Unterhosen“ Ryo kam mit den Brettern zurück und zog sich ebenfalls aus. Ich mochte ihn nicht sonderlich, weil er sozusagen zur High Society der Schule gehörte. Das waren diese Typen, die alles und jeden niedermachten. Ich fragte mich, wieso Seto ausgerechnet mit ihm befreundet war. „Na dann. Gehen wir surfen“, rief Seto motiviert. „Tut das. Ich gehe nur schwimmen. Surfen kann ich sowieso nicht“, meinte ich träge. Seto schnaubte „Du klingst wie ein alter Mann!“ Dann machte er sich mit Ryo und den Brettern davon. Ich setzte mich derweil in den Sand und sah den beiden zu. Seto konnte tatsächlich gut surfen, das musste man ihm lassen. Seine Bewegungen auf dem Brett waren unglaublich sicher und trotzdem elegant. Vielleicht könnte er mir das Surfen ja irgendwann mal beibringen... „Hey Joey“, rief plötzlich jemand hinter mir. Überrascht drehte ich mich um. Es waren Mokuba und Akito. „Was macht ihr denn hier?“, fragte ich verwirrt. „Wir dachten uns schon, dass ihr bei dem Wetter am Strand seid.“, meinte Akito leichthin, „Ist Seto surfen gegangen?“ „Ja, zusammen mit Ryo“ „Ryo also“, er schnalzte mit der Zunge, „Ich mag den Typen nicht sonderlich.“ „Ich auch nicht“ „Ihr kennt ihn nur nicht“, warf Mokuba ein, „Er kann richtig nett sein. Wenn er ein schlechter Kerl wäre, wär mein Bruder doch nicht mit ihm befreundet.“ „Gutes Argument. Aber woher kennt Seto ihn denn?“ „Wir kennen ihn schon ganz lange, schon damals als unser Vater noch gelebt hat, waren wir Freunde.“, erklärte Mokuba. „Kommst du mit baden?“ Ich nickte. „Dann werde ich mir auch mal ein Brett schnappen“, meinte Akito knapp. Ich spielte stundenlang mit Mokuba im Wasser, wobei ich versuchte, ihm ein paar Infos über Ryo zu entlocken. Er erzählte mir über Ryos kranke Schwester, dass er und Seto mal versucht hatten gemeinsam abzuhauen,und über ihre Freundschaft. Vielleicht war der Typ ja doch nicht so schlecht. Aber so ganz traute ich ihm trotzdem nicht. Nach einer Weile ließen wir uns erschöpft bei unseren Sachen in den Sand fallen. „Hey Joey. Magst du meinen Bruder?“, fragte Mokuba atemlos. „Ich? Ja, ich mag ihn sehr“, antwortete ich ehrlich, „Was denkt Seto eigentlich über mich?“ „Ich glaube, er findet dich ganz in Ordnung. Er lässt nicht jeden so nah an sich heran wie dich“ „Aber er erzählt mir nicht, was früher passiert ist“, meinte ich missmutig. Mokuba sah mich ernst an „Aber er hat dich auch nicht aus seinem Büro geschmissen. Und das will schon was heißen. Seto lässt viele Leute nur zum Schein an sich heran. Sie dürfen ihn zwar duzen, aber mehr auch nicht. So, wie Dr. Kana. Aber du darfst sogar in sein Büro. Das ist wirklich eine Ehre, die nicht jedem Zuteil wird“ Ich grinste glücklich. Dann mochte er mich ja auch. Zwar nicht so wie ich ihn, aber immerhin. „Warum grinst du so?“, fragte Akito neugierig. Er und Seto standen neben mir und sahen auf mich herab. Verlockend liefen einzelne Wassertropfen von Setos Haut und hinterließen eine im Sonnenlicht glitzernde Spur. „Nur so“, ich setzte mich auf und lächelte ihnen entgegen, „Es ist nur so ein herrlicher Tag.“ „Wenn du meinst“, Seto ließ sich neben mir in den Sand fallen, während Akito und Ryo die Bretter wegbrachten und etwas zu essen besorgten. „Du scheinst ja fast wieder in Form zu sein“, meinte Seto und deutete auf meinen Bauch, „Naja, ein zwei Kilo vielleicht noch“ „Ja schon, aber ich will noch mehr trainieren, um so einen Körper zu kriegen wie du“ „Du meinst, zu dünn?“, er sah mich düster an. „Nein, so schön trainiert und fit“, entgegnete ich hastig. „Wie du meinst“, er ließ sich auf den Rücken fallen und sah zum Himmel. „Weißt du, ich mach mir trotzdem Sorgen wegen der Schule“, meinte ich betrübt, „Immerhin haben wir unsere Leistungskurse geschwänzt“ Seto lächelte leicht „Ich bin vorhin auf dem Wasser fast mit meinem Französischlehrer zusammen gestoßen. Der hat heute wohl auch blau gemacht. Wir sahen uns grinsend an und dann sagte er >Das bleibt unter uns<. Er ist halt ein echter Sunnyboy. Also mein Leistungskurs wäre sowieso ausgefallen“ Ich kannte seinen Lehrer nur vom Sehen, aber er wirkte tatsächlich sehr entspannt und freundlich. Ganz im Gegensatz zu dem Drachen, den ich hatte. „Aber meiner nicht. Ich hätte Politische Weltkunde gehabt“ „Politik, wie öde. Was solls. Sag deinem Lehrer einfach, dass ich dich gezwungen habe, mir in der Firma zu helfen“ „Hast du auch geschwänzt, Mokuba?“ „Nein. Wir hatten Wandertag und der war früher zu Ende.“, der Kleine sprang plötzlich über mich rüber auf Setos Bauch, „Wir waren im Zoo und ich hab sogar Tiger gesehen“, er erzählte fröhlich von seinem Tag, während Seto einfach nur dalag und zuhörte. Es schien ihn nicht zu stören, dass Mokuba auf ihm hockte. Auf einmal waren beide einfach nur noch großer und kleiner Bruder am Strand. Sie sahen wie eine kleine glückliche Familie aus. Vorher hatte Mokuba so etwas Erwachsenes an sich gehabt, aber jetzt war er, wie ein Kind seines Alters sein sollte. Und Seto hatte wieder diesen „großer Bruder Blick“ drauf, den er früher schon immer nur Mokuba geschenkt hatte, während er uns in Grund und Boden gestarrt hatte. Ich beneidete Mokuba um diesen Blick, der zeigte, dass Seto ihn immer beschützen würde. In diesem Moment wünschte ich mir sehnlichst, dass er mich irgendwann auch mal so ansehen würde. Kapitel 12: Übernachtung bei Kaibas ----------------------------------- Übernachtung bei Kaibas Die Woche verging rasend schnell. Nach dem schönen Tag am Strand – für den ich im Übrigen keinen Ärger bekam - hatte es nur noch geregnet, sodass wir oft nur bei ihm zu Hause saßen und Seto mich dazu zwang, Hausaufgaben zu machen, weil er meinte, ich müsse unbedingt in der Schule besser werden. Ich denke, ihm war einfach nur langweilig. Ansonsten schleppte er mich öfters zum Kampfsport mit. Aber er trainierte lieber mit anderen als mit mir. Meistens mit Leo. Ansonsten las er in der Zeit sehr viel. Er meinte immer, wenn man schon nichts für seinen Körper tun konnte, sollte man wenigstens seinen Kopf etwas schulen. Freitag Abend lag ich einfach nur gelangweilt auf der Couch herum. Die Schule und das Training waren vorbei und die Hunde waren auch draußen gewesen. Es gab nichts mehr zu tun. Ich dachte über das Tagebuch und das Fotoalbum nach. Sie waren mir erst Montag wieder eingefallen und ich hatte sie heimlich mit nach Hause genommen. Aber bis jetzt hatte ich es noch nicht geschafft, hineinzusehen, obwohl es mich brennend interessierte, was drin stand. Ich sah zu Seto herüber, der seinem Hund gedankenverloren die Ohren kraulte, während er wieder in einem seiner Bücher hing. „Wollen wir nicht einfach fernsehen?“, fragte ich. „Gleich. Sobald ich eine spannende Stelle im Buch finde“ „Du hörst an den spannenden Stellen auf zu lesen? Normalerweise nimmt man dafür doch eine langweilige“ Er sah mich schief an „Wenn ich an einer langweiligen Stelle aufhöre, habe ich ja keine Motivation merh, das Buch jemals weiterzulesen. Wenns spannend wird aber schon“ „Okay, wie du meinst“, ich stufte das einfach mal unter Setologik ein, „Sehen wir jetzt einen Film?“ „Von mir aus“, Seto stand langsam auf. „Passiert denn gerade etwas Spannendes?“ „Der Typ ist kurz davor erschossen zu werden. - Ich hol Popcorn“ Meinte er etwas zu essen oder den Hund? Egal. Während er weg war, suchte ich die Fernbedienung unter den Sofakissen. Ich fand sie sogar irgendwann. Man konnte über Seto alles sagen, aber ordentlich war er nicht unbedingt. Ich schaltete den Fernseher ein und suchte einen Horrorfilm aus. Je gruseliger, desto besser. „Was gefunden?“, fragte Seto, als er wiederkam. Mit einer Schüssel Popcorn in der Hand. Er setzte sich neben mich auf die Couch. Raiko nahm neben ihm Platz. Der Hund durfte echt alles. „Horror“, ich grinste, „Magst du solche Filme?“ „Nur, wenn sich keiner was abschneiden muss“ „Wie jetzt?“ „Ich hab mal ein Buch gelesen, wo der Hauptperson der Fuß abgehackt und die Wunde dann mit einem Brenner verschlossen wurde.“, er schüttelte sich unmerklich, „Das war so realistisch geschrieben, dass ich ständig nachsehen musste, ob ich noch beide Füße hab“ Ich musste mir ein Lachen verkneifen, als ich mir vorstellte, wie Seto verängstigt auf dem Bett hockte und immer wieder panisch seine Füße zählte. Aber wenn Seto so leicht panisch wurde, dann würde das ein toller Abend werden. Ich kannte den Film schon und wusste, dass er eine Menge schockender Momente drin hatte. Und wenn Seto sich dann erst einmal richtig erschreckt hatte, würde er sich ängstlich an mich klammern. Ich würde ihn tröstend in den Arm nehmen und ihm beruhigend zusprechen. Dafür wäre er dann so dankbar, dass er mich voller Dank küssen würde. Ja, es war perfekt. Ich musste mich nur zurücklehnen und warten. „Popcorn?“, Seto hielt mir die Schüssel hin. „Danke“, bis jetzt sah er aber noch nicht sehr verängstigt aus. Aber das würde schon kommen. Die schockenden Szenen kamen ja erst noch. Jetzt gleich würde es passieren. Jeden Augenblick würde ein Monster hinter der Tür direkt auf den Fernseher zuspringen und dann den Typen auf unheimlich grausame Weise töten. Im Film natürlich. Als ich diese Szene das erste Mal gesehen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören, zu kreischen wie ein Mädchen. Peinlich aber wahr. Damals war ich natürlich noch ein kleines unbescholtenes Kind gewesen. Aber es war wirklich eine schreckliche Szene. Ich machte mich schon mal bereit, Seto aufzufangen. Doch dann geschah etwas, das unmöglich war. Das Monster sprang auf den Fernseher zu und direkt neben mich auf die Couch. Ich stieß einen spitzen Schrei aus und klammerte mich ängstlich an Seto. „W-was zum...?“, wimmerte ich. Aber das war gar nicht das Monster. Es war bloß Akito, der mich unglaublich breit angrinste. „Ein bisschen schreckhaft, der Kleine“, meinte er zufrieden. „Popcorn?“, fragte Seto. Er hatte nicht mal mit der Wimper gezuckt. Für jemanden, der so schreckhaft war, blieb er aber erstaunlich entspannt. „Sollen wir lieber was anderes sehen. Etwas, das dich nicht so erschreckt?“, wollte Seto wissen. Er sah mich amüsiert an, aber gleichzeitig entdeckte ich etwas in seinem Blick, das man mit etwas gutem Willen als Fürsorge auslegen konnte. „N-nein, ich hab mich nur wegen dem Idioten da erschreckt“, ich deutete auf Akito, wobei ich mich immer noch tapfer wie ein Eichhörnchen an Setos Arm festhielt. „Jetzt bin ich wieder Schuld!“, beleidigt griff er nach dem Popcorn. „Sehen wir uns einfach weiter den Film an“, seufzte Seto, „Könntest du ganz nebenbei aufhören, meinen Arm abzuklemmen?“ „Sorry“, ich ließ ihn hastig los. Also sahen wir uns weiter den Film an. Zu meiner Enttäuschung war Seto aber nicht wirklich davon verängstigt. „BUH!!!“ Erschrocken krallte ich mich wieder in Setos Arm. „Popcorn?“ „Man, Joey. Du bist wirklich schreckhaft“, lachte Mokuba. „Witzig!“, fauchte ich. Ich war schon am Rande eines Herzinfarktes. „Joey, mein Arm!“, rief Seto ungeduldig. Ich ließ wieder los, während sich Mokuba einfach zwischen mich und Seto drängte und sich an seinen Bruder kuschelte. Das passte jetzt ganz und gar nicht in meinen Plan! Aber Seto schien gegen den ganzen Horror sowieso immun. Bis zu der einen Stelle. Jetzt kam die Szene, wo der Mörder sein Opfer dazu zwang, sich die Hand abzusägen. Erst sägte es bis auf den Knochen und dann zerrte es von allen Seiten daran, bis der Knochen brach und die Hand abriss. „Oh Gott!“, stöhnte Seto. Er hielt sich die Augen zu, „Sagt mir, wenn es vorbei ist“ So was konnte er wohl wirklich nicht sehen. Und ich saß nicht neben ihm, um ihn zu trösten! Vielen Dank auch, Mokuba! „Vorbei“, meinte Akito grinsend, obwohl jetzt die schlimmste Stelle kam. Seto sah kurz hin und stöhnte dann angewidert, bevor er eilig wegsah „Du Mistkerl!“, knurrte er. „Jetzt ist es wirklich vorbei“, versicherte ich ihm. Er schielte zwischen den Fingern durch und atmete erleichtert auf „Ein Glück“ Ich musste lächeln, als ich bemerkte, wie er unauffällig seine Hände überprüfte, ob sie noch heile waren. So ganz gruselfest war selbst er nicht. Dann fiel der Strom aus. Um uns herum wurde alles dunkel und auch das Fernsehbild verschwand. „Was ist denn jetzt?“, fragte ich irritiert. Seto ging zum Fenster und sah nach draußen „Scheinbar ist die ganze Stadt ohne Strom“ „Und was nun?“ „Erst mal brauchen wir Licht“, bestimmte Akito,“Gibt es hier Kerzen oder Taschenlampen?“ „Irgendwo bestimmt“, meinte Seto. „Im Keller und in der Vorratskammer“, sagte Mokuba. „Dann teilen wir uns auf und holen das Zeug“, schlug ich vor, wobei ich mich schnell zu Seto gesellte, damit ich mit ihm gehen konnte, „Gehen wir beide in den Keller?“ „Wenn ich den Weg finde...“ Wir tasteten uns vorsichtig den Flur entlang in Richtung Kellertreppe. Natürlich musste ich bei jeder Gelegenheit, die sich bot, irgendwo gegenlaufen, bis sich Seto erbarmte, mich am Handgelenk zu packen und sicher durch die Dunkelheit zu führen. Seine Nähe war so schön beruhigend. „Pass auf. Jetzt kommt die Treppe.“, meinte er. Ich klammerte mich fester an seinen Arm. Vorsichtig gingen wir Stufe für Stufe hinab, bis wir endlich den Keller erreichten. „Such du auf der linken Seite. Ich sehe rechts nach“ Also tastete ich mich nach links, wobei ich feststellte, dass hier scheinbar schon ewig nicht mehr sauber gemacht worden war. Ich lief ständig in Spinnweben hinein. Aber dann fand ich ein paar Schränke, in denen ich sogar Kerzen entdeckte. „Hey, ich hab eine Taschenlampe gefunden“, rief Seto und leuchtete damit in meine Richtung. „Und ich hab Kerzen“ „Sehr gut. Dann lass uns von hier verschwinden. Ich hasse diesen Keller!“ Er leuchtete uns den Weg und so kamen wir sicher oben an. Mokuba und Akito waren noch unterwegs, sodass wir erstmal die Kerzen verteilten, bevor wir uns auf die Couch setzten. Diesmal würde ich nicht zulassen, dass sich Mokuba zwischen uns drängelte. „Und? fandest du den Film nun gruselig?“, fragte ich interessiert. „Nein, nur eklig.“, er überlegte kurz, „Soll ich dir mal was richtig Gruseliges erzählen?“ „Mach doch. Mich kannst du nicht erschrecken“, meinte ich tapfer. „Also schön. Diese Geschichte ist aber wahr“, er schaltete das Licht der Taschenlampe aus und begann mit unheilvoller Stimme zu erzählen, „Vor vielen Jahren, bevor Gosaburo das Haus bauen ließ, stand hier eine Jugendherberge. Die Hütten waren ganz aus Holz und immer vier Mann teilten sich ein Zimmer. Wenn eine Gruppe den letzten Abend hier war, gab es eine Tradition, bei der das jüngste Gruppenmitglied seinen Mut beweisen musste. Die Prüfung des kleinen Peter war es, eine Nacht ohne Strom und ganz allein in einem dieser Zimmer zu verbringen, isoliert von der Außenwelt. Zur Sich-“ „Peter?“, ich grinste. „Ja, die Gruppe kam aus Deutschland. Jedenfalls wurde zur Sicherheit die Tür des Zimmers verschlossen, damit Peter nicht fliehen konnte.-“ „Peter? Ist das dein Ernst. Der Name ist ja überhaupt nicht unheimlich. Warum nicht so was, wie Blooooooooooooood oder Vampire Joe?“ „Weil es eine wahre Geschichte ist und der Typ nun mal nicht Vampire Joe hieß, sondern Peter!“, meinte Seto ungeduldig, „ Zumindest passierte in der Nacht etwas, womit keiner gerechnet hatte.-“ „-Blooooooooooooood und Vampire Joe kamen, um klein Peter zu fressen“ „Ich fress dich gleich! Also halt die Klappe und hör zu! In der Nacht fegte ein schrecklicher Sturm übers Land. Ein Blitz schlug genau in das Zimmer von Peter ein und ein Feuer brach aus. Peter versuchte zu fliehen, aber die Tür war verschlossen und er kam nicht raus.-“ „Und wo waren die anderen? Wieso haben die ihn nicht gerettet?“ „Hör endlich auf, mich laufend zu unterbrechen! Die anderen sahen natürlich das Feuer, aber alle Wege, die zu Peter führten brannten lichterloh und so konnten sie ihm nicht helfen. Peter saß in der Falle und verbrannte auf qualvollste Weise. Das Feuer setzte seine Füße in Brand und arbeitete sich von dort langsam nach oben. Über die Beine, den Bauch, die Brust, die Arme und erst zum Schluss der Kopf. Erst nachdem das letzte Haar verbrannt war, starb Peter.-“ „Heißt das, er hat miterlebt, wie er ganz langsam verbrennt?“ „In der Tat. Aber die Flammen ließen sich Zeit. Erst verbrannten sie seine Haut, bevor sie sich in sein Inneres bohrten und ihn langsam von ihn auffraßen.“ „Er ist von Innen verbrannt?“, fragte ich kleinlaut. Wie brutal war das denn? „Ja. Als man am nächsten morgen die Herberge betrat, stellte man fest, dass nur die Stelle an der Peter gestanden hatte, vom Feuer betroffen gewesen waren. Alles andere war nicht einmal angesengt. Von Peter selbst blieb allerdings nur ein Haufen Asche, der vom Wind davon getragen wurde. Es klang so, als würde der Wind heulen >Ich werde mich rääääääääächen für das Leiiiiiiiiid, das ich ertraaaaaaagen musste. Von heute an alle füüüüüüüüünfzig Jahre werde ich wiederkeeeeehren und den jüngsten Gast des Hauuuuuuuses auf ebenso grauuuuuuuusame Art vom Feuer verzeeeeeeehren lassen<. Seitdem nennt man ihn Peter mit der Feuerfaust“ Ich schluckte „Und wann sind die fünfzig Jahre um?“ „irgendwann dieses Jahr.“, meinte Seto leichtfertig, „Welcher Tag ist denn heute?“ „Der 15. November“ Er sog scharf die Luft ein „D-das ist nicht dein Ernst, oder?“ „Doch, wieso?“ „Das ist schlecht, mehr als schlecht“, in Setos Stimme flackerte Panik auf. „W-was ist denn?“, fragte ich ängstlich. Wieso hatte er nur solche Angst? „Es ist heute“, er packte mich an den Schultern und schüttelte mich, „Verstehst du nicht? Heute sind die fünfzig Jahre um“ „N-nein unmöglich. Was sollen wir tun?“ „Wir? Nichts“, er wich vor mir zurück, „I-ich bin es nicht, auf den er es abgesehen hat, sondern du. Der jüngste Gast des Hauses. Also ich verschwinde“ Er wollte von der Couch, aber ich hielt ihm am Arm fest, „Vielleicht täuscht du dich ja?“ „Nein, es passt alles. Achte doch auf die Anzeichen.“, flüsterte er unruhig, „Er wird bald da sein“ „W-was für Anzeichen?“ „Als erstes kommt das Unwetter, dann der Stromausfall. Dann hörst du, wie er an der Fensterscheibe kratzt, nur ganz leicht, aber trotzdem hörbar.“ Da war tatsächlich ein Geräusch an den Fensterscheiben, als würde immer wieder leicht etwas gegenschlagen. „Dann siehst du ein Flackern auf dem Flur und hörst seine Schritte, wie er langsam näher kommt“ „S-seto, es flackert wirklich“, zittrig deutete ich auf den Türspalt, durch den immer nur für wenige Sekunden Licht fiel und dann wieder verschwand. Und da waren Schritte, die näher kamen. „Dann fehlt nur noch das letzte Vorzeichen“, flüsterte Seto düster. „W-was?“ „Die Tür springt auf und Peter mit der Feuerfaust steht da, bereit dich zu rösten“, seine Stimme war so leise, dass ich ihn nur mit Mühe verstanden hatte. Mit einem Ruck flog die Tür auf und er stand da, mit dem Feuer in der Hand. „NEIN“, ich schrie verzweifelt und klammerte mich an Setos Körper, „Töte mich nicht, bitte nicht. Ich bin zu jung zum sterben“, wimmerte ich. Ich hatte noch nie so viel Schiss, wie in diesem Moment. Aber dann hörte ich, wie Seto anfing zu lachen. „Wieso sollte ich dich töten?“, fragte Akito verständnislos. Er hielt immer noch die Kerze in der Hand, die ich für die Feuerfaust gehalten hatte. Hinter ihm sah Mokuba neugierig zu mir. „Du bist nicht... Peter mit der Feuerfaust... oder?“, stellte ich verängstigt fest. „Ach, die alte Geschichte.“, Mokuba grinste, „Sag bloß, du bist darauf reingefallen“ „Reingefallen? A-aber es war doch so echt. Es hat doch alles gepasst. Die Fenster, das Licht...“, hauchte ich fassungslos. Ich sah Seto fragend an, aber der kriegte sich immer noch nicht ein vor Lachen. Dabei schien er nicht mal mitzukriegen, dass ich immer noch an ihm klebte. „Wenn der Wind stark ist, schlagen die Zweige immer ans Fenster. Wahrscheinlich hast du das gehört“, erklärte Akito, „Und das Licht war Mokubas Taschenlampe“ „Aha... Aber Seto, du warst doch total panisch...“ Er atmete kurz durch,um nicht gleich wieder loslachen zu müssen, „Ich bin wirklich sehr überzeugend, nicht wahr?“, er lächelte immer noch amüsiert, „So viel dazu, dass ich dich nicht erschrecken kann“, dann fing er erneut an zu lachen. >Er ist so wunderschön, wenn er lacht...< Ich klammerte mich weiterhin an ihn. Solange er nichts dagegen sagte, sah ich es gar nicht ein, ihn loszulassen. Immerhin war er schön warm und er roch so gut. Akito stellte ein paar Sachen auf den Tisch ab, die ich nicht erkennen konnte. Erst, als er die ganzen Kerzen anzündete, sah ich, was es war. Bier, Wodka, Chips und Cola. „Hey, wieso plünderst du meinen Kühlschrank?“, fragte Seto entrüstet. „Ohne Strom kühlt der nicht mehr, weißt du? Da dachte ich, wir sollten das Zeug vernichten, bevor es warm wird.“, Akito grinste, „Cola für die Kleinen und Alkohol für uns beide“ „Ich gehöre doch nicht zu den Kleinen!“, fauchte ich. „Und trotzdem suchst du Schutz bei Mama Seto?“ Was sollte ich darauf erwidern? Also starrte ich ihn nur feindselig an. „Ach lass ihn“, meinte Seto, „Er hat mich doch nur etwas gewärmt. Richtig?“ Überrascht sah ich ihn an. Er nahm mich in Schutz? >Ich liebe dich, mein Held ^^< Eilig nickte ich „Stimmt, ich habe ihn nur gewärmt“ „Und damit kannst du jetzt auch gern wieder aufhören“, Seto schob mich etwas von sich, sodass ich ihn unfreiwillig loslassen musste, „Du kannst Bier haben, aber für Wodka bist du zu jung“ „Ich bin genauso alt wie du!“, murrte ich. „Nicht ganz. Ich bin stolze 18 und du nur jämmerliche 17. Mir erlaubt das Gesetz zu trinken, dir nicht“ „Vor einem Monat klang das aber noch ganz anders“, meinte Mokuba spitz, „Da hast du noch gesagt >Mit 17 ist man ja schon im 18. Lebensjahr, also bereits erwachsen<“ Seto seufzte melancholisch „Damals war ich noch schrecklich unreif. Aber man möge es mir verzeihen, denn ich war ja noch minderjährig“ „Dieser Sinneswandel hat natürlich rein gar nichts damit zu tun, dass du jetzt erst legal an den Alkohol kommst“ „Natürlich nicht! Was unterstellst du mir denn?“, Seto hüstelte künstlich, „Aber als ich dann die erste Flasche Wodka legal erwarb, da dachte ich mir, vielleicht haben diese Altersbeschränkungen ja tatsächlich einen Sinn...“ „Und wenn du jetzt noch einmal 17 wärst, würdest du natürlich keinen Alkohol mehr trinken oder mit gefälschtem Führerschein Auto fahren.“, höhnte Akito „Du bist mit gefälschtem Führerschein Auto gefahren?“, fragte ich zweifelnd. „Ich hab mich doch nur um ein Jahr älter gemacht. Das ist doch wohl kein Verbrechen.“ „Doch eigentlich schon“ „Hey, ich hab das Gesetz doch nicht gebrochen, sondern es nur ein bisschen zurecht gebogen. Und jetzt hab ich ja einen richtigen Führerschein. Ich hab dem nur ein bisschen vorgegriffen“, er schnaubte, „Außerdem, was reden wir denn jetzt von mir? Überlegt lieber, was wir jetzt machen!“ „Wir könnten in die Billardfabrik fahren und ein paar Runden spielen“, schlug Akito vor. „Mit MEINEM Führerschein wohlgemerkt“, rief Seto triumphierend. „Oder wir fahren ins Kino“ „Auch mit MEINEM Führerschein“ „Ja, du hast einen ganz tollen Führerschein.“, Mokuba verdrehte die Augen, „Aber der nützt gar nichts, weil weder Kino noch irgendetwas anderes Strom hat.“ „Dann bleiben wir doch einfach hier und erzählen Horrorgeschichten“, schlug ich vor. „Damit du wieder in Panik gerätst?“, fragte Akito. „Ich bin doch nur in Panik geraten, weil Seto so panisch geworden ist!“ „Meine Überzeugungskraft ist grenzenlos.“, nickte er bestätigend, „Deshalb kriege ich ja auch immer die besten Verträge.“ Wir gaben die ganze Nacht Gruselgeschichten zum besten, wobei Seto und Akito einen Großteil des Alkoholvorrats vernichteten. Aber wenn sie davon betrunken waren, merkte man es ihnen überhaupt nicht an. „Ich kenne eine tolle Geschichte“, meinte Akito, „Eine alte Frau lebte seit Jahren allein in einem großen Haus. Nur ihr Hund leistete ihr Gesellschaft. Wenn sie abends schlafen ging, ließ sie immer eine Hand aus dem Bett hängen, an der ihr Hund jede Nacht so lange leckte, bis er eingeschlafen war. Eines Abends, als sie gerade dabei war einzuschlafen, hörte sie ein leises Tropfen. Also stand sie auf und ging in die Küche, um den Wasserhahn fester zuzudrehen. Dann ging sie wieder ins Bett und ließ ihre Hand heraus hängen, damit der Hund daran lecken konnte. Doch dann hörte sie es wieder. Tropf, tropf, tropf... Also sah sie im Bad nach und drehte die Hähne fester zu. Wieder legte sie sich ins Bett und ließ den Hund ihre Hand lecken. Da hörte sie es wieder. Tropf, tropf, tropf... Sie wunderte sich, woher dieses Geräusch kam. Also ging sie in den Keller und drehte den letzten Hahn, den sie noch nicht überprüft hatte, zu. Plötzlich hörte sie das Geräusch neben sich. Tropf, tropf, tropf... Es kam aus dem Schrank. Vorsichtig öffnete sie ihn. Und zum Vorschein kam der tote Hund. Er war an einem Fleischerhaken aufgehängt und das Blut tropfte auf den Boden des Schrankes. Da fand sie einen Zettel, auf dem stand: >Auch Mörder können lecken!<“ Ich schüttelte mich „Wie unheimlich. Der Mörder hat ihr die ganze Zeit die Hand geleckt?“ „Zweitklassiger Horror“, meinte Seto ungerührt. „Als ob deine Geschichte besser war!“, murrte Akito. „Doch, irgendwie schon“ „Aber stell dir doch mal vor, was du in dieser Situation machen würdest“, flüsterte ich, „Du weißt, dass der Mörder die ganze Zeit neben deinem Bett gelegen hat. Und jetzt ist er oben in deinem Haus und wartet auf dich“ „Pech“, Seto gähnte nur, „Wir sollten langsam auch mal ins Bett gehen. Es ist schon spät“ „Und ich muss noch nach Hause“ „Schlaf doch hier, Joey“, schlug Mokuba vor, „Geht das, Seto?“ „Von mir aus“ „Im Ernst?“, ich sah Seto aus großen Augen an, „Ich darf hierbleiben?“ „Ja, Mokuba zeigt dir, wo du schlafen kannst“ Hab ich schon erwähnt, dass Seto mein Held ist? Seto griff nach der Taschenlampe und leuchtete uns den Weg durch den Flur. Vor einer Tür blieb Mokuba stehen. „Hier kannst du schlafen, Joey“ „Was denn? In dem verfluchten Zimmer?“, fragte Seto. Mokuba stieß ihm in die Seite „Hör nicht auf ihn. Das Zimmer ist okay.“ „Danke. Habt ihr vielleicht noch einen Schlafanzug für mich?“ „Ich bring dir gleich einen“, meinte Seto und tappte davon. „Ich werde auch schlafen gehen“, sagte Mokuba, „Schlaft gut“ „Ja, ich geh dann mal auch in mein Zimmer“, nickte Akito. Und schon war ich ganz allein. Im Dunkeln. Ich ging ins Zimmer und sah mich etwas um. Soweit ich das ohne Licht beurteilen konnte, war es recht luxuriös eingerichtet. Ein großes Bett, ein wertvoll aussehender Schrank und sogar ein Badezimmer. Langsam ließ ich mich auf die Bettkante sinken. Es war trotzdem irgendwie unheimlich hier. Zum Glück kam Seto bald wieder. „Hier. Der Schlafanzug müsste passen.“, er hielt ihn mir vor die Nase. „Gehört der dir?“ „Nein, keine Sorge. Für Gäste haben wir immer Schlafanzüge in jeder Größe da. Gosaburos Gesetz der Gastfreundschaft.“ „Danke.“, ich nahm ihn ihm ab, auch wenn es mir nichts ausgemacht hätte, wenn es einer seiner Schlafanzüge gewesen wäre. Aber man kann ja nicht alles haben. „Kein Problem. Brauchst du sonst noch etwas?“, er war schon wieder halb dabei, zu gehen. „W-willst du nicht noch etwas hierbleiben?“, fragte ich kleinlaut. „Joey...“, Seto setzte sich neben mich aufs Bett, „Du musst keine Angst haben. In dem Haus ist noch keiner gestorben und du wirst bestimmt nicht der Erste sein.“ „I-ich hab ja auch keine Angst“ „Als ich das erste Mal in diesem Haus übernachten musste, hab ich kein Auge zugekriegt, so verängstigt war ich. Aber hier gibt es wirklich nichts, worüber du dir Sorgen machen musst, okay? Außerdem bin ich ja auch noch da.“, meinte er beruhigend. „Okay...“, murmelte ich. „Dann schlaf gut“, er stand auf und schloss die Tür hinter sich. In der Nacht konnte ich einfach nicht schlafen. Ich hatte viel zu viel Angst davor, dass irgendjemand kam und mich abfackelte oder dass ein Mörder unter meinem Bett lag. Setos Worte waren zwar lieb gemeint gewesen, aber so ganz geholfen hatten sie nicht. Plötzlich schlug etwas gegens Fenster und ein gleißender Blitz erhellte die Nacht. Ich saß mit einem Mal kerzengerade im Bett. Okay das wars! In dem Zimmer würde ich bestimmt nicht bleiben! Schnell eilte ich auf den Flur. Ich wollte einfach nur weg. Irgendwohin, wo ich sicher war, am besten zu Seto. Also suchte ich sein Zimmer, das sich hier in der Nähe befinden musste. Nach einigen Fehlversuchen fand ich es auch. Ich schlich mich zu seinem Bett. Sehr gut, er schlief schon tief und fest. Doch dann entdeckte ich Mokuba. Er schlief zwar auch schon, aber an den Bauch von meinem Seto gekuschelt. Und Raiko lag zusammengerollt auf seinen Füßen. Scheinbar hatten wir alle dieselbe Idee gehabt, uns von Setos Nähe beruhigen zu lassen bei diesem schrecklichen Sturm. Ich kuschelte mich an seine freie Seite und legte den Kopf auf seine Brust. Sein gleichmäßiger Herzschlag beruhigte mich ungemein und er war so wunderschön, genau wie sein Bestitzer. Bevor ich mich ganz hinlegte, sah ich noch mal in Setos schlafendes Gesicht. Er sah aus wie ein Engel und seine Züge waren völlig entspannt. Sein Mund war ein bisschen geöffnet, sodass er schon fast zum Küssen einlud. Sollte ich es wagen? Nur ein winzig kleiner Kuss? Er würde es nie erfahren und ich könnte einmal von seinen weichen Lippen kosten. Nur einmal... Und wenn er es doch rausfände und mich deshalb umbrächte, so würde ich als glücklichster Mensch der Welt sterben. Vorsichtig beugte ich mich zu ihm vor. Ich konnte bereits seinen Atem auf meinem Gesicht spüren. Dann tat ich es einfach. Ganz vorsichtig und sanft küsste ich ihn. Er hatte tatsächlich so wunderbar weiche Lippen wie ich immer vermutet hatte und er schmeckte angenehm süß. Ich hätte Stunden an ihm hängen können, aber das Risiko, dass er aufgewacht wäre, war zu groß. Berauscht ließ ich von ihm ab und sah noch einmal in sein Engelsgesicht. Er schlief immer noch seelenruhig. Gut so. Überglücklich kuschelte ich mich wieder an seine Brust und ließ mich von seinem Herzschlag beruhigen. Ich schlief mit dem Gedanken ein, dass ich meinen allerersten Kuss einem Engel geschenkt hatte. Danke für die vielen lieben Kommentare. Freut mich, wenn die ff jemandem gefällt. ;) Kapitel 13: Blöder Rat ---------------------- Blöder Rat! Hatte ich denn jetzt komplett den Verstand verloren oder wieso träumte ich so einen Scheiß? Ich hatte geträumt, Joey wäre in der Nacht zu mir ins Bett gekrochen und hätte mich geküsst. Wieso hatte er das getan? Wieso hatte er mich geküsst? Zweimal sogar. In der Nacht und am Morgen noch einmal. Ich hatte sogar das Gefühl gehabt, sein Gewicht auf mir zu spüren. Dachte er etwa, ich würde das nicht mitkriegen, oder was? Aber vielleicht hatte ich das ja auch nur geträumt. Ich meine, wieso sollte er mich schon küssen? Er konnte ja wohl schlecht etwas für mich empfinden, oder? Schließlich war es ja nicht unbedingt so, als würde ich irgendetwas Liebenswürdiges an mir haben. Ja, ich hatte es bestimmt nur geträumt. Obwohl mein logischer und realistischer Verstand normalerweise nicht unbedingt dazu neigte, von Jungs, die mich küssen, zu träumen. Wie sollte Joey mich überhaupt geküsst haben? Er war doch gar nicht in meinem Zimmer gewesen, oder? Nein, hier war nur Mokuba und der schlief noch. Jedes Mal, wenn ein schwerer Sturm kam, kroch er in mein Bett und suchte bei mir Schutz. Sachte rüttelte ich an ihm. „Hey, Zwerg. Wach auf“ Langsam rekelte er sich auf meinem Bauch „Was ist?“, nuschelte er. „Der Sturm ist vorbei“, flüsterte ich sanft. „Hm“, trotzdem blieb er auf mir liegen. „Ist dir letzte Nacht irgendetwas aufgefallen?“ „Was denn?“ „Keine Ahnung“, ich kraulte ihm den Nacken, „Etwas Ungewöhnliches?“ Vielleicht ein Blondschopf, der nicht hätte hier sein sollen? „Nein. Wieso?“ „Ach, nicht so wichtig“ Dann musste es wirklich ein Traum gewesen sein, wenn Mokuba nichts bemerkt hatte. Auf einmal kam Joey ins Zimmer. Er balancierte ein Tablett. „Morgen“, flötete er, wobei er das Tablett auf dem Nachttisch abstellte, „Ich hab euch Kaffee und Kakao gebracht.“ Er reichte uns die Tassen. „Danke“,murmelte ich und nippte daran. Der Kaffee war etwas dünn, aber trotzdem genießbar, „Du bist ja so gut drauf“ „Jepp, ist ein schöner Tag. Die Sonne scheint und der Strom ist wieder da“, er grinste, „Außerdem habe ich fantastisch geschlafen“ „Und das obwohl du so verängstigt warst? „Du hast mich irgendwie beruhigt.“ „Wie?“, fragte ich überrascht. Er war doch wohl nicht in meinem Zimmer gewesen... „I-ich meine das, was du gesagt hast. War wirklich sehr beruhigend“, er grinste immer breiter. Naja, so anders als sonst war er nicht. Bestimmt nur ein Traum... Erleichtert lehnte ich mich zurück und schloss die Augen. „Da bring ich dir extra deinen Kaffee und du döst trotzdem weiter!“, schmollte er. „Ich döse nicht, ich entspanne mich, Joey“ „Wenn du gerade nichts Besseres zu tun hast, dann erklär mir doch mal, wozu du sechs Kaffeemaschinen brauchst“, Er setzte sich auf Bett und ich konnte spüren, wie sein Blick auf mir ruhte.“ „Erstens, mein lieber Josef“, ich sah ihm streng in die Augen, „kannst du nicht einfach Entspannen und Nichtstun gleichsetzen und zweitens, wieso sollte ich keine sechs Kaffeemaschinen haben?“ „Weil eine reicht?“ „Ganz und gar nicht. Pass auf. Maschine eins ist ständig in Benutzung. Irgendwann geht sie kaputt. Dann kommt Maschine zwei zum Einsatz, die allein aus Prinzip schon kaputt geht. Also folgt Maschine drei. Und da mein Dienstmädchen ziemlich vergesslich ist und vergessen wird, neue Maschinen zu kaufen, werden so Maschine vier und fünf zu Maschine zwei und drei, falls die neue Maschine eins kaputt geht. Klar soweit?“ „Denke schon... und Maschine sechs?“ „Die ist für den Fall, mit dem kein Schwein rechnet.“ „Verstehe...Jedenfalls solltet ihr bald aufstehen. Ich glaube, das Dienstmädchen hat bereits das Frühstück vorbereitet.“ „Seit wann richte ich mich denn nach dem Dienstmädchen?“, fragte ich patzig. „Ich stehe schon mal auf“, meinte Mokuba und sprang aus dem Bett, „Komm Joey“ „Aber was ist mit dir, Seto?“, fragte Joey hastig, bevor Mokuba ihn aus dem Zimmer zog. „Ich komm dann nach“, murmelte ich. Ja, Joey war wohl wie immer. Nichts, worüber ich mir Sorgen machen müsste. Trotzdem machte ich mir welche. Ich musste unbedingt meine Beziehung zu Joey überdenken Mokuba zog mich aus dem Zimmer, ohne dass ich wusste, wieso. Auf dem Flur ließ er mich los. „Was ist denn?“, fragte ich verwirrt. „Du hast meinen Bruder ziemlich gern, oder, Joey?“ „Ja, natürlich. Wieso fragst du das?“ Mokuba grinste verschlagen „Ich hab gesehen, wie du ihn geküsst hast“ „W-was?“, ich wurde bleich vor Schreck. Da hatte ich mich heute Morgen extra früh raugeschlichen, damit Seto mich nicht bemerkte und dann sowas! Da hätte ich auch gleich bei ihm liegen bleiben können. Dann hätte ich wenigstens noch ein bisschen mit meinem Seto kuscheln können. „Keine Sorge, ich halte zu dir“, er lächelte verständnisvoll, „Ich glaube, Seto wusste heute morgen gar nicht, ob das wirklich passiert war oder nicht?“ „E-er hat es gemerkt?“ „Er war sich nicht sicher, aber ich hab ihn davon abbringen können. Entspann dich“ „Als ich ihm gestern so nah war, konnte ich ihm einfach nicht wiederstehen“, murmelte ich verlegen. „Ich wusste ja, dass mein Bruder ein Frauenschwarm ist, aber dass er auch Männer anzieht, ist mir neu.“ „Findest du es abartig?“, fragte ich leise. Er schüttelte den Kopf „Wieso sollte ich?“ „Aber Seto empfindet nicht dasselbe, fürchte ich.“ „Ich weiß nicht, was Seto fühlt. Aber ich bin mir sicher, dass wenn er etwas mit einem Mann anfangen würde, dann bestimmt mit dir. Ich glaube, er hat dich wirklich sehr gern“ „Im Ernst?“ „Natürlich. Sonst würde er nicht zulassen, dass du seinem Zimmer auch nur zu Nahe kommst. Er wird immer fast wahnsinnig, wenn Dr. Kana einfach reingeht. Das kann er auf den Tod nicht ausstehen“ Ich konnte nicht anders als wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen. „Wenn du wissen willst, ob er dir wirklich vertraut, dann geb ich dir einen Tipp. Frag ihn nach Riku.“ „Wer ist das?“, fragte ich überrascht. Den Namen hatte ich noch nie gehört. „Das wirst du dann erfahren. Wenn Seto dir tatsächlich davon erzählt, kannst du dir sicher sein, dass er mehr als nur einen Freund in dir sieht. Dann bist du schon so etwas wie eine Vertauensperson für ihn.“ „Das muss ich gleich ausprobieren“, rief ich eifrig. „Noch ein Tipp. Seto mag es auch nicht, wenn man ihn als perfekt ansieht. Das findet er unglaubwürdig. Wenn du etwas an ihm zu kritisieren hast, dann sag es ihm einfach.“ „Ich finde in aber perfekt“ „Aber das ist er nicht, Joey“ „Dann sag mir, was ich kritisieren soll.“, bat ich. Ich wusste, dass Seto keineswegs perfekt war, aber ich fand, seine Fehler machten ihn erst recht zu etwas ganz Besonderem. Außerdem hatte ich ihm gegenüber die rosarote Brille auf. „Nun... er kann schrecklich stur sein und er hat eine überschwengliche Fantasie. Außerdem hat er unglaublich viele Eigenarten, die manchmal ganz schön gewöhnungsbedürftig sind. Wie die Sache mit den Kaffeemaschinen. Er folgt einfach seiner eigenen Logik.“ „Ich find das alles nicht schlimm“, widersprach ich, „Außerdem ist er unglaublich niedlich, wenn er seine Eigenarten auslebt. Dann leuchten seine Augen immer so hell vor Begeisterung.“ „Jaja, kritisier ihn trotzdem ab und zu. Sonst hält er dich für einen Schleimer. Sei ruhig konsequent. Und noch etwas. Näher dich ihm auch etwas an. Jeder weiß, dass durch Körperkontakt Hormone im Körper freigesetzt werden. Das kannst du für dich nutzen. Vielleicht entwickelt Seto dann auch Gefühle für dich. Und sei mal ein bisschen locker.“ , Mokuba streckte sich ein wenig, „Ich geh mich anziehen. Wir sehen uns dann beim Frühtück.“ „Ja, okay“ Ich ging selbst in mein Zimmer und zog mich an. Danach schaute ich noch mal bei Seto vorbei, um zu sehen, ob er schon aufgestanden war. Aber als ich nachsah, lag er auf dem Bauch und döste vor sich hin. „Hey, ich dachte, du wolltest aufstehen“ „Ich hab ja nicht gesagt, dass ich sofort aufstehe, oder?“, knurrte er. Ich ging zu ihm „War aber so gedacht.“ „Dann hast du falsch gedacht.“ Ungeduldig rüttelte ich an ihm „Steh auf!“ „Lass mich!“, er griff nach seinem Kissen und warf es mir ins Gesicht. Überrascht fiel ich aufs Bett. „Was zum-“ Ich lag da und sah Seto verwundert an. „Lass dir das eine Lehre sein!