Voracious von abgemeldet (- du kriegst wohl nie genug -) ================================================================================ Kapitel 9: ----------- 9. Kapitel Die nächsten Tage verliefen in gewohnter Beschaulichkeit – Aufnahmen für ein neues Werk der Band, an dem alle fünf Mitgliedern ehrgeizig und emsig arbeiteten und somit kaum Zeit für Zärtlichkeiten oder Ähnliches blieb – eine gelungene Möglichkeit für Tomoyuki Abstand zu halten. Kein Tag verging an dem er nicht über die Geschehnisse nachdachte – auch über Tooru und den Wirrwarr seiner Gedanken, die ihm seit dem Vorfall Steine in den Weg warfen. Ihre Zukunft schien ungewiss und der Bassist wusste nur zu gut was er angerichtet hatte. Betrug war etwas, was niemals ungestraft oder ohne Folgen blieb. Tooru war kein Unmensch doch für dieses Vergehen würde er eine sicherlich nicht milde Strafe aussuchen. Zunächst aber hatte er doch mit Tooru gesprochen, hatte ihn deutlich gemacht, dass er für die nächsten Tage Zeit brauchte – um sich selbst, seine Gefühle und sein Leben zu ordnen – oder um zu beschließen, was er eigentlich wollte. Leugnen konnte er nicht, dass der Drummer ihm weitaus mehr bedeutete, als er sich eingestehen wollte – doch Liebe? Handelte es sich dabei wirklich um ein derart inniges Gefühl, welches keinerlei Regeln unterworfen und den puren Emotionen erlegen war? Gab es so was tatsächlich noch einmal in seinem Leben? Meisterlich schaffte er es auch an diesem Tage wieder einmal sich in selbst geschaffene Probleme hinein zu manövrieren, doch seine irren Denkweisen ließen nichts anderes zu. Nur zu gut besann er sich auf seine düstere Vergangenheit, die er schon längst weggeschlossen geglaubt hatte. Bisher hatte er die unwirkliche Entwicklung seines Liebeslebens als einen dummen Zufall angesehen, nur wurde ihm allmählich viel zu deutlich bewusst, dass nicht Tooru der Auslöser für das Chaos in seinem Leben war. Die Erfahrungen brachen wie ein gigantischer Wasserfall über ihn herein, zogen ihn in einen Strudel aus irrealen Gedanken, die er weder ordnen noch verstehen konnte. Nichts um Tomoyuki herum schien noch von Bedeutung zu sein und er verlor sich in seinem Selbstmitleid und der endgültigen Hoffnungslosigkeit all seine Probleme auf die richtigen Bahnen zu lenken. Der schlanke Bassist hatte sich in eine Ecke zurückgezogen, in der er bis zu diesem Zeitpunkt unbesucht geblieben war. In seinem Kopf kreisten die Denkströme einzig um dieses Thema, verschafften ihm unbeschreiblich starke Kopfschmerzen, die er einfach nicht mehr von sich weisen konnte. Der Grund für die Flucht in ein neues Leben, welches er so glorreich vorgaukelte und es mittlerweile niemanden mehr gab, der an ihm und seinem aufreißerischem Wesen zweifelte, war einzig in seiner Vergangenheit zu suchen, die in ihrer Wirkung wohl nie wirklich abgeklungen war. Zeitweise hatte er sich dieses nahezu perfekte Leben sogar selbst abgenommen und es erschütterte selbst ihn wie gut er andere Menschen belügen konnte. War Tomoyuki denn wirklich nur ein guter Schauspieler, der sich selbst über Jahre hinweg eine falsche Persönlichkeit vorheucheln konnte? Gedankenverloren spielte er an einer Kette herum, ließ die Finger über das kühle Material gleiten und überdachte die Situation, in die er sich hinein geleitet hatte. Ein Netz aus Lügen kristallisierte sich heraus, in