Blue Moon von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 6: Crimson kiss ----------------------- Ich murrte unzufrieden, weil ich meine Augen nicht öffnen konnte. Das hieß, ich konnte sie schon öffnen, aber dann hätte mich das Sonnenlicht geblendet. Ich zog mir die Decke über den Kopf und seufzte laut. Es war ganz klar, dass ich nicht nochmal einschlafen würde aber ich wollte auch noch nicht aufstehen. Ich wollte mich nicht fertig machen. Ich wollte nicht runter gehen, um mit den anderen zu Frühstücken. Ich wollte nicht auf Hyde treffen. Hyde. Augenblicklich trat ich die Decke von mir, ignorierte, dass diese zu Boden sank und sprang aus dem Bett. Ich musste mich beeilen wenn ich früher unten sein wollte als Hyde. Schwarze Lederhose, schwarzes T-Shirt, schwarze Socken... Im Eiltempo raste ich auf die Apartmenttür zu, nur um davor stehen zu bleiben und wieder zurück zu eilen. Ins Badezimmer. Herr Gott, so durch den Wind kann man doch nicht sein! Während ich über mich selbst fluchte, machte ich mich fertig und blieb anschließend eine ganze Weile lang vor dem Spiegel, der über dem Waschbecken hing, stehen. Ich seufzte laut. Warum musste ich auch so viel auf mich nehmen? Und dabei war die ganze Scheiße hier meine Idee gewesen! Nein, Gackt! So nicht! Die Dreharbeiten haben noch nicht einmal angefangen. Du ziehst das durch. Natürlich. Du lässt dich ab jetzt von Nichts und Niemandem unterkriegen. Auf keinen Fall. Du wirst diesen Film drehen und er wird in ganz Japan, in jedem noch so kleinen Kino vorgeführt werden und damit wird ein weiteres Kapitel deiner Geschichte abgeschlossen werden. Ja. Und jetzt gehst du runter und frühstückst mit Hyde. Nein, niemals! Aaargh! Ich schlug so fest ich konnte gegen den Spiegel. Aber so fest ich konnte, war viel zu fest. Das Glas bekam Risse und Scherben schnitten in meine Haut. Ich sah mich an und hasste mich. Warum sah sich so wütend aus? Warum war ich so verzweifelt? Warum hatte ich mich nicht unter Kontrolle? Wutentbrannt stürmte ich aus dem Bad und rannte ins Wohnzimmer. Ich nahm ein Taschentuch und legte es auf meine Verletzungen an der linken Hand, um die Blutung zu stoppen. Dann ging ich weiter ins Schlafzimmer und suchte mir eine Rolle Verband aus dem kleinen Nachtschrank neben dem riesigen Bett. Ich tat mich äußerst schwer und ungeschickt darin, den Verband um meine Hand zu wickeln, schaffte es letztendlich aber doch. Ich ließ mich resigniert auf mein ungemachtes Bett sinken und schloss für einen Moment die Augen. Das war ja ein toller Start in den Tag. Aber wenigstens fiel mir jetzt ein wieso ich mein Spiegelbild vorhin nicht hatte ausstehen können. Ich hatte vergessen die Kontaktlinsen einzusetzen. Wieder etwas neuen Mut schöpfend ging ich zurück ins Badezimmer und setzte mir vorsichtig die winzigen Plastikdinger in die Augen. Ich blinzelte einige Male und blickte mein Spiegelbild, welches jetzt einige Risse hatte, erneut an. Es war in Ordnung so. Das Blau meiner Augen beruhigte mich unglaublich. Durch dieses Blau konnte niemand hindurchsehen, so viel war sicher. Und so viel reichte mir auch. Niemand musste sehen, wie fertig ich manchmal war, niemand musste sehen wie ängstlich ich manchmal war, niemand musste sehen wie einsam ich manchmal war. Solange niemand meine Augen sah, konnte auch niemand meine Seele sehen. So war das. Fest entschlossen ließ ich schließlich mein Apartment hinter mir und ging auf den Aufzug zu. Mein Blick viel auf die Bandage, die ich um meine linke Hand gebunden hatte. Darauf bildeten sich schon dunkle Flecken. Da hörte wohl irgendein Kratzer nicht auf zu bluten. Ich ignorierte die Verletzung, drückte mit meiner gesunden Hand den Schalter am Aufzug und wartete darauf, dass das Teil endlich hier oben ankam. „Guten Morgen.