Andys Jugendsünden II von LoveKills (In äußerst kreativer Zusammenarbeit mit BlackLightning. Der Kuchen und die jeweils zwei Cocktails im Wassermann waren schuld an dem, was ab Kapitel sechs passiert. XD Zum Glück) ================================================================================ Kapitel 2: Schulbesuch ---------------------- Kapitel 2 Schulbesuch 06.01.2007 Es war kurz vor Weihnachten. Andy hatte schon fast aufgegeben, dass seine Mutter ihn noch wegen dieser Schulsache anrufen würde. Doch man sollte ja nie zu früh aufgeben. Denn es war ein Mittwoch, als Rosemarie anrief. Mit einer hellauf begeisterten Stimme. Wahrscheinlich glitzernden Augen und hibbelig wie ein kleines Kind vor Schulbeginn. „Unser Rektor hat dem zugestimmt. Aber er möchte, dass wir es vorerst bei einer Klasse belassen um zu sehen, wie es sich entwickelt. Nicht dass dann von irgendwelchen Eltern Beschwerden darüber kommen. Das muss ja nun auch nicht sein. Schatz, vielleicht erreichst du etwas.“ „Warte mal, nicht so schnell ich versteh dich ja kaum. Also, ich soll mich in einer Klasse stellen und ihnen einen Vortrag halten?“ Andy blickte etwas irritiert drein. Hob eine Augenbraue als er das gejauchzte ´Ja´ seiner Mutter hörte. „Und wann genau?“ „Gleich morgen. Ich hab um elf Uhr zwei Stunden Klassleiterstunde in meiner neunten. Wenn das ginge. Würde mich selbst schon auch mal interessieren.“ Sie kicherte mädchenhaft auf und wäre ihm wohl am liebsten um den Hals gesprungen, wäre sie bei ihm gewesen, als er ihr zusagte. „Morgen? Ach du liebe Zeit. Ja ist gut, ich bin dabei. Hoffe ja, ihr bekommt dann keine Beschwerden.“ Andy grinste in sich rein. Er würde seine Klappe nicht halten können, würde einer einen blöden Spruch ablassen. Rosi überlegte einen Moment. „Wieso Beschwerden, solange du beim Sex nicht auf jedes einzelne Detail eingehst, glaube ich weniger, dass da irgendwelche Beschwerden kommen werden.“ „Na ja, ich wird nur meinen Mund nicht halten, wenn jemand einen dummen Spruch ablässt auch wenn du drin sitzt. Ich bitte dich nur, dich im Hintergrund zu halten, okay? Auch wenn irgendwelche abfälligen Sprüche kommen.“ Andy überlegte einen Moment. Ja, das wäre wohl das Beste, sie dann einfach ein wenig in die Enge zu treiben. Vielleicht würden sie sich es dann zwei Mal überlegen, so etwas von sich zu geben. Seine Mutter hatte ihm zugestimmt. Der nächsten näherte sich immer schneller und Andy hatte nicht wirklich eine Ahnung, wie er überhaupt anfangen sollte. Er überlegte die ganze Nacht lang. Tobs neben ihm schlief schon seelenruhig. Irgendetwas würde ihm schon einfallen. Mit diesen letzten Gedanken, schlief auch er irgendwann ein. Wachte um kurz vor neun auf. Er hatte ja noch ein wenig Zeit. Jetzt stellte sich natürlich nur die Frage, was er anziehen würde. Nach einem Kaffee und einer heißen Dusche entschied er sich für seine Lederhose, ein eng anliegendes Shirt ohne Ärmel und seine Boots. Mit dem Ledermantel machte er doch dann einen recht seriösen Eindruck. Um zehn Uhr machte er sich dann auf den Weg in eine Münchner Realschule, Nähe der Münchner Freiheit. Ging die Treppen langsam in den ersten Stock empor. Die Sonnenbrille auf der Nase. Die Sonne draußen, hatte ihn dermaßen geblendet, dass