Des Glückes Schmied von Seranita (Wichtel FF) ================================================================================ Kapitel 4: Missverständnis -------------------------- Kapitel 4: Missverständnis Wieder stand Oishi vor der inzwischen vertrauten Tür zum Haus der Kikumarus. Die letzten Tage war er regelmäßig hierher gekommen. Er und Eiji hatten sich täglich getroffen und Oishi hatte die Zeit wirklich genossen. Allerdings war er besorgt um die Verfassung seines Partners. Eiji hatte mit keinem Zeichen erkennen lassen, dass er sich wegen der nahenden Routineuntersuchung Sorgen machte, aber Oishi machte sich trotzdem Gedanken. Vielleicht hatte Eiji ja auch Recht und das lag wirklich in seiner Natur. Auf das Gespräch, dass sie am ersten Tag nach Eijis Entlassung geführt hatten, waren sie nicht weiter eingegangen. Stattdessen waren sie stillschweigend überein gekommen, es einfach so ruhen zu lassen und gewisse Dinge lieber unausgesprochen zu lassen. Zwischen ihm und seinem Partner hatte es ohnehin nie viele Worte gebraucht. Sie konnten sich auch so verständigen, einfach nur aufgrund ihres Verhaltens. Das war auch mit ein Grund, der ihnen zu ihrem Namen „Golden Pair“, verholfen hatte. Allerdings war es Oishi in letzter Zeit auch irgendwie so vorgekommen, als wäre ihr Verhältnis ein wenig getrübt worden. Man hatte es ihnen nicht sehr stark angesehen, andere hatten es vermutlich nicht einmal bemerkt, aber Oishi war es vorgekommen, als wäre Eiji ein wenig zurückhaltender geworden, beinahe so, als stünde etwas zwischen ihnen, etwas, das sich nicht damit begnügte, schweigend hingenommen zu werden. Aber solange Eiji sich entschloss, nichts zu sagen, konnte er nichts machen. Also vertraute er einfach darauf, dass dieser vernünftig genug war, ihn einzuweihen, bevor etwas ernsthaftes passierte. Bei Eiji. Zwischen ihnen. Wie auch immer. Zumindest in der Theorie! Oishi konnte allerdings nicht verhindern, dass er sich damit beschäftigte. Es war ja nicht so, dass er sich nicht selbst bemüht hätte, eine Antwort zu finden. Er hatte versucht mit Fuji zu sprechen, aber außer einem undurchsichtigem Lächeln keine Antwort erhalten. Und auch Tezuka konnte ihm nicht weiterhelfen. Aber Tezuka konnte ohnehin nur wenig mit außerplanmäßig verlaufenden menschlichen Reaktionen anfangen. Diese bereiteten ihm noch mehr Probleme als Oishi. Er hatte sich also notgedrungen damit abgefunden, da er nicht damit rechnete, dass noch einer der anderen Regular etwas bemerkt hatte. Trotz dieser Sache zwischen ihnen und Eijis verletztem Bein waren die letzten Tage schön für Oishi gewesen. Er hatte es genossen, seine Zeit mit Eiji zu verbringen, vor allem, weil sich das unter der Schulzeit so selten ergab. Natürlich, sie sahen sich während dem Training, aber da konnte man sich so schlecht entspannen. Auch die Wochenenden waren meist aufgrund von Extratrainings oder Turnieren gesperrt. Nicht, dass es Oishi wirklich gestört hätte, aber er musste feststellen, dass etwas mehr freie Zeit ebenfalls nicht schlecht war. Oishi wusste nicht, wie lange er so in seine Gedanken versunken dort gestanden hatte, aber ihm fiel auf, dass er nun vielleicht allmählich einmal klingeln sollte, wenn er nicht den ganzen Tag vor der Tür verbringen wollte. Er errötete leicht vor Verlegenheit und war froh, dass ihn niemand gesehen hatte, als er endlich die Klingel betätigte. Die Türe wurde geöffnet und Oishi war überrascht, Eijis große Schwester vor sich stehen zu sehen. Aus irgendeinem Grund hatte er Eiji erwartet, schließlich hatte dieser auch die letzten Tage immer geöffnet. “Oishi-kun.“, meinte sie überrascht. “Du bist aber früh dran.