Schlimmer geht's immer von kei_no_chi (oder: Wie tief kann ich eigentlich noch sinken?) ================================================================================ Kapitel 21: Ziehe erst den Balken aus deinem Auge und dann den Splitter aus dem Auge deines Nächsten ---------------------------------------------------------------------------------------------------- Titel: Schlimmer geht’s immer Kapitel 21/? Serie: The GazettE Genre: Lemon/ Lime, Shonen – Ai Autor : kei_no_chi Email: kei_no_chi@hotmail.de Pairing: Aoi x ?, Uruha x Ruki (x Kai) Musik beim Schreiben: You and Me (Lifehouse), Chasing Cars (Snow Patrol), 5. März (Megaherz) Disclaimer: nix mir, nix Geld T_T Anmerkung: Dieses Mal gibt es nicht viel zu sagen, außer dass ich mich wie immer über alle Kommentare bisher gefreut habe und hoffe, dass ihr mir auch weiterhin welche schreibt. Einen ganz besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle xX-Yuu-Xx widmen, die mir das Lied „5. März“ von Megaherz bereitgestellt hat, das ich ausgezeichnet in meiner Geschichte verwerten und so den Handlungsstrang erheblich besser weiterführen konnte. Noch einmal ein herzliches Dankeschön dafür. #+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+# Kapitel 21: Ziehe erst den Balken aus deinem Auge und dann den Splitter aus dem Auge deines Nächsten Mit verschränkten Armen und einem Gesichtsausdruck, als würde ich in wenigen Minuten jemanden töten wollen, lasse ich mich auf die hinterste Bank des Pubs fallen. Es soll gar nicht erst den Anschein erwecken, als würde ich mich in Gegenwart des Bassisten wohl fühlen, ganz im Gegenteil, ich gebe mir sogar allergrößte Mühe meinen Missmut zum Ausdruck zu bringen. Soll Reita ruhig sehen, was ich von seiner Präsenz halte. „Also? Ich verursache Spannungen?“ Am besten immer gleich mit der Tür ins Haus fallen. Die Methode „Leuten-Dinge-durch-die-Blume-beibringen“ habe ich noch nie gemocht. Wenn man schon etwas zu sagen hat, dann sollte man das auch tun, wenn nötig mit dem Holzhammer. Doch anstatt zu antworten, winkt Reita eine Kellnerin heran. Es ist genau die Sorte Frau, die jeder Feministin einen Schlag ins Gesicht beschert hätte. Sie ist zweifellos hübsch, das stimmt. Dieses niedliche, grelle, ordinäre Mädchen mit den langen hellrosa Fingernägeln, den rosigfrischen Lippen, den gefärbten Haaren. Die billigste und verführerischste Puppe, die ich je gesehen habe. Alles an ihr erfüllt bis zur Perfektion das Klischee, vollkommen realisiert, vom Kaugummi, bis hin zum goldenen Fußkettchen. Es entgeht mir nicht wie sie ihn mustert. Neugierig. Immerhin trägt er noch immer dieses lächerliche Band um seine Nase. Erwartungsvoll. Anscheinend will diese Pute mehr von ihm wissen, als nur die Bestellung. Wobei sie charmanter ist als sie vielleicht gemusst hätte. Auch wenn ich Reita nicht leiden kann, man kommt nicht umhin zuzugeben, dass er nicht gerade hässlich ist. Im Gegenteil, wenn er will und sich Mühe gibt, kann er sogar extrem attraktiv sein. Diverse Photoshootings können das bezeugen. „Hallo. Was kann ich dir bringen?“ Anscheinend soll dieser nervige Augenaufschlag ihrer schweren Lider, wunderbar in Szene gesetzt durch reichlich Eyeliner und Mascara, wohl verführerisch sein, aber ich muss davon nur würgen. Dass ich auch an diesem Tisch sitze und Durst habe, scheint die Kellnerin wenig zu interessieren, denn sie guckt noch nicht einmal in meine Richtung. „Ein Wasser, bitte.“ Sanft lächelt er sie an und erst jetzt wird mir bewusst, dass ich Reita noch nie wirklich habe lachen sehen. Immer hat er eine Art Pokerface aufgesetzt, das er nur absetzt um ab und zu schief und dreckig zu grinsen. Das Lächeln scheint auch das Mädchen aus der Bahn zu werfen, doch fängt sie sich schneller. Selbstgefällig streicht sie sich eine Strähne hinter das Ohr und beugt sich ein Stück weiter nach vorne. „Bring ich dir sofort. Möchtest du nicht auch noch etwas essen? Ich kann die Nudeln wirklich sehr empfehlen, die sind heute besonders gut.“ Wenn du dich nicht gleich verpisst, zeig ich dir mal wie sehr ich meine Faust empfehlen kann. „Nur das Wasser, danke. Was möchtest du trinken, Aoi?“ Oh, der Herr bequemt sich mich auch mal ins Gespräch einzubeziehen. Immerhin war es ja seine Idee hierher zu kommen. Jetzt erst wendet die Kellnerin sich von Reita ab und blickt mich an, allerdings ohne das aufreizende Lächeln von eben, sondern mit einer abschätzig erhobenen Augenbraue. Sollte es einen Tiefpunkt auf meiner Stimmungsskala geben, so hätte sie soeben ihren Nullpunkt erreicht. „Ein Bier, wenn es nicht zu viel verlangt ist...