dem er sich lange Zeit sehr wohl gefühlt hatte und er verstand, dass selbst sein Leben einer stetigen Veränderung unterworfen war und seine sonst so harte Schale etwas ganz zartes und zerbrechliches hütete – auch wenn Tomoyuki kaum glauben konnte, dass es dieses „Ding“ wirklich gab. Die Fassade wollte lediglich immer mehr brechen, der Boden unter seinen Füßen gab nach und schien ihn verschlingen zu wollen und das finstere Loch seiner Verdammnis wollte einfach kein Ende nehmen. Regelrecht panisch schüttelte er den Gedanken daran ab – das Chaos dieser Rückblende sollte nicht wieder neu aufleben – ein Grund mehr warum Tooru davon nichts erfahren sollte. Er wollte nicht wie ein verängstigtes Kind behandelt werden – und er traute es dem Drummer vollkommen zu , dass er ihm eine Szene machen würde. Dennoch aber war Tomoyuki vollkommen hin und her gerissen – Tooru ganz von sich zu schieben war nicht die Lösung, die er anstreben wollte – nicht mehr, auch wenn er das am Anfang noch gewollt hatte. Abgesehen von dem Fehltritt mit Jui stand nichts zwischen ihnen – bisher war ihm die Beziehung doch recht angenehm aufgefallen. Dass sich in ihm etwas verzweifelt wehrte, konnte er kaum verstehen – glücklich sein, ein Gedanke der ihn auf merkwürdige Art erschaudern ließ. Toorus Gesicht erschien vor ihm, sein zartes Lächeln und die Art wie er ihn behandelte. Eine gewisse Leichtigkeit umgab den Jüngeren – egal was er tat, immer wirkte er unbeschwert – wie lange Tomoyuki diesen Zustand allerdings noch aufrechterhalten konnte war ungewiss. Lag die Lösung vielleicht genau vor ihm? Sollte er sich einfach fallen lassen und sich dem Drummer hingeben? War das sein persönliches Endziel? Die Wahrheit über den Ausrutscher der vergangenen Tage konnte er nicht verschweigen und ihm wurde schmerzhaft bewusst, wie wichtig ihm Tooru eigentlich war. Hatte Tomoyuki sich getäuscht? War Tooru vielleicht viel mehr als nur ein Gefährte, der ihn für eine begrenzte Dauer begleitete? War er vielleicht derjenige, dem er sich vollkommen anvertrauen konnte? Dieser Gedanke beschäftigte ihn deutlicher als er es anfangs geahnt hatte. Ein Seufzer stahl sich durch die vollen Lippen. Langsam ließ Tomoyuki den Kopf in den Nacken wandern – schloss dabei die Augen in gewohnter Ruhe. Er kam zu keinem vernünftigen Schluss – außer dass er alles beichten und hoffen sollte, dass der Drummer ihn nicht gänzlich aus seinem Leben verbannen würde. Die leisen Schritte, die eine Person an ihm vorüber trugen und plötzlich stoppten, realisierte er dabei kaum – erst seine Stimme ließ Tomoyuki aus der Trance erwachen. „Tomoyuki?“ Toorus Augen weiteten sich in Neugier als er seinen Bandkollegen in so nachdenklicher Pose vorfand, bei welcher er zuvor niemals Zeuge geworden war. Langsam richtete der Bassist sich auf und strich sich ein paar der wirren, brünetten Strähnen aus der Stirn, um sein Gegenüber anschließen eingehend zu mustern. In Toorus Kopf kreisten die Gedanken stetig umher und er war ihm nicht entgangen, wie still es um den Bassisten geworden war. Wachsam achtete er auf das, was Tomoyuki tat – oder viel mehr nicht tat. Seltsam ruhig war es um ihn herum geworden und Tooru konnte sich gerade zu denken, dass etwas passiert sein musste – auch wenn er den tatsächlichen Ursprung gänzlich ausschloss. „So alleine?