Saturated Loneliness von fruitdrop (Takouji) ================================================================================ Kapitel 3: Sieben Minuten, zwei Bauern und ein Turm --------------------------------------------------- Autor: fruitdrop Disclaimer:Nich meins. Ich verdiene hiermit kein Geld. Das hier ist Fanfiction. Sieben Minuten, zwei Bauern und ein Turm 3. April, 10.00 a.m. West Village/Washington Square Park ------ Lost’s Point of view ------ Inzwischen habe ich zwei Stunden Fußmarsch durchs ganze West Village hinter mir auf der Suche nach einem Job. Und nach genau zwei Stunden und drei Minuten hab ich dann auch einen gekriegt. Ich weiß nicht, wie viele Lokale, kleine Läden und Geschäfte ich abgeklappert hab, aber im letzen hab ich was gekriegt. Ich darf an vier Tagen die Woche zum Gemüse schnibbeln und Geschirr waschen kommen. Das Lokal heißt Eddy’s und bietet alles an, was verdammt scharf ist. Morgen darf ich anfangen. Irgendwie freu ich mich, endlich kann ich mal auf eigenen Beinen stehen und verdiene mein eigenes Geld. Auch wenn ich zusammen mit Rainbow, Dawn und Rain in einem Abbruchhaus wohne. Der Regen, der in so gegen 5 Uhr eingesetzt hatte, war wieder weniger geworden, aber ein kühler Wind pfiff durch die Straßen, der an den Klamotten zerrte. Innerlich verfluchte ich mich. Ich hatte meinen Sachen, also meine Tasche und meinen Schlafsack, bei Dawn im Haus gelassen, er meinte, er würde dort auf mich warten. Ich könnte jetzt gut meinen zweiten Pulli gebrauchen… Maggot war heute Morgen noch mal da gewesen, so gegen sieben. Dawn hat geschlafen, Rain war weg und Rainbow hatte wieder ihren Kopf zwischen ihren aufgestellten Knien hängen. „Hey, Lost.“ Er hat geflüstert, um Dawn nicht aufzuwecken. Langsam war er auf mich zugekommen. „Hier, ich hab noch was zu Essen mitgebracht, und ein paar Kippen. Gib das Zeug bitte den anderen, du kannst auch was haben wenn du willst. Ich kann nich lang bleiben, aber ich komm wieder. Bis dahin entscheidest du dich, ob du nich lieber wieder zu deinen Eltern willst.“ Ich hab nur genickt. Seine Augen waren direkt auf mein Gesicht gerichtet gewesen, er war mir wieder recht nah, jedenfalls so nah, dass ich ein paar silberne Sprenkel in seinen dunkelblauen Augen sehen konnte. „Sag mal, wie geht’s eigentlich deinen Verletzungen?“ Daraufhin hab ich nur mit den Schultern gezuckt. „Geht schon, auch wenn’s irgendwie weh tut.“ „Hm… Ich schau mal, was ich besorgen kann. S sah heut Nacht echt fies aus.“ „Nein, brauchst du nicht, s passt schon. Wird wieder,“ meinte ich. Warum ist Maggot so nett zu mir? Heute Nacht sah es erst so aus, als könnte er mich gar nicht leiden…. Wer ist dieser Junge? Was geht in ihm vor? Warum ist er hier? Was haben seine Eltern ihm angetan? All diese Fragen schwirrten mir durch den Kopf als ich in sein Gesicht sah. Ich will Antworten, und zwar so schnell wie möglich! „Nein, ich werd ne Salbe oder so was besorgen, so was kann ganz schön schlimm ausgehen, wenn dus nicht verarztest. Glaub mir, ich weiß habs selber erlebt…“ Damit hat er sich umgedreht und war an Dawn und Rainbow vorbei wieder hinaus aus dem Zimmer, die Treppe runter und wieder raus in den Regen geschlichen. Kaum war er weg, hob Rainbow ihren Kopf. „Wow, der scheint wirklich einen Narren an dir gefressen zu haben, Lost. Der macht sich echt Sorgen um dich,“ brachte sie langsam über ihre Lippen. „Mh, sag mal, wie kann ich eigentlich feststellen, ob du schläfst oder nicht?“, fragte ich mit einem Grinsen. „Ich schlafe nur zwei Stunden am Tag, Lost. Den Rest der Zeit… träume ich.