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Licht ohne Wärme

Ob unser Kampf jemals enden wird? ...
von

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Wort und Wind - Am Anfang war das Wort

Kommentar: Endlich bin ich bei dem Kapitel angelangt, das auch wirklich diesen Namen trägt. Zweimal hat sich ein anderes dazwischen gemogelt, doch was soll's? Ich kann mich halt nicht kurz fassen, also verflucht meine Ausführlichkeit. Außerdem müssen noch einige Hints mit hinein, damit beim nächsten Kapitel es endlich losgehen kann. Doch zuerst zurück zu Uriel und Raphael. Auch sollte ich vielleicht noch sagen, dass ich gerade dabei bin mir den Manga online durchzulesen. Auf Englisch kommen noch einige nette Details zum Vorschein, die durch die deutsche Übersetzung verloren gegangen sind. Ich kann nur empfehlen sich diese andere Deutung/Interpretation auch mal anzusehen.
 

mangacrack
 

xxx
 

::Kapitel 19 – Am Anfang war das Wort::
 

Die übliche Annahme war häufig, dass die Erde ruhig und unbeweglich blieb. Vielen entgingen die Bewegungen und die Laute, die die Erde machte. Sie waren im Boden zu fühlen. Langsam, aber stetig schoben sich die Erdplatten gegeneinander, ließen Berge wachsen oder Städte aneinander vorbei ziehen, wenn sie denn solange überlebten. Die Erde war ständig in Bewegung, nur tat sie es langsam und von den meisten unbemerkt. Von den Meisten wie gesagt. Doch Uriel konnte es hören, das tiefe Grummeln der Erde, wenn es mit der Lava in seinem Inneren kämpfte. Nur auf der Erdoberfläche war sanftes Leben möglich und selbst da herrschte ein beständiger Kampf um das Überleben. Die Tier- und Pflanzenwelt war ein beständiger Kreis aus Leben, Tod und Geburt, der in aller Stille das Rad der Ewigkeit voran trieb. Unzählige Male hatte sich das schon ereignet. Die Geburt von Landschaften, Rassen und Leben, ehe sie wieder untergingen. Auch dies war schon öfter geschehen, als er zählen konnte und eigentlich gab es nichts, was diesen Kreislauf des Lebens stören konnte.
 

Nichts, außer das Wort.
 

Uriel wusste, dass es keine schrecklichere und machtvollere Waffe gab als das Wort. Die Fähigkeit Gedanken zu formulieren, sie auszusprechen und Folgen wie Konsequenzen daran zu binden, war eine gefährliche Gabe, die aber jedem Engel, jedem Dämon und auch jedem Menschen gegeben worden war. Nicht jeder wusste dies zu gebrauchen, doch intelligente Wesen konnten nur durch Worte allein Welten zerstören, Leben retten oder das Schicksal wenden. Nicht zum ersten Mal fragte sich Uriel, ob Gott sich bewusst gewesen war, das er seinen Untergang besiegelte, als er einigen seiner Schöpfungen die Fähigkeit gab zu sprechen. Sprache in Zusammenhang mit Denken, einem klaren Verstand und vielleicht auch noch einfühlsamem Empfindungsvermögen war im Endeffekt das, was Gott, das theoretisch mächtigste Wesen unter ihnen, zu Fall gebracht hatte.
 

Dabei war Gott nur das älteste Wesen gewesen. Nicht das Intelligenteste.
 

In letzter Zeit hatte Uriel genug Zeit gehabt um über Gottes Fehler nachzudenken und er konnte sich nicht so ganz entscheiden, welcher davon der Größte war.
 

Vielleicht ihnen allen, Engeln wie Dämonen und Menschen, freies Reden zu überlassen, sofern den jemand in der Lage dazu war, Worte richtig zu gebrauchen. Dies war es gewesen, was den Messias so besonders gemacht hatte. Seine Gabe Wesen zu verbinden. Dies hatte sie befreit, nicht die Tatsache, dass er eine unbefleckte Seele gewesen war, wie Alexiel es geglaubt hatte. Es war auch nicht die in ihm ruhende Macht gewesen, denn wäre dies der einzige Faktor, hätte Luzifer niemals Hilfe gebraucht.
 

/Es ist wohl das Einzige, was er nicht kann/, sinnierte Uriel. /Mit Worten umzugehen, war noch nie seine Stärke gewesen und sein Bruder ist auch nicht besser./
 

Manchmal fragte sich Uriel, wie es dazu kam, dass weder Michael noch Luzifer wirklich der Kommunikation fähig waren. Keiner von ihnen gebrauchte Worte sonderlich häufig, auch wenn Michael hin und wieder herumschrie, bis kein Stein auf dem anderen blieb. Sie kämpften stets in aller Stille und beschworen ihre Kräfte stumm. Dabei sollten gerade sie wissen, dass das Wort mächtig war. Nicht nur es wie eine Waffe zu verwenden, um Herzen zu durchbohren und Samen der Schmerzes in der Seele zu hinterlassen, sondern auch um Dinge permanent zu halten. Viel Sinn ergab es nicht, das musste Uriel zu geben, doch er konnte nicht anders als sich darüber wundern, seit die Wahrheit ans Licht gekommen war.
 

Wenn Luzifer immer gewusst hatte, was für ein Tyrann der Schöpfer gewesen war, wieso hatte er nichts gesagt und stattdessen versucht im Alleingang den Vater auszuschalten? Als wäre ihm nicht in den Sinn gekommen das Wort darüber zu verbreiten. Nicht ein Mal die Dämonen hatten davon gewusst, ihr Hass auf Gott beruhte allein auf Trotz, Selbstsucht oder Tragödie. Nicht auf Handlungen mit dem Wissen dahinter, dass sie alle in die Irre geführt worden waren. Es mochte Haarspalterei sein, doch Uriel ließ es nicht in Ruhe. Es war, als würde unter ihm ein Vulkan erwachen und versuchen seinen Weg an die Oberfläche zu suchen.
 