“ Als ich diese vertraute Stimme hinter mir hörte, zuckte ich zusammen. Nicht weil sie vertraut war, sondern weil ich sie im Moment als unangenehm empfand. Und viel zu gut gelaunt. Wieso grinste der schon wieder? „Gut geschlafen?“, fragte Hyde mich als ich mich zu ihm umgedreht hatte. „Ja.“, gab ich widerwillig zurück. Ich hatte absolut keine Lust nett zu sein, er war gestern auch nicht nett zu mir gewesen. Gott, war das kindisch. Und ungesund für den Film. Wenn unsere Zusammenarbeit nicht funktionierte, würde der Film darunter leiden. Verdammt! „Und du?“, fragte ich ihn vorsichtig und lächelte schwach. Ich musste jetzt höflich sein. Ich musste. „Ich hab zwar nicht viel geschlafen, aber die paar Stunden die ich geschlafen habe, waren sehr wohltuend gewesen, ja“, lächelte er mich an. „Das ist schön“, murmelte ich, weil ich ganz und gar nicht wusste, wie ich nett zu jemanden sein sollte, dem ich am liebsten den Hals umgedreht hätte. „Ich bin schon gespannt wie die Dreharbeiten heute verlaufen werden“, lächelte Hyde weiterhin. Ich fragte mich woher auf einmal dieser Stimmungswechsel kam. Gestern war er vollkommen kalt gewesen und heute... wieder so freundlich und liebevoll wie immer. „Ich auch.“ „Was du auch?“ „Ich bin auch gespannt.“ Wir lachten. Schließlich kam der Aufzug bei uns an und wir stiegen ein. Es war sonst niemand drin, wir waren alleine. Ich lehnte mich an die Wand gegenüber von Hyde und schloss meine Augen. Nur keine Unterhaltung bitte. Tatsächlich sagte Hyde kein Wort mehr. Verwundert öffnete ich die Augen wieder und blickte ihn an. Er merkte nicht einmal, dass ich ihn ansah. Er starrte unentwegt auf meine Hand. Auf meine verletzte Hand. Gerade als ich etwas sagen wollte, lösten sich seine Augen von dem Verband und richteten sich direkt auf meine. „Was hast du gemacht?“, fragte er mich, aber in seiner Stimme lag überhaupt keine Besorgnis. Scheiße. Ich hatte mir noch keine Ausrede ausgedacht. Ich wusste, dass ich etwas vergessen hatte! „Ich...“, fing ich den Satz schon mal an, um Zeit zu gewinnen. „Ich habe mich geschnitten.“ Als ich Eiskönigin vor meinem Spiegel gespielt habe. Wäre mir nicht noch irgendetwas offensichtlicheres eingefallen?! Hydes Gesichtsausdruck veränderte sich leicht, doch deuten konnte ich seinen Blick trotzdem nicht. „Womit hast du dich geschnitten?“ Es war wohl eine Frage die jeder andere auch gestellt hätte, aber so wie Hyde sie stellte, war sie mir viel zu direkt. Fast so, als ob er wusste, dass ich etwas verheimlichte und er darauf aus war, mir dieses Geheimnis zu entlocken. Das war mir schon wieder viel zu unheimlich. Ich wollte nicht antworten. Ich wollte nicht hier sein. Ich wollte nicht, dass er mich so ansah. Nicht schon wieder. „Mit einem Messer“, gab ich schnippisch zurück und im selben Moment wurde mir bewusst, dass ich ihm ins Gesicht gelogen hatte. „Womit denn sonst?“ Wieso fühlte ich mich so angegriffen? Wieso brachte Hyde mich andauernd dazu, zu lügen? Ich war kein Lügner! Ich wollte nicht lügen. Er grinste. Schon wieder. War das ein Deja-vu? „Schon gut“, er hob beschwichtigend die Hände. „War ja nur 'ne Frage.“ Erleichtert nahm ich meinen Blick von ihm. Doch ich merkte, dass er mich weiter anstarrte. Zu früh gefreut. „Man kann sich auch an anderen Sachen schneiden, weißt du?“ Er klang zwar freundlich, aber es fühlte sich so an, als wäre diese Freundlichkeit nur aufgesetzt. „Zum Beispiel an Glas.“ Bei dem Wort Glas erstarrte mein Körper für einen Augenblick. Er konnte unmöglich wissen... „Oder an Papier“, fuhr er unbeirrt fort, als hätte er meine Reaktion nicht bemerkt. Du elender Teufel. Was willst du eigentlich von mir? Ich sah ihn finster an. „Worauf willst du hinaus?“ Er steckte seine Hände lässig in die Taschen seiner etwas weit ausgeschnittenen, schwarzen Hose und ließ seine anscheinend allwissenden Augen weiterhin auf mir ruhen. „Naja, wenn du dich schon schneidest, solltest du wenigstens dazu in der Lage sein, dich richtig zu verarzten.