“, murrte er „Okay“, ich dachte an Mokubas Worte. Körperkontakt, ganz wichitg. Dafür war doch jetzt der optimale Zeitpunkt. Ich sprang auf und setzte mich auf Setos Rücken, „Wenn du nicht aufstehst, bleib ich den ganzen Tag hier sitzen“ Er stöhnte gequält auf „Wieso folterst du mich so?“ „Ich will nur dein Bestes“, ich könnte mich glatt daran gewöhnen, auf ihm zu sitzen. „Wie soll ich denn aufstehen, wenn du auf mir sitzt?“, er versuchte mich abzuschütteln, doch ich blieb stur. Als er sich aber plötzlich umdrehte, verlor ich das Gleichgewicht und fiel direkt auf ihn, sodass wir uns nun ganz nah waren. Mein Herzschlag explodierte und ich wurde rot. Aber zu meiner Erleichterung und Verwunderung merkte ich, dass Seto selbst etwas rot geworden war und peinlich berührt aus dem Fenster sah. „T-tut mir Leid“, murmelte ich, während ich mich etwas aufrichtete, „Andererseits war es deine Schuld. Du hättest ja auch einfach aufstehen können“ „Du hast mich ja nicht gelassen!“, sein Blick haftete nun auf mir. Ich starrte zurück. Also sahen wir uns eine Weile lang einfach nur fest an. Ich hatte Mühe, mich nicht in seinen blauen Augen zu verlieren. Perfekter Zeitpunkt für Kritik. „Du bist so stur!“, meinte ich verärgert. Seto sah mich verblüfft an „Was ist denn mit dir?“ „Nichts! Und wenn du jetzt nicht aufstehst, schleif ich dich zum Frühstück“ Meine so untypische Reaktion schien ihn total zu verwirren. Aber er fasste scheinbar schnell eine Gegenstrategie, denn plötzlich sah er mich aus großen traurigen Augen an. „Bist du etwa sauer auf mich? Du guckst so böse“ Es war verflucht schwer, so konsequent zu bleiben, wenn Seto einen so verletzt ansah. Ich musste hart schlucken, bevor ich meine Stimme wiederfand. „Der Trick zieht nicht! Und jetzt steh auf“ Ich packte ihn an der Hand und zog ihn aus dem Bett. „Schaffst du es, dich allein anzuziehen oder soll ich dir helfen?“, fragte ich spöttisch. „Nein, danke!“, schnaubte er beleidigt, „Verschwinde! Das mach ich allein“ „Schon gut“, ich ließ ihn in Ruhe und ging schon mal ins Esszimmer. Nachdem ich mich noch kurz verlief, fand ich es irgendwann. Auf dem Tresen standen zwei Teller mit einem fleischähnlichen Gemisch. Vermutlich war das unser Frühstück. Ich kostete schon mal vorsichtig. Es schmeckte ungewöhnlich, aber nicht schlecht. Einer der Teller war wahrscheinlich sowieso für mich. Also konnte ich ja schon mal ein bisschen davon naschen. Aber plötzlich sprang mich Raiko an. Er knurrte und bellte, bevor er an meinem Schlafanzug zerrte. „W-was ist denn los?“, rief ich überrascht. Der Hund ließ einfach nicht von mir ab. „SEEEETOOO! Hilfe!“ Seto reagierte überraschend schnell. Kaum hatte ich geschrien, schon stand er vor mir. „Dein Hund will mich fressen“, rief ich verzweifelt. „Raiko! Aus!“, sagte er streng, „Komm her!“ Tatsächlich ließ der wahninnige Hund von mir ab und trottete auf Seto zu, der ihn problemlos auf den Arm nahm. „Qu'est-ce que c'est mon beau chien?“, fragte Seto sanft, während er ihm beruhigend über sein Fell strich. Raiko knurrte als Antwort nur etwas, bevor er seine Pfoten und den Kopf auf den Schultern seines Herrchens ablegte. Es sah seltsam aus, wie Seto den Hund, der nicht gerade klein war, mühelos festhielt. „Sehr eigenartig“, murmelte er, „Hast du etwas getan, um ihn zu ärgern?“ „Nein, ich stand nur hier und hab etwas davon gegessen“, beteuerte ich. Seto schaute kurz auf die Teller. Dann sah er mich ungläubig an. Sein Blick glitt immer wieder zwischen mir und dem Teller hin und her. „Wieso futterst du meinem Hund sein Frühstück weg?“, fragte er anklagend, „Kein Wunder, dass er sauer ist“ „S-sein Frühstück?“, fragte ich entsetzt, „Ist das etwa... Hundefutter?“ „Nein, Spezialhundefutter für besonders glänzendes Fell“, er ließ Raiko vom Arm, hielt ihn aber noch am Halsband fest. Angewidert spuckte ich das Zeug aus. Hundefutter, wie abartig! „Bedien dich ruhig. Wir haben genug von dem Zeug“, meinte Seto amüsiert lächelnd, „Aber verlang dann nicht von mir, dass ich das gleiche esse.“ „Witzig!“ Er füllte ein Glas mit Wasser und reichte es mir. Dankbar nahm ich es ihm ab. „Wie kommt es ,dass ich mich vor dir ständig blamiere?“, fragte ich niedergeschlagen. „Keine Ahnung. Mach ich dich denn so nervös?“ „N-nein, du doch nicht“ „Ah, gibt’s jetzt Frühstück?“, fragte Mokuba plötzlich. „Klar. Jetzt brauch ich was Richtiges zu essen“, rief ich. „Wo ist eigentlich Popcorn?“, wollte Seto wissen. Mokuba zögerte kurz „Den hab ich einem Freund geliehen, der sonst ganz allein gewesen wär. Ist doch nicht schlimm, oder?“ „Nein... schon okay“,meinte Seto etwas überrascht. Während des Essens war er ruhiger als sonst. Scheinbar dachte er über etwas nach. Dabei warf er mir öfters nachdenkliche Blicke zu. Woran er wohl dachte? Jedenfalls brauchte ich eine Mordsgeduld, um ihn dazu zu bringen, überhaupt etwas zu essen. Und selbtst das war nicht viel. Seit Beginn unseres Projektes hatte ich Seto nach und nach dazu bewegen können, mit jedem Mal etwas mehr zu essen. Aber heute schien er rein gar keinen Hunger zu haben. „Wenn du so schrecklich hungrig bist, dann iss doch einfach was“, meinte er nach einer Weile genervt, „Es sieht doch eh keiner zu“ „Aber nur außnahmsweise“, sagte ich streng. „Als ob du nicht schon tausende Male gegen das Projekt verstoßen hättest“, seufzend trank er seine dritte Tasse Kaffee. „Wenigstens bin ich nicht kaffeesüchtig!“ „Nein, du bist ganz schön patzig!“ „Hab ich wohl von dir!“, konterte ich. „Ach sei einfach ruhig und geh mir nicht auf den Keks!“, knurrte er gereizt. Mokuba zog mich zu sich und flüsterte mir ins Ohr: „Joey, du sollst nicht mit ihm streiten, du sollst nur konstruktive Kritik üben.“ „Bin ich zu streng?“, fragte ich überrascht. „Nein, nur zu aggressiv.“ Ich sah zu Seto, der uns misstrauisch beobachtete „Es tut mir Leid“, meinte ich ehrlich, „Ich wollte nicht fies sein“ Das schien Seto jetzt definitiv zu verwirren „Was hat dir Mokuba gesagt?“ „Er? Nichts“ „Du bist ziemlich seltsam heute“, meinte er, „Bist du krank oder so? Oder ist etwas... Ungewöhnliches vorgefallen?“ Wollte er auf etwas Bestimmtes hinaus? „Nein, alles wie immer“ „In... Ordnung. Ich geh kurz mit Raiko raus“ „Warte. Ich komme mit“, ich wollte aufstehen, doch Seto drückte mich zurück auf den Stuhl. „Nicht nötig. Das schaff ich allein“, meinte er fest, „Derweil könnt ihr ja weiter besprechen, wie ihr mir den letzten Nerv raubt.“, er pfiff kurz und verschwand dann zusammen mit dem Hund. „Deine Tipps haben gar nichts gebracht“, murmelte ich betrübt, „Jetzt ist er genervt von mir“ „Er ist nur verwirrt, weil du plötzlich mehr auf ihn zugehst. Das ist er von dir einfach nicht gewohnt“ „Von wegen! Ich hätte einfach alles so lassen sollen, wie es war. Keiner deiner Ratschläge hat wirklich etwas gebracht.“ „Willst du nicht erst mal sehen, wie es sich in ein paar Tagen entwickelt?“ „Nein, so lange kann ich das eh nicht durchhalten. Außer das mit dem Berühren vielleicht. Die Regel mag ich“ Eine Weile lang stocherte ich lustlos in meinem Frühstück herum. Aber dann wurde mir eines klar. „Es gefällt mir nicht, mich so verstellen zu müssen. Auch wenn ihm das so vielleicht besser gefallen würde“, ich sprang auf, „Ich muss zu Seto und ihm sagen, dass das nicht ich war.“ Schnell rannte ich aus der Villa. Vermutlich war er wieder zum See gegangen. Ich rannte fast durch den ganzen Park, bevor ich ihn im Gras liegend fand. „Seto“, erleichtert ließ ich mich neben ihm auf die Knie sinken. Erschrocken setzte er sich auf und sah mich verständnislos an „Was willst du denn?“ „Ich muss dir was erklären.“, keuchte ich, „Das war nicht ich heute, verstehst du? Also ich war das schon, aber ich dachte, wenn ich... also...“ „Mokuba meinte, du sollst aggressiver auf mich zugehen, richtig?“ „Ja... So in der Art.Woher wusstest du das?“ Er sah mich schief an, „Also war es tatsächlich so?“ „Hast du das etwa nur erraten?“, fragte ich überrascht. „Ja...“ „Wow, du bist gut. -Egal. Ich kann mich einfach nicht verstellen, um so zu sein, wie du es vielleicht gerne hättest. Das schaff ich nicht, es tut mir Leid“, flüsterte ich verzweifelt. „Joey-“ „Ich kann es verstehen,wenn du genervt von mir bist. Aber ich wollte es dir doch nur recht machen“, ich schluckte schwer, „Verzeih mir.“ „Joey.“, Seto sah mir fest in die Augen, „Wenn ich etwas in den letzten Jahren gelernt habe, dann, dass es nie gut ist, sich zu verstellen. Und du solltest auch nicht so tun, als ob du jemand anderes wärst. Ich mag dich so, wie du bist, okay?“ „Ist das dein Ernst?“, glücklich fiel ich ihm um den Hals, „Du bist echt der Beste“ „Du darfst mich trotzdem loslassen. Du erwürgst mich gerade“, er versuchte mich wegzudrücken, aber ich wollte ihn noch nicht loslassen. Sein Versuch, mich loszuwerden scheiterte kläglich und mit ein wenig 'Tollpatschigkeit' meinerseits verlor er das Gleichgewicht, sodass ich wieder auf ihm landete. Er keuchte unter meinem Gewicht auf. „Das machst du doch mit Absicht, oder?“, knurrte er. >Da kannst du dir aber so was von sicher sein, mein Süßer! ^^< „Natürlich nicht“, beteuerte ich verschlagen grinsend. Seto schubste mich einfach von sich runter und sah aufs Wasser. „Du bis trotzdem merkwürdig“ „Ich hab dich auch gern, Hasi“, ich liebte es, ihn zu necken. Beleidigt blähte er die Backen auf „Nenn mich nicht so, Blondi!“ „Schon gut.“, ich legte mich neben ihm ins Gras, „Wo ist dein Hund?“ „Irgendwo da hinten“, er deutete über mich hinweg auf eine Wiese, „Der tobt sich aus“ Ich nickte nur. „Im Übrigen: Danke“, sagte Seto plötzlich. „Wofür?“, fragte ich überrascht. „Dafür, dass du so ehrlich zu mir warst. Ich hab mich echt gewundert, was mit dir los war“ „Keine Ursache.“ „Nebenbei... du hast nicht in meinem Bettchen geschlafen... oder?“, fragte er unsicher. „W-wie?“, mir blieb bald das Herz stehen. „Klingt blöd, ich weiß“, leise seufzte er, „Ich hab nur so einen Unsinn geträumt. Nichts für ungut“ Seto sah so verloren aus, wenn er verwirrt war. Wie gern hätte ich ihn jetzt in den Arm genommen. Aber ein kleines Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Das war ja noch mal gut gegangen. Vielleicht könnte ich das ja noch ein paar mal wiederholen, wenn er es nicht bemerkte. Es war das Risiko auf jeden Fall wert gewesen. Wir genossen das schöne Wetter. Was um uns herum passierte, bekam ich gar nicht mit. Stattdessen beobachtete ich Seto ein bisschen von der Seite. Er dachte scheinbar immer noch nach, denn er legte öfters die Stirn in Falten. Irgendwann schloss er die Augen und döste nur noch vor sich hin. Die ganze Zeit spielte der Wind mit einigen seiner Stränen. Sein Anblick verzauberte mich einfach. Aber mir brannte immer noch die eine Frage, die mir Mokuba gegeben hatte, auf der Zunge Vielleicht war jetzt der perfekte Zeitpunkt dafür. „Hey Seto, kann ich dich was fragen? Du musst auch nicht antworten, wenn du nicht willst“ „Was denn?“, er sah mich neugierig an. Mir schlug das Herz bis zum Hals und ich war schrecklich nervös „Wer... wer ist... Riku?“ Schlagartig verdunkelten sich seine Augen. Sein Blick bohrte sich in meinen. Jetzt würde sich entscheiden, ob er mir wirklich vertraute Doch Seto wandte sich ab und starrte finster zum Himmel. Er wollte sich mir wohl nicht anvertrauen. Enttäuscht schloss ich die Augen. Ich hatte so sehr gehofft, dass ich ihm etwas bedeutete. Dann sagte Seto langsam: „Riku... er war mein bester Freund“ So, ich hoffe ihr seid nicht allzu enttäuscht Dafür kommt im nächsten Kapitel mal ein bisschen Wahrheit. Lieben Gruß an alle, die so fleißig Kommis schreiben. Kapitel 14: Die Wahrheit über Riku ---------------------------------- Die Wahrheit über Riku „Riku... er war mein bester Freund“ Überrascht blickte ich wieder zu ihm. Er schien in Gedanken zu sein. „Mit ihm konnte ich über alles reden und er verstand mich immer. Wir kannten uns schon von klein an. Nachdem mein Vater starb und Mokuba und ich zu Gosaburo kamen, da hatte ich schreckliche Angst vor dem, was kommen könnte. Aber Riku hat mir immer Mut gemacht. Ich war damals sehr klein für mein Alter und Riku war zu groß. Er passte auf mich auf und er beschützte mich.“ „Du warst zu klein? Da ist schwer vorstellbar“, meinte ich überrascht. Aber Seto achtete nicht auf mich, sondern erzählte weiter. Es war fast so, als würde er für sich noch einmal alles resümieren und gar nicht mit mir sprechen. „Riku war auch der einzige Freund, den Gosaburo an meiner Seite duldete. Vermutlich, weil er ihn für dumm hielt. Aber das war er nicht. Jedenfalls waren wir oft unterwegs. Bis er starb...“ „Was ist passiert?“ „Eines Nachts waren wir auf dem Weg nach Hause. Wir waren in einer schlecht beleuchteten Gegend. Es war stockdunkel. Und so sahen wir auch nicht die tiefen Schlaglöcher im Asphalt. Ich knickte in einem der Löcher um und konnte nicht mehr aufstehen. Riku wollte mir helfen, aber dabei verfing er sich selbst. Mit seiner Hilfe konnte ich mich trotzdem befreien. Ich wollte ihm auch helfen, als plötzlich ein Auto mit einem wahnsinns Tempo um die Ecke geschossen kam. Verzweifelt versuchte ich Riku zu helfen, aber ich war wie erstarrt. Außerdem hing Riku immer noch in diesem Loch fest. Bevor ich reagieren konnte, stieß er mich zur Seite. Aber er selbst schaffte es nicht mehr, auszuweichen. Das Auto erwischte ihn mit voller Härte. Er war sofort tot.“ Zum Ende hin war Setos Stimme immer leiser geworden. Es schien ihm sehr schwer zu fallen, darüber zu sprechen. Die ganze Zeit hielt er angestrengt die Augen geschlossen, als versuche er, sich die Bilder vor Augen zu führen. Einerseits wollte ich ihn nicht dazu drängen, weiterzumachen. Aber andererseits musste ich wissen, wie es danach weiterging. „Was war dann?“, fragte ich. „Danach... ging es nur noch bergab.“, er öffnete seufzend die Augen und starrte mit leerem Blick zum Himmel, „Ich weiß nicht, was sich Gosaburo davon versprach, aber er nahm mich plötzlich noch härter ran als sowieso schon. Vielleicht wollte er nicht, dass ich zu sehr darüber nachdachte. Vielleicht hat er es ja sogar gut gemeint. Was weiß ich. Jedenfalls hat es nicht funktioniert. Stattdessen wurde alles nur noch schlimmer. Ich konnte mich auf gar nichts konzentrieren und mir gelang überhaupt nichts mehr. Egal, was ich anfing, es ging ohnehin schief. Und je mehr Mist ich baute, desto wütender wurde wiederum Gosaburo. Er schrie nur noch herum, sperrte mich in meinem Zimmer ein und wenn gar nichts mehr half, schlug er zu. In der Zeit bekam ich keinen Bissen runter. Einerseits wegen den blauen Flecken am Bauch von Gosaburos Schlägen, andererseits, war ich viel zu sehr mit den Nerven runter, um überhaupt an Essen zu denken. Allein beim Gedanken daran wurde mir schlecht. Deshalb wurde ich immer dünner und mir passierten auch immer mehr Patzer in der Öffentlichkeit, was der Presse gleich auffiel. Manchmal wurde mir während Veranstaltungen einfach schwarz vor Augen und ich wurde öfters ohnmächtig. Sie nahmen mich gnadenlos in die Mangel. In einer Zeitung stand sogar: >Ist er magersüchtig?< oder >Wird der Druck für ihn zu viel?<. Irgendein Reporter sagte einmal : >Scheinbar ist Gosaburos Goldjunge doch nicht mehr als eine herbe Enttäuschung.< Ich weiß, sowas hätte mir egal sein sollen, aber das war es nicht. Ich wollte nicht vor der ganzen Welt versagen, wo Riku mir so lange geholfen hatte, um mich in der Gesellschaft zurechtzufinden. Damals dachte ich, wenn ich es nicht mehr schaffe mich zu behaupten, dann wäre es so, als hätte ich ihn verraten.“, er schluckte schwer, „Aber das schlimmste für mich war, dass ich mir die Schuld an Rikus Tod gab. Ich fand gar keine Zeit, um ihn zu trauern oder mich mit seinem Tod auseinander zu setzen. Nicht mal richtig trauern konnte ich... Es machte mich dermaßen fertig, so unfähig zu sein, dass ich versuchte mich umzubringen.“ Mir blieb das Herz fast stehen. „W-was redest du denn da?“, meine Stimme zitterte vor Entsetzen. „Ich nahm eine Überdosis Schlaftabletten. Aber die Bediensteten fanden mich rechtzeitig und brachten mich ins Krankenhaus.“ „I-ich denke, das reicht fürs erste“, flüsterte ich. Ich wollte nicht mehr davon hören, wie sehr er sich gequält haben musste. Allein der Gedanke daran, wie schlecht es ihm gegangen sein musste, um Selbstmord zu versuchen, trieb mir die Tränen in die Augen. Aber er redete trotzdem weiter, als hätte er mich gar nicht gehört. „Gosaburo war richtig sauer deswegen. Von da an war er noch strenger zu mir. Er sorgte dafür, dass ich fast nie Zeit für mich hatte und ahndete Fehler noch härter als zuvor“ War der Typ bescheuert, oder was? Wie konnte Gosaburo nur so kaltherzig sein? Anstatt Seto so zu triezen, hätte er ihn lieber unterstützen sollen. „Ich wusste nicht, was ich noch tun sollte. Ich war total am Ende meiner Kräfte. Immer öfter riss ich von der Villa aus, um wenigstens noch ein bisschen Freiraum zu haben. Wenn ich allein war, konnte ich darüber nachdenken, ob es nicht doch eine Möglichkeit gab, aus dieser Situation auszubrechen. Aber Gosaburo sah das überhaupt nicht gern, wenn ich verschwand. Das ließ er mich auch deutlich spüren. Irgendwann traf ich dann wieder auf Ryo. Seine Schwester war zu der Zeit gerade gestorben und deshalb verstand er auch meinen Schmerz. Wir gaben uns gegenseitig Kraft in dieser schweren Zeit. Aber das reichte nicht aus. Wir wollten vergessen. Irgendwann kam Ryo dann mit einem Joint zu mir“ „D-drogen...?“, fragte ich fassungslos. Das war doch jetzt ein Scherz, oder? „Anfangs waren wir uns beide nicht so sicher. Aber als wir es probierten... da war es ein wahnsinns Gefühl. Es war, als wäre alles Schlechte aus deinen Gedanken verbannt worden. Alles war plötzlich so einfach und unkompliziert.“ „Spinnst du? Du willst mir doch wohl nicht erzählen, es wäre gut Drogen zu nehmen!“, fauchte ich wütend, „Das kann doch nicht dein Ernst sein!“ „Ich erzähle nur, wie es war“, Seto sah mich verärgert an, fuhr aber dann unbeirrt fort, „Natürlich war diese Unbeschwertheit nur eine Illusion, das weiß ich auch!“, er klang langsam wirklich gereizt, „Aber genau das war es, wonach Ryo und ich uns sehnten. Wir trafen uns immer öfter, um uns diesem Gefühl hinzugeben. Es ist komisch. Wenn man immer tiefer in diesen Drogensumpf rutscht, dann trifft man viele seltsame Leute. Die meisten waren einfältig und dumm. Doch das war egal. High waren wir alle gleich. Wir wollten alle vor unseren Problemen davonlaufen. Und so vegetierten wir gemeinsam im Rausch dahin. Aber irgendwann war das auch nicht mehr genug und wir griffen zu härteren Mitteln. - Sag nichts! Ich weiß ja, dass es falsch war. - Auch ohne dich“ Er hatte Recht. Vorwürfe würden auch nicht helfen. Ich atmete einmal tief durch „Erzähl weiter“ Seto sah mich gedankenverloren an und nickte schwach. Seine Augen hatten jegliche Leuchtkraft verloren, „Aber wir wussten nicht, wie man das ganze Zeug dosieren musste. Ich kann mich noch genau an diesen Tag erinnern. Der Winter war sehr kalt in diesem Jahr und es war frischer Schnee gefallen. An dem Tag nahmen wir zu viel auf einmal. Es fegte uns regelrecht von den Socken. So ganz genau kann ich mich nicht mehr daran erinnern, aber ich glaube, dass Ryo es sogar noch nach Hause geschafft. Aber mir war schrecklich schwindelig von dem Zeug. Ich konnte mich gar nicht mehr richtig orientieren. Also ließ ich mich irgendwann einfach gegen eine Mauer sinken und schlief ein. Ich war drei Tage lang bewusstlos und musste danach noch einige Wochen lang mit einer Lungenentzündung kämpfen, aber ich überlebte. Nur dummerweise war der Vorfall bei der Presse nicht unbemerkt geblieben und sie beschimpften mich als Junkie und was weiß ich nicht alles. Aber diesmal reagierte Gosaburo darauf. Er schickte mich auf dieses Internat für superschlaue Kinder, weil es dort ein Therapieprogramm für psychisch Gestörte gab. Dadurch bekam ich von dem Medienrummel nichts mit. Dort lernte ich auch Akito und Leo kennen.“ „Tatsächlich?“, fragte ich erschöpft. Setos Geschichte ging mir an die Nerven. Allein das Zuhören belastete meine Psyche ungemein. Er nickte, wobei ein unscheinbares Lächeln auf seinem Gesicht erschien „Leo war einer dieser Motivationstrainer dort. Er sagte immer >halt deinen Körper in Form, dann bleibt es dein Geist auch< Es liegt viel Wahres in diesem Spruch“ „Treibst du deshalb so viel Sport?“ „Auch. Aber hauptsächlich, weil ich es kann. Mir wurde zu der Zeit bewusst, dass ich zweimal schon fast gestorben wäre. Also versuchte ich das Leben so gut es ging zu nutzen. Und durch den Sport fühlte ich mich lebendig.“ „Also half dir Leo deine Psyche zu stabilisieren und wieder Fuß im Leben zu fassen.“, schlussfolgerte ich, „Was war mit Akito?“ Raiko kam zu uns und legte seinen Kopf in Setos Schoß. Sein Herrchen kraulte ihm mit einem liebevollen Blick den Kopf. „Er war auch eines dieser superschlauen Kinder. Genau wie ich. Er war ein Jahr älter, aber das machte nichts. Wir waren die einzigen, die nicht dazugehörten. Wie grenzten uns von den anderen ab, weil wir uns nicht mit diesem Geniegefasel identifizieren konnten. Ich denke, man kann sagen, wir haben den Laden mächtig aufgemischt.“, er grinste schwach, aber es erlosch gleich wieder, „Es war eine sorglose Zeit, auch wenn diese Genies mir auf die Nerven gingen und die Lehrer streng waren. Es wurde strikte Disziplin gefordert und wer sich nicht daran hielt, wurde bestraft. Aber die Lehrer waren gerecht und die Strafen akzeptabel. Nicht wie bei Gosaburo, der nach Lust und Laune zuschlug. Ich brauchte diese Zeit, um mich selbst zu finden und Rikus Tod zu verarbeiten. Aber dann fiel mir wieder Mokuba ein. Ich musste etwas für ihn tun, damit er nicht Gosaburos Launen zum Opfer fiel wie ich. Also übernahm ich seine Firma. Es war eigentlich recht einfach. Gsaburo war erstaunlich zu überwältigen. Aber die Firma zu leiten war entsetzlich schwer. Ich musste mich in der Geschäftswelt erst einmal zurechtfinden und gegen Vorurteile mir gegenüber ankämpfen. Aber es war zu hart. Ich musste mich anpassen, damit ich Erfolg haben konnte. Am Ende musste ich das so sehr, um nicht zu zerbrechen, dass ich nicht mehr ich selbst sein konnte. Akito und Leo bemerkten, wie ich immer kälter und verschlossener wurde und versuchten mich zurück auf den Boden der Tatsachen holen. Aber das wollte ich nicht hören. Es erschien mir absolut richtig, die Firma zu leiten, denn dadurch war ich endlich frei und unabhängig. Doch ich war nicht mehr ich selbst, das wusste ich. Trotzdem war ich bereit, diesen Kompromis einzugehen. Ich ging vom Internat ab und auf eine öffentliche Schule. So konnte ich neu anfangen und musste mir nicht ständig die Appelle von Leo und Akito anhören. Ich schätze, den Rest kennst du ja“ Ich nickte „Du kamst auf unsere Schule und hast dich von Anfang an kalt und arrogant gegeben, damit dir keiner auf die Pelle rückt. Du hast niemandem mehr vertraut und auch in der Firma fast die ganze Konstrolle übernommen. Aber das wurde dir zu fiel und du bist vor einem Jahr wegen dem ganzen Druck zusammengebrochen. Und da erst hast du erkannt, dass es so nicht weitergehen kann“ „So ungefähr, ja.“ „Und über dein Gewicht wolltest du nie reden, weil du schon so oft deswegen angegriffen wurdest“, schlussfolgerte ich. „In etwa, ja“ „Was war mit Akito und Leo?“ „Akito und Leo tauchten dann plötzlich vor einem Jahr in Domino auf. Leo hatte seinen Job als Motivationstrainer aufgegeben und eröffnete seine eigene Kampfsporthalle. Und Akito hatte bereits seinen Abschluss in der Tasche. Seit sie hier sind, passen sie ganz genau auf mich auf, damit ich keinen Mist mehr baue. Naja, egal. Ich find es so viel besser, als wenn die ganze Verantwortung auf mir lastet.“, er lächelte mich erleichtert an, „Ich bin froh, dass du jetzt Bescheid weißt. Das macht alles irgendwie einfacher zwischen uns“ „Ich bin heilfroh, dass du mir so vertraust“, antwortete ich ehrlich. Ich verstand ihn jetzt wirklich besser. Und je besser ich ihn verstand, desto mehr liebte ich ihn auch. Aber eines musste ich noch wissen „Bereust du es, die Drogen genommen zu haben?“ „Nein. Nur durch sie konnte ich überleben“ „Du, weißt aber schon, dass das ziemlich dumm war, das Zeug zu nehmen, oder?“ Sein Blick wurde düster „Was verstehst du denn schon davon!“ „Genug, um zu wissen, dass man keine Drogen nehmen sollte, egal, wie schlimm es steht. Und nur, weil ein Freund gestorben ist-“ „Nur, weil...? Du weißt nicht, wie ich mich gefühlt habe, du weißt gar nichts!“, unterbrach er mich. Zornig kam er auf die Beine, sodass Raiko erschrocken zurücksprang, „Du hast nicht das Recht über mich zu urteilen!“ Ich sah irritiert zu Seto auf „Das tue ich doch gar nicht. Es war doch nur ein Hinweis.“ „Schieb dir deine Hinweise sonstwo hin! Ich brauch sie nicht!“, wütend ging er davon. „Warte doch mal“, rief ich verzweifelt, „Es tut mir Leid“ Er drehte sich noch einmal zu mir um „Schön für dich! Lass mich in Ruhe! Ein bisschen mehr Abstand zwischen uns wird sowieso ganz gut tun. Wir sehen uns in der Schule“, dann stapfte er davon. Mehr Abstand? Das fand ich aber gar nicht gut. Ich wollte doch nur sagen, dass das Leben weitergehen muss, auch wenn ein Freund stirbt. Aber er hatte mich nicht mal aussprechen lassen. Vielleicht hatte ich es einfach nur sehr blöd formuliert... Seufzend stand ich auf. Er würde mir schon verzeihen, aber jetzt konnte ich mich bei ihm erst Montag wieder entschuldigen, wenn er mich vorher nicht sehen wollte. Toll gemacht, Joey! So, viele Fragen geklärt... Mal sehen, wie es weitergeht Kapitel 15: Tagebuch -------------------- Tagebuch Sonntag. Nach unserer Auseinandersetzung gestern hatte ich Seto nicht mehr gesehen und das machte mich wahnsinnig! Ich wollte ihn am liebsten den ganzen Tag um mich haben, aber ich konnte ihn ja schlecht dazu zwingen. Da ich also gar nichts zu tun hatte, blieb ich fast die ganze Zeit im Bett liegen und starrte trübsinnig aus dem Fenster. Der Himmel draußen war strahlend blau. So blau wie seine Augen... Nein! Daran durfte ich nicht denken. Nicht an ihn denken, bloß nicht. Aber er bot sich nun mal so sehr an, um von ihm zu schwärmen. Seufzend rollte ich aus dem Bett. Wenn ich noch länger hier lag, würde ich wahnsinnig werden, soviel war mal klar. Aber was stattdessen tun? Keinen Plan... Das gab es doch nicht! Bevor Seto und ich mit dem Projekt angefangen hatten, war ich doch auch in der Lage gewesen, mich zu beschäftigen. Nur was hatte ich da immer gemacht? Klar, mit meinen Freunden getroffen. Aber die waren ja nicht da und Yugi hatte seit Beginn des Projektes auch kaum noch Zeit. Er gab es zwar nicht zu, doch ich vermutete, dass er seinem Partner sehr zugetan war. Genau wie ich. Jaja, die Lüübe... Aber mal abgesehen davon, ich muss doch in der Lage sein, mich selbst zu beschäftigen. Ich beschloss einfach mal ein bisschen Luft zu schnappen. Also ging ich im Park spazieren. Frische Luft half ja bekanntlich, um auf andere Gedanken zu kommen. Aber wie es der Zufall so wollte, könnt ihr drei mal raten, wen ich traf. Genau, Raiko. Und wo Raiko war, da war auch Seto nicht weit. Ich versuchte den Hund festzuhalten und auf sein Herrchen zu warten. Aber Raiko schien da nicht mitzuspielen. Er rannte einfach davon. Ich bemühe mich, ihn nicht aus den Augen zu verlieren und rannte hinterher. Zum Glück kam Seto bald in Sicht, denn lange konnte ich mit Raiko nicht mithalten. Allerdings schien er nicht so begeistert, wie ich von unserer zufälligen Begegnung zu sein. „Was machst du denn hier?“ fragte er stirnrunzelnd, „Lauerst du mir auf, oder was?“ „Nein nein. Ich wollte nur ein bisschen frische Luft schnappen.“ „Wie du meinst. Wir sehen uns dann morgen“, er wollte an mir vorbei gehen, doch ich hielt ihn am Arm fest. „Hey, du bist doch nicht sauer auf mich, oder?“, fragte ich vorsichtig. „Nein, das nicht“, er löste mit Leichtigkeit meinen Griff, „Ich muss nur... nachdenken“ „Worüber?“ „Verschiedenes. Ich muss weiter. Wir sehen uns später“, Seto warf mir ein halbherziges Lächeln zu, bevor er verschwand. Er schien momentan wirklich nicht an einem Gespräch mit mir interessiert zu sein. Währned wir uns unterhalte hatten, trat von einem Fuß auf den anderen und blickte sich ungeduldig um. Daher wollte ich ihn auch nicht länger aufhalten. Ich sah ihm noch kurz nach und ging wieder meiner Wege. Auch wenn das Treffen kurz gewesen war, hatte es mich doch etwas aufgemuntert. Seto war zwar nicht sonderlich gesprächig, aber wenigstens konnte ich einen kurzen Blick in seine blauen Augen werfen und das machte den Tag schon wieder ein Stück schöner. Etwas beflügelter eilte ich nach Hause. Mir waren wieder Setos Tagebuch und das Fotoalbum eingefallen, die ich vor einigen Tage hatte mitgehen lassen. Und wenn Seto schon nicht da war, dann konnte ich wenigstens ein paar Bilder von ihm ansehen. Zuhause kramte ich beides unter meinem Bett hervor und breitete es darauf aus. Zuerst sah ich mir ein paar Fotos an. Auf ihnen wirkte Seto noch sehr jung und auf den meisten war ein kräftigerer Junge neben ihm. Er hatte dunkle Haare und Augen und wirkte eher furchteinflößend als vertrauenserweckend. Auf vielen Bildern alberten die beiden herum und lachten. Seto sah sehr fröhlich aus und hatte dabei ein unglaublich ehrliches Lächeln auf den Lippen, wie ich es bis heute noch nie bei ihm gesehen hatte. Und seine Augen waren wunderbar hell und sanft. Er war also schon als Kind so süß gewesen. Aber dieser Riku... Seine Züge waren härter und in seinen Augen lag etwas Dunkles, das nicht ich zu deuten vermochte. Er wirkte sehr geheimnisvoll und auch ein wenig kühl. Jetzt konnte ich mir ungefähr denken, woher Seto seine kalte Art hatte. Von seinem besten Freund, wenn der Typ auf dem Bild den tatsächlich Riku war. Die beiden waren auf dem Bild vollkommen gegensätzlich und verstanden sich trotzdem so gut. Das machte mir fast schon wieder etwas mehr Mut. Wenn er Gegensätze mochte, war ich eigentlich perfekt für ihn, denn im Grunde genommen war ich zu ihm ja ein Gegensatz. Ich löste ein Bild, auf dem Seto ein besonders schönes Lächeln aufgesetzt hatte, aus dem Album heraus und ließ es unter meinem Kopfkissen verschwinden. So hatte ich ihn immer bei mir. Ich blätterte ein paar Seiten weiter. Die folgenden Bilder mussten nach Rikus Tod entstanden sein. Auf ihnen wirkte Seto blasser und müde. Er lächelte zwar auf manchen Bildern, aber es wirkte gequält und seine Augen waren glanzlos. Auf den nächsten Fotos wurde sein Blick immer düsterer und sein Lächeln verschwand gänzlich. Er sah schrecklich hilflos, aber auch unglaublich wütend aus. Viel ältere Bilder von ihm gab es nicht. Da waren noch ein paar Fotos von Mokuba, aber keine weiteren mehr von Seto. Ich räumte das Album beiseite und nahm mir das Tagebuch vor. Vielleicht fand ich ja dort noch etwas Interessantes. Bei den meisten Einträgen schien es sich um lyrische Texte zu gehen. Vieles war in Gedicht – und anderes in Versform geschrieben. Einige Seiten waren scheinbar herausgerissen worden und auf anderen waren nur düstere Zeichnungen. Ich blätterte etwas herum, bis ich eine Seite fand, die herausstach. Sie war mit Blut unterschrieben und der Text war alles andere als aufbauend. Er schrieb: Was bedeutet Leben? Was bedeutet Tod? Ist das überhaupt noch wichtig? Für mich besteht Leben nur aus Schmerz, Hass, Angst und Qual. Und Wut. Wut über meine Schwäche, die es mir unmöglich macht, mich gegen IHN zu wehren, zu verhindern, dass er mich jeden Tag aufs Neue erniedrigt. Dieselbe Schwäche, dich mich daran hinderte, dich zu retten. Ja, das ist mein Leben! Man sagt, jeder Mensch hätte nur ein einziges. Gut! Um meines werde ich nicht weinen! Seto Seto hatte ja schon angedeutet, dass seine Kindheit wirklich sehr düster war und er hat auch gesagt, dass er damals Todessehnsucht hatte, aber es vor mir schwarz auf weiß stehen zu haben erschreckte mich doch sehr. Wie schlimm musste es unter Gosaburo dann wirklich gewesen sein? Ich empfand wirklich Mitgefühl für Seto. Tatsächlich hatte er viel durchmachen müssen. Ich blätterte weiter und las mir noch ein paar Einträge durch. Schwarz Deine Vergangenheit Deine Gegenwart Deine Zukunft? Alles, was du dir wünschst ist durch die Schatten zu sehen nicht mehr vom Schwarz umgeben zu sein endlich Licht zu sehen Du willst nicht mehr in der Finsternis versinken trunken von der Traurigkeit Komm ich helfe dir Ich lüfte den Schleier für dich Du entschlüpfst deinem Gefängnis Du hast es dir selbst gebaut erinnerst du dich? Jetzt gleitest du hinaus in die Welt Doch du erkennst dass es dort nicht anders ist finster und kalt Vor dem Schleier ist es auch nicht anders als dahinter Und so... zerplatzt auch die letzte Illusion und du siehst es gibt keine Hoffnung mehr Es gibt nur Vergessen Ich kann nicht zurück... Ich blätterte um. Diese Verse waren so bedrückend, aber das nächste schien ein etwas längerer Text zu sein. Vielleicht war der ja etwas positiver: Ich höre die Leute oft sagen, dass es von Geburt an bestimmt ist, was für ein Mensch man wird. Ob gut oder böse kann man nicht beeinflussen. Schon mit dem ersten Herzschlag entscheidet sich, ob dein Herz für die Gerechtigkeit oder für das Böse schlägt. Ich höre sie oft sagen, dass ein Mensch sich nicht vollkommen ändern kann. Weder zum Guten, noch zum Schlechten. Sie bringen das oft mit mir in Verbindung, wenn sie schimpfen, was für ein eiskalter Tyrann ich wäre. Laut ihnen war ich schon immer so und werde immer so sein. Es mache keinen Sinn, mit mir zu sprechen, denn ich sei ein unverbesserliches Monster. Ich kann nicht anders, als diese Leute für ihre Dummheit zu verachten. Glauben die denn tatsächlich, dass ich schon als Kind so eiskalt war? Was sind sie doch dumm! Ein Mensch KANN sich ändern! Und wie! Seht mich an und ihr erkennt es. Natürlich, ich bin skrupellos und gemein, eiskalt und berechnend. Ich weiß das, aber es macht mir nichts aus. Wieso auch? Wen kümmert es schon? Außerdem ist das mein Job. Dabei war ich früher genauso wie viele andere. Hilfsbereit, herzlich und immer auf der Seite der gerechten Sache. Allzu oft kam ich mit einem blauen Auge nach Hause, weil ich mich wieder geprügelt hatte, um jemanden in Schutz zu nehmen. Ich setzte mich mit ganzem Herzen für das ein, woran ich glaubte. Ja, mein Herz war rein und unschuldig. Aber ich war jung und schwach. Als mein Vater starb, bekam mein tapferes Herz die ersten Risse. Und als mein Stiefvater mich über Jahre quälte, da zerbrach es in tausend Scherben. Ich konnte mich nicht dagegen wehren, ich war ja ganz allein. Du, mein bester Freund, warst ja schon lange fort und außer dir hatte ich doch niemanden, der für mich da war, der wirklich MICH sah. Also versank ich im tiefsten Abgrund. Mein Herz tauchte in die Finsternis ein, die mich umgab und sog sich damit voll. Es war ja das Einzige , wovon es zehren konnte. Von Finsternis, Einsamkeit und Angst. Wen wundert es da, dass aus mir dieses gewissenlose Monster wurde? Macht mir keinen Vorwurf daraus, ich habe es mir nicht ausgesucht. Ich wäre gern wieder so wie früher, aber ich bin immer noch vom Schatten verschluckt und er ist nicht bereit, mich auszuspucken. Und niemand sieht mich. Niemand bringt mir das Licht zurück in mein Herz, niemand setzt die tausend Scherben wieder zusammen. Einsamkeit, du hast gesiegt! Tränen rannen mir über die Wangen, während ich das las. Es klang so herzzerreißend traurig, dass ich den Verfasser des Textes am liebsten umarmt und nie wieder losgelassen hätte. In dem Fall wäre das Seto gewesen, aber der Seto, der das geschrieben hatte, existierte nicht mehr. Heute war er nicht mehr so verzweifelt und allein. Heute war er stark und führte ein gutes Leben. Und ich nahm mir vor, aufzupassen, dass er das auch weiterhin tun würde. Ich würde dafür sorgen, dass er nie wieder so einsam war. Dieser Gedanke machte das Gelesene schon fast wieder erträglich. Für heute wollte ich es trotzdem lieber erstmal dabei belassen. Endlich Ruhe. Seit Tagen war das das erste Mal, dass ich vollkommen allein sein konnte. Alles um mich herum war still und friedlich. Klar, auf einem Friedhof sollte es nicht anders zu erwarten sein. Momentan brauchte ich einfach ein bisschen Zeit für mich, die, seit Joey ständig um mich herumschlich, leider viel zu kurz gekommen war. Ich hatte nichts gegen Joey, das war es nicht. Im Gegenteil, ich mochte ihn sehr. Er war ziemlich amüsant. Aber ich hatte das Gefühl, er würde ständig versuchen, mich zu analysieren und zu verstehen. Und ich konnte es nicht ausstehen, wenn jemand versuchte, mich zu verstehen. Ich wollte nicht verstanden werden, denn wenn man verstanden wurde, glaubten die Leute gleich alles über einen zu wissen. Meine Motivationen und Ängste. Plötzlich dachten sie, jede meiner Handlungen nachvollziehen zu können und dann sahen sie nicht mehr mich als Menschen, sondern mich als armes Opfer einer schrecklichen Vergangenheit. Aber das war ich nicht! Ich war kein Opfer, ich hatte für meine Freiheit gekämpft und gewonnen. Und damit war ich ein Sieger und kein Opfer. Aber die meisten erkannten das einfach nicht. Daran waren schon genug Psychologen gescheitert. Welche Chancen hatte Joey dann schon? Ich bevorzugte es, wenn man noch ein paar Geheimnisse für sich hatte. Schließlich musste ja niemand alles über mich wissen, auch Joey nicht. Ich war ihm dankbar, dass er Verständnis dafür hatte, dass ich nicht gerne über mein Gewicht sprach. Aber er sollte mich einfach nicht analysieren wollen. Das machte mich wahnsinnig! Nein... Im Grunde genommen belüge ich mich selbst dabei. Ich schätze, ich will nicht verstanden werden, damit keiner erkennt, dass ich immer noch eine Maske trage. In der Schule eiskalt, so wie früher. Aber auch sonst. Ich tue meistens so, als wäre ich glücklich und unbeschwert. Oft bin ich das auch, aber nicht immer. Trotzdem lächle ich und reiße Witze. Denn wenn man lächelt, denken die Leute, es geht einem gut und sie hinterfragen nichts. Eigentlich sollte es mir auch gut gehen. Ich kann wieder ein normales Leben führen. Ich habe alles, was einen glücklich machen sollte. Geld, Macht, Familie, sogar wieder Freunde. Aber ich habe niemanden, dem ich mich anvertrauen kann, niemanden, der mich versteht, ohne gleich zu urteilen. Nicht mal Akito kann ich mich voll und ganz anvertrauen. Er ist wirklich ein prima Kerl. Wir verstehen uns prächtig und er wäre intelligent genug, um vieles nachzuvollziehen. Aber trotzdem würde er nie meine Gedankengänge verstehen können, denn sie waren viel zu kompliziert, um sie logisch zu erklären... Ich war einfach zu kompliziert. Der einzige, der mich immer verstanden hatte, war Riku. Er hatte so ein Talent dafür gehabt, in mir zu lesen und alles richtig zu deuten. Jetzt hatte ich niemanden mehr, der das konnte. Genau dafür brauchte ich diese Momente für mich, in denen ich mich für niemanden verstellen musste. Nur dann konnte ich ich selbst sein, ohne dass jemande gleich alles hinterfragte. Was war ich nur für ein elendiger Feigling, dass ich so viel Angst davor hatte, gesehen zu werden? Egal! Ich stand von der Bank auf und suchte nach Rikus Grab. Seit einer Ewigkeit war ich nicht mehr hier gewesen. Und so sah es auch aus. Überall wucherte Unkraut und die Pflanzen waren vertrocknet. Ich machte mich daran, das Grab so gut es ging wieder herzurichten. Als ich das Unkraut zupfte, erklang hinter mir eine Stimme. „Du hast da was übersehen“ Ich wirbelte herum, um zu sehen, wer es wagte, mich dermaßen blöd anzumachen. Es war eine junge Frau mit langen dunklen Haaren, die mich amüsiert musterte. „Erkennst du mich denn nicht?