“, fragte die sanfte Stimme den Größeren, der den Blick noch immer auf ihn gerichtet hielt. „Scheint so“, erwiderte Tomoyuki nur und erhoffte sich ein baldiges Verschwinden des Anderen, nur ging dieser schon auf ihn zu und näherte sich ihm vorsichtig an. Es schien nicht von Nachteilen belastet zu sein so mit ihm umzugehen, denn Tomoyukis Ansicht gegenüber körperlicher Nähe war in letzter Zeit eine ganz Andere. Tooru ließ sich neben ihm nieder, hielt aber einen gewissen Abstand zu ihm – schließlich hatte Tomoyuki diesen auch eingefordert. Der Bassist konnte sich wahrscheinlich nicht einmal ansatzweise vorstellen wie neugierig er Tooru mit seinem Verhalten machte und der Abstand, den er halten musste ihm nicht wirklich angenehm war. Tomoyuki distanzierte sich – das sah wohl selbst ein Blinder. Allerdings war Tooru nicht bereit dazu ihn so einfach aufzugeben – geschweige dem ihn mit diesen kargen Worten davon kommen zu lassen. Er wartete ab – sprach keine einzige Silbe aus. Nicht einmal ihre Blicke begegneten sich, keine Berührungen, die sie sonst für so sinnliche Momente miteinander verband. „Schweig dich ruhig aus – irgendwann musst du doch den Mund auf machen.“ Tomoyuki horchte auf und sein Augenmerk wanderte zu dem Kleineren. Ihre Blicke trafen sich und dem Bassisten wurde durchaus bewusst, dass er Tooru unterschätzt hatte. Er war weder naiv noch dumm genug zu glauben, dass alles in bester Ordnung sei oder sein Problem die Veränderung durch eine Beziehung war. Ein weiterer Seufzer entkam dem Bassisten und ein verschnitztes Lächeln umgarnte seine vollen Lippen. „Du hast recht“, gab er es zu und schaute ihn aus sanften, dunklen Augen heraus an – ein Zeichen für Tooru, dass er sich ihm vielleicht doch nähern durfte. „Darf ich?“, versicherte Tooru sich dennoch, bekam als Antwort ein leises, zustimmendes Summen. Mit beobachtender Leichtigkeit näherte er sich Tomoyuki und schob die Hände um ihn, bis er ihn vollkommen eingefangen und in eine Umarmung geschlossen hatte. Erschreckend wurde dem Größeren bewusst, dass er Toorus Anwesenheit sehr wohl genoss und er hinterfragte tatsächlich, was ihn zu Jui getrieben hatte. „Es tut mir leid…“, flüsterte er dem groß gewachsenen Bassisten zu, hielt seine Stimme dabei regelrecht unterwürfig – in der Hoffung ihn nach Möglichkeit nicht wieder zur Raserei zur treiben. Er konnte nicht erahnen, dass die Entschuldigung über ihre Streitereien nicht im Geringsten von Bedeutung war und Tomoyuki brauchte einen Moment bis er etwas mit den Worten anfangen könnte. Tooru machte sich selbst dafür verantwortlich und schien die Schuld bei sich zu suchen, dass Tomoyuki so still und abweisend geworden war. Nur brachte Tomoyuki nicht ein einziges Wort über die vollen Lippen, zupfte mit den Zähnen nervös an dem silbernen Ring in seiner Unterlippe. Er war es, der sich zu entschuldigen hatte – und nicht Tooru. Doch wie sollte er ihm genau diesen Punkt möglichst schonend beibringend? „Schon gut…“, meinte er endlich und legte müde einen Arm um den Körper des Drummers, pfählte sein Herz dabei aber selbst mit einem viel zu großem Pflock. Toorus dunkle Augen richteten sich auf ihn, funkelten in gewohnter Zuneigung – und genau das steigerte Tomoyukis Schuldgefühle ins Unermessliche. Genau in dem Moment näherte Tooru sich ihm sachte an, wollte ihn küssen und die Auseinandersetzung vergessen – Tomoyuki aber dreht den Kopf weg. „Ich hatte Sex mit Jui – letzte Woche“, gestand er und spürte wie sich die Schlinge um seinen Hals für einen kurzen Atemzug lockerte – die Gewissheit besaß er dennoch schmerzlich genau, dass genau diese ihn sein Weiterleben kosten könnte. Verwirrung blitzte in Toorus Augen auf, eine argwöhnische Musterung, als wüsste er nicht, ob er dem Geständnis Glauben schenken sollte oder es sich nur um einen schlechten Scherz handelte oder er sich gar verhört hatte. „Du hast was?