“ Sein Blick viel wieder auf meine Hand. „Es hört nicht auf zu bluten“, sagte er mir, als wenn ich es nicht selber wüsste. „Hör zu, Haido“, ich tat zwei Schritte auf ihn zu. Genug um so dicht bei ihm zu stehen, dass ich seinen Atem an meinem Hals spüren konnte. „Das war ein Unfall, ich habe mich nicht absichtlich geschnitten. Und selbst wenn, würde es dich nichts angehen.“ Meine Stimme war lauter geworden als nötig, aber Hyde hatte sich von meinem Wutausbruch kein Bisschen aus der Ruhe bringen lassen. Wütend über mich selbst, schlug ich beide Hände gegen die Wand, an der Hyde lehnte, direkt neben seinem Kopf. Er zuckte nicht. Er blinzelte nicht einmal. Ich ließ meine Hände wo sie waren, sodass der Kleine zwischen mir und der Wand gefangen war. „Ich hab's dir gesagt. Ich habe mich an einem Messer geschnitten und mit nur einer Hand ist es nunmal schwer einen Verband anzulegen. Also komm mir nicht mit deiner aufgesetzten Besorgnis, ich verblute schon nicht!“, fauchte ich ihm ins Ohr. Ich war so wütend, ich hätte diesem Bastard Eine reinhauen können. Aber Hyde reagierte immer noch nicht. Er nahm die Augen nicht einen Moment von mir. Er war nicht eingeschüchtert. Überhaupt nicht. Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. „Wenn ich dir jetzt also den Verband abnehme, dann werde ich da keine Glasscherben in deiner Haut finden, richtig?“, fragte er amüsiert und verdammt selbstsicher. Bevor ich mich von ihm weg bewegen konnte, hob er seinen linken Arm zur Schaltfläche des Aufzugs, die direkt neben ihm lag, und drückte einen Knopf. Der Aufzug blieb ruckartig stehen. Und genauso plötzlich wie das Teil stehen geblieben war, bekam ich Panik. „Was soll das?!“, fragte ich ihn aufgebracht und wich gleichzeitig von ihm zurück. Er grinste immer noch, bewegte sich aber kein Stück. „Nimm den Verband ab“, befahl er mir, ohne ein Anzeichen davon, dass er einen Scherz machte. Er meinte es vollkommen ernst. Ich hatte jetzt so viele Möglichkeiten zu antworten. Aber ich konnte nicht entkommen. Wieso wollte ich entkommen? Weil er mich hier festhielt! Weil ich Angst hatte! „Was soll das, Haido?!“ Ich schrie ihn an, ich wusste schon gar nicht mehr was ich sagte. Er sollte nur damit aufhören. Aber er hörte nicht einmal auf zu grinsen. „Hör auf!“ Ich konnte so viel schreien wie ich wollte. Es würde niemand hören und Hyde rührte sich einfach kein Stück. Angst und Wut. Das war bei mir nie eine gute Kombination gewesen. „Wieso machst du das? Macht dir das Spaß?!“ Ich ging wieder auf ihn zu, ich konnte mir nicht anders helfen. Wie war das? Angriff ist die beste Verteidigung. Das Problem war, dass Hyde mich ja gar nicht angriff. Er stand bloß da. Und machte mir Angst. „Jagst du mir gerne Angst ein?“ Ich war so wütend, weil ich so viel Angst hatte. Ich war wütend, weil ich Angst vor jemandem hatte, der kleiner und schwächer war als ich. Ich war wütend, weil er mich so aus der Fassung gebracht hatte. Das war der Stress. Ich atmete tief ein und blieb ruhig vor Hyde stehen. Zu viel Stress. Ich hatte total überreagiert. Das war alles. Aber Hyde grinste immer noch. Er sagte nichts. Ich starrte ihn wütend an. „Das ist nicht witzig, Hyde. Das ist überhaupt nicht witzig.“ „Nein, das ist es tatsächlich nicht.“ Endlich verschwand das Grinsen von seinen Lippen, doch ich konnte mich nicht darüber freuen. „Warum machst du so ein Theater, Gac-chan? Hast du Platzangst?“ Seine Stimme war unberührt, tonlos, weder Ärger noch Besorgnis noch sonst irgendwas war darin zu hören gewesen. Ich sah ihn einfach nur an, unfähig noch etwas zu sagen oder zu tun. „Ich bitte dich darum den Verband abzunehmen und du rastest total aus. Wie unprofessionell.