“, fragte sie lächelnd. Ich musste tatsächlich eine Weile überlegen. „Du bist Sheena“, meinte ich lahm. Das war Rikus ältere Schwester. Sie musste jetzt um die 24 sein. „Gut erkannt“ „Was tust du hier?“, seit Rikus Tod hatte ich kaum noch mit ihr gesprochen. Und sie war ja auch vor einigen Jahren in eine andere Stadt gezogen. „Ich besuche mit meinem Sohn meine Mutter.“ „Dein Sohn?“ „Ja. Ich bin inzwischen verheiratet“, ihr lächeln wurde trauriger, „Schade nur, dass mein Sohn nie seinen Onkel kennenlernen wird“ „Tut mir Leid“, meinte ich betreten. „Ach was.“, sie winkte ab, „War ja nicht deine Schuld. Aber komm uns doch mal besuchen, wenn du zufällig in der Nähe bist. Wir bleiben ein paar Wochen hier“ „Natürlich“, versprach ich. Sie kam auf mich zu und umarmte mich. Bevor sie ging, drehte sie sich noch einmal kurz um und lächelte mich an. Ich erwiderte es automatisch, obwohl mir nicht danach war. Mit dem Gedanken, dass ich dieses Versprechen wohl nicht halten würde, ließ ich das falsche Lächeln auf meinem Gesicht wieder verschwinden, kaum, dass sie außer Sichtweite war. Es war wirklich erbärmlich, dass ich niemandem mein wahres Ich zeigen konnte. Ich war nur ein Schauspieler, der mein Leben spielte, wie es eigentlich sein sollte. Mehr nicht. Aber deshalb hatte ich ja auch die Theater AG auf dem Internat besucht. Um meine Rolle so perfekt wie möglich zu spielen. Komisch, aber so düstere Gedanken kamen mir nur, wenn ich allein war und mir meiner Situation bewusst wurde... Puh fertig. Hätte nicht gedacht, dass es so schwer ist, Tagebuchpassagen zu schreiben. Aber ich hoffe, es gefällt euch trotzdem... Kapitel 16: Die rettende Lösung ------------------------------- Hi erstmal Sorry, dass es so lange gedauert hat, aber ich hab momentan kaum Zeit zum Schreiben und dieses Kapitel it auch in großer Hast entstanden. Tut mir Leid, wenns nicht so gut ist. Aber dafür beginnt ab dem nächsten Kappi dann endlich der dramatische Höhepunkt. *freu* Danke für die vielen Kommis.XD Die rettende Lösung? Ich sah Seto tatsächlich erst am Montag in der Schule wieder. Als er mich sah, lächelte er flüchtig, setzte dann aber seine kalte Maske auf und sagte nichts weiter. Die ersten beiden Stunden vergingen nur quälend langsam. Ich konnte es kaum erwarten, bis wir endlich Bio hatten und ich mit Seto reden konnte. Dieser eine Tag ohne ihn war mir wie ein eiskalter Seto-Entzug vorgekommen. Ich war wirklich süchtig nach ihm. Umso willkommener war mir das lang ersehnte Klingeln. Schnell sammelte ich meine Sachen zusammen und eilte zum nächsten Kurs, wobei ich Seto fast noch umrannte. Zum Glück fing er mich auf, bevor ich den Boden berührte. „Langsam! Was rennst du denn so?“, fragte er. „I-ich muss mich beeilen, ich muss zu Bio“, rief ich, während ich versuchte, mich von ihm loszureißen. Ich musste doch zu Seto. Moment... Seto hielt mich doch gerade fest. Also musste ich mich auch nicht mehr beeilen. Erst den Verstand einschalten, dann laufen! Jetzt lag ich schon mal in Setos Armen und dann zerstörte ich das durch unüberlegtes Handeln. Inzwischen hatte er mich nämlich wieder losgelassen. Blödes Gehirn! „Na dann beeile dich lieber“, meinte Seto gleichgültig. „N-nein. Nicht mehr nötig“, ich schüttelte den Kopf, „Hat sich erledigt“ „Gut. Ich besorg mir einen Kaffee. Kommst du mit?“ „Und der Unterricht?“ „Wichtiges Geschäftsmeeting.“, erklärte er schmunzelnd. „Treffen mit einem Kaffeebecher.“, ich zuckte mit den Schultern und grinste, „Klingt für mich sehr überzeugend.“ Seto hob eine Augenbraue „Wow, Joey Wheeler schwänzt mit mir den Unterricht, ohne zu meckern? Ich bin beeindruckt“ „Das macht dein schlechter Einfluss.“, ich knuffte ihn in die Seite, „Aber ich werde dafür sorgen, dass das eine Ausnahme bleibt. Ich kann ja nicht zulassen, dass du zu viel in der Schule verpasst“ „Ich bin Schuld, schon klar. Aber weißt du was? Das ist mir doch scheiß egal. Du kannst schließlich auf dich selbst aufpassen. Und jetzt komm!“ Ich musste schmunzeln, als ich ihm folgte. Irgendwie hatte er ungewollt doch ewas beleidigt geklungen. Es wunderte mich trotzdem, wie Seto gestern noch so reserviert gewesen war und heute schon wieder so ausgelassen sein konnte. Das schien irgendwie nicht richtig zu sein... Egal. Wir besorgten uns beim Bäcker Kaffee und setzten uns dann in den Schulhof. Eine Weile saßen wir ruhig nebeneinander und genossen die Stille. Doch irgendwann sah Seto mich ernst an „Wie soll das eigentlich weitergehen?“ Ich blinzelte verwirrt „Was meinst du?“ „Hast du vergessen, wieso wir so viel Zeit miteinander verbracht haben? Wegen dem Projekt. Du hast dein Ziel erreicht und genug abgenommen. Aber ich habe nicht zugenommen. Siehst du das Problem?“ Ich nickte. Da hatte er gar nicht Unrecht. Herr Noro sagte ja bereits am Anfang, dass er Ergebnisse verlangte. „Vielleicht kann ich ihn ja überzeugen, dich in Ruhe zu lassen, wenn wir beweisen, dass du körperlich in Topform bist. Dr. Kana kann dir doch bestimmt eine Bescheinigung geben, oder?“ „Und das soll Herrn Noro überzeugen?“, fragte Seto zweifelnd, „Ich glaub, da ist es effektiver, wenn ich ihn entführen und unauffällig beseitigen lasse“, bei der Vorstellung musste er grinsen. „Das ist ein Scherz, oder?“ „Mal sehen. Wir können es ja zuerst mit deinem Plan probieren. Und dann sehen wir weiter“ „Dann hoffe ich bloß, dass das funktioniert. Nicht, dass ich dich demnächst im Knast besuchen muss.“ „Ich würde mir nie selbst die Hände an Noro schmutzig machen, wenn du verstehst...“, er stand auf und warf den leeren Kaffeebecher gekonnt über die Schulter in den Mülleimer, „Komm, wir suchen Kana auf.“ „Jetzt? Während des Unterrichts“ Er nickte „Hast du ein Problem damit?“ „Nö. Wenn wir erwischt werden, sag ich, du hast mich entführt.“, ich grinste ihn frech an, bevor ich aufsprang, ihn am Handgelenk packte und hinter mir her zu seinem Auto zog. Aber dann fiel mir etwas ein. „Wo sollen wir Dr. Kana denn suchen?“ „Ich würde ja glatt mal in seiner Praxis suchen“ „Er hat eine Praxis?“, fragte ich überrascht. „Irgendwie muss er sich ja beschäftigen, wenn er mir nicht gerade auf die Nerven geht“ Wir fuhren in Richtung Stadtzentrum. Seto schien den Weg gut zu kennen. Er achtete nicht sonderlich auf seine Umgebung und fuhr oft durch kleine enge Gassen, um abzukürzen. Die Gegend, in der er schließlich anhielt, wirkte ein wenig heruntergekommen. „Man, hier ist es ja sogar schlimmer als bei mir zu Hause“, meinte ich. „Könnte daran liegen, dass wir im Ghetto sind. Bleib lieber in meiner Nähe. Manche Leute hier können mächtig unangenehm werden.“, er bedeutete mir, ihm zu folgen. „Das musst du mir nicht zweimal sagen“ Wir liefen durch den mir vollkommen unbekannten Stadtteil. So weit ich wusste, war ich noch nie hier gewesen. Aber Seto schien sich hier gut auszukennen. Ich fragte mich, wieso? „Diese Gegend macht einen großen Reiz aus, findest du nicht? Es ist eine ganz interessante Abwechslung, wenn man gelangweilt von seinem Alltag ist“, erklärte er gelassen. So langsam gewöhnte ich mich daran, dass Seto an meiner Mimik erkannte, wenn mich etwas wunderte. Es war ganz praktisch, wenn man seine Fragen nicht aussprechen musste. Trotzdem konnte ich mir bessere Orte vorstellen, um nach Abwechslung zu suchen. Wir erreichten ein großes neues Gebäude, das in dieser heruntergekommenen Umgebung völlig herausstach. Doch gerade, als wir reingehen wollten, erklang hinter uns eine kalte Stimme. „Hey Blauauge. Heute ohne deinen abgedrehten Kumpel hier?“ Wir drehten uns beide gleichzeitig um. Hinter uns standen fünf finster aussehende Gestalten. Seto erkannte sie wohl und es schien ihm nicht zu gefallen. „Hast du ein Problem damit, du Punk?“, fragte er eisig. „Begrüßt man so etwa einen alten Kumpel?“, höhnte ein anderer der Fünf. „Kann mich nicht erinnern, euch in meinen Freundeskreis eingeladen zu haben, denn normalerweise lerne ich meine Kumpels nicht in einer Kneipe kennen und verhaue sie dann als Bergrüßung“, Seto grinste spöttisch, „Wenn du meine Schläge allerdings als Freundschaftsbeweis siehst, dann komm nur her... mein Freund!“, er ließ demonstrativ seine Fingerknöchel knacken. Der vermutliche Anführer der Punks lachte abfällig „An deiner Stelle würde ich nicht so das Maul aufreißen. Diesmal kann dir dein Kumpel nicht helfen und den Blonden Waschlappen da kannst du vergessen. Du bist also ganz allein. Wir sind fünf. Anscheinend hast du in der Schule nicht aufgepasst, sonst wüsstest du, dass du mächtig Prügel beziehen wirst, wenn du so vorlaut bist!“ „Ich rechne mir eigentlich ziemlich gute Chancen aus. Aber wenn ihr anderer Meinung seid, lassen wir es doch auf einen Versuch ankommen“ Seto wollte tatsächlich auf die Fünf zugehen, doch ich packte ihn schnell am Arm „Das willst du doch nicht wirklich tun, oder? Sie sind in der Überzahl. Lass uns lieber verschwinden. Bitte...“ „Keine Sorge.Ich weiß, was ich mir zumuten kann. Mit denen werde ich schon fertig.“, entgegnete er siegessicher, während er sich von mir löste und seinen Weg den Punks entgegen fortsetzte. „Sei vorsichtig“, flüsterte ich. Langsam verteilten sich die Punks, um ihn einzukreisen. Seto behielt sie genau im Auge, unternahm aber noch nichts. Dann stürmten sie gleichzeitg auf ihn zu. Schneller als ich schauen konnte, lagen sie alle auf dem Boden und Seto ging als Sieger hervor. Ich rannte zu ihm. „Bist du verletzt?“, fragte ich besorgt. Er lächelte mich an und schüttel den Kopf. „Damit steht es zwei zu null für mich“ „Was redest du da?“ „Akito und ich sind diesen Typen schon mal in einer Bar begnetet. Sie haben uns angpöbelt und wir haben sie platt gemacht.“ „Was treibst du nur für Unsinn!“, ich seufzte erleichtert auf, „Ich hab mir echt Sorgen gemacht“ „Wie aufmerksam von dir. Aber ich kann ganz gut auf mich aufpassen. Und jetzt komm. Wir gehen zu Kana“ Wir betraten das neue Gebäude und suchten die oberste Etage auf. „In diesem Haus haben viele verschiedene Ärzte ihre Praxen. Sie kümmern ich vor allem um die Leute aus dem Ghetto. Die meisten von ihnen sind nicht besonders gut, aber preiswert. Und das ist es, was hier wirklich zählt. Die Leute aus dem Ghetto haben fast alle keine Versicherung.“, erklärte Seto, „Auf jeder Etage befinden sich zwei Ärzte mit demselben Spezialgebiet. Zahnärzte, Ohrenärzte... alles mögliche.“ „Wieso kennst du dich hier so gut aus?“, fragte ich skeptisch. Er sah mich schief an „Woher, denkst du, haben Ryo und ich die Drogen bekommen? Diese Gegend ist für sowas ideal. Hier kriegst du allen möglichen Stoff“ Ich folgte Seto durch das Haus, vorbei an zahlreichen Warteräumen, bis wir endlich Dr. Kanas Büro erreichten. Seto ging rein ohne anzuklopfen, was für ihn genauso selbstverständlich schien, wie in dieser Gegend zu sein. Aber das Büro war leer. Kein Dr. Kana in Sicht. „Und was nu?“, wollte ich wissen. „Vielleicht hat er gerade einen Patienten. Oder er geht mal wieder Donuts und Muffins kaufen“ „Für die Patienten?“ „Nein, nur für sich.“, Seto grinste, „Er wird richtig fies, wenn man ihm seinen Süßkram klaut“ „Wie du bei deinem Kaffee?“ Er schnaubte beleidigt „Suchen wir einfach weiter“, damit ging er weiter und ich folgte ihm schmunzelnd. Ach, er war einfach süß, wenn er sich gekränkt gab. Wir gingen in Dr. Kanas Praxis. Sie war nicht sonderlich geräumig, sie aber schien ihren Zweck zu erfüllen. Diesmal war der Arzt tatsächlich da. Und er aß Muffins. Ich konnte mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. „Seto, Joey“, rief er überrascht, „Was tut ihr hier?“ „Testen Sie mich“, meinte Seto sofort. „Bitte?“ „Testen Sie, ob ich gesund bin oder nicht“ „Wieso? Fühlst du dich nicht gut?“ „Wir haben uns überlegt, dass wenn Sie Seto durchchecken und herauskommt, dass ihm nichts fehlt, können wir das nutzen, damit Herr Noro akzeptiert, dass Seto nicht zunehmen muss, um gesund zu sein.“, erklärte ich. „Aha... verstehe.“, Dr. Kana stand auf und musterte Seto ausführlich, „Auf den ersten Blick siehst du gesund aus. Aber wenn du willst können wir heute mit Seh-, Hör- und Reflextest anfangen. Dann nehm ich dir noch etwas Blut ab und Lass es auf Krankheiten untersuchen. Morgen könnten wir dann Leistungstests machen und Übermorgen kommen dann allgemeine Tests und ein Intelligenztest. Wäre das in deinem Sinne?“ Seto nickte „Abgesehen von dem IQ-Test schon. Mein Verstand funktioniert auch so“ „Willst du denn nicht wissen, wie schlau du bist?“, fragte ich. „Ich hab schon tausende dieser blöden Tests gemacht und kam immer auf so ziemlich dasselbe Ergebnis“ „Und welches?“ „Das wüsstest du wohl gern“ „Okay, machen wir uns an die Arbeit“, entschied Dr. Kana. Als erstes nahm er Blut ab, wobei Seto es vermied auch nur in die Richtung der Nadel zu sehen. Danach fogten sämtliche andere Tests. Und anschließend ging Seto, pflichtbewusst wie er war, tatsächlich noch arbeiten. Natürlich begleitete ich ihn auch zu seiner Firma und ich schaffte es sogar, ihn dazu zu überreden, eine Pizza zu bestellen. „Was, wenn rauskommt, dass du gar nicht gesund bist?“, fragte ich, während ich mir ein Stück Pizza in den Mund schob. „Dann manipuliere ich die Testergebnisse eben.“ „Im Manipulieren bist du ja Profi“, erklang es hinter mir. „Es ist immer wieder toll, sich mit dir zu unterhalten, Noah“, murrte Seto sarkastisch. „Noah?“, ich wirbelte herum. Da stand er tatsächlich, live und in Farbe. „Lange nicht gesehen, Joey“, meinte er knapp, bevor er sich an Seto wandte, „Ich hoffe, du vergisst nicht das Geschäftstreffen am Samstag. Das ist sehr wichtig“ „Ich weiß ich weiß.“, er verdrehte die Augen, „Für wie blöd hältst du mich eigentlich?“ Noah wollte scheinbar antworten, doch Seto schnitt ihm das Wort ab „Das war rhetorisch gemeint. Komm bloß nicht auf die Idee, zu antworten! Wie auch immer. Ich hab deine Bilanzen durchgesehen.“ „Und?“ „Sie können nicht stimmen. Es sei denn, du hast in den letzten Monaten einen riesen Schuldenberg angehäuft. In dem Fall wären wir jetzt mehr als pleite.“ „Zeig her!“ Seto legte ihm eine Akte vor und deutete auf einige markierte Stellen. Er erklärte geduldig irgendetwas, das ich eh nicht verstand. Mich wunderte es, dass die beiden Halbbrüder so gut miteinander auskamen. Naja... zumindest versuchten sie sich nicht gegenseitig umzubringen. Und Noah nahm Setos Ratschläge sogar ohne Murren an. Letzten Endes schnappte sich Noah noch ein Stück Pizza und verschwand. „Ihr vertragt euch ja richtig.“, stellte ich fest. Seto lehnte sich zurück und nickte „Noah ist nach wie vor ein verwöhntes Gör. Aber ihm habe ich es zu verdanken, dass ich die Firma nicht mehr allein leite.“ „Was hat er damit zu tun?“ „Gosaburo hat die Firma fast völlig allein geleitet. Ich wollte die Firma nie abgeben oder mit jemandem teilen, weil ich dachte, dass ich damit nur beweise, dass ich nicht so gut bin wie er. Wenn ich ihn dann irgendwann wiedersehen würde, in der Hölle oder sonstwo, würde er mir das vorhalten und es wäre, als hätte ich versagt und damit gegen ihn verloren. Aber wenn ich ihm jetzt begegnen würde, könnte ich sagen, dass ich aus Gnade seinem Sohn einen Teil der Firma anvertraut habe. Das wäre keine Niederlage, sondern eine größzügige Tat, verstehst du?“ „So.. ungefähr“, er würde schon wissen, was er meinte. „Willst du nicht lieber nach Hause gehen? Das hier wird noch eine ganze Weile dauern“, er deutete auf den Computer, „Ich muss noch die Grafik meines neuen Programms überarbeiten“ „Ich kann dir doch zusehen“ Seto runzelte die Stirn „Was hättest du denn davon?“ Gute Frage. Ich könnte ihn ein bisschen anstarren. Ob ihm diese Antwort gefallen würde? Bestimmt nicht! „Na gut.“, seufzend erhob ich mich, „Aber morgen nerv ich dich dafür wieder beim Frühstück“ „Ja, mach das“, meinte er, wobei seine ganze Konzentration bereits dem Computer galt. Die nächsten zwei Tage gingen wir ausnahmsweise Mal wieder zur Schule. Nachmittags sah ich Seto bei seinen Tests zu und Mittwoch Abend bekamen wir die Ergebnisse beim Abendessen. „Also...“, Dr. Kana legte die Ergebnisse auf den Tisch, „Fangen wir mit der schlechten Nachricht an“ „Es gibt eine schlechte Nachricht?“, fragte Seto überrascht. „Naja, nicht wirklich. Du hast einen minimalen Magnesiummangel. Das findet man in Bananen.“ „Also soll ich Bananen essen“ „Richtig.“ „Wenn das die einzige schlechte Nachricht ist, bedeutet das also, dass Seto ansonsten gesund ist, oder?“, fragte ich aufgeregt. „Ja. Die Tests waren alle gut. Nebenbei hast du wirklich herausragende Reflexe. Und die Blutprobe hat auch nichts Negatives ergeben. Die Werte sind alle im normalen Bereich. Nichts Auffälliges.“ Seto lächelte erleichtert und auch ich konnte aufatmen. Wenn das nicht gute Nachrichten waren. „Kann ich das schriftlich haben?“, fragte Seto plötzlich. „Stimmt“, ich nickte, „Wir müssen die Ergebnisse Herrn Noro zeigen“ „Natürlich. Ich habe die Ergebnisse ausgedruckt. Ihr könnt sie behalten“, der Arzt streckte sich ein wenig, „Ich werde dann wieder verschwinden“ Als wir allein waren, nahm ich die Ergebnisse an mich. „Am besten, ich lege Herrn Noro die Ergebnisse vor. Ich bin vermutlich besser geeignet dafür“ „Wieso das?“, fragte Seto drohend, „Willst du damit sagen, ich bin nicht überzeugend genug?“ „Doch doch doch...“, ich winkte hastig ab, „Sehr überzeugend. Aber ich bin in dem Fall objektiver als du, weil es ja um dich geht und nicht um mich“ „Wenn du meinst“ „Vertrau mir. Ich mach das schon“ „Hoffentlich...“ Ich hoffte, dass sich Herr Noro wirklich überzeugen ließ. Kapitel 17: Der Tag, der alles änderte -------------------------------------- Der Tag, der alles änderte Schon am Morgen war der Himmel von dunklen Wolken bedeckt. Hätte ich gewusst, was heute noch passieren sollte, hätte ich sie vielleicht als böses Vorzeichen gesehen und wäre einfach im Bett geblieben. Doch so machte ich mir nur Sorgen, dass ich zu spät aufgestanden war und jetzt bei Seto wahrscheinlich kein Frühstück mehr kriegen würde. Ich beeilte mich, um wenigstens noch halbwegs pünktlich für den Weg zur Schule da zu sein. Aber da Seto noch mit seinem Kaffee beschäftigt war, als ich ankam, konnte ich ja kaum viel zu spät sein - oder es war Seto wieder mal egal, ob wir zu spät kamen. Ich wollte ihn gerade darauf aufmerksam machen, dass wir langsam mal losgehen sollten, als ich seinen abwesenden Blick bemerkte. Er schien mich noch gar nicht richtig bemerkt zu haben, sondern starrte nur trübsinnig vor sich hin. „Hey, was ist los?“, fragte ich besorgt. Das schien Seto aus seinen Gedanken zu reißen Er blinzelte mich kurz verwirrt an und lächelte dann kopfschüttelnd „Es ist nichts. Ich hab nur nachgedacht.“ Okay... das erschien mir jetzt doch merkwürdig. So schnell konnte er doch einfach nicht die schlechten Gedanken abgeschüttelt haben. Aber wenn es ein falsches Lächeln war, merkte man es gar nicht. Nicht einmal seine Augen verrieten etwas. Sollte seine Maske etwa tatsächlich so perfekt sein? „Worüber hast du nachgedacht?“, fragte ich misstrauisch. „Mokuba hat Popcorn nicht nur an einen Freund verliehen, er hat ihn verschenkt“, Setos Ausdruck nahm etwas Trauriges an und in seiner Stimme lag etwas Gekränktes. Das war wirklich ganz schön übel von Mokuba, zumal er doch wusste, dass Seto ziemlich an seinen Hunden hing. „Das tut mir wirklich Leid“, murmelte ich mitfühlend. „Halb so wild. Ist doch nur ein Hund...“, er winkte ab, „Was solls“ Es war offensichtlich, dass er doch ziemlich angepisst deswegen war. Auch wenn er es nicht zeigen wollte. „Aber Raiko ist bestimmt traurig darüber.“, fügte er nah einigen Minuten hinzu. „Du willst mir also erzählen, dass dir das nichts ausmacht und du nur betrübt bist, weil Raiko traurig darüber sein könnte“, fasste ich zusammen, „Wem versuchst du etwas vorzumachen? Dir oder mir?“ Er sah mich verständnislos an „Dir natürlich“ Ich legte meine Hand auf seine Schulter „Wir sollten langsam los, sonst kommen wir wieder zu spät“ „Dein Taktgefühl ist aber auch noch ausbaufähig, oder?“ Na gut. Wenn er es so wollte. Ich zog ihn auf die Beine und umarmte ihn so liebevoll wie möglich. Tröstend strich ich über seinen Rücken. „Nicht traurig sein. Ich bin doch für dich da, mein armer Seto“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Okay okay. Nicht gleich übertreiben“, er drückte mich sanft aber bestimmt weg und sah mich schief an, „Man, ich kann mich nicht erinnern, jemals so umarmt worden zu sein“ „Und?“, fragte ich fürsorglich, wobei ich meine Hände zufällig auf seinen Hüften ablegte, „Fühlt es sich gut an?“ „Naja...“, ein leichter roter Schimmer zierte seine Wangen, „W-wir sollten besser gehen“ „Na gut. Aber vorher...“, ich zog ihn erneut in eine herzliche Umarmung, wobei ich mit einer Hand seinen Nacken kraulte. Anfangs versuchte er mich noch wegzudrücken, aber er gab schnell auf. Innerlich grinste ich, als er sich resignierend an mich lehnte. Ich war ziemlich sicher, dass seine Wangen einen leuchtenden Rotton angenommen hatten. Den Anblick hätte ich zu gern gesehen, aber ich wollte Seto nicht loslassen. „Es ist nicht fair.“, flüsterte Seto plötzlich. „Was meinst du?“, fragte ich sanft. „Wie konnte er Popcorn nur so einfach weggeben, als wäre es ein Spielzeug?“, seine Stimme klang auf einmal so verletzt. „Nimm es nicht so schwer. Popcorn ist nicht aus der Welt, er lebt jetzt nur an einem anderen Ort. Ich bin sicher, wir können ihn besuchen gehen.“, sagte ich tröstend. „Das ist nicht dasselbe“, er legte seinen Kopf auf meine Schulter, „Es ist fast so, als hätte Mokuba ein Familienmitglied weggegeben. Was kommt als nächstes. Wird er mich dann auch an jemand anderes verschenken?“ >Ja, bitte an mich, wenn es geht< „Dann hol ich dich eben wieder zurück. Du darfst dann auf meiner Couch schlafen und ich sorge dafür, dass du auch genug Auslauf kriegst, mein süßer kleiner Seto“, ich gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange. Momentan war es ungefährlich, weil er zu betrübt war, um darüber nachzudenken. Ich konnte es mir nicht verkneifen, die Situation ein wenig für mich zu nutzen. „Eines ist mal klar: du bist definitiv nicht witzig!“, murrte er, bevor er mich verärgert wegschubste. „War ja auch nicht witzig sondern ernst gemeint. Ich werde schon aufpassen, dass Mokuba dich nicht verscherbelt.“ „Klar, weil du ja auch mein großer Beschützer bist!“, er ging zu den Treppen. „Wo willst du hin?“ „Mich umziehen und meine Sachen holen. Schließlich willst du doch nicht zu spät zur Schule kommen“, in seinem Ton schwang immer noch etwas Beleidigtes mit. Ich setzte mich wieder an den Tisch und aß schnell noch ein Brötchen, während ich wartete. Heute brauchte Seto irgendwie unergründlich lange. So lange, dass ich noch ein zweites und drittes Brötchen verdrückte. Dann wurde es mir allerdings zu blöd und ich beschloss, doch lieber mal nach ihm zu sehen. Den Weg zu seinem Zimmer fand ich inzwischen im Schlaf. Ich klopfte kurz an, wartete aber nicht auf eine Antwort, bevor ich eintrat. Was ich sah, war einfach nur süß. Seto saß auf dem Bett und schmuste mit Raiko. Ich wollte diesen Anblick nicht zerstören. Also blieb ich im Türrahmen stehen und beobachtete ihn, wie er dem Hund sanft tröstende Worte ins Ohr flüsterte. Sein Blick war dabei so herzzerreißend traurig. Vorsichtig ging ich zu ihm „Er ist nicht für immer weg“, flüsterte ich sanft, „Du wirst ihn bestimmt wiedersehen.“ Seto erschrak, als ich neben ihm stand. Sofort festigte sich sein Blick wieder und er sah mich beinahe schon genervt an. Ruckartig stand er vom Bett auf „Wäre es zu viel verlangt gewesen, mal fünf Minuten Ruhe zu haben? Scheinbar schon“, er strich Raiko noch einmal über den Kopf, bevor er seine Schulsachen schnappte und an mir vorbeiging, „Komm schon! Gehen wir“ „Tut mir Leid“, murmelte ich, „Ich wollte dir doch nur helfen“ „Vergiss es einfach!“ Ich folgte ihm die Treppen hinunter und aus der Villa heraus. Täuschte ich mich oder war Seto heute wesentlich schneller gereizt als sonst? Egal, jetzt musste ich mich erst mal auf das, was uns bevorstand, konzentrieren. Nämlich den Biolehrer. Vor der Schule trennten sich unsere Wege. Während ich schon mal zum Bioraum ging, machte Seto einen Abstecher zum Bäcker. Es war vielleicht wirklich besser, erst mal unter vier Augen mit Herrn Noro redete. Zu meinem Glück saß er bereits am Lehrerpult und sah irgendwelche Blätter durch. Ich räusperte mich kurz, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. „Herr Noro? Könnte ich Sie kurz sprechen?“ Endlich sah er auf „Was gibt es, Wheeler?“, fragte er im gereizten Ton, „Geht es um Kaiba? Macht er Ihnen wieder Probleme?“ „Nein nein, er macht keine Probleme. Aber es geht um tatsächlich Seto“, ich kramte die Ergebnisse von Dr. Kana heraus und legte sie aufs Pult. „Was ist das?“ „Das sind die Ergebnisse verschiedener Tests, die Dr. Kana mit Seto durchgeführt hat“, erklärte ich. „Und was soll ich damit?“, fragte er schroff. Na der hatte ja eine Laune! „Wenn Sie die Ergebnisse durchsehen,werden Sie erkennen, dass Seto körperlich vollkommen gesund ist. Auch ohne Diät“ Herr Noro zog die Ergebnisse an sich heran und blätterte sie halbherzig durch „Worauf wollen Sie hinaus, Wheeler?“ „Brechen Sie das Projekt ab“ „Das werde ich nicht tun“, er kam um den Tisch herum und stellte sich vor mir auf, „Aber keine Sorge, Wheeler, Ihr ach so lieb gewonnener neuer Freund Kaiba wird dieses Projekt ganz schnell beenden. Glauben Sie mir“ „Was? Wieso sollte er? Wieso sind Sie da so sicher?“ Auf Herrn Noros Gesicht zeichnete ich ein fieses Grinsen ab. Er griff nach den Papieren auf seinem Tisch und drückte sie mir in die Hand. „Deswegen, Wheeler.“ Ich sah die Papiere durch. Es schien eine Art Zeitungsartikel zu sein und am Ende waren Bilder angeheftet. Als ich erkannte, was auf den Fotos war, sog ich scharf die Luft ein. Es waren Aufnahmen von dem Tag, als ich mit Seto und Ryo am Strand gewesen war. Sie zeigten den Moment, wo Seto sich sein Oberteil ausgezogen hatte, nur dass auf dem Bild seine Rippen unnatürlich deutlich zu sehen waren. Andere Bilder zeigten ihn von hinten oder von der Seite. Allerdings wirkte er auf allen Fotos erschreckend mager und ausgezehrt. „D-diese Bilder sind doch gefälscht!“, stammelte ich fassungslos. „Nein, Wheeler. Sie sind nur etwas retuschiert worden. Die Schatten wurden ein wenig unvorteilhafter verteilt. Das ist alles“ „Aber so sieht Seto doch gar nicht aus! Was soll der Mist? Wozu brauchen Sie diese Fotos?“, fuhr ich ihn an. „Lesen Sie den Artikel“ Ich richtete meinen Blick auf die Blätter in meiner Hand. Da stand in großen fetten Buchstaben als Überschrift: Seto Kaiba nur noch Haut und Knochen. Ist er magersüchtig? „Das ist eine verdammte LÜGE!“, schrie ich ihn an, „Das entspricht doch überhaupt nicht der Wahrheit!“ „Wen interessiert schon die Wahrheit. Hier geht es um Schlagzeilen, Wheeler!“, entgegnete Noro trocken, „Und jetzt lesen Sie weiter!“ Ich verstand nicht, wieso er so darauf bestand, dass ich diesen dämlichen Artikel las. Trotzdem tat ich es. Einfach nur aus Neugier. Seto Kaiba nur noch Haut und Knochen. Ist er magersüchtig? Anscheinend, wenn man nach den neuesten Fotos geht. Auf ihnen ist der Jungmillionär erschreckend dünn mit freiem Oberkörper zu sehen. Die von einem Mitschüler aufgenommenen Bilder zeigen deutlich, dass an Seto Kaiba nur noch Haut und Knochen dran sind. So manchen mögen diese Aufnahmen an die Zeit vor fünf Jahren erinnern, als Seto damals gleichzeitig mit seine Stiefvater und einem schwerwiegenden Drogenproblem zu kämpfen hatte. Sofort drängt sich die eine Frage auf: Hat er einen Rückfall? Nimmt er wieder Drogen? Es wäre zumindest eine Erklärung, wenn aber auch keine Lösung. Ich als sein Lehrer fühlte mich daher dafür verantwortlich, eine Gegenmaßnahme einzuleiten. Mit meiner Klasse startete ich ein Projekt, das bezweckte, das Gewicht er Schüler auf ein gesundes Maß zu bringen. Auch Seto Kaiba war gezwungen, daran teilzunehmen. Obwohl er sich von Anfang an uneinsichtig gab, blieb ich beharrlich am Ball. Ich teilte ihm einen Partner zu, der mich auf dem laufenden halten sollte. Aus regelmäßigen Berichten ging jedoch hervor, dass diese Hilfestellung wieder einmal an Kaibas Sturheit scheiterte und er keine Hilfe in Anspruch nehmen wollte. Bis zum bitteren Ende war besagter nicht bereit , sich seinem offensichtlichen Gewichtsproblem zu stellen. Doch genau diese Einsicht wäre der erste wichtige Schritt, um gegen sein Problem anzugehen und ein gesundes Gewicht zu erreichen. Allerdings sollten auch die Hintergründe untersucht werden. Wie mir ein persönlicher Vertrauter Kaibas berichtete, sei der Jungunternehmer vor allem psychisch vorbelastet. Von Selbstmordgedanken über Gewaltbereitschaft bis hin zu hemmungslosem Drogenkonsum schien er nichts ausgelassen zu haben. Würde herauskommen, dass es sich tatsächlich um Drogen oder ein psychisches Problem handelt, sollte darüber nachgedacht werden, auch gegen Kaibas Willen Maßnahmen zu ergreifen. Denn wenn sich sein Zustand weiterhin verschlechtern sollte, könnte sein Leben in Gefahr sein. Wenn der verbohrte Firmenleiter nicht selbst für sich sorgt, sollte es wenigstens ein anderer für ihn tun. „Was soll dieser Unsinn?“, fauchte ich, „Dieser Artikel ist doch totaler Mist! Wieso ziehen Sie mich da mit rein? Und wieso geben Sie mir das?“ „Dieser... Mist... ist heute in jeder Zeitschrift zu lesen“ „WAS?“, ich starrte ihn fassungslos an, „Wieso tun Sie das? Wieso schreiben Sie so etwas?“ „Mein Leben lang habe ich ehrlich und hart gearbeitet. Und trotzdem sitze ich auf einem großen Schuldenberg“, erzählte er verbittert, „Was meinen Sie, wie man sich dann fühlt, wenn ein KIND auftaucht, das noch nicht mal ganz trocken hinter den Ohren ist und trotzdem jeden Tag mehr Geld verdient, als Sie in Ihrem ganzen Leben sehen werden? Ich sage es Ihnen. Es ist erniedrigend!“ „Erstens ist Seto kein Kind mehr und zweitens gibt Ihnen das noch lange nicht das Recht, so etwas zu schreiben!“ „So unwahr wie sie denken ist der Artikel nicht. Sie müssen zugeben, dass Kaiba wirklich nicht unbedingt belastbar ist. Ich habe für diesen kleinen Artikel 50.000 Dollar bekommen. Und in ein paar Tagen wird keiner mehr davon reden. Ich habe mich mein leben lang abgequält. Da wird Kaiba die paar Tage Tratsch schon verschmerzen können. Ist ja schließlich alles nur Gerede. Und wenn nicht, dann hat er wenigstens eine Lektion fürs Leben gelernt“ „Was denn? Dass es falsch ist, eine Vergangenheit zu haben? Dass es falsch ist, erfolgreich zu sein?“, fragte ich bitter. Dieser Mistkerl hatte doch keine Ahnung, was er mit seinem Geschmiere bei Seto anrichtete. „Eine Vergangenheit“, Noro schnaubte abfällig, „Jeder andere wäre wegen Drogenmissbrauchs ins Jugendgefängnis oder wenigstens in eine Anstalt gekommen. Aber der große Seto Kaiba natürlich nicht! Er steht über dem Gesetz, nur weil er den Namen Kaiba trägt. Das ist verdammt nochmal nicht fair! Und dann wird ihm auch noch die Firma übertragen und alle Welt sieht sauber darüber hinweg, dass er eigentlich ein verfluchter Junkie ist“ „Aber Menschen können sich ändern. Seto hat sich geändert, das weiß ich ganz genau. Wie können Sie nur so über ihn urteilen? Sie kennen ihn überhaupt nicht!“, meine Stimme wurde immer lauter und je länger ich Noro ansah, desto wütender wurde ich. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein? „Was ist, Wheeler? Sind Sie etwa enttäuscht von Ihrem tollen Kaiba? Haben Sie Dinge über ihn erfahren, die Sie vorher noch nicht wussten? Da sieht man ihn doch gleich in einem anderen Licht, nicht wahr?“ Innerlich kochte ich vor Wut. Wie konnte er nur so eine Scheiße über meinen Seto schreiben? Trotzdem versuchte ich ruhig zu bleiben. „Ich muss Sie enttäuschen, Noro!“, sagte ich so kalt wie möglich, „Seto hat mir alles über diese Dinge erzählt. Sie sind mir nicht neu“ „Aha, verstehe. Mr. Kaiba hat Ihnen weit genug vertraut, um Ihnen davon zu erzählen“, sein Blick fixierte einen Punkt hinter mir. „So sieht es aus. Er vertraut mir voll und ganz“, sagte ich fest. „Wie muss sich Mr. Kaiba dann nur fühlen, wenn er erfährt, dass Sie alle seine Geheimnisse an mich weitergeleitet haben wie ein Spion?“, Noros Stimme nahm auf einmal etwas Gehässiges an und sein Grinsen wurde breiter. „Was zum Teufel reden Sie da?“, was sollte das denn jetzt? Ich hatte ihm gar nichts erzählt, das wussten wir beide. „Sagen Sie, Mr. Kaiba. Wie fühlen Sie sich dabei?“ Was? Ich wirbelte herum. Keine zwei Meter hinter mir stand Seto, mit versteinerter Miene und Augen schwarz wie die Nacht. Mein Blick fiel auf eine Zeitschrift in seiner Hand. Wahrscheinlich hatte er den Artikel bereits gelesen. „S-Seto...“ „Sei ruhig!“, sein Ton war so kalt und schneidend, dass ich zurückzuckte. Dabei fixierte er Noro mit eiskalten Augen. Er kam auf uns zu und baute sich genau vor dem Lehrer auf, den er um mehr als einen Kopf überragte. „Was fällt Ihnen ein, so einen Mist zu schreiben?“, zischte er leise und bedrohlich. Noro blieb gänzlich unbeeindruckt „Was denn? Passt Ihnen die Wahrheit nicht?“ „Sie als Lehrer sind nicht dazu autorisiert über einen Ihrer Schüler zu urteilen!“ „Aber ich als Mensch bin autorisiert über einen anderen Menschen zu urteilen“ Setos Augen verengten sich zu Schlitzen „Dann haben Sie sich wohl mit dem falschen Menschen angelegt, denn im Gegensatz zu Ihnen besitze ich Macht. Ich werde dafür sorgen, dass Sie gefeuert werden und in dieser Stadt nie wieder einen Job finden!“ „Das nützt Ihnen auch nichts mehr. Der Artikel ist veröffentlicht und daran lässt sich nichts mehr ändern. Belassen wir es dabei.“, Noro wandte sich von uns hab und wollte wieder zurück zu seinem Schreibtisch gehen, „Nebenbei: ich habe nichts geschrieben, was nicht sowieso schon alle wissen. Und immerhin habe ich nicht geschrieben, was für ein Psychopath Sie sind“, ergänzte er gehässig. „Psychopath ja?“, Setos Geduld schien am endgültig am Ende zu sein. Bevor ich auch nur ansatzweise reagieren konnte, rammte Seto dem Lehrer die Faust ins Gesicht. Noro knallte gegen den Schreibtisch hinter sich und sackte dann zu Boden. Aus Nase und Mund floss Blut. „Und nun zu dir“, Setos Blick richtete sich auf mich, als er langsam auf mich zukam. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich wirklich Angst vor ihm, denn er schien momentan keine Kontrolle mehr über sich zu haben. Ich hatte das Gefühl, seine Wut würde die Luft zum Brennen bringen, sodass ich die Hitze sogar auf meiner Haut zu spüren glaubte. Instinktiv wich ich zurück. „Beruhige dich“, wenn ich es schaffte, dass er wieder zur Vernunft kam, konnte ich vielleicht verhindern, dass er etwas tat, was er später bereuen würde, „Wir finden eine Lösung für alles. Bestimmt. Zusammen schaffen wir das schon“ „Zusammen“, er schnaubte verächtlich, „Genau wie wir doch auch alles andere zusammen geschafft haben, richtig?“, er kam einen Schritt näher. „J-ja. Lass uns reden“ „Wozu? Damit du es wieder deinem Lieblingslehrer erzählen kannst?“ „I-ich habe ihm gar nichts erzählt, ich schwöre es dir“ „Nein, natürlich nicht. Der loyale kleine Joey würde so etwas doch nie tun!“, noch ein Schritt näher, „Der loyale kleine Joey würde mich doch nie verraten, nicht wahr!“, sein Ton triefte vor Sarkasmus. „G-genau. Seto, du kennst mich doch. Ich würde dich nie hintergehen“ „Ach ja? Was war damals, als du gleich zum Lehrer gerannt bist, nur weil ich nicht bei eurem dämlichen Projekt mitmachen wollte?“, noch ein Schritt, „Oder die Tatsache, dass du mein Tagebuch gestohlen hast?“ Ich wurde blass. Woher wusste er das? „Roland hat dich dabei gesehen“ „A-aber das habe ich doch nur getan, weil ich dich besser verstehen wollte“ „Ganz schön clever von dir, sich mein Vertrauen zu erschleichen, um mich auzuspionieren“, er ließ demonstrativ seine Fingerknöchel knacken, „So viel Durchtriebenheit hätte ich dir gar nicht zugetraut. Du warst wirklich überzeugend, das muss ich dir lassen, Wheeler“ Wheeler? Wieso nannte er mich beim Nachnamen? Das war definitiv kein gutes Zeichen. „Ich habe dir nichts vorgespielt!“, schrie ich ihm den Tränen nahe entgegen. „Ich bin tatsächlich auf dich hereingefallen“, in seiner Stimme schwangen gleichermaßen Wut und Enttäuschung mit, „Ich Idiot hab dir wirklich vertraut. Ich hab dir alles erzählt, dir die geheimsten Sachen anvertraut.“, er kam mit einem letzten Schritt wenige Zentimeter vor mir zum Stehen, „Und du hast alles aufgenommen wie ein Schwamm und dich vermutlich darüber kaputt gelacht, wie naiv ich doch war. Ja, du hast brav deine Informationen gesammelt, wie ein Spion!“ „Das ist nicht wahr! Das ist eine Intrige!“, schrie ich, wobei mir Tränen über die Wangen liefen. So durfte es nicht enden. „Nicht mal jetzt kannst du die Wahrheit sagen! Du bist so erbärmlich, Wheeler!“, er stieß mich so grob beiseite, dass ich zu Boden stürzte und neben dem wimmernden Lehrer landete. Derweil stürmte Seto aus dem Klassenraum, ohne sich noch einmal umzusehen. So durfte das alles doch einfach nicht enden. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein. Dieser verfluchte Lehrer! Nur wegen IHM war das alles passiert. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Seto war kein Unmensch. Wenn ich wenigstens eine Chance bekam mit ihm zu reden, würde er bestimmt verstehen, dass es nicht meine Schuld war. Gerade jetzt würde er meinen Beistand brauchen. Ich musste ihm zeigen, dass ich für ihn da war. Nur wegen so einem intriganten Lehrer würde ich jetzt doch nicht aufgeben. Nein, ich würde alles wieder in Ordnung bringen. Für Seto... ------------------------- So das war mal ein fiese Wendung. Aber awg Das nächte kappi kommt hoffentlich schneller... Kapitel 18: Der wahre Verräter ------------------------------ Der wahre Verräter Nach dem Tag, als der Artikel raus gekommen war und alles begann außer Kontrolle zu geraten, hatte ich Seto nur noch einmal gesehen. Und zwar ging ich gleich am nächsten Morgen zu ihm nach Hause. Aber Frevol, dieser blöde Butler, ließ mich nicht rein. Er meinte, Seto hätte mir den Zutritt mit sofortiger Wirkung untersagt. Doch so leicht würde er mich nicht loswerden! Ich setzte mich einfach vor die Villa und wartete. Und wartete. Und wartete. Nach einer schier endlosen Ewigkeit öffnete sich endlich die Tür. Aber es war nur Mokuba auf dem Weg zur Schule. Als er mich sah, verfinsterte sich sein Blick. „Was willst du denn noch hier?“, fragte er forsch. „Ich muss mit Seto reden, aber der Butler lässt mich nicht rein. Kannst du ihm sagen, dass er rauskommen soll?“ „Er will dich nicht sehen! Verständlich, wenn du mich fragst“, er schnaubte abfällig, „Wie konntest du ihn nur so verraten? Seto hat dir vertraut. Hast du denn überhaupt nicht an ihn gedacht? Ich dachte, du liebst ihn!“ „Aber du! Wie, hast du geglaubt, würde Seto darauf reagieren, dass du seinen Hund einfach verschenkst? Er war totunglücklich“, fauchte ich, „Außerdem habe ich ihn nicht verraten. Das war eine Intrige dieses Lehrers! Und jetzt geh endlich und hol Seto!“ Ich hatte keinen Nerv dafür, mit Mokuba zu streiten. Womöglich hätte ich ihm sonst noch an den Kopf geworfen, dass das alles ja seine Schuld war. Hätte er nicht den Hund verschenkt, wäre Seto nicht im Vorhinein schon so gereizt gewesen und dann hätte er bestimmt auch mit der ganzen Situation besser umgehen können. Aber Mokuba ging einfach an mir vorbei „Seto ist nicht da. Also kannst du genauso gut verschwinden!“ „Und wo ist er dann?“, fragte ich genervt. „Arbeiten. Wenn du klug bist, lässt du ihn in Ruhe“ Das konnte er vergessen! Ich beschloss, dass die Schule auch ohne mich klarkommen würde und machte mich auf den Weg zur Kaiba Corp. Zum Glück war ich ja schon mal vorher hier gewesen, sonst hätte ich nie den Weg zu Setos Büro gefunden. Doch gerade als ich anklopfen wollte, flog die Tür auf und Akito stürmte mir entgegen. Er sah mächtig sauer aus. Als er mich erspähte, schloss er rasch die Tür hinter sich und zog mich mit in den Flur. „Was ist passiert?“, fragte ich verwirrt. „Seto verteilt gerade Rundumschläge wie ein Weltmeister. Er ist richtig mies drauf.“ „Ja wegen diesem Artikel“, meinte ich bedrückt, „Hast du ihn gelesen?“ „Ja, habe ich. Brutal ehrlich, wenn du mich fragst.“ „Ehrlich? Das war doch alles total übertrieben! Die Fotos waren sogar gefälscht“ „Das ändert nichts daran, dass die wesentlichen Fakten wahr sind.“, er ballte die Hand zu einer Faust, „Es ist immer hart die Wahrheit schwarz auf weiß vor sich zu haben. Aber Seto ist nicht so labil, dass er sich davon dermaßen fertig machen lassen würde. Es ist nicht der Artikel, der ihm so zusetzt, sondern die Tatsache, dass er glaubt, verraten worden zu sein. Er hat lange allen misstraut aus Angst, enttäuscht zu werden. Aber im letzten Jahr hat er sich anderen wieder geöffnet. Ich habe lange gebraucht, um ihn soweit zu kriegen, dass er mir wieder vertraut. Und jetzt macht er wieder vollkommen dicht, fast so, als hätte das letzte Jahr gar nicht stattgefunden“ „Er glaubt, dass ich ihn verraten habe.“, murmelte ich, „Aber ich war es nicht, ehrlich“ „Das weiß ich. Du bist viel zu vernarrt in ihn, um ihm so etwas anzutun“ Mir schoss die Röte ins Gesicht „I-ich bin nicht vernarrt!“ „Nein, überhaupt nicht“, er grinste mich spöttisch an, „Das eine Foto in dem Artikel besagt aber etwas anderes“ „Welches Foto?“, fragte ich verblüfft. Immer noch grinsend zog Akito aus der Tasche ein zerknülltes Stück Papier und hielt es mir hin. Es war der Artikel. Er hatte ihn wohl aus einer Zeitschrift herausgerissen. „Sieh dir das Bild hier an“, er deutete auf das oberste Foto. Und da war ich. Das war das Foto, auf dem Seto sich gerade sein Oberteil auszog und ganz unten in der Ecke des Bildes war mein Gesicht zu sehen. Ich starrte ihn gerade so gierig an wie ein halbverhungerter Hund ein Steak, das er jeden Moment verschlingen wollte. Fehlte nur noch, dass ich sabberte... Wie peinlich. Ich wurde schon wieder so knallrot. „D-das war nicht so wie es vielleicht aussieht“, stammelte ich. „Was immer du sagst... aber verstehst du nicht, was dieses Bild bedeutet?“, Akito sah mich durchdringend an. „Dass ich üben sollte, Seto heimlicher zu beobachten und möglichst nicht so blöd dabei auszusehen?“ „Nein nein nein!“, er rollte mit den Augen, „Wenn du auf dem Bild bist, ist das der klare Beweis, dass du die Fotos nicht gemacht haben kannst, verstehst du?“ Endlich ging mir ein Licht auf. Ich konnte meine Unschuld beweisen. Jetzt musste Seto mir wieder vertrauen. Schnell schnappte ich mir den Artikel und wollte in Setos Büro stürmen, aber Akito hielt mich zurück. „Du kannst auch noch später deine Unschuld beweisen. Aber lass Seto sich erstmal beruhigen.“ „Das kann aber nicht warten!“, abrupt riss ich mich los und stürmte ohne anzuklopfen in Setos Büro. Ich entdeckte ihn hinter seinem Schreibtisch. Wie nicht anders zu erwarten saß er an seinem Computer und schien zu arbeiten. Er wirkte müde, als hätte er die letzte Nacht nicht geschlafen und dieses Glitzern, das sonst in seinen Augen funkelte, war verschwunden. „Was willst du?“, fragte er forsch, ohne aufzusehen. „Ich soll dir vom Direktor ausrichten, dass du für die nächsten zwei Wochen suspendiert bist.“, fing ich neutral an, „Er sieht von einem Eintrag in deine Schülerakte ab, weil er deine Entrüstung für verständlich hält. Aber einen Lehrer zu schlagen, kann nicht toleriert werden kann. Noro wurde übrigens gefeuert.“ „Das hat er mir schon mitgeteilt. Für so etwas gibt es Telefone“, konterte er ungerührt, „War das dann alles?“ „Ich habe dich nicht verraten, das würde ich dir nie antun. Und wenn du mir nicht glaubst, dann habe ich hier den Beweis!“, ich knallte ihm den Artikel auf den Tisch und deutete auf das Foto. Aber er hatte nur einen halbherzigen Blick dafür übrig. „Ich weiß, dass du auf dem Foto bist, falls du das meinst“, entgegnete er kühl. „D-du weißt es?“ „Bin ja nicht blind! Wenn das alles war, dann verschwinde!“, sein Blick war eisig auf den Computer gerichtet. Nicht mal ansehen wollte er mich. „Aber das ist der Beweis, dass ich die Fotos nicht gemacht habe. Du musst doch zugeben, dass das meine Unschuld beweist!“, rief ich aufgebracht. Endlich richtete sich seine Aufmerksamkeit auf mich. Seine Augen waren erschreckend dunkel und kalt. „Was soll das schon beweisen?“, schnaubte er, „Die Fotos sind manipuliert. Wer sagt, dass du wirklich drauf bist und nicht bloß bei der Bearbeitung eingefügt wurdest?“ „Ich saß genau neben dir, als du dich ausgezogen hast. Du hast damals zu mir sogar gesagt, ich klinge wie ein alter Mann, weil ich nicht surfen kann. Daran musst du dich doch erinnern! Außerdem hat Noro doch selbst gesagt, dass er nur die Schatten verändert und nichts eingefügt oder gelöscht hat.“, erklärte ich verzweifelt. „Okay, von mir aus“, er lehnte sich in seinem Sessel zurück und fixierte mich eiskalt, „Gehen wir mal davon aus, dass die Fotos nicht von dir stammen. Was sagt das schon aus? Die Bilder sind doch völlig irrelevant. Es geht um die Informationen, die Noro wusste. Ich bin nicht der Typ, der sein Herz und seine Vergangenheit auf der Zunge trägt. So was erzähle ich nicht jedem daher gelaufenen Idioten. Damit grenzt sich die Anzahl der Personen schon mal beträchtlich ein. Und die Leute im Kreis der Verdächtigen, die auch noch meinen Biolehrer kennen... da bleiben nicht mehr viele übrig, wenn du verstehst“, er musterte mich durchdringend, „Als du nach Riku gefragt hast, dachte ich wirklich, du willst einfach nur etwas über mich erfahren, um mich besser zu verstehen oder weil es dich wirklich interessiert. Denkst du, ich hätte dir das alles erzählt, wenn ich gewusst hätte, dass du danach sofort zu diesem bekloppten Lehrer rennst? Wohl kaum!“ „Aber ich war es nicht!“, jammerte ich verzweifelt. Wie konnte er nur so stur sein?, „Ich hab Noro gar nichts erzählt, das würde ich nie tun. Dafür bedeutest du mir zu viel. Ich bin dir gegenüber loyal Und wenn du genau darüber nachdenkst, musst du das doch wissen“ „Woher?“, er sprang aus seinem Sessel und richtete sich bedrohlich zu seiner vollen Größe auf, „Woher soll ich das wissen? Du warst es schließlich auch, der gleich am ersten Tag zu Noro gerannt ist. Was läge da näher als das du es noch mal getan hast?“ „Das war doch was völlig anderes!“, fauchte ich. „Inwiefern?“, fragte er lauernd. „Immerhin hast du mich da rauswerfen lassen!“ „Stimmt. Und genau das werde ich jetzt auch tun. Danke für den Tipp“, er rief über die Sprechanlage den Sicherheitsdienst. Ich konnte ihn nur schockiert ansehen „Das ist doch nicht dein Ernst“ „Doch, ich denke schon. Wozu sollte ich sonst einen Sicherheitsdienst beschäftigen, wenn nicht, um Störenfriede zu beseitigen?“ So ging das nicht weiter. Irgendetwas musste ich doch machen können, „Was muss ich tun, um dich von meiner Unschuld zu überzeugen?“, fragte ich erstaunlich ruhig. „Wenn du wirklich unschuldig bist, dann sag mir doch mal, wer es dann war“ „Das mache ich.“, wieso war ich da nicht selber drauf gekommen?, „Ich bringe dir den wahren Verräter und wenn ich dabei draufgehe!“, rief ich entschlossen. Kurz darauf packte mich schon der Sicherheitsdienst am Kragen und wollte mich raus zerren, doch Seto gebot ihm mit einer kurzen Geste Einhalt. Sein Blick wurde kurz etwas weicher und seine Augen bekamen einen helleren Glanz. „Wieso bist du so besessen davon, mich von deiner Unschuld zu überzeugen?“ „Weil du mir wichtiger bist, als alle anderen Menschen auf der Welt“ Er schien überrascht zu sein, schüttelte aber dann nur den Kopf „Du übertreibst mal wieder maßlos“ „Stimmt doch gar nicht! Aber davon werde ich dich auch noch überzeugen“, rief ich enthusiastisch. „Tu, was du nicht lassen kannst“, Seto gab einen Wink und schon wurde ich weiter nach draußen geschleift. „Das mach ich auch!“, brüllte ich. Kaum eine Minute später landete ich mit einem Fußtritt vor der Firma. Hätte ich gewusst, dass das für eine Weile das letzte Mal war, dass ich Seto zu Gesicht bekam, wäre mir bestimmt etwas Besseres eingefallen als das! Aber so? Später hätte ich mich dafür ohrfeigen können! Gerade als ich mich wieder aufgerappelt hatte, landete Akito zu meinen Füßen. „Dich haben sie auch raus geworfen?“, fragte ich überrascht. „Allerdings“, er sprang schnell auf die Beine, „Diese unhöflichen Gorillas!“, schnaubte er, „Egal. Ich hab euer Gespräch belauscht. >Du bist mir wichtiger als alle anderen Menschen auf der Welt< Mann bist du ein Schleimer!“ „Was weißt du schon?“, fauchte ich. „Ich weiß, dass Seto so eine Schleimerei nicht mag. Du bist besser beraten, wenn du aufrichtig zu ihm bist“ „Ich WAR aufrichtig!“ „Schon komisch, wie sich die Beziehung zwischen dir und Seto verändert hat“, ein leichtes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. „Wie meinst du das?“, ich verstand gar nichts mehr. „Seit Beginn des Projekts wollte Seto alles tun, um dich zu vergraulen. Nicht, weil er etwas gegen dich persönlich hatte, sondern weil er einfach nichts mit der Diät zu tun haben wollte.“ „Deswegen war er am Anfang so fixiert auf Sport. Weil er wollte, dass ich aufgebe“, ich seufzte geknickt. „Ja, aber nur zu Beginn. Mit der Zeit hat er das immer weiter in den Hintergrund gedrängt und irgendwann war es ihm wohl egal“, Akito zuckte mit den Schultern, „Zum Ende hast du ihm wohl wirklich viel bedeutet. Vielleicht sogar mehr als ich oder Leo“ Ich lächelte. Das war wirklich ein schöner Gedanke. „Ein Grund mehr, etwas zu unternehmen“ „Lass mich raten. Du willst den wahren Übeltäter suchen“, er nickte andächtig, „Das wäre vermutlich sinnvoll. An deiner Stelle würde ich mal mit Ryo anfangen“ „Ryo?“, fragte ich verwirrt, „Wieso er?“ „Als wir am Strand waren, war er auch dabei. Und er hatte eine Kamera. Außerdem geht er mit euch auf eine Schule. Er wird also auch euren Biolehrer kennen“ Ich starrte ihn fassungslos an. Wieso war ich da nie drauf gekommen? „Und das sagst du erst jetzt?“, donnerte ich, „Wir müssen der Sache nachgehen.“ „Alles klar, du Superdetektiv.“, er salutierte, „Untersuchen wir den Fall“ „Gut. Wo fangen wir an?“ „Geh morgen am besten einfach ganz normal zur Schule und in der großen Pause stellst du ihn zur Rede“ „Und was ist mit dir?“ „Ich werde dort sein“, sagte er fest. Ich hatte Akito noch nie so ernst gesehen, wie in diesem Moment, „Ich werde nicht zulassen, dass Seto sich von allen, denen er etwas bedeutet, abwendet, nur weil so ein kleiner dahergelaufener Bastard meint, ihn hintergehen zu müssen! Er ist doch mein bester Freund... Ich will ihn nicht noch einmal verlieren.“ „Ja... Ich auch nicht“ Ich wusste immer, dass Akito eine Person in Setos Leben war, der er mehr als anderen vertraute und die ihm sehr wichtig war. Aber mir war nie wirklich klar gewesen, dass auch Akito von Seto abhängig war. Sie hielten sich gegenseitig in Balance. Wenn einer in Schwierigkeiten steckte, holte ihn der andere wieder raus. Das war wahre Freundschaft. „Wir sollten Leo dazu holen“, schlug Akito vor. „Wieso?“ „Er ist auch Setos Freund, so wie ich.“, ein fieses Grinsen erschien auf seinem Gesicht, „Außerdem kann er Ryo mächtig vermöbeln, wenn der nicht freiwillig spurt“ „Gute Idee“ Ich sagte Akito, wann wir Pause hatten und ging dann nach Hause. Morgen würden wir Ryo auseinander nehmen. Ich hoffte nur, dass er wirklich derjenige war, den wir suchten... Kapitel 19: Ryos Absicht ------------------------ sorry dass es diesmal so lange gedauert hat, aber ich hab meinen laptop geschrottet und es hat ganz schön gedauert, ihn wieder zum laufen zu kriegen. Ich beeil mich dafür auch beim nächsten kap Ryos Absicht Am nächsten Tag war ich schrecklich nervös. Ich konnte im Unterricht überhaupt nicht aufpassen, sondern starrte die ganze Zeit nur gebannt auf die Uhr. Das fiel auch Yugi auf. Er fragte mich ständig, was los sei. Aber ich konnte ihn da nicht mit reinziehen. Er hätte es vermutlich sowieso nicht verstanden. Dann klingelte es endlich. Ich packte schnell meine Sachen und stürmte nach draußen. Als Erstes musste ich Akito finden. Er stand zusammen mit Leo am Schultor. Erleichtert rannte ich zu ihnen und begrüßte sie. Ich gab es zwar nur ungern zu, aber wahrscheinlich hätte ich es allein nicht gewagt, Ryo zur Rede zu stellen. „Hey, Kleiner“, rief Akito, „Wo hast du den Verräter gelassen?“ Ich sah ihn verwirrt an, „Was meinst du? Wieso sollte ich ihn denn mitbringen?“ „Na ganz einfach. Du bringst ihn her und wir kümmern uns um den Rest“, erklärte Leo ungeduldig. „Und wie soll ich das machen?“ „Lass dir etwas einfallen!“ „Ja doch!“, beleidigt drehte ich ab und marschierte über den Schulhof. Jeder wusste, wo Ryo und seine Kumpels jede Pause abhingen. Sie versteckten sich hinter der Turnhalle, um heimlich zu rauchen, wenn sie nicht gerade unterwegs waren, um Leute zu schikanieren. Ich fand Ryo tatsächlich hinter der Turnhalle mit seinen kleinen Prollfreunden. Die Typen kannte ich doch... Das waren die Kerle, die Seto vor Kanas Praxis angreifen wollten. Sie schienen mich allerdings nicht zu erkennen. Als sie mich sahen, fingen sie sogleich an, über mich herzuziehen. „Seht mal, ein Streuner hat sich zu uns verirrt“, höhnte einer. Na toll! Das mit dem Hund hatte Seto damals verbreitet, bevor wir uns richtig kannten. Ich ignorierte es gekonnt. Gegen so lasche Sprüche war ich schon lange immun „Ich muss mit dir reden, Ryo“ Der Angesprochene blitzte mich spöttisch an „Welchen Grund sollte ich haben, mit dir zu reden? Verschwinde, bevor wir dich als Punshingball benutzen!“ „Wenn du nicht mitkommst, damit wir ungestört reden können, könnte mir etwas rausrutschen, was deine lieben Kumpels nicht wissen. Du weißt schon, wegen deiner Freundschaft zu einer Person, die deinen Freunden bestimmt nicht gefallen würde“, entgegnete ich kalt. Ryo schien einen Moment zu überlegen, nickte dann jedoch „Na schön. Ich hör mir mal an, was die Töle zu sagen hat.“ „Aber lass dich nicht beißen“, lachte einer. Ich wandte mich zu den anderen „Die ganze Hundegeschichte ist schon lange ausgereizt. Aber von Vollpfosten wie euch kann man ja nicht erwarten, dass sie sich mal selbstständig was ausdenken“, meinte ich ungerührt. Das schien ihnen jedoch nicht zu gefallen. Einer wollte direkt auf mich losgehen „Willst du Schläge, du Kläffer?“ Aber Ryo ging dazwischen „Überlasst ihn mir!“, knurrte er und zerrte mich mit sich. Erst als wir außer Sichtweite waren, ließ er los „Seto scheint auf dich abgefärbt zu haben. Du kannst ja plötzlich kontra geben“ Ich schwieg eisern und lief einfach weiter zum Schultor. „Worüber wolltest du reden?“, fragte er ungeduldig. „Über Seto“ „Ja, ich hab den Artikel gelesen. Er war bestimmt sauer, deswegen, was?“ „Kann man so sagen“, >Daran bist du doch Schuld, du miese Ratte!< Am liebsten hätte ich ihm eine reingehauen, aber mir war irgendwie nicht danach. Ich fühlte mich seltsam leer und teilnahmslos. Doch ich konnte einfach nicht sagen, wieso das so war. Wir hatten schon fast das Tor erreicht, aber ich konnte Akito und Leo gar nicht sehen. Vielleicht versteckten sie sich. Ansonsten wäre Ryo bestimmt auch schon getürmt. „Was wollen wir eigentlich hier am Tor?“, fragte er misstrauisch. Im selben Moment griff Akito nach Ryo und zog ihn hinterm Tor zur Seite, sodass die Mauer, die den Schulhof begrenzte, uns von den Blicken anderer Schüler abschirmte. „Wir wollen nur mit dir reden“, erklärte ich monoton. „W-was machst du denn hier?“, fragte Ryo erschrocken an Akito gewandt, „U-und wer ist der Typ hinter dir?“ „Das ist Leo. Er leitet das Kampfsportcenter in der Stadt“, meinte ich nüchtern. „Wollt ihr mich verprügeln oder was soll das werden?“ „Nein, wir wollen wirklich nur reden. Kannst du dir denken worüber?“ „Ich schätze mal nicht übers Wetter...“ „Ganz recht“, Akito packte Ryo plötzlich am Kragen und zog ihn dicht an sich heran, „Warum hast du das gemacht, du Mistkerl! Macht es dir Spaß, Seto so zu quälen?“ „I-ich weiß gar nicht, was du meinst“, stotterte er erschrocken. „Den Artikel. Nun rede schon endlich!“ „Was wollt ihr denn von mir hören?“, fauchte er. „Wie wäre es mit der Wahrheit?“, schlug ich nüchtern vor. „Sonst was?“, sauer riss er sich los, „Wollt ihr mich verprügeln, oder was?“ „Finde es doch heraus!“, knurrte Akito. Er wollte schon wieder auf Ryo losgehen, doch diesmal hielt ihn Leo zurück. „Krieg dich mal wieder ein!“, er schob Akito beiseite und baute sich mit finsteren Blick vor Ryo auf, „Hör zu, Kleiner. Ich kenne dich nicht, aber du scheinst nicht der hellste zu sein. Also hör gut zu. Ich werde es nur einmal sagen. Ich will, dass du mir erzählst, warum du diesen Artikel geschrieben hast. Ansonsten könnte es sein, dass ich sehr böse werde. Und glaub mir, du willst mich nicht böse erleben“ „Ich weiß nicht, was ihr wollt. Wer hat euch erzählt, dass ich den Artikel geschrieben habe?“, er wich einige Schritte zurück. Das war eine gute Frage. Theoretisch hatten wir gegen ihn gar nichts in der Hand... Aber das musste er ja nicht wissen! „Noro hat dich verraten.“, log ich, „Er meinte, das wäre alles deine Idee gewesen“ Schlagartig wich jegliche Farbe aus seinem Gesicht. „D-das ist nicht wahr...“, stammelte er, „Noro hat gelogen! Ich habe gar nichts gesagt.“ „Ach ja? Er hat mir aber sehr überzeugende Beweise vorgelegt.“ „Was für Beweise?“ Verflucht! Natürlich konnte ich ihm keine Beweise vorlegen. Woher auch? Ich musste ihn noch etwas hinhalten und hoffen, dass er von selbst mit der Sprache rausrückte. „Kannst du dir das nicht denken?“, fragte ich möglichst gleichgültig. Er schien einen Moment zu überlegen „Meinst du die Notizen und die Fotos? Ich hab damit nichts zu tun. Ich schwörs“ „Joey hat aber nichts von Notizen oder Fotos erwähnt“, bemerkte Akito lauernd, „Woher weißt du also davon?“ Ertappt und scheinbar wütend über seine eigene Dummheit starrte Ryo uns an. Damit hatten wir den Beweis, dass er Noro die Informationen zugespielt hatte. Aber ich konnte mich nicht wirklich darüber freuen, denn genau das hatte Seto immer befürchtet. Dass ein Freund ihn verraten könnte. Und jetzt erbrachte Ryo den Beweis dafür, dass seine Sorge nicht unbegründet gewesen war. Plötzlich fing Ryo an zu lachen „Na schön, ihr habt mich erwischt. Na und? Was solls? Der Artikel ist draußen und ändern könnt ihr auch nichts daran.“ Wütend packte ich ihn am Kragen, doch er lachte immer noch „Was soll der ganze Mist? Wieso hast du das getan? Seto ist doch dein Freund“ „Seto und ich sind schon seit Jahren keine richtigen Freunde mehr und wir waren auch nie wirklich welche.“, er grinste mich hämisch an, „Damals als Riku und meine Schwester starben, halfen wir uns gegenseitig über diese Zeit hinweg. Wir waren eine Zweckgemeinschaft. Mehr nicht!“ „Was redest du für einen Blödsinn?“, fragte Akito ungläubig. „Wieso? Es ist doch wahr. Nachdem er auf diese ach so tolle Privatschule gekommen ist, wo er ja dann Akito hatte, da war ich vollkommen vergessen“, er lachte bitter, „Sicher, er hatte ja jetzt jemand anderen, der ihm half. Aber was aus mir wurde, war ihm doch ganz egal. Ich habe Briefe geschrieben, doch er hatte es nicht nötig, zu antworten.“ „Du hast doch gar keine Ahnung, was damals auf der Privatschule los war!“, fauchte Akito, „Seto hat damals öfters von dir gesprochen, aber für uns war es wichtiger, ihn erst mal wieder auf die richtige Spur zu bringen.“ „Das war ganz schön harte Arbeit, wenn du mich fragst“, nickte Leo, „Der Typ war ja dermaßen vorlaut und stur. Ich muss zugeben, dass Seto wahrscheinlich mein härtester Fall war, weil er sich wirklich gar nichts sagen lassen wollte“ „Allerdings. Zumindest haben wir ihm den Kontakt nach außen und vor allem zu dir untersagt, damit er sich erst mal nur auf sich selbst konzentrieren konnte. Und wie ich finde, haben wir ihn ziemlich gut rehabilitiert.“ „Und in dieser Zeit hat er erkannt, dass dein Einfluss für ihn absolut schädlich war. Also hat er sich von dir auch später fern gehalten“ Ryo schnaubte verächtlich „Und was aus mir wurde, war euch herzlich egal!“ „Für dich war das Beenden eurer Freundschaft auch eine Chance auf einen Neuanfang.“, erklärte Leo ruhig, „Eure Freundschaft hat euch beide immer nur in diesem Trauerstadium festgehalten. So konntet ihr euch endlich davon lösen“ „Ihr kennt mich doch gar nicht!“, zischte Ryo, „Woher wollt ihr schon wissen, was das beste für mich war? Was ich brauchte, war ein Freund und den habt ihr mir genommen. Seto hat mich im Stich gelassen. Es ist nur fair, wenn ich mich dafür revanchiere! Und durch den Artikel sind wir quasi quitt. Ob wir jetzt getrennte Wege gehen oder wieder Freunde werden, wird sich zeigen“ „Nicht zu fassen, wie blöd du bist!“, fauchte Akito, „Du hast doch keine Ahnung, was du Seto damit antust“ „Doch, ich kenne Seto sehr gut.“, entgegnete Ryo sauer, „Er wird eine Zeit lang schmollen und dann so weiter machen wie bisher. So was wirft ihn schon nicht aus der Bahn. Und wenn ihr mich jetzt entschuldigt. Der Unterricht geht weiter“, damit machte er sich von dannen, wobei er mir einen tödlichen Blick zuwarf. „Der Typ ist doch nicht zu fassen!“, ich hätte ihm liebend gern eine reingehauen, „Was denkt er sich eigentlich?“ „Lass ihn“, beschwichtigte mich Leo, „Er hat gar nicht so Unrecht. Teilweise ist es ja wirklich unsere Schuld. Ich hätte darauf achten sollen, dass nicht nur Seto Hilfe gebraucht hat, sondern auch Ryo. Aber das hab ich total übersehen“ „Du kannst dich doch nicht um jeden kümmern.“ „Als Setos Betreuer wäre das aber meine Aufgabe gewesen“ „Wir hatten genug mit einem Sturkopf zu tun. Da war keine Zeit mehr für noch einen anderen davon.“, Akito schüttelte den Kopf, „Und um unseren sollten wir uns jetzt kümmern.“ „Gut, fahren wir“, meinte ich entschlossen. Jetzt würde ich Seto den wahren Täter triumphierend um die Ohren hauen können. Dann würde er Schuldgefühle kriegen, weil er mich fälschlicherweise beschuldigt hatte. Aber in meiner Güte würde ich ihm verzeihen, worüber er dann so erleichtert wäre, dass er mich an seinen schlanken schönen Körper drücken und nie wieder loslassen würde. „Du bleibst hier und gehst brav zur Schule!“, widersprach Leo, „Wir kümmern uns schon um Seto“ „Genau. Reicht ja wenn er die Schule sausen lässt. Du musst ihm doch später erzählen, was er verpasst hat. Wir sagen dir dann morgen, wie es gelaufen ist“ Stimmt. Ich musste Seto doch auf dem Laufenden halten, damit er nicht im Unterrichtsstoff zurückfiel. Aber ich hätte ihn trotzdem gerne wiedergesehen. Ich vermisste ihn schrecklich. Langsam hatte ich schon die ersten Entzugserscheinungen. Außerdem machte ich mir immer noch Sorgen um ihn. Aber Leo und Akito sahen nicht so aus, als würden sie mit sich reden lassen. Nicht mal mein flehenster Blick schien sie zu erweichen. „Na schön.“, seufzte ich ergeben, „Dann gehe ich halt in den Unterricht und lasse mich zu Tode langweilen“ „Brav so“, Akito tätschelte mir grinsend den Kopf, „Und jetzt sei ein guter Junge und geh lernen“ Verärgert schlug ich seine Hand weg. „Ich geh ja schon!“ Ich sah den beiden nach, wie sie ins Auto stiegen und davonrasten. Resignierend ging ich über den Schulhof. Ich hatte schon fast das Hauptgebäude erreicht, als ich plötzlich von hinten am Kragen gepackt und zur Seite gezogen wurde. Erschrocken drehte ich mich um und sah in das wütende Gesicht von Ryo. Er zog mich näher zu sich, so dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. „Nicht zu fassen, dass du mich so ins offene Messer hast laufen lassen, du dreckige Töle! Das wirst du noch bereuen!“ „Was hast du vor? Willst du mich in der Schule verprügeln?“, fragte ich provozierend. Sollte er doch zuschlagen. Ich würde ihm schon zeigen, dass ich mich wehren konnte. Doch genauso plötzlich wie er mich geschnappt hatte, ließ er mich wieder los. „Nein“, er sah mich finster an, „So leicht wirst du mich nicht los. Ich werde mich dann revanchieren, wenn du nicht damit rechnest. Verlass dich drauf!“, er stieß mich zur Seite und ging ins Schulgebäude. Na das konnte ja heiter werden. Mit einem unguten Gefühl im Magen folgte ich ihm. Ryo würde mich nicht allein aufsuchen, das war klar. Ich lehnte an der Fensterfront meines Büros und versuchte, Akito mit meinem Blick zu erstechen. Leider war er dagegen vollkommen immun. Vielleicht hatte ich diesen Blick in den letzten Jahren zu oft angewandt, so dass er jetzt seine Wirkung verlor... Naja, jedenfalls hatte ich einfach keinen Nerv für ihn. Ich war es nach so langer Zeit nicht mehr gewohnt, im Akkord zu arbeiten, weshalb ich besonders gereizt war. Aber genau die Arbeit war das einzige, was mir half, mich vor der Presse zu verstecken, die in letzter Zeit mein Haus belagerte. Das war im Grunde genommen das ärgerlichste an diesem Artikel. Jetzt konnte ich keinen Schritt mehr tun, ohne von Kameras verfolgt zu werden und ständig tauchten neue Artikel von irgendwelchen Möchtegernjournalisten auf, die glaubten, mich beurteilen zu können. Die ganze Meute gehörte doch erschossen! Ich für meinen Teil wollte nur meine Ruhe, denn es ging mir wirklich an die Nerven, mich ständig mit meinem Gewicht konfrontiert zu sehen. Na schön, ich war nicht der kräftigste, aber ich war ja wohl auch nicht so abgemagert, dass man Angst haben musste, ich würde jederzeit umkippen. Also sollten die sich ihre Artikel sonstwo hinstecken! Ich konnte dieses Geschwafel einfach nicht mehr hören. Und genau da kamen Akito und Leo in mein Büro gestürmt und rollten das ganze Thema wieder von vorne auf. Ich hätte sie dafür am liebsten gegen die nächste Wand geklatscht. Aber egal. Stattdessen musste ich mir zum tausendsten Mal anhören, dass Joey den Artikel nicht geschrieben hatte. Als ob ich das nicht selbst gewusst hätte. Ich meine, seien wir doch mal ehrlich. Der Junge war warum auch immer dermaßen vernarrt in mich, dass es schon fast unheimlich war. Ich glaubte also wirklich nicht daran, dass er der Verräter war. Aber vorerst hatte ich erstmal die Schnauze voll von allen, die mir zu sehr auf die Pelle rückten und Joey gehörte nun mal dazu. Akito berichtete mir weiter darüber, was er heute mit Leo und Joey herausgefunden hatte. „Du siehst also, dass Ryo Schuld an allem ist“, endete er und sah mich erwartungsvoll an, „Was hältst du davon?“ „Was soll ich davon halten?“, ich fuhr mir müde über die Augen und ließ dann meinen Blick nachdenklich über die Stadt schweifen, „Das ist schlimmer als ich erwartet habe. Ausgerechnet Ryo.“ Es stimmte schon, dass er alles Recht dazu hatte, sich zu revanchieren. Aber er war mein ältester Freund. Wenn ich ihm nicht trauen konnte, wem dann? „Überrascht dich das etwa?“, wollte Leo wissen. „Nein. Ich hätte es mir eigentlich denken müssen, zumal seine Beweggründe doch so offensichtlich waren. Aber er hätte es einfach nicht tun sollen.“ „Das tut mir ehrlich Leid. Es muss ein herber Schlag für dich sein, dass ausgerechnet Ryo dahinter steckt.“, Akitos Mitgefühl war ehrlich, das wusste ich. Er umrundete den Tisch und kam auf mich zu, nur um mich in eine bärenhafte Umarmung zu ziehen. „Du weißt, dass du dich auf uns verlassen kannst.“, flüsterte er sanft, „Wir stehen hinter dir. Du bist nicht allein.“ Resignierend ließ ich die Umarmung zu „Wer ist 'wir'?“ „Na Leo, Joey und Mokuba, Noah und Raiko, Roland und ich. Wir sind dein Rückhalt“ Ich drückte Akito von mir weg und sah wieder aus dem Fenster. „Ich habe mich im letzten Jahr zu sehr auf diesen Rückhalt verlassen. Es wir Zeit, dass ich wieder mehr auf eigenen Beinen stehe“ „Willst du dich wieder so abkapseln wie bis vor einem Jahr?“, fragte Leo, „Das werde ich nicht zulassen!“ „Das habe ich auch nicht vor, keine Sorge. Aber ich will meine Ruhe haben. Nur für ein paar Tage. Ich brauche eine Pause, einfach nur Zeit für mich.“, ich sah die beiden nachdenklich an, „Könnt ihr das verstehen?“ „Ja, natürlich“, Akito seufzte ergeben, „Aber lass dir nicht einfallen, dich wieder von uns abzukapseln, sonst muss ich dir die Flausen aus dem Kopf prügeln“ Seine Worte brachten mich zum Lächeln „Keine Sorge, so leicht wirst du mich nicht los“ „Na dann will ich dir auch raten! Wie viel Zeit brauchst du?“ „Nur so lange, bis meine Suspendierung aufgehoben ist. Das sollte reichen“ „Und wie geht es dann weiter?“, fragte Leo. „Mal sehen. So viel wird sich schon nicht ändern. Ich werde es überleben, okay?“, zu viel Fürsorge war genauso nervig wie die Presse. Aber sie meinten es schließlich nur gut. Da konnte man doch nicht böse sein. Ich wartete noch, bis die beiden verschwunden waren, bevor ich mich auf den Weg zu Ryo machte. Irgendwie musste ich die Sache zwischen uns wieder hinbiegen. Er sah ziemlich verwirrt und nicht gerade begeistert aus, als ich vor seiner Tür stand. „Was willst du denn?“, fragte er schroff. „Kann ich reinkommen?“ „Willst du zu Ende bringen, was deine tollen Freunde heute Vormittag begonnen haben?“ „Ich habe davon gehört, was passiert ist. Aber du irrst dich, wenn du glaubst, dass ich sie darum gebeten hätte. Sie sind von allein zu dir gekommen“ Ryo schnaubte verächtlich, trat aber trotzdem zur Seite, um mir Platz zu machen. Ich glitt an ihm vorbei in die kleine dunkle Wohnung und setzte mich wie selbstverständlich auf die alte Couch. Dabei fiel mein Blick auf den Tisch vor mir. „Ich dachte, du hättest damit aufgehört“, meinte ich argwöhnisch. „Hab ich auch“, Ryo kam aus der Küche und drückte mir eine Flasche Bier in die Hand, „Aber ab und zu schadet es schon nicht.“ „Kommt darauf an, wie oft ab und zu ist.“ „Bist du gekommen, um darüber zu streiten?“ „Nein.“, ich nahm nachdenklich einen Schluck aus der Flasche, „Ich bin hier, weil ich denke, wir sollten unsere Differenzen ein für alle mal klären“ „Du weißt, dass ich den Artikel geschrieben habe, oder?“ „Ja. Und ich verstehe es“ „Du verstehst es?“, fragte er ungläubig. „Ja und es tut mir Leid, dass es so gekommen ist. Aber ich denke, wir sollten das Kriegsbeil begraben“ „Weißt du, dass du dich in den letzten Jahren ganz schön verändert hast?“, er grinste mich amüsiert an, „Früher hättest du nie Frieden gegeben, sondern dich gerächt und so lange gekämpft, bis ich nachgegeben hätte“ Da hatte er nicht ganz Unrecht. Aber das war früher. Und früher war ich noch ein anderer Mensch gewesen „Mein ganzes Leben habe ich für irgendetwas gekämpft. Ich bin müde davon. Ich will nicht mehr kämpfen, wenn ich es nicht unbedingt muss. Und dich würde ich nur ungern als Feind sehen“ „Also sagen wir, wir sind quitt?“, fragte er hoffnungsvoll. Ich nickte „Ich hab dich hängen lassen und du hast dich mit dem Artikel revanchiert. Wir sind quitt.“ „Na das ist doch ein Wort.“ Ich lehnte mich erleichtert zurück und schloss für einen Moment die Augen. Wenigstens das war wieder eingerenkt. Ich würde natürlich nicht mehr so blöd sein, Ryo irgendetwas anzuvertrauen. Aber er nun mal ein Typ mit dem man viel Spaß haben konnte. „Du siehst erschöpft aus“, meinte Ryo plötzlich, „Läuft wohl nicht so in letzter Zeit.“ „Wieso? Abgesehen davon, dass wegen deinem Artikel die ganze Stadt hinter mir her ist, läuft alles so wie immer“, meinte ich sarkastisch. „Ach armer Seto.“, spöttelte er, „Aber Onkel Ryo hat was für dich, was dich wieder glücklich macht“ Ich öffnete die Augen wieder und sah, wie er sich gerade den Joint anzündete, der vorher so offen auf dem Tisch gelegen hatte. „Ich bin weg von dem Zeug“ „Ich doch auch.“, er nahm einen tiefen Zug, „Von einem Joint wirst du schon nicht wieder abhängig. Außerdem kannst du dann mal richtig abschalten und kriegst bessere Laune“ Da hatte er Recht. Abschalten war gut. Nur für ein paar Minuten. Und was war schon ein einzelner Joint? Es würde ja sowieso eine Ausnahme bleiben. Der Tag war einfach nur so beschissen gewesen, dass ein bisschen Abschalten nicht schaden konnte. Nur heute. Nur einmal. Ich beugte mich vor und nahm den Joint entgegen. Kapitel 20: Konfrontationen --------------------------- So, da bin ich wieder. Sorry, dass es diesmal so lange gedauert hat, aber mein Computer war futsch :( Jetzt is aber wieder alles okay. Danke an alle, die trotzdem treu geblieben sind ;) Zwei Wochen! Zwei verdammt lange Wochen hatte ich Seto jetzt nicht mehr gesehen. Akito und Leo hatten mir einen Tag nach dem Gespräch mit Ryo Setos Entscheidung mitgeteilt. Und die musste ich akzeptieren, auch wenn es schwer war. Immerhin hatte ich Seto schon fast zum Zentrum meines Lebens gemacht. Daher war jeder einzelne Tag ohne ihn eine Qual gewesen. Ich konnte gar nicht zählen, wie viel Schokolade ich in mich hineingestopft hatte und wie oft ich fast durchgedreht wäre, weil die Zeit so verdammt langsam verging, dass ich oftmals glaubte, sie wäre völlig zum Stillstand gekommen. Das einzig Positive war, dass das öffentliche Interesse an Seto langsam nachgelassen hatte. Aber jetzt waren die zwei Wochen um. Heute sollte Seto wieder zur Schule kommen und genau deshalb stand ich jetzt schon seit einer geschlagenen halben Stunde vor dem Haupteingang und wartete auf ihn. Ich war viel zu früh dran, weil ich befürchtet hatte, ihn sonst zu verpassen. Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter. Ich wirbelte freudig herum in Erwartung, Seto ins Gesicht zu sehen, aber es war nur Yugi. „Was machst du hier?“, fragte er überrascht, „Seit wann bist du denn so früh in der Schule?“ „Na was wohl? Ich warte auf Seto“, meinte ich, wobei mein Blick weiter ununterbrochen den Hof absuchte. „Stimmt ja. Der soll ja heute wiederkommen.“, Yugi klang ein wenig genervt. Ich wusste, dass ich ihm schon zu oft mit Seto in den Ohren gelegen hatte. Aber er verstand halt auch nicht, wie wichtig mir das war. „Wenn es dich so nervt, dann geh doch schon rein!“ „Von mir aus. Aber wer sagt dir, dass er wirklich kommt?“ „Das wird er. Ich weiß es“ „Wie du meinst“, grummelte Yugi und stapfte an mir vorbei ins Treppenhaus der Schule. Also richtete ich meinen Blick wieder auf den Schulhof. Und da kam er endlich, der Traum meiner schlaflosen Nächte. Elegant wie immer schritt Seto über den Hof. Normalerweise war ich definitiv ein Mensch, der immer die Kontrolle haben wollte. Mir war es wichtig, dass sich die Dinge nach meinem Willen richteten und wenn ich die Kontrolle verlor, dann nur, weil ich es so wollte. Aber in den letzten zwei Wochen hatten die Dinge anders gelegen. Ich fühlte mich leer und ich konnte nicht sagen, wieso. Etwas fehlte... Wieso wusste ich nicht, was mir fehlte? Ich konnte nicht sagen, was es war und das machte mich wahnsinnig! Diese Situation verlangte nach lindernden Maßnahmen, einem Besänftigen des Geistes, einem Kontrollverlust. Und das hatte ich in den letzten zwei Wochen umgesetzt. Oh Mann, da hatte ich wirklich nur Mist gebaut. Mir war die Kontrolle vollkommen entglitten und ich hatte es nur zu gerne zugelassen. Im Grunde genommen hatte ich die ganze Zeit nur mit Sex, Drugs and Rock'n Roll verbracht, wobei mir der Rock'n Roll allerdings irgendwie entfallen war. Ich hatte mich voll und ganz gehen lassen, hatte einfach mal alle Verantwortung von mir gestoßen. Ryo war dabei mein ständiger Begleiter, denn nur mit ihm, konnte man so viel Mist bauen, ohne dafür gerügt zu werden. Er war mein schlechtes Vorbild. Früher war da jedes Mal dieser gewisse Kick gewesen, wenn ich mit Ryo unterwegs war. Ich hatte mich nach diesem trügerischen Gefühl von Sorglosigkeit und Zufriedenheit gesehnt, aber es stellte sich jetzt bei mir nicht mehr ein. Es war seltsam. Eigentlich lief alles so wie früher. Die meiste Zeit streiften wir durch die Straßen oder spielten Katz und Maus mit den Paparazzis. Wenn nicht lungerten wir in Ryos Wohnung herum, dröhnten uns zu und tranken tonnenweise Alkohol. Aber all das gab mir nichts mehr. Vielleicht, weil ich jetzt wusste, dass Drogen die Probleme nicht lösten, sondern sie einen nur vergessen ließen. Selbst die drei Mädchen, die ich in der Zeit abgeschleppt hatte, brachten mich nur kurz auf andere Gedanken. Ich kam einfach nicht von dieser beklemmenden Leere weg. Im Gegenteil. Durch dieses ganze Zeug wurde sie nur noch schlimmer. Eins schwor ich mir: NIE WIEDER DROGEN! Das Zeug brachte mich einfach nicht weiter. Und das erste Mal in meinem Leben hatte ich so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Mir war es vorher immer egal gewesen, ob ich gegen das Gesetz verstieß oder zu freizügig lebte, aber jetzt hatte ich das Gefühl, dass ich alle enttäuschen würde. Was würden nur Akito, Leo und Mokuba davon halten? Und was würde Joey denken? Der Punkt verwirrte mich besonders. Ich konnte es mir nicht erklären, aber Joeys Meinung über mich war mir plötzlich unglaublich wichtig geworden. Deshalb hatte ich auch Angst davor, was er dazu sagen würde. Als ich Montag morgen an der Schule ankam, stand er schon da und hielt ungeduldig nach mir Ausschau. Wie ein kleines Kind, das darauf wartete, zu Weihnachten endlich seine Geschenke auspacken zu dürfen. Und ich war wohl sein Geschenk, denn als er mich entdeckte, stürmte er mit der Sonne um die Wette strahlend auf mich zu und umarmte mich so stürmisch, dass ich fast zu Boden stürzte. „Du bist wieder da“, rief er fröhlich, „Wie geht es dir?