er beinahe blind geworden wäre. Der ganze Schnee auf den Straßen, die helle Scheibe, wie sich ihre Strahlen in den Eiskristallen gebrochen hatten. Es war der herrlichste Tag in diesem Winter und würden diese Temperaturen anhalten, würden sie ein weißes Weihnachten haben. Seine Mutter hatte noch gemeint, sie würden sich vor dem schwarzen Brett treffen. Er kam sich ein wenig fehl am Platz vor, wenn er sich die ganzen kleinen Teenies ansah, die kichernd mit ihren Schultaschen und ihren Hüfthosen die Treppen nach unten kamen. Es war wohl gerade Pause. Ein junges Mädchen, er schätzte sie auf knappe sechzehn, kam nach unten. Springerstiefel, wild durch gestufte, nachschwarze Haare, leicht blässlich geschminkt. Sie rempelte ihre Freundin an. „Scheiße! Sind Sie nicht… ich meine… Oh mein Gott!!!“, quietschte sie los. Andy war erst einmal ziemlich schockiert. Was sollte denn das werden? Er verstand gar nichts. Der junge Schwarze zog langsam eine Augenbraue nach oben. Wartete darauf, dass die Kleine ihren Satz zu Ende führte. „Sind Sie nicht der Sänger von… ´The 69 Eyes´?“, fragte sie voller Erfurcht in der Stimme. Sah ihn mit großen Augen an. The 69 Eyes Eine Band, der schwarzen Szene. Manchmal Elektro- lastig, und dann diese rauchig, tiefe Stimme des Sängers. „Ich? Nein… ich bin ein einfacher Münchner.“, meinte er leise lachend. „Aber wenn ihr trotzdem ein Autogramm wollt.“ Er grinste sie lieb an. Lachte auf, als sie sich entschuldigend von ihm entfernten. „Oh Gott… wie peinlich.“, piepste sie ihre Freundin an. Ging schnellen Schrittes die Treppe nach unten, um ja von ihm weg zu kommen. Andy hingegen fand, dass das ein doch sehr gelungener Start war. Musste die ganze Zeit über grinsen und wurde dann irgendwann von seiner Mutter angesprochen, die ihn in ein kleines Nebenzimmer schleppte und ihn erst einmal vornweg aufklärte, wo sie mit ihrem Stoff aufgehört und was Andy bei ihrer Klasse alles zu beachten hatte. „Das sind manchmal richtig kleine Biester, aber ansonsten wirklich sehr nette junge Leute. Du machst das schon, nicht?“ Mit einem kurzen Blick auf ihre silberne Armbanduhr erhob sie sich. „Sonst meckern die Kleinen wieder, wenn ich zu spät komme.“ Sie lachte leicht auf. Der junge Gothic folgte seiner Mutter langsam zu ihrer Klasse. Und wen erkannte er? Die beiden jungen Mädchen, die ihn vorher angesprochen hatten. Er grinste ihnen einen kleinen Augenblick zu, eher er, nachdem die Klasse den Raum betreten und ihre Plätze eingenommen hatte, ebenfalls in das Zimmer trat. Andy hielt sich im Hintergrund, während die üblichen Begrüßungszeremonien stattfanden. Aufstehen, ruhig sein und im Chor begrüßen. Es war immer noch dasselbe. Irgendwie fand er das etwas beängstigend. Es würde sich wahrscheinlich niemals ändern. Er spürte die Blicke der gesamten Klasse auf sich. Wann bekam man auch mal einen 1.90 Meter großen, Gothic zu sehen, der sich einfach so mir nichts dir nichts, vor eine gesamte Klasse stellt? Und das mit einem Pokerface, sodass man wirklich nicht einschätzen konnte ob er nun zu brüllen oder zu grinsen anfangen würde. Unauffällig blickte er sich im Zimmer um. Es war… kahl. Weiße Wände mit schwarzen Fußabdrücken, Volleyballspuren und einer leicht vergilbten Decke. Die Pinnwand war auch in einem miserablen Zustand. Er hatte vollkommen überhört, dass seine Mutter ihn gerade vorgestellt hatte. Er sollte sich mal am Riemen reißen, wenn das hier etwas Gescheites werden sollte. „Ich würde bei Zeiten das Zimmer streichen.