Jura Tripper 1 1/2 over von abgemeldet (~I'll find my day, maybe far and away... far and away~) ================================================================================ Kapitel 3: VII. Ein Eis war der Anstoß * VIII. Kleiderfragen * IX. Heute, morgen, dies und das ---------------------------------------------------------------------------------------------- VII. EIN EIS WAR DER ANSTOß * VIII. KLEIDERFRAGEN * IX. HEUTE, MORGEN, DIES UND DAS VII. Ein Eis war der Anstoß Der Blonde trat aufs Gas. Das Fahrzeug wackelte, dass ihnen Hören und Sehen verging. "Aaaah!" schrie es in der einen und "Oooh!" in der nächsten Kurve, ohne dass sie die Verfolger los wurden. Die seltsamen Gestalten - Menschen, vermutete Liam - auf ihren urzeitlichen Reittieren ließen sich einfach nicht abschütteln. Was sie von den Fremden wollten, war den vier Kindern schleierhaft, aber was immer es auch war, die Reiter verfolgten es mit großer Hartnäckigkeit. Die Federung der Räder drohte beinahe nachzugeben, es quietschte und krachte, während das rote Amphibienfahrzeug über den unebenen Untergrund polterte. Neesan hielt beide Hände schützend über dem Kopf. Er hasste es, wenn ein Auto so schnell fuhr. Nur manchmal sah er verstohlen aus dem Fenster, in die Landschaft, die an ihnen vorüber flitzte, und dann doch schnell wieder weg, wenn er die wohlbekannte Übelkeit in sich aufsteigen fühlte. "God, du fährst zu schnell!" rief hektisch President, dem das Tempo genauso wenig angenehm zu sein schien. "Mach doch langsamer!" "Nein," widersprach der Blonde gereizt, "wir - " Das Wort wurde ihm abgeschnitten, als ein plötzlicher Ruck durch das gesamte Fahrzeug ging, der die Insassen übereinander purzeln ließ. Und dann ging gar nichts mehr, obwohl der Motor sich aufzubäumen schien. "Verdammt!! Wir stecken fest!" Bei dem irrsinnigen Tempo war das Fahrzeug mit dem linken Vorder- und Hinterrad in einer Erdspalte stecken geblieben, ohne eine Möglichkeit, dort jemals allein wieder heraus zu kommen. "Seht ihr nun, dass es keine gute Idee war, mit den Spinnern mitzufahren?" murrte Sive, während sie sich mühsam aufrappelte. "Halt die Klappe." empfahl Sheerla ihr. "Draußen wär's uns auch nicht besser gegangen. Hier gibt's wenigstens was zu essen." Zumindest vermutete Neesans Schwester das, während sie neugierig umher spähte, in der hungrigen Hoffnung, einen Kühlschrank zu entdecken. Vorausgesetzt, die Flohmarkt-Uniformler hatten so was. Ob sie es hatten oder nicht, im Moment schienen ihre Mitfahrer ganz Anderes im Kopf zu haben. Der lebensmüde Blonde, wie Sive ihn einstufte, war zum Dachfenster des Fahrzeugs geklettert und plante offensichtlich, es allein mit der gesamten Armee aufzunehmen. Zumindest hatte der Zans-Typ (wer immer Zans auch sein mochte, während der Eilflucht ins Auto hatte er nach ihm gerufen), neben dem sie hockte, ihre Verfolger als Soldaten bezeichnet. Weiter vorn im Auto debattierten die Ältesten fieberhaft, aber anscheinend ohne ein befriedigendes Ergebnis, während der Ring der Verfolger sich immer enger um das manövrierunfähige Fahrzeug schloss. "He, du! Was wollen die von euch?" fragte Sive den Typ, der neben ihr saß. "Sie wollen - Zans!" stieß der Junge hervor. Unglücklich sah er zum Fenster hinaus. "Und wer ist Zans?" "Zans ist... nicht hier." murmelte er, die Arme um die Knie geschlungen. "Ich wollte ihn noch suchen, aber God hat mich nicht gelassen. Er ist wohl froh, dass wir ihn los sind." "Das ist ja sehr traurig, aber eigentlich wollte ich wissen, WER er ist..." meinte Sive mehr zu sich. Ihr Nachbar schien sie auch gar nicht gehört zu haben, denn er überlegte mutlos: "Wie's ihm wohl geht?" "Du, Liam!" Sive zupfte ihn am Ärmel, das heißt, sie hätte es getan, hätte er ein T-Shirt angehabt. "Die Typen sind offenbar hinter einem gewissen..." "...Zans her, ja, ich weiß, wir alle haben Ohren!" unterbrach Sheerla und hielt Sive kurzerhand den Mund zu. "Macht doch was!" rief sie in den Raum, "Die durchlöchern euch sonst das Fahrzeug, Mann!" "Ja... aber..." meinte ratlos Princess, während sie erfolglos versuchte, das kleine, blonde Mädchen zu beruhigen, das lautstark jammerte. "Du, Sheerla..." begann Neesan, und er wollte gerade anfangen, seiner Schwester zu erzählen, wie unwohl er sich fühlte, als auf einmal vorn im Cockpit ein Geräusch zu hören war. Es klang wie das Knistern eines sehr, sehr alten Funkgerätes, und plötzlich erklang eine Stimme: "President, hörst du mich..." Den Rest verstanden sie nicht mehr, da sofort Krach ausbrach. "Ja... ja, die Winde!" rief President erleichtert ins Funkgerät, im Bemühen, sich verständlich zu machen und die anderen zu übertönen. Schnell drückte er einen bestimmten Knopf, woraufhin sich vorn eine Luke öffnete, aus der ein Haken heraus schoss. Er flog über die Köpfe der verdutzten Soldaten hinweg und blieb einige Meter entfernt im Gras liegen. "Na toll," schnaubte Sive, "und was soll uns das jetzt nützen? Gar nichts!" "Doch, Sive! Da... da ist einer...!" Liam hatte recht. Ein etwas dicklicher Junge kam aus dem Gebüsch geflitzt, nahm flink den Haken auf und befestigte ihn an einem Baum. Vorn im Cockpit setzte President die Winde in Bewegung, und das Fahrzeug begann sich langsam aber sicher aus dem Spalt heraus zu arbeiten. "Puh!" atmeten alle erleichtert auf. Doch es war noch nicht vorbei. Die Soldaten, die sahen, was vor sich ging, machten Anstalten, das Seil durchzuschneiden, als plötzlich die gesamte Erde zu beben begann. