xxx von Himeka ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Autor : Himeka & bloody_venus Disclaimer : ist selbst geschrieben. Charaktere und Orte sind selbst ausgedacht. wer irgendwas mit der story machen möchte, sollte sich vorher bitte bei mir melden. Danke schön^^ Warnungen : Diese Geschichte enthält Shonen-Ai. Wem das nicht gefällt, der soll einfach umdrehen! Andererseits... Man soll immer offen sein für seine Umwelt und neue Dinge kennen lernen... Aber jetzt gehts los. Viel Spaß beim Lesen. Ich hoffe auf viele Kommentare! Sie helfen mir, meine Fehler und Macken auszubügeln! Letztendlich war es unausweichlich gewesen. Man konnte so lange vor seinen Ängsten davonlaufen wie man wollte, irgendwann holen sie einen immer ein. Er atmete tief durch und strich sich die Haare aus der Stirn. Er hatte so viel getan und doch in diesem Moment war es klar – alles umsonst. Die Tür, vor der er gewartet hatte, öffnete sich und er fühlte sich, als ob sein ganzes bisheriges Leben nur auf diesen Moment ausgerichtet war. Der Augenblick schien den Atem anzuhalten, die Zeit stand still, als der schlanke, dunkelhaarige Mann im Türrahmen erschien und ihn ernst anblickte. Sein Herz raste und er hörte nur das Rauschen seines Blutes in den Ohren, weswegen sein Gegenüber noch einmal wiederholen musste, was er gesagt hatte: „Sie sind doch Matsumoto-san? Sie können jetzt reinkommen und sich ihre Grippeschutzimpfung abholen.“ Er saß in seinem Zimmer und schaute zur Uhr. Noch 2 Stunden, dann würde er fahren müssen. Nach Tokyo. Mamoru lebte nun schon seit er denken konnte in Ayamaki, einem kleinen Dorf irgendwo auf Kita-Kyushu. Nun wollte er sich in die Stadt wagen. Dass er sich da gerade die Hauptstadt ausgesucht hatte, war Pech – oder Glück. Das würde sich noch zeigen. Das er allerdings unter diesen Umständen mal in diese Stadt kam, hätte er sich nie vorstellen können. Letzten Monat hatte sein Vater einen tödlichen Autounfall gehabt. Nun war er allein. Seine Mutter hatte die Familie schon kurz nach Mamorus Geburt verlassen. Und sein Bruder... über den brauchte man gar nicht erst zu reden. Er hatte Mamoru schon immer gehasst und dieser hatte keine Ahnung, warum. Vor ein paar Jahren war er ausgezogen und seit dem hatte Mamoru ihn weder gesehen noch irgendetwas von ihm gehört. „Wo findet man denn einen 20-jährigen, der Angst vor Spritzen hat?!“ „Lass ihn doch. Jeder hat doch vor irgend etwas Angst.“ „Schon, aber davor...“ Allgemeines Gelächter. „He, Take! Mach doch nicht so ein Gesicht!“ Er ignorierte seine Freunde und spielte mit wahrer Leidensmiene den Schmollenden. Das zog er ein paar Minuten durch und saß mit verschränkten Armen mit dem Rücken zu der laut schwatzenden Gruppe. Als er bemerkte, dass sie das Thema fallen gelassen hatten, wurde es ihm zu blöd und er drehte sich mit einem Ruck zu ihnen herum, wobei er seiner empörten Freundin den Drink klaute. „Hey! Du hast deinen eigenen Drink! Her damit!“ Kanae hangelte über den Tisch, um ihm das Glas wieder abzunehmen. Doch so leicht ließ ein Taketo Matsumoto sich eine einmal geraubte Beute nicht abjagen. Die Freunde lachten nur; sie kannten das Liebesgeplänkel der beiden schon. Tick, Tack. Tick, Tack. Jetzt müsste er los, sonst würde er seinen Zug verpassen. Und dann würde er hier nie wegkommen. Er schnappte sich seine Tasche und ging vor die Tür. Unten angekommen, drehte er sich noch einmal um. Nun würde er also seine Heimat verlassen und ein neues Leben anfangen. Ein ganz neues. Er ließ alles zurück. Seine Freunde, seine Familie und seine Vergangenheit. Mamoru stieg in den Bus und fuhr zum Bahnhof. Angekommen lief er durch die Eingangshalle und kontrollierte noch einmal Abfahrtszeit und Abfahrtsgleis. Der Zug stand schon da, als er auf den Gleis kam. Mamoru stieg ein und legte seine Tasche ab. Dann sah er aus dem Fenster. Als der Zug anfuhr, überfiel ihn eine Gänsehaut. Er war noch nie richtig von zu hause weg gewesen, und nun würde er niemals wieder zurückkommen. „Baby, du wirst mir fehlen!“ „Du mir auch.“ Kuss. „Du mir noch viel mehr.“ Kuss. „Immer zweimal mehr wie du!“ Kanae musste lachen, als ihr Freund mit todernster Miene den bescheuerten Viva-Werbetext rezitierte, während er sich von ihr verabschiedete. Für Take war es schwer, seine Geliebte in den Zug steigen zu lassen. Zwei ganze Wochen würde sie in China sein, bis sie für ein paar Tage zurückkommen würde. Er hatte sich schon immer gefragt, wie so ein hübsches Mädchen bloß gefallen an alten Tonscherben finden konnte und noch mehr wunderte ihn, dass sie sich auf den ersten Blick in ihn verliebt hatte. Allerdings nahm sie ihr Beruf sehr in Anspruch und als ihr die Chance geboten wurde, die berühmten Tonsoldaten auszugraben, hatte sie natürlich nicht nein sagen können. So kam es also dazu, dass er an diesem Tag das zweite Mal Schmerzen verspürte, indem er sie in den Zug zum Flughafen setzte. Er seufzte, gab ihr einen letzten langen Abschiedskuss durch das Zugfenster und drehte sich dann entschieden um. Das wäre ja noch schöner, wenn er vor ihr weinen müsste Während er immer schneller werdend durch die volle Halle dem Ausgang zustrebte, sah sie ihm noch nach und lächelte leise. Nun war er endlich angekommen. Tokyo. Die größte Stadt ganz Japans. Er verließ den Zug und strömte mit den Massen in Richtung Ausgang. Er verließ den Bahnsteig und kam in die übergroße Halle. /Oh mein Gott. Tokyo ist wirklich groß. Und voll./ Er versuchte verzweifelt den Ausgang ins Freie zu finden, um die in ihm immer größer werdende Angst zu vertreiben. Er hatte Klaustrophobie, hasste es, mit vielen Menschen an einem Ort zu sein. Mamorus Atem beschleunigte sich stetig. Er konnte den Ausgang einfach nicht finden! Er schien sich wirklich verlaufen zu haben. Er lief langsam schneller; der Angstschweiß verbreitete sich über seinen ganzen Körper. /Nein! nein, nein!/, war das einzige, was ihm durch den Kopf ging. Nun war er wirklich in Panik! Er versuchte nun förmlich in Richtung Ausgang zu rennen und wurde erst durch einen „Gegenstand“, der seinen Weg kreuzte, gebremst. Mamoru bemerkte den Jungen kaum, erst als er auf diesem landete. Er war mit vollem Karacho in den anderen rein gerannt. Nach einigen Augenblicken der Überraschung, richtete sich Mamoru vorsichtig auf, hielt sich den Kopf und blickte den anderen Jungen an. „S...Sorry. Ich habe nicht aufgepasst...“ Er stand langsam auf und versuchte seine Tasche, die natürlich aufgegangen war und einen Teil des Inhalts nun auf dem Boden verteilt hatte, zusammenzuräumen. „Hast du dir was getan?“ Merde! Gerade war er noch in seinen traurigen Gedanken gefangen gewesen, da passierte schon das nächste Unglück! Reichte es denn nicht, dass er heute schon eine gehasste Spritze bekommen hatte und er seine Freundin ganze zwei Wochen lang nicht sehen würde? Musste ihn da auch noch so ein dummer Bengel über den Haufen rennen?! Er reagierte daher ziemlich eklig auf die besorgte Frage nach seinem Befinden: „Hast du keine Augen im kopf, du Idiot?“ Das Häufchen zu seinen Füßen schrumpfte noch ein bisschen mehr und sah schuldbewusst zu Boden. Erst jetzt stellte Take bei näherem Hinsehen erstaunt fest, dass das, was er für ein Kind gehalten hatte ein Teenager von etwa 17 Jahren war. 17 war ein echt gutes Alter gewesen und dieser junge hier schien mit seiner riesigen Tasche und dem gehetzten Gesichtsausdruck noch dazu eine Großstadtjungfrau zu sein. Take schluckte seinen Ärger hinunter und überlegte, dass er sich an diesem Scheißtag sicher besser fühlen würde, wenn er dem Jungen helfen würde. Mamoru blickte beschämt zu Boden. „T...Tut mir wirklich Leid. Ich wollte dich nicht umrennen.“ Er schaute noch einmal vorsichtig auf und stellte mit erstaunen fest, dass die Wut im Gesicht des anderen verflogen war. „Kannst du mir vielleicht helfen? Ich muss unbedingt nach Koigakubo. Wie komme ich da am besten hin?“ Mittlerweile standen sie beide wieder auf den Füßen und Mamoru fiel auf, dass der andere ein gutes Stück größer als er war. Und er war älter. „Mein Name ist Mamoru Kitagawa. Ich freue mich dich kennen zu lernen.“ Mit diesen Worten streckte er dem anderen seine Hand entgegen. Wenn man ihm eine Hand zur Versöhnung reichte, ließ sich Take im allgemeinen nicht lange bitten und er schlug ein, als sein Gegenüber ihn um die Hilfe bat, die ihm zu geben, er schon vorher beschlossen hatte. „Koigakubo sagst du? Das ist eine halbe Stunde von hier. Du kannst entweder die Ringbahn nehmen oder den Bus oder ein Taxi oder du gehst zu Fuß... oder – also mein Motorrad steht draußen und mein Name ist Taketo Matsumoto. Wenn du also annimmst, dass ich kein Massenmörder bin und dich auch nicht entführen will, dann könntest du es wagen und dir einige Zeit und Unannehmlichkeiten und mir eine lange Erklärung zum erreichen deines Zieles ersparen, und einfach deine Tasche plus dich selbst auf mein Bike schwingen.“ /Ich quatsch echt zu viel./, fiel ihm auf und er grinste, um seine Verlegenheit über seinen Redeschwall zu verstecken. Mamoru lächelte. „Ja sehr gerne. Vielen dank für das Angebot.“ Dann ging er mit Taketo nach draußen, was nun um einiges schneller ging, da sich die anderen Menschen mittlerweile im ganzen Bahnhof verteilt hatten und zu ihren Anschlusszügen geeilt waren. Als er dann das Motorrad sah, stockte ihm der Atem. Taketos Fahrzeug war eine reine Augenweide. Es war eine Kawasaki in metallischem rot mit schwarzer Metallverkleidung, total blitze blank geputzt und einfach nur schön. In seinem Heimatort hatte Mamoru noch nie ein so schönes Motorrad gesehen. In Ayamaki gab es höchstens ein paar alte Autos und Fahrräder. Er konnte kaum die Augen von dem Motorrad lassen. „Wow. Dieses Motorrad.... Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Es ist super schön.“ „Und schnell!“ Take grinste verschlagen. Dieser Junge da war noch nie Motorrad gefahren, das war klar und er freute sich schon darauf, richtig los zu brettern. Allerdings.... Eins nach dem anderen. Zuerst mal musste man einen Platz für die Tasche finden. Wohin bloß mit dem Riesending? Aber dieses Problem löste sich von selbst, indem Mamoru sich die Tasche über die Schulter schwang und den Gurt über seinen Kopf zog. Für einen Augenblick überlegte Take, ob er schnell hin springen und den Jungen festhalten sollte, denn diesen schien das Gewicht der Tasche nach hinten zu ziehen und brachte ihn ins Schwanken, doch dann stand er aufrecht und lächelte nervös. Take musste auch lächeln – es hatte doch zu komisch ausgesehen. „Na dann los. Und setz den Helm auf.“ Er reichte ihm seinen Beifahrerhelm und setzte seinen eigenen auf. “Steig einfach hinter mir drauf.“ Plötzlich überfiel ihn eine innere Traurigkeit: Das letzte Mal war er noch mit Kanae gefahren; und jetzt war sie weg. Er schüttelte den Gedanken ab und stellte erstaunt fest, dass sein neuer Bekannter immer noch nicht hinter ihm auf dem Rad saß. Er schien nicht so recht zu wissen, wie er aufsteigen sollte und stellte sich selbst, als Take ihm eine Hand reichte, noch etwas ungeschickt an. Dann war er auf dem Rad und Take wandte sich wieder nach vorne, und startete die Maschine. Er wollte gerade losfahren, als ihm auffiel, dass etwas entschieden falsch war. /Dieser Kerl ist wirklich ahnungslos. Mann, Mann!/ Er seufzte. „Hey, willst du vielleicht runterfallen? Wenn ich mit 200 Sachen über die Autobahn fahre, fliegst du wie ein Vogel hinter mir durch die Luft und ich besuch dich dann auf dem Friedhof. Du musst dich richtig festhalten!“ Damit packte er fest die Hände seines Mitfahrers und zog sie nach vorne, wo er sie fest um seinen Bauch legte und dann ohne noch einmal zurückzublicken losfuhr. Mamoru war froh, dass der andere ihm half. Denn er war mit der ganzen Situation total überfordert. Er tat alles wie ihm geheißen und dann ging es auch schon los. Das Motorrad fuhr an und Mamoru verkrampfte augenblicklich. Es war ein eigenartiges Gefühl. Total anders als Auto fahren. Alles vibrierte und Mamoru krallte sich regelrecht in Taketos Bauch. Als sie noch langsam fuhren, war das Gefühl ja auszuhalten, aber als sie dann immer schneller wurden, merkte Mamoru zusehends seine inneren Welten. Sein Bauch schlug Purzelbäume und sein Herz schlug so schell, das er befürchtete, es würde zerspringen. Als sie dann auf die Autobahn fuhren war alles vorbei. Mamoru schloss nur noch die Augen und hoffte inständig, dass sie bald in Koigakubo sein würden. Er würde niemals wieder auf diese Teufelsmaschine steigen. NIEMALS WIEDER!! Take war selten krank. Eigentlich nie – schon aus Prinzip, denn er hasste Ärzte und hatte Angst vor Spritzen. Manchmal hatte er Bauchschmerzen – meist nach dem Genuss eines von Kanaes Meisterwerken der angebrannten Kochkunst... Doch noch nie hatte sich sein Bauch so schmerzhaft bemerkbar gemacht wie jetzt. Dieser Mamoru hätte ruhig vorher sagen können, das er eine Heidenangst vor Motorrad fahren hatte. Er hatte sich so in seinen Bauch gekrallt, dass Take sich beinahe sicher war, er würde zehn blaue Flecken af seiner Haut finden, wenn er morgen früh duschen ging. Er seufzte und betrachtete gedankenverloren das Gebäude, zu dem er von seinem Mitfahrer gelotst worden war, ein Hotel in Koigakubo. Mamoru hockte am Boden und nestelte an seiner Tasche, wobei er versuchte sie zu öffnen, was schwierig war, weil seine Hände immer noch zitterten. Er war auch ganz blass, sah aber irgendwie erleichtert aus. Take schloss die Augen; wenn er auf der Autobahn fuhr fühlte er sich frei: all seine Sorgen wurden mit dem Wind davon getragen, der ihm in den Ohren brauste und manchmal – manchmal dachte er, er würde fliegen, spürte schon beinahe die Flügel auf seinem Rücken... Er wurde unsanft in die Realität zurückgeholt, als er zum zweiten mal an diesem Tag zu Boden ging: Mamoru hatte sich m Aufrichten die Tasche über die Schulter geworfen und einen gut platzierten Treffer in Takes Gesicht gelandet. „Autsch!“ versetzte Take trocken und kam wieder auf die Beine. /So ein Misttag.../ Mamoru drehte sich überrascht um, als er das undefinierbare Geräusch hinter sich hörte. Er sah Take an, guckte auf seine Tasche und zählte dann eins und eins zusammen. „Es tut mir Leid!! Sorry!“ Als Take wieder einigermaßen auf den Beinen war, gingen sie in das Hotel. Mamoru ging zur Rezeption, während Taketo sich kurz um sah um dann wieder nach draußen zu gehen. Er näherte sich der jungen Dame, die beschäftigt an ihrem Computer tippte. „Guten Tag. Mein Name ist Kitagawa. Ich hatte angerufen und ein Zimmer gebucht.“ Die Frau sah Mamoru an und guckte dann in ihre Reservierungsliste. Sie erkundigte sich noch einmal nach Mamorus Namen und schüttelte dann den Kopf. „Es tut mir Leid, aber ein Besucher mit ihrem Namen ist hier nicht vermerkt. Sind sie sicher, dass das das richtige Hotel ist?“ Mamoru schaute auf seine Broschüre und zeigte sie der Frau. „Hier hab ich angerufen und mir wurde das Zimmer auch bestätigt.“ Langsam schwang Panik in seiner Stimme mit. Die junge Dame sah ihn entschuldigend an. „Entschuldigen Sie, aber wir haben leider auch kein freies Zimmer mehr.“ Sie tippte kurz etwas in ihren Computer. „Es besteht auch keine Möglichkeit mehr, ein Zimmer zu räumen. Tut mir Leid.“ Verwirrt und deprimiert ging er wieder raus zu Taketo, der auf sein Motorrad aufpasste. Mamoru berichtete ihm kurz, was drinnen vorgefallen war. Nachdem er noch einmal alles erzählt hatte, und den größten Schock verdaut hatte, wurde ihm seine Situation erst richtig bewusst. „Was soll ich denn jetzt machen?!“, sagte er mehr zu sich selbst als zu Taketo. „Ich habe doch gar nichts außer...“ Er warf einen Blick auf seine Tasche. Mehr hatte er wirklich nicht dabei. Wo sollte er denn jetzt wohnen? Ihm traten ein paar kleine Tränen in die Augen. Was sollte er jetzt bloß tun? Scheiße, das war echt ein verfluchter Tag – alles ging irgendwie schief. Erst fuhr Kanae für zwei Wochen weg, dann kam dieser Junge ohne Wohnort und Orientierung... Für einen Augenblick kam ihm ein abwegiger Gedanke: Kanaes Arbeitszimmer war jetzt unbenutzt und die Schlafcouch reichte sicher für... Blödsinn, so philanthropisch war er dann doch nicht, einem völlig Fremden vorzuschlagen, bei ihm zu wohnen! Take fasste diesen Entschluss nur halbherzig, - wenn er ehrlich war, hatte er nichts dagegen, doch er hatte Berührungsängste, wenn es um nähere Bekanntschaften ging – setzte aber einen eisernen Blick auf und fasste Mamoru ins Auge, um sich förmlich und so schnell wie möglich zu verabschieden. Aber als er sah, wie verzweifelt sein Gegenüber war, kam aus seinem Mund ein „Hast du genug Geld für ein anderes Hotel oder irgendwelche Bekannte in der Stadt, bei denen du wohnen könntest?“. Und er entschied sich seinen Absolut-Dagegen-Entschluss noch einmal zu überdenken, sollte die Antwort auf beide Fragen nein lauten. „Nein... Ich kenne hier niemanden. Mein Vater ist tot... und wo der Rest meiner Familie ist, weiß ich nicht.“ Ein anderes Hotel? Er hatte zwar seine ganzen Ersparnisse mitgenommen, aber er konnte schlecht alles gleich für ein Hotel draufgehen lassen. „Ich hab ein bisschen Geld aber nicht sehr viel. Ich muss mir so schnell wie möglich einen Job suchen, um mir eine Existenz aufzubauen. Also würde ich nicht gleich alles ausgeben wollen.“ Langsam wuchs in Mamoru die Angst, was er jetzt tun sollte. Er hatte nicht viele Möglichkeiten. Was hatte er auch anderes erwarten können, heute, wo alles schief ging, was schief gehen konnte? Er überlegte hin und her und kam zu dem Schluss, dass er sich wie ein komplettes Arschloch vorkommen würde, wenn er jetzt nach hause fuhr, um sich gemütlich vor dem Fernseher ein warmes Abendessen zu gönnen und Mamoru hier einfach stehen lassen würde. Er seufzte sehr tief und drückte dann dem unglücklichen Jungen seinen Helm in die Hand. Wenn alles darauf hinaus lief, dass er seine zwei freien Wochen (auf die er sich irgendwie doch gefreut hatte) mit den Sorgen eines Anderen verbringen würde, musste er wenigstens noch einen letzten Versuch starten alles gut hinzukriegen: „Du bleibst kurz hier, ich geh noch mal rein!“ Und ehe ihm widersprochen werden konnte, war er schon mit großen Schritten ins Hotel gestürmt und knallte beide Hände lautstark auf den Tresen, hinter dem die junge Frau zusammenzuckte und von ihrer Modezeitschrift aufschaute. „Könnte es ihnen wohl möglich sein, ein Zimmer für meinen Bekannten zu finden?! Es ist ja wohl offensichtlich ein Fehler des Hotels aufgetreten!“ „Mein Herr“, erwiderte die Frau kühl, dass ob der Unfreundlichkeit ihres Gegenübers eine steinerne Miene aufgesetzt hatte. „Ich kann hier gar nichts tun. Da muss ein Fehler in der Verwaltung passiert sein und dafür kann ICH nichts. Aber wenn sie mir Adresse und Telefonnummer ihres Bekannten dalassen, kann das Hotel sie benachrichtigen, wenn ein Zimmer frei wird.“ Takes Wut schäumte über und er brüllte die Frau an: „ER HAT KEINE ADRESSE!“ und knallte mit mehr Wucht als Eleganz seine eigene Visitenkarte auf den Tresen und rauschte aus dem Hotel. Draußen verrauschte seine Wut wie von selbst, als sein Blick auf Mamoru fiel. Wie er so dastand, gedankenverloren den Helm in den Händen drehend, sah er unglaublich jung aus und irgendwie wirkte er süß. Take verlangsamte seinen Schritt und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Er blinzelte in die Sonne und fasste den Entschluss, dass es gar nicht so schlimm wäre, für ein paar Tage seine Wohnung mit Mamoru zu teilen. „Hey.“ Mamoru sah auf und Take lächelte. „Ich hab ne Schlafgelegenheit und einen Kühlschrank, außerdem grade keine Mitbewohnerin... also, wie wär´s, wenn du für eine Weile, bist du was gefunden hast, Wohnung, Job etc., also, wie wär´s wenn du für ne Weile bei mir wohnen würdest? Wollen würdest? Ehm...