“ „Super“, oh Mann, er erdrückte mich regelrecht, „Ging mir nie besser“ Joey löste sich etwas von mir, so dass seine Arme mich immer noch umklammerten, er mir aber jetzt ins Gesicht sehen konnte. Mit einem Mal wich das strahlende Lächeln einem besorgten Ausdruck „Du siehst so müde aus“ >Ach ja, bei den ganzen Alkohol- und Drogenexzessen hatte ich keine Zeit zum Schlafen gefunden.< Seine Hände fuhren über meine Hüften und meine Taille, so dass es ein wenig kitzelte. Sein Ausdruck wurde noch besorgter „Und abgenommen hast du auch“ >Und Zeit zum Essen hatte ich auch nicht< Jetzt musste ich diese Erkenntnisse nur noch für Joey verpacken. „Weißt du...“, ich setzte ein leichtes Grinsen auf, „Ich hatte so viel zu tun, da sind Schlaf und Essen leider zu kurz gekommen“ Sehr gut, es war keine Lüge. Anlügen wollte ich Joey ja nicht. Ich sah Seto skeptisch an. Er hatte zu viel zu tun gehabt, um etwas zu essen? Das klang nicht nach ihm. Selbst an den turbulentesten Tagen, die wir miteinander verbracht hatten, hatte er Zeit gefunden, wenigstens etwas gegessen. „Es sind doch eh nur ein zwei Kilo“, er winkte ab, als wäre es eine Kleinigkeit, „Dann esse ich eben in den nächsten Tagen etwas mehr“ Ich beließ es dabei. Wenn ich versuchte, auf ihn einzureden, würde er nur sauer werden und ich wollte nicht mit ihm streiten. Nicht jetzt. Aber ich wollte trotzdem etwas für seinen Magen tun. „Warte hier!“, meinte ich streng, „Obwohl... komm lieber mit!“, wenn ich ihn stehen ließ, würde er aus Prinzip wieder verschwinden. Wie beim letzten Mal, als ich gesagt hatte, er solle warten. Also zog ich ihn einfach hinter mir her zum Bäcker auf der anderen Straßenseite und kaufte ihm ein belegtes Baguettebrötchen. „Hier. Iss das!“ Seto schien davon gar nicht so begeistert. Zögerlich nahm er es, wobei er mich jedoch ein wenig ungläubig ansah. „Was denn?“, fragte ich, als er mich auf den Rückweg zur Schule immer noch so seltsam anschaute, „Wenn du bis jetzt keine Zeit hattest, dann kannst du ja jetzt etwas essen, oder?“ „Tyrann!“, murrte er. Trotzdem aß er brav das Baguette – und zwar in Rekordzeit. Wir hatten noch nicht mal den Klassenraum erreicht, als er schon damit fertig war. „Siehst du? Jetzt geht es dir bestimmt besser“, meinte ich zufrieden. „Von wegen!“, maulte er, „Vorher ging es mir super, aber jetzt habe ich erst recht Hunger“, wie, um seine Aussage zu unterstreichen, knurrte sein Magen laut und deutlich. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Es sah wirklich zu komisch aus, wie Seto dastand, die Arme um den Bauch schlang und mich mit einem hungrigen Blick ansah. „Schön, dass wenigstens du darüber lachen kannst!“, meinte er säuerlich, während er sich auf seinen Platz setzte. „Ich hab noch Kekse dabei. Die kannst du haben, wenn du willst“ „Das ist ja wohl das Mindeste!“ „Schon gut“, ich kramte die Kekspackung aus meiner Tasche und legte sie ihm auf den Tisch. Wenn er sie genauso langsam aß wie damals in der Firma, dann wäre er in zwei Wochen noch nicht fertig. Im Vorbeigehen strich ich ihm kurz durchs Haar, bevor ich mich auf den Platz hinter ihm setzte und „Viel Vergnügen damit. Aber überfutter dich nicht in deinem plötzlichen Esswahn“ murmelte. Er legte den Kopf in den Nacken und sah mich schief an „War das etwa eine ironische Spitze?“ „Wenn du es so sehen willst“ Ich sah an seinen hellblauen Augen, dass er nicht böse war. Es verwunderte ihn nur. „Ich sehe irgendwie keinen Zusammenhang zwischen mir und deiner Bemerkung“ „Reicht ja, wenn ich ihn sehe“, ich musste schmunzeln, als er die Sache mit einem Schulterzucken abtat und sich lieber den Keksen widmete. Mit strengen Blick musterte er den ersten, bevor er vorsichtig an den Ecken knabberte. Ja, das war mein Seto. Nur er konnte auf so eine unmögliche Art Kekse quälen. Es war so schön, ihn endlich wiederzuhaben. Während des ganzen Unterrichts konnte ich nicht aufhören, ihn zu betrachten, wobei mir auffiel, dass er von Keks zu Keks immer schneller aß. Man, er hatte wohl wirklich Hunger. Wie ein Ertrinkender klammerte er sich an den letzten Keks. Er traute sich wohl nicht so recht, ihn auch noch zu vernichten und dann ohne etwas zu essen dazustehen. Er musste ja wirklich ausgehungert sein. Da drängte sich mir wieder die Frage auf, was er eigentlich die letzten zwei Wochen getrieben hatte. Ich musste ihn mal danach fragen. Auch dieser Schultag ging irgendwann vorbei. Ich musste Seto nach jeder zweiten Stunde etwas zu essen besorgen, weil er mich jedes Mal so ansah, als hätte er seit Wochen nichts gegessen. Das war wirklich ein fieser Blick, wenn er mich ständig mit großen hungrigen Augen fixierte, bis ich mich endlich auf die Socken machte und etwas holte. Aber was tat man nicht alles für seinen große Liebe. „Heute ist Montag. Willst du wieder arbeiten gehen?“, fragte ich neugierig, als wir nach dem Unterricht endlich die Schule verlassen konnten. „Nein. Ich hab heute keinen Nerv für so etwas.“ „Also gehen wir zu dir?“ Plötzlich blieb Seto stehen. Er sah mich ernst und ein wenig traurig an „Das Projekt ist vorbei, Joey. Du musst dich nicht mehr mit mir herumschlagen. Du kannst jetzt wieder in dein eigenes Leben zurückkehren“ Was redete Seto da? Mein eigenes Leben? ER war mein Leben „Ich würde trotzdem gerne so weitermachen, wie bisher. Oder stört es dich? Soll ich lieber verschwinden?“ Da lächelte er leicht „Nein. Ich will nur nicht, dass du dich mit mir langweilst“ Dann kletterte er in die Limousine. Ich folgte ihm und sah ihn entsetzt an „Langweilen? Wie könnte ich mich mit dir langweilen? Du bist die reinste Unterhaltung. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne dich tun sollte“ „Das... ist schmeichelnd und traurig zugleich“ „Du bist gemein!“, murrte ich. „Ach sei doch nicht gleich beleidigt“, er knuffte mich in die Seite, so dass ich vor Schreck fast vom Rücksitz fiel. Das schien ihn zu amüsieren, denn er konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Es freute mich ja, dass ich ihn zum Lachen bringen konnte, aber musste das denn immer auf meine Kosten sein? „Schön, dass du das so witzig findest“, schmollte ich. „Ja, schon komisch“, er lehnte sich zurück und in sein Lächeln mischte sich etwas Trauriges, „Aber irgendwie bist du der Einzige, der mich jederzeit zum Lachen bringt“ „Und... ist das gut?“, fragte ich vorsichtig, während ich mich wieder dicht neben ihn setzte. „Ja...“, er sah mich nachdenklich an, „Du musst schon ein besonderes Talent dafür haben“ „Für dich spiele ich sogar gern den Pausenclown“ Schmunzelnd gab er mir eine Kopfnuss „Dummkopf. Ich brauche doch gar keinen Pausenclown.“, sein Blick wurde versonnener „Ich brauche nur jemanden, der mich versteht und akzeptiert“ „Ich mag dich so wie du bist“, vorsichtig lehnte ich mich gegen seine Schulter. Ich wusste, dass er nichts mehr gegen diese Vertrautheit hatte. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, er würde es so sehr genießen wie ich. „Du solltest dich nicht verstellen“, meinte ich ehrlich, „Ist doch egal, ob du mal schlechte Laune hast oder dich nicht wohl fühlst. Du solltest so etwas nicht immer unterdrücken. Ob du irgendwo aneckst oder dich mal einer nicht leiden kann, muss dich doch nicht kümmern. Wenn dich jemand mag, machen dich solche Sachen nur umso sympathischer“ Seto sah mich aus großen Augen an „Ist das dein Ernst?“ „Natürlich ist das mein Ernst. Sonst würde ich es doch nicht sagen, oder?“ „Wow... Danke“, er lächelte so aufrichtig, wie ich es bis jetzt nur selten gesehen hatte. Den Rest der Fahrt schwiegen wir. Ich genoss einfach nur seine Nähe. Als wir endlich ankamen, gingen wir als erstes mit Raiko spazieren. Der Hund war so aufgedreht wie noch nie, aber Seto erklärte mir, dass das wohl daran lag, dass er die letzten zwei Wochen so gut wie gar keinen Auslauf gehabt hatte. Selbst dafür hatte Seto keine Zeit gefunden. Wir spazierten einmal um den See herum. Inzwischen war der Herbst schon sehr weit fortgeschritten und das Laub tanzte über die Wege. Es war verdammt windig, sodass wir nur schwer voran kamen, aber wir zogen die Runde trotzdem durch. Seto war dabei nicht sonderlich gesprächig. Dafür schien er ständig in Gedanken versunken zu sein und ihm war die Müdigkeit anzusehen. Immer wenn Raiko angerannt kam, strich er ihm nur lustlos über den Kopf und ließ ihn dann wieder davonlaufen. Ich wollte ihn ein bisschen aufmuntern. Also tobte ich etwas mit Raiko herum und spielte mit ihm Fange. Ich stellte mich dabei nicht gerade geschickt an, sondern torkelte vielmehr wie ein Betrunkener durch die Gegend. Einige Leute schmunzelten darüber, aber Seto nicht. Er sah mir nur teilnahmslos zu, als wäre ich ein Fremder. „Was ist los mit dir? Du bist so betrübt“, meinte ich besorgt. Überrascht sah er mich an „Betrübt? Nein, ich bin nicht betrübt. Ich... denke nur nach“ „Du denkst schon die ganze Zeit nach. Aber worüber?“ „Nichts Besonderes“, er wich meinem Blick aus. Es war ihm unangenehm, darüber zu sprechen. Bestimmt hing es mit den letzten zwei Wochen zusammen, „Es ist kalt. Lass uns zu mir gehen“ Ich nickte nur. Ja, es war wirklich kalt heute. Also gingen wir zurück zu ihm. Und wir wurden auch gleich von Akito in Empfang genommen, der Seto erfreut an sich riss und in die Arme nahm. Seto schien etwas überrumpelt davon. Nach einer Ewigkeit ließ Akito endlich los. „Erzähl schon“, rief er ungeduldig, „Wie geht es dir? Was hast du die letzten zwei Wochen gemacht?“ „Super. Nichts“, meinte Seto schnell. „Wie 'nichts'?“ „Naja nichts eben.“ „Du hast einfach nichts gemacht?“ „Ich dachte, du hattest so schrecklich viel zu tun und hattest deshalb keine Zeit für irgendetwas“, warf ich ein. „Tatsächlich?“, fragte Akito, „Was hattest du denn zu tun?“ „Nichts...“, Seto ging an uns vorbei ins Haus. „Jetzt warte doch mal“, wir eilten ihm schnell hinterher, als er in die Küche ging und sich Kaffee und etwas zu essen machte. Aber er schenkte uns nicht sonderlich viel Beachtung dabei. Dann nahm er den Kaffee und das selbst gemachte Sandwich und ging damit ins Wohnzimmer. Wir folgten ihm dabei auf Schritt und Tritt. Als er sich auf dem Sofa niederließ, setzten wir uns ihm gegenüber und warteten geduldig darauf, dass er endlich etwas sagte, dass er uns erklärte, was denn nun die letzten Wochen los gewesen war. Aber er sagte nichts, sondern aß nur in Ruhe und gab Raiko, der neben ihm auf dem Sofa lag, hin und wieder etwas ab. Irgendwann wurde mir das zu blöd, ihm einfach nur zuzusehen. „Jetzt sag schon, was los war!“, meinte ich ungeduldig. Seine blauen Augen musterten mich abschätzend, während er die letzten Bissen zwischen sich und Raiko aufteilte. „Es war nichts los. Ich habe zwar viel gemacht, aber nichts von Bedeutung“ „Und was hast du so Bedeutungsloses gemacht“ Er zuckte mit den Schultern „Durch die Gegend laufen, herumhängen, mich betrinken, Dampf ablassen...“ „Und wie hast du Dampf abgelassen?“ Er rollte genervt mit den Augen „Muss ich euch denn über alles, was ich tue, in Kenntnis setzen?“ Wieso wollte er so partout nicht darüber reden? Hatte er jemanden umgebracht oder was? Diese ständige Fragerei ging mir auf die Nerven. Wieso konnten sie es nicht einfach so stehen lassen? Musste ich denn für alles Rechenschaft ablegen? Es wäre ein Leichtes für mich gewesen, ihnen eine handfeste Lüge aufzutischen. Aber wozu? Es ging sie nichts an. Ich war erwachsen. Ich konnte auf mich selbst aufpassen. Natürlich war mir klar, dass ich die letzten zwei Wochen eine Menge Mist gebaut hatte. Aber genau diesen Mist hatte ich gebraucht, um endlich voll und ganz mit dem Thema abzuschließen. Ich hatte dadurch die Erkenntnis gewonnen, dass mir dieser ausschweifende Lebensstil keine Befriedigung mehr gab. Hätte ich es nicht getan, würde mir diese Frage für immer im Gedächtnis herumspuken. Ich hätte mich immer fragen müssen, ob dieses Leben noch eine Alternative bieten könnte, wenn ich es nicht wenigstens versucht hätte. Leider war mein Verstand darauf fixiert, alle Optionen so lange in meiner Erinnerung auf- und abzuspielen, bis ich sie ausprobiert, analysiert und eingeordnet hatte. Aber jetzt, wo ich wusste, dass es mir nichts mehr gab, konnte ich damit zufrieden in meine Gewohnheiten zurückkehren. Diese Erfahrung war für mich von unschätzbarem Wert gewesen. Für mich lag diese Tatsache klar auf der Hand, doch Akito und Joey würden das nie verstehen. Sie wussten nicht, wie das war, sich mit solchen Ungewissheiten herumzuschlagen. In ihren Augen war das, was ich getan hatte, wahrscheinlich das Dümmste, was man überhaupt tun konnte. „Wir wollen nur wissen, was passiert ist, weil es anscheinend etwas in dir bewirkt hatte“, sagte Joey eingehend, „Es scheint etwas bei dir verändert zu haben“ Sieh mal einer an. Joey schien tatsächlich zu bemerken, dass diese Erfahrung elementar gewesen sein musste, auch wenn er vermutlich ihre ganze Bedeutung noch nicht wirklich verstehen konnte. „Ja, es hat etwas in mir verändert“, gab ich offen zu, „Und das im positiven Sinne. Aber manchmal kann der Weg, um solch eine Veränderung zu erreichen, sehr... hässlich sein“ „Und wie sah der Weg aus?“ „Hässlich“ Schade, ich dachte schon, er hätte das Feingefühl entwickelt, um zu verstehen, dass nicht der Weg sondern das Resultat entscheidend war. Naja was solls. Niemand ist perfekt. Ich beschäftigte mich lieber mit Raiko als mit diesem leidigen Thema. Der Arme war in den letzten zwei Wochen auch viel zu kurz gekommen und jetzt war er so anhänglich und lechzte nach jeder Streicheleinheit. „Was hast du getan?“, fragte Joey unruhig. Er schien Angst zu haben, ich hätte tatsächlich jemanden umgebracht. Hatte ich natürlich nie. Ich wollte ihm schon sagen, wie wenig ihn das anging, als unverhofft Ryo durch die Tür spaziert kam. Schlechter Zeitpunkt, ganz ganz schlechter Zeitpunkt. Aber Ryo schien das keineswegs so zu sehen. Er setzte sich neben mich, wobei er die anderen vollkommen ignorierte und mich einfach nur unverhohlen angrinste. „Na wie war die Schule nach so langer Zeit? Anstrengend, was?“ „Wie immer. Anstrengend, langweilig... und es macht Hunger“, meinte ich lahm. Joeys und Akitos entsetzte Blicke gingen mir auf die Nerven. War doch meine Sache, mit wem ich mich traf. „Ja nach solchen Exzessen krieg ich auch immer Hunger“, er lachte, „Man, ich bin total fertig“ „Was soll das bedeuten?“, fragte Akito aufgebracht, „Du hast dich mit dem da rumgetrieben?“ „Was heißt denn hier rumtreiben?“, Ryo grinste fies, „Wir haben uns nur amüsiert“ Manchmal hatte ich das Gefühl Ryo erschlagen zu müssen. Wie in diesem Moment. Er hatte tatsächlich das Talent immer das unpassendste zu dem unpassendsten Zeitpunkt zu sagen. „Deine Art, sich zu amüsieren, kenne ich!“, knurrte Akito. Dann wandte er sich an mich, „Seto, das ist nicht der richtige Umgang für dich. Der Typ ist das Letzte“ „Ich bin alt genug, um selber zu entscheiden, mit wem ich mich treffe!“, ich schnaubte gereizt, „Nicht zu fassen, dass ihr mich dermaßen bevormunden wollt!“ „Das wollen wir doch gar nicht“, warf Joey schnell ein, „Aber Ryo tut dir nicht gut. Du solltest dich nicht mit ihm treffen“ „Ach, und das ist keine Bevormundung? Wenn ihr mir meinen Umgang vorschreiben wollt?“ Joey fuhr wütend auf „Wir wollen nur dein Bestes! Und Ryo ist nun mal nicht zu deinem Besten“ „Und wenn schon! Das ist meine Entscheidung“, ich stand ebenfalls zornig auf, „Ihr habt mir gar nichts zu sagen!“ „Dein Entscheidungen sind in letzter Zeit aber nicht besonders gut durchdacht!“ „Aber ich bin derjenige, der mit den Konsequenzen leben muss. Nicht ihr“ „Genau“, warf Ryo ein, „Das ist unser Leben. Also lass uns doch den Spaß“ „Was. Habt. Ihr. Getan?“, Akito fand das scheinbar überhaupt nicht amüsant. „Och, wir hatten unseren Spaß“, grinste Ryo. „Was soll das heißen?“, Joey wirkte unruhig. „Warum lasst ihr mich denn nicht einfach in Ruhe damit?“, fragte ich verzweifelt. Ich wollte nicht mehr reden. Ich wollte nur noch schlafen. „Nun sag endlich, was war!“ „Nichts“ „SAG ES!“, donnerte Joey. Seit wann war der denn so dominant? „Schön! Wir haben uns mit Alkohol, Sex und Drogen amüsiert.“, fauchte ich überreizt, „Seid ihr jetzt zufrieden? Wir haben uns vollkommen zugedröhnt, und es war gut! Es war eine einmalige Sache und ich werde das Zeug nie wieder anrühren, aber es ist nun mal geschehen. Ich bin nicht stolz drauf, okay? Aber ich bereue es auch nicht und ich werde dafür auch nicht bei euch um Verzeihung betteln!“ „Da habt ihr es“, rief Ryo triumphierend. Eine erdrückende Stille legte sich wie ein Schleier über uns, der vor allem Joey und Akito die Luft zum Atmen zu nehmen schien. Ich hingegen fand sie erstaunlich angenehm. Wie eine Ruhepause nach einem anstrengenden Lauf, nur dass es nicht meinen Körper sondern meinen Geist verschnaufen ließ. Und das tat wirklich unglaublich gut, wenn man schon so lange ununterbrochen auf den Beinen war wie ich. Da kam einem sogar der Komfort eines Stuhls vor wie zwei Wochen Urlaub. Und diese Stille verlängerte den Urlaub sogar noch auf einen Monat. Der Gedanke, endlich die Wahrheit ausgesprochen zu haben, verlieh mir zusätzlich noch ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Ja, ich schwebte regelrecht durch den Raum vor Leichtigkeit. Was für ein berauschendes Gefühl, vergleichbar mit der Ekstase einer Liebesnacht, nur nicht so anstrengend. Allerdings schien ich das als einziger so zu sehen, denn Akito und Joey starrten mich absolut geschockt an. „Wie...“, Joey rang nach Luft, „Wie konntest du das nur tun? Bist du wahnsinnig geworden?“, und schon riss er mich brutal aus meiner Wolke zurück auf den Boden der Tatsachen. Soviel zu meinem Kurzurlaub. „Was auch immer. Jetzt wisst ihr es. Also kommt damit klar“, ich zuckte gleichgültig mit den Schultern und wandte mich ab. Nächstes Ziel: Bett. Sollte die Welt doch ruhig untergehen, solange ich dabei nur ein bisschen schlafen konnte. „Jetzt bleib gefälligst hier!“, fluchte Akito, „Du hast Mist gebaut und das weißt du. Also hör gefälligst zu!“ „Mein Gott, was erwartet ihr von mir?“, ich wirbelte herum und schnauzte sie überreizt an, „Was wollt ihr eigentlich? Ich habe ein eigenes Leben! Und wenn mir danach ist, extrem zu werden, dann werde ich eben extrem! Ich kann nicht 24 Stunden nur so sein, wie ihr mich haben wollt. Ich bin doch kein Kind, das man sich noch zurecht erziehen muss!“, mir war ganz schwindelig vor Wut, so dass ich mich eisern in die Sofalehne krallte, um nicht zusammenzusacken. Ob sie diese Schwäche gesehen hatten? Natürlich hatten sie das! Wäre es nicht so, hätten sie ja so etwas Unübersehbares wie einen blauen Elefanten im pinken Tütü übersehen müssen. „Zuerst solltest du eine Entziehungskur machen. Dann sehen wir weiter.“, meinte Akito eiskalt. Joey dagegen rannte gleich auf mich zu, bereit mich aufzufangen, falls ich fiel „Alles in Ordnung?“, fragte er besorgt. Ich brauchte einen Moment, um mich wieder zu sammeln. Es ärgerte mich, dass mein Körper in den letzten Tagen wegen dem Essens- und Schlafentzug zu Schwächeanfällen tendierte. „Lasst mich doch einfach alle in Ruhe“, murmelte ich leise. „Nicht bis wir geklärt haben, wie es weitergeht“, rief Akito ungeduldig. „Wir!“, ich schnaubte abfällig, „Der einzige, der hier entscheidet, bin ich. Also denk gar nicht daran, über meinen Kopf hinweg zu entscheiden!“ „Du scheinst aber momentan nicht zurechnungsfähig zu sein.“ „Oh ja, genau das hab ich jetzt gebraucht! Einen Moralapostel.“, zischte ich, „Wenn dir mein Leben nicht passt, dann geh doch!“, sein Blick war mehr als entsetzt. Natürlich war Akito mir verdammt wichtig, aber momentan fragte ich mich, wer von uns beiden gerade mehr austickte. Ich schüttelte resignierend den Kopf. Im Moment war ich einfach zu müde für solche Plänkeleien. „Ich habe noch einiges zu erledigen. Ihr wisst ja, wo die Tür ist, wenn ihr dann fertig mit eurem Streit seid“, war mir doch egal, ob das unhöflich war, seine Gäste einfach sitzen zu lassen. Ich wollte einfach nur schlafen. Also ging ich die Blicke der anderen ignorierend die Treppe hinauf in mein Zimmer und warf mich aufs Bett. Es war so wunderbar weich, dass ich wohl ziemlich schnell einschlief. Das war definitiv ein Hammer, was Seto uns erzählt hatte. Selbst jetzt konnte ich es noch nicht glauben. Wie hatte er das nur tun können? Es war zweifellos dumm gewesen, und Seto neigte normalerweise nicht zu unüberlegten Dummheiten. Also musste es einen verdammt guten Grund dafür geben, auch wenn er für mich nicht im geringsten ersichtlich war. „Wir sollten ihm folgen und ihn etwas beruhigen“, meinte ich besorgt. Doch Akito schüttelte den Kopf, „Nein, heute hat das keinen Sinn mehr. Er muss sich erst wieder einkriegen“ „Tja, das habt ihr ja toll hingekriegt“, schimpfte Ryo plötzlich, „Dabei wollten wir doch nur unseren Spaß haben“ Akito eilte auf Ryo zu und packte ihn am Kragen „Du bist doch an allem Schuld, du verdammter Junkie!“ „Ich habe Seto den Stoff zwar angeboten, aber er musste ihn ja nicht annehmen, oder?“ Da hatte er natürlich Recht, aber hätte er es ihm nicht angeboten, wäre Seto bestimmt gar nicht auf die Idee gekommen. „Raus hier!“, zischte Akito, „Verschwinde!“ Doch Ryo riss sich los und grinste ihn nur arrogant an „Du bist hier Gast, genau wie ich. Du hast mir gar nichts zu sagen. Nur der Gastgeber kann mich hinauswerfen und der wird jetzt schon tief und fest schlafen“ „Wieso sollte er?“, fragte ich entnervt. Dieser ganze Streit war doch die reinste Farce. Momentan war es eher ein Kleinkrieg zwischen Ryo und Akito als dass es noch um Seto ging. Kein Wunder, dass dieser sich das nicht antun wollte. „Wir haben die letzten zwei Wochen ja kaum Schlaf gefunden. Er wird todmüde sein“ Ich seufzte. Dass Seto erschöpft war, hatte ich bereits in der Schule bemerkt. Vielleicht sollte ich mal nach ihm sehen. War jedenfalls besser, als sich diesen albernen Streit weiter anzuhören. Ich zog mich lautlos zurück und ging die Treppen hinauf zu Setos Zimmer. Als ich leise in den Raum trat, schlief er tatsächlich schon. Er musste sofort eingeschlafen sein, kaum dass er aufs Bett gekrabbelt war. Zumindest lag er quer ausgestreckt darüber und begrub die Decke unter seinem Bauch. Das sah irgendwie unbequem aus. Wenn er später aufwachte, würde ihm bestimmt der Rücken schmerzen. Aber ich könnte ihn ja auch davor bewahren und einfach jetzt wecken, um dem vorzubeugen, und um ein paar Fragen loszuwerden. Sachte rüttelte ich an seiner Schulter, aber er reagierte darauf nicht. Also wurde ich ein wenig fieser und piekste ihm in die Seite. Das wirkte besser, denn sofort zuckte er erschrocken zusammen, wobei er sich verteidigend zu einer Kugel zusammenrollte, den Arm schützend an seine Seite gepresst. Seine Augen öffneten sich und nachdem sie erst orientierungslos das Zimmer abgesucht hatten, fixierten sie sich auf mich. Man sah ihm an, dass er wirklich verdammt müde war, denn ihm fielen immer wieder die Augen zu. „Was... willst du noch?“, fragte er leise. „Ich wollte nur nach dir sehen“, vorsichtig setzte ich mich neben ihm aufs Bett. „Und dafür konntest du mich nicht schlafen lassen?“, er fuhr sich genervt über die Augen und wollte sich schon wieder von mir abwenden, doch ich packte schnell seine Handgelenke und drückte ihn tiefer in die Laken, wobei ich mich schnell über ihm positionierte, damit er mich ansehen musste und nicht aufstehen konnte „Was soll das?“, fauchte er. Der Schlafentzug schien ihn echt gereizt zu machen. Unter seinen schönen Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet. Er sah so erschöpft und trotzdem wunderschön aus. Ihn konnte einfach nichts entstellen. Vorsichtig strich ich ihm einige Strähnen aus dem Gesicht, bevor ich mich zu ihm beugte und ihn eindringlich ansah.„Versprich mir, dass du so etwas nie wieder tust“, flüsterte ich. „Was denn? Schlafen?“, fragte er genervt. „Du weißt, was ich meine!“, ich seufzte, „Auch wenn ich mir nicht erklären kann, was du dir von deinem Trip versprochen hast, so glaube ich trotzdem daran, dass du schon deine Gründe gehabt haben wirst.“ „Und wieso muss ich immer für alles, was ich tue, einen Grund haben?“, fragte er patzig. „Weil du hier der Vernünftige bist“ „Hast du dir schon mal überlegt, dass genau diese Erwartungshaltung von euch mich dazu getrieben haben könnte?“, seine blauen Augen nahmen meinen Blick unbarmherzig gefangen, forderten eine Antwort, von der er wusste, dass ich sie ihm nicht geben konnte. War das vielleicht das Problem? Dass wir alle immer dachten, Seto hätte auf alles eine Antwort und wäre unfehlbar, dass wir ihn idealisierten? Aber das war er nicht. Er war jung und er machte Fehler wie wir alle. „Es tut mir Leid“, meinte ich betrübt, „Manchmal vergessen wir wohl einfach, dass du kein Übermensch bist. Aber du machst es uns auch nicht immer leicht“ Seine Blick verdunkelte sich merklich „I-ich wollte ja jetzt nicht sagen, dass das deine Schuld ist“, versicherte ich eilig, „Aber du machst nun mal auch immer den Eindruck, perfekt zu sein“ „Inwiefern?“, fragte er gepresst. Es fiel ihm wohl schwer, nicht auszurasten. Sein Nervenkostüm war bereits stark strapaziert. „Ich weiß nicht... ist schwer zu erklären“, murmelte ich verlegen. „Versuchs!“ „Naja...“, ich atmete tief durch, bevor ich ihm entschlossen in die Augen blickte, „Dein ganzes Auftreten ist so kraftvoll und selbstsicher und du bist so unglaublich liebenswert. Du hast einen wunderschönen Körper und wirklich verdammt faszinierende Augen. Alles an dir ist einfach perfekt. Da fällt es schwer, dich nicht als unfehlbar zu betrachten.“ Meine Ehrlichkeit schien ihn eindeutig zu verwirren. Das war definitiv nicht die Antwort, die er erwartet hatte, ich konnte es in seinen Augen sehen. „Was redest du denn da?“, fragte er verwirrt. „Ich versuche dir verständlich zu machen, warum wir uns um dich sorgen!“, ungeduldig wippte ich auf den Knien, denn langsam wurde es unbequem, über ihm zu hocken. „Ihr sorgt euch um mich, weil ich perfekt bin?“, er schnaubte abfällig, „Drehen denn heute alle durch?“ Ich seufzte genervt. Was stellte Seto sich auch so stur? „Na schön, du bist nicht perfekt, okay? Du bist schrecklich stur, uneinsichtig und oftmals einfach nur unlogisch. Du neigst zu Kurzschlussreaktionen und ehrlich gesagt bist du sogar für mich oft nicht nachzuvollziehen.“ „Vielen Dank fürs Kompliment!“, knurrte er beleidigt. Ich musste bei seinem Anblick schmunzeln, denn er sah so süß aus, wie er mich trotzig anstarrte und gleichzeitig mit seiner Müdigkeit kämpfte. Zärtlich strich ich über seine Wange „Aber genau diese Eigenschaften liebe ich an dir. Ich bewundere dich für deine Fantasie und für deine unverfängliche Art, die Dinge zu sehen. Mit dir wird es nie langweilig und ich liebe es, in deiner Nähe zu sein. Deshalb will ich, dass du mir etwas versprichst“ „Und was?“, er schien langsam wirklich nicht mehr durchzusehen. „Versprich mir, dass du das nie wieder tust. Versprich mir, dass du nie wieder Drogen nimmst“ „Warum sollte ich das versprechen?“, giftete er, „Ich kann tun, was ich will, ohne dass es dich etwas angeht.“ „Aber ich will nicht, dass du dir etwas antust. Bitte versprich es mir“, flehte ich. Ich hatte wirklich Angst, dass ihm etwas passierte. „Ich kann doch tun, was ich will!“, knurrte er böse, „Wenn ich von einer Brücke springen will, ist das meine Sache und nicht deine!“ „Aber ich will nicht, dass dir etwas zustößt“, rief ich ungehalten, „Ich will, dass es dir gut geht. Und wenn dir selbst das völlig egal ist, dann werde ich eben persönlich dafür sorgen!“, zum Ende hin war ich immer lauter geworden, was Seto tatsächlich vollkommen aus dem Konzept zu bringen schien. „Wieso?“, fragte er irritiert, „Wieso kümmert dich das so sehr, was mit mir ist? Ich verstehe es nicht“ „Das...“, ich merkte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg, „Das ist doch vollkommen unwichtig“ „Für mich nicht“ „W-weil du mir nun mal sehr wichtig bist“, stammelte ich. „Wieso?“ „Naja...“, ich wich seinem Blick aus, „Weil es nun mal so ist.“ „Und wieso kannst du mich dabei nicht ansehen?“, fragte er misstrauisch. Ich zwang mich dazu, seinen Blick zu erwidern, „Tue ich doch!“ „Nun sag schon! Wieso solltest du dich um mich sorgen“ „Weil... ist doch unwichtig“, ich konnte es ihm doch nicht sagen, nicht jetzt, nicht so. „Sag schon!“ „Nein!“, ich wollte es ja sagen, die Worte wollten aus mir heraus, so dass ich Mühe hatte, sie zurückzuhalten. Aber jetzt war doch nicht der richtige Zeitpunkt. „SAG SCHON!“, oh Gott, diese fordernden blauen Augen machten mich wahnsinnig. Es war, als würden sie die Worte aus mir heraussaugen. Ich...ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. „WEIL ICH DICH LIEBE, DU IDIOT!“, schrie ich. Wow, das war befreiend gewesen. Seto sah mich ungläubig an „W-was redest du da? Findest du das witzig, oder was?“ Er glaubte mir nicht. Da hatte ich es endlich gesagt und er glaubte mir nicht. „Wieso solltest du mich schon lieben?“ Ich musste ihn überzeugen. Jetzt war es zu spät für einen Rückzieher, jetzt musste ich es durchziehen. Entschlossen beugte ich mich vor und küsste ihn auf seine weichen Lippen. Es war so schön, wenn er dabei wach war, auch wenn er vor Überraschung gelähmt zu sein schien. Vielleicht war dies die letzte Gelegenheit, ihm so nah zu kommen. Deshalb kostete ich seinen süßen Geschmack voll und ganz aus. Ich inhalierte seinen Geschmack, seinen Geruch und das Gefühl seiner samtigen Lippen. Für diesen Moment hätte ich sterben können. Als ich mich wieder von ihm löste, sah ich Seto tief in die Augen. Sie waren unglaublich blau, doch dieses Mal konnte ich nicht genau sagen, was er empfand. Dafür wirbelten die Farben darin viel zu sehr durcheinander. „Ich liebe dich.“, hauchte ich gegen seine Lippen, „Frag mich nicht, warum, ich könnte es dir nicht erklären, aber es ist so. Ich liebe dich. Ich liebe dich mehr als mein Leben“ Er schien erst jetzt zu realisieren, dass ich es wirklich ernst meinte, denn seine Augen wurden immer größer. Fragte sich nur noch, wie er darauf reagierte. Kapitel 21: Verwirrung ---------------------- Hatte er das gesagt? Hatte er das wirklich gesagt? HATTE ER DAS WIRKLICH GETAN? Verdammt! Er hatte gesagt, dass er mich liebt und er hatte mich geküsst. Was sollte ich denn davon halten? Wo kam das denn plötzlich her? Ehrlich gesagt hatte er mich vollkommen überraschend wie eine Dampfwalze erwischt. Ich meine, wie brutal war das denn? Da wird man grausam aus dem mehr als wohlverdienten Schlaf gerissen und dann klatscht Joey einem einfach mal nebenbei eine Liebeserklärung ins Gesicht. Hätte er mich denn nicht wenigstens vorher warnen können? Wenn er es wirklich vollkommen ernst meinte, dann konnte das ja nicht von heute auf morgen passiert sein. Wäre es denn da zu viel verlangt gewesen, mir wenigstens einen kleinen Wink zu geben? Oder... war ich bloß zu blind gewesen, es zu bemerken? Immer noch fassungslos starrte ich ihn an, wie er mit hochrotem Kopf über mir kniete. „Puh, das hat gut getan“, erleichtert ließ er sich auf meinen Schoss sinken, „Du weißt gar nicht, wie schön es ist, das endlich mal gesagt zu haben“ Wie konnte er mich nur lieben? Was sollte der Unsinn? Wieso sollte Joey mich lieben? Wir waren vollkommen verschieden. Er war noch vollkommen rein und unschuldig, ja ich würde sogar meinen Hintern darauf verwetten, dass er noch nicht einmal Sex gehabt hatte. Allein sein ungestümer Kuss hatte ja schon mehr als deutlich seine Unerfahrenheit gezeigt, da war an Sex wohl gar nicht zu denken. Ich dagegen war bereits vollkommen verdorben. Ich hatte jetzt schon alles erlebt, was man erleben konnte, aber vielleicht niemals tun sollte. Ja, ich war verdorben wie ein Stück Fleisch, das zu lange in der prallen Mittagssonne gelegen hatte. Da gab es nichts mehr zu retten. Man konnte mich nur noch in die Tonne kloppen, den Deckel draufknallen und fertig. Ich hatte ihm also rein gar nichts zu bieten. Joey dagegen war noch ein junges zartes Filet, das einem auf der Zunge zergehen würde. Er würde irgendwann jemand Besonderen erfreuen, aber dieser jemand sollte nicht ich sein. Mit mir sollte er sich wirklich nicht abgeben. Ich würde ihn nur auch noch verderben. Ich konnte Joeys Blicke auf mir spüren, wie er angespannt jede meiner Bewegungen musterte, darauf wartend, dass von mir eine Reaktion kam. Aber wie sollte ich denn reagieren? Selbst wenn ich außer Acht ließ, dass er ein Mann war und dass er gerade auf meinem Schoß saß – was ich übrigens äußerst seltsam fand – konnte ich mir das einfach nicht vorstellen. Ich meine, das war Joey. Der Typ, der meiner Vorstellung von einer Vertrauensperson wie Riku es gewesen war, am nächsten kam. Ja, ich vertraute ihm, aber ich brauchte ihn als eben diese Vertrauensperson, nicht als Partner. Ich verstand sowieso nicht, was er an mir lieben konnte. Da gab es einfach nichts zu lieben. Ich war definitiv nicht liebenswert, meistens ging ich mir ja selber auf den Geist. Wie sollte es dann ein anderer mit mir aushalten? „Wieso?“, fragte ich immer noch fassungslos. Das rot auf seinen Wangen wurde noch eine Spur dunkler „I-ich hab doch gesagt, es ist zu kompliziert“ Zu kompliziert? Was hieß hier zu kompliziert? Ich war ein Genie. Für mich war ja wohl rein gar nichts zu kompliziert! „Versuch es, mir zu erklären!“ „W-was gibt es denn da zu erklären?“, fragte er ungehalten, „Ich liebe dich und Liebe kann man nicht erklären“ Was war das denn für eine Antwort? Ich verstand es immer noch nicht „Aber wieso liebst du mich?“ „Wieso denn nicht?“ Oh, da fielen mir verdammt viele Gründe ein, warum nicht. Aber mich interessierten eher die Gründe, warum. „Aber wieso?“ Ich spürte eine Hand in meinen Haaren, wie sie vorsichtig einige Strähnen durch die Finger gleiten ließ. Als ich verwirrt zu Joey aufsah, bemerkte ich seinen seltsam verträumten Blick. In seinen Augen lag etwas Weiches, Liebevolles, das mir bis jetzt noch nie aufgefallen war. Versonnen betrachtete er mein Gesicht. „Wie könnte ich dich nicht lieben? Du bist verdammt heiß und schrecklich liebenswert. Ich liebe einfach alles an dir, besonders deine kleinen Eigenarten“ Okay, alles klar. Er musste eine rosarote Brille aufhaben. Anders konnte ich mir das nicht erklären. Ich meine, was sollte das heißen, er liebte meine Eigenarten? Klar, ich mochte seine Eigenarten auch, aber deshalb liebte ich ihn ja noch nicht. „Wer sagt dir, dass es nicht nur eine flüchtige Verliebtheit ist?“, ich hasste es, nichts zu verstehen. Er seufzte „Wieso bist du so stur? Kannst du es nicht einfach akzeptieren?“ „Aber ich verstehe es nicht.“, jammerte ich verzweifelt, „Ich will es ja verstehen, aber wie soll ich das denn, wenn du es mir nicht erklärst?“ Ich musste wirklich ziemlich verzweifelt wirken, denn Joey sah mich plötzlich so reumütig an, dass ich selbst schon Schuldgefühle bekam. Immer wieder strich er durch mein Haar. Fragte sich nur, ob er mich oder sich damit beruhigen wollte „Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht verwirren. Aber wie soll ich dir diese Gefühle denn erklären? Es ist... als wäre die Welt grau und trist. Aber wenn du bei mir bist, dann sind die ganzen Farben wieder da. Alles ist bunt und warm und schön. Und jede Nacht muss ich an deine Augen denken. So sehr ich mich auch bemühe, ich bekomme dich einfach nicht aus meinem Kopf. Mir ist alles egal, was um uns herum passiert, solange ich nur bei dir sein kann. Also bin ich mir ziemlich sicher, dass ich dich wirklich liebe“, er meinte das vollkommen ernst, das spürte ich. Trotzdem half es mir nicht unbedingt weiter. Okay, jetzt wusste ich, was Joey fühlte, aber was fühlte ich? Ich konnte im Moment einfach keinen klaren Gedanken fassen, dafür war ich zu müde und viel zu durcheinander. Und dass er auf mir saß, half mir auch nicht unbedingt weiter. Mühevoll warf ich ihn von mir runter und setzte mich auf die Bettkante. So musste ich ihm wenigstens nicht ins Gesicht sehen, bis mir etwas einfiel. „Du findest es abartig, nicht wahr?“, irrte ich mich oder klang Joey ziemlich weinerlich? Aber was redete er da? Wieso sollte ich es abartig finden? Liebe war Liebe. Ich hatte prinzipiell ja nichts gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen, aber ich hätte nie gedacht, dass so etwas mich mal betreffen könnte. „Dein Schweigen sagt alles. Ich werde gehen und dich nicht mehr mit meiner Anwesenheit belästigen“, seine Stimme war eindeutig weinerlich. Aber was hieß denn hier mein Schweigen? Durfte man denn nicht mal mehr ein bisschen überlegen? „Joey...