“ Ein einfaches Nicken der Kellnerin folgt, dann dreht sie sich um, allerdings nicht ohne Reita noch ein verschwörerisches Lächeln zu schenken. Dumme Pute. Du sollst gefälligst arbeiten. Von mir bekommst du auf jeden Fall kein Trinkgeld. Gerade will ich wieder anfangen, Reita auf den Grund unseres Hierseins aufmerksam zu machen, als die blonde Kellnerin wiederkommt. Wie es scheint, hat sie sich sogar schnell den Lippenstift nachgezogen. Ohne mich anzusehen, stellt sie das Bierglas lustlos vor mich hin, Reita allerdings mustert sie mit dem selben ekelerregenden Lächeln wie vorhin. „Hast du es dir noch einmal überlegt? Sicher, dass du nichts essen möchtest?“ „Ja, danke.“ Die Kellnerin macht ein enttäuschtes Gesicht. Sicherlich hat sie sich den Verlauf dieses Gesprächs anders vorgestellt. „Nun, aber falls du es dir anders überlegst, kannst du mich jederzeit rufen.“ Als sie den Tisch verlässt um sich einem anderen Gast zuzuwenden, kann sie es nicht lassen, Reita kurz über den Arm zu streichen. Er zieht ihn zurück. Wenigstens etwas. „Die scheint aber ziemlich auf dich zu stehen.“ Verwundert blickt Reita mich an, ehe er kurz an seinem Wasser nippt. Ich habe mein Bier schon fast bis zur Hälfte aus. Und dabei sollte ich vorsichtig sein, denn viel vertrage ich nicht. „Wer?“ Ich rolle mit den Augen und trinke auch den Rest des Glases leer. „Die Kellnerin, wer denn sonst.“ „Oh.. die.. ist mir gar nicht aufgefallen.“ Mir bleibt die Spucke weg. Selbst ein Blinder mit einem Krückstock hätte das bemerken müssen. „Es ist dir nicht... ES IST DIR NICHT AUFGEFALLEN?! Hallo, wo lebst du denn? Willst du mich etwa verarschen, oder so?“ Ungläubig funkle ich Reita an. Also, wenn MICH eine Frau so ansehen und ganz offensichtlich anmachen würde, ich bin mir sicher, dass ich das selbst mit verbundenen Augen bemerken würde. Der Blonde zuckt allerdings nur gelassen mit den Schultern. „Nicht absichtlich. Mich gucken Frauen meistens so an, also kein Grund sich darüber Gedanken zu machen. Ich beachte es schon gar nicht mehr.“ Dieser... arrogante.... kleine.... Reita! Was glaubt er eigentlich wer er ist? Brad Pitt? Der ist auch hässlich! Nur weil er dieses hässliche Stoffband im Gesicht trägt, heißt das nicht, dass er deswegen gleich mehr wert ist. Ich wusste, dass es ein Fehler war, hierher zu kommen. Gelangweilt stütze ich den Kopf in die Hände. Dabei hätte ich etwas weitaus besseres für heute zu tun gehabt. Ich hatte noch ein wenig an einem neuen Liedentwurf feilen wollen, aber das kann ich heute wohl vergessen. Es sind die Blätter, die ich verlegt hatte, dann aber doch wieder gefunden habe, mit zweien mehr als zuvor. Sogar die Tabulatoren sind neben den Songtexten schon vorhanden. Vielleicht habe ich ja schlafgewandelt, als ich die Seiten beschriftet habe. Oder es war an dem Abend einfach schon zu spät, sodass ich vergessen habe, dass ich neue Entwürfe geschrieben hatte. „Willst du noch etwas trinken?“ „Hä?“ Keine sehr geistreiche Antwort, das weiß ich wohl, aber in diesem Augenblick fällt mir nichts anderes ein, als Reita mich anspricht. Mit rollenden Augen deutet er auf mein Bierglas. „Dein Glas. Es ist leer. Soll ich die Kellnerin rufen?“ Damit du wieder mit ihr rumflirten kannst? Nein, danke, da verdurste ich lieber. Das kann ja kein halbwegs normal zivilisierter Mensch mit ansehen. „Schon gut. Ich geh mir selbst etwas holen. Überanstreng dich nur nicht.“ Mühsam richte ich mich auf, nehme das leere Glas und gehe nach vorne nur Theke. Von hinterrücks höre ich noch ein gemurmeltes „Da will man mal nett sein....“ Reita... du bist nie nett. Und vor allem nicht zu mir. Ungläubig starrt die Kellnerin von vorhin mich an, als ich keine fünf Minuten, nachdem sie an unserem Tisch stand, schon wieder vor ihr stehe. Letztendlich greift sie aber dennoch nach meinem Glas und macht sich daran es neu aufzufüllen. Die hoffnungsvollen Blicke, die sie an unseren Tisch hinüber zu Reita wirft entgehen mir nicht, auch wenn ich sie weitestgehend zu ignorieren versuche. „Möchte dein hübscher Freund denn nichts neues trinken?“ „Er ist nicht mein Freund.“ Übellaunig fahre ich sie vielleicht ein wenig zu grob an, doch das ist mir im Augenblick herzlich egal. Ich habe im Moment einfach nur das Bedürfnis mich zu betrinken. „Und so hübsch ist er auch nicht. Unter seinem weißen Tuch quer über der Nase versteckt sich nämlich eine ziemlich ekelhafte Pustel-Krankheit. Furchtbar ansteckend. Besser du kommst ihm nicht zu nahe, sonst siehst du auch noch aus wie Frankensteins Braut.