“ Es war wohl doch nicht so einfach, wie er es sich vorgestellt hatte. /Wie werde ich mich erst verhaspeln, wenn ich Kanae einen Antrag mache?.../ Der auf dem Boden zusammen gesunkene Mamoru bekam auf einmal den Helm in die Hand gedrückt und sah den Älteren erstaunt an. Bevor er etwas erwidern konnte, war dieser an ihm vorbei gerauscht und machte sich auf den Weg in das Hotel. Nachdem sich die Türen hinter Take geschlossen hatten, bekam Mamoru ein immer komischeres Gefühl in der Bauchgegend. Was war denn nur los mit ihm? Nach einigen Minuten kam Taketo wieder raus und Mamoru hatte vor lauter langer Weile angefangen, den Helm in seinen Händen zu drehen. Sein Blick fiel in die Richtung des anderen und er begann sich Hoffnungen zu machen. Aber worauf eigentlich? Wollte er in ein Hotel... oder wollte er bei dem Älteren bleiben? Nachdem er einige Sekunden über diese Frage nachgedacht hatte, wurde ihm klar, ja, es erschlug ihn sogar förmlich, dass ihm der Ältere sehr sympathisch war. Er konnte sogar schon sagen, dass er sich zu Taketo hingezogen fühlte. Diese warme Aura die von ihm ausging, beruhigte Mamoru ungemein. Als Taketo dann vor ihm stand und ihm anbot, bei ihm zu wohnen, überschlug sich alles in ihm. Er war froh, sehr sogar. Er lächelte und sagte einfach nur „Danke!“. Nun hatte er auf jeden Fall erst mal einen Schlafplatz gefunden. Aber wie würde es nach einiger zeit weitergehen? Am Besten er würde sich darüber noch keine Gedanken machen, sonst passierte sicher noch etwas schlimmes. Mamoru hob den Helm vom Boden auf, den er vorher dort abgelegt hatte und setzte ihn sich auf den Kopf. Er mochte diese Maschine zwar immer noch nicht, aber bei dem Gedanken an Taketo begann sein Herz höher zu schlagen, ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen und garantiert mehrere Millionen Schmetterlinge bahnten, oder besser gesagt, versuchten sich einen Weg aus seinem Bauch zu bahnen. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- /Ich hätte aufräumen sollen./ Take schaltete mit leichtem Widerwillen (welcher daher rührte, dass er wusste was für ein Chaos er sehen würde...) das Licht an. Es war dunkel geworden, als sie durch die Innenstadt fuhren. Jetzt waren nur noch die obersten Spitzen der Häuser in goldenes Licht getaucht. Take holte tief Luft und begann in Windeseile die Klamotten (hauptsächlich von Kanae übrig gebliebene), Handtaschen, Einkaufstüten, und Papierstapel voller alter Sprachen überhäuft mit Artefakten jeder Art aus dem Wohnzimmer zu sammeln. Mit Armen voller Kram flitzte er durch die Wohnung, die er etwa drei Wochen aufzuräumen zu faul gewesen war. Noch länger hatte er die riesige Glasfront im Wohnzimmer, die einem sofort ins Auge fiel, wenn man die Wohnung betrat, da sie der Eingangstür direkt gegenüber lag, nicht geputzt. Take warf einen Blick in das Arbeitszimmer, in welchem er seinen Gast einquartieren wollte und entschied, dass hier eine Säuberung am wichtigsten war; also warf er einfach den Stapel Klamotten, den er gerade in den Händen hatte durch die geöffnete Tür in sein und Kanaes Schlafzimmer, das sich direkt neben dem Arbeitszimmer befand. Er warf ein entschuldigendes Lächeln über die Schulter zu Mamoru. „Sorry, hier ist´s etwas unordentlich. Ich hab´s nicht so mit Ordnung... Setz dich einfach irgendwohin.“ Dabei deutete er vage in Richtung des halbabgeräumten Sofas. „Willst du was essen oder trinken?“ In dem Moment fiel ihm ein, dass er auch schon lange nicht mehr einkaufen war – und Kanae tat das schon aus Prinzip nicht. „Ach, ist nicht weiter schlimm. Ich hab´s auch noch nie mit Ordnung gehabt...“ Mamoru grinste Take an und setzte sich dann auf das Sofa. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. Das Wohnzimmer war wirklich gemütlich. Relativ groß sogar, wenn man es mit den anderen Zimmern verglich. Was die Dekoration anging, hatte Take wirklich einen guten Geschmack. Die Wände waren weder übermäßig mit Bildern beklebt noch zugestellt mit irgendwelchen Schränken. Das Chaos begrenzte sich wirklich nur auf den Fußboden. Mamoru fühlte sich in der gesamten Wohnung pudelwohl. In seinem Inneren jedoch tobte es, was er nach außen nicht zeigte, oder es zumindest versuchte. Er wollte hier nicht wieder weg. Das war ihm sofort klar gewesen, als er die Wohnung betreten hatte. Aber was wäre, wenn er wieder weg müsste? Es war eigentlich unmöglich, dass Mamoru hier bleiben könnte. Schließlich kannten sie sich kaum. Er könnte ja nicht bei einem völlig Fremden wohnen. Gedanklich schollt er sich für diese Überlegungen. Mamorus Persönlichkeit war nicht gerade einfach zu beschreiben. Er war der Typ von Mensch, der nicht bzw. höchst selten auf andere Leute zuging. Deshalb hatte er bisher auch kaum Freunde gehabt. Vielleicht ein, zwei – aber denen hatte er auch nie richtig getraut. Bei Taketo allerdings war alles anders. Von dessen Frage aus den Gedanken gerissen, bemerkte er, dass sein Magen mehr als nur leer war. Nach der Motorrad-Fahrt brauchte dieser nur die Zeit, sich wieder zu beruhigen, weshalb es Mamoru auch erst jetzt auffiel. „Ja, ich hab seit heut morgen nichts mehr gegessen.“ Verlegen grinste er. „Soll ich vielleicht etwas kochen? Was das betrifft, bin ich nicht ganz so ungeschickt.“ Das stimmte. Da sein Vater, um es mal vorsichtig auszudrücken, mehr als nur unbegabt war, was den Haushalt anging, hatte Mamoru früh angefangen zu lernen und es stellte sich heraus, dass dieser bei weitem nicht so unbegabt wie sein Vater war. Er hatte regelrecht Spaß an der Arbeit gefunden. „Kochen? Du kannst kochen?! Oh Mann, klasse, du kannst bleiben so lange du willst!“ Take war mit zwei schnellen Schritten beim Sofa und warf sich schwungvoll Mamorus Tasche über die Schulter, die bis dahin zu Mamorus Füßen gelegen hatte. Seine Laune war gerade um 200% gestiegen, denn richtig gekochtes Essen war bei ihnen schon lange nicht mehr auf den Tisch gekommen – Kanae und er hatten außer ihrem wenig ausgeprägten Hang zur Ordnungsliebe auch noch eine gewisse Abneigung gegen´s Kochen gemeinsam. Die im überschwänglichen Enthusiasmus geäußerten Worte in Aussicht auf eine warme Mahlzeit klangen in seinen Ohren nach wie ein lästiger Tinitus, als er, die Tasche in der Hand, das stickige Arbeitszimmer (Kabäuschen, wie er es gern nannte) betrat und beschloss, dass er zum ersten Mal seit mindestens neun Monaten den Spaltbreit Fenster öffnen würde, den der Computer und die merkwürdigen archäologischen Geräte zur Bestimmung geologischen Alters gerade noch frei ließen. Er hatte doch tatsächlich einen Fremden nicht nur in seine Wohnung, sondern auch noch zum Bleiben nach belieben eingeladen – und das hatte er ernst gemeint! Es wurde ihm bewusst, als er Staub starrende Artefakte von der Couch in irgendwelche freien Plätze in Kanaes Regale stopfte: eigentlich wäre es ihm ganz recht, wenn Mamoru die ganzen zwei Wochen bleiben würde, die Kanae weg war. Nicht nur deshalb, weil er sich daran gewöhnt hatte, in einer Wohnung voller Trubel zu leben, auch – und bei diesem Gedanken musste er unwillkürlich lächeln – weil er diesen Jungen mochte. Seine Art war angenehm und unaufdringlich; auch wenn er viel Ärger machte, war er ihm sympathisch. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn, wobei er einen Staubstreifen hinterließ und entschied, dass das Zimmer fürs Erste aufgeräumt genug war. Als er das Wohnzimmer betrat, knurrten sein Magen und das Telefon gleichzeitig und in Aufbietung all seiner Gedankenkraft, kramte er aus seinem Gedächtnis die Liste an Essensvorräten, die sich seiner Meinung nach in der Wohnung befinden mussten. „Spaghetti oder Reis?!“ rief er über die Schulter zu Mamoru, während er zum Telefon eilte. „Ist mir eigentlich egal... Was hättest du denn lieber?“ Mamoru hörte wie Take den Hörer abnahm und anfing zu reden. Nach fünf Minuten machte dieser immer noch keine Anstalten, das Telefonat zu beenden, also entschloss sich Mamoru dazu, das Abendbrot selbst in die Hand zu nehmen. Wenn er jetzt warten würde, bis Take fertig war, würden sie morgen noch kein Essen haben. Also fing er an in den Schränken nach reis, einem Reiskocher und Beilagen zu suchen. Er fand alle Dinge recht bald und machte sich sogleich an die Arbeit. Mamoru räumte den kleinen Esstisch in der Küche ab, stellte das Essen und Geschirr hin und wartete dann auf Take, der immer noch telefonierte. Da er das Essen nicht kalt werden lassen wollte, schob er sich in Takes Sichtfeld und deutete ihm, dass das Essen fertig sei. „Okay, Süße, solange dir nichts passiert ist...“ Er hatte Kanae schon nach dem ersten Wort an der Stimme erkannt und gleichzeitig gewusst, dass dieses Gespräch länger dauern würde – für den Zug, den sie nach Fukuoka genommen hatte, lag eine Bobendrohung vor, weshalb auf halber Strecke alle Insassen evakuiert werden mussten und sie ihren Flug nach Xián verpasst hatte, weswegen sie jetzt am Flughafen festsaß und irgendjemandem ihr Leid klagen musste. Mamoru stand jetzt schon geschlagene fünf Minuten in der Küchentür und verdrehte die Augen. Take zuckte entschuldigend mit den Achseln und versuchte krampfhaft zu übertönen, wie laut sein Magen inzwischen knurrte. „Hör mal, ich weiß, wie blöd das alles gelaufen ist – ich hatte heute auch ein paar unerwartete Komplikationen,...“ Sein Blick flog zu Mamoru , der die Arme vor der Brust verschränkt hatte. „Aber ich muss jetzt wirklich Schluss machen, sonst verhungere ich gleich.“ „Wenn dein Magen dir so viel wichtiger ist als ich, dann machen wir am besten ganz und gar Schluss!“ fauchte sie ihm wütend ins Ohr und er konnte gerade noch vermeiden, dass sein Trommelfell platze, als sie mit vollem Karacho den Hörer auf die Gabel warf, indem er ihn so weit und schnell es ging von seinem Ohr entfernte. Super, sie war stinksauer. Er überlegte, ob er sie gleich zurückrufen würde, entschied sich aber dagegen, da sie jetzt sowieso nur zickig sein würde und sein Magen nun unüberhörbar auf seinem Recht nach Essen bestand. „Was gibt’s denn?“ fragte er nur und überhörte das Klingeln in seinem Ohr, das Kanaes Gebrüll dort hinterlassen hatte. „Reis mit ein paar Beilagen. Da du nicht kamst, hab ich mich einfach ein bisschen in der Küche umgeschaut und uns etwas gesucht.“ Mamoru setzte sich an den Tisch und wünschte seinem Gegenüber guten Appetit. Dann fing er an zu Essen. Seine Gedanken schweiften dabei immer wieder zu dem Telefonat, was Take kurz vorher geführt hatte. Mamoru war bewusst, dass Take mit seiner Freundin gesprochen haben musste. Wann sonst könnte ein Mann so lange telefonieren. Es rauschte nur so in seinem Kopf. /War ja klar. So ein gut aussehender Kerl wie er musste natürlich eine Freundin haben. Da hat so jemand wie ich natürlich keine Chance.../ Langsam aß er weiter und wurde sich dann seiner Gedanken bewusst. /Was denk ich da eigentlich... Ich bin doch gar nicht in ihn verliebt... oder doch? Habe ich mich wirklich in ihn verliebt? Noch dazu in einen Jungen?/ Total geplättet durch seine Überlegungen starrte er seine Stäbchen an, bevor er sie zur Seite legte. Nach einer kurzen Schweigeminute richtete Mamoru das Wort an Take. „Ich würde morgen gern losgehen und versuchen eine Wohnung zu finden. Ich kann und möchte dir nicht länger als nötig auf die Nerven gehen.“ Ein schüchtern, verlegenes Lächeln verließ seine Lippen. „Da ich mich hier in Tokyo noch nicht so gut auskenne, wollte ich dich fragen, ob du vielleicht Zeit und Lust hättest, mich zu begleiten?“ Mehr als nein konnte Take nicht sagen, also konnte Mamoru auch nichts verlieren. Morgen? Das passte ihm ja mal so gar nicht in den Kram. Take hatte vorgehabt, sich mit seinen Freunden zu treffen, um später am Abend dann seinen Frust über das einstweilige Single-Dasein mit ihnen und einem Bier (oder zweien) zu teilen. Aber,... Er seufzte innerlich tief. – was man einmal angefangen hatte, sollte man auch beenden: Er hatte Mamoru eingeladen bei sich zu wohnen, nun sollte er ihm doch wenigstens helfen, wenn er ihn darum bat... aber eigentlich wollte er ihn doch nicht soooo schnell wieder loswerden. Warum eigentlich?... Er kratzte sich am Kopf: „Morgen? Passt mir gut. Ich kenn da einen Makler in der Innenstadt. Da finden wir bestimmt was für dich.“ In Gedanken fügte er mit einem Grinsen hinzu. „... Aber nicht wenn es nach mir geht.“ „Danke!“ Dann stand Mamoru auf und räumte das Geschirr ab. Er stellte es in den Geschirrspüler und stellte diesen auch gleich an, da er schon mehr als überfüllt war. Mamoru nahm sich eine Kanne mit Tee und zwei Tassen und ging mit Take ins Wohnzimmer. Dort ließ er sich aufs Sofa fallen und schloss kurz die Augen. Es war wirklich eine Menge passiert, an seinem ersten Tag in Tokyo. Erst die Ankunft auf dem Bahnhof, dann das Theater mit dem Hotel. Noch während er an das alles dachte, merkte er, wie seine Gedanken abdrifteten und sich eine große Wolke in seinem Kopf ausbreitete. Und eh er sich versah, war er mitten auf dem Sofa eingeschlafen. Take hatte sich gerade zwei Löffel Zucker in den Tee gehäuft und grinste wieder in Gedanken über die Diskussion, die dieses „Zuckerwasser“ stets zwischen ihm und Kanae auslöste. Als er sich wieder seinem Gegenüber widmen wollte, bemerkte er etwas verdutzt, dass Mamoru die Augen geschlossen hatte und allem Anschein nach schlief. „Ähm? Mamo?“ Er stand auf und ging um den Tisch herum. Er beugte sich hinunter, um Mamoru ins Gesicht zu sehen und musste unwillkürlich lächeln, denn dieser schlief tief mit halbgeöffnetem Mund. Es war ein süßer Anblick und ganz plötzlich fühlte er sich von diesem schlafenden Gesicht irgendwie angerührt. Es war ein warmes friedliches Gefühl ihn so schlafen zu sehen. Er strich dem Schlafenden sacht durchs Haar – bis ihm auffiel, wie seltsam er sich benahm. Er spürte, wie er rot wurde, denn sein Gesicht glühte plötzlich als hätte er Fieber. /Was hab ich mir den bloß dabei gedacht? Er ist doch kein kleines Kind und ich bin auch nicht sein...!/ Er schüttelte den Gedanken ab, wie ein Hund Wasser aus dem Fell: So was abartiges auch nur zu denken! /Mann, Take, kaum ist Kanae fünf Stunden weg, denkst du schon ans Fremdgehen und das auch noch mit einem Mann!“/ schollt ihn sein Gewissens-Engelchen. /Aber mit einem Süßen!/ erwiderte trotzig das Take-Teufelchen und Take musste plötzlich über sich selbst lachen. So was war sowieso nur ein Hirngespinst. Er zerzauste dem schlafenden Jungen nun eher spielerisch noch einmal die Haare und ging dann in seinem Zimmer den Fußboden nach ein paar Unterlagen absuchen, die er in den zwei Kanae-freien Wochen bearbeiten wollte. Als er ins Wohnzimmer zurückkam schlief Mamoru immer noch. Take setzte sich ihm gegenüber und trank sein inzwischen nur noch lauwarmes Zuckerwasser, nur ab und zu blickte er auf und lächelte über seinen „Geliebten“, wie er ihn in Gedanken scherzhaft nannte. Mamoru befand sich irgendwo zwischen wach sein und Tiefschlaf, als er auf einmal eine Wärme über seine Harre fahren spürte. Es war ein angenehmes Gefühl und er schmiegte sich sacht an die Wärmequelle an. Mamoru hoffte, das dieses schöne Gefühl nie wieder verschwand und für immer da bleiben würde. Dem war aber leider nicht so. Nachdem die Wärme wieder verschwunden war, sank wieder die große schwarze Wolke über seinen Geist und er schlief weiter. Als er die Augen aufschlug, fand er sich in einem Zimmer wieder, was er so noch gar nicht gesehen hatte. Nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, stand er auf und ging zur Tür, um das Licht anzuschalten. Aufgeräumt wirkte das Zimmer gleich ganz anders. Denn dies war ganz sicher das kleine Bürozimmer, in welches Mamoru vorhin einen Blick geworfen hatte. Es wirkte größer und Mamoru fühlte sich sofort heimisch. Die Couch, auf der er bis eben geschlafen hatte, stand am anderen Ende des Zimmers, gegenüber der Tür. An der einen Zimmerwand hingen Poster von irgendwelchen Orten und Sehenswürdigkeiten, die Mamoru noch nie zuvor gesehen hatte. An der anderen Seite stand ein Schreibtisch mit einem Computer drauf. Davor lagen einige Papierstapel, die wahrscheinlich vorher auf dem Boden gelegen hatten. Mamoru musste Lächeln. Es war schon echt lieb, wie Take sich um ihn kümmerte. Wer sonst hatte hier aufgeräumt und ihn ins Bett getragen? Nachdem er etwa eine halbe Stunde versucht hatte, sich auf seine Unterlagen zu konzentrieren, dabei aber immer wieder vom Anblick des auf seinem Sofa schlafenden Jungen abgelenkt worden war und minutenlang gedankenverloren dessen Gesicht betrachtet hatte, hatte er aufgegeben und sich dazu entschlossen, die Ablenkung umzuquartieren. Er hatte den Jungen vorsichtig unter die Schultern und unter den Knien gefasst und hochgehoben, wobei ihm Mamorus Kopf an die Schulter gesunken war. Als er versuchte den Lichtschalter im Arbeitszimmer mit dem Ellbogen anzuknipsen, ohne Mamoru zu wecken, fiel sein Blick auf Kanaes Computer und den daran gehefteten Post-it mit dem Postermotiv von „Gone with the wind“. Er grinste breit, während er seine Position der Rhett Butlers anpasste und ernsthaft zu dem Schlafenden sagte: „Eines Tages wirst du mich lieben Scarlett! Hörst du?“ Und unter verschmitztem Grinsen legte er Mamoru auf der Couch ab und deckte ihn zu. Als er fertig mit umbetten war, stand er noch eine Weile da und hing seinen Gedanken nach, während Mamoru ruhig atmete. Erst Stunden später ging Take selbst schlafen und er träumte davon, wie er im Südstaatenkrieg „seinen“ Scarlett, und Mamoru stand das Kleid auf bizarre Weise, aus dem Feuer rettete. Währe jemand in der nähe gewesen, so hätte er ihn murmeln hören können: „Ashley, wer ist schon Ashley?“ Nachdem Mamoru sich noch eine Weile in dem Zimmer umgeschaut hatte, entschloss er sich, wieder schlafen zu gehen. Am Morgen wurde er durch die Sonnenstrahlen geweckt, die durch das kleine Fenster hinter dem Computer ins Zimmer strahlten. Er gähnte, streckte sich und tappste dann noch halb verschlafen ins Bad. Er wusch sich und zog sich fertig an. Dann öffnete er das kleine Fenster um zu lüften und räumte das Sofa auf. In der Küche machte er den Geschirrspüler auf und begann ihn auszuräumen. Was wollten sie denn eigentlich zum Frühstück essen? Mamoru fragte sich, ob Take nur japanisches Essen mochte. Da dieser aber noch schlief, konnte er ihn schlecht persönlich fragen. Also würde er einfach mal einkaufen gehen. Als sie gestern angekommen waren, hatte Mamoru nicht weit von der Wohnung einen Supermarkt gesehen. Und er wusste, wo Take den Hausschlüssel hingepackt hatte. Er zweifelte kurz, ob er sich den Schlüssel einfach nehmen sollte, hoffte aber, dass Take es ihm nicht übel nehmen würde. Dann ging er zum Supermarkt und kaufte ein paar Sachen zum essen ein. Reis, Brötchen, Brot, Belag. Als er wieder bei Take zu Hause war, bemerkte er, dass Take immer noch nicht wach war. Daraufhin ging er in die Küche, bereitete das Frühstück vor. Da war etwas vage bekanntes und dennoch fremdes – was eigentlich? Ein Geräusch, Geruch? Take blinzelte und stellte fest, dass er gestern Nacht bzw. heute Morgen vergessen hatte den Wecker zu stellen und soeben den Beginn seiner ersten Vorlesung verpasst hatte. Er gähnte, streckte sich und versuchte die Bildfetzen seines Traumes zu einem Ganzen zusammenzufügen, was ihm nicht gelang. Was hatte ihn geweckt? Er schnupperte und erkannte den Geruch von getoastetem Toast. Es versetzte ihn in seltsam sentimentale Stimmung. Wie ein Schlafwandler ging er direkt zur Küche – fast erwartete er seinen Vater vor einer Tasse Kaffee und die Morgenzeitung lesend am Küchentisch vorzufinden, während seine Mutter einen Teller mit Toastbrot für ihn hinstellte. Das hatte sie immer getan, als er noch klein war und seine Eltern nicht immer unterwegs waren. Aber als er die Küche jetzt betrat war da nur ein fremder Mann und für einen Augenblick war er irritiert. Bis ihm plötzlich alles wieder einfiel – er hatte gestern diesen Mamoru eingeladen, bei sich zu wohnen und der hatte jetzt offensichtlich Frühstück gemacht. „Hey! Gut geschlafen? Ich hab dich gestern mal umquartiert, weil ich eigentlich vor dir aufstehen wollte und dich dann nicht wecken wollte, wenn ich Morgenmuffel durch´s Wohnzimmer muffle. Echt nett von dir Frühstück zu machen und...“ Sein Blick wanderte durch die Küche und blieb am halbausgeräumten Einkaufsbeutel und der geöffneten Spülmaschine hängen. Ihm wurde bewusst, dass er gar kein Toastbrot mehr gegessen, geschweige denn gekauft hatte, seit er nicht mehr mit seinen Eltern zusammenwohnte – also musste das ja irgendwoher kommen. Ihm wurde die Tatsache bewusst, dass er seinem Besuch da seine Hausarbeit aufgebürgt hatte (allerdings ohne Absicht). „... einzukaufen und aufzuräumen..