Irgendetwas war da noch, aber es war mehr eine Ahnung, als irgendetwas eindeutiges.
 

Aber wer konnte es ihm verübeln, wenn er im mit Schmerzmitteln versetzten Halbschlaf über derartige Dinge nachdachte?
 

/Ich könnte besser nachdenken, wenn ich richtig wach wäre/, dachte Uriel und versuchte sich daran zu erinnern, wie das ging, das Aufwachen.
 

Erde konnte tief und lange schlafen, sodass man sie oft wachrütteln musste, weil sie es von alleine nicht tat. Aber trotz dessen, dass er ein Element war und das Ruhen auf Grund seiner Natur so stark ausgeprägt war, erinnerte sich sein Körper daran wie man den Befehl des Aufwachens befolgte.
 

Mit einem tiefen Einatmen schlug Uriel die Augen auf...
 

-
 

...und sah im ersten Augenblick einmal gar nichts!
 

Wo auch immer er sich befand, es war dunkel. Uriel hob langsam den Arm, der sich ausgesprochen schwer anfühlte und strich sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht, während er mit seinen Fingern über die Haut fuhr. Seine Bewegungen waren so träge wie seine Gedanken und Uriel brauchte eine ganze Weile um zu begreifen, dass er in einem Bett lag. Es war lange her seit er geschlafen hatte, also was tat er hier? Müde blinzelte Uriel. Seine Augenlider waren schwer und die Dunkelheit um ihn herum, die verhinderte, dass er etwas erkannte, war wie eine Verführung wieder die Augen zu schließen und erneut einzuschlafen.
 

Allerdings war da ein Schimmern, das Uriel den Kopf wenden ließ. Es war schwächlich warm, als wäre es sonst eigentlich heiß und nun gedämpft worden. Uriel fühlte das Licht mehr, als das er es sah, doch deutlich genug war es. Zwar war keine spezifische Lichtquelle vorhanden, doch die Ursache war eindeutig. Es war Michael, der Gedanken verloren auf dem Sims hockte und zum geöffneten Fenster hinaus starrte. Seine Gesichtszüge waren ernst, ernster als Uriel es von ihm gewöhnt war.
 

„Hm“, gab Uriel einen leisen, genussvollen Laut von sich, als eine Welle der Wärme ihn berührte.
 

Es war fast greifbares Licht, leicht rötlich in der Dunkelheit schimmernd und als Wächter der Erde zog es Uriel dahin, so wie jede Pflanze sich in Richtung Licht reckte und die Erde sich um die Sonne drehte.
 

/Das tut gut/, dachte Uriel und gab sich einen Moment der Wonne hin. /Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal so wohl gefühlt habe.../
 

Es war das erste Mal seit langer Zeit, dass er einfach wieder nur sein konnte, ohne das etwas zog oder jemand an ihm zerrte. Der Wächter der Erde zu sein war eines, aber er war auch der Tod. Die dunkle Seite, die nie ruhte und sich irgendwann den Tribute holte, den das Leben verlangte. So wie er die Erde und der Nährstoff war, war er auch das Ende und die Reise ins Ungewisse. Michael war üblich die Erinnerung an all das. Er nahm die Nährstoffe, verbrannte das Holz und beendete das Leben von Engeln, Dämonen und Menschen gleichermaßen, um sie zu ihm zu schicken. Manchmal jedoch, an einem stillen Punkt wie diesem, konnte er das Feuer auf der anderen Seite bewundern und sich daran erinnern, dass es Licht war. Nicht die Heilung, die versuchte ihn auszutricksen und ihm seine Kinder zu nehmen, sondern das Sein, das unbarmherzig und rücksichtslos darum kämpfte um am Leben zu bleiben, weiter zu gehen an einen Ort, der kein Ende hatte.
 

„Du bist aufgewacht“, sprach Michael und seine Stimme schnitt durch die Stille.
 

Der Klang seiner Worte glitt über Uriel hinweg wie der erste Sonnenstrahl des Tages. Rot, warm und noch nicht so gleißend, dass man den Blick abwenden musste, weil sonst das Licht zu intensiv für die Augen wurde.
 

Uriel hörte, wie Michael von der Fensterbank glitt, um sich neben sein Bett zu stellen. Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und wirkte aus den Erdengel größer als sonst. Es mochte an den freien Beinen liegen, die bloß in kurzen Hosen und schweren Stiefeln steckten und der Tatsache, dass er flach auf einem Bett lag, aber dennoch schien Michael ihn zu überragen. In dem seltsamen Licht, das im Zimmer herrschte, sah der Feuerengel aus wie Figur vor einem Sonnenaufgang, die mit dem Feuerball zu verschmelzen schien.
 

°Was...?°, fragte Uriel, °ist passiert?°
 

Michael starrte ihn für einen Moment an, ehe er sagte: „Dein Hals...du wärst fast erstickt, frag mich nicht nach den verdammten medizinischen Details, das ist Raphaels Sache, doch da wir dich rechtzeitig gefunden haben, sollte jetzt alles in Ordnung sein.“
 

°Danke°, gab Uriel zurück und führte seine Hand zu seinem Hals, nur um einen Verband zu entdecken.
 

Das war Raphaels Arbeit. Er hatte ihn behandelt, geheilt sogar, wenn er richtig lag. Wirklich bei Bewusstsein war er nicht gewesen, aber da er zwischen Leben und Tod gehangen hatte, hatte sein Verstand nicht wirklich abschalten können, schließlich war er beides. Der Tod, der lebte.
 

