Andys Jugendsünden II von LoveKills (In äußerst kreativer Zusammenarbeit mit BlackLightning. Der Kuchen und die jeweils zwei Cocktails im Wassermann waren schuld an dem, was ab Kapitel sechs passiert. XD Zum Glück) ================================================================================ Kapitel 9: Absturz ------------------ Kapitel 9 Absturz 29. September 2007 Die Sonne stand schon relativ tief am Horizont. Blitzte nur noch vereinzelt durch die Dächerwand von München. Ihre Strahlen, sanft und golden, kamen dennoch zu Andy, welcher mit angezogenen Knien an einer hohen Eiche an der Isar saß, durch und wärmten ihn wenigstens äußerlich, was die innerliche Kälte und Leere jedoch nicht wettmachte. Seine Gedanken drehten sich. Sein Kopf schmerzte schon und sein Herz blutete. Blutete wie noch nie in seinem Leben zuvor. Und das nur wegen einer Person. Einer Person, die ihn vor nicht all zu langer Zeit verlassen hatte. Vollständig war er von ihm gegangen. An einen Ort, wo er ihn nicht mehr erreichen konnte. Tobs war in England. Er war hier. War allein zurück geblieben und das Einzige was er von Tobs noch besaß, waren Erinnerungen. Erinnerungen die schmerzten. Die sein Herz aufs Neue noch mehr bluten ließen. Erinnerungen an schöne Zeiten. An Zeiten, an denen sie so kurz vor dem Aus gestanden hatten und Erinnerungen an den Tag, als dieses Aus sie endgültig eingeholt hatte. Er würde ihn niemals vergessen können. Diesen einen Tag, an dem sein Leben regelrecht den Bach runter gegangen war. Und was tat er seither? Entweder er lag im Bett, heulte sich die Augen aus dem Kopf, ging in irgendwelche Bars und dröhnte sich mit Alkohol zu oder er jammerte Krissy etwas vor. Sie hatte ihm schon gesagt, dass er endlich zu einem Psychologen gehen sollte, aber Andy konnte sich damit nicht anfreunden, oder sich überhaupt aufraffen, sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen. Er hatte keine Lust, seine Sorgen einem wildfremden Menschen anzuvertrauen. Der junge Mann glaubte auch nicht daran, dass dieser Psycho-Dock irgendetwas an seinem Zustand ändern könnte. Allerdings sah er mittlerweile ein, dass er etwas tun musste. Er wollte gar nicht wissen, wie seine Leber, nach diesem Alkoholkonsum, aussehen mochte. Der erste Termin bei seinem neuen Psychologen war überstanden. Und was hatte er gesagt? Dieser ganze Mist brachte nichts. Zumindest hatte er Tabletten bekommen, die ihm anscheinend helfen sollten. Er war zumindest nicht abgeneigt diesen kleinen Pillchen gegenüber. Krissy war, seit Andy seine wöchentlichen Sitzungen bei seinem Psycho-Dock hatte, um einiges besser gelaunt. Auch Cynthia war wieder der Sonnenschein schlechthin, obwohl sie Andy immer noch nicht davon hatte überzeugen können, wieder einmal mit ihr weg zu gehen. Einfach mal tanzen, seinen Frust rauslassen. Das würde ihm mit Sicherheit gut tun. „Andy! Jetzt mach mal hin! Ich hab keine Lust erst um zwölf im Titanic zu sein!“, brüllte die junge Frau durch die WG. Andy war jetzt schon seit einer geschlagenen Stunde in seinem Zimmer. Kramte und suchte, schmiss seine Anziehsachen um sich und fluchte so halsbrecherisch, dass sich Cynthia schon gedacht hatte, dass er sich irgendetwas gebrochen hätte. „Mensch, jetzt lass mir doch kurz meine Zeit. Es ist doch erst halb neun! Und vor neun geht da ja eh nichts ab! Also hetz mich nicht so!