“ Er lächelte gequält. Man, war das peinlich. Mamoru wirtschaftete durch die Küche, als hinter ihm eine Stimme ertönte. Er zuckte zusammen und drehte sich um. Take stand in der Tür und sah ziemlich fertig aus. Mamoru schickte ihm ein Lächeln: „Frühstück ist fertig.“ Mit diesen Worten stellte er den Korb mit dem fertigen toast auf den Tisch. Dann holte er noch den Kaffee und setzte sich and en Tisch. Take stand immer noch wie angewurzelt in der Tür. „Was ist mit dir? Magst du dich nicht hinsetzen? Sonst wird alles kalt...“ Wieder huschte ein lächeln über Mamorus Gesicht. Es war schon eine Weile her, seit Take mit jemandem zusammen am Esstisch gefrühstückt hatte (und nicht im Bett). Er genoss es regelrecht diesen morgen ohne die sonst alltägliche hast zu verbringen und strich in Gedanken auch die zwei Nachmittagsvorlesungen von seinem Tagesplan. „Was hältst du von einer kleinen Stadtführung, bevor wir dem Makler einen kleinen Besuch abstatten?“ „Ja, gerne! Wenn ich hier wohnen werde, wäre es vielleicht ganz gut, die Stadt zu kennen. Vielen Dank.“ Dann trank Mamoru seinen Kaffee aus und fing an, den Tisch abzuräumen. Sie sollten sich vielleicht ein bisschen beeilen, schließlich wüssten sie nicht, wie lange sie bei den Maklern sein würden. „Mm, was meinst du – Motorrad oder öffentliche Verkehrsmittel?“ Take grinste und streifte seine Jacke über. Er hatte schon automatisch nach dem Motorradschlüssel gegriffen und grinste. Rhetorische Fragen liebte er. Er würde ganz klar kein Geld in den Staatsrachen schmeißen, nur um ein paar popelige Stationen in der Bahn eingequetscht zu werden. Er würde sich überlegen müssen, was er dem Tokyo-Neuling zeigen sollte und was (von den eher nicht so guten Seiten der Großstadt) er ihm vorsichtig beibringen wollte. Aber zuerst wäre sicher ein Überblick über die Stadt der beste Einstieg. „Ich hoffe du bist schwindelfrei, Mamoru.“ Dabei lachte er vergnügt über die Schulter und freute sich wie ein Kind über den geplanten Ausflug. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Als Antwort auf das gewünschte Verkehrsmittel bekam Take einen schockiert, entsetzten Blick und hakte daraufhin nicht weiter nach. Draußen vor der Tür liefen sie in Richtung U-Bahn, mit der sie dann in die Innenstadt fahren würden. Als Take sich dann zu Mamoru umdrehte und ihn anlachte, drehten bei dem Jüngeren alle Sicherungen durch. Er schloss zu Take auf und ergriff dessen Hand. Es war ihm total peinlich, aber er wollte das unbedingt. Mamoru senkte seinen hochroten kopf beschämt zu Boden und sagte nichts. Hoffentlich hatte er jetzt keinen Fehler begangen! Okay... das war doch ein bisschen strange... Take fühlte sich etwas neben der Spur: Händchenhalten taten Kindergartenkinder oder Verliebte. Eigentlich hatte er vorgehabt, dass sofort zu unterbinden, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Es mochte unkonventionell sein, aber was kratzten ihn Konventionen? Er war ehrlich genug sich einzugestehen, dass er diesen jungen Mann mochte. Er hatte ihn als Freund akzeptiert und einen Freund konnte er an die Hand nehmen! Er ignorierte die neugierigen, manchmal pikierten Blicke der Passanten und hielt Mamorus Hand fester, als er ihn durch die Metrohalle zog, um den gerade einfahrenden Zug noch zu erwischen. Was war schon dabei?! Die anderen Leute sollten sich um ihren eigenen Kram kümmern! Auch Mamoru fielen die pikierten Blicke der Passanten auf, aber es störte ihn nicht. Sollten die anderen doch denken, was sie wollten. In der Metro sprangen sie schnell in den Zug, bevor sich die Türen schlossen und dieser weiterfuhr. Auch in der Bahn ließ Mamoru Takes Hand nicht los. Gerade hier nicht! Scheinbar waren sie zu einer sehr unglücklichen Zeit losgefahren, denn es war voll, ziemlich voll sogar. Mamorus Herzschlag begann sich zu beschleunigen, geriet aber nicht völlig außer Kontrolle. Er bedachte Take mit einem Blick und wurde sofort ruhiger. „Wie lange müssen wir eigentlich fahren?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schob sich der Kleinere in Richtung der Sitze, die gerade frei geworden waren und ließ sich fallen. „Nicht lange...“ kam prompt die Antwort, aber eigentlich war Take in Gedanken ganz weit weg. Ohne es zu wollen waren seine Gedanken zum ersten Augenblick ihrer Bekanntschaft zurückgesprungen: das hatte auch etwas mit Zügen zu tun gehabt. Seien Gedanken schweiften ab... Ohne es zu bemerken, hatte sein Blick die ganze Zeit auf Mamoru gelegen. Wie schnell man einen Menschen kennen lernen konnte... Er war in seltsamer Stimmung und hätte um ein haar die richtige Station verpasst. „Hey, wir müssen raus! Komm schon!“ und er schob sich durch die Menschenmassen der Tür zu. Mamoru wurde von Take mitgezogen und stand dann ziemlich außer Puste auf dem Bahnsteig. Sie hatten es gerade noch rechtzeitig aus der Bahn geschafft. Nun liefen sie an die Oberfläche und Mamoru sah schon in weiter Ferne den Tokyo Tower sich erheben. Er glaubte zumindest, das er es war. Er war rot, groß und sah genauso aus wie auf der Karte, auf der Mamoru ihn mal gesehen hatte. Jene Karte war zwar nicht an ihn gerichtet gewesen, aber an seinen Vater. Und sie war von Toya. Stimmt! Jetzt fiel es ihm wieder siedend heiß ein. Toya studierte ja in Tokyo. Mamoru zuckte leicht zusammen und klammerte sich noch ein bisschen mehr an Taketo. Mamoru hoffte, dass er Toya nicht begegnen würde. Tokyo war schließlich eine große Stadt. Warum sollte er bei rund 26 Millionen Menschen gerade seinen Bruder treffen? „Alsooo... tadada – hier ist es also, das Wahrzeichen und zugleich der höchste Punkt in der Mega-Metropole Tokyo! Und...“ Take grinste und deutete auf die riesige Menschenmenge, die rund um den Tokyo Tower versammelt war. „... einer der größten Touristenmagneten der Stadt.“ Er lächelte fies und hüpfte voll guter Laune ein paar Schritte zurück. „Also solltest du mich besser nicht verlieren!“ Take drehte sich um und lief zum Eingang. „Was hältst du davon, wenn ich dich einlade?“ lachte er über die Schulter. „Sehr gern, junger Herr.“ Sagte die Dame hinter ihm, die an eben der Stelle stand, an der er Mamoru vermutet hatte. /Oh nein!/ schoss es ihm durch den Kopf. „Ist gut, bei so vielen Menschen bin ich eh lieber mit jemandem zusammen, den ich kenne...“ Mamoru drehte sich um und blickte in das Gesicht eines älteren Mannes. Überrascht wich er einen Schritt zurück und quiekte erschrocken auf. Der ältere Mann sah in komisch an und Mamoru stammelte kurz: Entschuldigen Sie! Ich hab sie verwechselt...“ Dann entfernte er sich ein Stück und blickte sich um... und von Take war nirgendwo eine Spur. Na toll... Sie hatten sich verloren. Auf Grund der vielen Menschen, bewegte sich Mamoru erst mal aus der großen Masse und kramte dann sein Handy aus der Tasche. Er blickte auf den Display und sah deprimiert, dass er nur einen Balken Empfang hatte. Na ja, besser als gar keinen! Er tippte Takes Nummer ein und wartete. Es klingelte und Mamoru hoffte, dass nicht dieser eine verhasste Satz kommen würde. Seine Hoffnungen wurden jedoch enttäuscht. „Der von ihnen gewünschte Teilnehmer ist zur Zeit leider nicht erreichbar. Bitte versuchen sie es später noch einmal.“ Take sah sich um, während er sich umdrehte und feststellte, dass er ganz sicher der größte Idiot war, den es gab. Warum hatte er Mamorus Hand nur losgelassen? Er und seine blöden Ideen! Take wurde unsanft vom Regenschirm eines älteren Mannes in die Rippen gestoßen und machte schmerzhafte Bekanntschaft mit den Ellenbogen eines Mädchens, die mit Begeisterung das Outfit ihrer Freundin begutachtete, während sie sich zugleich auch ihrem Handy gehör schenkte. Obwohl sein Kopf schmerzte, war er dem Mädchen dankbar für die Idee – er zog sein Handy hervor. Nach dem zweiten Versuch wusste er, dass er es wohl anders versuchen musste. Er holte tief Luft, es ging wohl nicht anders und brüllte aus vollem Hals: „Mamoru! Mamoru!“ Er bekam keine Antwort. /Verdammt. Was mach ich jetzt?/ Er lief zu der Stelle zurück, an der er Mamorus Hand losgelassen hatte, aber auch hier konnte er ihn nicht finden. Da half wohl doch nur noch das eine... Mamoru verfluchte sein Handy und steckte es wieder in seine Tasche. Hm, wie sollten sie sich bloß wieder finden? Er sah kurz in den Himmel und sah dann nicht weit von sich einen hohen Stein stehen. Er rannte darauf zu und stellte sich drauf. Von dort oben hatte Mamoru eine bessere Aussicht und es dauerte auch gar nicht lange, bis er Take nicht weit entfernt von sich sah. „Takeee!!!!!“ Und während er noch nach seinem Freund rief, merkte er, wie er mit einem Fuß von dem Stein rutschte und unsanft auf dem Boden landete. Als nächstes durchfuhr Mamoru ein ungeheurer Schmerz und dann wurde alles schwarz... „Takeee!!!!“ Er hörte hinter sich Mamorus Stimme und drehte sich gerade rechtzeitig um, um seinen Freund fallenderweise aus seinem Blickfeld verschwinden zu sehen. „Hey, Mamoru!“ Er drängelte sich jetzt sehr viel unfreundlicher als noch vor ein paar Minuten durch die Menge auf Mamoru zu. Er hatte den Punkt erreicht, an dem er ihn gesehen haben wollte. Gleich neben ihm drängte sich eine Menschentraube um einen Punkt. Take schnappte ein paar Worte auf, als er auf der Suche nach Mamoru nach rechts und links blickte. „... ist runter gefallen. Tja, typisch – bei solchem Übermut!“ /oh oh, das konnte doch nicht... oder doch?/ Take schob die Menge einfach auseinander und fand, was er vermutet hatte: sein neuer Freund lag auf dem Boden. Take bückte sich und prüfte seinen Puls. Alles okay. Er schüttelte ihn sanft an der Schulter. „Hey Mamo.“ „Das bringt nichts. Das haben wir auch schon probiert. Sagen Sie, sie kennen ihn, ja?“ Eine Frau kniete Take gegenüber, die er vorher nicht einmal gesehen hatte. „Ähm, ja. Wir sind befreundet.“ „Er ist abgerutscht und mit dem Kopf auf den Boden aufgeschlagen.“ Take sah auf Mamoru; er hatte keine Kopfverletzung, nur eine kleine Beule. „Danke für die Hilfe. Ich bring ihn jetzt besser nach Hause.“ Er lud sich Mamoru auf den Rücken und stand vorsichtig auf. Die Stadtbesichtigung musste erstmal ausfallen – und das mit den Maklern auch... Naja, das war vielleicht doch nicht so schlimm... Take hatte schon nach wenigen Schritten gemerkt, dass sein Rücken es nicht überleben würde, wenn er so durch die Stadt stapfen würde. Also kramte er seine Brieftasche hervor und begutachtete deren Inhalt. Es würde reichen... Schweren Herzens entschloss er sich ein Taxi zu nehmen. Er musste normalerweise hart darum kämpfen, aber heute bot ihm schon beim ersten Taxi jemand an, ihn vorzulassen – wahrscheinlich lag es an dem bewusstlosen Jungen auf seinem Rücken. Im Taxi lehnte er Mamoru an den Sitz und gab dem Fahrer seine Adresse und trotz der öfteren Blicke desselben in den Rückspiegel, wobei er sicher war, von ihm beobachtet zu werden, legte er Mamorus Kopf auf seine Schulter. Was ging´s den Taxitypen denn an? Bei seiner Wohnung angekommen, brachte er Mamoru in sein Zimmer und legte ihn dort auf seinem „Bett“ ab. „Muss ich dich jetzt jeden Tag ins Bett bringen?“ schimpfte er leise, lächelte dann und ging ins Bad um ein paar Dinge zu holen. Als Mamoru erwachte, spürte er ein dumpfes Pochen in seinem Kopf. Er berührte die vermutliche Beule, die der Verursacher des Schmerzes war, und zuckte zurück, als er nur Stoff spürte. Dann versuchte er sich langsam aufzurichten und mit einigem Bemühen schaffte er es auch. Dabei fiel ein feucht kaltes Tuch von seiner Stirn. Nun endlich sitzend ließ er seinen Blick durch den Raum wandern und blieb an einem Objekt oder besser gesagt an einer Person hängen. Take lag schlafend neben seinem Bett. In Mamorus Kopf ratterte es. Scheinbar war er ohnmächtig gewesen, nachdem er von dem Stein fiel, und Take hatte ihn dann nach hause gebracht und gepflegt. Als er erwachte, bemerkte er erstens, dass er eingeschlafen war, während er es nicht hatte lassen können und Mamoru im Schlaf beobachtet hatte, zweitens, dass Mamoru in der Zwischenzeit aufgewacht war und drittens, dass es schon wieder dunkel wurde. Er streckte sich – was für ein seltsamer Tag. Als Mamoru eine Bewegung aus Takes Richtung wahr nahm, zuckte er zusammen, aber als er sah, dass dieser sich nur streckte, entspannte er sich wieder. „Sorry, das ich dir solche Umstände bereitet habe. Ich weiß, dass ich ein Tollpatsch bin und ich garantiere dir, dass ich alles wieder gut machen werde...“ Mamorus Redeschwall war kaum zu bremsen. „Ja wirklich? Na dann geh und mach uns was zu essen!“ Er zwinkerte. „Oder besser doch nur mir, denn du musst dringend abnehmen, mein Guter!“ Er grinste jetzt noch breiter. „Du wiegst echt ne Tonne und bis zum nächsten Mal, dass ich dich tragen muss solltest du dein Gewicht halbieren.“ Take wich lachend einem Kissen aus, dass Mamoru geworfen hatte und während er sich bückte um es aufzuheben, traf ihn ein zweiter gut gezielter Wurf am Hinterkopf. „Na warte! Das gibt Rache!“ Und mit dem Kissen in den Händen stürzte er sich auf sein nun unbewaffnetes Opfer. „Wollte schon die ganze Zeit wissen, ob du kitzelig bist!“ Und damit saß er schon halb auf Mamoru und begann ihn abzukitzeln – das war eine seiner Macken: alle Leute abkitzeln, wenn sich die Gelegenheit ergab. Mamoru duckte sich lachend tiefer in seine Decke um vor Take zu flüchten. Er war kitzelig. Und das sogar sehr! /Bin ich wirklich zu dick?/ Ein kurzer Blick wanderte seinen Körper entlang. /Na ja.../ Noch während er die Argumente verdaute, die Take ihm an den Kopf geworfen hatte, schnappte er keuchend nach Luft. Take verstand sein Handwerk! Dieser kam ihm nun immer näher und drängte sich so wieder in sein Bewusstsein. Mamoru versuchte aus dem Deckenwirrwarr aufzutauchen und spürte plötzlich Takes Lippen auf den seinen. Er hatte es nicht geplant. Eben noch war er nur am Rumalbern gewesen und dann... es war ganz plötzlich über ihn gekommen. Er saß ritt links auf Mamoru und hatte versucht ihn unter der Bettdecke hervorzuziehen. Und dann... Es war eine Kurzschlusshandlung, es war ganz plötzlich gekommen. Aber er hatte es gewollt, ihn küssen gewollt, ihn berühren gewollt – nur für einen winzigen Augenblick. Und er hatte es getan. Er hatte Mamoru geküsst – für ein paar Sekunden. /Was hab ich getan?/ Er war schneller von der Coach runter, als er brauchte um Jacke und Schlüssel aus dem Flur zu nehmen und die Tür hinter sich zuzuschlagen. Er lief schnell, schließlich rannte er, keinem Ziel zu, einfach nur schnell bevor ihn sein Gewissen einholen konnte. So schnell wie dieses äußerst schöne Gefühl gekommen war, war es auch wieder verschwunden. Und Take mit ihm. Eh Mamoru sich versah war er allein im Zimmer und hörte in der Ferne die Haustür zuschlagen. „Was...?“ flüsterte er, mehr brachte er nicht raus. Dann sprang er auf, eilte zur Tür, sank dort aber auch wieder zusammen. Für solch einen Sprint war er einfach noch nicht fit genug. Vor seinen Augen begann sich alles zu drehen und sowohl sein Fuß, als auch sein Kopf begannen schmerzhaft zu pochen. Mamoru stolperte mehr als das er ging ins Bad und hielt dort seinen Kopf unter den Wasserstrahl. Vielleicht würde ihn das wieder beruhigen. Die Hitze, die sein Gesicht bedeckt hatte, wurde vertrieben, sein Kopfschmerz wurde allerdings immer stärker. Je mehr Mamoru an Take dachte, desto aufgelöster, verwirrter wurde er. Wo war der andere nur hingegangen? Mamoru wäre ihm ohne zu zögern gefolgt, wäre da nicht dieser unerträgliche Schmerz gewesen. „Take!!!“ schrie er und brach dann vor dem Waschbecken zusammen. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Take ging jetzt wieder langsam, schlenderte beinahe durch die Straßen. Er brauchte Zeit zum nachdenken. Er beachtete kaum die einladenden Leuchtreklamen, die ihn mit hinterhältiger Freundlichkeit einluden einzutreten und ignorierte die Menschen, die wie ein schwirrender Bienenschwarm schwatzend in seinem Blickfeld auf- und abtauchten. Jedenfalls versuchte er es. Wann immer ihm ein Pärchen begegnete, fing der Strudel seiner Gedanken wieder an sich zu drehen. Er hatte sich nie für einen Mönch gehalten, aber er hatte auch nicht gewusst, dass er ein notgeiler Bock war, der alles besprang, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Er hatte einen Jungen (einen Gast in seinem Haus und noch dazu verletzt!) schamlos geküsst. Das war falsch! Ganz falsch! ...Aber dieser Mund... Er hatte süß geschmeckt, nach mehr. Die Wärme des Körpers unter ihm und dann diese Augen, in denen man ertrank – Nein, das waren absolut falsche Gedanken! Er musste jetzt an Kanae denken! Er hatte sie – genau genommen – betrogen, in Gedanken und Taten. Was hatte er sich bloß dabei gedacht? Er liebte Kanae! Sie war die Eine, die Einzige! Mit ihr wollte er sein Leben verbringen! Er blieb stehen und atmete die Nachtluft ein, die nach Abgasen und billigem Parfüm schmeckte. Sie fehlte ihm. Ihre Art, ihr fröhliches Lächeln, ihr wütendes Gesicht, wenn er sie mal wieder auf die Palme gebracht hatte, ihr Körper... Er fröstelte und zog sein Handy aus der Tasche. Besser er beichtete gleich und fragte sie bei der Gelegenheit, was er mit Mamoru machen sollte, ob er ihn rauswerfen sollte. Drrr! Drrr! Drrr! Es klingelte schier endlos, dann: „Hallo?“ Klick. Take hatte aufgelegt. Es ging einfach nicht, noch nicht. Er würde es ihr sagen, wenn sie wieder kam – das würde reichen! ... Ihre Stimme hatte trotz des mitschwingenden Ärgers, um drei Uhr nachts geweckt worden zu sein, müde und erschöpft geklungen. Sicher war ihre Arbeit hart; er sollte ihr das nicht auch noch aufbürden. Tief in Gedanken versunken, war er stehen geblieben und hatte vor sich hin gestarrt. Jetzt erst nahm er wahr, worauf er gestarrt hatte: es war ein Neonschild einer Bar, das mit dem Spruch „Go! Go! Go!“ potentielle Kunden anzulocken suchte. Ja, er sollte gehen, zurück gehen und die Sache mit Mamoru klären, bevor die Verwirrung überhand nahm. Er hatte geschlagenen fünf Minuten vor der Tür gestanden und sich nicht vom Fleck bewegt. /Das ist doch lächerlich!/ schallt er sich schließlich selbst. /Das ist meine Wohnung!/ und er drehte den Schlüssel im Schloss. „Mamoru! Wir müssen reden!“ Mamoru lag immer noch auf dem Boden vor dem Waschbecken. Plötzlich schlug er die Augen auf, ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Er richtete sich vorsichtig auf und warf einen Blick auf das Waschbecken und die nahe Umgebung. Seine Augen weiteten sich und er sprang auf, drehte schnellstens den Wasserhahn zu. Das ganze Bad stand unter Wasser und durch die nasse Kleidung, die sich mit Wasser voll gesogen hatte, als er am Boden gelegen hatte, fing er an zu zittern. Mamoru schaute sich schnell im Bad um, nahm sich dann die Handtücher und begann das Wasser vom Boden aufzuwischen. Sein Kopf war leer, begann wieder zu pochen. Auf einmal hörte er hinter sich ein Geräusch, drehte sich um – und er blickte Take in der Tür. Still schweigend blickte er seinen Freund an, sagte nichts. Dann löste sich langsam eine einzelne Träne aus seinen Augenwinkeln und rann seine Wange hinab. Take bekam keine Antwort und ging in Richtung Arbeitszimmer, um nach Mamoru zu sehen, den er im Bett vermutete, blieb aber wie angewurzelt in der Badezimmertür stehen, als er den Gesuchten dort auf dem schwimmenden Boden erblickte. Er verdrehte die Augen: Verdammt, was war das denn? Jetzt hatte dieser unmögliche Junge auch noch sein bad geflutet. Wut stieg wie eine Welle in ihm auf. Wie konnte er es wagen, auch noch in dieser chaotischen Lage noch so sexy auszusehen?! Die nassen Klamotten schmiegten sich viel zu vorteilhaft an seinen Körper und mit dieser Leidensmiene war es einfach nur süß. Es versetzte ihm einen Stich, Mamoru weinend vorzufinden, doch das schürte seine Wut nur noch: ER war es, der weinen wollte! SEINE Beziehung war es, die darunter leiden würde! Sein Ärger explodierte und er war mit zwei Schritten in dem See, in den sich sein bad verwandelt hatte und packte Mamoru hart am Oberarm. Er zerrte ihn auf die Beine, wobei er überging, das Mamoru vor Schmerz zusammenzuckte. „Was hast du getan?“ er brüllte; wütend und Mamoru direkt ins Gesicht. „Warum bist du nur so...?!