„Ich geh' jetzt mal diesen verdammten Arzt holen“, meinte Michael und deutete mit dem Daumen zur Tür. „Hab' ihm versprochen, dass ich ihn rufe, solltest du aufwachen. Er wird sich deinen Hals noch ein Mal ansehen wollen.“
 

Damit drehte Michael sich um und wollte durch die Tür verschwinden, doch Uriel packte mit einer schnellen Bewegung seine Hand und hielt sie fest. Unsicher blickte er zu Michael auf.
 

°Michael...hasst Raphael mich?°
 

Verstörte Verwunderung machte sich auf Michaels Gesicht breit, als er sich aus Uriels Griff befreite und dem anderen Engel in die Seite knuffte.
 

„Sag mal geht’s dir noch gut?“, fragte er. „Raphael war außer sich vor Angst, als die OP vorbei war und er gegriffen hat, wie knapp es hätte werden können. Er wird dir zwar einen Vortrag halten, warum du nicht schon lange zu ihm gekommen bist, aber hassen? Krieg mal einen Sinn für die Realität, Junge!“
 

Das war das Letzte, was Michael sagte, als er Kopf schüttelnd den Raum verließ und dabei etwas von sentimentalen Idioten vor sich hin murmelte. Uriel sah ihm nach bis die Tür sich schloss. Dann lehnte er sich zurück und ließ den Kopf zurück ins Kissen sinken.
 

/Es ist es wahr, was Michael gesagt hat?/, fragte sich Uriel. /Ich dachte immer, dass Raphael mich hasst. Dass er mich und meine Gewaltausbrüche verachten würde, hinzukommend zu dem Fakt, dass er mich nicht ausstehen kann, weil ich der Tod bin./
 

Aber Michael würde nicht lügen. Seine Worte waren deutlich gewesen und wenn er ihn schon als Idioten beschimpfte, dann schien er sich über seine Annahme gleich drei Mal aufzuregen. Uriel kannte den Ton in der Stimme, Michael benutzte ihn nicht allzu oft, doch üblicherweise bekam man ihn zu hören, wenn der Feuerengel die anderen Elemente ermahnte, sich nicht ständig wegen allen möglichen Kleinigkeiten aufzuregen. Manchmal war es nicht einfach die Mahnung als solche zu erkennen, denn meist war sie mit Michaels launenhaften Stimmungsschwankungen verbunden, aber sie waren da.
 

Ob Raphael auch schon seine Predigt bekommen hatte?
 

Uriel fiel es schwer zu glauben, dass Michael einseitig Hiebe verteilte, wenn er dachte, dass zwei Streitende sie verdienten. Wahrscheinlich würde ihn auch gleich mit Raphael alleine lassen und ihnen beiden einen grausamen Tod androhen, wenn sie es nicht schafften ihre Differenzen beizulegen. Offensichtlich bleib ihm diesmal keine andere Wahl, als mit Raphael zu reden und da Raphael Michael ebenso gut kannte wie Uriel, wusste wahrscheinlich auch er, dass er keine andere Wahl hatte.
 

/Das wird immerhin funktionieren/, dachte Uriel. /Alexiels Versuch hat ja so gut wie gar nichts gebracht./
 

Genauso wenig wie der daraus entstandene Versuch Raphaels aus Michael etwas heraus zu bekommen. Der Feuerengel schwieg wie ein Grab und Uriel bezweifelte, dass sich daran etwas ändern würde.
 

Nervös wartete er darauf, dass Michael mit Raphael zurück kehren würde.
 

-
 

Michael war froh, dass es noch so früh am Morgen war. Das hieß, das Krankenhaus war leer und er konnte Raphael aus den Federn schmeißen. Der Arzt hielt nämlich nichts davon mit dem Sonnenaufgang aufzustehen, so wie Michael es tat. Nun, wenn man es genau nahm, dann hatte er sowieso alles andere als einen geregelten Schlafrhythmus. Er holte sich seine Ruhe, wenn er sie bekam, doch meist war gar keine Zeit dazu. Nicht während diesen unruhigen Zeiten.
 

Dumpf klangen seine abgewetzten Stiefel auf dem Boden, als Michael Raphaels Büro erreichte, wo neben dran eine kleine Wohnung eingerichtet war. Zufrieden stellte Michael fest, dass die Tür offen war, also trat er einfach ein. Das Büro war dunkel und verwaist, aber Michael spürte Raphael durch ihre Verbindung. Er schien zu schlafen, was Michael irgendwie doch als ein Wunder empfand. Er hatte Uriel nicht belogen, als er ihm gesagt hatte, dass Raphael vor Angst kaum gerade stehen konnte. Jibril war es vielleicht nicht aufgefallen, doch Michael kannte Raphael zu lange. Sogar wenn die Verbindung zwischen ihnen nicht gewesen wäre, wären die Zeichen überdeutlich gewesen.
 

Zeichen, die auch jetzt noch nicht verschwunden waren, erkannte Michael als er leise Raphaels Schlafzimmer betrat und für einen Moment lang in der Tür stehen blieb. Es war dunkel, sodass er Raphaels schlafende Gestalt nur mäßig mit seinen Augen erkennen konnte. Doch wenn er sich konzentrierte, sah er die Hitze in Raphaels Körper, die Wärme, die er ausstrahlte. Gelborange pulsierte das Bild der Wärmewellen vor Michaels Augen im Takt von Raphaels Herz. Sein Blick fiel zu dem geöffneten Fenster, wo langsam ein roter Schimmer am Horizont zu erkennen war. Die Sonne würde bald aufgehen, doch er musste Raphael schon jetzt wecken. Wind wehte herein, weil Raphael stets ein Fenster offen ließ, egal was für ein Wetter draußen herrschte. Er hatte ihn schon oft für bescheuert erklärt, dass Raphael es lieber herein regnen ließ, als es zu schließen. Im Gegensatz dazu bekam er dann zu hören an dem Wunsch nach Erstickung zu leiden, wenn er darauf bestand lieber zu gebraten zu werden als irgendeine Art von Kälte herein zu lassen.
 