“ Ich weiß, dass ich mich im Augenblick mehr als nur unmöglich verhalte, aber das kratzt mich nicht sonderlich. Über den entsetzten und leicht angewiderten Blick des Mädchens bin ich sogar regelrecht amüsiert. Schnell drückt sie mir das Getränk in die Hand, als hätte sie buchstäblich Angst sich auch bei mir anzustecken. Mit federnden Schritten kehre ich an unseren Tisch zurück und lasse mich beschwingt auf meinen Platz fallen. Dass mein veränderter Gemütszustand nicht lange unbemerkt bleibt, hätte ich mir eigentlich denken können, denn kaum habe ich Platz genommen, blickt Reita verwundert auf. „Nanu? Du hast ja auf einmal so gute Laune. Hattest du eine Erleuchtung?“ Mein Grinsen wird sogar noch um eine Nuance breiter. „Kann man so sagen. Manchmal kann das Leben doch recht unterhaltsam sein....“ Reita zieht eine Augenbraue hoch, sagt aber nichts. Umso besser, denn von mir hätte er sowieso keine Antwort erhalten. Obwohl, es wäre interessant zu beobachten, was Reita sagen würde, wenn ich ihm erzählte, wie schnell man seine kleinen Liebchen von ihm vergraulen kann. Die Minuten, in denen wir einander gegenüber sitzen, ziehen sich wie Kaugummi dahin. Ich habe keine Lust mich zu unterhalten und auch Reita scheint den Versuch aufgegeben zu haben, ein freundschaftliches Gespräch aufzubauen. Schon zum zehnten Mal an diesem Abend blicke ich nun schon auf die Armbanduhr, muss aber einsehen, dass die Zeit davon auch nicht schneller vorüber geht. Es ist jetzt zwanzig nach neun. Ich frage mich, wie lange ich hier noch ausharren muss, ohne dass es unhöflich aussieht, wenn ich nach Hause gehe. „Also... Was meinst du zu dem neuen Liedentwurf?“ Leicht unfokussiert blicke ich auf und starre in Reitas Gesicht. Also hat er sich doch dazu entschlossen, ein neues Gesprächsthema anzufangen. Es dauert lange, bis ich antworte. Der steigende Alkoholpegel in meinem Blut scheint meine Denkfähigkeit einzudämmen. „Ich weiß nicht. Es ist nett, aber...“ „Aber das war es auch schon. So sehe ich das auch.“ Reita nickt zustimmend. Es ist das erste Mal, dass wir einer Meinung zu sein scheinen. „Es fehlt etwas. Es hat keinen Pep. Sicher, der Text ist nicht schlecht, aber er sagt nichts aus.“ Ja, genau das gleiche habe ich mir auch schon gedacht. Schon als Uruha den Entwurf in der letzten Probe vorgestellt hatte, fand ich ihn nicht berauschend, aber da das Bandklima in der Tat nicht gerade das beste ist, wollte ich keinen erneuten Streit vom Zaun brechen. Vor allem, da in letzter Zeit die Mehrheit sowieso schlecht auf mich zu sprechen ist. „Weißt du, Aoi... Als Ruki mich damals dazu überredet hatte, zu euch in die Band zu kommen, habe ich mir etwas erhofft. Ich dachte, dass so ein bunter Haufen voller Narren es doch verdammt noch mal fertig bringen müsste, die Spitze der Charts zu erklimmen! Aber irgendwie läuft zur Zeit alles aus dem Ruder. Wenn das hier so weiter geht, wird es The GazettE wohl nicht mehr lange geben...“ Verwundert blicke ich auf. Ich habe Reita noch nie so viel reden hören und schon gar nicht so tiefgründiges Zeug. Wie es scheint, hat er sich wohl ernsthafte Gedanken um die Band gemacht. Eine Band, die meine Familie geworden ist, nachdem meine eigene mir niemals ein Gefühl von Geborgenheit geben konnte. Aber auch eine Band, wegen der ich so langsam an meinem Verstand zweifle. „Wenn nicht bald etwas passiert, wird Kai die Band wohl demnächst auflösen.“ Obwohl ich es schon seit längerem geahnt habe, trifft mich Reitas direkte Formulierung wie ein Schlag ins Gesicht. Sicher, es gibt Spannungen zwischen uns in letzter Zeit. Ich habe Reita noch nie leiden können und auch gegenüber Uruha und den anderen fühle ich momentan nichts anderes als blendenden Hass und schreienden Selbstekel. Aber man sollte so wichtige Dinge nicht einfach beenden. „Was soll sich denn deiner Meinung großartig ändern? Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ Reita entweicht ein Seufzen. Wahrscheinlich hat er sich dieses Gespräch auch einfacher vorgestellt. Aber ich wollte ja von Anfang an nicht großartig mit ihm reden. „Das ist es ja gerade. Ich wollte mit dir reden, weil du wirklich am allerwenigsten von uns etwas verbockt hast. Ich... weiß, was zwischen dir und Uruha vorgefallen ist. Nein, Aoi, hör mir bitte zu. Ich weiß, dass es unverzeihlich war, was er dir angetan hat. Und ich schwöre dir, wäre ich in diesem Moment dabei gewesen, dann... dann hätte ich ihn...