“, meinte er leise. Allgemeines Gelächter und ein paar klatschten. Die erste Barriere war überwunden. „Hatten wir sogar mal vor, nur uns Fehlt das Geld und die Schule unterstützt das auch nicht wirklich.“, meinte das junge Ding, dass ihn vorher angesprochen hatte. Der junge Mann grinste, sah seine Mutter an, die leise kicherte. „Was denn? Ich würde mich absolut unwohl fühlen. Okay gut, das ist in der Schule wohl kaum vermeidbar… aber das führt echt zu keinem guten Lernklima.“ Er zuckte nur die Schultern. Hatte nicht wirklich eine Ahnung, wo er überhaupt anfangen sollte. Die ganze Klasse lachte nun auf. Es dauerte ein paar Minuten, bis wieder allgemeine Ruhe herrschte. Langsam aber sicher machte sich Aufregung in dem jungen Mann breit. Er hatte noch nicht einmal eine Ahnung, ob seine Mutter ihrer Klasse überhaupt erzählt hatte, was heute eigentlich stattfinden sollte. „Okay… ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, ob ihr überhaupt wisst, was ich hier eigentlich will.“, gab er ehrlich zu. Setzte sich auf das Pult, während sich Rosi hinten an die Garderobe setzte, um das ganze Schauspiel im Blick zu haben und wenn nötig eingreifen könnte, wenn es irgendwie aus dem Ruder laufen sollte. Die junge Schülerin von vorher hob langsam ihre Hand. „Ja?“ Andy wusste noch nicht einmal wie sie hieß. „Ähm… nun. Uns wird selbst immer gesagt... Kappen runter und keine Sonnenbrillen im Unterricht.“, murmelte sie halblaut. Ihre Freundin blickte sie bestürzt an und kicherte hinter vorgehaltener Hand auf. „Oh, ja. Natürlich. Ich bin seit gut einem Jahr aus der Schule draußen, da vergesse ich das gerne mal.“ Mit einem herzlichen Lächeln nahm er seine Sonnengläser von der Nase. Behielt sie in der Hand, damit man das leichte Zittern seiner Finger nicht sehen konnte. „Aber kann mir jetzt jemand sagen warum ich hier bin? Ich mein, ich weiß es.“ Er blickte in die leicht irritiert dreinblickenden Gesichter der Jugendlichen. Langsam machte sich Ungewissheit in ihm breit. Ob das überhaupt so eine gute Idee war? Wieder hob sich, diesmal etwas schüchterner, die Hand eines ziemlich weiblich aussehenden, blonden Jungen, welcher nach einem Kopfnicken Andys redete. „Ähm, Sie sollen uns wahrscheinlich irgendwas… über Schwule sagen.“, meinte er kurz angebunden. „Jedenfalls denk ich mir das mal… immerhin nehmen wir das Thema gerade durch deshalb…“ Er führte seinen Satz nicht zu Ende. „Jaaa, die kleine Schwuchtel weiß natürlich bescheid… geh doch gleich raus, dir wird hier eh nichts Neues beigebracht.“, lachte ein Typ mit dunkelbraunen Locken höhnisch auf. Andy zuckte zusammen. Blinzelte fast schon verstört. Und das fängt jetzt schon an… ich will gar nicht wissen, wie das in den fünften und sechsten abläuft. Oh je… Seine Mutter wollte schon die Stimme erheben, doch Andy schüttelte nur kurz den Kopf. „Also, ich möchte hier erst mal ein paar Sachen loswerden. Ich will nicht gesiezt werden. So alt bin ich nun auch wieder nicht. Andy reicht vollkommen aus. Und zweitens…“ Er ging mit langsamen Schritten auf den Braunhaarigen zu. Er ging vor dessen Tisch in die Hocke und legte seine Arme verschränkt auf seine Bank. Sah ihm direkt in die Augen. „Ohh… Emanuel bekommt jetzt schon Ärger.