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgten die Insassen, wie auf einer Hügelkuppe eine riesige Herde Dinosaurier auftauchte. Eine Staubwolke hüllte die Tiere ein, die zielstrebig in ihre Richtung preschten, sich dann aufspalteten und das Tal zu überfluten schienen. Liam glaubte, auf einigen Reiter zu erkennen, aber sicher war er sich nicht. Die Soldaten, die offensichtlich nicht sonderlich scharf darauf waren, zertrampelt zu werden, verständigten sich hektisch im aufbrausenden Lärm. Einer, der die anderen zu befehligen schien, gab ein Signal, woraufhin die Armee eiligst den Rückzug antrat. Das Fahrzeug war nun aus der Spalte befreit. President trat aufs Gaspedal, während die Verfolger in den Wäldern verschwanden. So schnell wie sie gekommen war, verschwand die urzeitliche Stampede wieder, noch immer von den beeindruckten Blicken der Kinder verfolgt. Ein einzelnes Tier löste sich von der Herde, während der Reiter - Liam hatte richtig gesehen - es an die Seite des Fahrzeugs lenkte, wo es das Tempo verlangsamte und geduldig nebenher trabte. "Hey!" Grinsend hielt der dunkelhaarige Junge auf seinem Rücken den Daumen hoch, gab dem Tier die Flanke und reihte sich an die Seite einer weiteren Reiterin. Während Sive, Liam, Neesan und Sheerla das neugierig beobachtet hatten, war vorn die Tür geöffnet worden und der Dicke und ein anderes Mädchen stiegen zu. "Tiger! Tank! Bin ich froh, euch zu sehen!" begrüßte President atemlos die Zugestiegenen. "Das war ganz schön knapp." "Ja, es war knapp, aber hiermit hätten wir sie erstmal abgehängt." entgegnete fröhlich das Mädchen, das President ?Tiger' genannt hatte. "Eine fremde Schönheit hat uns geholfen." "Fremde? Wo?" fragte President und blickte suchend aus dem Fenster, wo er die Reiterin erspähte. "Aaaaah!" Unerwartet stahl sich ein beglückter Ausdruck auf sein Gesicht, der jedoch von den anderen kaum registriert wurde. Die waren nämlich inzwischen in den hinteren Teil des Fahrzeugs gegangen wo sie überrascht Liam, Neesan, Sheerla und Sive erblickten. "Wer ist das?" entfuhr es Tank. "Tarzan und Jane im Doppelpack??" Er schlug sich an die Stirn und sah verwirrt in die Runde. Die Blauhaarige trat vor. "Wir haben sie gefunden, während ihr auf dem Berg wart. Tank, Tiger, das sind...." Sie runzelte die Stirn, sah die Kinder an. "Ja... äh... wie waren eure Namen doch gleich?" "Was sind wir doch für unhöfliche Gastgeber!" mischte sich Princess ein. "Wisst ihr was, wir holen jetzt Boss rein und dann stellen wir uns erst einmal vor." "Könnten wir.... vielleicht auch etwas zu essen bekommen?" fragte Liam leicht verlegen, während Sheerla, Neesan und Sive eifrig nickten. "Oh!" Princess schlug die Hand vor den Mund. "Aber sicher doch!" Boss - das war der Dunkelhaarige, der auf dem Dinosaurier geritten war - wurde herein geholt, was große Freude vor allem bei den Jüngeren auslöste. Nicht wegen seiner werten Person, sondern weil er Zans mitbrachte, einen kleinen Flugsaurier, der sehnsüchtig vermisst worden war. Der Kühlschrank wurde angezapft - Sheerla hatte doch gewusst, dass die so etwas haben mussten - und bald darauf mampften die vier Kinder mit wahrem Heißhunger Sandwich um Sandwich, umringt von ihren neugierigen Gastgebern. "Es gibt vielleicht keine Nutellabäume, aber ganz sicher Nutellaautos!" stellte Sheerla grinsend fest und biss in ihr Schoko-Sandwich. "Nix. Nur ein Witz unter Insidern." erklärte Liam, der die befremdeten Mienen bemerkte, schmunzelnd. Es tat so gut, nach all der Zeit wieder etwas zu essen zu bekommen! President hatte sich nach wiederholter Aufforderung vom Anblick der schwarzhaarigen Schönen, die sie gerettet hatte, losreißen müssen, denn ihm als Ältestem war die ehrenvolle Aufgabe übertragen worden, die Gruppe vorzustellen. Geschäftig räusperte er sich, als der Dunkelhaarige sein angestrengtes Grübeln, wie um Himmels Willen er bloß anfangen sollte, kurzerhand unterbrach. "Also, ich bin Boss," strahlte er. "President ist unser Anführer," er klopfte ihm auf die Schulter, "diese Hübsche da," er zwinkerte der Rosanen zu, die peinlich berührt weg sah, "ist Princess, und..." "Ich bin Tiger," fiel ihm die Rothaarige, die gerade zugestiegen war, ins Wort. "Bist du ein Mädchen?" fragte Sheerla neugierig. "Was denn sonst?!" fauchte Tiger, und Sheerla grinste. "Nur so." meinte sie fröhlich und schnappte sich schnell das letzte Käsesandwich, "und wie heißt der Rest?" "Doc, unser Superhirn," präsentierte Boss und bekam daraufhin von der Besagten einen Ellenbogen in die Seite gerammt. "Tank, unser Meisterkoch und Kinofilmexperte..." "Hallo," grüßte freundlich der Genannte. "Ich glaube, sie können selbst reden, Boss," bemerkte Princess schnippisch. "Crybaby." "Young Lady." "Oh, Mist, daneben... wie...? Wie? Ach ja, Nerd..." "Gatcha!" quietschte die kleine Blonde. "Timid." "Und