“ Voller Wut ballt Reita seine Hände, sodass sich die Fingernägel tief ins Fleisch bohren. Er selbst scheint den Schmerz gar nicht zu spüren, denn voller Hass, so scheint es, starrt er auf die Tischplatte. Seine Lippen sind nur noch ein schmaler, blutleerer Strich. Mein Herz hingegen rast wie verrückt. Wie elektrisiert sitze ich auf meinem Stuhl und habe mich leicht vorgebeugt, um auch kein Wort zu verpassen, denn anscheinend muss wirklich etwas zwischen Uruha und mir vorgefallen sein. Und Reita weiß davon. Aber was ist nur passiert? Es muss etwas furchtbares sein, denn sonst wäre der normalerweise so unterkühlte Bassist nicht dermaßen aufgebracht. Ohne verraten zu wollen, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wovon er redet, versuche ich mehr aus ihm heraus zu kitzeln. „Du warst aber nicht da, Reita. Und wieso hätte ich dich da haben wollen? Was hättest du davon gehabt, wenn du da gewesen wärest?“ Meine Worte klingen kalt. Viel kälter, als ich sie hatte hervorbringen wollen. Der Bassist zuckt zusammen. Mit einem Mal sieht er wirklich müde und elend aus. „Ich habe dir versprochen, dass ich dich beschützen werde. Und ich halte meine Versprechen, im Gegensatz zu anderen Leuten.“ Was ist das denn für ein abgedroschener Spruch? Ist ihm sein Wasser zu Kopf gestiegen? Vielleicht war es ja doch hochprozentiger Vodka? Ebenso kann ich mich absolut nicht daran entsinnen, dass er jemals so etwas zu mir gesagt haben soll. Und welchen Grund hätte er schon dafür? Er kann mich ja noch nicht einmal leiden. Schnell leere ich mein halbvolles Bierglas und ordere ein neues. Dass es mittlerweile mein siebtes ist, versuche ich zu verdrängen. Anscheinend kann ich Reitas Gegenwart besser ertragen, wenn ich angetrunken bin. „Aber wie dem auch sei. Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte. Das ist alles auf Uruhas und Rukis Mist gewachsen. Ich habe es erst letzte Woche erfahren. Aber da war es schon zu spät... Das soll jetzt keine Entschuldigung sein, denn ich weiß, dass so etwas nicht wieder gut zu machen ist. Aber du solltest immerhin verdammt noch mal endlich von jemandem die Wahrheit hören!“ Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll. In meinem Kopf beginnt sich alles zu drehen und ich weiß, dass dieses Schwindelgefühl nicht vom Alkohol kommt. Irgendetwas in meinem Inneren scheint sich an die Oberfläche zu drängen, aber es erreicht sie nicht. Als würde eine Eisdecke über dem Ozean der Erinnerung ihr Auftauchen verhindern. Mir wird übel. Ich fühle, wie ich wieder von einem dunklen Schleier eingehüllt werde. Der Kopf ruckt und die Augen verengen sich, sodass der Gegenüber aus wütenden Augen angestarrt wird. Aber ich will mich nicht wieder davon beherrschen lassen. Ich weiß nicht, was jedes Mal passiert, aber immer fehlt mir danach ein Stück meiner Erinnerung. Die Hand greift nach dem Bierglas, damit ein neuer Schluck genommen werden kann, stoppt aber plötzlich mitten in der Bewegung, als wäre sie vor eine Wand gestoßen. Das Glas kippt um und der Inhalt ergießt sich über den ganzen Tisch, durchtränkt die Hose und hinterlässt ein klebriges Gefühl auf der Haut. Irritiert blicke ich auf den riesigen Bierfleck auf meinen Klamotten und drehe die Hand ein wenig im Licht, damit ich die Flüssigkeitstropfen besser erkennen kann. Ich kann mich nicht daran erinnern, das Bier umgestoßen zu haben. Ich blinzle, doch mit einem Mal wird mir die Situation bewusst und ich greife hektisch nach dem Serviettenspender um das Malheur aufzuwischen. Mittlerweile hat sich die klebrige Flüssigkeit sogar bis auf den Boden ausgebreitet. Das ganze ist mir furchtbar peinlich und immer wieder entschuldige ich mich bei der Kellnerin, die übelgelaunt und obszön schimpfend herbeigeeilt kommt. Wie es scheint ist sie schon seit geraumer Zeit recht unglücklich darüber uns als Gäste zu haben. Ich bin froh, als die Umgebung um uns herum wieder halbwegs trocken ist. Klebrig zwar, aber immerhin trocken. Schnell greife ich nach meiner Tasche um nachzusehen, ob zumindest ihr Inhalt verschont geblieben ist, wenn schon mein T-Shirt und meine Hose ruiniert sind, und entleere kurzerhand ihren kompletten Inhalt auf dem Tisch. Wie es scheint, ist aber noch alles heil geblieben. Es wäre schade darum gewesen. Gerade will ich die Sachen wieder zurück in die Tasche stopfen, als ein Stapel Blätter geradewegs unter meinen Fingern weggezogen wird. Ich werde bleich und will fester danach greifen, aber da hat Reita den Wisch schon in den Händen und streicht die verknitterten Seiten glatt. „Reita... Gib das wieder her.