“ Damit sank ihr Kopf wieder nach unten. Maggot macht sich um mich Sorgen? Warum? In Gedanken versunken gehe ich weiter. So viele Fragen… Haben meine Eltern schon bemerkt, dass ich weg bin? Machen sie sich Sorgen? Wie geht’s Shinja? Woher kommt Maggot? Was ist passiert, dass er abgehauen ist? Unsanft werde ich aus meinem aussichtslosen Frage-Antwort-Spiel gerissen, als mich jemand heftig anrempelt. Aber derjenige rennt unbeirrt weiter. Schaut nich mal über die Schulter, um sich zu entschuldigen. Wie kann ein Mensch es nur so eilig haben?? Aber nachdem mich noch mal zwei Leute angerempelt haben und auch einfach weiter gerannt sind, ohne sich zu entschuldigen, bemerke ich es. Hinter dem Typen waren zwei Polizisten her. Also musste er was angestellt haben. Aber eigentlich geht es mir ja nichts an, oder doch? Ich habe die drei immer noch im Blickfeld. Die Polizisten sind pummelig und haben wohl noch Puderzucker- und Kaffeeflecken auf ihren Uniformen. Und der Typ? Der hatte dunkle Dreadlocks, bis etwa unter die Schulterblätter, etwas länger. Sie waren zu einem Zopf zusammengebunden und in einer Strähne schimmerte eine silberne Perle. War der Typ etwa…?? Nein, er würde sich nicht mit der Polizei anlegen. Bitte nicht, bitte lieber Gott, wenn es dich gibt, lass es nicht Maggot sein! ------ Maggot’s Point of view ------ Fuck, dafür, dass die Bullen so fett sind, sind sie doch noch ziemlich schnell. Und meine Lunge brennt wie Feuer. Ich sollte mir abgewöhnen, soviel zu rauchen. Im Moment gebe ich wirklich mehr Geld für Zigaretten als für Essen aus. Scheiße, denk nich so viel, Maggot, lauf. Die Bullen haben aufgeholt. Ich muss mich dringends verpissen. Auf noch ne Nacht oder mehrere im Knast hab ich keine Lust. Also weiter. Ich rutsche aus und stolpere beinahe, als ich um eine Ecke biege. Meiner Erinnerung nach müsste es jetzt hier weiter gehen auf die Fifth Avenue. Da kann ich die Bullen ganz einfach loswerden, ich muss nur ein bisschen im Zickzack laufen. Doch zu früh gefreut. „Scheiße!“, fluche ich laut. Ich renne genau auf einen ziemlich hohen Maschendrahtzaun zu. Hinter mir höre ich einen der beiden Bullen laut auflachen. „Jetzt ist es aus, Junge, du kommst nicht weiter!“, ruft der andere. Am Klang seiner Stimme kann ich hören, dass er sich nur mit Mühe ein Lachen verkneift. Denen werd ich’s schon zeigen! Obwohl meine Lungen streiken, lege ich noch einen Zahn zu. Scheiße, früher war ich so gut im Laufen, ich hatte eine perfekte Kondition… Halt, Maggot, nich an früher denken! Laufen! Ich erreiche den Zaun und springe. ------ Lost’s Point of view ------ Ich komm grad rechtzeitig, um zu sehen, wie Maggot gegen den Zaun spring will, um dran hochzuklettern. Aber der Polizist hat ihn erreicht und hält ihn fest. Beide stürzen zu Boden, Maggot unter dem Bullen. Der andere Polizist geht langsam auf sie zu; er lacht wieder. Er kommt bei Maggot an, zieht ihn grob auf die Beine und sagt: "So, Freundchen, endlich haben wir dich. Glaub mir, so glimpflich kommst du nicht mehr davon, wie früher!" Und da kommt mir die rettende Idee ------ Maggot’s Point of view ------ Verdammt, tut das weh. Meine Hände und Knie fühlen sich an, als wäre ein LKW drüber gerollt. Kein Wunder, wenn so'n fetter Bulle auf einen drauf fällt. Hat nich jemand erst ein Gesetz erlassen, dass die abnehmen müssen? Na, den scheint’s nich zu kümmern, der hat ja immer noch Puderzucker ums Maul verschmiert. Fuck, in meinen Handballen pocht’s. Und mein Kinn brennt. Aber wenn ich was kann, dann Schmerz ignorieren. Also schiebe ich dieses Gefühl weit weg in die Tiefen meines Kleinhirns und rapple mich mühsam auf. Egal, die Bullen haben gewonnen, aber ein ganz kleines Bisschen Stolz hab ich