ich bin Blunder!" "Silence." stellte sich der Zans-Typ vor. "Und wie heißt die Blondine?" krähte Sive. "Blondine? Welche Blondine?" fragte President überrascht, während die anderen sich das Lachen verbissen. Sie ahnten schon, wen Sive meinte. "Na," Sive zuckte mit den Schultern, "der blonde Typ mit dem Zopf!" "Ach so," President kratzte sich am Kopf, "Das ist God!" "Und ich bin Snake," stellte sich lächelnd der Schwarzhaarige vor, der vorhin noch so dagegen gewesen war, sie überhaupt mitzunehmen. "Freut mich, euch kennenzulernen!" "Wen nennst du hier Blondine?" schnaubte God. Mit ein paar raschen Schritten kam er auf Sive zu, die Fäuste geballt. Die grinste fies. "Dich!" stellte sie vergnügt fest. "Ach ja?" God sah aus, als würde er gleich ein paar Grundsätzen zuwiderhandeln, keine Kinder zu schlagen, als Boss ihn an der Schulter packte. "Hör auf," meinte er. "Und warum? Wegen dieser Göre wären wir vorhin fast von den Soldaten geschnappt worden, aber du hast ja keine Ahnung davon! Der Herr hat eben nichts Besseres zu tun, als auf Berge zu klettern und die Aussicht zu genießen, während wir..." "...versuchen, den Anführerposten an uns zu reißen?" warf Doc bissig ein. "Entschuldigt, dass ich euch unterbreche," meldete sich Liam leise zu Wort. "Aber könntet ihr uns jetzt vielleicht mal sagen, wo wir eigentlich sind?" "Ganz genau!" rief God, die Arme verschränkt. "Woher kommt IHR eigentlich? Wer seid ihr?" "Wir," entgegnete Sive stolz, "sind Außerirdische!" "Echt?" fragte Gatcha mit offenem Mund. Ihre Augen begannen, verdächtig zu glänzen. "Hey," meinte Blunder, "wir doch auch! Eigentlich. Oder? Schließlich sind wir hier in einer anderen Welt." Er sah in die Runde. "Sive, hör auf, Unsinn zu verzapfen!" wies Sheerla sie zurecht. Neesan bekam das alles nur am Rande mit, er war nämlich gerade in tiefgründige Überlegungen versunken, warum um alles in der Welt die Fremden bloß so seltsame Namen - "Crybaby" oder "Tiger", hieß denn tatsächlich ein Mensch so? - hatten, während er versunken am Strohhalm seines Milchshakes nuckelte. [Anm. d. Verfassers: Fragt mich nicht, woher die Pfadis auf einmal Milchshakes haben... Die hat Sheerla gerade angeschleppt ;-)] "Wie, ?andere Welt'?" fuhr seine Schwester fort. "Also," meinte Boss, "am besten ist es jetzt, wenn nur einer redet. Sonst gibt es bloß Durcheinander." "Und dieser Eine musst natürlich du sein, wie?" bemerkte God wütend. "Oh nein! President wird reden!" entschied Tiger und schob ihn in die Mitte. "Schließlich ist er unser Anführer." "Äh... ja...." Nervös fuhr sich der Erwählte mit den Händen durch die Haare, "also, wir... wir... kommen von der Erde." "Das wissen wir schon," entgegnete Liam freundlich. "Princess hat es gesagt. Aber wo sind wir hier?" "Das hier, das hier, also, das hier, das ist...." "...eine andere Welt." erklärte Doc. "Wie ihr vermutlich schon gemerkt haben werdet." "Aha." "Noah." meinte Silence. "WAS ist Noah?" fragte Sheerla energisch. "Noah ist eine andere Welt in einer andere Dimension." Boss wies um sich. "Wir sind ein Marineklub," - "Was'n das?" - Originalton Sive - "und eines Tages, als wir mit dem Schiff einen Ausflug machten, gerieten wir in einen sonderbaren Sturm und fanden uns hier wieder." "Sehr schön vorgetragen. Ich dachte, President redet?" beschwerte sich God. Boss beachtete ihn nicht weiter, wie immer. "Nachdem wir gestrandet waren, entdeckten wir, dass es hier Dinosaurier gibt. Wir fanden nämlich einen kleinen Flugsaurier und nahmen ihn auf, da er von der Armee verfolgt wird." "Zans," stellte Silence glücklich vor und hob ihn hoch, sodass ihn alle sehen konnten. "Hallo." grüßte der Dino fröhlich. "Iiiiih! Der spricht ja!" kreischte Sive. Trotz allem war ihre Überraschung jedoch vergleichsweise gering. Erstens waren die vier Kinder und als solche wurden sie sehr viel schneller mit unerwarteten Situationen fertig als die ach so flexiblen Erwachsenen. Zweitens hatten sie somit auch dieses gesamte Abenteuer trotz oder gerade wegen seiner Unglaubwürdigkeit letztendlich als unverrückbare Realität akzeptiert - mit all dem, was es noch bringen würde. Daher harrten sie nun geduldig der Dinge, die da kommen mochten, ohne in großes Erstaunen zu geraten. Und daher stellte Sheerla auch gnadenlos fest: "Der ist aber hässlich. Ein Pokémon ist hübscher." Zans und sein Herrchen hatte sie sich damit den Rest der Woche zum Feind gemacht. "Und was geschah dann?" fragte Liam weiter. "Während wir noch die Lage besprachen, tauchte ein Trupp Soldaten auf, die unser Schiff auskundschaften wollten. Daraufhin hat "irgend jemand" sie kurzerhand beschossen, mit der Begründung, dass sie ohnehin nur primitive Wilde wären und keine Chance gegen unsere Gewehre hätten...." Boss fixierte God. "Hätt' ich auch getan." verkündete Sive. "Jetzt halt doch endlich mal die Klappe!" fauchte God sie an, obgleich Sive ihm zugestimmt hatte. "Nun, wir konnten sie zwar vertreiben, machten aber gleichzeitig einen Tyrannosaurus auf uns aufmerksam, der uns zur Flucht aus unserem gestrandeten Schiff zwang. Jedenfalls ist seitdem die Armee hinter uns her. Wir haben keine Ahnung, wie wir wieder nach