“ Ihm fielen tausend Worte gleichzeitig ein, die Hälfte davon ungewollt schmeichelhaft. Er wollte, musste, ihm sagen, dass er so schnell wie möglich ausziehen musste (wobei er in Gedanken das „sich“ raus strich), dass er, Take, eine Freundin hatte, die er liebte, die er heiraten wollte, dass er verdammt noch mal nicht so attraktiv sein sollte und das- Alles war leer, was blieb war Mamoru direkt vor ihm, so nah. Take tat das, was er immer tat, wenn alles überhand nahm. Sein Griff um Mamorus Arm wurde sanfter und gleichzeitig legte er Mamoru den anderen Arm um die Taille und zog ihn noch näher zu sich. Er beugte sich hinunter und küsste ihn. Setzte die Energie, die er für den Streit aufgehoben hatte, in einen leidenschaftlichen Kuss. Take brachte ihn leicht dazu seinen Mund zu öffnen und ließ seiner Zunge und Phantasie freien Lauf. Sein Kopf war leer. Er merkte weder, wie viel Zeit verstrich, noch wie sehr er gerade gegen seine Prinzipien handelte. Sie küssten sich scheinbar unendlich. Doch Take kam je zurück in die Wirklichkeit, als er registrierte, dass Mamoru zitterte. Er ließ ihn los, trat vorsichtig zurück und spürte sein Gesicht heiß werden (und noch was anderes...) „Ähm, du solltest dir was trockenes anziehen. Ich mach, äh, das hier weg...“ Mamoru fühlte sich überfordert, mit der gesamten Situation. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte, noch wie Take reagieren würde. Er hatte sich schon ausgemalt, dass dieser wütend sein würde, aber das es so enden würde... Er wurde von Take kurzerhand grob nach oben gezogen. Der Schmerz durchzuckte ihn und ihm entfuhr ein kleiner Schrei. Als Take ihn dann auch noch anbrüllte, wollte er am liebsten im Boden versinken. Er hatte es Take doch versprochen. Versprochen, dass er ihm keine Unannehmlichkeiten mehr bereiten würde. Und nun hatte er auch noch sein Bad geflutet. Mamoru war kurz davor, etwas zu erwidern, als der Griff um seinen Arm plötzlich sanfter wurde und auch die Wut aus Takes Blick wich. Etwas verwirrt sah er ihn an, spürte dann eine Hand an seiner Taille. Ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen. Take beugte sich zu ihm herunter und legte seine Lippen zuerst federleicht, dann immer fordernder auf Mamorus. Dieser wusste nicht, was er machen sollte, wurde durch die stupsende Zunge dazu animiert, seinen Mund ein Stück zu öffnen. Als die warme, weiche Zunge des anderen in seinen Mund eindrang, umhüllte ihn ein Gefühl, dass Mamoru noch nie vorher gespürt hatte. Take begann in seinem Mund zu räubern und auch Mamoru wurde mit der Zeit mutiger, ließ seiner Zunge freien Lauf und erkundete seinerseits Takes Mund. Nach Sekunden, Minuten oder Stunden, Mamoru konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, lösten sie sich wieder voneinander. Während des Kusses war Mamoru warm gewesen, man konnte sogar sagen heiß, nun kam die Kälte der nassen Sachen allerdings zurück und er begann wieder zu zittern. Er nahm sich Takes Ratschlag zu Herzen und ging in sein Zimmer, um sich trockene Sachen anzuziehen. Als er wieder kam, sah er, dass Take den Großteil des Bades wieder aufgeräumt hatte. Da es Mamoru immer noch fröstelte, ging er in die Küche und kochte eine Kanne Tee. Er stellte die Kanne zusammen mit zwei Tassen auf ein Tablett und trug raus auf den Wohnzimmertisch. Dort setzte er sich auf die Couch und kuschelte sich in die Decke, die er aus seinem Zimmer mitgebracht hatte. Sobald Mamoru aus dem Raum verschwunden war, kam über Take eine große Erleichterung. Erleichterung darüber, dass Mamoru jetzt außer Reichweite und in Sicherheit war. Er stürzte sich kopfüber und voller Enthusiasmus in die Aufgabe, sein Bad trocken zu legen und erlaubte weder seinem Gewissen, noch seiner Begierde irgendwelche Forderungen an ihn zu stellen – er wollte jetzt nicht darüber nachdenken, was er angerichtet hatte und was er noch hätte anrichten können, wäre er nur einen Schritt weiter gegangen. Die Arbeit nahm seine Konzentration in Anspruch und so bemerkte er nicht einmal, dass Mamoru seinem Tun einen Augenblick zusah. Als Take fertig war, verfluchte er den Wasserhahn und beschloss, sich mal Mamorus Fußgelenk anzusehen (wobei er sich in Gedanken sagte, NUR das Fußgelenk anzusehen) und verließ das Bad in Richtung Wohnzimmer mit der vagen Ahnung das Objekt seiner Begierde, quatsch: Bemühung, dort zu finden. Allerdings kam er nicht weit. Schon beim Anblick des eingekuschelt dasitzenden Jungen meldete sich unmissverständlich seine Lust wieder. Er verharrte mitten im Schritt, drehte sich dann entschlossen um und marschierte stracks zurück ins Bad, wo er beabsichtigte eine kalte Dusche zu nehmen und sich erstmal zu beruhigen. Mamoru saß nun mittlerweile schon seit bald zwanzig Minuten auf dem Sofa und wartete auf Take. Nach einiger Zeit wurde es ruhig, Mamoru hoffte schon, dass er kam, ließ aber einen enttäuschten Seufzer hören, als man im Bad wieder Wasser fließen hören konnte. /Was macht er denn jetzt?/ schoss es ihm durch den Kopf, machte sich aber keine weiteren Gedanken darüber. Er nahm sich eine Tasse des Tees und trank ein paar Schlucke. Die Wärme durchspülte ihn von Innen und gab ihm wieder etwas Kraft, um mit Take reden zu können. Als dieser dann endlich kam, blickte Mamoru auf und sah ihm in die Augen. „Sorry...“ Mehr sagte er nicht. Konnte nicht mehr sagen, wusste nicht, was es zu sagen gab. Das kalte Wasser hatte nicht nur seinen Körper, sondern auch seinen Verstand abgekühlt. Er sah die Dinge jetzt klar. Er musste mit Mamoru reden, das wusste er, doch war es nicht dieses aggressive Reden, dass er noch vor einer Stunde geplant hatte. Er seufzte und hielt sein Gesicht direkt in den kalten Duschstrahl. Er fühlte sich von Mamoru so stark angezogen, dass bei ihm alles aussetzte. Das Gefühl hatte er schon lange nicht mehr bei irgendjemandem gehabt. Das letzte Mal als er Kanae kennen gelernt hatte. Kanae... es stand nicht zur Debatte, dass er sie verließ, um seinem Verlangen nachzugeben, da musste schon was anderes kommen. Wenn er sich z. B. in den Jungen verliebt hätte... Es hatte keinen Sinn. Obwohl ihn die Tatsache, dass er einen Mann interessant fand, zwar irritierte, aber nicht wirklich störte und obwohl er ihn wollte, würde er sich zusammenreißen und auf nichts mehr einlassen! Er griff sich ein Handtuch und drehte das Wasser ab. Als er ins Wohnzimmer kam, spürte er zwar einen Stich, ließ sich aber dennoch nichts anmerken. /Sei vernünftig!/ Die Entschuldigung kam etwas überraschend. Take lächelte unwillkürlich. „Ist okay. Ein Rohrbruch wäre schlimmer gewesen... oder wenn du ertrunken wärst.“ Er spürte sein Lächeln schmerzhaft werden. /Verdammt! Reiß dich zusammen!/ „Also... du und ich... das kann nichts werden. Es tut mir Leid, dass ich dich so überfallen habe. Ehrlich. Wahrscheinlich hältst du mich für verrückt... oder wenigstens für pervers. Mh, was ich damit eigentlich sagen will...“ Er rang nach Worten, so etwas konnte er einfach nicht gut. „... wenn du hier bleiben willst – dich traust – mir vertraust – äh, dann bleib.“ Nachdem er Take alles gesagt hatte, was es von seiner Seite aus zu sagen gab, senkte er seinen Blick wieder gen Boden. Er fühlte sich schlecht, wenn nicht gar hundeelend. Es freute Mamoru, dass Take kein großes Theater um die Sache machte, aber der Knoten in seinem Bauch wurde dadurch nicht gelöst. Nachdem auch Take alles gesagt hatte, rang Mamoru hörbar nach Luft. Bleiben?! Nach allem was er angestellt hatte, durfte er wahrhaftig hier bei ihm bleiben?! Er versuchte die Tränen, Glückstränen, Tränen der Freude, zurückzuhalten, was ihm erstaunlicher Weise auch gelang, sah auf, Take mitten in die Augen. Dann zog er vorsichtig eine Hand unter der Decke hervor und griff damit nach der Takes. Er drückte sie kurz, in der Hoffnung, dass dieser verstand, was es bedeuten sollte. Ja, er würde hier bleiben. Er würde nie wieder von Takes Seite weichen, wenn es nach ihm ginge. Am liebsten hätte Take sich einfach auf ihn gestürzt oder einfach seine Hand abgeschüttelt – er tat nichts von beidem. Es war seltsam. Tick, tack. Tick, tack. Take sah auf die Uhr und stellte fest, dass man als Frühaufsteher um diese Zeit durchaus schon frühstücken konnte. Gleichzeitig mit dieser Erkenntnis kam die Müdigkeit. Er gähnte ausgelassen. Das war vielleicht ein Tag gewesen. „Also, Guten Morgen, Schatz!“ witzelte er, plötzlich bester Laune. „Soll ich dich ins Bett bringen?“ fragte er, unschuldig auf Mamorus Knöchel weisend. Dabei konnte er ein süffisantes Grinsen nicht unterdrücken und setzte nach kurzer Pause hinzu. „In deins natürlich.“ Es war gut, dass alles geklärt war – die Erleichterung machte ihn schon beinahe übermütig. Mamoru war von der Formulierung Takes mehr als überrascht, ließ sich aber nicht mehr als eine flüchtige Rötung der Wangen anmerken. Dann stützte er sich sachte auf Takes helfende Hand, die ihn ins Schlafzimmer bugsierte. Dort ließ er sich auf dem Bett nieder und blickte verwundert auf seinen Knöchel. Er war blau... und dick. Und er tat weh! In dem ganzen Durcheinander vorhin war es Mamoru nicht weiter aufgefallen, jetzt allerdings merkte er den Schmerz mehr als deutlich. Vorher hatten die Kopfschmerzen wie ein Schleier über ihm gehangen, waren jetzt jedoch vollständig verschwunden. Als Take begann, seinen Fuß vorsichtig abzutasten, zuckte er bei der kleinsten Berührung sofort zusammen. Es tat weh. Der Schmerz schrie ihm förmlich von seinem Knöchel entgegen. Es lag keineswegs an Take. Dessen Hände waren weich, warm und einfach nur angenehm. Mm, er war zwar kein Arzt, aber Take war sich ziemlich sicher, dass der Fuß nicht gebrochen war. Und er war im Begriff, dies Mamoru mitzuteilen, aber was er tatsächlich sagte, klang so: „Tut mir Leid, aber ich glaub dein Fuß ist gebrochen, also solltest du morgen wohl besser keine großen Ausflüge machen.“ /Und keinen Makler suchen!/ fügte er in Gedanken hinzu. „Schlaf jetzt. Du kannst ja morgen – heute – ausschlafen. Ich bin mittags wieder da aus der Uni. Machs dir hier so lange bequem.“ Damit verließ er das Arbeitszimmer und zog vorsorglich noch die Tür hinter sich zu. Er gähnte erneut, diesmal tiefer und ärgerte sich über seine eigene Nachlässigkeit. Statt jetzt noch ein paar Stunden zu schlafen, musste er jetzt noch arbeiten. Er rieb sich die Augen und ging in die Küche, um sich einen Kaffee aufzusetzen. Koffein brauchte er jetzt dringend. „Gebrochen?“ Mamoru erbleichte. „Bist du dir sicher?!“ Sein Herzschlag setzte einige Sekunden aus. Heißt das, er würde ins Krankenhaus müssen? Mamorus Magen begann gefährlich zu rebellieren. Es gab nichts was er mehr verabscheute als Krankenhäuser und Ärzte. „Meinst du, wir können das auch so hier klären? Ohne ins Krankenhaus zu fahren?“ Leise Angst schwang in Mamorus Stimme mit. Nachdem Take dann allerdings gesagt hatte, dass er sich nur nicht so viel bewegen sollte, wurde er wieder ruhiger. Doch kein Krankenhaus. Zum Glück. Als Take sein Zimmer wieder verlassen hatte, begann sein Knöchel unangenehm zu Schmerzen. Mamoru legte sich richtig ins Bett, in der Hoffnung ein bisschen Schlaf zu finden. Sein Kopf schien damit aber nicht einverstanden zu sein. Er begann vorsichtig sich die Schläfen zu massieren und gab nach einigen Minuten auf, da diese Aktion seine Schmerzen noch zu verstärken schien. Mamoru atmete tief durch und stand vorsichtig auf. Er humpelte zur Tür, öffnete diese und ging zur Küche. Dort sah er noch eine Rest Kaffee in der Kanne und nahm ihn sich. Von Take war nirgendwo auch nur eine Spur. Dann würde er die Kopfschmerztabletten wohl selber finden müssen. Zuerst begann Mamoru die Küche zu durchsuchen, in der er allerdings nichts fand und gleich zum Bad weiterhinkte. Dort wurde er nach kurzem Suchen fündig. Er nahm sich zwei Tabletten und spülte sie mit zwei Schlucken Wasser hinunter. Dann ging er zu seinem Kaffe zurück in die Küche und setzte sich auf einen der Stühle. Mit einem glücklichen Seufzer stellte er nach einigen Minuten fest, dass die Tabletten zu wirken schienen. Dann musste er ja nur noch seinen Fuß behandeln und alles wäre bestens. Der Boden schwankte und kippte. Take fiel kopfüber in schwarze Finsternis, fiel und merkte plötzlich, dass er rannte. Chiyo, seine Schwester, erschien an seiner Seite. Sie sah merkwürdig aus: sie trug eine riesige Uhr in ihren Kinderhänden. „Keine Zeit, keine Zeit, keine Zeit!“ sang sie vor sich hin und die Wörter verwandelten sich in Paragraphen-Zeichen, sobald sie ihren Mund verließen und wirbelten um ihn herum. Da war Mamoru. Er grinste breit und hüpfte von einem tanzenden Zeichen zum nächsten, während seine Katzenohren und der lange gestreifte Schwanz zum Takt von Chiyos Singsang zuckten. Take versuchte gegen den ohrenbetäubenden Lärm anzuschreien und Mamorus Namen zu rufen. „AB MIT DEM KOPF!“ Kanae schwang eine große Axt und zielte auf seinen Kopf. „Nicht Kanae!“ Ein schrilles Klingeln mischte sich in den Lärm und steigerte den Geräuschepegel. Take setzte sich schweißgebadet in seinem Bett auf und fuhr sich fahrig mit den Händen übers Gesicht. /Ein Albtraum./ Er stapfte in die Küche und suchte verwirrt den Kaffeerest, den er in der Kanne gelassen zu haben glaubte und da er ihn nicht fand (auch nicht unter dem Tisch) entschloss er sich, mit Seitenblick auf die Uhr, auf alles außer anziehen zu verzichten. Er verließ das Haus zweimal (beim ersten mal hatte er die Motorradschlüssel vergessen), nachdem er vergeblich versucht hatte den linken Schuh auf den rechten Fuß zuziehen und startete mit pochenden Kopfschmerzen in Richtung Uni. Der Wind weckte ihn besser als der Wecker, den er heute eine halbe Stunde überhört haben musste und er spürte die Verwirrung von ihm abfallen. Er hatte kaum zwei Stunden geschlafen und Albträume hatten ihn gequält, die seine Schuldgefühle Kanae gegenüber und seine aufkeimenden Gefühle Mamoru gegenüber widerspiegelten. Der Traum-Singsang hing noch in seinen Ohren und ein Blick in seinen Seitenspiegel zeigte ihm, dass er rotgeränderte Augen und eine unaussprechliche Frisur hatte. Er lächelte müde und legte den Helm auf die Maschine. Da hatte er die ganze Nacht für diesen Test gelernt und alles, was jetzt noch in seinem Kopf war, war der Augenblick gestern Nacht als er Mamoru geküsst hatte. Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Irgendwann bewegte sich Mamoru in Richtung Bett. Er legte sich hin, in der Hoffnung, wenigstens ein bisschen Schlaf zu finden. Er spürte nicht, wie er vom wachenden in den schlafenden Zustand glitt und wurde nach kurzer Zeit unsanft durch ein lautes Türknallen geweckt. Mamoru schlug die Augen auf und versuchte das Geräusch einzuordnen, als es sich in Verbindung mit schnellem Trampeln wiederholte. Allem Anschein nach hatte Take etwas vergessen. Mamoru drehte sich zur Seite, zu faul aufzustehen, und blickte auf die Uhr. Es war gerade mal 9. Was sollte er denn jetzt machen? Take würde den ganzen Tag in der Uni sein und er wusste nicht, wann er wieder da wäre. Nach etlichen Minuten gab er sich einen Ruck und bewegte sich aus dem Bett. Er lief den Flur entlang in Richtung Bad und blieb unterwegs am Schlüsselbrett stehen. Er besah sich kurz die Schlüssel und probierte einige aus, bekam dann heraus, dass ein Ersatzschlüssel für die Haustür dabei hing. Take hätte bestimmt nichts dagegen, wenn er sich ihn nehmen würde. Mit besagtem Schlüssel in der Hand ging Mamoru in sein Zimmer zurück und durchsuchte seine Tasche nach der Kette, die er glaubte mitgenommen zu haben. Als er sie gefunden hatte, löste er den Anhänger und hang stattdessen den Schlüssel daran. Mit schnellen Handgriffen hatte er sich die Kette um den Hals gebunden und besah sich ein paar Momente später im Badezimmerspiegel. Es sah interessant aus. Die Kette war zwar etwas zu lang, aber sie ließe sich schon irgendwie kürzen. Nachdem er ausgiebig geduscht hatte, machte er sich etwas zum Frühstück, um gleich danach aufzubrechen. Er hatte viel vor heute. Erst würde er ein wenig die Umgebung erkunden, dann einkaufen gehen und schließlich ein leckeres Abendessen zaubern. Ja, das war ein guter Plan. Vielleicht würde er ja irgendetwas interessantes Erleben. Okay. Test vergeigt. Höchstens 40 % der Aufgaben waren in sein Bewusstsein vorgedrungen, während Take, den Kopf schwer in die Hände gestützt, über dem Test gesessen hatte. Er hatte ehrlich versucht, sich zu konzentrieren, aber die gestrigen Ereignisse und der merkwürdige Alice-im-Wunderland-Traum lagen in seinem Hinterkopf sprungbereit auf der Lauer wie Raubtiere, jeden Moment der Unkonzentriertheit zu nutzen, um wie Pop-Ups wieder vor seinem geistigen Auge zu erscheinen. Nachdem der Professor alle Blätter eingesammelt hatte, hatten ihn auch schon seine Freunde in Besitz genommen und quetschten uninteressante Details über ihre neuen Eroberungen in seinen ohnehin schon überfüllten Kopf. Er registrierte eben gerade noch die Einladung zu einem anstehenden Saufgelage, bevor sie sich vor dem Kursraum für Basis-Mathe trennten und die anderen sich in alle Winde zerstreuten. „Na? Wilde Nacht gehabt?“ Na herrlich, vom Regen in die Traufe. „Ich hab gelernt. Solltest du auch mal versuchen - zur Abwechslung.“ Take mochte solche Fragen im Allgemeinen nicht, aber ganz besonders nervte ihn Toya. Toya Kitagawa war sein Sitznachbar in Basis-Mathe – schien meistens keinen Durchblick zu haben, schrieb aber doch ganz passable Noten und begrüßte Take jedes mal mit einem Spruch wie diesem. „Kann ich die Hausaufgaben von dir abschreiben, Take-chan?“ Toya war manchmal wie ein kleines Kind und Take fragte sich oft, warum er sich überhaupt mit ihm befasste. „Heute nicht.“, sagte er stur und Toya zog eine Grimasse, brachte ihn damit allerdings zum Lachen. Mit seiner dreisten, aufdringlichen Art war er ein guter Gesellschafter für ein so langweiliges Fach wie Basis-Mathe. Während des Kurses schweiften seine Gedanken wieder ab. Mamoru musste jetzt wohl aufgewacht sein. Wie es wohl seinem Fuß ging? Er war ja nur ein wenig angeknackst, vielleicht konnte er ja sogar schon wieder richtig laufen... Take nahm sich fest vor, Mamoru zu sagen, dass das mit dem „gebrochen“ nur ein Witz war. Er versank in dem Gedanken an den Kuss – und wurde unsanft von Toya in die Wirklichkeit zurückgeholt, als dieser ihn nach einer Aufgabe fragte bzw. nach ihrer Lösung verlangte. Als erstes würde Mamoru in die Stadt fahren. Er hatte extra ein wenig länger zu Hause verbracht, damit die Bahnen nicht mehr ganz so voll waren. Diesmal war Take schließlich nicht dabei, um ihm zu helfen. Man konnte den Andrang der Leute zwar nicht als stark bezeichnen, aber schwach war er auch nicht. Mit einem leichten Kribbeln im Magen stieg Mamoru in die Bahn und fuhr ein paar Stationen. Irgendwo stieg er aus, in der Hoffnung, einen schönen Laden oder Verkaufsstand zu finden. Er lief die Straße in Richtung Norden entlang und besah sich interessiert die Häuser und Geschäfte. Nach einigen Metern erblickte er den Eingang eines Parks. Dieser wirkte ruhig. Entspannt. Mamoru ging hinein, setzte sich auf die nächst beste Bank. Sanft schloss er die Augen, versuchte seine Innere Ruhe wieder herzustellen. „Take-chan! Bitte, Bitte!!“ Toya schickte seinem Freund den leidendsten Blick, den er auf Lager hatte. Es war ja nicht so, dass er keine Ahnung von Mathe hatte, aber die Unterrichtsaufgaben waren irgendwie blöd. Die Klausuraufgaben gingen irgendwie, auch wenn er im Unterricht nicht aufpasste und mitarbeitete. Als Take nicht auf sein Betteln reagierte, lehnte sich der junge Mann zurück und zog eine Schnute. „Also wirklich, Take-chan. Ich dachte du magst mich und würdest alles für mich tun.“ Ein hinterhältiges Grinsen schlich sich auf Toyas Gesicht. Ehrlich, er liebte es, seinen Kommilitonen auf´s Kreuz zu legen. „Das hättest du wohl gerne!“ gab Take kühl zurück, musste dann aber doch grinsen und kritzelte schnell den Lösungsweg auf Toyas Blatt. Er versuchte sich wieder auf seine Aufgaben zu konzentrieren, blickte aber stirnrunzelnd wieder auf. Irgendwas... war anders... Es hatte was mit Mamoru zu tun. Aber was? Richtig, jetzt wurde es ihm bewusst, um auf Toyas Blatt zu schreiben, hatte er sich ganz nah zu ihm gebeugt und – nichts, da war nichts gewesen. Er hatte nichts gespürt, dabei hatte er sich eigentlich gedacht (und jetzt fiel ihm auf, dass es wohl das gewesen war, was ihn die ganze Zeit wirklich beunruhigt hatte), dass er – da er schließlich Mamoru nicht nur anziehend fand, sondern ihn sogar geküsst hatte (und das sehr gerne!) – von jetzt an nur noch Männer interessant finden und Probleme mit Nähe haben würde. Aber da er so darüber nachdachte – er war eben noch mit seinen (männlichen!) Freunden Arm in Arm den Campushof entlanggegangen und hatte (weiblichen!) Mitstudenten auf den Hintern gestarrt. /Puh! Glück gehabt. Ich bin also doch nicht schwul. Aber warum geht mir Mamoru nicht mehr aus dem Kopf?