“ Meine Stimme zittert. Ich hatte nicht vorgehabt die Blätter irgendjemandem zu zeigen. Und schon gar nicht ihm. Fordernd strecke ich die Hand danach aus, aber mit einem Kopfschütteln tut Reita es ab. Mit geschürzten Lippen und zusammengezogenen Augenbrauen beginnt er den Text zu lesen, meine Bemühungen ihm das Blatt aus der Hand zu reißen ignoriert er. „Reita, gib es wieder her. Das geht dich nichts an.“ Meine Stimme wird lauter, doch der Bassist nickt einfach nur abwesend mit dem Kopf. So langsam werde ich richtig wütend. „Schön.“ „....“ „SCHÖN!“ Irritiert blickt Reita auf. Scheinbar ist er fertig mit lesen. Ich kneife die Augen zusammen und warte auf einen Lachkrampf oder Beleidigungen, doch zu meiner Überraschung bleiben sie aus. Langsam öffne ich die Augen wieder und blicke in sein sprachloses Gesicht. Was ist denn? So schlecht kann es doch auch wieder nicht gewesen sein! „Das ist.... Das ist richtig gut. Hast du das Ruki gezeigt?“ Nein. Wozu auch? Er würde mich doch garantiert auslachen. Ruki und Uruha schreiben hauptsächlich die Texte bei uns. Und jedes Mal empfinden sie es als persönliche Beleidigung, wenn man an ihren Liedern etwas auszusetzen hat. Also schüttle ich nur verhalten den Kopf. „Das solltest du aber! Ich meine, das hier ist wirklich... also das ist... das hat genau das Etwas, das in Uruhas Texten in letzter Zeit fehlt.“ Aufgebracht wedelt er mit den Zetteln vor meiner Nase herum. Ich habe ihn selten einmal so begeistert von etwas gesehen. Und dabei kann ich es noch nicht einmal nachvollziehen. Der Liedtext war eines der Blätter, an die ich mich nicht einmal erinnern kann sie geschrieben zu haben. „Ich meine das wirklich ernst, Aoi. Hör es dir doch mal an!“ Eindringlich starrt er mich an, bis ich beschämt die Augen abwende. Ich werde selten gelobt und deswegen ist es mir immer wieder peinlich. Vor allem wenn es von jemandem wie Reita kommt. Er allerdings setzt sich aufrecht hin und räuspert sich. Ich ahne böses. „Siehst du mich Hörst du mich Was hab ich dir getan Warum zerstörst du mich Fühlst du mich Spürst du mich Wenn du mich nicht mehr liebst Warum berührst du mich ? Brauchst du mich Sag glaubst du nicht Dass es besser ist Du lebst dein Leben ohne mich Erkennst du mich Verstehst du nicht Warum bist du überhaupt noch hier Was willst du noch von mir ?! Augen auf Wer sieht versteht wie gnadenlos die Zeit vergeht wie sich der Zeiger dreht unentwegt Du weißt nicht was du willst Du weißt nicht wo du stehst Weißt nicht woher du kommst Wohin du gehst Du weißt nicht was dich treibt Was am Ende für dich bleibt Warum bist du so blass so kalt so herzlos? Du weißt nicht mehr was du tust Weißt nicht woran du glaubst Sag mir wozu und ob Du mich noch brauchst Wenn's einfach nicht mehr passt Wenn du mich wirklich nur noch hasst Warum bist du noch hier Wofür ? Was willst du noch von mir? Siehst du mich Erkennst du mich Ganz tief in meinem Herz ist noch ein Platz für dich Ich suche dich Ich sehne mich Nach dem was ich geliebt hab Doch ich find es nicht Augen auf Wer sieht versteht wie gnadenlos die Zeit vergeht wie sich der Zeiger dreht unentwegt Viel zu lange Viel zu spät Sturm geerntet Wind gesät die Zeit vergeht unentwegt“ Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Es hört sich eigenartig an, wenn Reita es vorliest. Vor allem, wenn er es mit solch einer Inbrunst und Überzeugung tut. Sein Blick scheint sich unter meine Haut zu bohren, als er mich mustert. Schnell schaue ich weg und nehme stattdessen einen tiefen Schluck von meinem Bier. „Es ist nichts besonderes... Einfach ein bisschen dahin gekritzelt.“ Ich versuche es herunter zu spielen, wie sehr mir dieser Text eigentlich am Herzen liegt, aber wie es scheint lässt sich Reita nicht beirren. Noch zweimal liest er es schnell hintereinander durch, ehe er mir nachdenklich den Entwurf zurück gibt. „Trotzdem. Du solltest ihn den anderen morgen auf jeden Fall zeigen. Vergiss nicht, sie waren auch schon begeistert, als du uns damals den Entwurf zu „Miseinen“ gezeigt hast.“ Ja, aber zu dem Zeitpunkt haben sie mich auch noch nicht gemieden wie die Sonne die Nacht. Es ist längst nicht mehr so einfach wie früher. Das Goldene Zeitalter ist endgültig vorbei. Falls es denn jemals eins gegeben hat. „Lass gut sein. Du brauchst gar nicht erst so tun. Was willst du überhaupt damit bezwecken? Du weißt, wie die Stimmung bei uns im Moment ist, die anderen werden ganz sicher nicht ‚begeistert’ sein. Und seit wann bist du so freundlich zu mir? Du kannst dir dein Gehabe sparen, ich werde nicht darauf hereinfallen.