Hause kommen können, noch wissen wir viel über diese Welt... Noah. Erstmal werden wir wohl versuchen, mit den Bewohnern ein wenig in Kontakt zu kommen. Die Fremde, die uns gerettet hat, sagte, sie würde uns helfen..." "Das wissen sie doch nun alles, Boss. Siehst du denn nicht, wie verfroren sie sind? Wir sollten ihnen schnellstens etwas zum Anziehen geben." sorgte sich Princess. God funkelte Sive noch einmal wütend an, dann verschwand er im vorderen Teil des Fahrzeugs. "Aber... halt!" rief President. "Wir wollten doch eigentlich wissen... oder nicht... ich glaube aber.... sollten nicht sie... sagt doch... woher kommt ihr denn jetzt?" Bei all dem Hin und Her hatten die anderen das glatt vergessen. Sofort war Princess' energische Ermahnung, den Kindern etwas zum Anziehen zu geben, unter den Tisch gefegt. Erneut versammelte sich alles um die vier und blickte sie fragend an. Liam holte tief Luft. "Wir -" "Woher?" fuhr God ihn an. "kommen -" "Ja?" fragte Tiger neugierig. "aus - " "Lasst dem Ärmsten doch Luft zum Atmen..." versuchte Princess, die anderen zu dämpfen. "..." Schweigend wartete Liam auf den nächsten Kommentar. Da keiner kam, beendete er erleichtert seinen Satz: "Neuseeland." Neesan, Sive und Sheerla nickten einstimmig. "Aber hallo!" wunderte sich Tank. "Wir auch!" "Ja?" "Woher genau kommt ihr denn? Vielleicht sind wir ja durch die gleiche Ursache hierher gekommen..." erkundigte sich Doc interessiert. "Aus Auckland." "Oh! Wir auch!" staunte Young Lady. Eifrig fuhr sie fort: "Kennt ihr vielleicht diese eine Eisdiele, sie heißt... ähm... ?Italo', glaube ich... die haben sooo gutes Eis...." "Jaaaa!" rief Gatcha und rieb sich den Bauch. "Schokolaaaaadeneis! Die hat erst vor ein paar Monaten neu aufgemacht." "Ach ja," erinnerte sich Crybaby mit einem Blick auf Young Lady. Auf einmal errötete er. "Da waren wir ja zusammen... in der Harbour Street..." Sive lächelte weise, nickte und nickte und nickte und nickte und nickte und - stockte. Sie runzelte die Stirn, öffnete den Mund, um etwas einzuwenden, schien es sich dann aber anders zu überlegen und schloss ihn wieder. "Sie hat, sagst du..." meinte Liam langsam und mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen, "vor kurzem aufgemacht?" Angespannt beugte er sich vor. "Ja!" bekräftigten Gatcha und Young Lady. "Kennst du sie? Du musst unbedingt mal das Zitroneneis probieren, das ist sooo gut..." Liam, Sheerla, Sive und Neesan wechselten einen Blick. "Ähm..." Liam wiegte den Kopf, "...die Frage mag sich vielleicht seltsam anhören, aber da diese ganze Geschichte ohnehin schon verrückt genug ist, sagt uns doch bitte...." Er unterbrach sich, blickte noch einmal ratsuchend die anderen an, holte dann tief Luft und brachte es schließlich heraus: "...aus welchem Jahr kommt ihr?" VIII. Kleiderfragen "W...wie... aus welchem Jahr?" entgegnete President verwirrt. Er wirkte leicht verunsichert. Die anderen sahen nicht minder befremdet aus. "Was soll die schwachsinnige Frage?" rief God aufgebracht, "Aus dem Jahr 1995 natürlich!" "A...aha." stotterte Liam. "Natürlich. Klar." Er schien bestürzt und irgendwie auch fassungslos. Liam blickte Sive an. Sive sah zu Sheerla. Sheerla schielte hinüber zu Neesan, und Neesan wandte seine volle Aufmerksamkeit dem Fußboden zu. "Könnt ihr uns jetzt vielleicht mal verraten, was diese Geheimniskrämerei soll?" schaltete sich Tiger ein, die das Mienenspiel der vier Kinder verständnislos beobachtet hatte. "God mag zwar viel Mist reden, aber dieses Mal hat er recht: Wir kommen aus dem Jahr 1995, Auckland, Neuseeland und.... na ja, und eure Frage war schon etwas erklärungsbedürftig, also seid doch bitte so freundlich und teilt uns mit, was ihr euch da die ganze Zeit stumm erzählt." Wieder wechselten die Kinder Blicke, jedoch ohne ein Wort zu sagen. Dann schüttelte Sheerla energisch ihre Mähne, als dächte sie: Was soll's, und erklärte den befremdeten Gesichtern: "Also, wir... es scheint, als hätten wir uns... oder ihr euch... etwas in der Zeit geirrt, wenn ihr versteht, was ich meine. Wir kommen nämlich aus dem Jahr 2013." Die Reaktionen darauf waren sehr verschieden. Timids und Blunders Antwort war nur ein einstimmiges: "Cool!", während Gatcha sich ein wenig gewählter ausdrückte, sie sagte: "Toll", bevor sie fortfuhren, mit Zans zu spielen. Die Kinder hatten anscheinend schon so viele Zeit-, Raum- und sonstige Reisen hinter sich, dass sie inzwischen alles für möglich hielten. Boss schaute einen Moment lang ziemlich perplex in die Gegend, grinste dann aber fröhlich und stempelte das Ganze als: "Das wollte ich ja schon immer mal erleben, Menschen aus der Zukunft! Bei Gelegenheit müssen wir uns mal näher darüber unterhalten, vielleicht kennen wir uns ja... ich meine... werden uns kennenlernen... ach, ihr wisst schon was ich meine, aber vielleicht könntet ihr mir was über meine Zukunft erzählen!" ab. Die anderen schauten alle sehr interessiert drein, besonders Doc. Sie hatte wieder mal so einen abwesenden Blick, der verriet, dass sie gerade dabei war, in Gedanken sämtliche Möglichkeiten einer solchen Zeitreise zu sondieren und, sobald sie fertig gedacht