“ Andy grummelte vor sich hin. Zog einen seiner Röcke an, Armbänder, Oberteil aus Netz und seine Boots. Schminken wollte er sich nicht. Somit trat er um zwanzig vor Neun aus seinem Zimmer. „Gehen wir?“ Cynthia stemmte ihre Hände in die Hüfte. „Nein, Dödl. Wir fahren mit der Tram, ich spinn doch nicht und laufe zu Fuß mit den Hacken.“ Sie zeigte ihm lachend den Vogel. Nahm ihre Handtasche, Andy seinen Geldbeutel und schon machten sich die beiden auf den Weg zum Sendlinger Tor. Die 27er Tram würde sie fast direkt vors Titanic City am Kurfürstenplatz bringen. Es war kurz vor neun, als die beiden vor dem Eingang zum Underground standen. Die Tür war geschlossen, aber die ersten Industrial Klänge drangen dennoch schon zu ihnen hoch. Cynthia öffnete den Eingang, sah zwei Typen in Schwarz. Wie auch nicht anders zu erwarten. Der eine dürrer als der andere. Und Groß war natürlich auch immer Ansichtssache, aber so, wie die Beine des Blondhaarigen Riesen in den Raum ragten wusste sie, dass sie klein war. Zumindest gute 25 Zentimeter. Sie bezahlten ihre fünf Euro, bekamen noch ein kleines Schnäpschen dazu und schon ging es, die mit Grablichtern beleuchtete Treppe nach unten in den Club. Der lärm schwoll immer mehr an und als sie durch den Plastik-vorhang schritten, befanden sie sich auch schon auf der Tanzfläche und direkt ihnen gegenüber war anscheinend das Mischpult, verkleidet mit einem großen, schwarzen Kreuz. Ebenfalls mit Grablichtern beleuchtet, wie auch die unzähligen Kronleuchter an der Decke mit rot flackerndem Licht erhellt waren. Am Mischpult stand schon ein Berg von Mann, mit kahlem Schädel, tippte etwas in einen Laptop ein und schon spielte das nächste Lied ein. ´Das knallrote Gummiboot´. Waren sie hier im falschen Film? Ein paar Gestalten standen direkt neben diesem Menschen ohne Haare und hatten anscheinend ihren Spaß. Lachten sich halb scheckig und tanzten dazu. Na wenn sie meinten. Es wurde noch besser. Schlager! Dieser komische Kerl spielte Schlager! Und die Gaudi der Schwarzgekleideten auf der kleinen Erhöhung neben dem Mischpult erreichte ihren Höhepunkt. Nach dem dann endlich der letzte 80er gespielt wurde, ging es mit dem eigentlichen Programm weiter. Der Kahlkopf hatte wohl einen Faible für Electronische Musik. Von EBM, TBM und Industrial konnte er wohl nicht genug bekommen, ebenso auch die Tanzenden. Es waren zwei. Zwei Leute auf der Tanzfläche, die die Beine und Arme schwangen, als gäbe es kein Morgen mehr. Es sah absolut faszinierend aus. Andy hatte bis dato noch niemanden so exzessiv und versunken in ihrer Welt, tanzen sehen. Der kleine Club im Herzen von München füllte sich bis 24 Uhr nicht unbedingt, doch die Leute, die da waren, hatten ihren Spaß. Die Musik war abwechslungsreich und die DJs verstanden ihr Handwerk einfach. Die Tanzfläche, war für ihre Größe, immer gut gefüllt. Bei etwas ausgehörten Liedern war die Fläche immer noch voll, oder aber völlig überfüllt, wenn eines der Lieblingslieder der Besucher gespielt wurde. Aber so sollte es auch sein. Auf das Publikum eingehen, ihnen einen schönen Abend bescheren und als DJ selbst dabei Spaß zu haben. Andy selbst war nicht der Typ, der viel tanzte, aber er musste sich endlich wieder richtig auspowern. Seine Gedanken ausschalten, sich gehen lassen um einfach wieder richtig Spaß haben zu können und das mit weniger