“ Missmutig blicke ich Reita an und lehne mich mit verschränkten Armen zurück. In letzter Zeit erscheint er mir sowieso mehr als nur merkwürdig. Eigentlich schon seitdem ich halbnackt in einem Bett neben ihm aufgewacht bin. Oder sogar schon früher? Als ich mich über seinem Bettrand erbrochen habe, hat er mir beruhigend über den Rücken gestrichen und sich auch sonst so ganz anders verhalten, als ich es von ihm gewöhnt bin. Aber wieso hat er es getan? Er hasst mich doch schließlich. Ich wage einen Blick in sein Gesicht, gucke aber augenblicklich wieder weg, als ich seinen Ausdruck bemerke. Blanke Wut steht darin geschrieben, doch versucht er sie verzweifelt vor mir zu verbergen. Seine Finger bohren sich mittlerweile in die Tischplatte. Ich habe das Gefühl den Bogen leicht überspannt zu haben, also leere ich schlussendlich mein Bierglas, nur um überhaupt irgendetwas zu tun zu haben. Lange Zeit starrt er mich einfach nur zornig an, ehe er langsam die Augen schließt und einen langen Seufzer ausstößt. Erstaunt muss ich zusehen, wie er den Kopf in den Händen verbirgt und ihn leicht schüttelt. Erst dann fängt er an mit leiser, zu meiner Verwunderung unendlich gequälten Stimme zu sprechen. „Du hast recht. Wahrscheinlich bin ich der letzte, der dir solche Ratschläge geben sollte. Und noch viel mehr sollte ich froh darüber sein, dass du mir nicht einfach so vertraust, denn dann... dann haben Leute wie Uruha nicht mehr ganz so leichtes Spiel. Am besten sollte ich mich einfach damit abfinden, dass unsere momentane Unterhaltung der äußerste Stand der Dinge ist, auf der wir kommunizieren können.“ Verwundert starre ich ihn einfach nur an. Leute wie Uruha? Ich kann mir absolut keinen Reim darauf machen, was er damit meinen könnte. Und habe ich mich gerade verhört, oder war da wirklich ein kleines bissen Bedauern in Reitas Worten? Könnte das etwa bedeuten, dass er sich vorstellt, dass wir uns besser verstehen könnten? Was für ein törichter Gedanke. „Ich wüsste nicht, weswegen wir das auf einmal ändern sollten. Falls du dich erinnerst, hast du von Anfang an wenig Wert auf eine gute Verständigung gelegt. Und jetzt kommst du auf einmal reuevoll angekrochen?!“ Wort für Wort schleudere ich ihm ins Gesicht, längst nicht mehr darauf achtend, dass meine Stimme mit jedem Mal lauter wird und meine Augen vor Zorn Funken sprühen. Reitas allerdings werden immer größer, bis er mich nur noch völlig verwirrt anstarrt. Dann aber spiegelt sich mit einem Mal Erkennen in seinem Gesicht wieder und ein ungläubiges Lachen entrinnt seiner Kehle. „Du meinst wegen diesem einen dummen Streich? Nur weil ich dich mit diesem bescheuerten Wortspiel wegen deiner Gitarre auf die Arme genommen habe, hasst du mich sosehr, dass du mir am liebsten... den Tod wünschst, wenn du könntest? Es war doch noch nicht einmal ernst gemeint!“ Mit verschränkten Armen blicke ich ihn trotzig an. Ja, vielleicht hat er recht. Vielleicht ist mein Verhalten wirklich kindisch und überzogen, aber er hat mich damals damit verletzt. Und ich bin ein sehr nachtragender Mensch. Mit zusammengekniffenen Augen mustere ich den Bassisten. Seine Atmung geht leicht gehetzt. Er ist immer noch wütend. Doch im Gegensatz zu ihm verliert sich mein Zorn nach und nach und je länger ich ihn betrachte, umso wärmer wird mir. Zweifellos muss es vom Alkohol kommen, der mir mehr und mehr ins Blut steigt. Immerhin habe ich die magische Grenze der Biere, die ich vertrage schon seit einiger Zeit überschritten. Eigenartige Gedanken schwirren in meinem Kopf herum, und ich lege mir vorsichtig je einen Finger an jede Schläfe. Vielleicht lassen sie sich weg massieren. „Aoi? Geht es dir gut? Hast du Kopfschmerzen?“ Reitas Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und leicht unfokussiert blicke ich ihn an. Ich habe gar nicht gewusst, dass er blaue Augen hat. Blau mit ein paar schwarzen Punkten darin. Der äußere Rand um die Iris ist allerdings von einem elektrisierenden Grau. Ich starre ihn einfach nur an, ganz so als wäre es das erste Mal, dass ich ihn sehe und als müsse ich mir jede Faser seines Gesichtes genauestens einprägen. Als sich seine schmalen Augenbrauen aber plötzlich zusammenziehen und er eine Hand erhebt um sie mir an die Stirn zu legen, schrecke ich zusammen, rutsche sogar ein ganzes Stück auf meiner Eckbank zurück. Ich habe für einen kurzen Moment den Faden verloren und vergessen, wer mir da eigentlich gegenübersitzt. „Aoi? Ist dir schlecht? Komm, ich bringt dich raus.