Sie beschimpften sich dann gegenseitig als Frischluftfanatiker und Frostbeule. Meistens während Michael sich mit seinem Absinth vergnügte, Raphael versuchte ihm die Flasche wegzunehmen und es schließlich aufgab, weil plötzlich all seine Zigaretten zu Asche verbrannten, ohne das er sie geraucht hatte.
 

„Das haben wir in letzter Zeit nicht allzu oft gemacht“, murmelte Michael ein wenig nostalgisch vor sich hin. „Aber wie auch, Zeit hatten wir ja kaum welche. Zuerst Sevie, dann der Messias, dein Kälteschlaf und jetzt das hier.“
 

Michael sah, wie Raphael sich nun von einer Seite auf die Andere drehte. Er hatte sich nicht ein Mal die Zeit genommen sich sein Jackett auszuziehen. Dabei war die Operation von Uriel bereits ein paar Tage her. Dennoch war Raphael nicht ein einziges Mal zu Hause gewesen, sondern wachte wie ein Geier über Uriel. Fast im 30 Minuten Takt kam er im Krankenzimmer herein geschneit. Wenn Jibril da war, wurde sie geduldet und Raphael dehnte seine Kontrolle auf ein Mal die Stunde aus. Erst wenn er da war und Wache hielt, gestattete es sich Raphael ein wenig Ruhe. Vor ein paar Stunden hatte Michael neben dem Windengel gesessen und überwachen müssen, dass er sein erbärmliches Mahl auch ja auf aß.
 

Denn Jagd machte hungrig.
 

Hätte er im Moment nicht so viel zu tun und wäre Uriel nicht gerade Zentrum des Geschehens, hätte Michael es amüsant gefunden, wie Raphael Alexiel immer wieder aus seinem Krankenhaus jagte. Es war fast wie zwei Vögel, die einen Balztanz, um ihre Beute aufführten, in dem versuchten sie sich gegenseitig die Augen auszuhacken. Jibril hatte die leidliche Aufgabe bekommen Friedensstifterin zu spielen. Vor drei Tagen war sie noch geduldig mit ihnen umgegangen, vor zwei Tagen war sie resolut gewesen und gestern war ihr der Kragen geplatzt, sodass sie Raphael am Kragen zurück ins Krankenhaus geschleift hatte, während Rosiel sich die Furie namens Alexiel gekümmert hatte. Wahrscheinlich musste Uriel ein Machtwort sprechen, damit die Reibereien endlich aufhörten
 

/Gebrauchen kann ich das ja eigentlich so gar nicht/, dachte Michael ein wenig verstimmt. /Doch das Schöne ist, dass sie so zu abgelenkt sind, um mir nachzustellen./
 

Manchmal fragte er sich, ob sie ihn für komplett bescheuert hielten.
 

Glaubten sie echt, er merkte nicht, wie sie versuchten ihm nach zu schnüffeln? Zugegeben, sie taten es erfolglos, denn er hatte einfach mehr Erfahrung, aber dennoch. Auf die Nerven war es ihm in der letzten Zeit sehr wohl gegangen.
 

/Ich muss langsam handeln. Die Zeit wird knapp/, sagte sich Michael und nahm dies als Zeichen, um sich von dem Türrahmen abzustoßen, an den er sich während seiner Überlegungen gelehnt hatte.
 

Seine Hände hatten sich in seine Hosentaschen vergraben und ohne sich darum zu kümmern, sie heraus zu nehmen, begnügte Michael sich damit recht unsanft gegen den Posten des Bettes zu kicken. Raphael grunzte und trat mit einem Bein schläfrig aus. Es war offensichtlich, dass er noch weiter schlafen wollte.
 

„Beweg' dich in die Senkrechte, Raphi“, schimpfte Michael. „Du wirst gebraucht!“
 

Zuerst geschah gar nichts und für einen Moment schien es, als würde Raphael einfach weiter schlafen, sodass Michael schon in Erwägung einfach dessen Bett in Brand zu stecken, als Raphael plötzlich wie gebissen in die Höhe schnellte.
 

„Ist etwas mit Uriel?“, schoss es aus ihm heraus und fiel praktisch aus dem Bett als er aufstand, um Michael am Kragen zu packen. „Ist ihm etwas passiert?“
 

„Nein, man“, fauchte Michael und schüttelte die Hände des panischen Arztes ab. „Ich bin nur gekommen, um dir zu sagen, dass er aufgewacht ist.“
 

„Himmel sei dank“, rief Raphael aus und schlüpfte in seine Schuhe, um in den Gang zu hechten.
 

Michael folgte ihm grummelnd.
 

„Mach mal halblang“, murrte er. „Er läuft dir schon nicht weg. Das bringt er noch nicht fertig.“
 

„Wer ist denn gerade bei ihm?“, fragte Raphael, als er mehr den Flur hinunter flog, als lief.
 

„Sehe ich aus, als könnte ich mich zwei-teilen?“, meinte Michael bissig.
 

Du hast ihn allein gelassen?“, schrie Raphael schon fast.
 

Ehe er wirklich dann den Abflug machte, packte Michael Raphael grob am Arm. Er hielt ihn eisern, seine Nägel gruben sich durch den Stoff in den Arm und Michael zog Raphael zu sich herunter, um ihm fest in die Augen zu blicken.
 