Alkohol, als in den sämtlichen Kneipen, in denen er herumgestromert war. Cynthia kritzelte wild auf der Wunschliste herum und das Beste war, die Musikmacher hielten sich tatsächlich daran. Andy hatte es schon so oft erlebt, dass die DJs das spielten, was sie hören wollten und sich absolut nicht nach den Wünschen der Besucher richteten. Und so konnte es leicht vorkommen, das man sich in einem Club nach einiger Zeit wahnsinnig zu langweilen anfing, weil vielleicht ein drei Stunden ein Lied gespielt wurde, was man wirklich hören wollte. Nicht so im Titanic. Hier war es das Ziel, die Menschen mit einem glücklichen Lächeln und vom Tanzen ausgepowert nach Hause zu entlassen. So war es auch gegen drei Uhr morgens. Andy und Cynthia machten sich langsam aber sicher, verschwitzt und mit brennenden Füßen und Muskeln, auf den Weg nach Hause. Der junge Mann fiel mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht in sein Bett und war keine paar Minuten eingeschlafen. Die nächsten Mittwoche waren nun mit Titanicbesuchen verplant und Andy vergaß in diesen Nächten immer wieder, was passiert war. Nur wenn er dann aufwachte und sich umsah holte ihn die traurige Erkenntnis ein, dass Tobs nicht da war. Nicht mit ihm feiern konnte. Seine Freude nicht mit ihm teilen konnte und wohl mit diesem komischen, blonden Lackaffen, irgendwo in England, Sex hatte, seinen Spaß in irgendwelchen Clubs hatte und ihn einfach vergessen hatte. Genau diese Gedanken waren es, die ihn wieder in dieses Loch trieben. Die Therapiestunden schlugen absolut nicht an. Die Psychologin hörte ihm zu, versuchte ihn mit Entspannungsübungen und komischen Sprüchen dazu zu verleiten, seinen Schmerz zu verarbeiten und ihn aus einem objektiven Blickwinkel zu betrachten. Das Einzige, was an der Therapie gut war, waren die Tabletten. Andy hielt sich an die Packungsbeilage und nahm anfangs genau so viel, wie er sollte nur da die Therapie nicht half hatte er irgendwann den Gedanken, dass es besser werden würde und er verdrängen könnte, wenn er mehr nahm. Es klappte. Es klappte sogar sehr gut, nur die Mischung, Antidepressiva und Alkohol, vertrugen sich nicht unbedingt. Mehr als nur einmal wachte er neben Männern auf, die er nicht kannte oder nicht wieder erkannte. Er wusste auch nicht, was in diesen Nächten passiert war. Er wusste nur, dass er jedes Mal nackt aufgewacht war und dass seine Knochen geschmerzt hatten. Der Schluss war der, dass er tatsächlich One-Night-Stands am laufenden Band hatte, sich aber nicht im Geringsten daran erinnern konnte. Aber im Nachhinein war es ihm auch egal. Er fühlte sich befriedigt und konnte einfach nur vergessen, was passiert war. Aber war dieses Vergessen wirklich so gut? War es gut für ihn, Tobs zu vergessen? Ihn aus seinem Leben zu streichen und dem zu frönen, was ihm Spaß machte? Nein, es war weder gut noch schlecht für ihn. Er sah das gelassen. Tobs hatte ihn doch auch aus seinem Leben gestrichen. Also wieso sollte er dasselbe nicht auch machen? Und so passierte es auch. Andy traf sich mit Männern, die er keine zwei Tage kannte. Schlief mit ihnen und hatte seinen Spaß. Nur was er dabei vollkommen vergaß war, sich selbst. Er brach seine Therapie ab und handelte sich somit einen wahnsinnig ausartenden Streit mit Krissy und Cynthia ein. Doch die Antidepressiva nahm er trotzdem weiter ohne Rücksicht auf