“ Rasch erhebt er sich und streckt seine Hand aus um mir aufzuhelfen, aber geistesgegenwärtig schlage ich sie zurück. Im selben Moment tut es mir schon wieder leid. Eine Tatsache, die mich noch mehr aus der Bahn wirft. Es tut mir leid?! Seit wann tut es mir leid, Reita zu verletzen und zurückzuweisen? Das habe ich allein in den letzten paar Minuten ein dutzend Mal gemacht. Ich glaube, der Alkohol steigt mir so langsam wirklich zu Kopf. „Schon gut. Mir geht es blendend. Kümmre dich um deinen eigenen Kram.“ Brüsk schleudere ich ihm diese Sätze entgegen, worauf Reita ein langes Seufzen entweicht und er die Augen abwendet. Als er mich nach endlos langen Sekunden wieder ansieht, weiche ich erschreckt zurück. Seine Augen sprühen vor Zorn und seine Hände zittern. Wie es scheint, kann er sich nur noch äußerst schwer unter Kontrolle halten. „Schön, wie du willst! Du legst es ja förmlich darauf an. Soll ich dir mal was sagen? Ich habe es wirklich versucht. Ich habe versucht nett zu dir zu sein, obwohl du mich von Anfang an nur wie ein Stück Dreck behandelt hast. Schön und gut, vielleicht hätte ich damals nicht diesen Witz mit der Gitarre machen dürfen, aber wer konnte denn ahnen, dass du so verdammt nachtragend bist. Es war ja noch nicht einmal ernst gemeint! Die ganze Zeit danach habe ich versucht mich bei dir zu entschuldigen, weil ich gesehen habe, dass du es nicht besonders lustig gefunden hast, aber du hast mir ja nie eine Chance dazu gegeben. Die ganze Zeit über hast du mich ignoriert oder unterschwellig beleidigt, ohne dass ich dir vorher etwas getan hatte! Weißt du, wie ich mich dabei gefühlt habe? Nein, das weißt du natürlich nicht. Bei dir machen immer nur die anderen Fehler, niemals du selbst. Ich weiß, dass es dir im Augenblick scheiße geht, deswegen wollte ich dir ja auch helfen. Ich bin mit dir hierher gefahren, um mich endlich einmal mit dir auszusprechen, aber du lässt ja niemals jemanden an dich heran. Selbst jetzt beharrst du noch immer auf deinem Standpunkt wie ein kleines Kind. Noch immer verehrst du Uruha wie einen Heiligen, obwohl er dich die ganze Zeit nur ausgenutzt und gedemütigt hat. Und noch immer hasst du mich, obwohl ich dir ernsthaft zu helfen versuche und einfach nur will, dass es dir gut geht! Was soll ich denn noch tun? Sag es mir! Soll ich mich in den Staub werfen und auf Knien um Verzeihung bitten, nur wegen eines einzelnen dummen Scherzes?! Ja, meinetwegen mach ich das, aber selbst dann wirst du es noch immer nicht begriffen haben, weil du engstirnig und verbohrt bist!“ Schockiert starre ich Reita an. Mit jedem Wort, das sich aus seiner Kehle gezwängt hat, ist er lauter und lauter geworden, bis er mir die letzen Sätze geradewegs ins Gesicht schreit. Mittlerweile hört uns das gesamte Lokal zu. Reitas Atem geht gepresst und seine Brust hebt und senkt sich schwindelerregend. Seine Lippen sind hingegen nur noch ein einzelner, blutleerer Strich. Ich kann mich nicht bewegen oder auch nur einen klaren Gedanken fassen. Noch immer klingen Reitas letzte Worte in meinem Kopf nach und erzeugen einen leichten Schwindel. Ich muss mich setzen. Ich habe das nicht gewusst. Ich habe nicht gewusst, dass er so empfindet. Ich hatte keine Ahnung, dass es ihn sosehr getroffen hat, wie ich ihn behandelt habe. Erneut versucht sich ein Schleier über meine Gedanken zu legen und zu gerne würde ich mich fallen lassen, abdriften in meine eigene kleine Welt am Boden des Schwarzen Brunnens, und nicht mehr in sein verletztes Gesicht sehen müssen. Aber ich kann jetzt nicht einfach so aufgeben. Ich will vor Reita keine Schwäche zeigen. Ich schließe die Augen und schüttle langsam den Kopf. Es ist unangenehm schwer regelmäßig ein und aus zu atmen und unerwartet anstrengend einen klaren Kopf zu behalten. „Oh Gott, Aoi. Entschuldige bitte, das.. das hab ich nicht sagen wollen. Es ist mir einfach so rausgerutscht, ich habe nicht weiter darüber nachgedacht.“ Unwillkürlich blicke ich auf und fange Reitas Blick auf. Er ist kalkweiß im Gesicht. Schnell schaue ich wieder weg, richte den Blick stattdessen auf meine Hände. Meine eigene Stimme hingegen ist nicht mehr als ein Flüstern. „Schon gut... Ich habe es gewusst. Ich habe es immer gewusst. Ich habe gewusst, dass ich verabscheuungswürdig bin...“ Harsch zieht Reita die Luft ein und knetet nervös seine Hände. Dann macht er zwei Schritte auf mich zu, hält aber kurz vor mir wieder an. „Nein, das bist du nicht. Ich habe nicht nachgedacht, als ich dir das alles ins Gesicht geschleudert habe, ich war einfach nur wütend. Aber nicht so sehr auf dich, sondern vielmehr auf MICH. Weil ich es einfach nicht geschafft habe, zu dir durchzudringen. Ich hätte das alles nicht sagen sollen.