„Komm mal wieder runter“, herrschte Michael seinen Freund an. „Du bist komplett durch den Wind. Hätte ich vielleicht die Schwester rufen und einen Aufstand im Krankenhaus auslösen sollen? Du wolltest doch, dass Uriel seine Ruhe hat und nicht belästigt wird. Außerdem habe ich fast acht Stunden auf diesem Fenstersims gehockt, sodass ich mir doch mal bitte die Beine vertreten darf.“
 

Raphael blickte Michael an, blinzelte, ehe er seine Fassung wieder gewann.
 

„Tut mir Leid, Michael“, sagte er. „Ich hätte meine Besorgnis nicht an dir auslassen sollen.“
 

„Verdammt richtig“, antwortete Michael barsch, nickte aber dann schließlich Raphael zu. „Aber jetzt komm, ich habe keine Lust ewig hier herum zu stehen. Im Gegensatz zu dir habe ich letzte Nacht keinen Schlaf bekommen.“
 

„Okay“, lenkte Raphael ein, um ein wenig gemächlicher als vorher weiter zu gehen. „Aber du holst den doch nach, oder?“
 

„Ja ja, werde ich“, gab Michael zurück und winkte ab.
 

/Sobald ich die Zeit dafür finde/, fügte er in Gedanken hinzu und folgte Raphael, als dieser die letzten Meter zu Uriels Tür zurück legte.
 

Abwesend rieb sich Michael seinen steifen Nacken.
 

-
 

Raphael nahm einen tiefen Atemzug, als er die Hand nach der Türklinke ausstreckte. Er pausierte mit Absicht nicht, ansonsten hätte er vielleicht nicht mehr den Mut dazu gefunden und da Michael dicht hinter ihm war, könnte das eng werden. Es wäre schwierig dem sowieso schon gereizten Feuerengel ein Gefühl zu erklären, das er schon aus Prinzip nicht verstand. Für Michael gab es zwar nicht nur Feinde und Freunde, aber es fiel dem Feuerengel schwer Gefühle dazwischen einzuordnen.
 

Luzifer war der beste Beweis dafür.
 

Für Äonen hatte es nichts anderes als blanken Hass gegeben, wie sollte Michael da verstehen, dass sich mit Uriel immer auf einer Linie von Abneigung und Zuneigung bewegt hatte, gepaart mit Verständnis und zugleich einer ganzen Reihe von verschiedener Perspektiven.
 

Es war nicht das Angenehmste gewesen, nach der Operation zu merken, dass die kurzzeitige Synchronisation ihrer Astralkraft Auswirkungen hatte. Fast hatte er befürchtet, dass ein ähnlicher Bund entstehen könnte, wie er und Michael ihn hatten, doch es war bei Gefühlseindrücken in seinen Träumen geblieben. Da keine hinzu gekommen waren, auch nicht jetzt, nachdem Uriel erwacht war, nahm Raphael an, dass es eine einmalige Sache gewesen war. Aber Ausschlag gebend genug, um einen guten Eindruck von Uriels Seelenwelt zu bekommen. Deswegen hatte er die letzten Tage nicht richtig essen oder schlafen können.
 

Wie ein Schatten verfolgte es ihn, den er nicht loswurde, dass Uriel tatsächlich der Überzeugung war, er würde ihn hassen.
 

Im Sinne von Abscheu oder Verachtung.
 

/Wie konnte er das nur annehmen?/, schrie ein Teil in ihm.
 

Doch der andere Teil kannte die Antwort. Kalt hatte er sich Uriel gegenüber gegeben, besonders im zweiten Krieg. Sie hatten ihre Diskrepanzen, die sie entweder in der Erde verscharrten oder ignorierten. Als sie das letzte Mal miteinander geredet hatten, war das vor Alexiels Verhandlung gewesen, wo sie verurteilt werden sollte. Es war bei der medizinischen Untersuchung gewesen, die Raphael hatte vornehmen müssen, um zu bestimmen, ob Alexiel verhandlungsfähig war. Zu dem Zeitpunkt war Uriel wie ein riesiger schwarzen Schatten gewesen, der über ihnen lauerte, um sie ins Verderben zu stürzen.
 

Er hatte wie der Tod selbst ausgesehen.
 

Die schwarzen Haare, die seinen Rücken hinab fielen, die dunkle Aura, die von kalter Wut und begrabener Verzweiflung durchtränkt gewesen war sowie die glanzlosen tiefen Augen, die Raphael durchbohrten, als er an sie zurück dachte. Seine Träume hatten diese Erinnerungen geweckt und zum ersten Mal fragte er sich, was er damals hätte tun können. Die Halswunde zeugte von dem Selbsthass den Uriel gefühlt haben mochte und er hatte nichts dagegen getan. Streitigkeiten hin oder her, sie lebten schon so lange. Sie waren schon so lange Hüter der Elemente, dass es ihm nicht hätte gleichgültig sein dürfen.
 

Vielleicht war es deswegen die Strafe, dass er jetzt Schweiß nass und sehr weit entfernt von seiner sonstigen Ruhe Uriels Krankenzimmer betrat. Diese stürmischen Gefühle war er nicht gewöhnt, sie verwirrten ihn. Alles schien sich im Kreis zu drehen und nicht anzuhalten. Es war eine Bewegung, als wenn er wegen Michael in Aufruhr war. Dort erschien es ihm stets, als würde er nach ihm greifen und nie zu fassen bekommen. Als würde er nicht länger stofflich sein und durch Michael hindurch gleiten, jedes Mal wenn er ihn berühren wollte. Michael entzog ihm seine Kraft, in vielerlei Hinsicht, aber Raphael konnte nicht damit aufhören.
 

Er konnte nicht damit aufhören, auch wenn das Feuer die Luft fraß, unaufhörlich und bis in alle Ewigkeit.
 