das, was sein Körper sagte. Er rauchte wie ein Schlot. Er trank, von Kaffee bis hin zu Alkohol, eindeutig zu viel. Seine Laune war besser denn je, ausgelöst durch die Tabletten, doch sein Körper reagierte. Seine Nieren taten ihm weh, er hatte manchmal unerträgliche Magenschmerzen, Übelkeitsanfälle und Kreislaufprobleme. Es interessierte ihn nicht. Und da sein Hungergefühl durch den vielen Kaffee und die Zigaretten irgendwann nicht mehr zu finden war, aß er auch nichts mehr, was seinem Geldbeutel nur zu Gute kam. Sein Magen war etwa auf die Größe eines Tennisballs zusammengeschrumpft. Bei der kleinsten Gabel Nudeln wurde ihm schon schlecht. Und bevor er diese Übelkeit noch öfter zu spüren bekam, ließ er das Essen einfach stehen. Sein Äußeres veränderte sich, ebenso wie sein Gemüt. Er wurde dünner, schmaler im Gesicht. Seine Haut hatte einen ungesunden, weiß-gelblichen Ton angenommen, seine Fingernägel waren von dem vielen Nikotin ebenfalls gelb geworden. Er sah einfach ungesund aus. Doch genau das machte sich der ein oder andere zu seinem Vorteil. Terry tauchte nach einiger Zeit in einer Studentenkneipe auf, in der Andy seit gut einem Monat verkehrte. Der junge Mann hatte seinen normalen Pegel mittlerweile wieder erreicht. Seine Gedanken waren vollkommen verdunstet. Er grinste mit glasigem Blick und unterhielt sich mit einem Kneipenbesucher, den er noch nie gesehen hatte. Er war nicht auf Sex aus, er wollte einfach nur Spaß haben, sich, mehr oder weniger, normal unterhalten und das ein oder andere Bierchen zischen. Dass er Terry, der damals die Fotos von ihm und, wem gleich noch? Er wusste nicht mehr, wer die andere Person war, die auf den Fotos mit drauf war. Oder er hatte es einfach verdrängt. Allerdings schien sein Inneres nicht wirklich erpicht darauf zu sein, sich wieder zu erinnern. Also spülte er das komische Kribbeln in den Fingerspitzen mit dem nächsten Schluck Bier hinunter. Terry. Blond, schmal gut aussehend, stand neben ihm. Die blau lackierten, künstlichen Nägel auf seiner Schulter blinkten ihn gefährlich an und dann diese Frage. „Andy, du schaust schlecht aus. Und da ich ja eine nette junge Frau bin.“ Terry lachte ihn mit einem typischen – du weist es besser – Blick an und führte seinen Satz zu Ende. „habe ich es mir zum Auftrag gemacht, dich etwas aufzumuntern. Kommst du mit? Ich will dir etwas zeigen.“ „Aber ich bin doch grad…. Ach egal.“ Er stellte die mittlerweile leere Bierflasche auf den Tresen, hängte sich seine Lederjacke über die Schulter und folgte Terry, mit sicheren Schritten, aus der Spelunke. Andy Körper war den Alkohol schon so gewohnt, dass er nicht einmal mehr torkelte, obwohl des sechsten oder siebten Bieres. Seine Sprache war auch noch normal. Kein Lallen, kein Lispeln. Die normalen Zustände eines Alkoholikers, der das Glück hat, keinen Aggressionen zum Opfer zu fallen. „Weist du, ich bin gerade dabei einen Film zu drehen. Und ich wollte dich eigentlich nur Fragen, ob du mitmachen wollen würdest? Wie wär’s?“ Terry lächelte sein übliches, antrainiertes Lächeln. „Ich weis nicht. Worum geht’s denn?“ Die beiden schlenderten in Richtung des nächsten Taxistandes. „Eine tragische Liebesgeschichte.“ „Solang keine Frau mitspielt.“ Andy lachte auf und schüttelte den Kopf. Die Nacht war kühl und sein Kopf tat, wegen des Temperaturunterschieds von der Kneipe und der frischen Luft, ein wenig weh. „Ach Andy. Du weist doch, dass ich dich sonst gar nicht gefragt hätte, oder?