“ Hart muss ich schlucken, als ich diese Worte vernehme. Ich habe Reita noch niemals so sprechen gehört, nicht gewusst, dass er überhaupt in der Lage ist, derartige Gefühle zu zeigen. Für mich war er immer der Inbegriff der Männlichkeit, der Selbstbeherrschung, der absoluten Coolness. Und doch muss ich insgeheim zugeben, dass mir diese neue, verletzliche Seite fast genauso gut gefällt wie die andere. „Es war die Wahrheit. Du musst dich deswegen nicht entschuldigen... Niemand wird mich je lieben können. Uruha konnte es nicht, deswegen ignoriert er mich. Wahrscheinlich denkt er, dass ein offener Bruch für uns beide besser wäre... Wahrscheinlich bin ich dazu bestimmt für immer allein zu bleiben.“ Es fällt mir schwer es auszusprechen, auch wenn ich diese Tatsache tief in meinem Herzen schon immer gewusst habe. Reita selbst hat gerade die Gründe genannt. Weil ich verbohrt, engstirnig und nachtragend bin. „Das ist nicht wahr. Du... bist begehrenswert. Die Leute wären ziemlich dumm, wenn sie dich nicht wollen würden.“ „Ach ja? Würdest du mich wollen? Du weißt, dass ich kaputt bin. Aber weißt du auch wie sehr? Nein, du magst mich noch nicht einmal als Freund. Du hasst mich und ich habe diese Gefühle gefördert. Du würdest dich ekeln, wenn du mich als Freund hättest. Wahrscheinlich findest du mich als Schwuchtel eh abstoßend. Ich selbst kann mich noch nicht einmal leiden...“ Meine Stimme bricht und ohne dass ich es bemerke, fange ich an meine alten Narben an den Armen wieder aufzukratzen. Schon seit Wochen habe ich mich nicht mehr geritzt. Aber jetzt, jetzt jucken die alten Wunden, als riefen sie mich an, neue hinzuzufügen. Und ich weiß, dass ich diesem Flehen früher oder später nachgeben werde, sosehr ich mich auch dagegen sträube. Ich habe den Blick gesenkt, wage es nicht Reita in die Augen zu sehen. Ich fürchte mich davor, welchen Ausdruck sie haben könnten. Es graut mir davor, dass es Hass sein könnte. Hass, den ich sogar verdienen würde. Es ist still geworden. Aber ich wage es nicht aufzusehen, um mich davon zu überzeugen, ob Reita immer noch da ist. Doch plötzlich fühle ich eine warme, weiche Hand, die vorsichtig meine Fingernägel von den Narben des linken Armes wegzieht und beinahe zärtlich den Ärmel darüber streicht. Mein Herz droht zu kollabieren, und doch kann ich nicht leugnen, dass Reitas Berührungen zweifellos angenehm sind. Ich halte den Atem an. Es kann nur noch Sekunden dauern, bis Reita mich deswegen anschreien wird. So wie es schon diverse andere Leute getan haben. Mutter. Nee-san. Uruha. Sie alle habe ich enttäuscht. „Nein. Ich finde dich nicht abstoßend.“ Reitas Stimme ist leise und ruhig. Hat er die Narben denn nicht gesehen? Ist er denn nicht wütend darüber, dass ich mir willentlich Schmerz zugefügt habe? „Ich... kann dich sogar.. sehr.. gut leiden. Vielleicht sogar mehr als du denkst. Ich... Aoi, ich... ich wollte dir sagen, dass ich dich-“ „Wollen Sie jetzt endlich noch was trinken, oder kann ich endlich die Rechnung bringen?!“ #+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+#+# Puh, wieder ein Kapitel geschafft xD So langsam komme ich in den Trott wieder rein glaube ich, denn ich war erstens schneller als letztes Mal und zweitens ist auch das Kapitel länger. Ich habe mir auch die ganze Geschichte noch einmal durchgelesen und dabei ist mir aufgefallen, dass ich die eigentliche Handlung dieser Story doch ein wenig aus den Augen verloren hatte. Ich hatte zum Beispiel völlig vergessen, warum Aoi wütend auf Reita war xD Den letzten Absatz hatte ich übrigens schon vor geraumer Zeit in meinem Webblog gepostet, weil ich den Dialog irgendwie im Kopf hatte und ihn nicht bloß nicht vergessen wollte ^^° Aber den meisten wird das wahrscheinlich eh nicht aufgefallen sein, auch wenn ich es interessant gefunden hätte zu wissen, was der/diejenige sich dabei gedacht hat. Und nur als kleine Randbemerkung: Von allen Charakteren ist mir mittlerweile Reita der liebste, denn er ist der menschlichste von allen. Auch wenn ich natürlich nicht leugnen kann, dass ich alle Personen auf ihre Art liebe, sogar Uruha oder Kai, die ja wohl die undankbarste Rolle erwischt haben xD Und wenn ich das so sagen darf, sie alle haben von ihrem Kernwesen her eine reale Person als Vorbild, nach deren Charakter ich sie teilweise forme. Legt diese Information aus, wie ihr wollt ^^ Allerdings würde es mir sehr interessieren, in welcher Beziehung ihr zu den Charakteren steht, welche euch die liebste ist, und mit welcher ihr undenkbar länger als fünf Minuten in einem Raum ausharren könntet. Also dann, wir lesen uns (wenn ihr wollt ^^°) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)