Manchmal fragte sich Raphael, warum er von Michael so verdammt abhängig war, sollte es doch eher andersherum der Fall sein. Das Feuer brauchte die Luft zum Überleben, doch Michael wankte nie, egal ob Raphael selbst sich längst losgelöst von allen Dingen fühlte.
 

°Raphael°, rief ihn eine tiefe Stimme und der Windengel fand langsam in die Realität zurück.
 

Er stand im Türrahmen, die Hand an der Klinke und blickte jetzt zu dem Insassen des Bettes, das ihm direkt gegenüber stand. Uriel hatte sich offenbar nicht mit dem Gedanken zufrieden gegeben ruhig liegen zu bleiben und hatte sich stattdessen in eine sitzende Postion gekämpft. Er lehnte sich an das Kissen in seinem Rücken, hatte die Hände auf der Bettdecke abgelegt und die schwarzen, langen Haare schimmerten in dem künstlichen Licht, das vom Flur aus herein fiel.
 

„Uriel“, bracht es aus Raphael erleichtert hervor.
 

Mit schnellen Schritten legte er die Distanz zwischen ihm und Uriel zurück. Es erschien ihm wie eine Ewigkeit in er eine weite Reise bewältigte und nichts von der Umgebung sah, weil er den Blick bloß auf sein Ziel gerichtet hatte. Es endete abrupt, als Raphael mit seiner Hüfte an die Bettkante stieß und er nur noch Zentimeter von Uriel entfernt war. Welcher eine Ruhe ausstrahlte, die Raphael verblüffte. Der Erdengel wirkte wie ein Berg, ruhig und unbeweglich. Nicht einmal sein Haar bewegte sich im Wind, der sanft durch das offene Fenster herein wehte.
 

„Du bist aufgewacht“, sprach Raphael mit leicht schwankender Stimme.
 

Es schien ihm gut zu gehen. Uriels Atmung war ruhig und gleichmäßig, Raphael hörte das rhythmische Schlagen des großen Herzen, dem er von ein paar Tagen so nahe gewesen war, weil sie Uriels Brust hatten aufschneiden müssen. Raphael hasste es auf die Methoden der Menschen zurück greifen zu müssen, doch bei Uriel war ihm keine andere Wahl geblieben. Hoffentlich nahm er es ihm nicht übel, dass er seinen Körper geöffnet hatte. Viele Engel fanden den Gedanken abstoßend.
 

°Ja°, antwortete Uriel, °dank dir, wie ich gehört habe.°
 

Raphael war sich nicht sicher, was er sagen sollte. Sollte er abwinken, dass es selbstverständlich war? Nun, das war es, aber er wollte gegenüber Uriel nicht arrogant wirken. Diese Kälte hatte schon einmal ihre Beziehung zerstört.
 

„Du benutzt immer noch die Übermittlung deiner Gedanken zur Verständigung“, sagte Raphael.
 

Er versuchte ein Thema zu finden über das sich leichter reden ließ, als ihre Gefühle. Denn auch Uriel schien seine Worte mit bedacht zu wählen, vorsichtig zu sein, um diese Möglichkeit für einen Neuanfang nicht zu verschwenden.
 

„Bereitet dir dein Hals Schwierigkeiten?“
 

Uriel zögerte für einen Moment.
 

°Beim Atmen und Schlucken habe ich keine Probleme°, antwortete der Erdengel. °Aber ich habe bisher noch nicht versucht zu reden, weil ich mir nicht sicher war, ob das jetzt schon klug ist, so kurz nach der Operation. Ich wollte deine Anweisungen abwarten.°
 

War das ein Hinweis darauf, dass Uriel sich Raphaels ärztlicher Behandlung unterordnete? Keinen Streit suchte? Eigentlich sollte er froh darüber sein, doch etwas gefiel ihm an der Wortwahl nicht. Uriel war nicht irgendein unwilliger Patient, der gegen seine Anweisungen verstoßen hatte.
 

Anweisung...
 

Das klang zu sehr nach Befehl. Raphael wollte Uriels nichts befehlen. Er mochte dessen sture Art, das gerade voranschreiten, die Unbeirrbarkeit.
 

„Nun“, begann Raphael, „mein Rat ist, dass du deine Stimme noch schonen solltest. Du hast sie lange nicht benutzt und deine Stimmbänder müssen sich erst wieder an die Belastung gewöhnen. Ich würde es schön finden, wenn du ab und zu zur Überprüfung kämst, dass alles in Ordnung ist. So ließe sich ein erneutes… Desaster wie dieses vermeiden.“
 

Es war ein Angebot.
 

Noch war es zu früh, um die seelischen Wunden mit Jod zu behandeln, aber vorsichtig abtupfen und reinigen konnte man sie vielleicht. Raphael hoffte, dass Uriel darauf eingehen würde. Er wollte ihre Freundschaft wiederherstellen und es wäre sehr viel leichter Uriel um Verzeihung für sein Versagen zu bitten, wenn nicht so eine schwierige Stille zwischen ihnen herrschte.
 

Uriel sah schweigend zu ihm auf, blickte in seine Augen und rührte sich nicht. Raphael war sich nicht klar, ob er etwas suchte, doch es lag immerhin keine Ablehnung in seinem Blick.
 

°Ich...würde es begrüßen°, antwortete Uriel schließlich langsam. Die Gedankenstimme war jetzt weniger durchdringend, eher sanfter. °Es war mein eigenes Verschulden es erst soweit kommen zu lassen. Ich hätte dich früher aufsuchen sollen.°
 

Etwas in Raphael schnaubte arrogant und sagte ja, doch er drängte diesen Teil zurück. So hätte er früher reagiert. Bevor er Sarah Mudo traf, bevor Barbiel ihr Leben für ihn riskiert hatte. Jetzt hatte er zwar immer noch Angst, doch er konnte sich nicht länger vor Bindungen verstecken, die ihm etwas bedeuteten. Die letzten Tage hatten ihm gezeigt, dass er es sich niemals verzeihen könnte, würde Uriel etwas passieren. Er wollte ihn und ihre Freundschaft behalten.
 