noch, so schnell kriegen die mich nicht klein. Und dann höre ich dieses Rufen, ich höre diese Stimme, die mir irgendwie bekannt vorkommt, aber ich kann sie nicht einordnen. Die Bullen drehen sich überrascht um. Beide hatten die ganze Zeit so ein komisches, überlegenes Grinsen im Gesicht. Dann erkenne ich hinter ihnen ein bekanntes Gesicht. Und holla, wer hätte es gedacht, zu ihm gehört auch die Stimme. Lost kommt da auf uns zugelaufen und schubst die Bullen grob zur Seite, um mich am Handgelenk zu fassen. „Da bist du ja, Shinja, endlich hab ich dich wieder gefunden! Mama und Papa haben sich schon riesige Sorgen gemacht, hau bitte nicht noch mal ab ja?? Versprichst dus mir?“ Ich schaue ihn entgeistert an. Was soll dieses Theater? Will er mir helfen? Mich vor den Bullen schützen? Verdammt, ich brauche keine Hilfe! Der soll sich verpissen! Ich hab’s doch sonst auch immer allein geschafft, mich aus etwas Größerem rauszuziehn, ich brauche seine Hilfe nicht!! Aber trotzdem nicke ich verwirrt. Dieser Junge macht mich noch ganz krank im Kopf! Warum ist er da? Kann er nicht einfach wieder nach Hause gehn? Weiß er überhaupt, wie er mich verwirrt? Er erinnert mich an jemanden.... Nein, nicht schon wieder an früher denken, lass das, Maggot, tut eh nur weh. Los, zurück in die Realität!!! Zu den Typen in Uniform gewandt sagt Lost dann auch noch was. „Danke, dass Sie ihn gefunden haben, Shinja ist mein Stiefbruder, wissen sie. Mein Dad hat seine Mutter geheiratet. Aber nachdem er sich mit Mum gestritten hat, ist er abgehauen und seit zwei Tagen suchen wir ihn. Wir haben uns riesige Sorgen gemacht, das können Sie sich kaum vorstellen! Nochmals, vielen Dank, dass Sie ihn gefunden haben! Auf Wiedersehen!“ Damit dreht er sich um und zieht mich, immer noch meine Hand haltend, schnell aus der Gasse raus auf die belebte Straße. Immer weiter zieht er mich, er läuft schnell, so schnell, dass ich fast nicht nachkomm. Aber dann bleibt er abrupt stehen. Meine geschundenen Lungen streiken nun ganz und ich stütze mich mit den Händen auf die Knie. Scheiße, Fehler. Fuck, tut das weh! Ich besehe meine Hände. Sieht nicht so schlimm aus, wie es sich anfühlt. Die kleinen Kieselsteinchen am Boden hatten blutige Abdrücke hinterlassen, aber sonst sieht alles normal aus. Lost neben mir keucht. „Maggot, was… Was stellst du auch immer für Sachen an!“, bringt er schließlich heraus. Ich versuche so etwas wie ein Grinsen auf mein Gesicht zu kriegen, aber ich hab schon so lange nicht mehr gegrinst oder sonst etwas in der Art getan, dass es nicht so richtig funktionieren will. „Aber der eine hatte wirklich Puderzucker auf seiner Uniform,“ fügt er noch dazu. Damit weiß ich zwar nichts anzufangen, aber egal. Mit dem Satz davor schon. Ja, was stelle ich immer für Sachen an? Wenn Lost wüsste, warum mir die Bullen hinter her waren, dann würde wohl ziemlich komisch gucken. Doch anstatt ihm die Wahrheit zu sagen, zucke ich mit den Schultern. „Is doch egal.“ Damit fällt mein Blick auf die Schachtische. Mehr gewollt, als zufällig. Ich will Lost nicht in die Augen schauen, das hab ich heut morgen schon zu lang gemacht und irgendwie hat es mich sehr … verwirrt. Der Typ erinnert mich so sehr an jemanden, aber … Maggot, jetzt reiß dich zusammen! Die Geschichte hast du hinter dir! Also, Blick wieder auf die Schachtische. Ein paar sitzen schon dort, spielen, oder warten darauf, dass sie jemand herausfordert. Ich suche mir einen Jungen heraus, etwa mein Alter, vielleicht ein bisschen jünger. Er ist Puertoricaner. Ich kenne ihn, vom Sehen. Ich glaube, er heißt Renny und ist ein recht guter Schachspieler. Ich nicke Lost zu, mache ihm klar, dass ich zu den Schachtischen will. Er blickt mich fragend an. „Ich wird jetzt bisschen Geld für unser Mittagessen verdienen, komm!