“ Ein anderer lachte leise auf. Andy grinste dabei nur kurz auf. Eines seiner fiesen Grinsen. „Und ich bin schwul. Willst du mir jetzt ins Gesicht spucken?“ Der eben noch gelacht hatte, war verstummt. Es schien, als wäre niemand mehr im Raum, so ruhig war es. Man hörte gar nichts mehr. Kein Murmeln, kein Atmen, man hätte eine Nadel auf den Boden fallen, hören können. Der junge Schwarzhaarige erhob sich gemächlich. Spürte sein Knie kurz knacken und drehte sich einmal um die eigene Achse. Ging mit einem leicht grimmigen Ausdruck wieder nach vorne zum Pult. „Und zweitens…“, fing er abermals an. „Ich will solche Ausdrücke kein einziges Mal mehr hören. Weder Schwuchtel, noch Tucke, Schwanzlutscher und was euch noch so tolles einfallen würde.“ Er blickte Emanuel an. „Oder was meinst du, wäre es dir lieber, würde ich dich als ´Scheiß-Hete´ bezeichnen? Wäre doch mal was, wie du mir so ich dir.“ Der Angesprochene lief rot an. Hielt Andys bohrendem Blick nicht stand, sah stattdessen auf seine Finger, welche auf dem Tisch lagen. „Schön, dann haben wir das schon mal geklärt.“ Er ließ seinen Blick wieder über die Klasse schweifen. Überall sah er bedrückte Gesichter. Ja, so hatte selbst er immer ausgesehen, wenn jemand Anschiss bekommen hatte. Irgendwie hatte er sich das immer zu Herzen genommen. „Du, wie heißt du?“, fragte er den Blondhaarigen, der ihm vorher die Antwort gegeben hatte. „Ich? Ähm… Basti.“, meinte er schüchtern. Knete seine Finger leicht durch. Andy nickte. Lächelte ihn aufmunternd an. „Gut Basti. Deine Vermutung war vollkommen richtig. Nur ich bin nicht hier, um euch ellenlange Vorträge zu halten. Ich bin damals in der Schule auch halb eingeschlafen, außerdem bleibt da am wenigsten von hängen.“ „Woa geil!“, quietschte das eine Mädchen von vorher. „So a la Queer as Folk, ja?“ Sie bekam große, glänzende Augen. „Nein, eigentlich eher weniger.“ Es fragte sich wirklich, wieso sich eine junge Frau Queer as Folk ansah. Er verstand es nicht wirklich. Einfach um zu ´lernen´, sich daran aufzugeilen, oder weil sie es einmal zufällig gesehen hatte. Obwohl, es lief meistens sehr spät in der Nacht. „Ich leite keine Art AG ich will nur ganz gern versuchen, euch ein wenig Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben zu vermitteln. Versteht ihr? Wir haben es gerade eben selbst gehört.“ Wieder schweifte sein Blick durch die jungen Menschen. Basti saß ein wenig zusammengesunken in seiner Bank, horchte aber auf, als er allein das Wort ´Toleranz´ hörte. „Die fehlt hier bei einigen.“, grummelte er leise vor sich hin. Dennoch laut genug, damit es Andy und die gesamte Klasse verstanden hatte. „Das denke ich auch.“ Andy nickte leicht. „Basti, was geht dir durch den Kopf, wenn du solche Sprüche hörst?“ Er sah ihn an. Wandte sich dann wieder diesem Emanuel zu. „Mir tut es in der Seele weh, so etwas zu Ohren zu bekommen.“ „Ich würde solche Leute, ganz gerne irgendwo aufhängen… oder ihnen die Fresse einschlagen.