hatte, bestimmt eine Menge Fragen haben würde. "Gibt es denn in der Zukunft keine Eisdielen mehr, oder wie seid ihr darauf gekommen?" erkundigte sich Young Lady, noch immer etwas durcheinander. "Nein," erklärte Liam mit einem entschuldigenden Lächeln, "aber weißt du... wir kennen die Eisdiele, von der ihr erzählt habt, nur... während ihr sagtet, dass sie erst neulich eröffnet hätte, hat sie bei uns gerade vor einigen Monaten zugemacht, weil der Besitzer in Rente gegangen ist. Und das hat uns verwirrt, wie ihr euch wohl vorstellen könnt." "Ach so," erwiderte Young Lady, als sähe sie das Ganze nun zumindest ansatzweise klarer. "Gibt es denn trotzdem noch gutes Eis?" "Äh.... ja, ja, klar doch, sicher, sicher." Und God glaubte natürlich kein Wort, verschränkte nur die Arme und murmelte: "Ihr spinnt ja!", während Snake eifrig zustimmte, seine glänzenden Augen aber das glatte Gegenteil verrieten: Wie angetan er von dem Gedanken war. Nerds lakonischer Kommentar lautete: "Das ist wie in meinem Computerspiel!" Und damit war die Angelegenheit vorerst - vorerst - erledigt. Ein Ruf vom Fenster unterbrach das Gespräch. Die fremde Schönheit - Manua hieß sie, wie sie Boss mitgeteilt hatte - erkundigte sich: "Könntet ihr vielleicht kurz anhalten? Dort liegt nämlich meine Stadt." Natürlich zielte die Frage nicht darauf ab, dass Manua Heimatbetrachtungen anstellen wollte. Sie hatte viel mehr vor, die Kinder, die ja von der Armee verfolgt wurden, bei sich zu verstecken. Ihr Vater war der Bürgermeister von Lupar, wie die Stadt dort in der Talsenke hieß. Sie beschlossen, erst einmal etwas oberhalb zu rasten, dabei konnten die Kleinen sich ausruhen und die Großen beratschlagen, ob sie Manuas freundliches Angebot annehmen wollten. Und außerdem würde man den vier Kindern, bevor sie sich in ihren Badeanzügen noch blau froren, nun endlich etwas zum Anziehen heraussuchen. Tank und Boss kümmerten sich um Liam und Neesan. Boss zeigte den beiden Jungen die Toilette, während Tank versuchte, Silence dazu zu überreden - er musste nicht viel überreden, Silence war von Natur aus freigiebig - zwei seiner Uniformen zum Wechseln für Neesan und Liam herauszurücken. Die beiden zogen sie einfach über ihre Badekleidung, die sie vorher mit einem nassen Tuch (in der Nähe ihres Rastplatzes gab es einen Bach) wenigstens notdürftig von der Dreckkruste befreiten. Dabei unterhielten sie sich ein wenig mit Boss und Tank, erfuhren zum Beispiel, dass die Fünfzehn wegen ihrer Zugehörigkeit zum Pfadfinder-Marineclub [was immer das Teil auch ist...] diese in ihren Augen antiquierten Uniformen trugen. Trotzdem zogen sie sie bereitwillig über und Liam, der guterzogene Liam, vergaß natürlich auch nicht, sich noch einmal ausreichend für alles zu bedanken. "So, und jetzt seid ihr Mitglieder!" lachte Boss, als sie das Klo für die Mädchen räumten. Princess kümmerte sich darum, die Kleidung zu beschaffen, während Tiger Sheerla und Sive hinein begleitete. Auf einen Ruf von Tank verschwand sie jedoch schnell wieder, da er, Boss und President gerade draußen etwas mit Manua besprachen. Princess erschien im Türrahmen, zwei für Sive und Sheerla nicht näher definierbare Fetzen über dem Arm. Und damit nahm die Katastrophe ihren Lauf. Liam und Neesan, die im Amphibienfahrzeug auf der Bank saßen und sich mit Silence und Gatcha unterhielten, zuckten erschrocken zusammen, als aus der Klotür ein Schrei ertönte, der allen durch Mark und Bein ging. Es war Sive, die gesehen hatte, welche Bekleidung für sie vorgesehen war. "Oh nein! Das zieh ich nicht an! Nein, nein, nein! Nie und nimmer! Nicht diesen Fummel!" Princess' Gesichtsausdruck konnten die Lauscher natürlich nicht sehen, ihn sich dafür aber um so lebhafter vorstellen. "Wovon redet eure Freundin?" fragte Gatcha ahnungsvoll. Sie erinnerte sich, vor nicht mehr als ein paar Minuten von Princess um ein paar ihrer Kleider zum Wechseln gebeten worden zu sein. "Sive, du bist wie immer unhöflich." stellte Sheerla fest. Sie stöhnte. "Mann, jetzt stell dich doch nicht so an, du Baby! Nur weil du ein rosa Kleid trägst, geht die Welt noch lange nicht unter!" "Ach ja?" schmollte Sive. "Tatsache ist, dass ich das nicht anziehen werde! Lieber bleib ich so, wie ich bin!" Ein beschwichtigendes Gemurmel erklang. Das musste Princess sein, die mit bewunderungswürdiger Geduld versuchte, Sive zu beruhigen und dazu zu bewegen, Gatchas Kleidchen anzuziehen. Trotzdem war ein gewisser gereizter Unterton nicht zu überhören, was man Princess auch nicht verübeln konnte. Sive verhielt sich wirklich ausgesprochen frech. Ein dumpfer Schlag erklang, der bei allen die grausigsten Vorstellungen weckte. Es war aber nur Sheerla, die Sive per Faust ein bisschen zur Vernunft bringen wollte. Erfolg gleich null. "Nein!! Ich weigere mich! Ich hasse Kleidchen, noch mehr hasse ich rosa, und noch viel mehr so was Altmodisches, das hat ja nicht mal meine Mutter getragen!" Sie übertrieb maßlos, denn rechnete man richtig, war ihre Mutter 1995 schon längst über das Alter hinaus gewesen, in dem man kleine rosa Kleidchen trug. Sive kümmerte das wenig. Fanatisch fuhr sie fort: "Wer so was anzieht, muss