“ Hyde nahm seine Hände aus den Taschen und verschränkte seine Arme vor der Brust. Jetzt war das ganze auch noch meine Schuld! Er ging entschieden zu weit. Als ob es nicht schon schlimm genug gewesen wäre, den Aufzug anzuhalten und mich somit hier festzunageln und mich dann dazu zu zwingen etwas zu tun, was ich nicht tun wollte. Und mir zu allem Überfluss auch noch eine Heidenangst einzujagen. Das war eindeutig zu viel des Guten. Das konnte sich selbst jemand wie Hyde nicht erlauben. Und schon gar nicht mit mir. „Du hast mich nicht darum gebeten. Du hast es mir befohlen“, sagte ich ihm, sehr darum bemüht, nicht gleich loszubrüllen. „Was macht das für einen Unterschied? Getan hast du's immer noch nicht.“ Er klang gelangweilt und genervt, aber in keiner Weise, entschuldigend oder rücksichtsvoll. Darauf fiel mir einfach nichts mehr ein. Ich hätte ihn so gerne angebrüllt, aber mir fehlten die Worte. Als wenn er sie mir gestohlen hätte. „Du gehst zu weit“, sagte ich ihm ruhig und gefasst. Ich nahm meine Augen von ihm und wollte den Knopf drücken, um den Aufzug wieder zum Laufen zu bewegen, doch Hyde schlug meine Hand weg und stellte sich vor die Schaltfläche. Völlig entgeistert blickte ich auf ihn herab. „Noch bin ich nicht zu weit gegangen“, informierte er mich seelenruhig. „Und jetzt nimm den verdammten Verband ab.“ Das konnte doch unmöglich wahr sein. Er konnte mich doch nicht hier festhalten, nur weil ich ihn wegen einer Verletzung angelogen hatte. Warum tat er das? Warum habe ich ihn überhaupt das erste Mal angesprochen? Langsam, ganz langsam, bereute ich vielleicht, ganz vielleicht, meinen Entschluss mit diesem Mann zusammen zu arbeiten gewollt zu haben. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. „Okay, du hast gewonnen“, hauchte ich kaum hörbar und senkte meine Augen auf den Boden. „Ich habe mich nicht mit einem Messer geschnitten. Ich habe... der Spiegel. Ich habe den Spiegel zerschlagen, weil ich wütend war.“ Vorsichtig blickte ich ihn an. Hyde hob amüsiert eine Augenbraue. „Das wollte ich zwar nicht wissen, aber gut“, lachte er sanft. „Und jetzt nimm endlich den Verband ab, okay?“ Wozu? Er wusste doch jetzt die Wahrheit. Er wusste doch jetzt, dass ich ihn angelogen hatte. Vielleicht hatte er es von Anfang an gewusst. „Warum?“, fragte ich ihn nervös. Es war jetzt schon das dritte Mal, dass er mir sagte ich solle den Verband abnehmen. Was wollte er? Hyde seufzte laut. „Das hab ich doch schon gesagt. Da sind Glasscherben in deiner Wunde.“ Ich sah ihn erstaunt an. Aber das nahm mir weder die Angst noch die Wut, die ich in mir spürte. Ich wollte ihm trotzen. Aus was für einem Grund auch immer. Ich wollte nicht das machen, was er mir sagte. Er hatte kein Recht mir überhaupt irgendetwas zu sagen. „Gac-chan“, mahnte er mich und neigte seinen Kopf leicht zur Seite, als wolle er mir zeigen, dass er langsam die Geduld verlor. Ich schluckte. Mit meiner rechten Hand umklammerte ich das Handgelenk meiner Linken. Das Blut war schon fast durch den Verband durch. Es hörte wirklich nicht auf zu bluten. Und es hörte auch nicht auf zu schmerzen. Aber Schmerzen ignorierte ich seit meiner Kindheit, Schmerzen konnte man mir nicht ansehen. Hyde seufzte laut und demonstrativ auf und griff dann nach meiner Hand. Erschrocken wich ich zurück, mein Rücken prallte gegen die Wand. „Halt still sonst tue ich dir weh.“ Ich wusste nicht warum, aber aus irgendeinem Grund nahm ich ihm diese Drohung sofort ab. Also tat ich nichts weiter als an der Wand zu kauern und verwirrt dabei zu zusehen wie Hyde die Bandage von meiner Hand entfernte. Ich wollte ihm sagen, dass er aufhören sollte, aber ich wollte nicht wie ein Idiot dastehen. Obwohl ich das wahrscheinlich ohnehin schon tat. Ich ließ mir von einem Zwerg Angst einjagen und zu allem Überfluss folgte ich ihm auch noch aufs Wort. Das war zum Kotzen. Genau so fühlte ich mich in diesem Moment. Mir war schon fast schlecht. Schließlich hatte er den