Raphael legte seine Hand auf Uriels Schulter. Es war der erste körperliche Kontakt zwischen ihnen, wenn man von der Operation absah. Es war Jahrhunderte her seit Himmel und Erde sich berührt hatten, doch als Uriel seine größere, braun gebrannte Hand über die seine legte, fühlte es sich richtig an. Besser als vorher und irgendwo in Raphael kam ein Sturm zur Ruhe.
 

„Ich würde ich gerne noch ein paar Tage zur Beobachtung hier halten“, meinte Raphael leise und ein wenig erstickt.
 

Er fühlte sich wie ein Vogel nach einem langen Flug, der endlich einen Baum gefunden hatte, auf dem er sich niederlassen konnte, um seine Flügel auszuruhen. Irgendwann würde er sicherlich weiterfliegen, doch zunächst wollte der Vogel bloß ein wenig Ruhe im Schutz des Baumes.
 

°Ich habe nichts dagegen°, antwortete Uriel. °Ich vertraue deinem Urteil.°
 

Näher würden sie wohl jetzt nicht an Bekundungen heran kommen. Das brauchte seine Zeit, aber Raphael dachte schon, dass er den letzten Satz richtig interpretierte, in dem er annahm, dass sich das Wort Vertrauen nicht nur auf seine ärztliche Fachkenntnis bezog, sondern vielleicht auch auf ihn selbst.
 

„Gut“, sagte Raphael. „Ich werde dir jetzt etwas zu Essen bringen lassen. Danach solltest du versuchen noch ein wenig zur Ruhe zu kommen.“
 

Raphael schritt zur Tür und stellte fest, dass es am Horizont merklich heller geworden war. Die Sonne würde bald aufgehen und sein Tag anbrechen. Einige Dinge musste er noch erledigen bevor Alexiel von Uriels Erwachen Wind bekam und sich dann nicht mehr abwimmeln ließ. Denn leider galt die Regel 'nur Familienmitglieder' bei Engeln nicht und solange Uriel Besuch empfangen konnte, durfte er Alexiel zumindest kurze Visiten nicht verweigern. Auch wenn er es gerne gewollt hätte.
 

Aber er hatte das Gefühl, dass diese Sache des Ursprungs nur Alexiel und Uriel etwas anging. Vielleicht würde es ausreichen, dass Alexiel sah, dass sie für Uriels Verletzung verantwortlich war. Er würde es ihr ein wenig unter die Nase reiben, sicherlich. Wenn Alexiel sich selbst Vorwürfe machte, könnte das als Rache vielleicht reichen. Musste es wahrscheinlich auch, denn Uriel würde niemals zu lassen, dass man Alexiel verletzte, selbst wenn er versuchen würde neutral gegenüber beiden Parteien zu bleiben. Denn verstecken würden sie den Konflikt nicht können, dafür war Uriel zu umsichtig und zu intelligent. Solange Michael außen vor blieb, würde es wohl bei angespannten Gesprächen bleiben und nicht zu einem vierten großen Krieg ausarten.
 

Gerade wollte Raphael sich darüber wundern, dass er gar nicht wusste, wo Michael plötzlich war, da rief ihn Uriel noch einmal zurück.
 

°Raphael°, sprach Uriel noch ein Mal und der Windengel drehte sich um.
 

Es lag nichts angespanntes in Uriels Zügen, wirkte sogar lockerer und zufriedener als vorhin, wo er den Raum betreten hatte. Raphael war froh darüber, wollte schon bloß nicken und dann verschwinden, als ihn etwas aufhielt.
 

„Danke“, sagte Uriel und benutzte zum ersten Mal seit Jahrhunderten wieder seine Stimme.
 

Sie war sanft und leise, eindeutig noch nicht ganz wiederhergestellt, aber sie war da. Die Stimme, die wie ein Anker im Wind war und ihn am Boden halten konnte, wenn er innerlich mal wieder abhebte. Es war nicht Michaels Bestreben andere zu kontrollieren, er ließ ihnen immer die freie Wahl, weil er nichts von Beschränkungen hielt, aber manchmal musste man auf den Boden der Tatsachen zurück gebracht werden. Raphael war sich nicht bewusst gewesen, wie tief Uriels Stimme in ihn eindringen konnte, doch nun beruhige sie Wirbel mit einer Leichtigkeit, die schon so lange seine Begleiter gewesen waren. Es war fast als würden zwei warme starke Hände nach ihm ausgestreckt werden und ihn halten, trotz dessen, dass er so flüchtig und flüssig in seiner Natur war.
 

„Ja“, antwortete Raphael auf die unterschwellige Botschaft, die in Uriels Stimme mitgeklungen hatte.
 

Sein eigenes Ja war genug, er musste das Ich dich auch nicht aussprechen. Er drehte sich weg, um den Raum endgültig zu verlassen, doch Raphael hatte nicht gut genug auf seine Züge geachtet, um das Lächeln zu verbergen, dass seine Lippen zierte. Das Lächeln das sagte: Ich bin bald wieder zurück.
 

Zum ersten Mal seit langer Zeit empfand Raphael wieder so etwas wie zentrierte Ruhe. Er hatte seine Balance wieder gefunden, zumindest für jetzt.
 

Erste Sonnenstrahlen brachen durch die Flurfenster, als Raphael sich auf die Suche nach Barbiel machte. Michael und dessen plötzliches Verschwinden hatte er vollkommen vergessen.
 

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„Es scheint ja funktioniert zu haben“, murmelte Michael und drehte sich weg.
 