/ Take versuchte zwanzig Minuten dieses Paradoxon zu entwirren (etwa die Zeit, die zum Lösen der Aufgaben vorgesehen war) und kapitulierte schließlich. Allein würde er nicht dahinter kommen. Er entschloss sich aus einem Impuls heraus: „Toya, sag mal: Hast du schon mal einen Mann geküsst?“ Noch immer mit diesem Grinsen auf dem Gesicht wurde Toya aus seiner heilen Welt gerissen. „Äh? Wie bitte?“ Er musste hart Schlucken, bevor er Take antworten konnte. „Nein, dass ist mir noch nie passiert. Und was ist mit dir? Meines Wissens hast du doch eine FREUNDIN oder hat sich diese einer Geschlechtsumwandlung unterzogen und ist nun dein FREUND? Wie kommst du überhaupt auf solch eine Frage?!“ Total entsetzt blickte Toya seinen Gegenüber an. Nachdem Mamoru einige Zeit in den Himmel gestarrt hatte, entschloss er sich aufzustehen und weiter durch den Park zu laufen. Als die Sonne langsam begann, wieder tiefer zu sinken, lief er in Richtung U-Bahn und fuhr letztendlich nach Hause. Bevor er allerdings die Wohnung betrat, entschloss er sich noch die Zutaten für das Abendessen zu kaufen. Da Take nichts gegen westliches Essen zu haben schien, holte er ein wenig Putenfleisch, Kartoffeln und Gemüse. Als Gemüse wählte er Erbsen und Möhren. Nachdem er die Wohnungstür passiert hatte stellte er sich gleich in die Küche, um mit dem Kochen zu beginnen. Hoffentlich würde Take nicht allzu spät kommen. Mensaessen hatte ihn nie besonders gestört, aber heute sehnte sich Take danach, obwohl Mamorus Essen um einiges besser war. Er hatte nach der peinlichen Aktion mit Toya in Basis-Mathe irgendwie den Kopf verloren: hatte erst die Aufgabe falsch vorgerechnet, war dann der Länge nach hingeflogen und hatte dann in der Mensatür kehrt gemacht, als er Toya dort bei seinen Freunden sitzen sah und ihnen kopfschüttelnd etwas erzählte. Jetzt saß er auf den Treppen der kosmologischen Fakultät (in die sich kaum jemand verirrte) und hörte dem unmelodischen Knurren seines Magens zu. Er rieb sich müde die Augen. Noch zwei Kurse. Er gähnte und beschloss dann, die Kurse Kurse sein zu lassen. Während er sich zu seinem Motorrad begab, machte er eine gedankliche Notiz Toya morgen zu sagen, er habe einen Scherz gemacht. Er lächelte plötzlich und ihm wurde schön warm, als er – wie schon so oft an diesem Tag – sich des Kusses erinnerte. Er freute sich plötzlich nicht mehr nur auf sein Bett zu Hause und begann ohne es zumerken eine leise Melodie zu summen. Mamoru war gerade dabei die Kartoffeln vom Herd zu nehmen, als er die Tür klappern hörte. Er ging in den Flur um den Angekommenen zu begrüßen, der ganz sicher Take war. Als er dem Älteren dann allerdings ins Gesicht sah, zuckte er leicht zurück. Was war denn mit ihm passiert? Um es mal vorsichtig auszudrücken, sah Take wirklich schrecklich aus. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und war leichenblass. „Hallo.“ Ein zaghaftes Grinsen huschte über Mamorus Gesicht. „Wie war dein Tag?“ Als ihm ein unangenehmer Geruch nach verbranntem in die Nase stieg, fielen ihm siedend heiß die Schnitzel auf dem Herd ein und er rannte schnellstens in die Küche, auch froh den leidenden Anblick Takes für ein paar Momente aus seinem Blick zu bekommen. Das Gefühl, zu Hause zu sein, war seltsam beruhigend. Es war schon eine Weile her, dass Take jemand entgegengelaufen kam, wenn er die Wohnung betrat. Er atmete den Geruch des Essens ein und sein Magen meldete augenblicklich seine Anwesenheit. Mamoru war schon wieder weg, bevor er antworten konnte. Er folgte ihm in die Küche und entschied, angesichts Mamorus Geschäftigkeit, sich erst mal die Schuhe auszuziehen. Er setzte sich auf das Sofa und spürte, wie ihm die Augen schwer wurden. Er schloss die Augen. /Nur für einen Augenblick.../ Die Türklingel schnitt wie eine Klinge in seine Ohren und riss ihn so unsanft aus dem Schlaf, dass er leise fluchte. Auf dem Weg zur Tür schenkte er kurz der Uhr seine Aufmerksamkeit. Er hatte einige Stunden geschlafen. Er nahm sich vor, sehr unfreundlich zu wem auch immer zu sein, der es gewagt hatte, ihn zu wecken. „Hallo Take, na bereit?“ Ein Haufen Leute , die sich seine Freunde schimpften, standen in der Tür und waren mehr oder weniger dabei ihn zu ihnen hinauszuziehen und ihn auf eine ihrer Sauftouren mitzuschleifen. Nachdem Mamoru das Essen auf die Teller getan hatte, setzte er sich an den Tisch und wartete auf Take. Als er nach ihm rief und dieser nicht kam, ging er ins Wohnzimmer. Dort sah er ihn schlafend auf dem Sofa liegen. Ein leises Lächeln glitt über sein Gesicht und lautlos verließ er den Raum wieder. In der Küche aß er selbst seinen Teil des Essens und stellte Takes Teller abgedeckt auf den Herd. Nachdem er die Küche aufgeräumt hatte, ging er in sein Zimmer. Er wollte Take nicht wecken, denn wahrscheinlich brauchte er diesen Schlaf dringend. In seinem Zimmer nahm er sich ein paar der Zeitungen, die sich in den letzten Tagen angesammelt hatten und ging die Job-Anzeigen durch. Vielleicht fand er ja was. Nach etlichen Stunden, Mamoru kam es zumindest so vor, schrillte die Türklingel und ließ ihn zusammenzucken. Langsam ging er in den Flur und sah dort schon Take mit den Besuchern reden oder diese eher auf ihn einreden. Er hatte wirklich mühe sich gegen seine Freunde durchzusetzen. Zumindest glaubte Mamoru, dass die jungen Leute alle Studenten von Takes Uni waren. Im Näher kommen schnappte er ein paar Wortfetzen auf. „Los komm! Du hast doch in der Uni schon zugesagt!“ „Wir möchten ungern auf dich verzichten.“ Nun endlich ergriff Toya das Wort. „Nun komm schon, Take-chan. Zier dich nicht so!“ Mit ein paar schnellen Schritten war er in der Wohnung und stellte sich hinter Take, schob ihn so nach draußen. Unbeabsichtigt blickte der Student zur Seite und sah direkt zu Mamoru. Sein Blick ruhte einen Augenblick auf dem Jüngeren, bevor er sich abwandte. Mamoru selbst taumelte ein paar Schritte zurück, stieß dann hart mit dem Rücken gegen die Wand und rutschte an eben jener langsam nach unten. Das Gefühl war seltsam und unangenehm. /Acht Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Man könnte meinen, man würde die Einzelheiten vergessen, aber jeder seiner Gesichtszüge ist mir so bekannt, als ob ich ihn jeden Tag sehen würde./ Toya´s Gedanken waren abgeschweift. Sodass Take sich von ihm befreien konnte. Er hatte Mamoru sofort erkannt, auch wenn er älter geworden war und Toya war sich sicher, dass auch Mamoru ihn sofort erkannt hatte. Selbst wenn man ihn hasst, seinen Bruder vergisst man nicht so schnell. Er beschloss, auszufragen und schob den Zeternden wieder Richtung Tür; dabei drehte er seinem Bruder demonstrativ den Rücken zu – er würde ihn einfach übersehen, Punktum! Take hatte keine Chance und er wusste es. Als auch noch Toya durch die Tür stürzte und anfing ihn zu schieben, war alles aus – schließlich war Toya einen halben Kopf größer als Take und ziemlich stark. In einem Augenblick der Unaufmerksamkeit wäre er Toya um ein Haar entkommen und schimpfte dafür umso lauter, als dieser daraufhin noch rabiater wurde. Als er versuchte sich freizukämpfen, erhascht er einen Blick auf Mamoru. Take hatte gar nicht bemerkt, dass er gekommen war und fragte sich nun irritiert, warum sein Schatz – nein, falsch: BEKANNTER! – auf dem Boden hockte und die ganze Szene beobachtete, statt ihm zu helfen und dabei noch ein Gesicht machte, als habe er einen Geist gesehen. „He, Mamoru! Jetzt hilf mir doch mal!“ rief Take, was zur Folge hatte, dass seine Freunde auf Mamoru aufmerksam wurden. „Klasse! Noch jemand! Los, du kommst auch mit!“ Und damit wurde Take´s Wohnung von seinen Freunden überspült wie von einer Riesenwelle, die alle mit hinauszog, als sie wieder ging. Dann mussten sie halt das Beste daraus machen und versuchen, diesen Abend heil zu überstehen. Hoffentlich plauderte Mamoru nichts aus... Mamoru saß noch immer auf dem Boden und starrte seinen Bruder an, auch wenn er nur noch die Rückseite von ihm zu sehen bekam. Er musste es sein. Er würde Toya nie vergessen. Nicht nach dem, was er damals zu Mamoru gesagt hatte. Als Take ihn um Hilfe bat, wusste er nicht, was er tun sollte und blieb einfach stumm. Das hatte zur Folge, dass er gleich mit abgeschleppt wurde. Toya hatte sich wieder von ihm abgewandt und ignorierte ihn nun erfolgreich. Mamoru warf ein paar unauffällige Blicke auf seinen Rücken und versuchte sich krampfhaft daran zu erinnern, warum er sich mit Toya gestritten hatte. Aber irgendwie herrschte in seinem Kopf eine große schwarze alles verschlingende Leere, die jeden Denkfetzen verschluckte. Nach einigen Anläufen schaffte er es allerdings doch sich zu erinnern. Es war lange her. Sehr lange. Damals waren seine Eltern noch zusammen gewesen. Er musste ungefähr 10 gewesen sein. Ein Jahr später hatten sie sich getrennt und dann war auch Toya gegangen. Es war eine schlimme Zeit für ihn gewesen. Erst recht die Anschuldigungen, die Toya ihm an den Kopf geworfen hatte. „Es ist allein deine Schuld, dass Mama und Papa sich andauernd streiten! Nur weil du da bist! Es ist alles deine Schuld!“ Dieser letzte Satz hallte in Mamorus Kopf wieder, wie ein nie endendes Echo. Nachdem sich ihre Eltern getrennt hatten, waren Mamoru und Toya bei ihrem Vater geblieben. Toya hatte es bei ihm allerdings nicht lange ausgehalten, hatte er sich schon immer mehr an seine Mutter geklammert. Ein weiteres Jahr später war er ausgezogen und nach Tokyo gegangen, um dort seine Schule abzuschließen und ein Studium zu beginnen. Plötzlich lief es Mamoru eiskalt den Rücken herunter. Vielleicht sollte er Toya die Sache mit ihrem Vater erzählen... Er wurde schlagartig zurück in die Gegenwart katapultiert, als er auf Take auflief. Sie waren scheinbar am Ziel und standen vor der Leuchtreklame einer riesigen Karaoke-Bar. Na toll! Das konnte ja heiter werden. Dem Gespräch mit Toya würde er dadurch trotzdem nicht entkommen können. /Wie waren sie denn auf diese blöde Idee gekommen?!/ Dachten Toya und Take gleichzeitig, allerdings meinte Toya, dass sie Mamoru mitgeschleppt hatten und Take, die Bar, in die er gerade bugsiert wurde. Nicht, dass Take etwas gegen das Singen hatte – er trällerte gerne mal unter der Dusche -, aber sich vor vielen Leuten peinlich zu machen war ihm ein Gräuel und ganz besonders vor Mamoru, der jetzt blass und wortkarg in einer Ecke saß. Take löste sich aus dem Knäuel seiner Freunde. Er steuerte auf Mamoru zu, mit dem plan ihn zu greifen und schleunigst zu verschwinden, aber da wurden ihm schon Arme um den Hals gelegt und er wurde dazu genötigt mit seinen Freunden auf der Bühne ein Sauflied zum Besten zugeben, dessen Text er mehr schlecht als recht kannte und dessen Text er auf dem Bildschirm, auf dem gerade ein paar spärlich bekleidete Frauen mit Bier anstießen, nicht lesen konnte wegen des Geschunkels, dass seine Freunde veranstalteten und das der ganze Karaoke-Saal übernommen zu haben schien (der übrigens lautstark und feuchtfröhlich mitsang). Ein Haufen Lieder und Biere später, war es Take schon egal, dass er sich hier zum Affen machte und er ging auf die Späße und Neckereien ein, mit denen er bedacht wurde. Aber er machte sich leichte Sorgen um Mamoru: Er schien abwesend und wenn er nicht bald zeigte, dass er Spaß hatte... „He du! Mamoru oder wie du heißt – jetzt bist du dran!“ Take sprang schon herbei um Mamoru zu helfen, wurde aber von hinten gepackt und zurück zu seinem Platz gezerrt, von wo aus er mit ansehen musste, wie sein Freund auf die Bühne geschoben wurde und ein Mikrofon in die Hand gedrückt bekam. „Los, singt!“ war die Aufforderung. „Singt, singt, SINGT!“ Denn zu Takes erstaunen war auch Toya auf die Bühne geschoben worden, der jetzt mürrisch sein Mikro hielt und Blitze mit seinen Augen verschoss, die die Zujubelnden getötet hätten, wären sie echt gewesen. Take runzelte die Stirn: normalerweise grölte Toya immer am lautesten mit, aber heute war er den ganzen Abend merkwürdig still gewesen und hatte sich eben mit Zähnen und Klauen gegen die Sing-Zwinger gewehrt. Dabei war er doch vorhin in der Wohnung noch so guter Laune gewesen... Take wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die ersten Töne eines Liebesduetts erklangen... „Los komm, sing!“ Und sofort stand er im Licht der Bühne. Er hatte noch versucht sich zu wehren, war aber auf ganzer Linie gescheitert, hatte er es schließlich ausnahmslos mit Studenten zu tun, die älter als er waren. Ihm schlug das Herz bis zum Hals. Er wollte nicht singen. Und erst recht nicht mit seinem Bruder! Schon nach ein paar Tönen erkannte Mamoru das Lied und seine Laune fiel noch ein paar Grade tiefer. Was sollte das? Zuerst traf er nach Ewigkeiten seinen Bruder wieder und dann musste er mit ihm auch noch ein Duett singen! Der Text wurde eingeblendet und Mamoru versuchte krampfhaft seine Stimme dazu zu bewegen, die Strophen zu singen, aber er schaffte es einfach nicht. Noch während er auf der Bühne stand, suchte er Takes Augen, legte dann das Mikro auf den Boden, sprang von der Erhöhung und stürmte aus dem Raum. Draußen schlug ihm die kalte Luft hart ins Gesicht und beruhigte ihn ein wenig. Langsam begannen ihm Tränen über die Wangen zu laufen. Zitternd lehnte er sich an die Außenwand und ließ sich langsam an ihr herunter gleiten. „Warum nur?“ schluchzte der Kleine. „Warum taucht er hier auf? Was will er hier?“ Dann legte er seinen Kopf auf die Arme, die er auf seine angewinkelten Knie gebettet hatte und ließ seinen Tränen freien Lauf. „Ich hasse dich, Toya!!!!“ Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Take befreite sich aus dem Clinch seiner Freunde, ließ zahllose Erklärungen und Entschuldigungen vom Stapel und verdrückte sich Richtung Tür. Er überlegte, dass Mamoru wohl nach Hause gegangen war und wollte sich schon zur U-Bahn begeben, als ihm in den Augenwinkeln etwas irritierte. Er drehte sich um – und verstand nur noch Bahnhof. Er hatte zwar schon vermutet, dass Mamoru abgehauen war, weil er nicht singen wollte (oder konnte?), aber das war doch kein Grund zum Weinen! „He, Mamoru, alles klar? Warum sitzt du denn da auf dem Boden? Steh auf, sonst erkältest du dich!“ Er antwortete nicht und machte auch keine Anstalten aufzustehen. Take fuhr sich durch das Har: in solchen Dingen wie trösten war er nie besonders gut gewesen, er wusste nie, was er sagen sollte. Schließlich kniete er sich vor Mamoru auf den Boden um mit ihm auf gleicher Augenhöhe zu sein. „Rede mit mir. Was bedrückt dich?“ Und er strich ihm vorsichtig eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht. Es versetzte seinem Herz einen Stich und er zog die Hand schnell wieder zurück – bloß kein Risiko eingehen! Aber Mamoru hatte gar nicht reagiert. /Was ist bloß los?/ Mamoru bekam weder mit, das Take zu ihm kam, noch das er ihn ansprach, zu sehr war er in seine Gedanken und Probleme versunken. Erst als sein Freund ihn berührte, bemerkte er eine Person in seiner Gegenwart. Mit tränenverschleiertem Blick sah er auf und erblickte Take. Schniefend wischte er sich mit einer Hand über das Gesicht. „Hi...“ Ein gequältes Lächeln bahnte sich einen Weg über Mamorus Lippen. Immer noch schniefend versuchte er die Situation zu retten, da Take ihn so komisch ansah. „Hast du keine Lust mehr zu singen? Oder warum bist du hier draußen?“ Wieder fuhr er mit einer Hand über sein Gesicht, versuchte verzweifelt die Tränen zurückzuhalten. Seltsam. Wenn es um Mamoru ging, setzte sein Verstand aus und wenn er ihn so ansah, wurde alles was so kompliziert war ganz plötzlich einfach. Er antwortete nicht auf die Frage, die Mamoru ihm gestellt hatte, um Fassung ringend und von Schluchzern geschüttelt. Die einzige Antwort wäre sowieso „deinetwegen“ gewesen, aber Take fand gerade alle Worte überflüssig. Er streckte die Hand aus und wischte sanft die Tränen von Mamorus Wangen, dann ging er langsam in die Hocke und schloss ihn in die Arme. Er ignorierte den harten Boden unter seinem Knie als er Mamoru einfach im Arm hielt, seinen Körper spürte, der von Schluchzern erschüttert wurde, den Duft seines Haares roch. Er dachte nicht nach, als er die Umarmung löste und Mamoru küsste. Es war nicht das fordernde Feuer, das er vorher verspürt hatte. Es war ein sehr sanftes Gefühl. Toya hatte sich wieder unter Kontrolle. Als er mit seinem Bruder auf die Bühne geschoben wurde, hatte sich in ihm alles zusammengezogen. Er hatte den Mund geöffnet und keinen Ton heraus bekommen. Wäre Mamoru nicht davongelaufen, hätte er es garantiert getan. So hatte er sich mit einem Witz, Marke „Der-muss-wohl-auf´s-Klo!“, gerettet. Aber seine Laune war ins Bodenlose gesunken und Take war auch weg. Niemand mehr da zum ärgern. Er angelte nach seiner Jacke. Frische Luft und vielleicht eine hübsche Schnecke würden ihm gut tun. Aber er kam gar nicht aus der Tür. Er stand im Türrahmen, als er Mamorus Stimme hörte. /Mist! Der ist noch hier./ Er wollte ihm jetzt nicht begegnen, schon deshalb nicht, weil er wusste, dass Mamoru sicher heulte und so was hasste er. Trotzdem lugte er vorsichtig um die Ecke – schließlich hatte Mamoru mit jemandem geredet und er war neugierig, wer es war. Toya erstarrte zu Eis, als er die Szene sah, die sich dort abspielte... Nach einigen Sekunden wandte Mamoru den Blick von Take ab. Er wollte nicht, dass der andere ihn so sah. Wieder begannen sich ein paar Tränen ihren weg über sein Gesicht zu bahnen. Bevor er diese allerdings wegwischen konnte, spürte er eine Wärme und eine Berührung hauchzart über sein Gesicht gleiten. Langsam drehte er sich wieder Take zu, sah ihm in die Augen. Dann wurde sein Körper von einer Wärme umschlossen, die kaum zu beschreiben war. Mamoru schloss die Augen, konzentrierte sich einzig und allein auf dieses einzigartige Gefühl. Sachte lehnte er sich in die Umarmung Takes hinein, hoffte, dass sie nie Enden würde. Als er kurz darauf eine Berührung über seine Lippen wandern spürte, schlang er seine Arme um Takes Hals und versank vollends in den Kuss. Schnell bekam er Lust auf mehr, wollte das schöne Gefühl nicht schon wieder missen. Vorsichtig bahnte sich seine Zunge einen Weg durch seine Lippen, stuppste dann leicht an die Takes und bat um Einlass. Sein Herz machte einen freudigen Hüpfer, als ihm dieser auch gewährt wurde. Langsam ließ er seine Zunge durch Takes Mund gleiten, erkundete alle Ecken und Winkel. Als die seine dann mit der Takes kollidierte, entstand ein kleines Gerangel, welches Mamoru gewann. Nach Luft ringend löste er sich von Take und blickte ihm tief in die Augen, nicht dazu fähig, einen Ton zu sagen. Toya war hin- und hergerissen. Einerseits wollte er jetzt sofort da raus gehen und den beiden sagen, dass sie damit auf der Stelle aufhören sollten, weil das eklig war und das sie das nie, nie wieder tun durften; Andererseits wollte er nicht, dass sie (und besonders Mamoru) mitbekamen, was er mitbekommen hatte. Er stand regungslos im Türdurchgang und spürte die betäubende Leere seinen schmerzenden Kopf erobern. Das war doch alles nicht wahr: Erst traf er seinen verhassten Bruder nach Jahren wieder und dann stellte er auch noch fest, dass Mamoru inzwischen schwul geworden war und zu allem Überfluss auch noch einen seiner besten Freunde (zum Aufziehen) mit der Lolicon-Nummer verführt hatte. /Argh! Verdammte Scheiße!/ Das war also der Grund gewesen, warum ihn Take heute gefragt hatte, ob er schon mal einen Jungen geküsst hätte... Urplötzlich fiel ihm die Lösung dieses verzwickten Problems ein. Es war ganz einfach, so simpel, dass er plötzlich Lächeln musste. /Sorry, Take. Ist nur zu deinem Besten!/ Er drehte sich auf dem Absatz um und ging zurück zum Karaokeraum, während er die gerade gespielte Melodie leise mitsang: „Es ist geil ein Arschloch zu sein...