“ Oishi warf einen raschen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass er gut eine Viertelstunde früher gekommen war, als abgemacht. Er wollte sich entschuldigen, doch Eijis Schwester kam ihm zuvor. “Eiji ist noch in seinem Zimmer, aber komm ruhig schon einmal rein. Du weißt ja sicher, wo sein Zimmer ist.“ “Ja, danke.“ Mit einem entschuldigenden Lächeln ging Oishi an ihr vorbei. Er war schon einige Male bei seinem Partner zu Besuch gewesen und kannte sich deshalb doch recht gut aus. Eijis Zimmer lag im ersten Stock. Oishi konnte schon von den Treppen aus seine Stimme hören. Scheinbar unterhielt sich Eiji mit jemandem. Gerade als er vor dem Zimmer stand und anklopfen wollte, hörte er jedoch seinen Namen fallen. Er ließ die Hand sinken. “Nyaa, Fuji. Er kümmert sich so lieb um mich, aber ich glaube, er will das eigentlich gar nicht.“ Unterhielt sich Eiji gerade mit Fuji? Aber er war doch alleine in seinem Zimmer, nicht wahr? Eiji lauschte kurz, dann sprach er weiter. Er telefonierte offensichtlich gerade. “Nein, er hat nichts gesagt. Aber Oishi ist doch stets so besorgt, dass er jemanden verletzen könnte. Ich glaube, er versucht es sich nur nicht anmerken zu lassen.“ Eijis Stimme klang irgendwie traurig. Das war Oishi sofort aufgefallen. Er verkrampfte sich. Er sollte nicht hier stehen und Eiji belauschen. Aber das hier betraf ihn. Er hatte immer gedacht, dass Eiji absolut offen ihm gegenüber war. Zumindest die meiste Zeit. Aber scheinbar gab es Dinge, die er ihm verschwiegen hatte. Irgendwie fühlte sich Oishi enttäuscht, dass Eiji ihm das nicht persönlich erzählt hatte. “Weil er sich schuldig fühlt. Er glaubt, er müsse damit etwas gut machen. Aber eigentlich will er mit meinen Problemen nichts zu tun haben. Warum sonst wäre er aus dem Krankenhaus verschwunden?!“ Also hatte Eiji es ihm wirklich übel genommen, dass er aus dem Krankenhaus verschwunden war. Es war klar gewesen, dass er die wackelige Ausrede durchschauen würde. Das war es also, was Eiji von ihm dachte - und er konnte ihm das noch nicht einmal richtig übernehmen. Es war ja schließlich seine Schuld. Oishi trat leise einen Schritt zurück. Er war sich nicht sicher, ob er den Rest überhaupt noch hören wollte… “Nein. So will ich nicht mit ihm zusammen sein…“ Langsam nur verstand er, was Eiji da gesagt hatte. Eiji wollte also keine Zeit mit ihm verbringen. Wahrscheinlich hatte er die letzten Tage nur Oishi zuliebe ertragen, damit er sich nicht mehr schuldig fühlte. Dann war das alles also nur aufgesetzt gewesen? Bedrückt wandte sich Oishi ab. Er hatte genug. Es war besser, wenn er sich Eiji nicht weiter aufdrängte. Er war schon zur Hälfte die Treppe runter gegangen, als Eiji noch einmal etwas sagte. Es drang nur noch sehr leise an seine Ohren. “Nya, Ich muss aufhören, Fuji. Oishi kommt vermutlich gleich…“ “Oishi-kun? Gehst du schon?“, fragte Eijis Schwester erstaunt, als sie ihn schon so früh wieder erblickte. Oishi zwang sich zu einem Lächeln. “Es ist etwas dazwischen gekommen.“ Sie erwiderte noch etwas, aber Oishi war nicht mehr richtig bei der Sache. Er wollte erst einmal weg von hier. Auch wenn er damit erneut vor Eiji weglief. Aber war es nicht das, was dieser ohnehin von ihm erwartete? Scheinbar verließ er sich nur während des Tennis wirklich auf ihn - und da war Oishi ihm keine Hilfe, wie man gesehen hatte. Er verabschiedete sich rasch und machte sich dann auf dem Heimweg. „In Ordnung. Ich verspreche, dass ich mit ihm reden werde…“, sagte Eiji im selben Moment in seinem Zimmer. Er legte auf. “Ich werde es ihm sagen…“ Aber das hörte Oishi längst nicht mehr. *** “Hoi, Oishi…“, schallte die heitere Stimme von dem Anrufbeantworter. “Wo warst du heute denn? Warum bist du nicht gekommen? Ich habe mich schon gefragt was los ist, bis meine Schwester mir gesagt hat, dass du da gewesen, aber gleich wieder gegangen bist. Nyaa, wenn etwas dazwischengekommen ist, dann hättest du es mir doch ruhig sagen können. Ich kann auch einen Tag alleine verkraften.