“ Terry knuffte ihm in die Schulter. „Also bist du dabei?“ Ihre Augen fingen zu glänzen an und das strahlende Lächeln wurde breiter. „Jepp. Solang die Gage stimmt immer.“ Andy grinste. „Wann und wo soll ich da sein? Und was ist mit dem Drehbuch?“ „Am besten du kommst übermorgen gegen 13 Uhr ins Fotostudio, wenn du noch weist wo es ist. Dort bekommst du deine Instruktionen und dann geht’s los. Ich freu mich.“ „Ja, ich weis schon noch wo ich hinmuss. So weit kann ich noch denken.“ Mit einem kleinen Kuss auf die Wange, verabschiedete sich der junge Mann, stieg in eines der Taxen ein und lies sich nach Hause fahren. Der nächste Tag kam und ging. Ebenso wie der nächste Mann, mit dem Andy im Bett gelandet war. Doch diesmal blieb der Blackout aus. Anscheinend hatte der junge Mann nicht genügend getrunken gehabt. Oder der Sex war zu gut zum vergessen gewesen. Es war elf Uhr, als sich der junge Mann aus der Wohnung seiner Bettbekanntschaft machte. Er wusste noch zu genau, wo Terrys Fotostudio war und er war sogar pünktlich. Was ihn mittlerweile schon etwas irritierte. Denn Pünktlichkeit stand seit etwa einem halben Jahr nicht mehr sonderlich groß in seinem Verhalten. Das Fotostudio sah bei weitem nicht mehr so aus wie damals. Die Scheinwerfer waren geblieben, aber anstatt der Spiegelreflexkamera war eine Videokamera aufgebaut, die den Anschein machte, als sei sie ziemlich teuer gewesen. Die üblichen Requisiten, wie das Bärenfell oder der kuschelige Kissenhaufen waren gegen ein Eisengestell mit Matratze ausgetauscht worden. Die Metallstreben bildeten einen Baldachin, von dem allerdings keine vorhänge herunterhingen. Es schien kahl, lieblos und kalt. Was allerdings die Handschellen und Kondome dort zu suchen hatten, konnte Andy nicht wissen. Er hatte zwar so eine Ahnung, aber die Vorstellungskraft fehlte ihm im Augenblick. „Und, gefällt es dir?“ Terry stand neben ihm und blickte zufrieden auf den Aufbau. „Hier.“ Ein Glas Wasser schob sich dem Schwarzhaarigen unter die Nase, welches er annahm und daraus trank. „Hm, na ja. Sieht doch etwas ungewöhnlich für ein normales Filmset aus, oder? Aber gut, ich weis ja nicht was ihr euch gedacht habt. Wo sind denn die anderen Schauspieler?“ Er hatte dieses Wort in Anführungszeichen gesetzt, denn er glaubte nicht, dass sich Terry richtige Schauspieler, die schon mehr Erfahrung hatten, leisten konnte. „Schauspieler? Es kommt nur noch einer und das war es dann.“ „Einer? Was soll das denn für ein Film werden?“ Andy fuhr sich durch die Haare. Seine Hände kribbelten ungewohnt, ebenso wie seine Beine. Er wurde hibbelig. Nahm noch einen Schluck Wasser, um seine Nervosität zu lindern. „Ich sagte doch, ein Liebesfilm.“ „Terry, was sich hier für eine Handlung abspielen soll, ist mir schon klar. Aber daraus wird ja wohl kaum der gesamte Film bestehen, oder?“ Andy sah ihn argwöhnisch an. Sein Blick huschte zur Türe als dort ein junger Mann auftauchte. Etwa 5 Jahre älter als Andy selbst. Gut aussehend, muskulös gebaut. Nur das Schlimme war, der Gothic erkannte ihn auch noch. Er war vor etwa zwei Stunden aus dem Bett eben dieses Mannes aufgestanden. Andy wäre am liebsten im Boden versunken. Er erinnerte sich noch zu gut, was dieser Kerl mit ihm in der vorigen Nacht angestellt hatte und allein bei dem Gedanken daran staute sich ihm das Blut in der Hose. Scheiße, das kann jetzt nicht wahr sein. „Doch, genau daraus besteht unser kleines Filmchen.