“ Verdammt! Da war es schon wieder passiert. Warum konnte er denn bloß die Finger nicht von Mamoru lassen? Blöder Mist. Jetzt war es schon wieder zu spät. Take war sauer auf sich selber, während er wütend auf die Tasten seiner Computertastatur einhieb. Er hatte Mamoru wirklich nur trösten wollen. Herausgekommen war ein sanfter Kuss vor der Bar und eine wilde Knutscherei im Taxi nach Hause und vielleicht hätte er sich völlig vergessen, wenn ihm nicht Kanaes Foto ins Auge gesprungen wäre, als seine Hände gerade den Entschluss gefasst hatten, dass Mamoru jetzt strippen musste. Er hatte sie (und sich selbst) zurechtgewiesen und war einsilbig und ziemlich rasch in sein Zimmer gehuscht, wo er die Tür hinter sich schloss, Mamoru im Wohnzimmer stehen lassend, wie bestellt und nicht abgeholt. Um runterzukommen, hatte er den Computer angeworfen und gearbeitet, wobei er sich kaum konzentrieren konnte und einmal sogar das Gefühl hatte, Mamoru stände vor seiner Tür. Beinahe wünschte er sich, dass er einfach hereinkommen würde. Aber die Türklinke bewegte sich nicht; Take blieb allein mit seinem Frust, den er jetzt diabolisch am Computer ausließ. Mamoru war in einer Welle des Verlangens versunken, nicht in der Lage, die Finger von Take zu lassen. Irgendwie schafften sie es aus dem Taxi ins Haus und schließlich in Takes Wohnung. Nur der Tatsache, dass sie atmen mussten, verdankten sie, dass sie kurzzeitig Hände und Lippen voneinander lassen mussten. Mamoru wurde gerade ob des Verlangens schwummrig zu, als er unmissverständlich Widerstand an der Brust bemerkte und kurz darauf in das schreckstarre Gesicht Takes blickte. Kaum hatte er geblinzelt, war dieser auch schon aus seinem Blickfeld verschwunden und im hinteren teil der Wohnung hörte man gerade noch die Tür zuschlagen. Verwirrt blickte der Braunhaarige durch das Wohnzimmer, begann es dann langsam abzulaufen, den Flur entlang, bis er schließlich vor Takes Zimmer stand. Er hob eine Hand, schon bereit die Tür zu öffnen, als er sich eines besseren besann und sich selbst in sein Zimmer zurückzog. Dort ließ er sich auf die weichen Kissen des Bettes fallen. Was hatte er nur getan? Er hatte Take zur Untreue verführt. Natürlich war ihm das Bild des Mädchens aufgefallen... Was hatte er nur angestellt? Die Gedanken in seinem Kopf schienen sich förmlich zu überschlagen. Take schaffte es irgendwie den Morgen zu überstehen, ohne über Mamoru herzufallen; hauptsächlich, weil er sehr früh aufgestanden war und es dadurch geschafft hatte, Mamoru an diesem morgen aus dem Weg zu gehen. In der Uni musste er seinen Freunden unter katzbuckligen Entschuldigungen erklären, warum er und sein Freund gestern so schnell verschwunden waren und, laut seinen Freunden, die Stimmung verdorben hatte. In „Englische Grammatik“ schrieben sie einen Überraschungstest über eine Kurzgeschichte, die Take nicht gelesen hatte und dann stellte er schon völlig fertig fest, dass er in der morgendlichen Eile auch noch sein Portemonnaie vergessen hatte und wohl auf´s Mittagessen würde verzichten müssen. Als er auf der Rückfahrt im Stau stecken blieb, schrieb er den Tag endgültig ab. Ein Gutes hatten die ganzen Katastrophen und Unerfreulichkeiten gehabt: bis zu dem Stau so gegen 19 Uhr am Abend hatte er keine Zeit gehabt, über Mamoru nachzudenken. Sein schlechtes Gewissen hatte zwar den ganzen Tag über ihm geschwebt, wie eine Gewitterwolke, aber hatte ihn bis dahin von weiteren Überlegungen verschont. Jetzt, wo er Zeit hatte, verdrängte er mit Macht die Frage, was er nun genau für Mamoru empfand und wie viel ihm dieses Gefühl bedeutete. Mit knurrendem Magen öffnete er die Wohnungstür und fiel in einen bodenlosen Abgrund aus Schuld, Verwirrung und plötzlicher Verzweiflung: Kanae Namida, die er noch vor wenigen Tagen die Liebe seines Lebens genannt hätte, saß auf dem Sofa und in einem Sessel neben ihr ein zutiefst erschüttert wirkender Mamoru. Take war, als würde er Donnergrollen hören, als Kanae den Kopf nach dem Geräusch der Tür wandte und ihn ansah. Nachdem Mamoru noch eine ganze Zeit über die Situation, in der er sich befand, nachgedacht hatte, war er schließlich doch eingeschlafen. Er hatte nun eine unruhige Nacht hinter sich, in der er stellenweise von Alpträumen geplagt worden war. Ständig war er von seinem Bruder oder Take heimgesucht worden, die ihn beide beschimpften, was er in der Vergangenheit doch für Fehler gemacht hatte und wie unnütz er doch gewesen war. Als er am Morgen mit klopfendem Herzen aufgewacht war, hatte er schon die leise Vorahnung, dass irgendetwas passieren würde. Als er aufstand, war die Wohnung ungewöhnlich ruhig. Einerseits war er glücklich über diese Tatsache, andererseits bedauerte er diese. Jetzt, nachdem er über die Sache geschlafen hatte, hätte er gern mit Take gesprochen. Aber vielleicht war es auch besser so. Dann könnte Mamoru sich genau überlegen, was er sagen wollte, wenn Take kam. Langsam und nachdenklich ging Mamoru in die Küche, kochte sich einen Kaffee und setzte sich an den kleinen Küchentisch. Langsam schlürfte er das heiße braune Getränk, überlegte, was er noch machen konnte, als er hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloß drehte. Voller Schreck zuckte er zusammen. Er sprang auf und stürmte zur Tür. /Ist Take etwa schon wieder da?/ In der Tür stand jedoch eine junge Frau, die gerade, während sie sich wie selbstverständlich die Schuhe auszog, eine schwarze Sporttasche auf den Boden stellte und gleichzeitig mit dem Fuß die Tür hinter sich zu zog. Als sie sich aufrichtete, erkannte sie Mamoru als die Frau auf Takes Fotos. Er starrte sie an, nicht fähig, irgendetwas zu tun. Er hatte Take erwartet, wollte er doch unbedingt mit ihm reden. Kanae stand still, musterte ihn aus ernsten Augen. Ihr Gesicht war schmal und passte zu ihrem schlanken Körper. Ihre teebraun gebleichten, gelockten Haare, die so untypisch für Japaner waren, bildeten einen Kontrast zu ihrem milchig weißen, weichem, zerbrechlich wirkendem Gesicht. Mamoru blickte ihr in die Augen. Sie war schön, unglaublich schön sogar. Er verstand, warum Take sich in sie verliebt hatte. Wenn er selbst sie früher kennen gelernt hätte, wäre es ihm vielleicht genau so ergangen. Vor seinem inneren Auge tauchte Takes lachendes Gesicht auf und etwas in seiner Brust zog sich schmerzhaft zusammen. /Was denk ich da.../ Er hätte sich Ohrfeigen können für diese Gedanken. Er mochte Take, liebte ihn schon fast. Wie konnte er da an die junge Frau vor sich denken? Sie war schließlich Takes Freundin... Wenn er etwas erreichen wollte, musste er Kanae quasi besiegen... Und das würde er nie schaffen! „Äh... Hallo.“ Mamoru war selbst überrascht, als er das Gespräch eröffnete. Ihr Lächeln war kalt und schnitt in ihn wie zerbrochenes Glas. „Du heißt Mamoru Kitagawa?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Ihr Blick wanderte Mamorus Körper hinab und blieb an seinen Augen hängen. Nun sah sie ihn direkt an. „Du bist wirklich süß. Ich denke, ich kann nachvollziehen, was Take an dir findet.“ Sie machte ein Pause und beobachtete die Reaktion des Jungen. Sein Herzschlag begann sich zu beschleunigen, kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Was erlaubte sich diese Frau da? Ihr Ton wurde hart: „Aber das heißt nicht, dass ich es auch toleriere. Taketo ist mein Freund. Ich lieb ihn und wir teilen unser Leben, unsere Wohnung, unser Bett. Ich werde nicht zulassen, dass er auf´s andere Ufer wechselt, selbst, wenn es mit einem so süßen Jungen wie dir ist.“ Sie sprach das Wort Junge in einer Weise aus, die Mamoru klar machte, dass sie auf ihn herabsah und ihn als Eindringling in ihr und Takes Leben betrachtete. Immer noch konnte Mamoru nur schauen. Was redete sie da? Hatte Take es ihm nicht von allein angeboten, bei ihm zu wohnen? War es nicht alles Takes Idee gewesen? Der Junge wusste, dass er im Recht gewesen wäre, etwas zu erwidern, aber er schaffte es einfach nicht, den Mund zu öffnen. Kanae zog ihn in ihren Bann und er war ihr hilflos ausgeliefert. Und schon warf sie Mamoru neue Worte an den Kopf. „Ich werde ihn auch nicht aufgeben, nur weil er fremdgegangen ist, wenn es das ist, was du dir erhoffst. Liebe hat etwas mit Vertrauen und der Fähigkeit zu vergeben zu tun – das was ihr teilt ist nur Lust, nichts was tiefer geht als ein Kratzer an der Oberfläche.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn herausfordernd an. „Aufhören!“ Mamoru schrie und hielt sich verzweifelt die Hände an die Ohren. Er wollte nicht weiter hören, was diese Frau ihm noch zu sagen hatte. In ihm tat sich ein Abgrund auf. Die Worte Kanaes zeigten ihm die Wahrheit. Die unveränderliche Wahrheit, die er die ganze Zeit nicht hatte sich eingestehen wollen, die aber doch in der hintersten Kammer seiner Gedanken geschlummert hatte. Nun, wo er zudem noch Kanae kennen gelernt hatte, wurde ihm klar, warum Take sich so eigenartig verhalten hatte, als sie allein waren... Er hatte eine Freundin, Mamoru störte da nur. Komischerweise war ihm klar, was er getan hatte, jedoch bereute er nichts. Take hatte auch einen Teil der Schuld zu tragen, schließlich hätte er ihn von Anfang an rauswerfen können. Take hatte, genau wie Mamoru, seinen Gefühlen freien Lauf gelassen. Kanae ließ sich durch Mamorus schreien nicht beeindrucken. Sie legte nur den Kopf schräg und lächelte müde. Sie schien des Streitens überdrüssig und schlug einen sanfteren Ton an, in dem ihre Erschöpfung mitklang: „Ich habe die ganze Nacht gebraucht um herzukommen und alles, was ich jetzt will, ist ein Kaffee, eine Dusche und mein Bett. Du hast Zeit deine Sache zu packen, bis ich wieder aufstehe. Du wirst ja wohl verstehen, dass ich dich in meiner Wohnung nicht mehr sehen will.“ Sie streckte sich katzenhaft und ging an ihm vorbei in Richtung Küche. „Sei so nett und bring meine Tasche ins Schlafzimmer und, wenn du gerade da bist, bezieh das Bett neu.“ Sie hatte genug, fühlte sich erschöpft und ausgelaugt. Der wesentliche Streit stand ihr noch bevor und die halbe Kanne Kaffee, die auf dem Küchentisch stand, kam ihr da entgegen. Kanae kam mit einer Tasse für sich in der linken Hand, und Mamorus halb augetrunkener Tasse in der rechten wieder aus der Küche. Sie betrachtete den Jungen, wie er verloren im Flur stand und der Ausdruck ihrer Augen wurde weich. Zum ersten Mal, seit sie gestern Nacht diesen Anruf erhalten hatte, lächelte sie warm und freundlich. Sie stellte die beiden dampfenden Tassen behutsam auf den Glastisch vor dem Sofa und winkte Mamoru dann, sich zu ihr zu setzen. Der braunhaarige Junge schaffte es kaum sich zu rühren. Mit schwerem herzen und schweren Schritten ging er in Richtung Sofa, wunderte sich, dass er vorwärts kam, wo er sich doch nicht bewegen wollte. Alles in ihm schien sich gegen diese junge Frau namens Kanae zu wehren. „Ich denke... du hast das nicht so gewollt, mich nicht absichtlich verletzt.“ Sie trank einen Schluck Kaffee und ließ den Blick schweifen, dabei schien sie in Gedanken weit fort zu sein. „Hast du hier aufgeräumt?“ Die Situation hatte etwas bizarres, bitter-süßes. Sie redeten eine weile, dann schwiegen sie, jeder dem Pfad seiner eigenen Gedanken folgend. Versunken in den seinen, hörte Mamoru weder die Tür, noch andere Geräusche seiner Umgebung. Er saß einfach da. Take hatte den Wunsch davonzulaufen. Er wusste, dass ihm die Schuld ins Gesicht geschrieben stand. Warum war Kanae schon wieder da? Sie wollte doch erst in anderthalb Wochen zurück sein – warum war sie dann hier? Und ausgerechnet jetzt, da er völlig in der Schwebe war und sich nicht zwischen seiner Liebe für Kanae und seinen aufkeimenden Gefühlen Mamoru gegenüber entscheiden konnte. /Okay. Noch ist nichts verloren! Ich muss Kanae nur sagen, wie es wirklich war und dabei die prekären Details auslassen... Hoffentlich hat Mamo ihr nicht alles erzählt.../ Take zwang sein Gesicht zu einem Lächeln, das sich zu einer Grimasse des Entsetzens verzerrte als Kanae aufstand und zu Mamoru gewandt sagte: „Geh jetzt packen. Ich möchte mit Take allein sprechen über seinen...Ausrutscher.“ Ihr Blick hatte den jungen Mann festgenagelt. Sein Blick flog zu Mamoru und in stummer Übereinstimmung mit Kanae bat er ihn still, ihrer Bitte folge zu leisten. Er spürte gleichzeitig, dass sie alles wusste, aber dass es nicht Mamoru gewesen war, der es ihr erzählt hatte. Er fühlte sich plötzlich allein, als Mamoru den Raum verließ. Kanae verschränkte die Arme und sah ihn an. In ihren Augen stand die anklagende Frage nach dem „Warum?“. Take räusperte sich und versuchte etwas zu sagen, brachte aber kein Wort heraus. Sie lächelte traurig. „Sag mir nur, ob ihr...“ Sie stockte, schien sich zu sträuben danach zu fragen. „Hast du dich in ihn verliebt?“ Take schluckte, er wusste die Antwort selbst nicht genau – was sollte er ihr antworten? Er entschied sich für die Wahrheit. „Kanae... ich weiß es nicht. Ehrlich. Es war ein Zufall. Wir sind ineinander gerannt und ich hab Mamoru erlaubt, hier zu wohnen, bis er was eigenes gefunden hat und... so kam eines zum andern.“ Er schwieg unsicher und entschied dann, dass er es ihr schuldig war, alles zu sagen. „Ich weiß nicht genau, wie es kam, aber ich fand ihn anziehend und... ähm... wir haben uns geküsst... öfters. Aber sonst nichts!“, setzte er schnell hinterher. „Das reicht schon.“, sagte Kanae und wischte sich entschlossen eine Träne vom Gesicht – eine Sache musste noch geklärt werden. „Und ich? Liebst du mich noch?“ Ihr Blick traf ihn ins Herz. Er nickte nur und eilte zu ihr herüber, um sie in den Arm zu nehmen, als sie in Tränen ausbrach. Auch Take spürte Tränen in seiner Kehle hochsteigen und versuchte krampfhaft, sie herunterzuschlucken. „Aber ER muss sofort ausziehen!“ Take erstarrte. Er war zu sehr mit Kanaes Reaktion beschäftigt gewesen, um über die nächsten Schritte nachzudenken. Aber jetzt, wo sie das sagte... „Muss das sofort sein? Ich meine, er könnte doch...“ „Nein!“ sie stieß Take heftig von sich und funkelte ihn wütend an. „Ich kann dir nur schwer verzeihen, dass du was mit einem anderen Kerl angefangen hast, aber ich würde darüber hinwegsehen, weil ich dich liebe. Aber wenn dieser Junge nicht sofort hier auszieht, dann... dann...“ Sie keuchte und ihr Gesicht war rot und wutverzerrt – sie sah zum Fürchten aus. „...dann tu ich´s. Ich zieh aus, verlasse dich, die Uni, Tokyo und du wirst mich nie wieder sehen!“ Den letzten Satz hatte sie geschrieen und stand ihm nun in höchster Anspannung gegenüber. Take spürte den Boden nicht mehr unter den Füßen. Er sollte sich entscheiden? Sein Kopf war leer. Er musste sich entscheiden. Er schloss die Augen und atmete tief. Er wusste, für wen er sich entscheiden würde. Er hatte es gewusst, seit er Mamoru das erste Mal geküsst hatte. „Also gut, dann...“ _____________________________________________________________________ Ein riesen großes Sorry, dass ihr so lange habt warten müssen! Das nächste Kapitel wird schneller oben sein, das Verspreche ich ^-^ *alleknuddel* Danke, dass ihr mir trotz der langen Pause treu geblieben seid!^^ Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Kapitel 7 Mamoru tat, was Kanae zu ihm gesagt hatte. Er ging wortlos in sein Zimmer, nahm sich seine Tasche aus dem Schrank, die er der Ordnung halber dort hinein gestellt hatte und begann zu packen. Eigentlich war es ihm ja klar gewesen. Das es so Enden würde. Take hatte schließlich eine Freundin. Das war unveränderlich gewesen. Außerdem waren sie schon lange zusammen, hatten vielleicht sogar vor zu heiraten... Mamoru nahm sich seine Sachen und schmiss sie einfach in die schwarze Tasche. Etwas in ihm sträubte sich dagegen zu gehen, andererseits wollte und konnte er Kanaes Gegenwart nicht länger ertragen. Sie machte ihm jeden Augenblick klar, dass er Take nicht kannte, nicht gut genug für ihn war und es eigentlich gar nicht verdient hatte zu Leben. Als er alles gepackt hatte, nahm er sich die Tasche und wollte gerade die Tür öffnete, um ins Zimmer zurückzugehen, als er bedeutende stille vernahm, die kurze Zeit später von Take gebrochen wurde. „Also gut, dann...“ „...dann muss Mamoru gehen.“ Es war Take schwer gefallen, das zu sagen, aber er hatte sich entschieden. Er hatte immer gewusst, dass das mit Mamoru schön und aussichtslos war und das letztendlich Kanae die Richtige für ihn war. Trotzdem fühlte er sich so elend, als hätte er eben ein Todesurteil gesprochen. Deswegen zuckte er auch wie unter einem Schlag zusammen, als er die offene Tür zum Arbeitszimmer bemerkte. „Mamoru, ich...“ Der Junge hatte Takes Antwort genau gehört, hatte sie sich im Grunde schon gedacht. Er hängte sich die Tasche über den die Schulter, öffnete die Tür dann ganz und ging, ohne ein Wort an die beiden Personen im Raum zu richten. Die Tür schien seltsam fern zu sein, dabei musste er doch gehen. Er musste sogar schnell gehen, sonst würde er hier nicht loskommen... Er griff nach seiner Jacke und verließ schließlich Takes Wohnung, ohne einen Blick zurück zu werfen. Er rannte die Treppe herunter und aus dem Haus, einfach die Straße entlang, ohne zu wissen, wohin sie ihn führen würde. Mamoru war weg und an ihm vorbei, bevor Take seinen Satz zu Ende bringen konnte. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und Take wollte ihm instinktiv nachlaufen, doch Kanae hielt ihm am Arm zurück. „Lass ihn. So ist es besser für uns alle. Ohne zermürbende Abschiedsszenen.“ Take wehrte sich nicht länger und ließ es einfach geschehen. Den Rest des Tages verbrachte er in einem seltsamen Dämmerzustand. Er half Kanae ihre Sachen auszupacken und räumte alles weg, was ihn an Mamoru erinnerte, wobei er jedes Mal einen Stich spürte. Mamoru rannte immer noch die Straße entlang, spürte Tränen in sich aufsteigen und letztendlich auch über sein Gesicht laufen. Er liebte Take. Zu sehr, um ihn zu verlassen. Er wollte und konnte sich gegen diese Gefühle nicht wehren. Er rannte weiter, auch als er außer Atem war und kaum noch atmen konnte, hörte er nicht auf. Er war verzweifelt. Was sollte er jetzt tun? Er kannte niemanden und er besaß auch nichts, womit er sich am Leben würde halten können. Kurz schwenkten seine Gedanken ab, ein Gesicht tauchte in seinem Kopf auf. Toya... Ja, sein Bruder war noch da. Aber Mamoru würde wohl kaum zu ihm gehen. Toya hasste ihn schließlich... Warum sollte er ihm gerade jetzt helfen? Mamoru verlangsamte sein Tempo und lief nun gemächlich weiter. Was sollte er jetzt machen? Er durchsuchte seine Tasche und zählte das Geld was er noch finden konnte. Er durchwühlte jede Stofffalte, die ihm einfiel bzw. in welcher er mal Geld versteckt hatte. Letztendlich hatte er noch knapp 10.000 Yen. Damit könnte er zwei, drei Tage überleben, wenn er sparsam wäre. Nach ein paar Metern entdeckte er nahe der Straße ein öffentliches Gebäude und beschloss, es näher zu begutachten. Er versuchte sich den Menschen entgegen in die Halle zu drängen und stellte dann mit überraschtem Blick fest, dass er direkt am Hauptbahnhof von Tokyo gelandet war. Mamoru drehte sich auf dem Absatz um, und verließ den Bahnhof sogleich wieder, als ihm bewusst wurde, wo er sich befand. Zu viel hier erinnerte ihn an die vergangenen tage, an Take. Ein Stich durchbohrte sein Herz, als ihm erneut klar wurde, dass er Take verloren hatte... Wieder auf der Straße lief er weiter nach Norden. Er wusste nicht, was ihm passieren würde und wo er ankommen würde und eigentlich war es ihm eh egal. Sein ganzes Leben war egal. Beim nächsten Kiosk, der seinen Weg säumte, hielt Mamoru an und holte sich etwas zu trinken. Seine Kehle war vom Laufen wie ausgedörrt... Wieder auf der Straße blickte der Junge zum Himmel, welcher immer dunkler wurde. Die Sonne ging unter... Langsam sollte er nach einem Schlafplatz Aussicht halten, wenn er die Nacht nicht auf der Straße verbringen würde wollen. Wie zur Bestätigung begann es über ihm zu grummeln und dunkle Wolken begannen den klaren Himmel zu verdecken. Eigentlich störte es ihn wenig, drehten sich seine Gedanken doch einzig und allein um Take. Er wollte zwar auch nicht unbedingt nass werden, aber das war reine Nebensache. Trotzdem beschleunigte er seine Schritte und wurde schon nach ein paar Minuten fündig. Sein Unterschlupf würde ein Kaufhaus sein. Trotz der späten Stunde war es noch hell erleuchtet. Mamoru trat durch die große Glastür und kniff fast im gleichen Moment die Augen zusammen, konnte er die Helligkeit doch nicht ertragen. Im Inneren war es nicht warm, aber auch nicht so kalt wie draußen. Hier würde er die Nacht auf jeden Fall überleben... Und vielleicht würde der nächste Morgen ja ganz anders aussehen. Das plötzliche Gewitter, das über die Stadt hereinbrach, traf genau Takes Laune am Abend dieses Tages. Sie war schlecht gewesen und kontinuierlich gesunken, proportional zum Level des gegenseitigen Ärgers, der zwischen Kanae und ihm knisterte, seit hinter seiner Affäre die Tür ins Schloss gefallen war. So war es nun, da sein Magen vor Hunger rebellierte - weil Kanae in einem Anflug von Biestigkeit (und vielleicht etwas Neid auf Mamorus bessere Kochkünste), das schon fertige Mittagessen weggeworfen hatte, gab es eben kein Essen – eine Kriegsfront, gleich der eines Ehekrachs, bei der Take auf alles gereizt antwortete, was Kanae zu ihm herüberzickte. Nachdem sie nach alter Manier eine Pizza hatten liefern lassen, die sie in schweigender Übereinkunft tonlos verspeisten, packte Take eine seltsame Unruhe. Kanae hatte einen versöhnlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt und schien ihn unter ihren schweren Augenliedern heraus zu beobachten, während er begann, ziellos durch die Wohnung zu tigern. „Sei nicht mehr böse, Taketo.