“, brach es schließlich aus Tooru heraus und in seiner Stimme klang der Unmut förmlich mit. Hektisch löste er sich von dem Anderen, als sei er in den letzten Minuten ein vollkommen anderer Mensch geworden, den er weder kannte oder kennen lernen wollte. Tomoyuki setzte sich ebenfalls auf, senkte widerwillig den Blick, als sei es ihm unangenehm darüber zu sprechen – was sonst ganz und gar nicht der Fall war und es fast schon aufgesetzt wirkte. „Tomoyuki!“ Befehlend herrschte der Drummer ihn an und als der Andere tatsächlich den Kopf hob und ihn zögernd ansah, schickte sich ein eisiger Schauer über seinen Rücken. Der sonst so sanfte Ausdruck war einem durchdringendem Blick gewichen. Auf seiner Stirn zeichneten sich boshafte Falten ab und die Brauen waren scharf zueinander gezogen. Ein dumpfes Glühen schimmerte in den dunklen Augen. Eine derart knisternde Stimmung hatte Tomoyuki in dieser Art noch nie wahrgenommen. „Du… Du kannst es nicht lassen!“ Tooru war kurz davor ihm an die Gurgel zu gehen. Vor seinem inneren Auge baute sich ganz deutlich eine Vorstellung zusammen, die er niemals sehen wollte. Tomoyuki mit einem anderen. Juis schlanker Körper, wie er sich an Tomoyuki schmiegte und ihn zu sich heran lockte. Verheißungsvolle Blicke, die keinem anderen gehören sollten und dem bandfremden Sänger jedoch zuteil geworden waren. Tooru wusste nicht ob er wütend, verzweifelt oder traurig sein sollte – wahrscheinlich war es ein Cocktail aus eben diesen Punkten, die gerade seine Gefühlswelt bestimmten. Wie nur hatte er ernsthaft glauben können, dass Tomoyuki ausgerechnet ihm treu sein sollte?! Wenn er es selbst nicht zu spüren bekommen hätte wäre er nie auf die Idee gekommen, dass ihm sein Leben derartige Streiche spielen würde. „Es tut mir leid…“, bat eine ehrliche, wenn auch leise Stimme, doch dafür hatte Tooru seinen Sinn gerade verloren und war auch nicht dazu bereit sich auf Mitleid oder Vergebung zu konzentrieren. „Es tut dir leid?“ Am liebsten hätte Tooru ihm ins Gesicht gespuckt, ihn gewürgt und geschüttelt bis er sich für seine Taten mehr als nur schämen oder sie bereuen würde! „Und ich habe ernsthaft geglaubt…“ Die Stimme brach Tooru weg – auch wenn dies eher ein Zeugnis seiner grenzenlosen Wut war. In seinem Kopf drehten sich die Emotionen einem Karussell ähnlich – nach seiner Annahme war Tomoyuki auf dem besten Weg gewesen etwas wie Liebe zu empfinden – doch da hatte er sich wohl mehr als nur gewaltig geirrt. „Wieso tust du das?“ Allmählich konnte er die sich anstauende Verzweiflung nicht mehr im Zaum halten – und im Verbergen seiner Gefühle war er noch nie wirklich gut gewesen. Er würde sich nicht vor ihm niederwerfen und wie ein hysterisches Kind in Tränen ausbrechen – doch er wusste welche Konsequenzen er daraus zu ziehen hatte. „Macht es Spaß auf Gefühlen herumzutreten?