wirklich bescheuert sein!" Draußen erhob sich Gatcha und verließ gekränkt das Fahrzeug. Es würde sicher noch eine gute Woche dauern, bis sie wieder ein Wort mit der eingebildeten Ziege dort drinnen wechseln würde! Wieder versuchte Princess mit engelsgleicher Langmut, zu beschwichtigen. "Aber Sive, jetzt sei doch vernünftig. Als ich so alt war wie du, habe ich auch solche Kleider getragen. Ein Mädchen sieht hübsch darin aus! Also komm schon, sonst erkältest du dich nur." "Hübsch?" entgegnete Sive in einer Tonlage, die verriet, dass Kleider für sie alles sein mochten, aber eines ganz gewiss nicht: Hübsch. "Wie ein Schweinchen! Ich trag nur Hosen! Basta!" Man sah sie nicht, aber vermutlich verschränkte sie nun die Arme und blickte demonstrativ in die andere Richtung. Ein abgrundtiefer Seufzer Princess' verriet, dass sie resigniert hatte. Sives schlagkräftigen ?Argumenten' war mit Logik einfach nicht beizukommen. Nicht so Sheerla. "Sive, du ziehst jetzt sofort das Kleid an! Für dich muss man sich ja schämen, was du für ein Theater machst! Sogar rum schreien tust du! Jetzt hör aber auf damit. Du stirbst doch nicht, nur weil du ein Kleid tragen sollst. Außerdem - " jetzt grinste Sheerla wahrscheinlich auf ihre unnachahmliche Art, die eigentlich gemein, aber irgendwo doch nicht gemein war - "hast du genau das richtige Aussehen dafür! Mausbraune Schnittlauchhaare, dürr wie ein Stock..." Sie unterbrach sich, weil Sive wie wild nach ihr schlug. "Sheerla," begann Princess aufatmend - es war wohl doch noch nicht alles verloren! - "wie schön, dass wenigstens du vernünftig bist." Sie lächelte erleichtert. Ruckartig wandte Sheerla den Kopf. "Ja?" fragte sie, und irgendwie fühlte sie sich unwohl in ihrer Haut. "Was ist?" Princess hob einen weiteren nur mäßig identifizierbaren Stofffetzen hoch. Sheerlas Augen weiteten sich vor Entsetzen. Nie, nie, niemals hätte sie diese Mißachtung ihrer Persönlichkeit für möglich gehalten. Bei Sive vielleicht, die war ja ohnehin eine Jammerliese, aber sie - Sheerla McPherson, nein, das konnte doch nicht wahr sein, Princess musste Witze machen, nein, unmöglich... Aber es war möglich. "Hier, das ist für dich, Sheerla. Ein hübsches, bequemes Kleidchen, das Gatcha dir freundlicherweise leiht und in dem du bestimmt ganz entzückend aussehen wirst." Sie reichte Sheerla das Kleid, doch diese ließ es fallen, als habe sie sich verbrannt. In einem Aufschrei, der an Lautstärke Sives locker um Längen übertrumpfte, brüllte sie: "WAAAS?! EIN KLEID? EIN ROSANES KLEID? ICH?! SAG MAL, SPINNT IHR VOLLKOMMEN?!?!?!" Princess kippte zurück, als habe ein Windstoß sie umgeworfen. "Aber... aber Gatcha trägt es doch auch. Und.." "Es ist mir egal, ob du oder Gatcha solches Zeug tragt. ICH werde es jedenfalls ganz sicher nicht tun, ICH bin doch keine verweichlichte Jammerziege...." Zu spät fiel ihr ein, dass Princess das durchaus auch als persönliche Beleidigung würde auffassen können. Erst als diese schwungvoll die Tür aufriss und mit dem Gesichtsausdruck einer Primadonna, die sich nun lange genug herabgelassen hat, davon rauschte, erwog Sheerla, die letzten Worte vielleicht zurückzunehmen. Oder zumindest ein klein wenig abzuschwächen. Zum Glück kam in diesem Moment Tiger herein, einen Stapel hellbrauner Uniformen über dem Arm. Kein Zweifel, sie hatte den Wortwechsel ebenso verfolgt wie der gesamte Rest der Truppe, der sich draußen an der Tür die Ohren platt drückte. "Hier. Silence konnte noch zwei Uniformen entbehren. Also haltet jetzt endlich die Klappe und zieht sie an, und wehe, ihr seid nochmal so unhöflich zur armen Princess, ist das klar?!" Obwohl ihre Worte streng klangen, lächelte sie. Die Mädchen konnten natürlich nicht wissen, dass Tiger ihre Einstellung aus tiefster Seele teilte und Streits wie diesen schon oft genug am eigenen Leib erlebt hatte. Sheerla stellte lediglich fest, dass sie Tiger mochte. Und Sive, die nicht ganz so schnell warm wurde, mutmaßte zumindest, dass dieses burschikose Mädchen nicht ganz so weltfremd wie der Rest der Truppe zu sein schien. Tiger reichte ihnen die Uniformen und sie beeilten sich, sie überzuziehen. IX. Heute, morgen, dies und das "Meine Güte, war das ein Theater!" Mit diesem Satz schloss Tiger ihren Bericht über das Zusammenprallen zweier Weltanschauungen in der Mädchentoilette ab. Ihre Zuhörer versuchten kaum, ihr Lachen zu verbergen. Boss, Tank und President standen an das Amphibienfahrzeug gelehnt, wo sie auf die anderen warteten, um zu besprechen, ob sie Manuas Hilfe annehmen sollten oder nicht. Allerdings taten sie das schon eine ganze Weile, denn die meisten waren zum Bach gegangen, um sich frisch zu machen bzw. - in Princess' Fall wörtlich und sinnbildlich zugleich zu nehmen - sich abzukühlen. "Princess wird das den beiden wahrscheinlich noch wochenlang übelnehmen." prophezeite Tiger mit betont ernster Miene. "Da könntest du recht haben," bemerkte Tank. Princess war zwar meist freundlich, aber einmal beleidigt, konnte sie ziemlich nachtragend sein. "Wer kann es ihr verdenken?" "Ich finde, Toleranz ist etwas sehr Wichtiges." warf President ein. "Die drei hätten alle etwas mehr