“ Oishi konnte sein Grinsen förmlich sehen. Ein Rascheln war zu hören, das darauf schließen ließ, dass Eiji sich anders hingesetzt hatte. Er konnte ja auch schlecht länger stehen mit seinem Fuß. „Was ist eigentlich so wichtiges passiert? Du hattest doch erwähnt, dass du heute alleine zu Hause bist…“ Einen Moment lang kam nur Rauschen aus dem Apparat. “Oishi…“ Ein leichtes Zögern war Eiji nun zu entnehmen. Als er weiter sprach, klang er leicht nervös, was äußerst ungewöhnlich war. Oishi wurde aufmerksam. „Wenn du daheim bist, dann ruf mich bitte zurück. Also, wenn du Zeit und Lust hast. Aber ich muss mit dir reden… Okay? Also, ruf mich bitte an… Es ist wirklich wichtig…“ Er schwieg kurz. „Nun, ich denke, du bist noch nicht da. Also, bis dann.“ Der Anrufbeantworter piepste und verstummte dann. Oishi blieb eine Sekunde stumm stehen und spulte dann das Band zurück, um die Nachricht erneut abspielen zu lassen. Noch einmal erklang Eijis Stimme, die von dem Anrufbeantworter etwas hölzern und mit einem Rauschen durchsetzt wiedergegeben wurde. Der Anruf war nicht einmal zehn Minuten, nachdem er Eijis Haus verlassen hatte, eingetroffen. Eiji musste also es also wirklich auf dem Herzen liegen, wenn er nicht einmal wartete, bis er sicher sein konnte, dass Oishi wieder daheim war. Vielleicht hatte er erraten, dass er sein Telefonat belauscht hatte und wollte es ihm nun erklären. Wenn dem so war, dann wollte Oishi es nicht unbedingt hören. Eiji musste sein Verhalten nicht rechtfertigen. Vielleicht ging es aber auch um etwas anderes? Es ist wirklich wichtig… Zumindest wäre es sehr unhöflich, wenn er einfach nicht reagierte. Also hob Oishi den Hörer auf und drückte schweren Herzens auf die Wahlwiederholung. Er fühlte sich immer noch etwas enttäuscht, dass Eiji ihm nicht geradeheraus gesagt hatte, was er dachte. Es dauerte nur eine Sekunde, dann wurde der Hörer abgehoben und Eiji fragte hektisch: “Oishi?! Bist du das?!“ “Hallo Eiji.“ Scheinbar beschäftigte es Eiji wirklich. Dennoch ertappte sich Oishi dabei, wie seine Stimme abweisender als sonst klang, als er Eiji antwortete. „Ich habe gerade deine Nachricht abgehört. Was gibt es denn so wichtiges?“ Wieder das Zögern. “Ich muss mit dir reden. Aber nicht unbedingt am Telefon. Können wir uns noch einmal treffen?“ Nicht einmal eine halbe Stunde später stand Oishi an dem Treffpunkt, der er mit Eiji vereinbart hatte. Vor ihm befand sich ein alter Container, der von einer Sicherheitssperre umzäunt war. Er sollte demnächst abgerissen werden. Hinter ihm befanden sich einige Bäume und eine kleine Wiese. Es war noch immer helllichter Tag, aber dennoch war weit und breit niemand zu sehen. Das verwunderte Oishi allerdings weniger, er war schon oft hier gewesen und nur selten hatte sich jemand hierher verirrt. Er war froh darüber, denn er genoss die Ruhe und Ungestörtheit dieses Ortes. Oishi hatte sich nicht gewundert, dass Eiji ausgerechnet diese Stelle vorgeschlagen hatte, um sich zu treffen. Nicht nur war die Landschaft hier wunderschön, man hatte auch einen sehr guten Blick auf die Stadt und ihre Umgebung. Zudem besaß dieser Ort Tradition für das Golden Pair. Sie waren hier häufig zusammen hierher gekommen, vor und nach Tennis Spielen, hatten sich Mut zugesprochen oder getröstet. Dies war auch der Ort, zu dem sie