“, fragte Tooru leise und wusste dabei genau wie zerbrechlich er wirken musste und er hatte Mühe keine Szenarien zu entwickeln, die Tomoyuki vollkommen abschrecken würden. Er verstand in dem Moment genau was Wataru gefühlt hatte, als er der Betrogene gewesen war und dem Chaos in seinem Herzen freien Lauf gelassen hatte. „Tooru – mir ist klar, dass das falsch war und es tut mir ehrlich leid.“ „Das ist schön für dich“, erklärte Tooru mit merkwürdiger Ruhe in der Stimme und genau zu diesem Zeitpunkt erkannte er deutlicher als alles andere was er zutun hatte. Er würde nicht aufgeben – genauso wenig sofort verzeihen – dafür hatte Tomoyuki seinen Stolz zu sehr gekränkt – und eben diese Rolle hatte er zu spielen, wenn er Tomoyuki vollkommen für sich gewinnen wollte. Tooru erkannte, dass Tomoyuki sich selbst einen wunden Punkt geschaffen hatte – denn er bereute und daraus auch kein Hehl machte. Seine Vorstellung, wie er den Bassisten mit seinen eigenen Waffen schlagen konnte, war durchaus riskant – allerdings war Tooru gewillt diesen Schritt zu wagen. Tomoyuki würde schon noch erfahren was er mit seiner Tat falsch gemacht hatte – vielleicht schaffte er es ja so an dieses dubiose Geheimnis heran zu kommen und Tomoyuki soweit gefügt zu machen, das er ihm wirklich die Treue halten würde. Tomoyuki fühlte sich allerdings gerade deutlich unwohl – zum ersten Mal konnte er mit dem Stillschweigen absolut nichts anfangen und erwartete regelrecht, dass es aus dem Kleineren heraussprudelte. Er nahm unentwegt an, dass Tooru ihm verzeihen würde – so besann er sich doch noch sehr gut darauf, wie er ihm seine Liebe bedeutend gemacht hatte – er würde ihn doch nicht wirklich mit Gleichgültigkeit strafen, oder? Genau das Gegenteil wurde Tomoyuki bewusst als Tooru sich erhob und ihm einen missachtenden Blick zuwarf. „Wie du willst – ich kann dich nicht zwingen“, erklärte er ruhig und hatte seine Fassung wieder zurück – so leicht würde er Tomoyuki nicht gewinnen lassen. „Und was heißt das jetzt?“ „Wonach sieht es denn aus?“ Eine ungewohnte Härte lag in Toorus Stimme, die so gar nicht zu ihm passen wollte. „Glaubst du ernsthaft, dass mir das egal ist? Wir sind zusammen – falls du das vergessen haben solltest! Wenn ich dir schon nicht reiche, dann sei so ehrlich und beende es oder mach mir keine Hoffnungen!“ Tooru erkläre geradezu gelassen wie er seinen Standpunkt sah, schob dabei seinen Schmerz, den er sehr wohl empfand von sich weg. „Tooru, du verstehst mich nicht…“ „Ich verstehe dich sehr wohl“, fiel der Drummer ihm ins Wort. Er würde es nicht zulassen, dass Tomoyuki auch nur die Gelegenheit bekam, ihn wieder so leichtfertig um den Finger zu wickeln – denn die Fähigkeit dazu besaß er und Tooru war bewusst, wie wenig er sich ihm gegenüber wehren konnte. „Komm erst mal klar – so will ich keine Beziehung mit dir.“ Tomoyuki klappte die Kinnlade herunter und eine verräterische Blässe legte sich auf sein Gesicht. Er begriff, wie ernst es Tooru war und dass er schleunigst etwas unternehmen musste, wenn er den Jüngeren nicht vollkommen verlieren wollte. Widerwillen eroberte ihn, sein Stolz, den er einfach nicht über Bord werfen konnte – auf der anderen Seite sein bestehendes Verlangen sich Tooru hinzugeben und einfach zuzulassen, was er sich insgeheim wünschte. „Moment!