“ Terry grinste breit. Sah in das Gesicht des Schwarzhaarigen und zeigte seine Zähne. Es sah fast schon aus wie ein hämisches Grinsen. „Geht es dir nicht gut?“, fragte er an Andy gewandt. „Ich weis nicht recht. Nur die Nervosität.“ Er musste sich bewegen. Andy hatte keine Ahnung, woher auf einmal diese Energie herkam, aber er hatte das dringende Bedürfnis sie loszuwerden. Irgendeine auspowernde Aktivität zu betreiben. „Also Andy, das ist Martin.“ Stellte Terry die beiden einander vor. „Ich weis.“ Die beiden Männer lächelten sich kurz an und schüttelten sich die Hände. Ein fester, männlicher Händedruck. Ein Kopfnicken. „Wie ihr kennt euch? Na Zufälle gibt es, oder?“ Die Transe lachte herzlich auf. Manche Zufälle sollte es lieber nicht geben, dachte sich Andy dem so einige Bilder der letzten Nacht wieder in den Sinn kamen. Mittlerweile war dem jungen Mann auch klar, was das hier für ein Film werden würde. Ihm war etwas unwohl bei der ganzen Sache. Sich vor einer Kamera so zu präsentieren, in einer solchen intimen Situation, war für ihn immer unvorstellbar gewesen. Allein der Grund, dass sich Menschen diese Filme ansahen, ihn vielleicht auch noch erkennen würden, das war für ihn immer Punkt gewesen, es nicht zu tun obwohl es ihn schon gereizt hätte, sich beim Sex mal zu filmen. Diesmal allerdings war es ihm egal, wer ihn sah. Sollten sie es doch. Dann würde er, zumindest dachte er das, die Aufmerksamkeit bekommen, die ihm zustand. Vielleicht würde er mit noch mehr Kerlen in die Kiste springen, noch viel besseren Sex haben und das nur wegen eines Filmes. Eigentlich billig, aber was sollte es? Es machte Spaß und Martin hatte wirklich Ahnung. Er fühlte es wohl, wo er Andy berühren musste, damit er zu schreien anfing. Diese Punkte hatte der junge Mann selbst noch nicht von sich gekannt. Und Dinge, die er in seinem gesamten Leben noch nicht ausprobiert hatte, wurden nun Teil davon. Es fühlte sich gut an, es fühlte sich richtig an und sein Filmpartner war einfach super. Wenn Andy eine Pause brauchte, dann machten sie eben Pause. Was der Schwarzhaarige allerdings nicht wusste war, dass sein Körper immer abhängiger davon wurde. Warum das so war, konnte er sich nicht wirklich denken. Er nahm keine Drogen und keine Aufputschmittel, keine Aphrodisiaka. Wahrscheinlich war er einfach von natur aus scharf auf diesen Menschen. Andy merkte nicht mehr, wie er sich veränderte. Vom Wesen her, physisch und psychisch. Krissy und Cynthia bemerkten diese Veränderungen allerdings sehr wohl. Es war ein paar Wochen später, als sich die beiden Frauen zusammen setzten um das ein oder andere zu besprechen. „Wir müssen mit ihm reden. So kann es nicht weitergehen.“ Krissy fuhr sich fahrig über das Gesicht. Sie machte sich Sorgen um ihren besten Freund. Sie erkannte ihn einfach nicht wieder. Er war, seit sie sich kannten, noch nie unzuverlässig gewesen. Er war ruhig geblieben, hatte es Stress gegeben und was war jetzt? Bei jeder kleinsten Gelegenheit fuhr er aus der Haut, schrie sie an, beleidigte sie und sah es noch nicht einmal ein, sich zu entschuldigen. „Was sollen wir ihm denn sagen? Das er sich ändern muss? Dass er endlich wieder essen soll, dass er aufhören soll zu trinken? Krissy, wir sind nicht seine Mutter. Wir und auch sonst keiner, hat das Recht ihm zu leben wie er es möchte. Natürlich kann es so nicht weitergehen. Aber was willst du denn machen?