The New Shinobi von abgemeldet (Season One) ================================================================================ Kapitel 12: Hellsehen --------------------- „Es war ein Stück vom Himmel, dass es dich gibt.“ - Herbert Grönemeyer, „Der Weg Es war ein Frühsommertag im ersten Dienstjahr Senshus beim Fürsten von Mokugan, einem der mächtigsten Ninja in Kijukai. In kürzester Zeit hatte sie unerwartet viel gelernt, und der Fürst hatte bald auch ihre beste Freundin, die Studentin Mija, in seine Dienste genommen. Die beiden Mädchen saßen wie so manchen Abend gemeinsam auf der Dachterrasse des kleinen Fürstenpalastes und tranken Sake. Mija hatte den Tag in der Bibliothek verbracht und Senshu, die am frühen Nachmittag die Bonsais im Innenhof beschnitten hatte, führte das Wort. „...es war beeindruckend, wie er mit ihm gesprochen hat. Der Typ ist viel jünger als ich, aber er quatscht mit dem Meister, als sei er ein Gleichaltriger.“ „Er kennt ihn schon länger, oder?“ „Seit der neue Palast fertig ist. Er hat eine andere Art als wir... so offen. Er hat mich gleich an Raikumo erinnert.“ Senshu lächelte beim Gedanken an ihren jüngeren Bruder. Er befand sich zur Zeit in einem Kloster, weit entfernt von Mokugan. Sie vermisste die Tage ihrer Kindheit, in denen sie entweder mit ihrem älteren Bruder -, oder aber – was häufiger vorkam – mit Raikumo durch die Wälder gestreift war. „Er kommt alle paar Tage bei uns vorbei.“, meinte Senshu. „Letztens hat er eine Torte für den Meister gebracht und wäre dabei fast auf die Schnauze gefallen. Wir haben so viel gelacht... es ist wirklich wie mit Raikumo. Irgendwie hab’ ich das Gefühl, dass – obwohl wir uns eben erst kennen gelernt haben – wir gute Freunde werden. Vielleicht ist das familiäre, das dabei mitschwingt, aber einfach nur diese Ähnlichkeit.“ Mija nickte lächelnd. Sie wusste, dass Senshu wählerisch war, was Sympathiezuteilungen betraf. Und sie kannte die Ahnungen ihrer Freundin. „Bei Gelegenheit musst du ihn mir vorstellen. Wie heißt er?“ „Nemaru Endan.“, sagte eine ruhige Stimme hinter ihnen. Ein hoch gewachsener Mann mit grauem Haar trat auf die Terrasse und sah lächelnd, wie die beiden Mädchen überrascht aufstanden und sich vor ihm verneigten. „Es ist schon nach Feierabend, setzt euch ruhig wieder.“ Mija bot ihrem Meister Sake an, den er dankend akzeptierte. „Der Junge ist in einem Waisenhaus aufgewachsen.“, sagte er. „Er ist wirklich anders... Maneko, du bist ein Einzelkind, und Angiri... du weißt, die Vorsicht der Leute aus den nördlichen Wäldern habe ich immer geschätzt. Aber er ist so aufgeweckt, dass man ihn gern haben muss. Ich mag den Kleinen... und ich möchte, dass er von nun an auch für mich arbeitet. Er kocht ausgezeichnet.“ Die Mädchen sahen einander erstaunt an. Trotz seines Reichtums waren sie die einzigen Untergebenen ihres Fürsten – obwohl sie keine großartigen Spezialisten waren. Sie erledigten alles. Vom Putzen bis zum Einkauf, von Botengängen bis zur Vollstreckung fürstlicher Beschlüsse. Sie hatten mit Bauern und Händlern, Beamten und Ortsoberhäuptern zu tun, was sie für eine ausgezeichnete Schule hielten. Mühsam, aber abwechslungs- und lehrreich. Die beiden folgten dem Fürsten schließlich in sein Studierzimmer, wo er einen kurzen Blick auf ihre Ohrringe warf. Ohne ein Kommentar nickte er zufrieden, dann setzte er sich, während die Mädchen mit hinter dem Rücken ineinander gelegten Händen dastanden und warteten. Mija bemerkte, wie außerordentlich vorsichtig er einige Papiere vor sich hin- und hersortierte. Nun ja, er war alt. Sie hielt die von Zeit zu Zeit auftretende Steifheit seiner Finger für eine rheumatische Erscheinung. Der Fürst reichte ihnen schließlich drei kleine Schriftrollen. „Diese Formulare werdet ihr brauchen. Ich möchte, dass ihr Endan morgen bei seinem Arbeitgeber auslöst. Meldet ihn bei mir an und sorgt dafür, dass er das Siegel bekommt.“ Er reichte ihnen unbefangen einen Ohrring wie ihren. Wie so oft war Senshu von seinem scheinbar grenzenlosen Vertrauen ihnen gegenüber erstaunt. Noch ehe das Jahr zu Ende gegangen war, waren Nemaru und Senshu gute Freunde geworden. Mija, die damals noch das Studium bei einer Sprachmeisterin zu vollenden hatte, hatte bislang selten die Gelegenheit gehabt, Zeit mit den beiden zu verbringen. Nemaru war froh, jemanden gefunden zu haben, der verstand, was ihn bewegte. Er hatte als Neugeborener seine Mutter verloren, von einem Vater wusste er nichts, und seine Gefährten waren bislang nur gleichaltrige oder jüngere Kinder gewesen, die bei weitem nicht so waren wie Senshu, die ihn mit liebenswürdiger Schroffheit behandelte – wie einen Bruder vielleicht. Noch vor Anbruch des Winters, als bereits kalter Nebel die Wälder Kijukais durchzog, erfuhr Senshu vom tragischen Tod ihres geliebten Bruders Raikumo. Mija tat ihr möglichstes, ihre Freundin auf andere Gedanken zu bringen, und Nemaru bemerkte trotz der beherrschten Fassade Senshus, dass der Schmerz sie zu verzehren drohte. Sie schien sich nicht an ihre Eltern zu wenden, um Trost zu finden. Ihre Arbeit nahm ohnehin zu viel Zeit in Anspruch, und als Allzweckkraft ihres Fürsten lebte sie schließlich auch im Palast. Als sie dort eines Abends mit Nemaru beisammen saß, der sich an diesem Tag erboten hatte, ihr bei aufwendigen Arbeiten in den Gewächshäusern des Fürsten zu helfen, wurde ihr klar, wie tief die von ihr bereits erahnten Bande zwischen Nemaru und ihr wirklich reichten. Als er sich nach einer ganzen Weile, in der sie beide nur geschwiegen hatten, für diesen Tag verabschieden wollte, brachen endlich bittere Tränen aus ihr hervor, die ihm bisher so unnahbar erschienen war. Das war die Möglichkeit, auf die er gehofft hatte, um sie endlich trösten zu können. Er legte einen Arm um sie und drückte sie an sich, dabei war ihm selbst beinahe zum Weinen zumute. Wie groß musste der Schmerz sein, den dieses sonst so beherrschte Mädchen zu tragen hatte, dass er erst jetzt nach außen dringen konnte, mehr als einen Monat nach Raikumos Tod. „Ich weiß...“, hatte er gesagt, als sie schluchzend den Kopf an seiner Schulter barg. Und obwohl ihr Schmerz so anstreckend war, war er gleichzeitig froh. Sie so nah bei sich zu haben, war ein klein wenig so, als käme man nach langer Zeit endlich nach Hause. Doch für junge Menschen gibt es nach jeder Heimkehr wieder einen Aufbruch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)