“ Gerade als Tooru sich umdrehen und gehen wollte, hielt ihn eine Hand zurück, die sich fast panisch um sein Handgelenk schloss, doch als er sich umwand stellte er einen ganz anderen Ausdruck in Tomoyukis Augen fest – Zorn. „Glaubst du wirklich, dass du mich über Wochen und Monate mit deiner Anhänglichkeit quälen kannst und dann so leicht aus der Nummer heraus kommst?“ Toorus ohnehin schon große Augen weiteten sich merklich, bis er seine Hand befreite und Tomoyuki abschüttelte. „Es liegt doch nicht an mir! Ich bin nicht bereit, damit leben zu müssen ständig von dir betrogen zu werden. Also entscheide dich endlich!“ Mir diesen Worten war es wieder einmal der Drummer, der den Anderen stehen ließ und eher flüchtete, als sich an ihm zu rächen. Er wollte Tomoyuki endlich für sich allein haben und es schmerzte ihn, dass er ihm die Treue nicht halten konnte. Vielleicht war es wirklich an der Zeit etwas nachzuhelfen – und ein guter Anfang war gelegt. Tomoyuki würde schon noch früh genug erkennen was er wirklich wollte. Es war also nur eine Frage der Zeit und der nötigen Hilfsmittel, bis sie einander vollkommen vertrauen konnten… ~~~~~***~~~~~ „Und was machst du?“ „Das weiß ich noch nicht. Aber sicherlich nicht aufhören.“ Sachte streichelte ein Lächeln über Rikus Lippen, wobei sich die silbernen Piercings ein wenig zu den Mundwinkeln neigten. Seltsamerweise sah er trotz der dunklen Sonnenbrille und dem herben Schmuck an den Lippen unglaublich sanftmütig aus – und genauso schien er zu sein. Es war das erste Mal nach der Trennung – aber Wataru traf sich wieder mit anderen Männern. Dass es sich dabei ausgerechnet um den hübschen Sänger der Band Phantasmagoria handelte, störte ihn dabei aber keines Wegs. Eigentlich war es eher unverbindlich – kein Date oder ähnliche Dinge, bei denen er sich Chancen ausrechnete, doch es tat gut wieder so frei zu sein und das Leben in vollen Zügen zu genießen. Viele Tage hatte er damit verbracht über die letzten Gespräche zu philosophieren, sich seine eigenen Fehler einzugestehen um schlussendlich zu begreifen, dass er sehr wohl auch allein zu recht kam. Tooru hatte ihn verletzt – viel mehr noch. Die Verzweiflung hatte ihn fast um den Verstand gebracht und es war ihm nicht nur einmal in den Sinn gekommen sich aufzugeben. Ihm war aber genauso schnell bewusst geworden, dass Liebeskummer etwas Vergängliches war und er das Schlimmste wohl schon sehr gut überstanden hatte. Und jetzt? Jetzt saß er einem ganz anderen gegenüber und empfand seine Anwesenheit als sehr angenehm. Ein derart ungezwungenes Treffen lockerte Watarus Stimmung weiter auf, denn der üble Nebengeschmack eines Pärchens in seinem unmittelbaren Umfeld war längst nicht verflogen. Immer wieder erinnerte er sich dann an seine Zeit mit Tooru zurück – auch wenn ihm das schon längst nicht mehr als so schmerzhaft erschien. Selbst wenn er es versuchen würde ihn zu vergessen – abstreiten konnte er es nicht, dass Tooru seine erste große Liebe gewesen war. „Und bei euch?“, riss Rikus melodische Stimme ihn aus den Gedanken. Die dunklen Augen waren direkt auf ihn gerichtet – selbst die Sonnenbrille konnte das dunkle Braun seiner Iriden nicht verschleiern. „Wir nehmen zurzeit auf… Die Verhältnisse sind etwas… gespannt - möchte man meinen.“ Neugierig und mit einem gewissen fragenden Ausdruck blicke Riku ihn an. „Wie meinst du das?