“, meinte er. Sah Emanuel Kopf schüttelnd an und blickte stur auf die schwarz-grüne Tafel. „Hey, soll das ne Drohung sein?!“ „Wenn du es so auffassen willst, gerne.“ Basti sah ihn ruhig an. Drehte sich wieder weg und blickte in Andys Augen. Hochgezogene Augenbrauen und es sah aus, als würde er auf seinen Lippen herumkauen. „Gut, ich will hier keine Drohungen oder Ähnliches zu hören bekommen.“ Er seufzte kurz auf. „Das ist verständlich. Frage an alle, was ging euch vorher durch den Kopf, als ihr das gehört habt?“ Andy blickte Emanuel an. Er sank langsam in sich zusammen. Vielleicht checkte er ja langsam, was er damit eigentlich bezweckte. „Ich find’s fies.“, meinte die Schwarzhaarige von vorher. „Ich mein… Schwule sind auch nur Menschen.“ „Conny hat Recht. Hier auf der Schule sagen das so viele… manchmal würde ich echt ganz gern was sagen, aber irgendwie…“ Die Freundin Connys zuckte leicht die Schultern. „Danach wird man noch verprügelt, nein danke.“ Eine Rothaarige hatte in die Klasse gerufen. „Na super! Also nimmst du es lieber in Kauf, dass Schwule und Lesben die nächsten hundert Jahre noch diskriminiert werden, nur weil du dir zu fein bist, und Angst um deinen Arsch hast, um Partei zu ergreifen! Das ist doch lächerlich!“ Ein Mädchen mit kurz geschorenen, wasserstoffblonden Haaren hatte sich eingemischt. Zeigte der älter aussehenden Klassenkameradin den Vogel. „Okay okay…“ Andy hob die Hände. „Du, wie heißt du?“ Er deutete auf die Banknachbarin Connys. Das fing ja schon mal nicht schlecht an. Jetzt durfte er nur nicht den Faden verlieren und so wie es aussah, machten sich diese jungen Leute doch mehr Gedanken um diese Themen als er angenommen hatte. „Anke.“, murmelte sie kleinlaut. Lief etwas rot an. „Anke. Du würdest gern etwas sagen, aber wieso tust du es dann nicht?“ Er lächelte sie freundlich an. Es war kein Verhör, es war nur der Weg zu einer Stoffsammlung, wie man solche Sprüche und die Herabsetzung von Homosexuellen, unterbinden oder darauf reagieren konnte. „Keine Ahnung.“ Anke zuckte überfordert die Schultern. Lehnte sich an die Heizung hinter ihr und blickte an die unschöne Wand der anderen Zimmerseite. „Wie es scheint, machen sich eine ganze Menge von euch Gedanken darüber.“ Allgemeines Murmeln ließ die Luft vibrieren. „Okay dann sammeln wir doch einfach mal ein paar Sachen die euch zu dem Thema insgesamt einfallen. Zu Toleranz, wie man sie unterstützen und weitergeben kann, zu Schwulen insgesamt. Sagt mir einfach Stichworte, ich schreib sie an die Tafel und wer Fragen hat, fragen.“ Andy hatte die weiße Kreide schon in Fingern. Schrieb eifrig darauf los. „Pink.“, sagte der eine. „Rosa Winkel.“ Ein anderer. „Bareback.“, murmelte Basti leise in die Klasse hinein. „Was soll das denn sein?“ Emanuel sah Basti und Andy fragend an. „Ja, das ist eine gute Frage. Wer kann sie beantworten?“ Der Gothic blickte in die Runde. Entweder wusste es wirklich keiner, oder niemand traute es sich zu sagen. Basti allerdings hob abermals die Hand. „Jupp.“ Andy grinste. Er hatte irgendwie leicht das Gefühl, dass er in Basti ein Szene-Mitglied vor sich sitzen hatte. „Ungeschützten Verkehr zu haben bedeutet es im Allgemeinen, also ist nicht nur ein Begriff in der Schwulenszene.“, meinte er selbstbewusst. „Richtig, der Kandidat hat 100 Punkte.