immer gegangen waren, wenn sie Probleme zwischen sich zu lösen hatten. Und dies war ganz offensichtlich der Fall. Das Geräusch eines Motors durchbrach die Stille. Oishi wandte den Kopf und sah das Auto der Kikumarus den Weg entlang fahren. Er selbst war mit dem Fahrrad gekommen. Aber natürlich konnte Eiji schlecht zu Fuß gehen. Dieser Ort lag etwas außerhalb der Stadt und war deshalb zu weit entfernt, als das man ihn zu Fuß erreichen konnte. Anscheinend schien Eijis Vater, wie Oishi nun erkannte, aber nicht bleiben zu wollen, denn sobald Eiji ausgestiegen war, verließ das Auto diesen Platz auch schon wieder. „Hast du lange gewartet?!“, fragte Eiji, als er auf Oishi zukam. Dieser schüttelte nur den Kopf. „Ich bin selbst gerade erst angekommen.“ Oishi trat ein paar Schritte zurück und hob die Absperrung zu dem Container an. Es war nur ein loses Band und war locker genug gespannt, dass man darunter durchschlüpfen konnte. Wahrscheinlich hatten nicht einmal die Sicherheitsleute damit gerechnet, dass noch jemand hierher kam. Eiji sah ihn verwundert an und blieb zunächst stehen. Es war normal, dass sie auf den verrosteten Kasten kletterten, damit sie eine bessere Aussicht hatten, aber nun? „Oishi.“, protestierte er. „ Da komme ich nicht hoch.“ „Ich weiß.“, erwiderte Oishi schlicht. Er hatte überlegt, ob er nicht hochklettern und Eiji im Anschluss helfen sollte, aber es erschien ihm zu riskant. Er wollte nicht, dass Eiji sich sein Bein noch weiter verletzte. „Aber wir können uns hinsetzen.“ Endlich setzte sich Eiji wieder in Bewegung und duckte sich unter dem Band, welches Oishi nach oben hielt, hindurch. Sie setzten sich ins Gras, so dass ihnen eine gute Aussicht auf die Stadt beschieden war. Da wohl keiner von ihnen so recht den Anfang machen konnte, schwiegen sie eine zeitlang nur und blickten einfach nur in einträchtigem Schweigen auf die grauen Gebäude vor ihnen, die sich unter dem blauen Himmel abzeichneten. Es war wirklich schönes Wetter. Oishi wusste nicht, wie lange sie dort saßen. Die Sonne begann bereits zu verblassen und die gesamte Umgebung wurde in ein sanftes Rot getaucht. Er genoss es, aber immer mehr wollte er wissen, weshalb Eiji ihn sprechen wollte. Die unangenehme Ahnung, die er hatte, drückte sich auf sein Gemüt wieder und dämpfte die angenehme Stimmung. „Eiji…“, sagte er schließlich ruhig. „Warum wolltest du mich sprechen?!“ „Oishi… ich wollte dir sagen, dass…“, begann Eiji unbeholfen. Er stoppte und fing von vorne an. „Ich hatte vorhin ein Gespräch… mit Fuji. Er meinte, ich sollte dir endlich sagen, was ich denke.“ Oishi seufzte tief. Er hatte es gewusst. Es ging um dieses Thema. Abrupt unterbrach er seinen Freund. „Ich weiß, was du über mich denkst. Eiji, du brauchst es gar nicht zu sagen.“ Eiji riss verblüfft die Augen auf. „Du weißt? Aber… woher?“ Er schien mit einem Mal unruhig und aufgewühlt. „Ich habe es gehört.“, antwortete Oishi und jetzt fühlte er doch, wie er etwas schärfer als sonst reagierte. Irgendwie ärgerte er sich über Eijis Reaktion. Bekam dieser jetzt ein schlechtes Gewissen? „Aber schön, dass du beschlossen hast, es mir wenigstens persönlich zu sagen.“ „Nya, aber Oishi.“ Eiji wedelte hektisch mit den Armen. „Bist du sauer darüber? Ich dachte…“ „Natürlich bin ich sauer. Jeder wäre sauer, wenn sein Freund so etwas von ihm denkt.“, entgegnete Oishi scharf. „Nicht, dass ich mir nicht im Klaren wäre, dass du jedes Recht hast, so zu denken. Aber du hättest er mir wenigstens sagen und nicht mit anderen darüber reden können.“ Die Enttäuschung kam wieder hoch. „Aber Fuji ist doch mein bester Freund.“, erwiderte Eiji kläglich. Er sah todunglücklich aus. „Ich habe irgendjemanden gebraucht, der mich berät.