“, ich wollte ihn zurückhalten, als er Hals über Kopf vom Bett sprang und nach draußen stürmte, doch er ignorierte mich vollkommen. Na Klasse! Das wurde ja immer schlimmer. Was für ein beschissener Tag! Ich konnte mich später noch um Joey kümmern, wenn ich nicht mehr so geschockt und übermüdet war. Mal ganz ehrlich, es hätte tausende von Gelegenheiten gegeben, die günstiger gewesen wären, um mir seine Liebe zu gestehen. Vielleicht wäre mir dann auch eine bessere Antwort eingefallen. Aber so? Was hatte er denn erwartet, wenn er mich in meinem übermüdeten, überreizten Zustand konfrontierte? Dass ich ihm um den Hals sprang und >Ja super< rief? Na toll! Jetzt war ich zu verwirrt, um noch schlafen zu können. Ich sollte etwas frische Luft schnappen gehen. Danach würde ich bestimmt eher zur Ruhe kommen. So lautlos wie möglich stieg die Treppen hinab. Schon von weitem drangen mir Akitos und Ryos laute Stimmen entgegen. Nicht zu fassen, dass die immer noch stritten. So leise wie möglich durchquerte ich den Flur und die Küche, um durch den Hintereingang zu verschwinden. Nur Raiko bemerkte mich und schloss sich mir genauso leise an. Ich schloss lautlos die Tür hinter uns, als wir draußen waren. Es schneite das erste Mal in diesem Jahr und der Wind hatte auch zugenommen. „Du willst bei dem Wetter doch wohl nicht weg, oder?“, erschrocken wirbelte ich herum. Da stand Joey, an die Wand gelehnt unter dem Vordach. Er versuchte es zu verstecken, aber ich konnte sehen, dass er geweint haben musste. Seine Augen waren ganz gerötet. Oh Gott, wieso musste ausgerechnet er, der Grund meiner Verwirrung, hier stehen? „Ich...“, diesen Anblick ertrug ich nicht, denn ich wusste doch ganz genau, dass er nur wegen mir weinte, „Joey... Es tut mir Leid“, so schnell es ging, kehrte ich ihm den Rücken zu und verließ das Grundstück. Im Moment stellte ich mich lieber dem eiskalten Regen, als Joey. Der stellte wenigstens keine Fragen. Ich lief eine ganze Weile einfach nur sinnlos durch die Gegend, Raiko an meiner Seite. Völlig durchnässt vom Schnee liefen wir weiter und weiter, ohne wirklich ein Ziel zu haben. In meinem Kopf wirbelten so viele Gefühle durcheinander, dass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ich musste ständig an Joey denken, wie er so verweint dagestanden und mich angesehen hatte. Es hatte geschmerzt, ihn so zu sehen. Aber was sollte ich denn tun? So tun, als würde ich ihn lieben, nur um ihn nicht zu verletzen? Das wäre doch genauso falsch. Ich wusste nicht, was ich für Joey empfand, aber ich war sicher, dass ich ihn nicht liebte. Dafür war es viel zu früh. Ich wusste nicht, ob ich ihn irgendwann lieben könnte, aber im Moment tat ich es einfach nicht. Schließlich brauchte ich Joey doch als meine Vertrauensperson, als meinen Fels in der Brandung. Er gab mir Halt und Sicherheit und ich wollte ihn auf keinen Fall verlieren. Aber wie sollte ich ihn denn halten, wenn er mich liebte? Es wäre doch zu schmerzhaft für ihn, mich ständig sehen zu müssen, ohne Gegenliebe. Eins war sicher: ich musste mich entscheiden. Wenn ich Joey nicht lieben konnte, würde er gehen. Also musste ich ihn entweder loslassen oder lernen, ihn zu lieben. Aber ich wusste nicht, ob ich wirklich einen Mann lieben konnte. Wieso musste das denn auch alles so kompliziert sein? Mit Riku war das immer so einfach gewesen. Wir waren Freunde und mehr nicht. Da hatte es nie solche Bedingungen gegeben. Aber jetzt? Plötzlich bellte Raiko laut und riss mich aus meinen Gedanken. Es war inzwischen dunkel geworden und wir hatten den Park weit hinter uns gelassen. Die Straßen waren schlecht beleuchtet und rutschig vom Schnee. Aber nicht das war der Grund, warum Raiko gebellt hatte, sondern ein kleiner Junge, der weggerutscht war und sich direkt auf der Straße auf den Hintern gepackt hatte. An und für sich nichts Besonderes. Kinder fielen doch andauernd auf die Nase. Doch diesmal war es anders. Den einzigen Erwachsenen, den ich ausmachen konnte, war eine Frau ganz am anderen Ende der Straße. Sie schrie etwas, das ich nicht verstand, aber sie meinte wohl mich. Immer verzweifelter wedelte sie mit den Armen und deutete hinter mich und auf das Kind. Ich verstand immer noch nicht, was sie wollte. Aber als ich mich umdrehte, sah ich ein Auto, das viel zu schnell fuhr und direkt aufs Kind zuhielt. Es war zu dunkel, als dass der Fahrer den Jungen hätte sehen können, zumal er auch eher auf dem Boden lag als saß. Ich musste etwas tun, sonst war es zu spät und der Junge würde sterben. Wie Riku damals... Schnell rannte ich auf das Kind zu und wedelte dabei mit den Armen, um dem Fahrer zu bedeuten, er solle anhalten. Zum Glück verstand er es anscheinend und trat auf die Bremse. Aber es war so glatt, dass der Wagen ins Schleudern geriet und weiter auf den Jungen zurutschte. Was nun? Der Fahrer bekam das Auto einfach nicht mehr unter Kontrolle und war nicht mehr weit vom Kind entfernt. Die Reifen quietschten, die Mutter schrie wie wild und das Kind plärrte immer noch. Konnten die denn nicht alle mal ruhig sein, damit ich nachdenken konnte? Jetzt ging es darum, wer das Kind zuerst erreichte: ich oder das Auto. Ich rannte so schnell ich konnte und tatsächlich schaffte ich es, den Jungen knapp vor dem Wagen zu erreichen. Allerdings blieb keine Zeit mehr, auszuweichen. Ich packte den Jungen und drückte ihn schützend an mich, um ihn vor dem Aufprall zu schützen. Als das Auto uns erreicht hatte, warf ich mich ihm entgegen. Meine einzige Hoffnung, nicht überrollt zu werden, war es, zu versuchen, über die Motorhaube abzurollen. Ich schaffte es auch, nur das Problem war, dass ich keine freie Hand hatte, um ich irgendwo festzuhalten, da ich ja den Jungen festhalten musste. Und so rollten wir über die Haube und wurden in die Luft geschleudert. Ich verlor vollkommen die Orientierung. Verdammt, ich musste das Kind doch vor dem Aufprall schützen. Da! Ich konnte den Boden ausmachen. Schnell wandte ich mich ab und presste ich den Jungen an meine Brust. Der Aufprall ging mir durch Mark und Bein. Mein ganzer Körper schmerzte und so langsam wurde mir schwarz vor Augen. Das Weinen des Kindes wurde immer leiser, bis schließlich alles um mich herum verstummte. Seto erwiderte meine Gefühle nicht. Er liebte mich einfach nicht. Natürlich tat das weh und im ersten Moment konnte ich auch nicht anders, als wie verrückt zu heulen. Aber im Grunde genommen hatte ich auch nichts anderes erwartet. Trotzdem war es ein schreckliches Gefühl, abgelehnt zu werden. So einen winzigen Hoffnungsschimmer hatte ich mir bis zum Schluss bewahrt, doch es war dumm gewesen, zu glauben, er würde dasselbe fühlen. Ich hatte ihn zugegebenermaßen wahrscheinlich auch total überrumpelt damit. Ich wusste einfach nicht, wie es weitergehen sollte. Wenn ich mich etwas von Seto distanzierte, bis Gras über die Sache gewachsen war, konnten wir vielleicht in ein paar Jahren wieder so ein vertrautes Verhältnis aufbauen, wie wir es bisher gehabt hatten. Aber ich wusste nicht, ob ich es ertragen könnte, ihn jeden Tag zu sehen. Die Situation war einfach nur beschissen. Ich wusste nicht, wie wir nun zueinander standen. Vielleicht hatte ich mit meinem Geständnis alles kaputt gemacht und Seto ging jetzt wieder auf Distanz. Ich hätte schweigen sollen. Lieber sollte er mich nur als Freund sehen, als dass er aus meinem Leben verschwand. Aber noch schlimmer war, dass ich nicht wusste, was Seto jetzt von mir dachte. Ich hatte ihm zwar unterstellt, er fände es abartig, doch ich wusste tief in meinem Innern, dass das nicht stimmte. Ich hatte es in seinen Augen gesehen, als wir uns am Hintereingang gegenüber gestanden hatten. Er wusste nur nicht, wie er damit umgehen und was er mir antworten sollte. So traurig, wie er mich angesehen hatte, fühlte er sich verantwortlich für diese Situation. Das war natürlich Unsinn! Wenn hier einer Schuld hatte, dann ja wohl ich. Aber wenn ich an sein trauriges Gesicht dachte, blutete mir das Herz. Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle in den Arm genommen, aber die Situation war so schon vertrackt genug. Nachdem ich Seto nachgesehen hatte, bis er aus meinem Blickfeld in den Schnee verschwunden war, entschied ich mich wieder reinzugehen. Draußen war es nämlich doch recht kalt. Hoffentlich erkältete Seto sich nicht. Als ich die Tür hinter mir schloss, hörte ich, wie Akito und Ryo immer noch stritten. Sie hatten überhaupt nicht mitbekommen, was geschehen war. Für sie ging es immer noch um diese lächerliche Angelegenheit, mit wem Seto seine Zeit verbringen durfte. Er hatte Recht. Das klang total nach Bevormundung. Als würden sie darüber streiten, mit wem Seto spielen gehen durfte. Kein Wunder, dass er so sauer gewesen war. Immerhin war er ein erwachsener Mann. Dieser Streit war so absurd. Ich ging zu den beiden und schrie sie an: „Seto ist weg. Also spart euch euren bekloppten Streit!“ Schnaubend ließ ich mich auf die Couch fallen. Die beiden verstummten tatsächlich. Stattdessen sahen sie mich verblüfft an. „Was hat dich denn gestochen?“, fragte Akito verwirrt. Seto, und zwar genau ins Herz. Ich seufzte. „Ich wollte euch nur mitteilen, dass Seto gegangen ist. Ihr könnt also aufhören, euch wie Kinder anzubrüllen.“ „Seto ist weg?“ Akito sah mich erschrocken an, „Wo ist er denn hin? Ich dachte, er wollte sich schlafen legen“ „Das hat er, aber jetzt ist er weg. Er wollte spazieren gehen“ „Bei dem Wetter?“ „Lasst ihn doch“, schnaubte Ryo, „Er kann schon auf sich aufpassen“ „Halt die Klappe, du Junkie! Mit dir redet keiner“, Akito konnte ja richtig dominant werden, „Also. Wieso ist er gegangen? Ist etwas passiert?“ „Nein“, außer, dass ich ihm meine Liebe gestanden und er mir das Herz gebrochen hat. „Vielleicht habt ihr ihn ja mit eurem Streit vergrault.“, meinte ich stattdessen. „Wie auch immer“, Akito winkte ab, „Ich werde ihn suchen gehen“ Er wollte schon rausstürmen, als ich ihn schnell am Kragen packte. „Wieso lasst ihr ihn nicht einfach in Ruhe? Er will allein sein“, fragte ich wütend. Ich wunderte mich selbst darüber, wieso ich einfach nicht aufhören konnte, Seto in Schutz zu nehmen. Eigentlich hätte ich ihn meiden sollen, das wäre die logischere Reaktion gewesen. „Ich will nur aufpassen, dass ihm bei dem Wetter nichts passiert. Und wenn ich mit ihm dabei noch unter vier Augen reden kann, umso besser“,er riss sich von mir los. „Aber-“ „Lass es, Joey! Du verstehst nicht, um was es geht. Seto ist sehr kompliziert und momentan braucht er jemanden, der ihn ein bisschen leitet, damit er nicht irgendetwas Dummes anstellt. Ich muss mit Seto allein reden, ohne dass ihr ständig dazwischen plärrt.“, er verließ das Haus, wobei er die Tür laut knallend ins Schloss fallen ließ. Jetzt waren Ryo und ich allein. Und das war nicht wirklich gut. Ich konnte seinen bohrenden Blick in meinem Rücken spüren. „Wieso musst du dich ständig einmischen, du kleiner Bastard?“, zischte er, „Unsere Welt war in Ordnung, bis du gekommen bist.“ „Oh tut mir Leid, wenn ich dich beim Kiffen gestört habe!“, knurrte ich. „Treib es nicht zu weit, Köter!“ „Wieso? Verprügeln willst du mich ja sowieso schon. Also was solls“ Ein schmieriges Grinsen erschien in seinem Gesicht „Du glaubst, ein bisschen Prügel wäre das schlimmste, das dich erwarten könnte? Wie süß! Aber glaub mir, es gibt weitaus schlimmeres“ „Na dann komm doch her!“, raunte ich. Sollte er nur kommen! Ich war bereit. „Nein“, er funkelte mich überlegen an, „Ich werde kommen, wenn du es nicht erwartest“, damit verschwand auch er und ich war ganz allein in der Villa. Seufzend sank ich auf die Couch. Na das konnte ja noch was werden. Am besten warf ich mich einfach in ein Loch und kam erst wieder nach zwanzig Jahren heraus. Doch plötzlich klingelte das Telefon. Sollte ich da rangehen? Immerhin war ja sonst keiner da. Vielleicht war es ja wichtig. Als ich abnahm, war es das städtische Krankenhaus. So, ist zwar etwas kurz, aber das nächste wird wieder spannend:) Kapitel 22: Im Krankenhaus -------------------------- Der Anruf des Krankenhauses hatte mich in schiere Panik versetzt. Ich war fast aus allen Wolken gefallen, als sie mir sagten, er wäre von einem Auto angefahren worden. Immer wieder fragte ich den Arzt, was mit Seto war, wie schlimm es denn aussah, aber er konnte es mir nicht sagen. Er meinte nur, dass er nicht in Lebensgefahr wäre. Sofort nach dem Anruf sagte ich Akito, Leo und Mokuba Bescheid und machte ich mich auf den Weg ins Krankenhaus. Ich machte mir auf dem ganzen Weg Gedanken, was mit Seto sein konnte. War ja toll, dass er nicht in Lebensgefahr schwebte, aber wie sah es ansonsten aus? Hatte er nur ein paar Kratzer oder fehlte ihm eine Hand? Ich wusste es nicht und das machte mich wahnsinnig. Das Geständnis war völlig vergessen, genauso wie die ganze damit verbundene Verzweiflung. Jetzt zählte nur noch Setos Zustand. Im Krankenhaus nervte ich alle Schwestern und Ärzte, bis mir endlich mal jemand sagte, was Sache war. Eine Schwester klärte mich schließlich auf. „Mr. Kaiba ist schwer auf die Seite gestürzt. Zwei Rippen sind gebrochen, zwei weitere Rippen und sein einer Fuß sind angeknackst. Ansonsten ist er wohlauf.“, erklärte sie ruhig. Erleichtert atmete ich auf. Die Verletzungen waren zum Glück nicht so schlimm, wie ich schon befürchtet hatte. „Kann ich zu ihm?“, fragte ich hoffnungsvoll. „Er ist noch nicht wach,aber wenn Sie wollen, bringe ich Sie zu ihm. Dann können Sie, wenn Sie gehen, den Hund gleich mitnehmen“ Dankbar nickte ich. Die Schwester führte mich durch die Korridore bis zu dem Zimmer, in dem Seto lag. Auf dem Boden lag Raiko vor dem Bett und wachte über sein Herrchen, wobei er wehleidig winselte. Ganz vorsichtig trat ich heran, um Seto zu betrachten. Er trug einen weißen Pyjama vom Krankenhaus. Wo die Haut nicht davon verdeckt war, konnte ich Schürfwunden und Kratzer sehen. Auch im Gesicht waren einige Kratzer sichtbar, aber ansonsten wirkte er, als würde er nur schlafen. Seine Brust hob und senkte sich regelmäßig und eine Maschine zeigte seinen gleichmäßigen Herzschlag an. „Wofür ist die Maschine?“, fragte ich ängstlich, „Sie haben doch gesagt, es geht ihm gut“ „Das ist eine übliche Sicherheitsmaßnahme. Er liegt hier zur Beobachtung.“ „Sind Sie sicher, dass ihm ansonsten nichts fehlt?“ „Keine Sorge. Er wurde gründlich untersucht“, versicherte sie. „Ist er bewusstlos?“ „Nein“, sagte sie beruhigend, „Inzwischen schläft er. Wir haben ihm ein Mittel gegen die Schmerzen gegeben“ „Kann ich bei ihm bleiben?“ „Natürlich. Ich lasse Sie allein“, die Schwester schenkte mir noch ein aufmunterndes Lächeln, bevor sie leise den Raum verließ. Seufzend ging ich näher heran und ließ mich auf einen Stuhl neben dem Bett fallen. Wie hatte das nur passieren können? Seto war doch nicht blöd. Er wusste doch, dass man nicht einfach auf die Straße rannte. Ob er versucht hatte, sich umzubringen? Ehrlich gesagt konnte ich mir das nicht vorstellen, aber mir fiel keine andere schlüssige Erklärung ein. Vielleicht war es ja auch meine Schuld. Immerhin hatte ihn mein Geständnis ziemlich verwirrt. Hätte ich ihn nicht damit konfrontiert, wäre er nie bei dem Wetter nach draußen gegangen und dann wäre er auch nicht so unachtsam in das Auto gerannt. Oh Gott, es war wirklich alles meine Schuld. Aber ich würde es wieder gut machen. Ich würde ihm beistehen so gut es ging, damit er schnell wieder gesund wurde. Ich griff vorsichtig nach seiner Hand, um beruhigend darüber zu streicheln. Hoffentlich wachte er schnell wieder auf. Es war entsetzlich, ihn so hilflos zu sehen, angeschlossen an die nervig vor sich hin piepende Maschine. Am liebsten hätte ich das blöde Ding aus dem Fenster geworfen und wäre mit Seto einfach nach Hause gegangen. Ich hätte ihn auch den ganzen Weg auf Händen getragen, nur um aus diesem sterilen Zimmer fliehen zu können. Das war einfach nicht richtig. Seto gehörte nicht in so eine Umgebung. Nein, er sollte lieber wieder durch die Gegend laufen, lachen und mich so wunderbar anlächeln. Ich wollte wieder mit ihm auf der Wiese am See liegen und dem Wind lauschen. Liebevoll streichelte ich durch sein Haar. Wenn das alles hier überstanden war, würde ich jede Qual auf mich nehmen, nur um bei ihm zu sein. Auch wenn er mich nicht liebte, ich wollte ihn nie wieder aus den Augen verlieren. Nach fast einer Stunde kamen auch endlich die anderen. „Wie geht es ihm?“ fragte Mokuba entsetzt. Dicke Tränen kullerten über seine Wangen. „Es geht ihm gut“, ich erklärte den Dreien schnell den Stand der Dinge. Leo atmete erleichtert auf, „Da hat er ja nochmal Glück gehabt“ „Ich denke, einer von uns sollte immer hier sein, bis er aufwacht.“, meinte Akito fest, „Damit er nicht allein ist und vielleicht in Panik gerät“ „Dann übernehme ich die erste Schicht“, rief Leo entschlossen, „Dann kannst du Joey und Mokuba nach Hause bringen“ „Aber ich will nicht nach Hause!“, ich sah ihn empört an, „Ich will bei Seto bleiben“ „Wenn du völlig übermüdet bist, nutzt du keinem etwas“, mit sanftem Druck schob Akito mich zur Tür, „Seto wird heute sowieso nicht mehr wach. Also kannst du nach Hause gehen und dich ein bisschen ausruhen. Und wenn er dann morgen irgendwann mal wieder aufwacht, kannst du ihm munter zur Seite stehen – Komm Raiko!“ Ich wollte widersprechen, aber wir waren bereits aus dem Krankenhaus raus und Raiko trottete neben mir her. Also gab ich fürs erste auf. Vielleicht war ein bisschen Ruhe nach so einem Tag doch gar nicht so schlecht. „Kannst du nicht mit zu uns kommen?“, fragte Mokuba leise, während Akito durch die Stadt chauffierte. Er war immer noch kreidebleich und die Tränen rollten weiter unaufhaltsam über seine Wangen. „Ja, sehr gern“, tröstend wuschelte ich durch sein Haar. Er wollte nicht allein sein und wenn ich es recht bedachte, war ein wenig Gesellschaft auch nicht schlecht. Akito setzte uns vor der Villa ab und fuhr zurück zum Krankenhaus, damit Leo sich nicht zu sehr langweilte. Heute würde wohl wirklich nicht mehr viel passieren. Also fütterte ich Raiko und machte es mir mit ihm, Mokuba und mit Chips und Schokolade auf Setos Bett bequem. Irgendwie fühlten wir uns hier am wohlsten, denn Setos Aura schwebte überall wie ein beschützender Geist im Raum. In dem Bett, auf dem wir saßen, hatte er geschlafen, die Kleider auf dem Boden hatten seine Haut berührt. Alles hier verströmte dezent seinen Geruch. Und so ließen wir uns von seiner imaginären Präsenz beruhigen, streichelten Raiko und stopften uns mit Süßkram voll. In Krisenzeiten wie dieser war Schokolade immer noch das beste – zumindest, wenn einem kein Seto zum Anschmiegen zur Verfügung stand. Mokuba konnte die ganze Zeit einfach nicht aufhören zu weinen. Krampfhaft presste er ein Kissen an sich und ließ seinen Tränen freien Lauf. Ich konnte nichts anderes tun, als beruhigend auf ihn einzureden. „Seto wird wieder gesund“, flüsterte ich sanft, „Das wird schon wieder“ „Ich weiß“, schluchzte er, „Aber ich kann einfach nicht aufhören“ „Schon okay“, ich strich besänftigend über seinen Rücken. „Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“, fragte er verzweifelt, „Ich dachte, du bist in ihn verliebt“ „Nein, ich bin nicht in Seto verliebt.“, ich seufzte, „Ich liebe ihn. Aber wie soll ich denn sonst reagieren?“ Mokubas Augen wurden immer größer „Du liebst ihn? Weiß er das?“ „Ja“, betrübt drehte ich ein Stück Schokolade zwischen meinen Fingern, „Ich habe es ihm vorhin gesagt“ „Und?“, seine Tränen waren inzwischen versiegt. Fürs Weinen war er viel zu sehr auf mich konzentriert „Wie hat er reagiert? Was hat er gesagt?“ „Naja, er war... geschockt und er hat es nicht verstanden“, murmelte ich. Es tat weh, schon wieder darüber nachdenken zu müssen. „Wie meinst du das, er hat es nicht verstanden?“ „Er wollte immer wieder wissen, wieso ich ihn liebe. Ich habe es versucht, ihm zu erklären, aber ich glaube, er konnte es nicht ganz nachvollziehen.“ „Und dann?“, fragte er aufgeregt. So langsam glaubte ich, er sah das ganze eher wie einen Liebesfilm als wie die Realität, aber wenn es half, ihn abzulenken... „Ich bin sauer geworden, weil er mir nicht sagen konnte, was er davon hielt“, deprimiert stopfte ich mir noch mehr Schokolade in den Mund, „Und dann bin ich raus gerannt“ „Oh“, machte er, „Das ist natürlich blöd. Und wie steht ihr jetzt zueinander?“ „Keine Ahnung“, verbissen fixierte ich die Schokolade. Jetzt bloß nicht heulen! Ich wollte einfach nicht weiter darüber nachdenken, „Schwamm drüber. Das wird schon irgendwie. Wollen wir einen Film sehen?“ Zum Glück schien Mokuba den Wink zu verstehen. Er nickte nur. Also sahen wir den Rest des Abends Filme an, bis wir beide irgendwann einschliefen. Am nächsten Morgen wurden wir von Leo geweckt. Er sah müde und ein wenig genervt aus. „Kommt schon! Ich dachte, ihr wolltet so unbedingt ins Krankenhaus“ Krankenhaus? Was faselte er denn da? Ach ja. Seto, Krankenhaus. Mir fiel wieder alles ein und mit einem Mal saß ich kerzengerade da und starrte Leo an „Ist er wach?“ „Nein. War ja auch nicht zu erwarten.“, murrte er, „Jetzt kommt endlich! Ich muss zur Arbeit“ Wir weckten Mokuba und fuhren dann sofort zum Krankenhaus, um Akito abzulösen. Danach saßen der Kleine und ich allein vor dem Bett. Seto hatte sich scheinbar seit gestern abend nicht sonderlich viel bewegt. Er lag noch genauso da, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Und so saßen wir bis zum Abend einfach nur da und sahen ihm beim Schlafen zu. Nur ab und zu kam eine Schwester vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Ansonsten blieb alles ruhig. Den ganzen Tag lang hatte er sich kein bisschen gerührt. Irgendwann kam Akito, um uns abzulösen, aber diesmal weigerte ich mich, das Zimmer zu verlassen. Nach einer langen Diskussion gab er schließlich nach. Er versprach, Mokuba nach Hause zu fahren und ihm ein bisschen Gesellschaft zu leisten. Also blieb ich allein zurück. Ich verstand es einfach nicht. Wieso wachte Seto denn nicht auf, wenn es ihm doch angeblich gut ging? Hatten die Ärzte etwas übersehen? Als das nächste Mal eine Schwester hereinkam, sprach ich sie darauf an. „Sie können sicher sein, dass wir ihn gründlich untersucht haben“, sagte sie. „Aber wieso wacht er dann nicht auf?“, fragte ich verzweifelt. „Das kann verschiedene Gründe haben“ „Untersuchen Sie ihn nochmal! Sie müssen etwas übersehen haben!“, ich schätze, wenn es sich nicht um den berühmten Seto Kaiba gehandelt hätte, wäre sie niemals darauf eingegangen. Aber so rief sie nur seufzend nach einem Arzt, der sich alles noch einmal ansehen sollte. Mich setzten sie derweil einfach vor die Tür. Na schön, dann ging ich eben etwas frische Luft schnappen. Es war eine sternenklare kalte Nacht. Auf dem Boden bildeten sich bereits kleine Eiskristalle, also würde es wieder Frost geben. Ich beschloss ein bisschen durch den Innenhof des Krankenhauses zu laufen, um mir die Beine zu vertreten, als ich plötzlich Schritte hinter mir hörte. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend drehte ich mich um. Da stand Ryo, und er war nicht allein. Drei Typen aus seiner Gang waren auch dabei. „Damit hast du nicht gerechnet, was?“, fragte Ryo triumphierend, „Dass wir ausgerechnet jetzt auftauchen“ „Habt ihr sie noch alle? Das ist ein Krankenhaus!“, fauchte ich. Selbst von einem Mistkerl wie Ryo hätte ich etwas mehr Taktgefühl erwartet. „Ist doch ideal“, lachte einer seiner Kameraden, „Genau hierhin wirst du gehören, wenn wir mit dir fertig sind“ Das war doch wohl ein Scherz, oder? „Was wollt ihr?“ „Ich will nur mein Versprechen einlösen“, erwiderte Ryo grinsend, „Ich hab dir doch eine Abreibung vom feinsten versprochen“ Oh großartig! Wenn sie mich jetzt grün und blau schlugen, konnte ich Seto nicht beistehen, wenn er aufwachte. Das musste ich verhindern. Leider nahmen meine Angreifer keine Rücksicht darauf, dass ich mich erstmal sammeln musste, denn ganz überraschend traf mich bereits der erste Schlag im Gesicht. Erschrocken taumelte ich zurück und hielt mir die Wange, an der Ryo mich getroffen hatte. „Und das war erst der Anfang“ lachte er. Was sollte ich nur tun? Sie waren zu viert. Immer wieder schlugen sie auf mich ein und ich konnte nur mit Mühe wenigstens einige Schläge abfangen oder ihnen ausweichen. Ich war normalerweise zäh, was Prügel anging, aber sie hatten mich schon zu oft am Bauch und im Gesicht erwischt, so dass ich irgendwann zu Boden fiel. Ehe ich reagieren konnte, hatten sich die vier um mich versammelt und hielten mich fest. Ryo beugte sich triumphierend über mich „Und jetzt verpassen wir dir ein schönes Chelsea Grinsen“, meinte er bösartig. „C-chelsea Grinsen?“, fragte ich geschockt, „Was ist das?“ „Oh, es wird dir nicht gefallen“, grinste er, „Man steckt seinem Opfer eine Kreditkarte in den Mund, wodurch die Mundwinkel einreißen. Dann foltert man es ein bisschen, um es zum Schreien zu bringen, worauf die Schnitte weiter bis zu den Ohren aufreißen. Die dabei entstehenden Narben bilden in ihrer Form eine Verlängerung eines lächelnden Mundes. Dann grinst du den Rest deines Lebens wie ein Clown“ WAS? Niemals! Das durfte ich nicht zulassen. Ich wollte nicht wie ein Clown aussehen, dann würde mich Seto erst Recht nicht mehr Ernst nehmen. Verzweifelt versuchte ich mich zu befreien, während Ryo ganz in Ruhe schon mal seine Karte zückte. Was sollte ich tun? Was sollte ich nur tun? »Egal was passiert, du musst immer die Ruhe bewahren«, erklang es in meinen Ohren. Richtig, das hatte Seto mal zu mir gesagt, als wir trainiert hatten: *****************FLASHBACK******************* Wir waren in der Trainingshalle. Seto stand mir als Trainingspartner gegenüber. „Also pass auf“, erklärte er ruhig, „Wenn du einmal angegriffen werden solltest, ist es wichtig, dass du dich immer unter Kontrolle hast. Egal was passiert, du musst immer die Ruhe bewahren.“ „Aber, was wenn ich mich nicht mehr wehren kann?“, fragte ich zweifelnd, „Wie soll ich denn dann ruhig bleiben?“ „Du musst dir deiner Situation bewusst werden. Nur dann kannst du jede noch so kleine Unachtsamkeit des Gegners zu deinem Vorteil nutzen“ „Aber wie soll ich mich wehren, wenn der Gegner stärker ist?“ Seto lächelte schwach „Es geht nicht darum, wer stärker ist. Es geht darum den Gegner auszuschalten. Sieh mal da hinten“, er deutete auf ein junges Mädchen und einen kräftigen älteren Kerl. Mit einer eleganten Bewegung warf das Mädchen den Mann über ihre Schulter auf den Boden. „Glaubst du, das Mädchen ist stärker als der Mann?“ „Kann ich mir nicht vorstellen“, meinte ich perplex. „Na siehst du. Aber sie wusste, wo sie den Gegner anpacken muss und das ist der kleine feine Unterschied. Sie hat die Kraft des Angreifers gegen in verwendet“ „Und wenn er mich festhält?“ „Dann musst du die empfindlichsten Stellen des Gegners, die du zu fassen kriegst, angreifen. Also am besten die Augen, die Ohren oder den Hals.“, erklärte er. Ich bezweifelte, dass mir das wirklich weiterhelfen konnte und Seto schien das an meinem Blick zu bemerken. So langsam wurde er ungeduldig. „Ich zeig dir einen einfachen Griff, wenn dich das beruhigt“ „Ja, das fände ich viel nützlicher als trockene Theorie“ „Das ist keine Theorie, das sind Tatsachen, die jeder berücksichtigen sollte, wenn er angegriffen wird“, meinte er ärgerlich. „Aber ohne Praxis nützt das n-“, ich stockte, als ich plötzlich Setos Hand an meinem Hals spürte. Seine Finger krallten sich irgendwie in meine Kehle. Es war ziemlich unangenehm, vor allem, weil ich kaum atmen und sprechen konnte. „Dieser Griff ist sehr einfach, aber effektiv. Zum Beispiel, um jemanden zum Schweigen zu bringen“, erklärte er ein wenig zu amüsiert, „Spürst du, wo meine Finger sind?“ Ich wollte nicken, aber das war momentan unmöglich „Ja“, krächzte ich. „Gut. Merk dir, dieses Gefühl. Im Augenblick drücke ich noch nicht besonders fest zu. Du musst dir bewusst sein, dass der Kehlkopf sehr empfindlich ist. Du könntest ihn zerdrücken. Ich zeige dir noch eine weitergehende Art, okay?“, er sah mir in die Augen und wartete geduldig, bis ich es ihm erlaubte. „Okay, aber es ist sehr unangenehm“, einer seiner Finger drückte in meinen Hals und klemmte sich hinter meinen Kehlkopf. Das war definitiv ein beschissenes Gefühl. „Du kannst sicher meinen Finger hinter deinem Kehlkopf spüren, oder?“ „Ja“ „Damit habe ich dich vollkommen in meiner Gewalt. Bei einer falschen Bewegung oder wenn du versuchst, meinen Arm wegzuschlagen, reiße ich dir den Kehlkopf raus“, er ließ von mir ab und ich konnte endlich wieder durchatmen, „Merk dir den Trick, aber wende ihn nur im Notfall an“ „Mach ich“, keuchte ich. Was für ein fieser Griff. **********FLASHBACK ENDE********** Ja, genau so hatte er es mir erklärt. Das war meine einzige Chance, aber ich war mir nicht sicher, ob ich diesen Griff wirklich beherrschte. Immerhin hatte ich ihn noch nie ausprobiert. Aber wenn nicht jetzt, wann dann? Als erstes musste ich unauffällig eine Hand freibekommen. Ryos Freunde hielten mich fest, wobei Ryo selbst einfach nur über mir kniete. Er war der einzige, der unaufmerksam war. Zwei seiner Kumpanen drückten mit ihren Füßen auf meine Handgelenke, während der andere meine Beine festhielt. Da kam mir eine Idee. Ich versuchte Ryo abzuwerfen und mich nach links zu rollen. Sofort reagierten die vier darauf. Sie packten meinen linken Arm und drückten ihn noch fester auf den Boden. Ich nutzte ihre Unaufmerksamkeit und befreite meine rechte Hand. Blitzschnell griff ich Ryo an die Kehle, wie Seto es mir gezeigt hatte. „Was zu-“ krächzte er entsetzt. Wenn ich es richtig machte, dann musste er Schmerzen beim Sprechen und Atmen haben. „Pfeif deine Leute zurück oder ich reiß dir den Kehlkopf raus!“, zischte ich. Einer wollte nach meinem Arm greifen und mich von Ryo wegzerren, was dieser auch gleich zu spüren bekam. Ich sah es gar nicht ein, meinen Griff zu lockern. „Lasst ihn“, schrie Ryo panisch. Sie ließen tatsächlich von mir ab, auch wenn sie wohl nicht ganz verstanden, was hier ablief. „Und jetzt geh von mir runter!“ Ganz langsam stand er auf, wobei ich ihm langsam folgte und meine Hand immer fest an seiner Kehle ließ. Jetzt hatte ich die Kontrolle über die Situation, Seto sei Dank. „Und nun... lasst mich in Ruhe!“, ich setzte den kältesten Blick auf, den ich konnte, „Ich kann noch andere Griffe und die sind bei weitem nicht so harmlos wie der hier“ Sie wichen tatsächlich vor mir zurück. „Verschwindet!“, zischte ich. Ryo gab ihnen einen Wink und sie wichen wirklich langsam zurück. Als sie weit genug entfernt waren, stieß ich ihren Anführer in ihre Richtung. „Das wird noch ein Nachspiel haben“,krächzte er. „Ja, kommt nur“, knurrte ich, „Diesmal war ich noch zurückhaltend. Aber nächstes Mal zerquetsch ich dir deinen beschissenen Kehlkopf!“ beschwichtigend hob er die Hände „Schon gut. Vergiss es! Verschwinden wir, Jungs!“, sie warfen mir noch einen letzten bösen Blick zu, bevor sie vom Gelände gingen. Wow, wer hätte gedacht, dass das tatsächlich funktioniert? Der kleine Triumph und der in mir aufkeimende Stolz auf meinen Mut ließen mich für einen Moment sogar die Schmerzen vergessen. Ich hatte einiges wegstecken müssen, aber es waren eigentlich bloß ein paar blaue Flecken und eine blutige Lippe. Erschöpft ging ich zurück zu Setos Zimmer. Inzwischen sollte die Untersuchung ja vorbei sein. Hoffentlich war alles in Ordnung. Als ich ins Zimmer trat, war nur noch die Schwester da. „Mein Gott, was ist denn mit Ihnen passiert?“, fragte sie erschrocken, „Soll ich Ihnen einen Arzt rufen?“ „Nein“, ich trat ans Bett, um nach Seto zu sehen, aber er schlief immer noch „Was hat die Untersuchung ergeben?“ „Nichts Neues. Abgesehen davon, dass er zu dünn ist, Marihuana im Blut hat und in letzter Zeit wohl nicht viel Schlaf bekommen hat, ist alles in Ordnung.“, meinte sie kühl, während sie etwas ins Krankenblatt schrieb, „Jetzt muss er viel Schlaf nachholen. Es ist also normal, dass er noch schläft.“ Ihre abweisende Art gefiel mir nicht „Er ist kein Junkie!“, knurrte ich. „Das habe ich auch nicht gesagt“ „Aber Sie haben es gedacht!“ „Es geht mich nichts an, was die Patienten in ihrer Freizeit tun. Aber Sie sollten Acht geben, dass dieser Lebensstil nicht in Magersucht oder Drogenabhängigkeit ausartet. Sie sollten besser auf ihren Freund aufpassen “, sie hängte das Krankenblatt wieder ans Bettende und verließ das Zimmer. Blöde Kuh! Was wusste die schon? Genervt ging ich erstmal ins Bad und wusch mir das Blut vom Gesicht. Abgesehen von der aufgeplatzten Lippe und dem blauen Auge sah es nicht weiter wild aus. Ich setzte mich ans Bett und beobachtete Seto. Wenn die Schwester Recht hatte, konnte es noch ewig dauern, bis er endlich mal aufwachte. Also lehnte ich mich zurück und döste ein wenig, um mich vom Tag zu erholen. Mitten in der Nacht spürte ich eine Bewegung neben mir. Sofort war ich wieder hellwach und sah zu Seto. Tatsächlich, er wachte auf. Nur langsam öffneten sich seine Augen und ein leises gequältes Stöhnen kam über seine Lippen. Sein verschleierter Blick glitt durch die Dunkelheit, wanderte über die ineinander verschlungenen Schatten und blieb letztendlich an mir hängen. Eine ganze Weile sah er mich nur aus leeren Augen an. „Seto...“, ich griff nach seiner Hand, um ihm zu zeigen, dass er nicht allein war. Aber er schien das nicht zu wollen. Erschrocken schlug er meine Hand weg und plötzlich saß er kerzengerade im Bett. Doch die Bewegung schien zu abrupt gewesen zu sein, denn mit schmerzverzerrtem Gesicht griff er sich an die Rippen. „Alles in Ordnung?“, fragte ich vorsichtig. „Wo... bin ich?“, seine Stimme zitterte. „Im Krankenhaus“ „Im... Krankenhaus? Nein!“, mit einem Mal wollte er aus dem Bett springen. Er schwang die Beine aus dem Bett und wollte aufstehen, doch als er mit dem verletzten Fuß auftrat, schrie er heiser auf und drohte zuammenzusinken. Schnell umfasste ich seine Taille und drückte ihn an mich. Panisch sah er mir in die Augen. Sein Atem ging schnell, als wäre er einen Marathon gelaufen. So nah an mich gedrückt konnte ich spüren, wie sein Herz raste, was auch vom Piepen dieser komischen Herzmaschine untermalt wurde. „Ganz ruhig“ flüsterte ich, während ich beruhigend über seinen Rücken strich, „Es ist alles in Ordnung“ „Was ist mit mir?“, fragte er ängstlich. Vermutlich hatte er Angst, er hätte seinen Fuß verloren. Ich glaube, das wäre ein absoluter Alptraum für ihn „Dein Fuß ist angeknackst. Deshalb kannst du nicht auftreten, aber das wird wieder. Deine Rippen sind angeknackst und zwei sind gebrochen“, ich versuchte so sanft wie möglich auf ihn einzureden, damit er sich beruhigte. Und es funktionierte tatsächlich. Seine Atmung wurde ruhiger und sein Puls wurde langsamer. Nur seine vor Schreck geweiteten Augen fixierten mich weiterhin. „Was ist mit dem Jungen?“ Welcher Junge? Niemand hatte hier etwas von einem Jungen erzählt. Bildete Seto sich den nur ein? „Setz dich erstmal“, sanft aber bestimmt half ich ihm, sich auf die Bettkante zu setzen. Dadurch konnte er seinen Fuß entlasten und ihn einfach baumeln lassen. „Ist er verletzt?“, fragte er unruhig. Seto schien felsenfest davon überzeugt zu sein, dass da ein Junge war, aber was sollte ich ihm darauf antworten? Er war so schon beunruhigt genug. „Ihm geht es gut. Es ist ihm nichts passiert“ „Oh gut“, obwohl er sich sichtlich beruhigt hatte, schien er sich unbehaglich in dieser Umgebung zu fühlen. Missmutig betrachtete er die Kabel, die ihn mit der penetrant piependen Maschine verbanden. Kurzerhand riss er sie von seiner Haut und einer langgezogener schriller Ton ersetzte das regelmäßige Piepen. „Kannst du das Ding ausschalten?“, fragte er leise. „Natürlich“, ich ging zu der Maschine und suchte nach einem Ausschalter, aber ich fand keinen. Dieses blöde Piepen machte mich wahnsinnig! Da entdeckte ich die Steckdose, an der da Ding angeschlossen war. Schnell zog ich den Stecker und es kehrte endlich Ruhe ein. „Besser so?“ „Ja, danke“ Ich setzte mich wieder zu ihm „Hast du Schmerzen? Soll ich den Doktor holen?“ Aber er schüttelte nur träge den Kopf. „Vielleicht solltest du noch ein bisschen schlafen. Du bist sicherlich erschöpft“, ich half ihm, sich wieder hinzulegen. Vorsichtig hob ich seine Füße an und legte sie ans Bettende. Auf jede Bewegung bedacht, um nicht seine Rippen zu belasten, legte er sich schließlich hin. „Ruh dich aus“, flüsterte ich sanft, „Ich passe schon auf“, liebevoll streichelte ich durch sein Haar, bis er eingeschlafen war. Ich war so unendlich froh, dass er aufgewacht war, dass es ihm gut ging. Das beruhigte mich ungemein. Leise legte ich meinen Kopf neben ihm aufs Bett und schlief ein. Am nächsten Morgen wachte ich durch das überraschte „Oh“ einer Krankenschwester auf. Verschlafen sah ich zu ihr. „Wie ist das denn passiert?“, sie deutete auf die Herzmaschine. „Sie hat ihn gestört“, murmelte ich müde, während ich zu Seto schaute. Er schlief noch seelenruhig. „Heißt das, er war wach?“ „Ja. In der Nacht“ „Oh hervorragend“, rief sie fröhlich, „Dann hole ich mal den Arzt“, und schon verschwand sie wieder. Na toll! Dann sollte ich Seto wohl besser wecken. Vorsichtig rüttelte ich an seiner Schulter, bis er langsam die Augen aufschlug. Als sein Blick diesmal auf mein Gesicht fiel, setzte er sich so ruckartig auf, dass er sich schon wieder an die Rippen greifen musste. Diesmal ignorierte er den Schmerz aber schnell. Stattdessen sah er mich überrascht an. Er streckte seine Hand aus und fuhr damit vorsichtig über mein Gesicht „Was ist mit dir passiert?“, fragte er verwirrt, „Du warst doch gar nicht bei dem Unfall dabei“ Seine warmen Hände fühlten sich so unbeschreiblich gut an, sodass ich mich ein wenig dagegen lehnte. Und seine schlanken Finger waren so angenehm zart auf der Haut. Wie sehr ich diese flüchtigen Berührungen doch vermisst hatte. Das schönste daran war die Erkenntnis, dass es Seto trotz allem nicht unangenehm war, mich zu berühren. Dabei hätte ich fast damit gerechnet, er würde jetzt erst Recht Abstand zwischen uns bringen wollen. „Nein, ich hatte eine Auseinandersetzung mit Ryo.“ Er sah betreten zu Boden „Wegen... mir?“ „Naja...“, natürlich war es wegen ihm gewesen. Aber ich wollte Seto keine Schuldgefühle machen, „Wir sind schon vor einer ganzen Weile aneinander geraten. Das hatte nichts mit euren Exzessen zu tun“ „Trotzdem. Tut mir Leid, dass es soweit gekommen ist“, murmelte er. „Ach was! Das war nicht deine Schuld.“, meinte ich fest, „ Außerdem habe ich dank dir gewonnen“ Das schien ihn dann doch zu verwirren „Wie das?“ „Na du hat mir doch mal diesen Trick gezeigt mit dem Kehlkopf“, blitzschnell erzählte ich ihm, was passiert war, wobei ich zum Schluss hin immer euphorischer wurde. „Wow“, machte er, „Und ich dachte schon, du wärst unbelehrbar“ „Bei so einem tollen Lehrer wie dir?“, ich lächelte sanft, bevor ich wieder ernst wurde, „Wie fühlst du dich?“ „Geht schon“, murmelte er, „Ich bin nur so müde“ „Was machen deine Rippen?