“ Die Klasse lachte leise. „Und was bekommt er dafür?“, fragte ein Junge, dessen Haare wie das Fell von A und B Hörnchen aussahen. „Weiß nicht, kannst du einen Elefanten gebrauchen? Hab zufällig einen zu Hause stehen. Oder… ich glaub ich hab noch nen Kaugummi.“ „Ich mag keine Kaugummis.“, verneinte Basti grinsend. Lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück und langsam gefiel ihm der Unterricht sogar. „Ach ja, Clubs.“ „Jupp, Clubs gibt’s eine ganze Menge.“ „Ähm, wegen der Toleranz… In die Klassen gehen, die Eltern sollen sich mal informieren und die Lehrer sollen nicht so ein Trara draus machen und denken, dass wir noch viel zu jung sind. Voll der Unsinn.“ Conny hatte sich wieder in die Diskussion eingebracht. „Schreib ich auf…“ Andy kritzelte weiter. Quietschte immer mal wieder unabsichtlich mit der Kreide. „Sex.“ Warf wieder jemand in den Raum. „Welchen?“, fragte Emanuel. Lachte laut auf und die Klasse kicherte mit, selbst Basti konnte sich nicht zurück halten. „Insgesamt.“ Der A-B- Hörnchen Junge zuckte grinsend die Schultern. „Du kennst dich aus, was?“ Basti sah Emanuel mit einem Schmunzeln an. „Weißt mehr, als du eigentlich zugeben willst.“ Er blickte wieder kurz zu Andy. „Anal und oral.“ Er wurde noch nicht einmal rot. Basti machte Andy langsam Angst. Diese Nüchternheit, mit der er sprach. Faszinierend. Er selbst hätte das in dem Alter nicht gekonnt. Er lief ja selbst jetzt noch rot an, wenn Tobs ihn mit irgendwelchen anzüglichen Sprüchen aufzog. Auch das schrieb er an die Tafel. Musste das noch irgendwo hinquetschen. Er hatte kaum noch Platz. „Andy, wann hattest du das erste Mal richtig Sex?“ Basti hob eine Augenbraue. Er grinste für einen Moment. Der Angesprochene legte den Kopf schief. Tippte sich an die Lippen und überlegte. „Gott… keine Ahnung. Das ist schon zu lange her… ich glaub mit… ähm.“ Er fuhr sich durch die Haare. „Mit 17 oder so. Früher auf jeden Fall nicht. Kommt halt auch drauf an, was du unter richtigem Sex verstehst.“ Er zwinkerte. „Und wann bist du mit deinem Freund zusammen gekommen?“ Wieder eine Frage von dem Blondhaarigen. „Wer sagt dir denn dass ich vergeben bin?“ Seine Mutter hinten an der Wand lachte leise. Schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Soll ich ihn das nächste Mal mitbringen? Für praktische Vorstellungen.“ Er grinste anzüglich. „Bist du denn vollkommen verrückt? Dann kannst du dich gleich Einknasten lassen.“ Rosemarie erhob sich langsam. „Das war ein Scherz, Tobs hat viel zu viel mit der Uni zu tun. Und ja, ich bin vergeben und das… seit ich sechzehn bin.“ Basti hob eine Augenbraue. „Und dann erst ein Jahr später? Versteh ich nicht.“ Die gesamte Klasse war ruhig. Wieder hätte man eine Nadel fallen hören können. Andy sah sich um. Seine Mutter hatte sich wieder gesetzt. Schaute auf ihre Uhr. Wahrscheinlich würde der Unterricht bald vorbei sein. „Stell dir mal vor, du hättest eine Freundin..“ Er wurde unterbrochen. „Ja bloß nicht… danke ich verzichte.“ Basti verzog das Gesicht. Schüttelte nur den Kopf und Andy war klar, was das zu bedeuten hatte. Der Kleine machte wirklich kein Geheimnis aus seinem Schwulsein. „Okay, dann keine Freundin. Aber das ist ein einfacheres Beispiel. Würdest du dann beim ersten Mal auch gleich mit Kamasutra ankommen?