“ „Es tut mir Leid, wenn ich dir nicht helfen konnte. Wenn das alles war, dann gehe ich jetzt.“ Er stand auf. Wahrscheinlich hatte er einfach gehofft, dass Eiji etwas anderes zu ihm sagen würde. Er fühlte sich ungerecht, als er in Eijis Augen blickte. Eiji schien den Tränen nahe. Automatisch bekam er ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hätte er das doch nicht so scharf sagen sollen? Er kannte Eiji doch – Eiji, der nie etwas böse meinte und dennoch manchmal ganz unbewusst verletzende Sachen sagte. Oishi verspürte den Drang, seinen Freund in die Arme zu nehmen und ihm einfach alles zu verzeihen. So lief es eigentlich immer, wenn sie beide stritten. Aber dieses Mal nicht. Oishi trat noch einen Schritt zurück. Es versetzte ihm einen Stich, Eiji so zu sehen, aber dieser musste eben auch einmal seine Lektion lernen. Er musste lernen, dass er sich nicht immer so verhalten konnte. „Weißt du, Eiji. Wenn du nicht mit mir zusammen sein möchtest, dann sag es doch einfach das nächste Mal.“, sagte er nur noch und schlüpfte unter dem Band hindurch. Er hörte noch Eijis scharfes Atemholen und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie er sich hastig aufrappelte. „Oishiii! Warte.“ Aber er kümmerte sich nicht darum. Schnellen Schrittes ging er zu seinem Fahrrad. Ihm war bewusst, dass Eiji ihn nicht einholen konnte. Nicht so gehandicapt, wie er im Moment war. Es tat ihm Leid, Eiji hier alleine zurückzulassen, aber er war sich sicher, dass dessen Eltern ihn vermutlich nach einer gesetzten Zeit wieder abholen würden. Er ging weiter, bis er sich sicher war, nicht mehr in Eijis Sichtweite zu sein. Er wollte keine Entschuldigen hören. Nicht von Eiji, der doch Entschuldigungen und Ausreden niemals nötig gehabt hatte. Seufzend schloss er sein Fahrrad auf und wollte gerade aufsteigen, als er plötzlich wieder die Stimme seines Freundes hörte. „Halt! Fahr noch nicht.“ Erstaunt blickte er auf. Eiji stand auf der kleinen Anhebung, die hinunter zu seinem Fahrrad führte. Wie war es ihm gelungen, ihm so schnell zu folgen? Er musste alle seine Schnelligkeit aufgewendet haben. Schwer atmend stand er nun da, auf die Krücken gestützt, mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck – jenen, welchen er immer aufsetzte, wenn er in einem Tennis Match kurz davor war, alles aus sich herauszuholen und ernst zu machen. Als er bemerkte, dass Oishi tatsächlich innehielt, beeilte er sich noch mehr, zu ihm zu gelangen. Sich dabei so schnell in dem kräftigen Gras zu bewegen, sah für Oishi dabei äußerst riskant aus. Er runzelte die Stirn. Unweigerlich bedeutete er Eiji stehen zu bleiben und auf ihn zu warten. Er machte Anstalten, zu ihm zu gehen. Immerhin wollte er nicht, dass Eiji sich wegen ihm den Fuß noch weiter kaputt machte. Das wollte er nicht riskieren. Es war nicht das erste Mal, dass Eiji nicht auf ihn hörte. Eiji fuhr damit fort, so schnell wie möglich auf ihn zuzukommen, als wenn er fürchten würde, Oishi könnte seine Meinung doch noch ändern. „Bleib da.“, rief Oishi noch, aber es war bereits zu spät. In seiner Hast stieß Eiji mit einer seiner Krücken gegen etwas, was von dem hohen Gras verdeckt wurde – vermutlich ein Stein – und blieb daran hängen. Mit einem überraschten Keuchen fiel er vorwärts. Sein Körper reagierte praktisch ohne sein Zutun. Ohne es wirklich zu realisieren, stürzte Oishi nach vorne, in dem Versuch, Eiji noch rechtzeitig zu erreichen. Es gab ein lautes Krachen, als sein Fahrrad umstürzte. Vielleicht war etwas kaputt gegangen, doch Oishi kümmerte sich nicht darum. Gerade noch rechtzeitig war er bei Eiji und hielt ihn fest. Der Schwung riss ihn mit und nur eine Sekunde später fand er sich selbst mit dem Rücken am Boden wieder. Es fühlte sich an, als wäre sämtliche Luft auf einmal aus seinen Lungen gepresst worden. Sein Rücken schmerzte und im ersten Moment verstand er nicht genau, was geschehen war. „Nyaaa, Oishi. Bist du in Ordnung?!