“ Doch Wataru winkte schon ab. „Das Übliche eben – Beziehungskram…“ Damit wollte er es eigentlich auch schon belassen – für weitere Ausführungen war er einfach noch nicht bereit. „Hör mir auf…“ Riku schüttelte unentwegt den Kopf – genau von derartigen Problemen konnte auch er ein Lied singen – wenn man es genau betrachtete tat er dies von Zeit zu Zeit auch. „Beziehungen sind Gift für eine Band – das hab ich bei uns erst erleben müssen. Hätten Jun und Iori sich im Griff, hätten wir vielleicht nicht aufhören müssen.“ „Das war der Auslöser?“ Etwas ungläubig zog Wataru die Brauen in die Höhe. „Teilweise“, meinte der andere Sänger und lehnte sich zurück. Die Hände verschwanden in die Taschen an seiner Hose – für den Augenblick schien er zu überlegen, ob er Wataru einweihen sollte. „Du kennst das ja… Die üblichen Probleme, die Paare gern mal haben – dann mischt sich ein anderer ein und schon ist das Chaos perfekt.“ Er schüttelte den Kopf und entbehrte einen langgezogenen Seufzer. „Sind die beiden noch zusammen?“, wollte Wataru eher ganz nebenbei wissen und wäre über jeder Art der Beantwortung wohl nicht wirklich beeindruckt gewesen. „Jun und Iori?“, fragte Riku und riss die Augen auf. „Die würden sich auf der Straße nicht einmal Hallo sagen!“ Für ihn war es unwahrscheinlich seltsam gewesen als er erkannt hatte wie die beiden sich aus dem Weg gingen. Trotz das sie für so lange Zeit Freunde und anschließend ein Paar gewesen waren. Mitansehen zu müssen, wie ausgerechnet diese beiden Menschen sich so missachteten, stellte für ihn ein sehr unrealistisches Bild dar. „Ist das eigentlich normal das Bandmitglieder wegen Gefühlen verrückt spielen?“, wollte Wataru wissen, denn in seiner Band lief es nicht wesentlich anders – er selbst war das beste Beispiel für völlig Kopfloses Verhalten. „Anscheinend.“ Hell lachte der Ältere der beiden. „Jedenfalls… Hätte ich lieber eine Band mit heterosexuellen Mitgliedern. Von dem ganzen Gesäusel wird mir irgendwann noch schlecht“, meinte Riku mit einem müden Lächeln, „Da kannst du nach dem derzeitigen Stand wohl lange suchen. So was ist in den Kreisen doch sehr selten geworden – vor allem bei UnderCode“ Mit einem Seufzer bestätigte Riku die Worte, die sein gegenüber gerade gesprochen hatte. „Du wirst Recht haben…“ Eine bedrückende Stille breitete sich aus und Wataru spürte wie ihn die Nervosität heimsuchte. „Und du? Single?“, fragte er mehr oder weniger aus dem Grund um das Gespräch am Leben zu erhalten, auch wenn er das Thema lieber ruhen lassen wollte. Sie kannten einander eigentlich nicht gut genug um mehr oder weniger intime Gespräche zu führen. „Sicherlich – wenn du es fragst“, schmunzelte Riku und gab einen Impuls für etwas vollkommen Neues. Interessiert blickte der andere Sänger ihn an. „Soso… und wenn es ein anderer fragt?“ „Dann kommt es auf diesen dubiosen anderen an.“ Wataru verstand nicht warum Riku das Gespräch so umleitete – doch es gefiel ihm. Er lehnte sich etwas zurück und musterte den anderen Sänger eingehend. Es war seltsam das ihr Gespräch sie zu diesem Thema geführt hatte – anscheinend verfolgte es Wataru geradezu auf dem Fuß. Trotz allem aber verbrachten sie einen ganz gewöhnlichen Nachmittag miteinander, bis sich ihre Wege dann doch wieder trennten – doch Wataru war sicher, dass dies nicht das letzte Treffen gewesen sein würde… tbc. Hosted by Animexx e.V. 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