“ Die Klasse brüllte vor Lachen. Basti saß mit großen Augen da und Conny hing kieksend auf ihrem Stuhl. Hatte Lachtränen in den Augen und konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Andy schmunzelte nur. Sah dann Bastis langsames Kopfschütteln. „Na eben, das ist dasselbe mit dem Sex bei uns gewesen. Gut, wenn du ne schnelle Nummer willst, kannst du in nen Darkroom gehen, okay, braucht man noch nicht mal, aber wenn du in einer Beziehung bist. Glaub mir, da geht dir erst mal durch den Kopf, wie du das eigentlich anstellen willst.“ Conny lachte immer noch. Ihre Wimperntusche lief die Wangen hinunter. Ihr Kopf lag auf dem Tisch, ihre Schultern zuckten auf und ab. Ihre Augen waren schon ganz rot. „Es ist doch so, dass du in einer frischen Beziehungen niemanden vergraulen willst und wenn du dann ankommst von wegen ´Boa komm lass uns doch endlich..´, dann kann man eigentlich davon ausgehen, dass der andere nicht mehr lange an deiner Seite ist.“ Andy sah Conny etwas irritiert an. „Brauchst du einen Arzt, oder geht es auch so? Nicht dass du uns noch umkippst.“ Sie wedelte gigelnd mit der Hand. „Die ist immer so.“ Emanuel zuckte die Schultern. Nahm das alles ziemlich gelassen hin. Andy war doch nicht so schlimm, wie er es sich vorher noch gedachte hatte. „Na dann. Haben wir das geklärt.“ Er sah, wie seine Mutter aufstand. Mit einem breiten Lächeln zu ihm nach vorne kam. „Andreas, ich muss dich leider unterbrechen. Die Stunde ist gleich vorbei. Und ich glaube nicht, dass diese Rasselbande noch länger hier bleiben will.“ Ein großes Murren ging durch die Klasse. Andy lachte leise. „Das ist wohl ein eindeutiges Nein. Ich hab es auch immer gehasst, wenn man uns länger in der Klasse behalten hat. Ich hätte den Leuten echt die Rübe einschlagen können.“ „Ähm... Andy?“ Basti hatte leicht die Hand gehoben. „Jupp?“ Er war absolut guter Laune. Diese eineinhalb Stunden hatten einen Zweck gehabt, es hatte Spaß gemacht und wie es schien, waren diese Jugendlichen nicht einmal abgeneigt. „Kommst du mal wieder?“ Er lief für einen kurzen Moment rot an. Sah an ihm vorbei an die Tafel. Andy überlegte einen Moment. Sah seine Mutter an die nur die Schultern zuckte. „Keine Ahnung, wenn, dann werdet ihr das spätestens dann wissen, wenn ich wieder hier stehe. Nein im Ernst. Ich weiß es nicht. Aber ich hoffe doch, hat Spaß gemacht.“ Basti nickte nur. „Na dann… man sieht sich.“ Genau in diesem Moment läutete die Schulglocke. Die gesamte Klasse packte schnellstens ihr Zeug zusammen und verschwand einer nach dem anderen aus dem Raum. Conny winkte ihm noch grinsend zu und ging kichernd mit ihrer Freundin in den Gang. „Wow, deine Klasse hat was.“ Andy setzte sich wieder auf das Pult. Seine Mutter saß auf dem Lehrerstuhl und überlegte einen Moment. „Dieser Emanuel… ich glaub, er ist gar nicht so ein intolerantes Bürschchen.“ Der junge Mann fuhr sich leicht durch die Haare. Rosi sah ihn ernst an. Lächelte dann aber. „So darfst du nicht reden. Sie wissen es nicht anders.“, gab sie leise zu. „Nein, es sind wirklich sehr liebe junge Menschen und ich hätte nicht gedacht, dass manche von ihnen schon so eine, ja doch, reife Einstellung haben. Das hat mich etwas gewundert. Ich kenne manche von ihnen schon seit vier Jahren und dennoch.