“ Zwei große, besorgt dreinschauende Augen schoben sich in sein Blickfeld und Oishi brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, dass Eiji auf ihm lag. Dieser begann nun in seiner fürsorglichen Art, leicht gegen Oishis Wangen zu schlagen.. Vielleicht war dies seine Art und Weise, festzustellen, ob er schwer verletzt war. „Alles in Ordnung, Eiji.“, entgegnete Oishi, bevor Eiji seinen Wangen noch irreparablen Schaden zufügen würde. Seine Stimme kam ihm eigenartig dünn und heiser vor. „Macht es dir vielleicht etwas aus, von mir runter zugehen?!“ Nicht, dass Eiji so schwer gewesen wäre, aber es hinderte Oishi doch stark am Atmen. „Natürlich nicht.“ Beinahe sofort verschwand das Gewicht, was eben noch seinen Brustkorb gequetscht hatte. Oishi rappelte sich auf. Eiji hatte sich inzwischen so hingesetzt, dass sein Bein nicht belastet wurde. Oishi folgte seinem Blick besorgt. „Was ist mit deinem Bein? Bist du darauf gefallen?!“, fragte er entsetzt. Die möglichen Folgen wollte er sich gar nicht erst vorstellen. Nur zu gut waren ihm noch die Worte der Krankenschwester im Gedächtnis, von wegen Eiji sollte es nicht übertreiben. „Hoi. Keine Sorge.“, meinte Eiji nur und starrte den Gips an. „Es hat einen Moment lang wehgetan, aber jetzt nicht mehr.“ „Dann bin ich ja beruhigt.“, sagte Oishi und beugte sich über den Gips, nur, um sicher zu gehen. Es wäre fatal gewesen, wenn Eiji sich einen Tag vor der Routineuntersuchung noch einmal verletzt hätte. Wo sie beide doch ohnehin schon die ganze Woche wegen des Ergebnisses gebangt hatten. Zumindest er. Andererseits konnte er sich auch nicht vorstellen, dass es Eiji anders ergangen war. Beruhigt lehnte er sich zurück, als er sah, dass der Gips tatsächlich unbeschädigt war. Aber wer wusste schon, wie es innen aussah? Er stand auf und sammelte schnell die beiden Krücken, welche sich bei dem Sturz irgendwie in der Gegend verteilt hatten, wieder auf, um sie Eiji zu geben. Als er sie ihm zurückgab, stellte er fest, das der Blick von Eiji irgendwie... anders war. Warum, wusste er nicht. „Tut dir doch noch etwas weh?!“, fragte er unruhig und kniete sich zu seinem Freund. Diese legte die Krücken achtlos neben sich, blieb ansonsten aber sitzen. Natürlich. Was sollte er auch sonst tun? Er musterte Oishi mit unsicherem Blick, als wüsste er nicht, was er antworten sollte. Mit einem Schlag erinnerte sich Oishi auch wieder, warum dies überhaupt passiert war und leichte Röte breitete sich in seinem Gesicht aus, als er verlegen zur Seite blickte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, nachdem sie diesen Streit gehabt hatten. Durch den kleinen Zwischenfall hatte er sich wieder einigermaßen abgekühlt und er schämte sich für die Dinge, die er Eiji an den Kopf geworfen hatte. Auch wenn er nicht daran zweifelte, dass sie stimmten. Nur hätte er es vorsichtiger formulieren müssen. „Oishi...“ „Eiji.“ Sie brachen ihren Satz gleichzeitig ab. Die Situation hatte für Oishi etwas von einem déjà vu. Aber das kümmerte ihn in diesem Moment nicht. Er wartete und nach einer Sekunde begann Eiji zu sprechen. „Das war es gar nicht, was ich dir sagen wollte.“, sagte er leise. „Wie bitte?“, hakte Oishi nach, nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. Hatte er das eben richtig verstanden. Er beschloss, erst einmal abzuwarten, was Eiji weiterhin sagen würde. „Du hast das völlig falsch verstanden, Oishi.