Er hatte sie nicht wirklich beobachtet, dafür hatte er zu weit weg gestanden, aber selbst von der anderen Seite des Hofes aus, konnte er fühlen wie sich Raphaels Energie veränderte und zur Ruhe kam. Uriels war nicht ganz so deutlich zu lesen, aber Michael sah und verstand genug um zu wissen, dass es auch ihm gut ging. Das hieß, dass immerhin kein zweiter Versuch nötig war. Die Beiden würden sich wieder zusammen raufen. Nicht ohne Schwierigkeiten, aber sie würden es schaffen. Noch ein Mal würden sie einander nicht verlieren.
 

Michael drehte sich um und machte sich daran, dass Krankenhaus zu verlassen. Rotes Licht lag auf den weißen Wänden und am Himmel stieg die Sonne langsam höher. Innerlich fühlte Michael das bekannte Ziehen in der Magengegend. Er war das Feuer, die Sonne war ein Teil von ihm, doch in letzter Zeit war etwas anders. Es war stärker als sonst, nun fühlte er die Kraft der Sonne direkt unter seiner Haut brennen. Sie lenkte ihn, rief ihn, wollte das er etwas tat und konnte nicht anders als gehorchen. Die Sonne war ein Teil von ihm, das hieß, es war seine eigene Stimme die ihn rief und mit jedem neuen Sonnenaufgang fühlte er, wie es näher rückte. Etwas. Michael konnte sich dem nicht entziehen, es ging nicht. Es ließ ihm keine Wahl, auch wenn ein Teil von ihm sehr wohl sagte, dass es gefährlich war.
 

In seiner Tasche fühlte er sein Telefon vibrieren und Michael fischte es heraus, während es den Komplex des Krankenhauses verließ. Das Display zeigte ihm an, dass es 5:24 Uhr morgens war und er musste keinen Blick auf den Kontakt werfen, um zu wissen, wer ihn angerufen hatte.
 

„Ja?“, fragte Michael in einem recht normalen Tonfall.
 

Es waren zwar nicht viele Engel unterwegs, doch Aufmerksamkeit konnte er jetzt nicht gebrauchen.
 

„Es ist alles vorbereitet“, hörte er die bekannte Stimme seines besten Mannes für Nachrichten und Informationen. „Soll ich Camael-sama Bescheid geben?“
 

„Tu das“, ordnete Michael an und Zufriedenheit breitete sich in ihm aus.
 

Wenn Thorongiel ihn anrief, hieß das, dass sie alle nur noch auf seine Bestätigung warteten.
 

„Fangt bereits an“, sprach Michael weiter. „Ich stoße bald zu euch. Camael hat das Kommando bis ich auftauche. Sag ihm, dass sich weiterhin alle bedeckt halten sollen.“
 

„Verstanden“, sagte Thorongiel, einer von Michaels besten Männern und trennte die Verbindung.
 

Michael ließ das Telefon zurück in seine Tasche gleiten und fuhr sich mit seinen Fingern durch das Haar. Er würde jetzt zuerst schlafen, etwas essen und dann sich auf den Weg machen. Er hatte alles vorbereitet, doch ein paar Dinge musste er noch erledigen. Ausschlaggebend mochten sie vielleicht erst später sein, doch das Wichtigste war, dass Raphael nichts merkte.
 

Je länger er ihm auf den Leim ging, desto größer war sein Vorsprung.
 

Michael verschwand zwischen den Gebäuden der Stadt, entschlossen seinen Weg zu Fuß zurück zu legen. Ein wenig weit mochte es sein, aber so war es am unauffälligsten. Das war besser so. Denn es hatte begonnen.
 

xxx
 

Endlich fertig. Ich habe ewig gebraucht bis ich endlich an diesem Punkt angelangt bin. Wurde aber auch Zeit. Schließlich beginnt jetzt der letzte Akt (über den ich keine Fragen beantworten werde). Ich hoffe die Raphael/Uriel Geschichte habe ich zu euer Zufriedenheit bewältigt. Persönlich finde ich, dass sie mir gut gelungen ist. Auch wenn man ein wenig darauf achten muss, was gesagt und was im Vergleich (auch in Bezug auf Michael) vielleicht nichts gesagt wird. Dies ist eines der längsten Kapitel dieser Geschichte, mal sehen, ob das so bleiben wird. Der Engel, mit dem Michael am Ende spricht, ist ein OMC und hat mit Absicht einen Namen bekommen. Stammen tut er aus der Enzyklopädie von Mittelerde. Es ist einer der vielen Namen von Aragorn und wurde bloß engelsmäßig angepasst.
 

mangacrack
 

P.S. Die Formatierung in diesem Kapitel hat mich umgebracht. Dafür hat es mir viel Freude bereitet, neue Steckbriefe zu erstellen. Sind die Neuen besser als die Alten?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  VonArrcross
2011-05-15T10:40:24+00:00 15.05.2011 12:40
Wie bereits zuvor erwähnt gibst du die verschiedenen Beziehungen der Engel untereinander sehr gut wieder, was ich hiermit nochmal wiederholen möchte. Und anderes als in den Bändern erkenne ich Michael in deiner Geschichte tatsächlich als den Heerführer der Erzengel. Im Manga ist das nur ein einziges Mal ganz flüchtig hervorgetreten. Jedenfalls für mich.

Mein einziger Kritik nun tritt ganz am Ende des Kapitels auf. Im Bezug auf Thorongiel. Du erwähnst zweimal dicht nacheinander, dass er einer von Michaels besten Männern ist. Einmal reicht aber aus, also würde ich eines der beiden Stellen etwas umschreiben. Vielleicht nur mit dem Namen. Welche Stelle aber ist relativ. Beide sind gut gesetzt, aber eben zu dicht gesetzt, wodurch es störend rüber kommt.


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