Entgegenkommen zeigen können. Wenn man die Meinungen anderer achtet, kommt es auch nicht so schnell zu Streit." "Entgegenkommen! Pah!" Tiger schüttelte herausfordernd ihre Mähne. "Und wo bleibt da die Gleichberechtigung?" "Das," erwiderte President ganz ernsthaft, ohne zu merken, wie Tiger innerlich feixte, weil der Politiker in ihm schon wieder die Oberhand gewinnen wollte, "ergibt sich dabei fast automatisch. Demokratie basiert auf dem Recht der freien Meinungsäußerung." "Natürlich. Sie hätten darüber abstimmen sollen." grinste Boss. Tank stieß ihn an. "Müsst ihr den Armen schon wieder auf den Arm nehmen?", aber Boss lachte nur. "Ja." belehrte President sie, wobei ihm das Gekichere der anderen vollkommen entging. "ja! Sie hätten natürlich abstimmen sollen. Das wäre die fairste Lösung gewesen." Er sah richtig erleichtert aus, ganz so, als habe man ihm eine schwierige Entscheidung abverlangt, die er letztendlich doch mit Bravour gemeistert hatte. Eigentlich überflüssig, denn der "Toilettenskandal" war doch durch Tigers spontanes Handeln längst bereinigt und Schnee von gestern. Na ja. President wurde von den überraschenden Veränderungen des Alltags immer öfter aus der Bahn geworfen, bevor es ihm gelang, sie mühsam wieder mit dem Altgewohnten in Einklang zu bringen. "Und wie hätten sie das machen sollen?" fragte Tiger, die es nicht lassen konnte. "Abstimmen, meine ich. Haben die beiden Mädchen denn überhaupt schon das Wahlrecht? Dann hätten sie Princess ja überstimmt. Oder wäre es unentschieden gestanden?" Jetzt ging dem armen President wohl doch auf, dass die letzten Fragen vielleicht keine hundertprozentig ernsthafte Anwort verlangt hätten und er schaute etwas betreten drein. Boss stieß geräuschvoll Luft aus. "Wo bleiben die anderen eigentlich? Es wäre gut, wenn wir bald mal weiter zu Manua fahren könnten." "Ich will euch mal was sagen," fuhr Tiger fort. Ganz offensichtlich hatte sie von dem Thema immer noch nicht genug. "Wenn man kleine Mädchen in pinke Kleidchen steckt, ist das dann Gleichberechtigung? Sieht so deine Demokratie aus, President?" Ihre Augen funkelten provozierend. Erstaunt blickten die drei Jungen sie an. Irgendwie schien Tiger das Thema am Herzen zu liegen, so dass sie das Gespräch auf einen ganz bestimmten Punkt hinlenken wollte. "Na ja," meinte Tank aufs Geratewohl, "Princess und Gatcha macht es jedenfalls nichts aus, Kleider zu tragen." "Ja." nickte Tiger, um dann triumphierend fortzufahren: "Aber wahrscheinlich sind die Mädchen der Zukunft einfach emanzipierter!" Das war es also. Tiger hoffte auf Verstärkung aus den Jugendreihen! Seit ihrem elften Lebensjahr einziges Mädchen in einem Marineklub zusammen mit - aktueller Stand - zwei Kleider- und zwei Rock-Trägerinnen, (auch wenn Princess nur zufällig dabei war) freute sie sich einfach ungemein über Sheerla und Sive, die im zarten Alter von neun längst nicht so zart für Hosen plädierten. Boss war verblüfft, denn irgendwie überraschte Tigers Reaktion ihn. Er hätte nicht gedacht, dass sie für ihre Weiblichkeit so... nun ja, unweiblich eintreten würde. President sah nur ziemlich überrumpelt in die Gegend, nicht weniger ratlos als Boss, und Tank, unschlüssig, was man zu diesem Thema noch groß sagen sollte, versuchte, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. "Hm, ja. Aber wisst ihr," er sah gen Himmel, "irgend etwas kommt mir an diesen Kindern doch seltsam vor." "Was soll das heißen? Findest du es seltsam, dass sie keine Spitzenkleidchen tragen wollen? Dazu würde mich auch keiner kriegen, im Leben nicht. Nur über meine Leiche!" ereiferte sich Tiger. Die Blicke ihrer Gesprächspartner verrieten ganz deutlich, dass sie, selbst wenn ihnen dieser Gedanke ob des sehenswerten Anblicks mal gekommen sein mochte, sich ganz sicher nicht an seiner Ausführung versuchen würden, denn sie alle wussten, wie stark Tiger war. "Nein," Tank zuckte mit den Schultern, "das meine ich nicht. Vielleicht liegt es einfach daran, dass sie aus der Zukunft kommen. Ihre Art, zu sprechen, ihr Verhalten, all das. Das Seltsamste vielleicht ist, dass ich sie trotzdem zu kennen glaube." Er lächelte gequält, weil die anderen seine Gedankengänge ganz offensichtlich nicht nachvollziehen konnten. "Ach, ist ja auch egal." "Das finde ich nicht," lenkte da eine Stimme von hinten ihre Aufmerksamkeit auf sich. Doc kam aus dem Fahrzeug getreten und zu ihnen herüber. "Mir kommen sie auch irgendwie merkwürdig vor. So ganz anders als wir, aber..." "Vielleicht hatte God ja doch recht und es sind Spione," meinte President unglücklich. "Das glaubst du doch selber nicht," brummte Boss. "Es sind Kinder. Was sollten sie uns tun? God hält doch jeden für einen Spion!" "Das ist es nicht," unterbrach Doc die beiden abwesend. "Nur," sie wandte den Kopf und blickte auf die Wiese, wo Neesan und Liam gerade mit Silence sprachen, "es... Ich kann es nicht erklären." Plötzlich begann sie, sich an der Nase zu kratzen. "Verdammt. So ist das immer, wenn ich ganz nah dran bin, meine gedanklichen Puzzleteile aber nicht richtig in Einklang bringen kann. Dann juckt es mich überall." Boss machte große Augen, während President