“ Sie legte ihrem Sohn eine hand auf die Schulter. „Ich bin gespannt, wie es sich entwickelt, ich denke, dass Herr Pietsch uns noch sehen will um zu erfahren wie es gelaufen ist.“ Herr Pietsch war der Direktor der Realschule. „Wir werden ihm das schon Schmackhaft machen. Also mir hat es Spaß gemacht und sie haben recht gut mitgearbeitet. Finde ich.“ Er kratzte sich kurz an der Schläfe und grinste seine junge Mutter dann breit an. „Na dann… jetzt gleich oder nicht?“ „Ich glaube Herr Pietsch ist im Augenblick in einer Besprechung. Aber ab 14 Uhr müsste er wieder da sein. Wenn du noch so lange warten möchtest, kannst du das tun. Oder ich mache einen Termin aus und rufe dich wieder an.“ „Nein ich werde gemütlich einen Kaffee trinken gehen. Coffee Company dürfte hier in der Nähe sein. Da gibt’s guten Kaffee. Und ich komm einfach noch mal vorbei. Willst du mit, oder hast du Aufsicht bei den kleinen Schrazen beim Mittagessen?“ Ein leises Lachen der beiden Erwachsenen. „Red nicht so über die Kleinen. Sie sind wirklich ganz lieb. Aber du hast Recht, ich habe Aufsicht. Dann treffen wir uns wieder am schwarzen Brett?“ „Ich war in dem Alter auch nicht besser.“ Er zuckte kurz die Schultern. Nickte dann. „Ja, am schwarzen Brett. Bis nachher.“ Andy gab der Schwarzhaarigen einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, und verschwand dann auch schon mit Brille auf der Nase aus dem Zimmer. Die Unterredung mit Herrn Pietsch, einem Mittvierziger mit Braunen, kurz geschnittenen Haaren und buschigen Augenbrauen, verlief, zu Andys eigener Überraschung, ohne großartige Erklärungsversuche und ohne auf Überredungskünste zurückgreifen zu müssen. Der Rektor war, kaum dass Andys angefangen hatte zu erzählen, davon begeistert, was genau besprochen wurde. Er war vollkommen der Meinung, dass so etwas schon lange hätte passieren müssen. Und somit hatte Andy seinen neuen Job angetreten. Kurvte durch die gesamte Oberstufe, sprich neunte und zehnte Klassen und brachte ihnen nahe, Toleranz aufzubringen. Diskriminierende Sprüche sein zu lassen und etwas zu sagen, würden sie mitbekommen, dass so etwas auf dem Pausenhof oder der Schule insgesamt, gesagt wurde. Den Rest, mussten nun nur noch die Lehrer und Eltern machen. Er war unglaublich happy darüber, das machen zu dürfen. Es machte ihm Spaß, er lernte eine ganze Menge junger, neugieriger Menschen kennen, die an seinen Lippen hingen und manchmal doch noch einen Denkanstoß brauchten. Mit Tobs und ihm klappte es auch von Tag zu Tag besser. Die Streitereien wurden von Mal zu Mal weniger. Der Sex immer besser, doch die Stunden miteinander oft weniger, da beide Parteien oftmals zu ausgelaugt waren, um noch viel zu unternehmen. Allerdings brachte das ihrer Beziehung und der Liebe zueinander, keinen Abbruch. Im Gegenteil. Beide waren beschäftigt, hatten etwas zu erzählen und hingen nicht faul in der Gegend herum. Allerdings wurde gut ein Jahr später, alles auf eine sehr harte Probe gestellt. September und Oktoberfest… irgendwie brachte das nicht die gewünschte Wirkung mit sich, wie eigentlich erhofft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)