“ „Sie pochen ein wenig, aber es geht“ „Du solltest dich etwas schonen“, meinte ich sanft. Plötzlich ging die Tür auf und der Arzt und die Krankenschwester kamen herein. „Ah, Herr Kaiba.“, rief der Arzt, „Sie sind also endlich wach. Wie fühlen Sie sich?“ „Großartig.“, murrte Seto sarkastisch. „Haben Sie Schmerzen?“ „Kaum“ „Das ist ein gutes Zeichen“, der Arzt ging näher heran, um seinen Fuß zu untersuchen. Er entfernte den Verband und tastete Knöchel ab. Als er den Fuß ein wenig zur Seite drehte, zuckte Seto unmerklich zusammen. Verbissen krallte er sich in mein Handgelenk. Boah, was für fiese Fingernägel er hatte, die sich tief in meine Haut bohrten. „Tut das weh?“, fragte der Arzt prüfend. „Ja“, riefen Seto und ich synchron. Verwundert sahen mich alle an „Was denn? Du hast ganz schön scharfe Krallen“, meinte ich verteidigend. „Tschuldigung“, schnell zog er seine Finger zurück. „Nun gut, das bestätigt die Diagnose, dass ihr Fuß angeknackst ist“, meinte der Arzt, während die Schwester wieder einen Verband darum wickelte, „Sehen wir uns noch die Rippen an. Einmal freimachen bitte“ Ungeschickt versuchte Seto die Knöpfe seines Oberteils zu öffnen, aber er war in seinen Bewegungen noch ein wenig eingeschränkt. „Lass mich das machen“, ich scheuchte seine Hände weg und öffnete flink sein Oberteil. Der Arzt schob das Hemd beiseite und nahm auch hier den Verband ab. Die Stelle um die Rippen herum sah wirklich schlimm aus. Sie war geschwollen und lila blau gefärbt. Vorsichtig tastete der Arzt alles ab. „Haben Sie Schmerzen beim Sprechen oder Atmen?“ „Nein. Was ist mit dem Jungen?“ Ging das schon wieder los? Der Arzt schien auch nicht zu wissen, was Seto wollte „Es ist kein Junge eingeliefert worden“, meinte er etwas irritiert. „Wen meinst du denn überhaupt?“, fragte ich. „Na da war doch dieser Junge auf der Straße“, er erzählte, was sich wirklich zugetragen hatte. „Wenn das stimmt, was Sie sagen, dann... sind Sie ein Held“, meinte der Arzt langsam. „Darum geht es hier doch nicht!“, murrte Seto ungeduldig, „Es geht um den Jungen“ „Vielleicht... haben Sie sich den Jungen nur eingebildet“ „Wieso sollte ich?“, fragte Seto sauer, „Glauben Sie, ich wäre geisteskrank oder was?“ „Nun...“, anscheinend überlegte er, wie er es am besten formulierte, „In Anbetracht ihrer Vergangenheit und der Menge an Marihuana in ihrem Blut wäre das durchaus denkbar. Es könnte etwas wie eine Projektion einer traumatischen Erinnerung gewesen sein, so etwas wie ein Déja-vu“, nachdenklich setzte sich der Arzt ans Bettende, „Damals als ihr Freund gestorben ist – Riku nicht wahr? – haben Sie mir soweit ich mich erinnern kann eine Geschichte erzählt, die dieser hier sehr ähnlich ist. Sie haben doch gesagt, die Straße, in der Sie angefahren worden sind, war schlecht beleuchtet, genau wie vor fünf Jahren“ „Sie meinen, ich habe mir den Jungen nur eingebildet, weil die Umgebung so ähnlich war wie vor fünf Jahren?“ „Ja, da durch Marihuana Einbildung gefördert werden, ist das durchaus denkbar“, meinte der Arzt, „Möchten Sie vielleicht mit einem Psychologen darüber sprechen? Wenn es sich um psychische Probleme handelt, kann ihnen das helfen“ Seto schüttelte entschieden den Kopf „Es geht schon“ „Haben Sie sonst noch irgendwelche physischen oder psychischen Beschwerden, die nicht da sein sollten?“ „Abgesehen von meinem Fuß und meinen Rippen nicht“ „Sehr gut.“, erleichtert stand der Arzt wieder auf, „Dann müssen Sie sich in nächster Zeit schonen“, erklärte er, während die Schwester Seto neu bandagierte, „Das heißt, Sie sollten sich nicht allzu viel bewegen. Außerdem werden sie die ersten Tage eine Krücke brauchen. Nutzen Sie die Zeit und nehmen Sie mal etwas zu“ Seto plusterte beleidigt die Backen auf, während er zusah, wie der Arzt mitsamt Krankenschwester verschwand. „Und das von einem Kerl, der nicht mal als Strich in der Landschaft durchgeht“ „Du etwa?“, fragte ich neckisch „Mehr als dieses Subjekt von einem Arzt“ „Ihr könnt euch ja zusammentun. Dann ergebt ihr vielleicht gemeinsam schon einen Streifen“ „Witze auf Kosten eines schwer Kranken? Wie stilvoll“, murmelte er, während er sein Oberteil wieder zuknöpfte. Er brauchte eine Weile dafür, aber ich half ihm trotzdem nicht. Das wäre schlecht für sein Ego gewesen. Und schon kam der nächste Besuch. Akito, Leo und Mokuba stürmten plötzlich ins Zimmer und umlagerten Seto, der sichtlich überrumpelt war. „Wieso hast du uns denn nicht Bescheid gesagt, Joey?“, fragte Akito sauer, „Wir haben uns doch Sorgen gemacht – nebenbei, was ist mit deinem Gesicht passiert?“ „Hab mich mit Ryo geprügelt“ „Und wer hat gewonnen?“ „Ich“ „Na dann ist ja gut“, Und schon war ich vergessen und die drei belagerten Seto, um ihn mit Fragen zu löchern. Der Arme wusste gar nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Mokuba schmiss sich ihm sogar an den Hals, nicht auf Setos Rippen acht gebend. Dieser ächzte unter der schweren Last. Schnell pflückte ich den Kleinen von seinem Bruder. „Jetzt lasst ihn doch erstmal Luft holen!“, rief ich streng. Tatsächlich hörten die Drei auf mich und wichen ein kleines Stück zurück. Erschöpft sank Seto zurück in die Kissen. „Geht schon“, meinte er leise. „Was ist eigentlich passiert?“, fragte Leo, der sich mit den anderen beiden ans Bettende setzte. Also erzählte Seto ihnen die Geschichte und die Diagnose von dem Arzt. „Also hast du dir den Jungen nur eingebildet?“, fragte Akito ungläubig. „Nein“, meinte Seto lahm, „Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass er wirklich da war. Ich schmeiße mich ja schließlich nicht aus Langeweile vor Autos.“ „Wie sah der Junge denn aus?“, wollte Leo wissen, „Sah er Riku ähnlich?“ „Naja...“, er überlegte, „Er hatte dunkles glattes Haar, aber sein Gesicht konnte ich nicht sehen“ „Also war eine Ähnlichkeit vorhanden. Das würde dafür sprechen, dass der Junge doch nur Einbildung war“ „Vielleicht...“, Seto sah betrübt zu Boden. „Mein Sohn ist ganz bestimmt keine Einbildung!“, erklang es plötzlich. Überrascht drehten wir uns alle zur Tür. Dort stand eine junge hübsche Frau, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Nur Seto schien sie zu erkennen. „Du?“, fragte er verblüfft. Wer zum Teufel war nur diese Frau? So, mach hier erstmal nen Strich, weils sonst zu lang wird. Geht aber bald weiter. Vielen Dank für die vielen Kommis. ;) Kapitel 23: Eine Chance? ------------------------ Die Frau ging auf Seto zu und drückte ihm einen leichten Kuss auf die Stirn, wofür ich sie am liebsten gleich gegen eine Wand geklatscht hätte. Was fiel ihr ein, meinen Liebsten zu küssen? Hinter ihrem Rücken zauberte sie eine rote Rose hervor. Dann setzte sie sich auf die Bettkante und strahlte Seto an. „Sorry, dass ich erst jetzt komme, aber ich musste meinen Sohn noch untersuchen lassen, ob es ihm wirklich gut geht. Dank dir ist er aber wohlauf“ „Dann war das dein Sohn?“, fragte Seto verwundert. Dann schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn „Oh Mann! Dich habe ich total vergessen. Tut mir Leid“ „Schon gut, Süßer. Vielmehr sollte ich mich dafür entschuldigen, dass dieser Unfall überhaupt passiert ist. Wie fühlst du dich?“ „Den Umständen entsprechend“ „Dann hole ich mal meinen Sohn, damit er sich bei dir bedanken kann“, schnell sprang sie auf und eilte aus dem Zimmer. Wurde aber auch Zeit. Die sollte ja nicht wiederkommen! Eines stand fest: NIEMAND AUßER MIR DURFTE SETO SÜß NENNEN! Sollte sie das noch einmal wagen würde ich sie erwürgen! Oh ja, ich würde sie platt machen! „Krieg dich mal wieder ein!“, murrte Seto ungeduldig. Anscheinend hatte man mir meine Wut überdeutlich angesehen. „Das ist doch nur Sheena, Rikus ältere Schwester – und macht euch keine Hoffnungen. Sie ist verheiratet“, das war wohl mehr an uns alle gerichtet, denn die anderen drei – selbst Mokuba – hatten die Frau mehr als begeistert angestarrt, wohingegen ich... wie eine eifersüchtige Furie gewirkt haben musste. „Tschuldige“, murmelte ich. „Warum versucht ihr drei nicht, sie ein bisschen zu beeindrucken?“, schlug Seto vor. Anscheinend verstanden sie die Anspielung. Sie nickten nur und folgten Sheena dann nach draußen. Jetzt waren wir allein. Ich ahnte nichts Gutes dabei, denn Seto schaute so ernst drein. „Wie hast du dir vorgestellt, soll es jetzt weitergehen?“, fragte er. „Keine Ahnung“, gestand ich. Ich war vielmehr damit beschäftigt gewesen, mich um ihn zu sorgen, als über unsere Beziehung nachzudenken. „Dachte ich mir schon“, ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen, „Du denkst nie besonders weit, nicht wahr?“ „Naja“, da hatte er eigentlich Recht, „Stimmt wohl. „Wie soll das nur weitergehen?“ Ich seufzte ergeben, „Wenn es dir unangenehm ist, lass uns doch einfach so tun, als wäre das nie geschehen und weitermachen wie bisher“ Er sah mich überrascht an „Das geht nicht. Du würdest nur darunter leiden“ „Ist doch unwichtig. Hauptsache, wir können uns noch in die Augen sehen“ „Und du meinst, wenn du dein Geständnis einfach wieder zurücknimmst, wäre alles wieder im Lot?“ „Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll“, meinte ich verzweifelt. Das hatte ich noch gar nicht berechnet bei all meinen Überlegungen. Ich hatte mir immer eingeredet, dass es ein Hintertürchen geben würde, das ich nur noch finden müsste, um dieser prekären Lage zu entfliehen. Aber erst jetzt wurde mir klar, dass es da keines gab. Die Situation war aussichtslos, es gab kein Entkommen. Also musste ich mich wohl oder übel jetzt entscheiden. Nachdenklich musterte ich Joey. Er hing wie ein Schluck Wasser auf seinem Stuhl, als würde er gleich davon runtergleiten, sich zu einer Kugel zusammenrollen und hemmungslos losheulen. Und das nur, weil ich nicht wusste, wie ich mich entscheiden sollte. Aber man musste mir zugute halten, dass es sich hier nicht um eine lapidare Entscheidung, welches Hemd man anzog, sondern um etwas viel Schwerwiegenderes ging. Nämlich in welche Richtung sich die Beziehung zwischen Joey und mir entwickeln sollte. Ich konnte wirklich nicht auf Joey als Vertrauensperson verzichten, aber die Frage war, wie ich das in mein Leben einbauen sollte. Wenn ich Joey als Freund behalten wollte, würde ich wohl oder übel mein Liebesleben auf Eis legen müssen, um ihn nicht in den Selbstmord zu treiben, und das würde nicht lange gut gehen. Ich brauchte meinen Spaß. Das machte die ganze Sache noch viel vertrackter. Also musste ich eigentlich nur Joey und Liebesleben kombinieren. Moment...! Das klang irgendwie... nicht so wie es klingen sollte. Ich wollte Joey nicht IN meinem Liebesleben. Aber wie sollte ich es denn sonst machen? Ich könnte Joey ja auch mit jemand anderen verkuppeln, auch wenn das echt fies wäre. Wenn ich ihn schon nicht in mein Liebesleben ließ, dann konnte ich doch nicht auch noch in seines mischen. „Das geht nicht. Das geht einfach nicht!“, fluchte ich. Scheiß Liebe! „Was genau stört dich daran?“, fragte er patzig. Anscheinend schien er der ganzen Situation langsam überdrüssig zu werden, denn er sah mich dermaßen verbittert an, dass ich eine Gänsehaut bekam „Dass du einen Mann lieben müsstest?“ „Nein Unsinn! Natürlich nicht. Auf gar keinen Fall. Ich meine, ach was. Eigentlich nicht. Oder vielleicht ein winziges bisschen? Ach keine Ahnung“, nachdenklich fuhr ich mir über die Augen, „Es ist irgendwie ein seltsamer Gedanke“ „Ein abartiger Gedanke?“ Ich rollte mit den Augen „Nein, das habe ich doch auch nicht gesagt, oder? Es ist nur ungewohnt, weil ich noch nie über so etwas nachgedacht habe“ „Also schließt du es nicht vollkommen aus?“, fragte er jetzt hoffnungsvoll. „Keine Ahnung“, dachten wir doch mal logisch über die Sache nach und taten so, als ob Joey eine Frau wäre. Eine schöne junge Frau mit seidigen blonden Haaren, die Joeys Charakter hätte. Sie wäre temperamentvoll, witzig, ein wenig anhänglich und ungemein liebenswert. Ja, wenn er eine Frau wäre, könnte ich mir eine Beziehung verdammt gut vorstellen. „Wow. Ich bin ganz schön oberflächlich, oder?“ Joey sah mich verwirrt an „Ich kenne dich zwar verdammt gut, aber ich weiß doch nicht, worauf du so achtest.“, er senkte den Blick und sah zerknirscht zu Boden, „Aber wenn ich an die drei Mädchen denke, von denen du erzählt hast, könnte man schon meinen, du wärst oberflächlich“ „Bitte?“, überrascht starrte ich ihn an. Welche drei Mädchen? Oh... die drei Mädchen, mit denen ich in den letzten zwei Wochen geschlafen hatte. Daran konnte Joey sich erinnern? Das hatte ich doch nur nebenbei erwähnt und jetzt hielt er es mir auch noch vor. Man war der nachtragend. Das war doch nur ein bisschen Spaß für zwischendurch gewesen. „Du wirst wohl kaum nach der großen Liebe gesucht haben, oder?“ „Stimmt schon, aber...“, nachdenklich fuhr ich mir durchs Haar, „das war eher Vergnügungssucht. Dabei ging es niemals um etwas Ernstes.“ „Ist das nicht oberflächlich?“ „Ja...“, ich seufzte ergeben. Da hatte er Recht, „Dann bin ich wohl wirklich ziemlich oberflächlich“ Scheiß drauf. Hab ja nie gesagt, dass ich die Unschuld vom Lande wäre. „Unsinn!“, er winkte ab, „Du bist nimmst alles nur so... leichtfertig hin. – Egal. Also wieso solltest du oberflächlich sein?“ „Nur so“ „Sag schon“ „Weil...“, ich kaute auf meiner Unterlippe herum, „Weil ich mir eine Beziehung mit dir vorstellen könnte, wenn du eine Frau wärst“ „Oh“, sein Blick sank Richtung Boden, „Aber du kannst dir keine mit einem Mann vorstellen“ „Keine Ahnung“, war da eigentlich ein Unterschied, abgesehen von... naja... den Geschlechtsmerkmalen? Vielleicht war es ja gar nicht so anders. Nachdenklich musterte ich Joey. Er hatte eigentlich nichts Abschreckendes an sich – zumindest, wenn er bekleidet war. Vielleicht sollte ich es einfach mal versuchen. „Joey“, betrübt sah er mich an. Den Moment nutzte ich. Ich beugte mich vor und küsste ihn vorsichtig auf die Lippen. So unangenehm wie ich gedacht hatte, war es gar nicht. Um ehrlich zu sein war es auch nicht anders als eine Frau zu küssen. Es war wirklich angenehm, auch wenn ich jetzt mit Sicherheit wusste, dass Joey wirklich keine Erfahrung hatte. Er riss ungläubig die Augen auf und hing wie ein Schluck Wasser an meinen Lippen, total erstarrt. Aber dann schloss er sie zufrieden seufzend wieder und erwiderte den Kuss. Mein erster Kuss! Mein erster RICHTIGER Kuss! Oh mein Gott, das war ja so viel besser, wenn beide Beteiligten mitmachten. Alles vorher waren ja nur einseitige Bemühungen meinerseits gewesen, das zählte wohl kaum als wirklicher Kuss. Aber das hier ließ keinen Zweifel mehr daran, wie sich ein echter Kuss anfühlen musste. Ich musste an mich halten, um nicht vor Begeisterung zu zerfließen. Diese weichen, zarten Lippen mit dem feinen süßlichen Geschmack machten aber auch süchtig. Ganz vorsichtig tasteten wir uns ab, knabberten zaghaft an den Lippen des anderen und genossen einfach nur die Berührungen. Und Seto war ein verdammt guter Küsser. Zum Glück war wenigstens er erfahren, was das anging, dadurch konnte er mich sehr gut leiten. Ich wollte mich nie wieder von diesen warmen Lippen trennen, aber irgendwann ließ er doch von mir ab, um Luft zu holen. Stimmt. Erst jetzt fiel mir auf, dass meine Lungen bereits verzweifelt nach Sauerstoff schrien. Mir war gar nicht aufgefallen, wie lange wir aneinander gehangen hatten. Aber das war auch egal, solange wir das nur so schnell wie möglich wiederholten. Ich sah Seto ungläubig an. Er hatte mich freiwillig geküsst, obwohl ich fast schon überzeugt gewesen war, dass keine Chance mehr für uns bestand. Aber bestand jetzt denn wirklich eine Chance? Durfte ich mir Hoffnungen machen? Ich musste es wissen. „Was bedeutet das?“, fragte ich ängstlich. Wenn er mir jetzt einen Korb gab, würde ich auf der Stelle tot umfallen. „Ich weiß nicht“, er fuhr mit dem Finger über seine köstlichen Lippen, wobei er mich nachdenklich musterte. „Siehst du eine Chance?“, fragte ich leise. Da schenkte er mir ein warmes Lächeln „Ich brauche etwas Zeit, um mich daran zu gewöhnen, aber ich denke, wir könnten es versuchen.“ Ich hätte heulen können vor Freude. Er gab mir eine Chance, eine echte Chance „Du kannst dir so viel Zeit nehmen, wie du willst“, rief ich überglücklich. „Ich will deine Freude ja nicht dämpfen aber wir sollten das wirklich ganz ganz langsam angehen“ „Macht doch nichts“, ich würde ihm alle Zeit der Welt lassen, wenn er nur bei mir blieb. Es musste für ihn wirklich eine große Überwindung gewesen sein, einem Versuch zuzustimmen und ich war ihm unendlich dankbar. Diese Chance war noch keine Garantie dafür, dass wir tatsächlich eine Beziehung Zustande bekamen, aber ich würde alles tun, damit es funktionierte. Ich würde ihm jeden Wunsch von seinen wundervollen Augen ablesen, damit er sich wohl fühlte. „Gib mir einfach etwas Zeit, bevor wir uns annähern“, bat ich. Mehr brauchte ich nicht „Versprochen“ Abrupt wurden wir von den anderen unterbrochen, die Sheena mit hängenden Köpfen hinterherliefen. Dahinter tauchte ein Mann mit einem Kind an der Hand auf, der die drei strafend ansah. „Ah, das ist dann wohl dein Mann“, rief ich grinsend. Ich konnte erkennen, dass Leo, Akito und Mokuba wohl eine kräftige Abfuhr bekommen hatten. Sheena nickte. Sie packte ihren Mann bei der Hand und führte ihn ans Bett, damit ich ihn begutachten konnte. „Das ist Kato. Und meinen Sohn, Heiji, kennst du ja schon“ Ich nickte flüchtig, aber mein Blick haftete auf dem kleinen Jungen, der sich ein wenig hinter seinem Vater versteckte. Er hatte dunkles Haar und dunkle Augen, die mich neugierig betrachteten. Irgendwie erinnerte er mich wirklich sehr stark an Riku. „Bist du verletzt?“, fragte ich vorsichtig. Der Kleine schüttelte den Kopf und fixierte mich weiter mit seinen großen dunklen Augen. „Er ist ein bisschen schüchtern. Aber Dank dir sind wir noch einmal mit dem Schrecken davon gekommen“, antwortete Kato stattdessen. Er beugte sich zu mir runter und nahm sich so plötzlich in den Arm, dass ich vor Schreck nach Luft schnappte. Der Kerl war ganz schön kräftig und er drückte mir vor lauter Dankbarkeit schmerzhaft auf die Rippen. „Schon gut“, presste ich hervor. Ich hoffte nur, dass er bald losließ, bevor er mir auch noch die restlichen Rippen brach. Diesmal war ich wirklich dankbar, als Joey dazwischen ging. Sanft aber bestimmt, zog er Kato von mir weg, damit ich wieder frei durchatmen konnte. Kraftlos ließ ich mich zurück in die Kissen sinken. Diese ganzen Leute waren so anstrengend mit ihrer Fürsorge und ihrer Dankbarkeit. Sie meinten es zwar gut, aber eigentlich wäre etwas Schlaf so langsam auch nicht so verkehrt. Müde fuhr ich mir über die Augen. „Willst du nicht mal etwas essen?“, fragte Joey plötzlich, „Immerhin musst du doch Hunger haben“ „Nein. Ich bin eigentlich nur müde“, meinte ich wahrheitsgemäß. „Oh, in Ordnung“, Joey richtete sich an die anderen, „Vielleicht solltet ihr gehen, damit Seto sich ein wenig ausruhen kann“ Kato nickte „Na gut.“, er führte seinen Sohn näher ans Bett, „Sag auf Wiedersehen“, und tatsächlich streckte der schüchterne Junge mir die Hand entgegen „Auf Wiedersehen“, sagte er leise. Ich nahm die kleine Hand in meine und schüttelte sie vorsichtig „Auf Wiedersehen“, ich schenkte ihm ein warmes Lächeln, das er sogar erwiderte. Ja, er war Riku wirklich ähnlich. Er war nämlich auch so schüchtern gegenüber allen Fremden gewesen. Aber wenn man wusste, wie man ihn anpacken musste, konnte man sein Herz ziemlich schnell erweichen. Dann kam Sheena noch zu mir und gab mir einen Kuss auf die Wange „Dann erhol dich mal gut, mein Süßer“ „Hey!“, ihr Mann sah relativ entrüstet drein und auch Joey stellten sich dabei sichtlich die Nackenhaare auf. „Keine Sorge. Er ist süß wie ein kleiner Bruder. Aber du bist süß wie mein Mann“, lachte Sheena. „Stimmt, ich stehe außer Konkurrenz“, nickte ich. Sie winkte noch einmal kurz, bevor sie mit ihrer Familie nach draußen verschwand. „Ach, uns willst du auch rauswerfen?“, fragte Akito entrüstet, „Starkes Stück“ „Seto braucht seine Ruhe. Also raus!“ „Und du störst wohl nicht, oder was?“, murrte Mokuba. Leo nickte bekräftigend. „Einer muss ja hier bleiben und aufpassen und ich bin bereit, dieses Opfer auf mich zu nehmen.“ „Wie aufopfernd von dir“, spöttelte ich, „Aber wenn es euch nicht stört, hätte ich gerne meine Ruhe, ohne im Schlaf angestarrt zu werden“ „Im Klartext, alle raus!“, Akito packte Joey am Kragen und schleifte ihn mit den anderen beiden nach draußen, „Dann schlaf aber gefälligst auch!“ „Jaja, versprochen“, da würde er sich keine Sorgen machen müssen. Ich war sowieso total erschöpft und dieses Bett war auf einmal unglaublich bequem. Kaum schloss ich die Augen, da schlief ich auch schon ein. Und so vergingen auch die nächsten zwei Tage im Krankenhaus ziemlich ereignislos. Ich verbrachte jede freie Sekunde bei Seto – auch wenn er meistens nur schlief. In letzter Zeit hatte er wirklich ein ausgeprägtes Schlafbedürfnis. Aber das machte nichts, denn er sah unglaublich süß aus, wenn er schlief. Die Kratzer in seinem Gesicht waren schon kleiner geworden und er sah sowieso schon fitter aus. Seit dem Kuss waren wir uns nicht mehr näher kommen, denn Seto wollte erstmal ein bisschen Abstand und das respektierte ich. Jeden Tag kamen auch die anderen Mal vorbei, aber sie blieben nie lange, weil Seto den vielen Besuch und den Trubel um seine Person nervig fand und sie meist schnell wieder elegant rauswarf. Nur Sheena und ihre Familie durften ab und zu etwas länger bleiben, wenn sie kamen. Mich störte das nicht mehr, denn ich wusste ja, dass da nichts zwischen Seto und Sheena lief. Aber es war interessant, zu sehen, wie er es schaffte, dass sich Heiji ihm gegenüber immer mehr öffnete. Der Junge war allen außer seinen Eltern von Anfang an extrem schüchtern gegenübergetreten und er hatte nie auch nur ein Wort mit uns gewechselt. Aber Seto hatte ihn geknackt. Inzwischen setzte sich der Kleine immer auf das Bett und schwatzte munter vor sich hin. Allerdings nur bei Seto. Uns ignorierte er weiterhin. Momentan war Seto ausnahmsweise mal wach. Er hatte sich inzwischen angezogen, weil er es Leid war, den Schlafanzug des Krankenhauses zu tragen. Zum Glück war er nicht schüchtern, was seinen Körper anging. So kam ich wenigstens in den Genuss, ihn noch einmal zu betrachten, während er sich umzog. Seine schlanke Figur wirkte noch zerbrechlicher als sonst, weil er in den letzten Tagen wieder nicht besonders viel gegessen hatte. Wie denn auch, wenn er die meiste Zeit verschlief? Aber seine Haut sah immer noch so schön weich aus, dass es eine Freude sein musste, darüber zu streicheln. Seto stellte sich noch etwas ungeschickt beim Anziehen an, vor allem, weil er mit seinem Fuß kaum in die Hose kam. Doch letztendlich hatte er es doch geschafft. Jetzt saß er auf dem Bett und wippte und geduldig mit dem gesunden Fuß, wobei er konzentriert die Tür fixierte. „Was machst du da eigentlich?“, fragte ich verwundert. „Ich warte auf den Arzt“ „Wieso?“ Seufzend ließ er den Kopf in die Kissen sinken „Wenn er mich nicht sofort entlässt, werde ich noch wahnsinnig“ „Warum? Außer Schlafen machst du doch eh nicht besonders viel.“, stichelte ich. „Weil es hier ja nichts zu tun gibt! Ich fall noch um vor Langeweile.“ Ich überlegte einen Moment „Soll ich dich vielleicht unterhalten? Ich könnte dir Geschichten erzählen oder so“ „Geschichten erzählen? Ich will lieber etwas Sinnvolleres machen. Durch die Gegend laufen oder so. Hauptsache, ich kann mich bewegen“ „Macht sich mit einem gebrochenen Fuß bestimmt super.“, meinte ich sarkastisch. „Angeknackst. Er ist nur angeknackst“ „Trotzdem“, meinte ich etwas sanfter, „Du musst dich schonen, wenn du wieder gesund werden willst“ Schnaubend verschränkte er die Arme vor der Brust. „Dann sterbe ich eben vor Langeweile!“ „Warum gehst du nicht einfach zum Arzt, anstatt hier ewig zu warten?“ „Wie soll ich denn gehen?“ „Also erst willst du durch die Gegend laufen und jetzt traust du dir nicht mal mehr zu, den Gang runterzuhumpeln?“ „Na schön“, mühsam richtete er sich auf und setzte sich an die Bettkante, „Gibst du mir die Krücke? Sie steht hinter dir“ Ich reichte sie ihm. Geduldig wartete ich, bis er halbwegs sicher stand, bevor ich ihm die Tür öffnete und ihn durch den Gang dirigierte. Seto stellte sich dabei noch ein wenig unbeholfen an. Seine Schritte waren klein und ein wenig wackelig, aber immerhin kam er voran. Er brauchte definitiv noch etwas Übung mit der Krücke. „Warte hier“, meinte ich zu ihm, als wir an ein paar Stühlen vorbeikamen, „Ich hole den Arzt für dich“ Mit einiger Mühe setzte er sich. Ich klapperte derweil die Gänge ab, bis mir endlich mal ein Doktor über den Weg lief, den ich zu Seto schleifen konnte. Und dann war es glücklicherweise auch noch der behandelnde Arzt. Der arme Kerl wusste gar nicht, wie ihm geschah, als er sich plötzlich vor Seto wiederfand. „Was ist los?“, fragte er verwirrt, „Haben Sie Schmerzen?“ „Nein, mir geht es blendend“, versicherte Seto. „Wieso... haben Sie mich dann hierher zitiert?“ „Ich will nach Hause“ „Bitte?“ „Wir wollen, dass Sie ihn entlassen“, erklärte ich ruhig. Der Arzt überlegte einen Moment „Wir müssen noch einen letzten Test machen. Wenn Sie den bestehen, können morgen nach Hause, wenn Sie das wollen. Das war sowieso geplant“ Na das waren doch gute Nachrichten. „Ich will aber jetzt nach Hause“, jammerte Seto. „Ich denke nicht, dass das sinnvoll ist“ „Ach kommen Sie. Ich hab mich doch die letzten Tage gut gehalten“ Der Arzt seufzte resignierend „Folgen Sie mir in ihr Zimmer“, er ging voraus, während Seto hinterher humpelte und ich immer neben ihm herlief, darauf bedacht, ihn jederzeit abfangen zu können, falls er stürzte. Aber wir kamen ohne Zwischenfälle an. Ich half Seto, sich auf das Bett zu setzen. Erwartungsvoll sahen wir den Arzt an, der nun mit ernster Miene zu erklären begann: „Der Grund, warum Sie noch hier sind, hat eigentlich nichts mit Ihren Verletzungen zu tun, sondern mit ihren Gewicht. Sie wiegen bei einer Größe von 1,86 gerade mal 60 Kilo. Das ist starkes Untergewicht. In vielen Fällen handelt es sich dabei sogar um Magersucht. Deshalb müssen Sie unbedingt mit einem Psychologen reden.“ „Ich bin nicht magersüchtig!“, knurrte Seto. Er hatte sich gut unter Kontrolle, so dass man nicht merkte, wie aufgebracht er war, aber in seinen Augen pulsierte unermessliche Wut. „Das wird der Psychologe dann feststellen müssen“, meinte der Arzt. „Aber wenn ich es Ihnen doch sage!“ „Ist ja schön und gut, wenn Sie das sagen, aber keiner gibt es freiwillig zu, wenn er an Magersucht leidet, ja meistens kriegen sie es nicht mal mit.“ „Ich. Bin. Nicht. Krank!“, sagte Seto laut und voller Zorn. Wieder dieses leidige Thema. Wieso ließen sie ihn nicht einfach in Ruhe? Natürlich war mir aufgefallen, dass Seto noch dünner geworden war, aber er war deshalb noch lange nicht krank. Ich hatte ihn nie gesehen, wie er Kalorien gezählt oder sich den Finger in den Hals gesteckt hatte. „Was, wenn der Psychologe feststellt, dass Seto nicht magersüchtig ist? Können wir dann heute noch gehen?“, fragte ich diplomatisch. „Ja, dann können Sie gehen“ „Wann soll der Test sein?“ Der Arzt sah auf die Uhr „In ein zwei Stunden dürfte unser Psychologe Zeit haben. Ich werde ihn dann zu Ihnen schicken“, er nickte uns kurz zu, bevor er sich wieder an die Arbeit machte. Ich griff nach Setos Hand, um ihn zu zwingen, mich anzusehen und um ihn zu beruhigen, denn ich war mir sicher, er wäre auf den Arzt losgegangen, wenn sein Fuß ihn nicht daran gehindert hätte „Siehst du? Den Test schaffst du locker und dann bist du hier raus“ Mühsam beherrscht nickte er. Am liebsten wäre er bestimmt an die Decke gegangen. Ich musste ihn unbedingt beruhigen, bevor der Psychologe kam, sonst würde das hier nicht gut enden. „Der wird dich schon nicht für krank halten.“, meinte ich sanft, „Außerdem bist du ein Genie, schon vergessen? Du bist noch nie in einem Test durchgefallen“ Er sah mich schief an „Denkst du etwa, das wäre ein Test wie in der Schule? Ankreuzen und durch? Nein, das ist ein psychologischer Test. Da geht es nicht um Wissen“, sein Blick wurde finsterer, „Da testen sie, ob du noch alle Tassen im Schrank hast.“ „Oh“, das war dann schon wieder was anderes. Aber was sollten wir schon machen außer warten? „Kannst du Kana anrufen? Er kann mir vielleicht helfen, wenn er bestätigt, dass ich gesund bin“ „Mach ich“ Kana kam gerade noch rechtzeitig. Er traf im selben Moment bei uns ein, wie der Psychologe und er durfte beim Test anwesend sein. Im Gegensatz zu mir. Mich setzten sie einfach vor die Tür. Also wartete ich geduldig, bis die Befragung zu Ende war. Es dauerte über zwei Stunden, bis sie endlich fertig waren. Aber als sich dann die Tür öffnete, kamen mir nicht nur die beiden Doktoren sondern auch Seto entgegen und er lächelte vor lauter Erleichterung. „Hast du bestanden?“, fragte ich hoffnungsvoll. „Ja, ich bin gesund.“, rief er glücklich, „Lass uns schnell von hier verschwinden“ „Einfach so?“ „Der Arzt hat doch gesagt, wenn ich bestehe, kann ich gehen. Ich nehme ihn nur beim Wort“, er humpelte schon mal voraus, „Kana kann die Entlassungspapiere unterzeichnen“ Ich sah kurz zu Kana, der bestätigend nickte, bevor ich Seto hinterher eilte. Ich holte ihn schnell ein und umarmte ihn stürmisch vor lauter Erleichterung. Seto ließ mich machen. Sanft strich er über meinen Rücken, während ich mich mit aller Kraft an ihn krallte und seinen Duft einatmete. Endlich konnten wir hier raus und der Alptraum war vorbei. Ich war so unendlich froh, denn dieses Krankenhaus machte einen auf die Dauer echt krank. „Komm schon. Gehen wir“, meinte Seto sanft. Ich nickte und ließ ihn wieder los. „Erzählst du mir, was sie dich gefragt haben?“, fragte ich glücklich. „Ach alles mögliche über Essen.“, meinte er, während er Richtung Ausgang humpelte, „Wie ich dazu stehe, worauf ich achte, was und wie viel ich esse. Und noch ein paar Fragen, um zu sehen, ob ich auf mein Gewicht fixiert bin oder psychisch labil bin und so“ „Und was haben sie gesagt?“ „Sie sind sich jetzt sicher, dass ich keine Magersucht habe. Aber sie meinten, wenn ich nicht schnell anfange, ernsthaft zu versuchen, zuzunehmen, sperren sie mich trotzdem in eine Klinik. Kana soll ein bisschen darauf achten“, meinte er leichtfertig. „Und das stimmt dich so fröhlich?“, fragte ich entgeistert. Für mich klang das gar nicht nach einem erfolgreichen Gespräch. „Naja, ich weiß, dass ich langsam doch etwas zu wenig auf den Rippen habe und ich will selbst versuchen ein bisschen zuzunehmen. Nicht viel, aber immerhin genug, damit ich meine Rippen nicht mehr sehen kann, wenn ich vor dem Spiegel stehe“ Ich sah ihn aus großen Augen an. Er hatte es eingesehen. Er hatte endlich eingesehen, dass er zunehmen musste. Das, was ich ihm die ganze Zeit versucht hatte, klar zu machen, hatte er letztendlich selbst erkannt. Das war einfach nur großartig. Jetzt war ich mir sicher, dass unsere Zukunft einfach nur großartig werden würde, wenn alles so funktionierte, wie ich mir das erhoffte. Seto würde vollkommen gesund werden und wir würden zusammen kommen. Perfekter könnte es gar nicht laufen. Und ich würde alles tun, um dieses Ziel zu erreichen. Kapitel 24: ------------ Sorry hat etwas länger gedauert. musste erstmal den ganzen Abistress mit Abifahrt und dem ganzen Kram verdauen. Aber jetzt ist das große Finale endlich da. ----------------------- Seit einigen Tagen war Seto nun wieder zu Hause und ich half ihm dabei sich wieder einzuleben. Das war definitiv keine leichte Aufgabe, denn er stellte sich dabei erschreckend stur. Am Anfang hatten wir ziemliche Startschwierigkeiten, denn Seto hatte gleich so weitermachen wollen, wie er aufgehört hatte, durch die Gegend laufend und Sport treibend. Ich hatte meine liebe Mühe damit, ihm klarzumachen, dass das mit einem bandagierten Fuß keine so gute Idee war. Aber er war so uneinsichtig! Selbst die Krücke, ohne die er gar nicht laufen konnte, verschmähte er. Mit übermenschlicher Geduld musste ich ihn immer wieder an die Hilfe heranführen, ihn dazu bringen, sich zu schonen und alles langsamer anzugehen. Momentan humpelte er fluchend durchs Wohnzimmer, wobei er öfters ins Straucheln geriet, sich davon aber nicht abhalten ließ, einfach weiterzulaufen. Ich eilte ihm mit der Krücke hinterher, die der Anlass für seine Wut war. Der Arzt hatte ihm verordnet, damit zu laufen, um den Fuß nicht zu belasten. Aber Seto sah das natürlich ganz anders. Er konnte mit der Krücke nicht gut umgehen und er gab sich auch keine Mühe, daran etwas zu ändern. Lieber warf er das Ding in die Ecke und humpelte so umher, was seiner Gesundheit nicht besonders zuträglich war. „Jetzt warte doch mal!“, rief ich verzweifelt. „Nein!“, rastlos humpelte er weiter, „Ich hab die Schnauze voll davon!“ „Aber das lässt sich nicht ändern“ „Und wenn schon!“, er wollte weiterstürmen, doch plötzlich stolperte er und wäre fast gestürzt, wenn ich ihn nicht im letzten Moment an der Hüfte gepackt und an mich gedrückt hätte. „Es ist doch nicht für ewig.“, meinte ich sanft, „Momentan brauchst du diese Krücke, um laufen zu können“ „Nein, ich will einfach nicht mehr“ Ich stütze ihn, während ich ihn vorsichtig zur Couch zog, damit er sich setzen konnte. „Ich weiß, dass es dich nervt, wenn du nicht einfach herumlaufen kannst, wie du das willst. Aber du bist nun mal verletzt und du musst dich schonen“ „Ich habe es satt, dass alle das sagen!“, schnaubte er. „Ich weiß“, sanft strich ich über seinen Bauch, um ihn zu beruhigen „Aber sieh es doch mal so. Je mehr du dich schonst, desto schneller wirst du gesund und dann kannst du wieder ohne Krücke laufen“ Er seufzte ergeben „Du hast ja recht“, murmelte er. „Und du bist dabei nicht allein. ich bin ja auch noch da“, ich überlegte einen Moment, „Wenn du willst kann ich dich ja auch Huckepack tragen. So schwer bist du ja nicht“ Da lächelte er leicht „Na siehst du? Wenn ich die Diät ernst genommen hätte, könntest du das nicht“ „Ach was, ich bin doch kein Weichei. Ich könnte dich auch mit 10 Kilo mehr auf den Rippen noch tragen“ „Na schön. Besser als die Krücke. Bringst du mich in die Küche?“ „Klar“, ich drückte ihm einen kleinen Kuss auf die Lippen und stand dann auf, „Komm, spring auf“, ich half ihm, auf meinen Rücken zu klettern und trug ihn dann wohin er wollte. Nach diesen ersten Startschwierigkeiten lief es großartig. Naja, jetzt zumindest. Und es hatte sich wirklich gelohnt. Endlich gab Seto nach und ließ sich helfen. Das war ein wichtiger Schritt, nicht nur für seine Gesundheit sondern auch für unsere Beziehung, denn dadurch konnten wir uns auch langsam annähern. Ich tat für Seto wirklich alles. Ich kochte für ihn, half ihm beim Laufen und unterhielt ihn, um ihn von seinen Verletzungen abzulenken. Oft trug ich ihn Huckepack durch die Gegend, wenn er die Krücke satt hatte. Ich genoss es, ihm körperlich immer näher zu kommen. Mittlerweile konnte ich mich sogar an ihn kuscheln, ohne dass es ihm unangenehm war und hin und wieder konnte ich ihm auch einen kleinen Kuss klauen. Ja, es war perfekt, einfach perfekt. Nur das mit dem Zunehmen stellte sich als schwieriger heraus, als ich gedacht hätte. Seto aß brav wirklich alles, was ich ihm vorsetzte. Es waren nur kleine Portionen, weil er meistens nicht so viel herunter bekam, aber sie waren genau nach einem Ernährungsplan gekocht. Trotzdem nahm er kaum zu. Selbst nach großen ausladenden Mahlzeiten, die Seto locker mal verdrückte, wenn er richtig Heißhunger hatte, war sein Bauch noch so schön flach wie vorher, als wäre nie etwas gewesen. Man musste wirklich tonnenweise Zeug in ihn stopfen, nur damit er ein paar Gramm zulegte. Aber immerhin brachte er schon ein ganzes Pfund mehr auf die Waage. Für mich hatte Seto sogar die Freundschaft zu Ryo beendet. Es war ihm schwer gefallen, sich dazu durchzuringen, aber er tat es, wie er sagte, um mich zu schützen. Er meinte, dass Ryo rachsüchig war und bestimmt darauf gelauert hätte, sich in einem passenden Moment wegen der Niederlage, die ich ihm verpasst hatte, an mir zu rächen. Aber Seto hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass er keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen würde, falls er auf die Idee kam, mir etwas anzutun. Momentan lagen wir auf der Couch herum und sahen Filme. Seto hatte sogar seinen Kopf in meinen Schoß gelegt, was mir einen angenehmen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte. Vorsichtig streichelte ich durch sein weiches Haar. Hoffentlich merkte er nicht, wie laut mein Herz schlug. Ich hätte ewig so bleiben und seine Nähe genießen können. Mit Joey auf der Couch zu liegen war wirklich bequem. Seine Nähe hatte etwas Beruhigendes an sich und ich war ihm wirklich dankbar dafür, dass er sich in den letzten Tagen so aufopfernd um mich gekümmert hatte. Das war nicht selbstverständlich, denn ich wusste ja selbst, dass ich eine echte Plage war, viel zu stur und ungeduldig. Ich konnte mich wirklich nicht erinnern, jemals von jemandem so umsorgt worden zu sein. Aber ich könnte mich glatt daran gewöhnen. Das mit dem Küssen war eigentlich viel schöner als ich erwartet hätte. Bis jetzt waren es zwar nur kleine Küsse zwischendurch, aber es gefiel mir. Trotzdem musste ich die ganze Zeit an das Geschehene denken. Ich meine, das mit Leben und Tod war schon komisch. Egal von welcher Seite ich es betrachtete, es war einfach seltsam. Ich kam immer zu demselben Ergebnis. „Der Tod hasst mich“ „Was?!“, Joey sah mich entsetzt an. Oh stimmt. Für Außenstehende musste diese Erkenntnis sehr deprimierend klingen. Aber es war eigentlich nur eine nüchterne Feststellung gewesen. „So etwas darfst du nicht sagen“, rief er panisch. „Nein nein“, ich winkte hastig ab, „Das verstehst du falsch. Ich hab nur über Leben und Tod nachgedacht und ich bin eben zu dieser Erkenntnis gekommen“ „Ach so“, erleichtert ließ er sich zurück gegen die Lehne fallen, „Wie kommst du darauf?“ „Na ganz einfach. Bis jetzt habe ich mich dem Tod dreimal in die Arme geworfen und dreimal hat er mich einfach weggestoßen. Bis jetzt hab ich es nicht verstanden, doch so langsam begreife ich es“ „Okay... alles klar.“ Ich fuhr unbeirrt fort „ Es ist eigentlich vollkommen logisch, wenn man Leben und Tod personifiziert. Demnach mag mich Tod wohl nicht. Dieser Bastard! Er will meine Freundschaft nicht, obwohl ich sie ihm regelrecht zu Füßen gelegt habe. Er ist einfach drüber gelatscht.