“ Sie war hinter ihn getreten und ließ ihre weiche Stimme direkt in sein Ohr fließen. Er kannte diesen Ton; früher hatte er darauf gewartet ihn zu hören, aber heute machte sie ihn damit plötzlich mehr als nervös. Sie wollte sich versöhnen und Kanaes Art sich nach einem heftigen Streit wie dem heutigen zu versöhnen war meistens heißer Sex. Da kam sie schon, drehte ihn herum, küsste ihn. Er ließ es geschehen – für einen Augenblick, dann stand er plötzlich im Badezimmer und küsste Mamoru. Die Erinnerung war so schnell über ihm, das er Kanae unwillkürlich wegstieß. „Sorry, mir ist grad nicht danach.“ Und bevor er richtig nachgedacht hatte, hatte er seine Jacke übergestreift. „Ich gehe aus.“, sagte er schwammig und verließ die Wohnung, in der eine gekränkte Frau zu verstehen begann, dass sie möglicherweise verloren hatte. Toya war gerade dabei gewesen, einen Abend vor dem Fernseher zu planen, als es klingelte. Er freute sich immer über Besuch und besonders über diesen: Take stand vor der Tür. „Hey altes Haus, was geht?“, begrüßte Toya seinen triefnassen Freund grinsend. „Hast ganz schön was abgekriegt von dem Mistwetter, was?“ Take machte einen düsteren Eindruck, als er ohne zu antworten an ihm vorbei in die Wohnung trat. „Toya... Du bist doch mein Freund, oder? Kann ich heute bei dir schlafen?“ /Oho, da gibt’s wohl Ärger im Paradies... Kanae-chan muss wie ne Bombe reingeplatzt sein./ „Klar, kein Problem, wenn das Sofa dir reicht?!“ „Bestens.“, war die knappe Antwort und Toya hatte auf einmal das Gefühl, mit Take wäre eine dunkle, unbehaglich kalte Wolke von schlechter Laune in seine Wohnung geschwappt. Er war offensichtlich nicht in Plauderlaune, aber Toya war neugierig wie sich sein Eingreifen ausgewirkt hatte. Er hatte die denkbar einfachste Lösung seines Bruder-Problems über die Bühne gebracht, indem er Kanae einen kleinen Anruf gewidmet hatte. So wurde er Mamoru los und Take war hoffentlich nicht mehr so von ihm besessen. Das war der Plan. „Was ist passiert? Steht deine Wohnung unter Wasser?“ fragte er scheinheilig. Take hatte sich auf´s Sofa gesetzt und blickte ohne hinzusehen auf den Fernsehbildschirm. Er antwortete nicht und Toya fand sich damit ab, nachdem er Takes Gesicht eingehend studiert hatte. Er begann sich zu fragen, ob er vielleicht einen furchtbaren Fehler gemacht hatte, indem er sich eingemischt und gleich zwei Beziehungen seines Freundes zerstört hatte. Er hatte plötzlich Schuldgefühle und das mochte er gar nicht, doch er mochte es noch weniger, Take so niedergeschlagen zu sehen. Aus einem Impuls heraus setzte er sich neben ihn und nahm ihn in den Arm. Take reagierte überhaupt nicht darauf. Nach einer Ewigkeit fragte er plötzlich: „Kann ich dich mal was fragen?“ „Mhm, klar...“ „Was ist Liebe?“ Toya war irritiert – sprach Take jetzt über Kanae oder Mamoru? „Ich weiß nicht... Warte. Liebe ist... wenn man sich ohne Worte versteht... wenn die Zeit stehen bleibt, wenn man sich küsst... wenn es wie körperlicher Schmerz ist, wenn man getrennt ist und wenn man selbst in einem riesigen Saal voller Menschen nur Augen für diese eine Person hat.“ Stille. Toya fühlte sich blöd und kam sich furchtbar kitschig vor. Er wollte gerade hinzufügen, dass er das gar nicht ernst gemeint und einen Witz gemacht hatte, als Take sanft die Hand auf seinen Arm legte und ihn weg schob. Er rieb sich über die Augenlieder und stand auf, einen seltsam entschlossenen Ausdruck in den Augen. „Danke. Toya.“ Take stand auf und ging zur Tür, tätschelte dabei freundschaftlich Toyas Kopf. Als die Tür hinter ihm zugefallen war, kam Toya die Wohnung groß und leer vor; er fühlte sich auf einmal einsam. Langsam lief Mamoru die Gänge entlang und besah sich die Schaufenster. Keines sprach ihn besonders an, sodass er bald in den zweiten Stock ging. Gerade als er den Fuß auf die letzte Treppenstufe setzen wollte, verlosch das Licht. Der braunhaarige Junge stand still da und schärfte seine Ohren, nahm jedoch nichts verdächtiges wahr. Wahrscheinlich waren die letzten Mitarbeiter jetzt gegangen. Das hieße, er war völlig allein... Mamoru ging noch ein paar Meter den Gang entlang, bevor er sich auf den Boden setzte und an eines der Schaufenster lehnte. Wie ein Blitz schlug Takes Bild in seines Gedanken. Er hatte versucht, die Nahe Vergangenheit zu verdrängen, scheiterte aber kläglich. Er konnte den Älteren einfach nicht vergessen. Er hatte sich wirklich in ihn verliebt... Und er konnte einfach nicht glaube, dass Take keine Gefühle für ihn gehabt hatte. Und wenn es auch nur ein paar gewesen waren. Während Mamoru still weiter über den Älteren nachdachte, fielen ihm die Augen zu und er versank langsam in unruhigem Schlaf... Als er am nächsten Morgen erwachte, waren seine Beine kalt und steif. Er versuchte einen Fuß zu bewegen, schaffte es jedoch nicht. Es kostete ihn viel Mühe, einfach aufzustehen und sich zu bewegen, so dass das Blut auch wieder in den unteren Teil seines Körpers fließen konnte. Nachdem er sich dann wieder richtig bewegen konnte, machte er sich darauf, dass Kaufhaus wieder zu verlassen. Er konnte hier schließlich nicht ewig bleiben. Sobald er die Straße betrat, blies ihm ein strenger Wind ins Gesicht. Der abendliche Regen hatte sich in einen Sturm gewandelt. Die Bäume bogen sich unter den Böhen und Mamoru hatte Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten. Was sollte er jetzt machen? Immer wieder tauchte diese Frage in seinen Gedanken auf. Konnte er Take zurückgewinnen? Hatten ihre Gefühle eine Chance? Langsam rann eine Träne über seine Wange. Mamoru hob seinen Arm und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Er sollte nicht weinen… Das würde die Situation eh nicht ändern. Seine Beine trugen ihn fast von allein durch die Stadt und stoppten schließlich vor dem TokyoTower. Überrascht blickte er den großen Turm an. Warum war er gerade hier gelandet? War es wegen… Take? Mamoru erinnerte sich an den Unfall zurück, blickte dann nach unten auf seinen Knöchel. Take hat sich so lieb um ihn gekümmert und ihn gepflegt. Und er selbst war so glücklich gewesen… Und jetzt? Alles vorbei… Er hatte nun das verloren, an dass er sich in Tokyo gehalten hatte. Er hatte niemanden mehr hier, der ihn mochte. Er war allein auf der Welt. Hatte sein Leben überhaupt noch einen Sinn? Sehnsüchtig blickte Mamoru den Turm hinauf. Schritt für Schritt, fast gesteuert, ging er auf den Schalter zu und holte sich schließlich eine Karte für den Fahrstuhl. Er wollte auf die Plattform, wollte die Aussicht genießen… Während er den Aufzug betrat und auf die Höhenanzeige blickte, begann sein Herz schneller zu schlagen. Noch 50 Meter… Was wollte er eigentlich machen, wenn er oben stand? Wollte er sich wirklich in den Tod stoßen? Als er die Türen wieder verließ, war er sich dessen gar nicht mehr so sicher. Nach ein paar Metern gehen, ließ er seine Tasche auf den Boden fallen und setzte sich selbst daneben. Er umschlang mit den Armen die Knie und blickte auf den Boden unter sich. Und nun? Sollte er springen? Oder lieber sitzen bleiben? Die Besucher, die sich die Aussicht von Tokyo anschauen wollten, warfen ihm abschätzige Blicke zu, manche der Kinder zeigten auf ihn. Aber Mamoru scherte sich nicht darum. Diese Leute waren ihm egal. Alle Menschen waren ihm egal. Ausgenommen Take. Der junge Mann schien der einzige Lichtblick in seinem Leben zu sein. Aber er hatte sich von ihm abgewandt und sich ganz offensichtlich für Kanae entscheiden. Mamoru hatte die Worte gehört. Nun begannen die Tränen wieder zu fließen. Diesmal schlimmer. Sie flossen, als hätte man alle Dämme gebrochen, die ihn je am Leben gehalten hatten. „Take… Du Idiot. Ich liebe dich! Und was machst du…?“ Die Worte waren ein Flüstern, eher eine Lippenbewegung, verließ doch kein Ton seinen Mund. Seltsam; Toya hatte trotz all seinem Spaßvogel-Gehabe den Nagel auf den Kopf getroffen. Als Take wieder in den Regen hinaustrat, wusste er, was er tun würde. Kanae war immer an seiner Seite gewesen. Sie hatten zusammen einiges durchgemacht, gelacht, geweint. Sie hatten sich oft gezofft, aber niemals wirklich gestritten. Er hatte Kanae heiraten wollen, sein ganzes Leben mit ihr verbringen wollen… aber in dem Augenblick, als Mamoru den Raum betreten hatte, in dem Take und Kanae geredet hatten, war sie unsichtbar, stumm geworden und Take hatte nur noch Augen für ihn gehabt. Take wandte sich in Richtung seiner Wohnung. Das wichtigste war jetzt, einen klaren Schlussstrich zu ziehen. Er war entschlossen, es musste sein und er wusste, was das bedeutete. Kanae stand schweigend daneben und sah zu, wie er packte. Sie hatte es beinahe befürchtet und obwohl es ein Schock gewesen war, gab sie sich ruhig, während sie mit Take, der über die Schulter mit ihr sprach, die Vermögens-, Sach- und Wohnungswerte klärte. Fürs erste nahm er alles Wichtige mit, was in eine Tasche passte; den Rest packte er in Kartons, die er versprach abzuholen, sobald er eine neue Wohnung gefunden hatte. Des weiteren einigten sie sich darauf, dass Take weiterhin die Hälfte der Miete bezahlen würde, bis auch sie eine passende Wohnung fand – schließlich war er es, der überstürzt auszog und er wollte sie nicht noch mehr belasten. Es tat Take unendlich Leid, aber er wusste, dass es das war, was er wirklich wollte – dass er Mamoru wollte und das hieß, dass er Kanae ganz und gar verlassen musste. Er wusste nicht, ob er Mamoru finden würde – Tokyo war groß und es war schon fast morgen -, doch er würde ihn suchen. Er wusste nicht, was er tun, was er sagen sollte, wenn er ihn fand und ihm dann gegenüber stand und ob Mamoru überhaupt noch Lust darauf hatte, sich mit einem obdachlosen Verrückten einzulassen, dessen Liebesbeziehung zu Mamoru ihn zum gesellschaftlichen Ausgestoßenen machen würde. Take lächelte zynisch. Er gab alles auf, was bisher gut und sicher gewesen war, ohne zu wissen, ob er den, den er wollte, überhaupt bekam. Er schulterte die gepackte Tasche und ging zur Tür. Im Flur blieb er noch einmal stehen. „Wenn du… Wenn irgendwas ist, kannst du mich immer anrufen. Ich… Es tut mir Leid, aber ich kann mein Herz nicht belügen. Pass auf dich auf.“ Als er auf seinem Motorrad die Garage verließ, ging die Sonne auf. Er lächelte leicht, als er seinen Blick blinzelnd Richtung Sonnenaufgang wandte und sich eine scharfe, lange Silhouette in seinen Pupillen widerspiegelte. Er grinste. Vielleicht konnte er Mamoru ja von da oben sehen und wenn er ihn wirklich fand, würden sie zusammen da rauf gehen: auf den Tokyo Tower. Ohne einen weiteren Gedanken an mögliche Szenarien zu verschwenden, lenkte er seine Maschine Richtung Stadtmitte. Mamoru saß weiter auf dem Boden, ignorierte die Blicke der Touristen. Er wusste nicht, was er anderes hätte machen sollen. Er hatte weder Geld, noch eine Wohnung, noch Freunde, die ihm helfen konnten. Er hatte nur Take gekannt… Und dieser hatte ihn verletzt. Stumm liefen ihm erneut Tränen aus den Augen und in gewisser Weise erschreckte es ihn, dass er so wehleidig war. Aber er war schon immer so gewesen und die Wahrscheinlichkeit, dass er sich dahingehend änderte war verschwindend gering. Mit einem leisen Schniefen wischte sich Mamoru über die Wange, vertrieb die Tränen und stand dann auf. Weinen brachte ihn weder weiter noch brachte es ihm Take zurück. Er blickte in den Himmel über sich, sah schwarze Vögel ihre Kreise ziehen. War das ein Zeichen? Oder Zufall? Schicksal? Sollten sie ihm seine Entscheidung erleichtern? Ohne zu wissen was er tat, lief Mamoru ein paar Meter um die Kuppel und steuerte dann auf das Geländer zu. Er legte seine Hände auf das kühle Metall. Was würden ihm sein Leben schon bringen, jetzt wo Take ihn mehr als offensichtlich abgewiesen hatte? Entschlossen stützte er sich auf das Geländer und ließ dann beide Beine über die Absperrung gleiten. Nun stand er vollends außerhalb des sicheren Bereiches. Schon nach einigen Sekunden zeigten die Besucher auf ihn und versammelten sich um den Punkt, an dem er sich befand. Erneut zögerte er, doch dann kam ihm wieder die essentielle Frage in den Sinn: Worin lag der Sinn seines Lebens? Es gab niemanden, für den er leben musste. Sein Bruder hasste ihn. Sein Vater war tot. Seine Mutter hatte ihn verlassen. Take hatte seine Gefühle nicht erwidert und ihn abgewiesen. Langsam löste er seine Arme von dem Geländer und fiel so noch ein bisschen weiter nach vorne… Take hatte durch den frühmorgendlichen Pendlerverkehr fast eine Stunde gebraucht, um den Tower zu erreichen und in dieser Zeit begann er stark zu zweifeln. Hatte er das Richtige getan Kanae zu verlassen und auszuziehen? Würde er Mamoru je wieder finden? Nach vielen Grübeleien hatte er sich entschieden, dass es hatte sein müssen. Zwischen Kanae und ihm hätte es nach dieser Sache nicht mehr funktioniert. Und was Mamoru betraf, galt für ihn jetzt das Sprichwort ´ganz oder gar nicht´. Er stellte sein Motorrad in einer Seitenstraße ab und musste über sich selbst lächeln, als er auf den Tokyo Tower zuging. Es war vollkommen unmöglich, Mamoru von dort oben zu sehen, aber er hatte das Gefühl, seine Suche würde erfolgreicher verlaufen, wenn er hier Glück tankte. Er stutzte, als er vor dem Turm eine aufgebrachte Menschenmenge stehen sah. Hier war es zwar immer voll, doch so früh am Morgen? Er hörte Menschen in vielen Sprachen aufgeregt schnattern. Die meisten hatten den Kopf in den Nacken gelegt und sahen zur Plattform hinauf, viele deuteten mit dem Finger nach oben. „Was ist denn los?“ fragte Take ein paar Leute, die eindeutig nach Japanern aussahen. Jemand antwortete: „Da oben will einer runterspringen. Deswegen ist der Turm gesperrt. Keiner kann rauf und hier unten versuchen die Polizisten die Leute wegzuschaffen, damit niemand getroffen wird, wenn er springt. Aber die Touris wollen nicht abhauen.“ Er deutete um sich herum. Jetzt sah auch Take Blauuniformierte, die versuchten, die Menge zu zerstreuen. Er sah nach oben und blinzelte. Es war kaum etwas zu erkennen, außer einer kleinen Silhouette, die auf der Berüstung stand. /Dann eben nicht./ Take wandte sich um, um zu seine Maschine zurückzugehen. Er drängte sich durch die Menge. „…gehört es ist ein Junge.“ „Ja, noch fast ein Kind. 18 vielleicht.“ Satzfetzen drangen an sein Ohr. Ein junger Mensch wollte sich umbringen – das war furchtbar. Take quetschte sich durch eine Menschentraube, die sich um den Turmwärter drängte. Dieser sagte gerade gestikulierend: „Wenn ich´s ihnen doch sage: Der Junge war schon mal hier. Ist rumgeturnt und gefallen – von da.“ Er deutete auf einen undefinierbaren Punkt am Rande der Menge, da einige erschreckt geraunt hatte, als er >runtergefallen< sagte. „Musste ohnmächtig weggetragen werden. War vor ´n paar Tagen und ich ab alles von da gesehen.“ Diesmal zeigte er auf den Tower. „Ich wusste, der macht ärger.“ Take spürte den Boden nicht mehr unter den Füßen. Ihm wurde schwarz vor Augen und er fühlte sich plötzlich leer und kalt. Das da oben war Mamoru. MAMORU! Take schob unsanft eine Frau beiseite und packte den verdutzten Turmwart am Kragen. „Ich muss darauf!“ presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Hören Sie.“ Sagte der Mann beschwichtigend. „Sie können jetzt nicht auf den Turm. Da ist ein Selbstmörder, der…“ „Ich weiß!!“ Jetzt schrie Take und kam dem Gesicht des Mannes gefährlich Nahe. Er wirkte leicht verrückt. „Dort oben steht mein freund und es ist meine Schuld, dass er da steht. Also, lassen sie mich zum Teufel noch mal darauf!! SOFORT!!“ Der Mann sah ihn einen Augenblick lang völlig verdutzt an, dann sagte er: „Kommen sie. Wir müssen uns beeilen.“ und bahnte ihnen mühelos einen Weg zum Fahrstuhl. Er hielt sich nicht mit unnötigen Erklärungen auf und schob Take in den Fahrstuhl, während er sich zu dem wütend herausstürmenden Polizisten umwandte. Take tigerte hibbelig durch die Kabine des Fahrstuhls und warf ständig nervöse Blicke nach oben. Er fürchtete jede Sekunde Mamorus Körper an sich vorbei gen Erde fliegen zu sehen. Ding. „Aussichtsplattform“ säuselte eine Frauenstimme, aber Take war schon aus der Tür. Ein paar Leute standen in geringem Abstand um das Geländer, aber keiner wagte es näher zu treten, aus Angst er würde springen. Eine Frau, die ein Kind an der Hand hielt, redete ernst auf Mamoru ein. Take stand neben ihr und wusste plötzlich nicht mehr, was er tun sollte. „Mamoru…“ flüsterte er, doch seine Stimme ging in dem allgemeinen Krach der Menge, oben und unten, unter. Mamoru hing nur noch locker an den Fingern am Geländer und schien nichts zu hören. Er sah aus, als würde er jede Sekunde loslassen. Take fasste eine Entscheidung, alles oder nichts (unterbewusst fiel ihm auf, dass er eine Schwäche für drastische Sprichwörter hatte) – er machte drei schnelle Schritte. Die Menge schrie auf, als Mamoru, aufgeschreckt durch das plötzliche metallischdumpfe Stampfen, sich umdrehte und ins Schwanken geriet. Aber da war Take schon bei ihm, packte ihn unter den Achseln und hob ihn problemlos über das Geländer; seine Angst, Mamoru jetzt noch zu verlieren, verlieh ihm die Kraft dazu. Er stellte Mamoru auf den Boden und zerrte ihn dann ohne auf ihn oder die Menge zu achten Richtung Fahrstuhl, weg vom Geländer, weg von der Gefahr. Er starrte Mamoru an, dann holte er aus und gab ihm ohne Vorwarnung eine schallende Ohrfeige. Er war so wütend, dass er es im Augenblick nicht in Worte fassen. Dann kam die Erleichterung. Sie spülte über ihn hinweg und riss ihn mit. „Mamoru, du Idiot! Mach mir keine Angst!“ Er schloss ihn in die Arme, hielt ihn fest und war ganz sicher, ihn nie wieder loszulassen. Seicht ließ er den Wind seinen Körper umspielen. Er schloss die Augen und vor seinem Inneren Auge erschien Takes Bild. Langsam rann ihm eine Träne über die Wange, bis hin zu seinem Kinn und schließlich in die Tiefe. Er öffnete die Augen wieder, blickte noch einmal nach hinten zu den Touristen. Eine der Frauen öffnete und schloss den Mund, schien mit ihm zu reden, aber kein Wort erreichte seine Ohren. Ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Es schien, als hätte sein Kopf schon mit dem Leben abgeschlossen. Dann hörte er plötzlich hinter sich Schritte und blickte sich um. Take stürmte direkt auf ihn zu! Einen Augenblick weiteten sich seine Augen, dann drehte er sich wieder nach vorn und genau in diesem Moment verlor einer seiner Füße den Halt. Er schwankte kurz, bevor er einen Arm vom Geländer löste und so gefährlich nah am abstürzen war. Fast im selben Augenblick spürte er zwei starke Arme unter den seinen und eh er sich versah, stand er wieder sicher auf der Plattform. Bevor er die Anspannung lösen konnte, die seinen Körper in Gefangenschaft hielt, hatte Take ihn schon bei der Hand genommen und gewaltsam vorwärts gedrängt. Seine Hand begann schon nach ein paar Sekunden zu schmerzen, was allerdings nicht gegen die Ohrfeige war. Sie kam unerwartet und überrascht. Erschrocken hielt sich der Junge die Wange und bekam nur die Hälfte der Worte mit, die Take ihm entgegen schrie. „...Mach mir keine Angst!