“ Losts Blick wird immer verwirrter. Ich spüre im Rücken, wie er mich ansieht, versucht, zu verstehen, was ich meine. Schließlich höre ich, wie er mir folgt. Er tippt mir leicht auf die Schulter. Wie gewohnt zucke ich leicht zusammen. „Was denn?“ „Du willst doch jetzt nicht etwa diesen Jungen da beklauen oder?“ Jetzt bin ich verwirrt. Wer redet hier von klauen? Ich glaube, Lost traut mir nicht zu, dass ich Schach spielen kann, oder? Okay, seinem Blick nach, traut er es mir wirklich nicht zu. Dann sollte der mal ne Überraschung erleben! Nur weil ich seit geraumer Zeit auf der Straße lebe, heißt das nicht, dass ich nie ein Dach über dem Kopf hatte! ------ Lost’s Point of view ------ Ich glaubs nich, Maggot will den Jungen wirklich überfallen, am helllichten Tag. Hat der Typ noch alle Tassen im Schrank? Wohl nicht, denn auf meine Frage guckt er nur überlegen und dreht sich dann wieder um. Selbstbewusst geht er rüber zu dem Jungen, der ihn noch nicht bemerkt hat. Bevor er aber direkt vor ihm steht, winkt er mich zu sich. Wollte er jetzt, dass ich ihm helfe, den armen Jungen zu überfallen? Ich setze mich in Bewegung, aber dann geschieht etwas, das ich wirklich nicht beabsichtigt hab. Der Junge, er ist glaube ich, Puertoricaner, lächelt Maggot zu und begrüßt ihn mit einem Handschlag. Ungläubig gehe ich weiter. Maggot setzt sich ihm gegenüber an einen der Schachtische. „Wie viel?“, höre ich den Jungen fragen. Maggot überlegt. „Zwanzig,“ sagt er dann recht ernst. Der Puertoricaner stimmt zu und beginnt das Spiel. Er setzt seinen Bauern auf E4, was Maggot prompt mit einem Bauern auf E5 beantwortet. Ich hab keine Ahnung von Schach, aber ich sehe den überraschten Gesichtsausdruck des Puertoricaners, als er erkennt, dass Maggot doch ziemlich gut Schach spielen kann. Maggot’s Springer zieht übers Feld und schlägt eine Figur nach der anderen. Ich merke, wie aufgelöst sein Gegner ist, als Maggot eine seiner Kombinationen auseinander schlägt. Maggot selbst war total konzentriert. Seine blauen Augen lassen das Spielfeld keine Sekunde aus den Augen, ab und an streicht er sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Er kaut sich vor jedem Zug auf der Unterlippe herum. Aber dann, nach einiger Zeit, erhellt sich plötzlich sein Gesicht und er streckt seine Hand siegessicher nach seiner Dame. Er blickt kurz auf und sieht dem Puertoricaner in die Augen, ehe er seine Dame nimmt, und den König schlägt. „Schachmatt“, flüstert er. Maggot hat tatsächlich gewonnen. Das ganze Spiel hatte vielleicht 7 Minuten gedauert und er selbst hat nur zwei Bauern und einen Turm verloren. Irgendwie komisch. Ein Straßenkind, das so gut Schach spielen konnte. Irgendwie… unglaublich…. Der andere seufzt. Dann kramt er in seiner Hosentasche und zieht einen zerknitterten Zwanziger vor. Maggot guckt kurz wie ein kleines Kind, dem ein Lolli vor die Nase gehalten wird, schnappt sich den Schein, ebenso mein Handgelenk und ruft noch schnell ein „danke“ über die Schulter, ehe er mich um die nächste Ecke zieht. „So kommst du also zu Geld, was?“, fragte ich. Maggot nickt. „Hat schon seine Vorteile. Aber ich bin jetzt so lange hier, dass die meisten mich kennen und nicht gegen mich spielen, weil sie wissen, dass sie eh verlieren. Aber der da war neu.“ Grinsend wie ein Honigkuchenpferd schaut er den Schein in seinen Händen an. „Komm, ich lad dich zum Essen ein!“ OoOoOoOoOoOOoOoOoOoOoO to be continued fruit edited 04/23/2010 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)