“ Cynthia zog langsam an ihrer Zigarette. Der Kaffee vor ihr dampfte und roch beruhigend herb. „Natürlich können wir ihm nicht verbieten zu leben. Nur, ich halt das nicht mehr aus. Er schreit mich an, und ich hab mittlerweile wirklich Angst, dass er irgendwann so ausflippt wie bei Tobs und mich oder dich schlägt. Der Alkohol hat ihn total kaputt gemacht und er merkt es nicht einmal. Es interessiert ihn glaub ich auch nicht. Vielleicht sollten wir ihm ein Ultimatum stellen. Entweder er ändert sich, oder er muss hier raus. Ich seh´ es auch nicht ein, ihm ständig seinen Dreck hinterher zu räumen. Wie sein Zimmer aussieht will ich gar nicht erst wissen.“ „Nein, da hast du Recht. Aber du kannst davon ausgehen, dass er wieder in die Luft gehen wird, wenn wir ihm dieses Ultimatum stellen. Vielleicht sollten wir uns mit seiner Mutter mal in Verbindung setzen. Vielleicht weis sie, was wir machen können?“ „Das ist glaub keine schlechte Idee. Ich denke, sie kommt wohl besser an ihn heran.“ Es war gegen 22 Uhr abends, als die Türe ging und Andy schlurfend die WG betrat. „Andy?“ Krissy trat in den Flur hinaus. Sie erschrak sich nicht einmal mehr, als sie ihn sah. Die Augenringe und das Klappergerüst von einem Mann machten ihr mittlerweile keine Angst mehr. „Ja? Was ist denn? Ich bin müde und möchte eigentlich nur noch ins Bett.“ Andy gähnte herzhaft. „Wir müssen etwas mit dir besprechen, es ist wichtig. Hast du noch eine Viertelstunde?“ „Ja, wenn es denn sein muss.“ Mit hängenden Schultern betrat er die Küche und wunderte sich tatsächlich, dass seine Mutter mit den Beiden jungen Frauen an dem Tisch saß. Trüb lächelnd als sie ihren Sohn sah und mit einer Tasse Tee vor sich stehend. „Was machst du denn hier, Mom?“ „Deine Freundinnen haben mich gebeten her zu kommen.“ Sie erhob sich und nahm ihren Sohn liebevoll in den Arm. Sie hatte sich, nach Cynthias Beschreibung, nicht vorgestellt, dass es so schlecht um ihren Sohn bestellt war. „Worum geht es denn? Und warum holt ihr meine Mutter? Könnt ihr nicht allein mit mir sprechen?“ Andy fühlte sich betrogen. Von seinen besten Freundinnen und von seiner Mutter sowieso. Krissy hatte es schon geahnt. Dieses Gespräch würde wohl eher in lautem Schreien enden. Sie seufzte leise auf und begann mit zitternden Gliedern das Gespräch. „Cynthia und ich haben uns heute zusammengesetzt und besprochen was wir machen können. Andy so kann es nicht weitergehen.“ „Wie kann es nicht weitergehen?“ Andy hatte keine Ahnung, was das alles sollte. Er wusste nicht, worauf sie hinauswollte. „Mit dir. Ich glaube, dass es dir nicht einmal mehr auffällt, wie du uns behandelst. Du merkst nicht, wie du dich veränderst.“ „Verändert? Wie soll ich mich denn verändert haben?“ Unterstellungen. Wo er hinkam wurde ihm irgendetwas unterstellt. Cynthia nahm nun das Wort in die Hand. „Du bist total abgemagert, schaust, wenn ich es mir erlauben darf, einfach nur noch beschissen aus. Du trinkst, wie ein Fass ohne Boden und merkst nicht mehr, was in deiner Umgebung eigentlich abläuft. Wenn man versucht, normal mit dir zu sprechen, fängst du sofort zu schreien und zu brüllen an. Andy, Krissy und ich haben mittlerweile wirklich Angst, dass du uns eine runterhaust, wenn wir etwas sagen, was du wieder in den falschen Hals bekommst.