“, meinte ich geknickt, „Aber dafür liebt mich Leben. Es ist so anhänglich wie eine Klette oder eine Geliebte. Alle drei Mal, als ich mich von ihm trennen wollte, hat es mich zurück in seinen Schoß gezogen und mir eine Backpfeife dafür verpasst, dass ich es hatte verlassen wollen. Mit jedem Mal ist es allerdings ein wenig ungeduldiger und nachdrücklicher geworden.“ „Wie meinst du das?“, Joey streichelte wieder durch mein Haar, während er mich neugierig musterte. „Bei meinem ersten Versuch mit den Schlaftabletten hat es mir nur in den Magen geboxt, so dass ich mir ein paar Tage die Seele aus dem Leib gekotzt hatte. Nicht weiter wild. Beim zweiten Mal mit der Überdosis Drogen war es schon etwas ärgerlicher geworden und hat mir eine Lungenentzündung angehängt. Vielen Dank nochmal dafür! Dieses Mal mit dem Auto war es wohl schon ziemlich angepisst, denn es hat mir den Fuß verdreht und mit Karacho in die Rippen getreten.“ „Hm. Klingt gar nicht so unlogisch“, meinte er nachdenklich, „Aber du bist jetzt nicht genervt vom Leben, oder?“ „Nein, ich nehme es Leben nicht übel. Es hat es immer gut gemeint. Was würde es wohl tun, wenn ich mir nächstes Mal eine Pistole in den Mund stecke und abdrücke? Vermutlich würde es mir die Zunge ausreißen und mich wieder zurückzerren. Viel Geduld wird es aber wahrscheinlich nicht mehr mit mir haben. Ich bin ziemlich sicher, dass es mich noch ein zwei Mal zurückholen würde, aber danach würde es resignieren und nur noch sagen >Wenn du Tod mehr magst als mich, dann geh doch!<. Und dann käme Tod und würde mich seufzend in seinen Kreisen aufnehmen, obwohl er mich nicht mag. Aber Tod würde mich nicht als Freund ansehen, sondern nur dulden. Bei einer Party könntest du dir das so vorstellen: Tod feiert mit den Freunden, die seinen Respekt haben, während die, die er nur duldet, in der dunklen Ecke stehen müssen. Und ich will nicht in der Ecke stehen. Also steht mein Entschluss fest.“ „Und der wäre?“ Ich sah zu ihm auf „Ich werde ein langes und schönes Leben führen und wenn ich dann am Ende Tod gegenüber stehe, wird er mich akzeptieren. Ansonsten werde ich ihm Wohl oder Übel in den Arsch treten müssen!“ Da lachte er. „Das klingt wunderbar“, er beugte sich zu mir vor und drückte mir einen Kuss auf die Lippen, „Ich bin wirklich froh, dass du das so siehst. Hatte schon Angst, du hast genug vom Leben.“ „Erst wenn es genug von mir hat“ „Oh gut. Von dir kann man nie genug haben. Also wirst du noch lange leben“ „Wäre nicht schlecht“ „Dann ist ja gut“, meine eine Hand glitt über Setos Brust, zu der Stelle, wo sein Herz schlug. „Was machst du da?“ „Ich überprüfe, ob du noch lebst?“, meinte ich schmunzelnd. „Und? Lebe ich noch?“, neugierig sah er mich mit diesen wunderschönen hellen Augen an. Ich fühlte wie sein Herz in einem regelmäßigen Rhythmus kräftig in seiner Brust schlug. Was für ein schönes Gefühl, zu spüren, wie das Leben in ihm pulsierte. „Ja, du lebst noch“ „Oh gut. Dachte schon, ich hätte meinen eigenen Tod verdöst“ „Wäre ja wirklich tragisch“, ich küsste ihn erneut sanft auf diese geschmeidigen süßen Lippen. Als ich von ihm abließ, setzte er sich auf. „Was ist?“, fragte ich verwirrt. Hatte ich ihn jetzt etwa verschreckt? Anscheinend nicht, denn er sah mich aufmerksam an, wobei er plötzlich grinste. „Lust ein bisschen weiter zu gehen?“ „W-wie denn?“ „Jetzt zeig ich dir, wie man richtig küsst“, er zog mich zu sich und legte seine Lippen auf meine. Erst sanft, dann immer fordernder knabberte er daran, was ich mit Freuden erwiderte. Ich liebte es jetzt schon, egal worauf er hinaus wollte. Hatte ich schon erwähnt, dass diese Lippen süchtig machten? Taten sie definitiv! Ganz unerwartet spürte ich Setos Zunge an meinen Lippen, die vorsichtig um Einlass bat. Ich ließ sie gewähren. Verunsichert spürte ich, wie sie meine Mundhöhle erkundete, sanft meine Zunge anstupste und sie dann leicht massierte. Wow, das war ja echt der Hammer! Wieso hatte er nur so lange gewartet, bevor er mir das endlich zeigte? Ich wollte nie wieder was anderes machen. Das war zu gut, um wahr zu sein. Ganz langsam ließ ich mich auf das Zungenspiel ein, auch wenn ich vermutlich ziemlich unbeholfen wirkte, weil ich keine Ahnung hatte, was ich da eigentlich tat. Aber ich genoss es in vollen Zügen. Noch nie hatte ich Setos Geschmack so intensiv wahrnehmen können. Ich krallte mich in seine Schultern, um nicht vor Entzücken vom Sofa zu gleiten. Nach einer Weile lösten wir uns voneinander. Ich konnte nicht anders als Seto ungeniert anzustarren. Mein Blick hing wortwörtlich an seinen weichen, sündigen, wundervoll zarten, süßen schmackhaften Lippen. Oh diese Dinger waren das absolut köstlichste was es auf dieser Welt geben konnte. Sie schimmerten noch ein wenig feucht, als wollten sie dazu verführen, erneut geküsst zu werden. Und das tat ich nur zu gerne, diesmal allerdings etwas sanfter. Immerhin schmerzten meine Lungen noch von dem atemberaubenden Kuss davor. Ich knabberte noch einmal abschließend an seinen Lippen, bevor ich mich vollkommen zufrieden mit der Welt gegen Seto lehnte und nach Luft rang. „Das war nicht schlecht“, meinte Seto zufrieden. „Nicht schlecht?“, ich sah grinsend auf, „Das war der Hammer! Das sollten wir öfter machen“ „Machen wir, keine Sorge“, er beugte sich zu meinem Ohr, „Ich kann mich auf Dauer leider nicht nur mit irgendwelchen Kinderküssen begnügen. Ein bisschen Leidenschaft brauche ich schon“ „Ach wie bedauerlich“, meinte ich gespielt enttäuscht, „Dann werden wir uns wohl öfter mal so küssen müssen. Ich will ja nicht, dass du zu kurz kommst“, schnell zog ich ihn wieder näher zu mir und fing seine Lippen für einen erneuten leidenschaftlichen Kuss ein. Ich würde am liebsten für immer auf dieser Couch sitzen und ihn so küssen. Doch dann wurden wir unterbrochen. „Wie kommt es, dass ich euch immer in voller Aktion erwische?“, rief Akito gespielt geschockt. Seto verdrehte die Augen „Weil du ein mieses Timing hast?“ „Oder weil ihr immer aneinander hängt“ „Ich tendiere eher zu meiner Theorie“, meinte Seto fest. Solche Neckereien waren nichts Ungewöhnliches zwischen den beiden. Aber ich war wirklich froh, dass Akito die Sache mit Seto und mir so gelassen nahm. Wäre es nicht so, hätte er ein echtes Problem für unsere Beziehung sein können, denn Seto legte unglaublich viel Wert auf seine Meinung. „Und?“, Akito ließ sich neben uns aufs Sofa fallen und sah Seto erwartungsvoll an, „Schon aufgeregt wegen morgen?“ Ach ja, morgen kam der Verband von Setos Fuß ab und dann würde er wieder ohne Krücke gehen können. Eine große Erleichterung für ihn. „Na und wie!“, spottete Seto, „Bin mal gespannt, was unter dem Verband steckt“ „Vielleicht sollte ich lieber mitkommen. Wenn es ein Monster ist, kann ich es schnell mit einer Axt abhacken“, schlug Akito vor. „Untersteh dich!“, schützend zog Seto den Fuß näher an den Körper, „Auch wenn er zu einem Monster mutiert sein sollte – was mich allerdings sehr verwundern würde – dann ist es trotzdem noch mein Fuß. Und ich hänge an ihm, egal wie er aussieht“ „Auch wenn er ein Monster ist?“ „Erst recht, wenn er ein Monster ist“, sagte er überzeugt. „Aber, dann musst du ihn auch regelmäßig füttern, sonst frisst er dich auf“ „Keine Sorge, ich werde ganz viele kleine Akitos klonen, mit denen ich ihn dann füttere, wenn er Hunger hat. Und sollte ich das mal vergessen, dann wird er so darauf trainiert sein, dass er zuerst dich frisst“ Akito seufzte ergeben, „Dann werde ich ihn doch lieber vorher abhacken“ „Aber dann wird er ein Eigenleben führen und mordend durch die Stadt ziehen“ „Dann ziehen wir eben um und es ist nicht mehr unser Problem“ „Meinst du nicht, dass man mir die Schuld dafür geben könnte, wenn mein Fuß zum Massenmörder wird?“ „Vielleicht. Aber das ist ja dann nicht mehr mein Problem, sondern nur deins“ Seto verschränkte beleidigt die Arme „Wie fürsorglich du doch bist!“ „Dafür bin ja auch nicht ich, sondern dein kleiner Freund zuständig“ „Stimmt“, nickte ich, wobei ich mich näher an Seto schmiegte, „Ich beschütze dich vor diesem fiesen Kerl“ „Jetzt bin ich morgen bestimmt enttäuscht bin, wenn es doch kein Monster ist“, murmelte Seto. „Ach was“, Akito winkte ab, „Warten wir doch erstmal ab, was morgen nun herauskommt“ Und so kam es, dass wir allesamt am nächsten Tag Seto ins Krankenhaus begleiteten und aufgeregt um ihn herum standen, als der Arzt den Verband abnahm und prüfend den Fuß untersuchte. Selbst Leo und Mokuba wollten sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen. Gespannt beobachteten wir, wie der Verband langsam abgewickelt wurde und darunter der Fuß zum Vorschein kam. Der Knöchel war nicht mehr so angeschwollen wie am Anfang, sondern sah wieder vollkommen normal aus. Das war schon mal ein gutes Zeichen. Wir sahen zu, als der Doktor den Fuß erst vorsichtig nach rechts, dann nach links drehte. „Haben Sie Schmerzen, wenn ich den Fuß bewege?“ „Nein“, Seto betrachtete das alles nur teilnahmslos. Wahrscheinlich stand sein Entschluss sowieso schon fest und diese Untersuchung war ihm dabei herzlich egal. Selbst wenn der Arzt sagen würde, das sein Fuß noch nicht in Ordnung wäre, er würde trotzdem gleich loslaufen und die Krücke im hohen Bogen aus dem Fenster werfen. Aber zum Glück schien es so weit gar nicht erst zu kommen. „Alles ist gut verheilt“, stellte der Arzt fest, „Sie können wieder ohne Krücken laufen, aber Sie sollten sich nicht überanstrengen. Das heißt, kein Sport, kein durch die Gegen rennen, verstanden?“ Seto seufzte „Klar, Doc“, er wirkte nicht ganz so zufrieden mit der Diagnose. „Dann sehe ich mir nochmal die Rippen an“, geschickt öffnete der Arzt das Hemd, bevor Seto auch nur protestieren konnte. Dann nahm er auch dort den Verband ab und betastete alles. „Haben Sie irgendwelche Beschwerden, wenn Sie sich bewegen oder beim Luftholen?“ „Nein“ „Sehr gut. Aber auch hier gilt: kein Sport, keine starken Belastungen“, meinte der Arzt zufrieden, „Dann werden wir noch ein paar Röntgenaufnahmen machen, um sicherzugehen und dann können Sie gehen.“ „Danke“ „Folgen Sie mir“ Das tat Seto auch. Er sprang vom Untersuchungstisch und eilte dem Arzt ohne Krücken hinterher. Am Anfang trat er noch etwas vorsichtig auf, aber dann lief er immer sicherer und schneller. Wir wollten ihm natürlich folgen, doch der Arzt wies uns schnell zurück. „Beim Röntgen werden Sie nicht dabei sein, aber Sie können hier warten.“ „Ach man!“, gehorsam warteten wir also im Untersuchungszimmer. Ich setzte mich ungeduldig auf den Tisch und wippte mit den Füßen. „Bis jetzt lief es doch gut“, meinte ich. „Ja“, Akito nickte, „Immerhin war es doch kein Monster“ „Enttäuscht?“ „Unsinn! Das Ding hätte mich ja sonst gefressen“ Aber Mokuba schüttelte nur den Kopf „Ihr seid doch alle geisteskrank. Wie kommt ihr nur auf solche Ideen“ „Dein Bruder hat angefangen“, erwiderte Akito leichtfertig. „War ja klar!“ Tja das war nun mal mein Seto. Immer für einen albernen Spaß zu haben. „Was habe ich angefangen?“, ich drehte mich um und sah Seto, wie er gerade ins Zimmer trat. „Nichts nichts“, Akito winkte hastig ab, „Was hat der Arzt gesagt?“ „Ich soll aufpassen, dass ihr nichts kaputt macht, während wir auf die Aufnahmen warten“, er setzte sich neben mich auf den Tisch. „Und? Wie fühlt es sich an, plötzlich zwei Füße zur Verfügung zu haben?“, fragte ich neugierig. „Toll. Hat definitiv seine Vorteile. Es läuft sich ja so viel leichter, wenn man zwei Füße hat“ „Aber es tut doch nicht weh, wenn du gehst, oder?“ „Nein“, er schüttelte den Kopf, „Läuft sich ganz normal“ Erfreut umarmte ich ihn „Das ist großartig“ Akito und Leo stürzten sich ebenfalls auf ihn, so dass er von allen Seiten umarmt und gedrückt wurde. Und dann warf sich Mokuba ihm auch noch an den Hals. Mein armer Seto wusste gar nicht, wo ihm der Kopf stand. „Ich hab doch gesagt, keine starken Belastungen!“, schimpfte der Arzt plötzlich hinter uns. Verärgert scheuchte er uns von Seto weg und sah uns strafend an „Sie können doch meinen Patienten nicht einfach zerquetschen!“ „Hört lieber auf den Doktor“, keuchte Seto, den unsere 'Attacke' auf ihn doch ganz schön mitgenommen hatte. Er strich sein verwuscheltes Haar nach hinten und zupfte sein Hemd zurecht, während er uns tadelnd ansah „Wie die Kinder!“, spottete er. „Meine Rede!“, der Arzt ging an uns vorbei und hängte die beiden Röntgenaufnahmen an einer beleuchteten weißen Tafel auf. Die eine zeigte Setos Brustkorb, die andere seinen Fuß, „Wie man sieht, ist der Fuß gut verheilt, keine Komplikationen.“, er deutete auf das Fußgelenk, „So gut wie neu“ „Und kein Monster“, warf Akito ein, „Obwohl ich da ja noch so meine Zweifel hatte“ „Siehst du?“, rief Seto triumphierend, „Mein Fuß ist nicht mutiert!“ „Wäre ja auch zu schön gewesen“ „Du kannst ja später mal deinen eigenen Fuß mutieren lassen“, tröstend klopfte Seto seinem Freund auf die Schulter. „Muss ich wohl“ Der Arzt räusperte sich ungehalten „Könnten wir dann fortfahren?“ „Sicher, Entschuldigung“ „Gut“, der Doktor deutete nun auf die andere Aufnahme, „Wie Sie sehen können, sind die gebrochenen Rippen ebenfalls gut verheilt“ Meiner Meinung nach waren da einige weiße Striche zu sichtbar, die alle irgendwie gleich aussahen. „Also kann ich gehen?“, fragte Seto ungeduldig. „Ja, Sie können gehen. Aber vorher werde ich Ihnen noch einen Ratschlag mit auf den Weg geben“, er sah Seto streng an, „Sie sollten wirklich ernsthaft versuchen, zuzunehmen. Sie sind doch jung und nicht dumm, also tun Sie sich das nicht an“ „Ich arbeite ja schon daran!“, murrte er. „Kann ich bestätigen“, ich nickte eifrig, „Er hat schon ein ganzes Pfund zugenommen“ „Nur ein Pfund? Da fehlt aber noch einiges“ „Sie wissen gar nicht, wie schwer es ist, etwas auf diese Rippen zu kriegen“, seufzte ich, „Ich hab den halben Kühlschrank in ihn hineingestopft und das Pfund war alles, was es gebracht hat“ „Dann liegt wohl noch ein langer Weg vor Ihnen. Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei“, und dann ging er einfach. „Lasst uns verschwinden!“, meinte Seto genervt. Anscheinend war er sauer, dass der Arzt ihn auch noch wegen seinem Gewicht gerügt hatte, obwohl er schon sein Bestes gab, um endlich zuzunehmen. Wir folgten ihm schnell nach draußen, als er leise vor sich hin fluchend zum Auto lief. Dabei war der Besuch doch ein voller Erfolg gewesen. Er war endlich die Krücke und seine Verbände los und da konnte es ihm doch scheißegal sein, was der Arzt sonst noch sagte. Schnell kletterte ich mit Mokuba zu ihm auf den Rücksitz. Ich schmiegte mich an ihn, als wir wieder nach Hause fuhren und streichelte über seinen flachen Bauch. Diese kleinen Streicheleinheiten beruhigten ihn immer ziemlich schnell, weil er es viel zu sehr genoss, um sich noch weiter auf seinen Ärger zu konzentrieren. Immer wenn er sich über die Krücke aufgeregt hatte, nutzte ich diesen Schwachpunkt, um ihn zu entspannen, denn dabei wurde er jedes Mal richtig handzahm. So wie jetzt. Er lehnte sich ein wenig gegen mich und genoss es sichtlich, als meine Hand unter sein Hemd glitt und seine Bauchmuskeln kraulte. Und mir gefiel es natürlich auch. Seto hatte einen umwerfenden Körper und unglaublich weiche Haut, und er war immer schön warm. Zufrieden beobachtete ich, wie seine Augen wieder heller wurden und ein friedfertiger Ausdruck auf seinem Gesicht erschien. Ich drückte ihm einen kleinen Kuss auf die Wange, bevor ich mich für den Rest der Fahrt an ihn schmiegte. Als wir in die Einfahrt einbogen, wartete Seto gerade mal lang genug, damit das Auto zum Stehen kam, bevor er auch schon rauskletterte. Ich rannte ihm schnell hinterher „Was hast du es denn so eilig?“, fragte ich verwundert. „Na ich muss es doch ausnutzen, dass ich wieder laufen kann. Also werde ich das erste Mal seit Wochen wieder Raiko ausführen“ „Aber du sollst dich doch schonen.“ „Ich will ja nur zum Park. So weit ist das nicht.“, winkte er ab. „Und wenn es doch zu weit ist? Was, wenn du plötzlich nicht mehr kannst?“ „Dann trägst du mich eben Huckepack zurück. Problem gelöst“ „Wenn du meinst...“, ich sah an seinem entschlossenen Blick, dass es keinen Sinn hatte, mit ihm zu diskutieren. Dann würde er nur auf Stur schalten. Also holten wir noch schnell Raiko und gingen los. Der Hund tänzelte immer wieder freudig um Setos Beine, rannte voran, kam zurück und wedelte ununterbrochen mit dem Schwanz. Anscheinend war er mehr als begeistert davon, endlich mal wieder von seinem Herrchen ausgeführt zu werden. Und ich genoss es auch, das erste Mal nach so langer Zeit mit Seto durch den Park zu schlendern. Die sonst so grünen Wiesen waren weiß vom Schnee. Zufrieden klammerte ich mich an seinen Arm, während wir einmal um den See herum liefen. Inzwischen war er gefroren und einige Kinder liefen darauf Schlittschuh. Ich bemerkte, wie Seto ihnen einen sehnsüchtigen Blick zuwarf. Bestimmt würde er jetzt gerne wie sie übers Eis rutschen, aber er sah wohl auch selbst ein, dass er dafür noch nicht fit genug war. Tröstend strich ich über seinen Arm „Nächstes Mal darfst du wieder mit den anderen spielen“ „Wie tröstlich“, es war kaum wahrnehmbar, aber ich spürte dennoch, wie er sein Gewicht ein wenig verlagerte. „Alles okay?“, fragte ich besorgt. „Sicher“, sein Blick richtete sich stur auf den See, als wolle er vermeiden, dass ich in seinen Augen etwas lesen könnte, dass seine Worte als Lüge entlarvte. „Komm, setzen wir uns“, ich zog ihn mit zu einer Bank, die unweit vom Wasser vollkommen verwaist stand und zwang ihn dazu, sich zu setzen. „Hast du Schmerzen beim Auftreten?“ „Entspann dich. Ich muss mich nur wieder ans Laufen gewöhnen“, meinte er ausweichend. „Zeig mir deinen Fuß“ „W-was?“ „Na los, ich will doch nur mal sehen“ „Da gibt es nichts zu sehen!“, er wollte wieder aufstehen, aber ich hielt ihn zurück. Entschlossen drückte ich ihn auf die Bank und griff nach seinem Bein. Er wollte sich wehren, aber ich warf ihm einen derart strengen Blick zu, dass er es völlig irritiert zuließ. Dann zog ich ihm ganz vorsichtig den Stiefel aus, um seinen Fuß abzutasten. Sein Knöchel war ein wenig geschwollen. „Das war doch zu viel“, stellte ich besorgt fest. „Ach was. Das ist nicht so schlimm.“, meinte er hastig, „Es tut nicht mal besonders weh“ „Das sehe ich!“, ich griff nach etwas Schnee und drückte ihn auf die Schwellung. Unmerklich zuckte er zusammen, als er spürte, wie kalt das Eis war. „Das sollte gegen die Schwellung helfen“ „So schlimm ist es doch gar nicht. Es ist ja kaum sichtbar“, meinte er eisern. Ich drückte ein wenig fester zu, was ihn kurz zusammenzucken ließ. „Aber anscheinend tut es trotzdem weh, oder?“ „Etwas...“, murmelte er. „Du bist wirklich ein Sturkopf!“ „Was zwingt dich denn, bei mir zu sein?“, schnaubte er beleidigt. „Die Tatsache, dass du MEIN Sturkopf bist“, ich hauchte ihm grinsend einen Kuss auf die Lippen. Er seufzte „Lass uns zurück gehen“ „Aber dein Fuß ist immer noch geschwollen“ „Das geht schon irgendwie“, er griff nach seinem Stiefel und zwängte sich hinein. Dann sprang er auf und lief vorsichtig einige Schritte. So ganz schmerzfrei ging das wohl nicht, denn er biss sich auf die Lippe, um keinen Schmerzenslaut von sich zu geben. Das konnte ich nicht mit ansehen. Ich packte meinen Süßen an der Hand und brachte ihn dazu, sich von mir Huckepack tragen zu lassen. So ging es viel schneller, bis wir wieder in der Villa ankamen. Ich trug ihn ins Wohnzimmer und ließ ihn vorsichtig auf die Couch gleiten. Dann holte ich einen Eisbeutel, um den Knöchel zu kühlen. „Ab sofort laufen wir nicht mehr so weit, bis dein Fuß ganz gesund ist“, bestimmte ich. Seto sah mich schief an „Und was bringt dich zu der Annahme, dass ich darauf höre, was du sagst?“ „Hm“, gute Frage. Ich überlegte einen Moment. Dann beugte ich mich grinsend zu seinem Ohr und knabberte zärtlich daran. Ich hatte das bis jetzt zwar noch nie gemacht, aber Setos zufriedenen Seufzern zufolge machte ich das wohl richtig. Neckisch leckte ich über seine Ohrmuschel, bevor ich mich weiter zu seinem Hals vorarbeitete und dort die empfindliche Haut küsste. Er schmeckte wirklich angenehm süß. Als ich wieder von ihm abließ, sah ich ihm frech grinsend ins Gesicht „Wenn du dich ab jetzt mehr schonst, dann verspreche ich dir, dich so zu verwöhnen, wann immer du willst“ „Das klingt doch mal nach einem vernünftigen Angebot“, er zog mich wieder zu sich und fing meine Lippen für einen intensiven Kuss ein. Ja, wir kamen uns wirklich Tag für Tag näher, zwar nur in kleinen Schritten, aber immerhin. Und es war perfekt so. Seto hatte dadurch die Zeit, sich an eine Beziehung mit einem Mann zu gewöhnen und gleichzeitig konnte er mich schrittweise in die Liebeskünste einführen. Auf der ganzen Welt konnte es keinen Menschen geben, der glücklicher war als ich. --------------------- So, das wars eigentlich. Sind a auch nur 20 Kapitel mehr, als ich eigentlich schreiben wollte... Egal, wenn ihr wollt kann ich noch einen Epilog schreiben, aber dann wären ein paar Anregungen dafür ganz nett, damit ich weiß, in welche Richtung es gehen soll. Und nicht die Kommis vergessen ;) Epilog: -------- Hier saß ich nun, ganz allein in einem großen leeren Haus. Es war kalt und dunkel, weil der Strom noch nicht angeschaltet war. Alles um mich herum war neu und ungewohnt, dieses ganze Haus wirkte fremd. Ich fühlte mich hier total unwohl, denn es fehlte etwas ganz Entscheidendes, etwas, das Wärme und das Gefühl von Heimat in mein neues Heim brachte. Genau. Seto fehlte. Er war wortwörtlich der Sinn meines Lebens geworden. Ihm hatte ich wirklich alles geschenkt, meine Unschuld, mein Herz und meine Seele. Und er würde auch der einzige bleiben, den ich liebte, für immer und ewig. Ich vermisste ihn so sehr. Seinen Geruch, sein Lächeln, seine Wärme, seinen Körper. Einfach alles. In den letzten drei Jahren war ich so unendlich glücklich mit ihm gewesen. Schon nach wenigen Wochen war ich bei ihm eingezogen und von da an waren wir uns sehr viel schneller noch näher gekommen. Ich konnte mich noch ganz genau an unser erstes Mal erinnern. Damals war es für uns beide etwas vollkommen Neues und wir waren schrecklich nervös gewesen. Aufgeregt hatten wir nur in Boxershorts auf dem Bett gesessen und uns etwas hilflos angesehen. Seto versuchte zwar, seine eigene Aufregung zu überspielen, um mich nicht zu beunruhigen, aber ich konnte sie ihm trotzdem deutlich anmerken. Seine Stimme hatte deutlich geschwankt und er hatte sich nicht wirklich getraut, mir in die Augen zu sehen. Für mich war klar, dass ich erst ihn beruhigen musste, damit er dann dasselbe bei mir tun konnte. Also hatte ich ihn ganz vorsichtig ausgezogen und begonnen, über seine Brust und seinen Bauch zu streicheln, während ich ihn eingehend betrachtete. Mir lief ein wohliger Schauer über den Rücken, als ich daran dachte, wie fasziniert ich damals von seinem Anblick gewesen war – und noch heute bin. Ich hatte noch nie etwas so Wunderschönes wie ihn gesehen. Aber wichtig war erstmal, ihn zu beruhigen. Später konnte ich ihn immer noch anstarren. Immer wieder hatte ich ihn gestreichelt und geküsst und ihm gesagt, wie sehr ich ihn liebte und ihm vertraute. Das hatte schnell gewirkt. Als er entspannt genug war, kümmerte er sich dermaßen liebevoll um mich, dass ich jegliche Unsicherheit verlor. Und es war einfach nur großartig gewesen. Nachdem Seto erstmal seine Nervosität verloren hatte, konnte er seine ganze Erfahrung und seine Künste entfalten. Wenn wir uns liebten, da brach eine unglaubliche Kraft in ihm aus. Ja, dann war er wie ein Sturm, voller Temperament und voller Leidenschaft, die heißer und lodernder als jedes Feuer war, sodass ich zuerst Angst hatte, daran zu verglühen. Ich liebte dieses Feuer an ihm. Trotzdem waren seine Berührungen unglaublich sanft und liebevoll. Jede Nacht sehnte ich mich nach ihnen. Genauso wie nach seinen feurigen Küssen, die mir jedes Mal aufs Neue den Verstand raubten. Und sein Lächeln erst. Wenn er mich so ansah, schmolz ich dahin vor Glück. Da war ich mir sicher. Er gehörte mir, mir ganz allein. Nachdenklich betrachtete ich den Ring an meinem Finger. Seto hatte ihn mir vor einem Jahr mit dem Versprechen geschenkt, mich niemals allein zu lassen. Er selbst trug auch den gleichen Ring, als Zeichen dafür, dass wir immer zusammen bleiben wollten. Doch jetzt war ich allein. Seit ich aus der Villa ausgezogen war, hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Das war vorgestern gewesen. Seitdem versuchte ich verzweifelt, mich an dieses Haus zu gewöhnen. Am schlimmsten waren die Nächte. Tagsüber konnte ich mich wenigstens irgendwie von dieser Einsamkeit ablenken, die mich nun nachts übermannte. Es war furchtbar abends allein ins Bett zu gehen und morgens allein wieder aufzuwachen. Es war das erste Mal nach drei Jahren, dass ich ohne ihn schlafen musste, vollkommen allein in diesem fremden kalten Haus. Bei dem Gedanken daran drehte sich mir der Magen um. Ich wollte nicht allein sein, das war ich einfach nicht gewohnt. Wie sehr ich mir doch jetzt wünschte, Seto würde einfach in diesem Moment durch die Tür kommen und mich in den Arm nehmen, mich wärmen und auf diese unglaublich liebenswerte Art anlächeln. Aber das würde er nicht. Dafür war es einfach zu spät. Seufzend ließ ich mich aufs Bett fallen und sah aus dem Fenster. Es tobte ein regelrechter Sturm da draußen. Dicke Regentropfen bombardierten die Fensterscheibe und der Wind jaulte unaufhörlich. Das machte mich rasend. Jetzt fehlte mir Seto erst recht. Bei solchen Stürmen hatte er mich immer auf andere Gedanken gebracht. Ob er mich auch vermisste? Was er wohl gerade tat? Bestimmt saß er mit Raiko auf der Couch oder verbrachte Zeit mit Mokuba. Er würde den Kopf zu voll haben, um an mich zu denken, geschweige denn mich zu vermissen. Das war so unfair! Ich ging hier ein in diesem verdammten großen Haus, saß im Dunkeln auf einem fremden Bett und blies Trübsal, während er vermutlich ganz unbeschwert durch die Villa lief. Aber vielleicht schlief er ja auch schon. Immerhin war es wirklich schon spät. Nach Mitternacht. Vermutlich würde er wirklich schon schlafen. Ja, ich konnte ihn mir regelrecht vorstellen, wie er da lag. Wie so oft vollkommen in die Decke verheddert, quer ausgestreckt übers ganze Bett und mit dem niedlichsten Gesichtsausdruck, den es überhaupt geben konnte. Na toll! Jetzt vermisste ich ihn nur noch mehr. Dabei war er doch Schuld daran, dass ich hier so allein war. Vor einigen Tagen hatte er mir nämlich offenbart, er bräuchte dringend einen Tapetenwechsel. Er sagte, so hätte er sich sein Leben einfach nicht vorgestellt und er wolle etwas Neues. Mich hatte er dazu nicht großartig befragt. Er hatte einfach dieses riesige Haus gekauft und mich hierher verfrachtet. Mal wieder einer seiner schnellen Entschlüsse, einfach aus einer Laune heraus und total unüberlegt. Eigentlich sollte ich sauer auf ihn sein. Aber ich konnte nicht. Dafür vermisste ich ihn zu sehr. Seufzend wälzte ich mich in den Laken. Wie es aussah, würde ich auch diese Nacht keinen Schlaf finden, wie auch schon in den letzten Nächten. Plötzlich vernahm ich Geräusche auf dem Flur. Es war ein leises Scharren und Quietschen auf dem Boden. Dann flackerte im Türspalt Licht auf. Es war nur ein kleiner Schein auf dem Boden, aber schnell gesellten sich immer mehr dazu. Wer zum Teufel war da? Vorsichtig schlich ich zur Tür, um durch das Schlüsselloch zu spähen. Da war nur ein Schemen, der durch die Dunkelheit schlich. Aber dann hörte ich ein leises „Verdammt!“ und da wusste ich, wer es war. Ich überschlug mich fast vor Freude, als ich die Tür aufriss und durch den Flur stürmte. Auf dem Boden waren Teelichter aufgestellt, die die Dunkelheit erhellten. Ich sprang über sie hinweg und suchte nach dem Eindringling. Schließlich fand ich ihn in der Küche. „Seto“, überglücklich fiel ich ihm um den Hals. „Hey“, etwas überrumpelt erwiderte er meine Umarmung, „Ich dachte, du schläfst schon“ „Ohne dich kann ich eh nicht einschlafen“, zufrieden küsste ich ihn auf diese samtig weichen Lippen. „Ich dachte schon, ich hab dich aufgeweckt. Dabei war ich extra so leise“, nuschelte er in den Kuss. „Und ich dachte, du kommst erst morgen“, erleichtert schmiegte ich mich an ihn und inhalierte seinen Geruch. „Bin früher fertig geworden. Da dachte ich, ich schau mal nach, wie du dich hier so machst“, murmelte er gegen meine Schulter. „Gute Idee“, während ich ihn so an mich schmiegte, fiel mir plötzlich etwas auf. Erschrocken drückte ich mich von Seto ab und musterte ihn „Du bist ja vollkommen durchnässt“ Die Kleider klebten regelrecht an seinem Körper und sein nasses Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Immer wieder wischte er einzelne Strähnen zur Seite, nur damit sie ihm gleich wieder in die Stirn fielen. „Es regnet ja auch wie verrückt“, bemerkte er, während er seinen Zeigefinger in den Mund nahm und vorsichtig daran saugte. „Was ist passiert?“ „Hab mich nur an den Kerzen verbrannt“, er winkte beschwichtigend ab, „Halb so wild. Wieso ist es überhaupt so dunkel hier?“ „Strom gibt es erst ab morgen“, erklärte ich, während ich ihm Mantel und Hemd auszog, „Jetzt musst du erstmal aus den nassen Sachen raus, mein Süßer“, achtlos ließ ich seine Kleider auf den Boden fallen und zog ihn mit mir ins Bad. Ich zog ihm noch die restlichen Sachen aus und wickelte ihn dann in ein großes Weiches Handtuch. Dann kümmerte ich mich um seinen Finger. Behutsam wickelte ich ihn in ein nasses Tuch ein, um ihn zu kühlen. „Hast du alles geschafft, was du wolltest?“, fragte ich interessiert. Er nickte „Alles bestens. Aber Raiko lass ich erstmal bei Mokuba, bis er sich daran gewöhnt hat, allein zu leben. Dann ist er nicht so einsam“ „Gute Idee, mein Schatz“, ich wusste ja jetzt, wie ätzend es war, allein in so einem großen Haus zu sein. „Und? Wie war es so ganz allein in dem Haus?“, fragte er neugierig, „Hast du es ausgenutzt, endlich mal ungestört zu sein?“ „Nein. Allein sein ist Scheiße“ „Aber du hast dich schon an das Haus gewöhnt, oder?“ „Na ja, geht schon“, lächelnd strich ich über seinen Handrücken. Die ganze Zeit war mir dieses Haus wir ein großes fremdes Ungetüm vorgekommen, in dem ich mich nie wohl fühlen könnte. Doch jetzt, wo mein Schatz auch hier war, kam es mir gleich viel einladender vor. Ja, hier könnte ich leben. Eigentlich könnte ich überall leben, solange Seto bei mir war. „Aber du kannst dir doch vorstellen, hier zu leben, oder?“ „Ja, das kann ich“ Da lächelte er, „Siehst du? Es war eine gute Idee, das Haus zu kaufen“ „Aber du hast trotzdem nicht besonders lange darüber nachgedacht.“, erinnerte ich ihn. „Lange genug!“ „Ach ja? Dann stell ich dich mal vor zwei Tatsachen. Du kannst nicht kochen und du bist ein Schwein“ „Ein Schwein?“, beleidigt sah er mich an, „Bisher hat dich das ja wohl auch nicht gestört“ „Bisher hatten wir ja auch ein Dienstmädchen, dass hinter dir putzen konnte.“ „Ach so meinst du das“, grinsend zog er mich in seine Arme, „Ich dachte, du hältst mich für ein Charakterschwein“ „Dafür hast du doch einen viel zu süßen Charakter, mein Schatz“, lächelnd küsste ich ihn aufs Ohr, „Aber das Problem bleibt trotzdem. Du kannst nicht kochen und bist ein Chaot. Wenn wir jetzt, wie du es willst, ganz allein leben, dann müssen wir das irgendwie lösen“ „Lieferservice fürs Essen und ich kann ja in Zukunft versuchen, ein bisschen ordentlicher zu sein. Problem gelöst“ „Und notfalls kann ich ein bisschen kochen“, nickte ich, „So langsam gefällt mir das. Obwohl ich am Anfang ja nicht so begeistert war, dass du so plötzlich umziehen wolltest“ „Aber es wurde langsam Zeit dafür. Außerdem ist das hier doch perfekt. Ein Haus direkt am Meer, in der Nähe gibt es eine Stadt und die Nachbarn sind ziemlich freundlich“ Überrascht sah ich ihn an „Die Nachbarn?“ „Oh ja. Die Mädchen von nebenan sind begeistert von mir“, grinste er. Die sollten bloß weg bleiben! Das war MEIN Schatz! Und das musste ich ganz schnell klar stellen. Ich beugte mich zu seinem Hals und saugte mich an einer Stelle fest. Mein Süßer mochte es eigentlich überhaupt nicht, wenn ich ihm ein Mal verpasste, aber diesmal ließ er mich machen. Ich küsste mich weiter über seinen Hals bis zu seinem Ohr und flüsterte „Du gehörst mir“ hinein. „Aber nur ausnahmsweise“, hauchte er zufrieden. Ich bemerkte, wie er unmerklich anfing, zu zittern. Zärtlich streichelte ich über seine Haut. Sie war ganz kalt. Kein Wunder, dass mein Schatz so fror. „Normalerweise würde ich dir eine heiße Dusche empfehlen, um dich aufzuwärmen, doch wir haben bis morgen auch kein warmes Wasser“, ich küsste ihn grinsend auf die Lippen, „Aber ich weiß schon, wie dir warm wird“ „Wie denn?“, oh er wusste ganz genau, worauf ich hinaus wollte. Das sah ich an seinen blitzenden Augen. „Komm, mein Süßer. Zeit fürs Bett“, schwungvoll zog ich ihn hinter mir her. „Halt!“, rief er verzweifelt, „Mein Handtuch“ Als ich mich nach ihm umsah, bemerkte ich, dass es von seinem Körper gerutscht war, als ich hin so plötzlich mitgerissen hatte. Mein Süßer wollte sich nach ihm bücken, aber ich ließ ihm keine Gelegenheit dazu, sondern zog ihn ungeduldig weiter, „Das brauchst du nicht mehr, mein Schatz“, hatte ich schon erwähnt, was für einen sexy Hintern er hatte? Ich bugsierte ihn mit einem kleinen Schubs rücklings aufs Bett und warf einige Decken über uns. „Dann wärme ich dich mal auf, mein Süßer“, grinsend küsste ich mich über sein Ohr und seinen Hals, sog jedes einzelne Detail einer Haut auf. Dabei legte ich mich auf ihn, um ihn zu wärmen. Und tatsächlich ließ das Zittern schnell nach. Ich streichelte über seine Brust und seinen Bauch, während er mich zu einem leidenschaftlichen Kuss heranzog. Überglücklich über seine Nähe zeichnete ich seine Muskeln nach, fuhr über seine samtige Haut. „Ich werde dich nie wieder gehen lassen“, wisperte ich gegen seine Lippen, bevor ich mich daran machte, erneut seinen Körper mit sanften Küssen zu bedecken. Ich liebte diese denzenten Seufzer, die über seine Lippen kamen, wenn ich ihn liebkoste und streichelte. Genüsslich küsste ich mich über seine Brust weiter nach unten, wobei ich jeden noch so kleinen Winkel ganz genau erkundete, um mich davon zu überzeugen, dass alles noch so war, wie es sein sollte. Zufrieden registrierte ich, dass es der Fall war. Sein Bauch war immer noch so schön flach und warm und empfindlich, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Ich umkreiste seinen Bauchnabel, tauchte hin und wieder mit der Zunge ein und zeichnete seine Muskeln nach, bevor ich mich weiter nach unten vorarbeitete. Doch dann warf er mich auf den Rücken und kletterte über mich. Auch gut. So konnte ich mich wenigstens in seinen geilen Hintern krallen. „Ich liebe dich“, hauchte ich gegen seine Lippen. „Ich liebe dich auch“, er küsste meinen Hals. Seufzend legte ich meine Arme und seinen Nacken und zog ihn dichter zu mir. Ich liebte es, wenn er das sagte. Dann kribbelte immer alles in mir vor lauter Freude. Zufrieden nahm ich seine Lippen in einem Kuss gefangen und wollte am liebsten nie wieder davon ablassen. Ich war so unendlich froh darüber, meinen Schatz wiederzuhaben. Es stimmte. Ich war in ihn noch genauso verliebt wie am ersten Tag. Jede seiner Berührungen bereitete mir Bauchkribbeln. „Wir bleiben doch für immer zusammen, oder?“, fragte ich heiser. Natürlich kannte ich die Antwort darauf in- und auswendig. Ich hatte ihn das schon so oft gefragt, aber dennoch tat ich es immer wieder. Ich schmolz immer dahin vor lauter Glück, wenn er mir darauf antwortete. „Natürlich bleiben wir das“, flüsterte er, während er mich mit einem Blick dieser wunderschönen Augen fesselte, „Für immer und ewig. Egal wie oft du noch fragst“ Ich lächelte froh. Genau das sagte er jedes Mal und immer wieder freute ich mich darüber, denn ich wusste, dass das der Wahrheit entsprach. Nur zu gerne ließ ich mich in seine Berührungen fallen, als wir uns unserer Leidenschaft hingaben. Im Moment fühlte ich mich einfach nur angenehm träge. Seto lag dicht neben mir und schlief seelenruhig. Nachdem wir uns so zärtlich und liebevoll wie schon lange nicht mehr geliebt hatten, hatte ihn schließlich doch die Erschöpfung eingeholt und er war schon nach wenigen Minuten eingeschlafen. Mich störte das nicht im geringsten, solange er nur hier war. Während ich ihn ein wenig von der Seite betrachtete, fiel mir auf, wie sehr er sich seit unserer Beziehung verändert hatte. Seine Haare waren noch genauso seidig und voll wie früher, er hatte samtig weiche Haut und seine Augen waren nach wie vor das schönste auf der ganzen Welt. Aber seine Gesichtszüge wirkten nicht mehr so jugendlich, sondern waren ausgeprägter. Es machte ihn sogar noch schöner. Außerdem war er nicht mehr so mager wie am Anfang. Er hatte sich an sein Versprechen gehalten und genug zugenommen, um Normalgewicht zu erreichen – oder zumindest das, was dem seiner Meinung nach entsprach. Jetzt war er immer noch gertenschlank, aber in einem gesunden Maß. Man konnte seine Rippen nicht mehr sehen, wenn er vor einem stand und das reichte mir schon. Ich achtete ganz genau darauf, dass er nicht wieder zu viel abnahm. Aber ansonsten war er auch nicht mehr so hyperaktiv wie zu Beginn sondern etwas ruhiger. Er brauchte immer noch viel Bewegung, um sich auszutoben, aber da konnte ich ihm Abhilfe schaffen. Wir mussten dazu nicht mal das Bett verlassen... Zufrieden legte ich meinen Arm um seine Taille und schmiegte mich an seine Brust. Wir waren einfach für einander geschaffen, ja wir ergänzten uns in jeder Hinsicht perfekt. Das wurde mir mit jedem Tag klarer. Liebevoll küsste ich ihn auf die Lippen, bevor ich mich an ihn schmiegte. Ich zog die Decke etwas höher, um uns zu wärmen. Schließlich wollte ich ja nicht, dass mein Schatz sich noch erkältete. Schon nach wenigen Minuten schlief ich mit dem sicheren Wissen ein, dass ich für den Rest meines Lebens neben diesem Mann einschlafen würde. Mein Leben war perfekt, einfach perfekt. ---------------------- So fertig. Damit ist diese FF abgeschlossen. Das wars dann wohl... Aber ich habe schon viele neue Ideen. Mich würde interessieren, welches Pairing ihr gerne mal sehen würdet. Als Vorschlag: SetoxJoey, Setoxunbekannter Charakter (männlich oder weiblich), oder Vorschläge eurerseits. Hinterlasst Kommis ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)