“ „Ich habe doch gehört, wie du gesagt hast, du wolltest nicht mit mir zusammen sein.“, erwiderte Oishi. Was war daran falsch zu verstehen? „Ich kann das nachvollziehen, Eiji, wirklich. Ich meine, ich habe so vieles falsch gemacht. Aber ich hätte mir gewünscht, dass du es mir sagst und nicht am Telefon Fuji erzählst.“ „Aber das stimmt doch gar... Du hast mich belauscht?!“, fragte Eiji verblüfft. Scheinbar hatte er sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht, woher sein Freund alle seine Vorwürfe hatte. Unglaublich. Oishi schüttelte den Kopf. Das war so typisch Eiji. „Ich habe versehentlich einen Teil mitgehört, als ich dich heute besuchen wollte.“, gestand er. Sein Freund nahm die Info einfach hin und schien ihm das nicht im Geringsten übel zu nehmen. Er wirkte lediglich neugierig. „Und deshalb warst du sauer? Aber das war doch völlig anders gemeint.“ Oishi musste zugeben, er wollte es nun wissen. Eiji deutete an, er hätte alles falsch verstanden. Hatte er ihm womöglich Unrecht getan? Aber was für eine Erklärung konnte es dann geben? Er entschloss sich, einfach einmal nur hinzuhören und Eiji nicht wieder zu unterbrechen, um sicherzugehen, dass dieses Mal kein Missverständnis entstand. Er wollte nun wissen, was Eiji gemeint hatte, als er dies gesagt hatte. Eiji wartete eine Antwort auch gar nicht erst ab. Mit einem Mal furchtbar verlegen rollte er eine der Krücken auf seinem Schoss hin und her. Er starrte sie fasziniert an und weigerte sich so, Oishis Blick zu erwidern. „Ich... mag es, Zeit mit dir zu verbringen.“ Die Worte waren leise, nur ein Hauch. Oishi runzelte die Stirn. Das hatte Eiji ihm schon oft gesagt, aber dieses Mal klang es anders. Es klang... ernster. „Ich verbringe auch gerne Zeit mit dir.“, entgegnete er milde irritiert. Er wusste nicht, worauf Eiji hinauswollte, abgesehen davon, dass es dem widersprach, was er geglaubt hatte, gehört zu haben. Eiji hob den Blick und sah ihn mit klaren Augen an. „Nya, du verstehst nicht, Oishi. Ich meine... Ich bin gerne mit dir zusammen.“ Sein Blick schien ihn direkt zu durchschauen. Und Oishi verstand. Wie hatte er nur so einen verhängnisvollen Fehler machen können? Das war es gewesen, was Eiji ihm die ganze Zeit hatte sagen wollen. Und er war von seinen vorschnellen Schlussfolgerungen geblendet gewesen. Wenn er sich nur eine Sekunde Zeit genommen hätte, um seine Wut und unbegründete Enttäuschung niederzukämpfen, wäre das alles nicht passiert. Eine ungeduldige Bewegung Eijis holte ihn wieder aus seinen Gedanken. Für Selbstvorwürfe war auch später noch Zeit. „Eiji...“ Um seinem Partner, der doch so viel mehr für ihn war, zu zeigen, dass er verstanden hatte, nahm er Eijis Hand und drückte sie leicht. Ein Lächeln breitete sich über Eijis Züge aus und er fing an zu strahlen. „Ich mag dich auch sehr.“ Das Lächeln auf Oishis Gesicht war echt. Genauso wie das Stahlen in Eijis Augen. Im Hintergrund wurde das Geräusch eines heranfahrenden Autos laut. Vermutlich Eijis Eltern, die auf dem Weg waren, ihren Sohn abzuholen. Oishi wandte den Blick nicht ab. Die verblassende Sonne warf ein warmes Licht auf Eiji und ließ ihn in einem ganz anderen Bild erstrahlen. Alles in allem sah er durch und durch unschuldig und zufrieden aus. Sein glückliches Lächeln verschaffte Oishi allerdings mehr Wärme und Zufriedenheit, als es die Sonne jemals gekonnt hätte. Vier geschafft, eines noch übrig^^ Ich schätze, es ist allmählich klar absehbar, worauf die Geschichte hinauslaufen wird. Ihr wurdet gewarnt. ^_~ Seranita Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)