“ „Wie bitte? Was ist daran so schlimm, wenn ich mal ein Bier trinke? Und nur weil ich auf meine Linie achte, unterstellst du mir, dass ich abgemagert bin! Das ist doch echt lächerlich. Und du weist ganz genau, dass ich nie in meinem Leben meine Hand gegen euch erheben würde!“ Solche Anschuldigungen brauchte er sich nicht anhören. „Und warum zieht ihr meine Mutter da mit hinein? Was hat sie denn mit dem allen hier zu tun? Gar nichts!“ „Du merkst es nicht. Du fängst schon wieder zu brüllen an.“ Krissy schüttelte den Kopf. „Andy du musst irgendwas dagegen unternehmen! Du stirbst uns, wenn du so weiter machst, noch völlig unter der Hand weg!“ Krissy war den Tränen nahe. „Du merkst gar nicht, wie du dich selbst kaputt machst. Du bist nicht mehr du selbst und du brauchst Hilfe. Und zwar professionelle.“ „Ich brauche keine Hilfe! Und ich brauche auch niemanden, der mir den Arsch abwischt! Ich bin alt genug um mein Leben selbst bestimmen zu können! Ihr habt kein Recht darauf, mir in mein Leben hineinzupfuschen! Und hört auf meine Mutter hier hineinzuziehen! Ich kann auf eure Hilfe wirklich verzichten!“ „Das glaube ich nicht.“ Rosemarie hatte das Wort ergriffen. „Andreas du hast dich wirklich sehr verändert. Ich erkenn dich kaum wieder. Und die beiden haben wirklich Recht. Du brauchst Hilfe.“ „Ich brauche keine Hilfe, verdammt noch mal! Und halt du dich aus meinem Leben raus! Du warst eine halbe Ewigkeit nicht für mich da und auf einmal interessiert es dich, was bei mir los ist? Hör auf so heuchlerisch zu sein!“ Andy schüttelte den Kopf. Er glaubte es nicht. Anscheinend verschwor sich die ganze Welt gegen ihn. Und seine Mutter, die sich nie um ihn gekümmert hatte, kam gerade jetzt angekrochen. Er fasste es nicht. „Leckt mich doch alle….“, fauchte der junge Mann auf. Warf den drei Frauen noch einen vernichtenden Blick zu und wollte gerade zur Türe hinaus, als Krissy noch einmal zu sprechen begann. „Gut, wenn du keine Hilfe annehmen willst und keine Anstände machst, irgendetwas an deinem Zustand zu ändern, dann kannst du davon ausgehen, dass du hier nicht länger bleiben kannst.“ „Wie bitte? Du willst mich rauswerfen!“ „Ja. Und ich habe das gute Recht dazu. Immerhin steht mein Name im Mietvertrag. Und ich kann dich rausschmeißen, wenn ich es für nötig halte. Und so wie es momentan ist, halte ich es für absolut nötig. Also, entscheide dich. Entweder du packst innerhalb der nächsten zwei Wochen deine Sachen, oder du änderst was an deiner momentanen Situation.“ Sie hatte das Ultimatum ausgesprochen. Sie hielt die Luft an. Sie machte sich auf jegliches kontern bereit. „So mutig. Ich bin ganz erstaunt von dir, Krissy. Aber weist du was, ich zieh hier lieber aus, bevor ich mir so einen Schrott von euch noch länger anhören muss.“ Andy drehte sich auf dem Absatz um und knallte die Türe seines Zimmers hinter sich zu. Dann sollen sie mich rauswerfen. Auch schon egal. Keine Woche später war es tatsächlich soweit. Andy zog aus. Wohin? Zu niemand Geringerem als Terry. Seinem Chef, wenn man es so nennen wollte. Nur was er sich damit einhandelte, war ihm in dem Augenblick gar nicht bewusst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)