weißen Verband ganz abgenommen und nichts hinderte das Blut mehr daran über meine Finger zu fließen und auf den Boden des Aufzugs zu fallen. Ich starrte die dunkelroten Flecken zu meinen Füßen fasziniert an. Und es wurden immer mehr. Hyde drückte seine Kiefer aufeinander und drehte meine Hand in seiner so, dass er der Handinnenfläche sehen konnte. Es schien ihm nicht das geringste auszumachen, das Blut zu berühren. „Wie gut das du die Scherbe beim verbinden noch tiefer in dein Fleisch gedrückt hast“, sagte er ironisch, grinste aber kein bisschen. Ich wollte meine Hand wegziehen, weil ich befürchtete er würde versuchen die Scherbe da raus zu bekommen. Allerdings hielt er mein Handgelenk so fest umklammert, dass ich den Versuch frei zu kommen, nur andeuten konnte. Er bemerkte meinen Versuch zwar, tat aber so als hätte ich mich gar nicht bewegt. „Das wir jetzt weh tun.“ Ja, das habe ich mir gedacht. „Lass das lieber einen Arzt machen“, versuchte ich auf ihn einzureden, obwohl ich wusste, dass es so gut wie sinnlos war. Jetzt hatte er schon damit angefangen, da würde er es ganz sicher auch zu Ende bringen. Ob es mir nun gefiel oder nicht. Ich versuchte ein zweites Mal meine Hand aus seinem Griff zu winden, scheiterte aber genauso kläglich wie beim ersten mal. Genau genommen noch kläglicher, denn Hyde reagierte auf meinen zweiten Versuch und festigte seinen Griff schmerzhaft. Langsam bekam ich wieder Panik. „Komm schon, Haido. Lass das einen Arzt machen.“, flehte ich schon fast. Ich fragte mich allerdings ob ein Arzt das weniger schmerzfrei hinkriegen würde. Als Hyde die Spitze der Glasscherbe zwischen seinen Daumen und seinen Zeigefinger nahm, war ich mir sogar ganz sicher, dass ein Arzt so etwas besser machen würde. Die hatten doch Geräte für so was. Die würden das nicht mit ihren Fingern rausziehen. „Aber der Arzt würde dir das ganze Blut von der Wunde absaugen“, sagte Hyde lächelnd. „Was wäre das für eine Verschwendung.“ Den letzten Satz bekam ich nicht mehr richtig mit, da er das scharfe Glas einfach so herauszog ohne mich überhaupt zu warnen. Ich stieß einen kurzen, lauten Schrei aus und beugte mich reflexartig nach vorne. Die kleine Scherbe war Blutgetränkt, genau wie meine Hand. Und Hydes Hände. Sie waren beide rot, voller Blut. Der Anblick verstörte mich irgendwie. Nicht weil seine Hände rot waren, sondern weil Hyde das so ganz egal war. Das war krank! Oder ich war krank... Ich glaubte doch nicht ernsthaft, dass Hyde mein Blut berühren wollte. Wenn es tatsächlich so aussah, dann stimmte irgendetwas nicht. Ganz und gar nicht. Wie in Trance starrte er auf meine Hand, die immer noch in seiner lag, und die beide Blutbeschmiert waren. Mir wurde schwindelig. Ich versuchte erneut mich von ihm zu befreien, aber er ließ nicht locker und es tat unglaublich weh. Er drängte mich weiter gegen die Wand. Diesmal war ich derjenige der gefangen war und es war wie ein Schock für mich festzustellen, dass ich mich nicht befreien konnte. „Hyde.“ Ich konnte mich schon selbst nicht mehr richtig hören. Aber ich konnte noch genau sehen, wie Hyde meine Hand zu seinem Mund führte. Nur halbherzig versuchte ich sein Vorhaben zu verhindern, da ich wusste, dass ich nicht stark genug war, um gegen ihn anzukommen. „Hyde!“ Er reagierte einfach nicht und ich konnte mich nicht mehr bewegen. Ich wusste nicht einmal mehr wo oben und wo unten war. Es war zu spät. Als ich endlich realisierte was er vor hatte, waren seine Lippen schon in das Rot getaucht und er küsste meine Hand. Ein Kuss der schmerzte. Mehr noch, als die Glasscherbe. Mein ganzer Körper war angespannt und komplett regungslos. Meine Gefühle waren erstarrt. Ich hatte keine Angst mehr und ich war nicht mehr wütend. Und dann verschwand das Rot und der Schmerz, und alles wurde Schwarz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)