eher unbehaglich aussah. "Aber was soll denn mit den Kindern schon sein?" murmelte er, mehr für sich. "Das ist es," rief Doc laut. "genau das." Sie wies auf President. "Schau mal deinen Gesichtsausdruck von eben an.... und nun..." "Ich glaube, ich verstehe, was sie meint." entgegnete Tank versonnen. "President..." "Was soll der Quatsch?" mischte sich auf einmal God ein. Erst jetzt wurde den anderen klar, dass er und Snake schon eine ganze Weile mitgehört, sich aber überraschenderweise jedes Kommentars enthalten hatten. "Das sind ganz einfach ein paar Kinder. Und ziemlich nervige dazu. Ihr seht doch überall Gespenster! Das ist absoluter Schwachsinn!" "Also keine Spione?!" fragte Doc spitz, zu Recht verärgert darüber, dass God ihre Gedankengänge unterbrochen und sie dazu noch als halluzinös hingestellt hatte. "Ach Leute, was soll das eigentlich alles? Die Kinder sind in Ordnung. Was sollte an denen schon seltsam sein? Das bildet ihr euch bestimmt bloß ein. Und nur weil sie aus der Zukunft kommen, ich meine, die paar Jahre, gerade mal.... äh..." An dieser Stelle versagte zwar sein Rechengehirn, doch Boss fuhr trotzdem fort: "Wir sollten uns darüber nicht den Kopf zerbrechen. Wir müssen sie eben einfach noch näher kennen lernen, um uns mit ihnen anfreunden zu können!" "Achtzehn." ließ Doc ihn ziemlich kühl wissen, noch immer nicht versöhnt, vor allem, weil es nun schien, als sei Boss ausnahmsweise mit God - zumindest teilweise - einer Meinung. "Hä?!" "Das heißt ?wie bitte'... und außerdem meinte Doc: Die Kinder stammen von uns gesehen aus der Zukunft in achtzehn Jahren." Princess war hinzugekommen, ihr folgten Manua, Crybaby, Young Lady und Nerd, und damit waren sie nun eigentlich vollzählig. Als die Jüngeren bemerkten, dass sich etwas tat, kamen auch sie zusammen mit Zans, dem jungen Stimosaurus, hinüber, um bei der Beratung dabeizusein. Timid und Blunder ließen sich kurzerhand ins Gras fallen, Gatcha, zwischen Princess und Young Lady stehend, reckte neugierig den Hals und auch Silence, Liam und Sheerla machten aufmerksame Gesichter. Mit einem Blick aufs nasse Gras und einem zweiten auf seine schöne neue geliehene Uniform blieb Neesan lieber ebenfalls stehen. Sive versuchte, gelangweilt auszusehen. In Wirklichkeit spitzte sie die Ohren, aber das war eben so ihre Art. "Also lassen wir jetzt dieses... " - Boss wurde sich bewusst, dass die vier Kinder inzwischen hinzu gekommen waren und mithörten - "...Thema von vorhin und reden lieber mal über das, was wir eigentlich bereden wollten: Wie ihr wahrscheinlich schon wisst, hat Manua..." "Bist du hier der Anführer?" "Hä?!.... äh...." - mit einem Blick auf Princess verbesserte Boss seine Ausdrucksweise - "wie?!" "Ich habe gefragt, ob du hier der Anführer bist?" God verschränkte die Arme und sah Boss voll an. "Nein, aber..." Boss, kurz aus der Fassung gebracht, hatte sich wieder im Griff. "Was soll die blöde Frage?" entgegnete er gereizt, "Ich bin gerade dabei, Manuas nettes Angebot zu erzählen. Also halt die Klappe und hör zu, oder weißt du es etwa schon?" God kannte das "nette Angebot" noch nicht, darum war er still, aber es war ihm anzusehen, dass er das Thema "Anführer" bei Gelegenheit noch einmal zur Sprache bringen würde. Manua, so sagte Boss, sei die Tochter des Bürgermeisters von Lupar und - ab hier erzählte Manua, die schweigend dabei gestanden hatte, selbst - hasste die Tyrannei des Königs von Noah und seiner Soldaten aus tiefstem Herzen. Ebensowenig befürwortete sie, wie diese mit den Dinosauriern, die Noah bewohnten, umgingen. Die Art, sie wie Sklaven zu behandeln, fand die junge Frau ungerecht und grausam, und darin wurde sie von Boss unterstützt. Deshalb, sagte sie, wollte sie den Kindern helfen und sie bei sich verstecken. Manua hatte ihre Rede beendet und lächelte sie freundlich an, in der Erwartung, dass die anderen ihre Beweggründe nachvollziehen würden können. Die meisten schienen das auch, nur God war natürlich wieder anderer Meinung, denn er befürchtete - nein, er stellte es als Tatsache hin - dass Manua sie verraten würde. Sive fand, dass das langsam nervig wurde. Überhaupt fand sie, wenn sie so drüber nachdachte, alles hier ziemlich nervig, von dieser blöden Gatcha über diese ebenso blöde Princess hin zu diesem noch blöderen Boss und den ganzen anderen Idioten.... nur der Silence-Zans-Typ, mit dem Liam sich so gut verstand, ging in ihren Augen. Der redete wenigstens nicht so viel. Aber auch die "Besprechung" ging dann letztendlich ohne allzu viel weiteres Gerede vonstatten. Es wurde ganz einfach abgestimmt [und ratet mal wer auf diese glorreiche Idee kam? ;)], wobei God überstimmt und der Einzug bei Manua beschlossene Sache wurde. Was hätten sie auch anderes tun sollen? Die Pfadfinder wie auch die vier Kinder suchten nach einem Weg zurück in ihre Welt, und allein würden sie den ganz sicher nicht finden. Sie waren, so schwer es für manche auch einzugestehen war, auf Hilfe angewiesen. Text & Story (c) by Amber 2001/2002 Illustrations (c) by Willow 2001/2002 Idee (c) by Curse! (Willow, Priss-chan & Amber) 2001/2002 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)