“ Was sagte er da? Noch ehe er weiter über die Worte nachdenken konnte, spürte er eine Wärme ihn umschließen. Mamoru stand stocksteif da, wusste nicht, was mit ihm geschah. Take hatte ihm gerade gesagt, dass er ihm Angst gemacht hatte… und dann hatte er ihn umarmt, hielt ihn immer noch fest. Langsam hob Mamoru die Hände und bewegte sie zwischen sich und Take und schob den anderen von sich weg. „Was soll das? Warum bist du hier?“ Seine Worte waren ein ersticktes Flüstern und Tränen brannten in seinen Augen. „Wenn es nur aus Mitleid ist, dann kannst du wieder gehen. Du hast dich schließlich für deine Freundin entschieden…“ Fahrig fuhr er sich mit dem Handrücken unter der Nase entlang. Dann lief er ein paar Schritte zurück um noch mehr Abstand zwischen sie zu bringen. Er wollte Takes Mitleid nicht. Mamoru liebte ihn. Er wollte nicht nur mit ihm befreundet sein. Er wollte mehr. Und wenn er das nicht kriegen konnte, wollte er gar nichts. „Idiot! Du bist wirklich unglaublich!“ Takes Wut flammte ganz plötzlich mit noch heftigerer Macht auf und er hätte Mamoru gern noch einmal geschlagen. „Hättest du auch nur eine Sekunde aus deiner Selbstmitleidswelt gefunden, in der du nur dich als Opfer siehst, dann hättest du vielleicht mitgekriegt, dass ich… Zum Teufel, hast du eigentlich noch nie in den Spiegel geguckt? Du bist der unglaublichste Mensch, der mir je begegnet ist.“ Takes Lautstärke war gesunken und er hatte einen resignierten Tonfall angenommen. „Du bist freundlich und begabt und in deinen Augen kann man sich verlieren… Wenn ich nicht so feige gewesen wäre und an meinem gewohnten Leben hätte festhalten wollen, hätte ich gleich dich gewählt, weil… weil…“ Ihm gingen Toyas Worte durch den Kopf. „weil die Zeit stehen bleibt, wenn ich mit dir zusammen bin und für keinen anderen mehr Augen habe und mir schon diese paar Stunden in der Uni, die ich jeden Tag von dir getrennt bin, endlos erscheinen.“ Take merkte erst in diesem Augenblick , wie wahr seine Worte doch waren, denn er sah die vielen Menschen, die aufgeregt tuschelnd um sie herum standen, überhaupt nicht. „Aber hättest du mir ein bisschen Zeit gelassen, darüber nachzudenken und wärst nicht gleich auf und davon gestürmt und auf den nächstbesten Turm geklettert um – ja was eigentlich? Bist du verrückt oder was? Hast du gar kein Selbstwertgefühl? Bedeutet dir dein Leben so wenig, das du es gleich wegwirfst, wenn du mal enttäuscht wirst? Was bist du nur für ein Idiot!!“ Seine Stimme war wieder laut geworden, doch sein Gesicht drückte nur Besorgnis aus, als er Mamoru jetzt an den Schultern packte und leicht schüttelte. „Wenn ich nicht per Zufall hierhergekommen wäre – dann wärst du jetzt tot, für nichts und wieder nichts. Mach das nie wieder, du Idiot!“ Und damit warf er den letzten Rest Anpassung vom TokyoTower und küsste Mamoru vor all diesen Leuten. Mamoru blickte auf den Boden, hörte nach ein paar Minuten Takes Worte wie aus weiter Ferne an sein Ohr dringen. Er wollte gerade den Mund aufmachen, um sich zu wehren, war er doch mit Takes Anschuldigungen an seiner Person gar nicht zufrieden, da setzte sein Herzschlag aus. Er war nach vorn gezogen worden und hatte nicht einmal mehr eine Chance gehabt, etwas zu sagen, geschweige denn sich die Worte auch nur zu überlegen. Er sah Take vor sich, konnte den Kuss aber nicht so recht fassen. Erst nach einigen Sekunden schlang er seine Arme um den anderen und schloss die Augen. Diese Gefühl… war großartig. Nun wusste er, dass er doch nicht verloren war. Und nun verstand er die vergangene Woche. Einzelne Tränen traten aus seinen Augen hervor, rollten die Wangen herab und wurden immer mehr. „Take…. Ich… Ich liebe dich!“ brachte er nach mehreren Minuten hervor, immer wieder unterbrochen von einzelnen Schluchzern. Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- /Gut zu wissen. War mir aber schon fast klar, nach dem ganzen Aufstand hier./ Take konnte seinen Zynismus nicht bremsen, dennoch musste er plötzlich grinsen und fühlte sich großartig, trotz der ganzen Situation. Er wischte Mamoru energisch die Tränen von den Wangen. "Schluss jetzt, ich bring dich erstmal von diesem gefährlichen Turm runter, bevor du es dir noch mal anders überlegst." "Allerdings." Take sah verdutzt zur Seite; dort stand ein äußerst wütender Polizist, dessen Kollegen nun Mamoru und ihn in ihre Mitte nahmen und zum Fahrstuhl bugsierten. In einem Raum im Untergeschoss des Tokyo Towers mussten sie eine halbe Stunde die Litaneien der Polizisten über sich ergehen lassen, sich x-mal entschuldigen und durften schließlich mit lebenslangem Tokyo-Tower-Verbot und dem Auftrag einen Entschuldigungsbrief an das Tokyoter Rathaus zu schreiben den Tokyo Tower verlassen. Als sie aus dem Gebäude traten hatte sich der Betrieb wieder normalisiert und niemand erkannte sie. Take hatte seit die Polizisten sie abgeholt hatten Mamorus Hand gehalten und sie auch nicht losgelassen, als ihn die Polizisten mit Blicken, die sie einem Aussätzigen zugeworfen hätten, befragt hatten. Nun ignorierte er vereinzelte Passantenblicke, winkte nur einmal kurz dem Turmwächter zu, der freundlich zurückwinkte, und hielt Mamorus Hand nur noch fester. Er führte ihn zu seinem geparkten Motorrad und grinste dann breit. "Ach ja, ich bin übrigens ausgezogen. Wenn es dir also etwas ausmacht mit einem Vagabunden zusammenzuleben..." Ein Ausdruck purer Glückseligkeit war auf Mamorus Gesicht getreten, als Take ihn an der Hand gefasst hatte. Er war froh, dass sich die Dinge so gewendet hatten, sehr froh. Die Polizisten schafften es jedoch durch ihre Strafpredigt seine Laune ein wenig zu verschlechtern. Er versuchte auch, ihnen mit einem halbwegs ernsten Gesicht zuzuhören, was ihm allerdings nur schwerlich gelang. Als sie es dann endlich geschafft hatten, den Polizisten zu entkommen, zauberte sich wieder ein Lächeln auf sein Gesicht. Ihm war es egal, ob Take, genau wie er, jetzt kein Dach über dem Kopf hatte. Hauptsache sie waren zusammen und somit glücklich. Eine leichte Röte zierte sein Gesicht, bevor er sich auf die Zehenspitzen stellte und ihm einen sanften Kuss auf die Lippen hauchte und ihn umarmte. "Das ist nicht wichtig... Hauptsache du bist da..." "Klingt gut. Aber die Miete für die Woche, die du bei mir gewohnt hast will ich trotzdem noch." Und damit zog Take Mamoru an sich und küsste ihn. Es störte ihn nicht, dass sie mitten auf der Strasse standen, wo alle Leute zugucken konnten. Take beschloss gerade, dass sich seine Hände wirklich gut unter Mamorus T-Shirt machen würden, als ihn sein laut klingelndes Handy erschreckte und der Automatismus der Gesprächsannahme machte seine Absichten zu Nichte. "Hallo?" "Hallo..." Take erstarrte zu Eis, als er seine frisch-geexte Freundin erkannte. Ihre Stimme klang nicht gerade begeistert, als sie ihm befahl: "Nimm dir 'nen Zettel und Stift. So 'n Hotel hat für deinen Kerl angerufen. Also sie haben das Problem geklärt und jetzt doch ein Zimmer frei und dafür, dass es ihr Fehler war, bieten sie ihm ein Doppelzimmer zum selben Preis... Dachte, dass würde euch vielleicht passen; du sitz ja auch gerade auf der Straße." Sie schniefte und ihre Stimme nahm den krampfhaft unterdrückten Gerade-geheult-Ton an, den sie oft nach Streits gehabt hatte, als sie ihm Adresse und Daten durchgab. "Und, Take? Pass auf dich auf, ja?" "Du auch. Bye." Take legte auf und lächelte Mamoru an: "Ich hab gute Neuigkeiten." Auch Mamoru hatte gegen Takes momentane Zärtlichkeiten nichts einzuwenden und verfluchte sich und seine Umwelt, als dieser wegen seines Handys von ihm ablassen musste. Mit leicht geröteten Wangen blickte er ihn an und hakte dann vorsichtig nach, nachdem er das Telefonat beendet hatte. "Was? Was ist los?" Mit großen, erwartungsvollen Augen blickte er den Älteren an. "Nichts weiter, nur hat dein Hotelchen gerade angerufen. Sie geben zu, einen Fehler gemacht zu haben und so bieten sie dir jetzt, vorausgesetzt du willst noch, ein Doppelzimmer als Entschädigung an. Naja und ich dachte, wir könnten da für die nächste Woche wohnen und nebenbei eine Wohnung für uns beide suchen. Ich denke, da wir schon zusammen gewohnt haben, ist das auch nicht zu schnell." Er zwinkerte. "Okay?" Und mit einem Blick auf die Maschine setzte er hinzu. "Aber nicht ohne mein Motorrad. Traust du dir noch eine Fahrt zu?" Mamorus Augen weiteten sich noch ein Stück. "Ein Doppelzimmer in diesem Hotel?" kurz überlegte er, zuckte dann gleichzeitig mit den Schultern. "Unter anderen Umständen würde ich wahrscheinlich ablehnen, aber das ist, glaub ich, das Beste, was uns gerade passieren kann." Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Dann wandte er sich dem Motorrad zu, sah es skeptisch an. "Hm... vielleicht sollte ich mit ihm Frieden schließen? Ich werde dich wohl kaum ohne es kriegen, oder?" Ein leises Lachen schlich über seine Lippen. "Warte kurz." Mit ein paar Schritten stellte er sich vor das Motorrad und blickt es durchdringend an. "Also Chibi-chan, ich mag dich eigentlich nicht, aber ich würde mich Take zu Liebe mit dir arrangieren. Was sagst du?" Ein skeptischer Blick, dann schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht. "Okay, das wäre erledigt." Lächelnd blickte er zu Take. "Also, zwei Dinge sind zu bemerken", sagte Take und stellte sich neben Mamoru vor das Motorrad. "Erstens solltest du dich mal durchchecken lassen - Leute, die mit Motorrädern reden, sind nicht normal; zweitens - gib bitte meinem Bike keine komischen, niedlichen Namen! Wenn du es schon irgendwie nennen musst, sollte es schon ein cooler Name sein, wie Hideyoshi Ranger." Und zum zeichen, dass er in diesem Punkt zu Ende diskutiert hatte, schnappte er sich Mamorus Tasche, die ein Polizist von der Plattform mitgebracht hatte und begann umständlich, sie mit den Gurten an Hideyoshi Ranger zu befestigen. Er reichte Mamoru den Zweithelm und meinte fröhlich. "Mit dem ganzen Gepäck wird's eng, du hast nichts gegen Kuscheln...?" "Hideyoshi Ranger?" Mamoru blickte Take mit einem mehr als Abgeneigtem Blick an. "Was ist denn das für ein Name?" Ich werde ihn nie so nennen. Für mich wird er immer Chibi-chan heißen." Und damit war auch für Mamoru die Diskussion beendet und er setzte sich hinter Take, nachdem er den Helm aufgesetzt hatte. Lächelnd schlang er seine Arme um Takes Bauch. "Wir können dann!" Und sobald Mamoru diese Worte ausgesprochen hatte, brauste Take auch schon davon. Mamoru verspannte sich augenblicklich, beruhigte sich aber auch gleich wieder. Er fuhr ja mit Take. Auf Chibi-chan. Chibi-chan würde nie einen Unfall bauen. Dafür war der Kleine viel zu lieb. Und Take würde sie ganz sicher auch in keinen Graben fahren. Nach ein paar Minuten waren sie auch schon bei dem Hotel. Es war nicht weit vom Tokyo Tower entfernt. Sobald sie die Eingangshalle betraten, klammerte sich Mamoru an Takes Hand. Er wollte jetzt nicht mit der Empfangsdame reden. "Hallo." Take trat an den Tresen und sprach den jungen Portier an. "Ähm, die Sache ist die... Also... ähm, haben sie ein Zimmer auf den Namen Kitagawa?" Er lächelte breit und nickte sofort. "Die Buchungspanne? Zimmer 202, im zweiten Stock. Hier bitte die Schlüssel." Damit gab der Mann (K. Benyo stand auf seinem Namensshild) zwei Elektrokarten-Zimmerschlüssel an Take, der sie leicht verwundert, da er ohne zu fragen gleich zwei Schlüssel bekommen hatte und es auch keine Schwierigkeiten gegeben hatte, annahm und mit einem Lächeln auf den Lippen auf dem Fahrstuhl zusteuerte. "Okay, zweiter Stock, alles aussteigen." scherzte Take und machte einen übertriebenen Diener als sich die Fahrstuhltüren aufschoben. dann folgte er Mamoru und öffnete mit einer eleganten Bewegung die Zimmertür, nachdem er Mamoru auf dem Flur überholt hatte. Er lachte spontan und fühlte sich unerhört glücklich, als er das Zimmer nach seinem Freund betrat. Das Zimmer hatte einen kurzen Flur, links mit Schrank und Kleiderhaken, rechts die Tür zu einem blitze blanken, weiß gekachelten Badezimmer, die ein mannshoher Spiegel zierte. Mit zwei großen Schritten war Take im Zimmer und sah sich um. Zwei Betten, zwei Nachttische, ein Schreibtisch und ein Fernseher. Er ging zum Fenster und zog die weißen, bodenlangen Gaze-Vorhänge zur Seite: hinter dem Fenster (das seiner Größe nach und dem dahinter Befindlichen wohl eher eine Tür war) lag ein begehbarer begrünter Bereich, der - soweit Take das sehen konnte - nur durch die Zimmer zu betreten war, also so eine Art Gemeinschaftsbalkon. "Klasse, sieh dir das mal an. Ein Privatpark." Take öffnete die Tür, wandte sich dann zum Mini-Kühlschrank und suchte nach etwas Flüssigem, was er jedoch sein ließ, als er die Preisliste sah. Stattdessen schnappte er sich die Fernbedienung, knipste den Fernseher an und warf sich mit Schwung auf das rechte Bett, was zur Folge hatte, dass sich das Bett einige Zentimeter in die Schwungrichtung bewegte. "Wow, guck mal, die Dinger kann man bewegen. Wir können die Betten zusammenschieben..." Er wurde knallrot, als er bemerkte, WAS er da gerade gesagt hatte. "Äh... ich meine... ähm, also... theoretisch und so... Nicht, dass du das jetzt falsch verstehst, ich wollte nur, hab nur..." Er brach ab, als er sich immer mehr in Satzbruchstücken ertrinken sah. "Also" erräusperte sich und richtete sich halb auf "Wollen wir fernsehen?" Und er deutete unschuldig auf das Gerät, während er hoffte, dass Mamoru sich neben ihn setzten und das nicht total falsch verstehen würde. Mamoru betrat vor Take das Zimmer und blickte sich um. Es sah wirklich nicht so schlimm aus, wie er es erwartet hatte. Eigentlich war es relativ schön. Langsam ließ er sich auf das Bett in der Nähe des Fensters sinken. Takes Worte rauschten mehr oder weniger an ihm vorbei, wusste er auch nicht warum. Erst als Take nach dem Fernseher fragte hörte Mamoru wieder bewusst seine Worte. "Ja... können wir machen." Und mit diesen Worten stand er von seinem Bett auf und ging zu Take hinüber. Langsam ließ er sich mit den Knien auf die Matratze sinken, schlang dann seine Arme um Takes Oberkörper und drückte seine Wange gegen Takes Brust. Leise konnte er dessen Herzschlag hören. Lächelnd schloss er die Augen. Es war warm bei Take... schön war,. Immer noch lächelnd ließ sich Mamoru von dieser Wärme einlullen, versank so schon bald in einem tiefen, traumlosen Schlaf. So hatte es Take eigentlich nicht gemeint. Er hatte Mamoru im Arm und ehe er sich's versah, war er zum Kopfkissen umfunktioniert worden. Er sank zurück und legte beide um den Schlafenden, dann drehte er den Ton leiser und versank in angestrengtem Nachdenken. Er ließ die Geschehnisse der letzten Woche Revue passieren. Er zog Bilanz und er fiel ihm auf, dass so ein überstürztes Vorgehen eigentlich überhaupt nicht seine Art war - Mamoru hatte sein Leben völlig auf den Kopf gestellt. Seine Gedanken begannen um die Frage nach der Zukunft zu kreisen. Take erwachte, als das Licht, das durch die Vorhänge floss zu aufdringlich wurde. Er setzte sich auf. Mamoru schlief neben ihm, er hatte sich wohl in der Nacht auf die Seite gedreht. Take lächelte und konnte den Impuls nicht unterdrücken, Mamoru auf die Stirn zu küssen. Dann stand er auf und ging ins Bad, besann sich unterwegs jedoch anders. Er öffnete die Tür und holte die Zeitung herein, die davor lag. Von der Titelseite sah er sich selbst besorgt entgegen, daneben ein Foto von Mamoru auf der Brüstung und eines, als sie sich küssten. Die Überschrift: "Exklusiv! Das Homo-Drama am Tokyo Tower!" Take knallte die Tür zu und starrte hypnotisiert auf die Buchstaben. "Mamoru! Steh auf!" Die Sonne störte Mamoru weniger als der laute Knall, durch den er letztendlich geweckt wurde. Verschlafen richtete er sich auf und blickte sich um. Wo war er hier noch gleich? Ach ja, im Hotel. Ehe er noch weiter über irgendwas nachdenken konnte, hörte er den erschreckten Schrei Takes. Schon nach wenigen Sekunden war dieser dann auch in sein Blickfeld getreten, starrte ihn an. Überrascht blinzelte der Jüngere. "Was ist denn los?" Mamoru fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, wollte er doch wach werden. Mit der anderen stütze er sich nach hinten ab, spürte allerdings etwas hartes unter seinem Handballen. Im nächsten Moment flammte der Fernseher auf und sein eigenes Gesicht blickte ihm entgegen. Seine Augen weiteten sich und die pure Verwirrung spiegelte sich darin. Dann nahm er die Fernbedienung bewusst zur Hand und stellte den Ton lauter. "...dieses Ereignis zog weltweite Aufmerksamkeit auf sich. Ein junger Mann wollte sich am gestrigen Morgen vom Tokyo Tower stürzen. Einige Passanten versuchten, ihn davon abzubringen, was allerdings nicht funktionierte. Erst als ein fremder Mann kam und den Jungen ansprach, wurde die Tragödie aufgehalten. Den Zeugen zu Folge, waren die beiden ein Liebespaar und hatten sich gestritten..." Den Rest bekam Mamoru nicht mehr mit, sondern starrte nur auf das Bild, auf welchem sich er und Take leidenschaftlich küssten. Als Unterschrift waren die Worte "schwul oder nicht?" zu sehen. Mamoru blickte immer noch gebannt auf den Bildschirm, unfähig sich zu rühren. Nach weiteren Minuten des Schweigens drehte er den Kopf und blickte Take an. Was nun? /Okay. Bloß nicht aufregen./ Take atmete tief durch. Das war doch echt die Höhe - auch noch im Fernsehen! "Scheiße!" entfuhr es ihm unwillkürlich. Er war mit schnellen Schritten beim Fernseher und schaltete ihn entschieden aus. Mit einer genervten Bewegung warf er die Zeitung neben Mamoru auf das Bett und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Dann lächelte er schwach. "Ich weiß nicht, wie schnell sich das verbreitet, aber ich denke... Wollen wir hier auf dem Zimmer frühstücken?" Er warf flüchtig einen Blick auf die Uhr und seine Augen weiteten sich. "Mist, schon so spät. Ich hab heute einen wichtigen Kurs - den darf ich nicht verpassen. Hab schon letztes Mal geschwänzt und ich muss hin, sonst hab ich nicht genug Anwesenheit und muss den Kurs wiederholen." Take machte eine entschuldigende Geste in Mamorus Richtung und kramte seine Tasche hervor. "Ich muss da wirklich hin." Er kniete sich kurz auf's Bett und küsste Mamoru auf die Stirn. "Tut mir leid, Schatz." Und damit war er aus der Tür. In diesem Augenblick wurde in drei Wohnzimmern ein Fernseher ausgeschaltet. Weder die junge Frau, noch der junge Mann waren glücklich über diese Entwicklung, aber am tiefsten traf es die dritte Partei. Mamoru starrte immer noch wie vom Donner gerührt auf den Bildschirm, selbst als Take diesen schon ausgeschaltet hatte. Gerade, als er sich ein schönes Frühstück mit seinem Freund ausmalen wollte, blickte dieser auf die Uhr und war dann schneller aus dem Zimmer als man "Tiefgaragenmülleimer" hätte sagen können. Der Kuss kribbelte auf seiner Stirn nach und sanft legte Mamoru einen Finger auf diese. Ein leichter rosa-rot Ton legte sich auf seine Wangen, bevor er sich vorsichtig in die Kissen zurücksinken ließ. Er hatte es geschafft. Er hatte wirklich bekommen, was er wollte. Take. Ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus und nach ein paar Minuten griff er nach dem Telefon neben dem Bett und wählte die Nummer der Rezeption. Nach einigen Tut-Geräuschen meldete sich eine Frauenstimme. "Hallo, Arashi Mino mein Name, was kann ich für Sie tun?" Zögernd öffnete Mamoru den Mund, war erstaunt, als er dann auch etwas sagte. "Hallo, hier ist Kitagawa aus Zimmer 202. Ich hätte gern eine Portion des Frühstücks bestellt. Auf das Zimmer." Die Frau an der Rezeption nickte, was Mamoru natürlich nicht sah, und fuhr dann fort. "Hätten Sie gern Kaffee oder Tee?" "Kaffee. Mit Milch und Zucker, wenn's geht." "Kein Problem.", trällerte ihm die helle Stimme entgegen. "Es wird dann in ungefähr 20 Minuten der Zimmerservice zu Ihnen kommen und Ihnen das Gewünschte bringen." Mit einem letzten "Danke schön!" legte Mamoru den Hörer wieder auf die Gabel. Dann hatte er ja noch genug Zeit um duschen zu gehen, bevor sein Essen da war. Enthusiastisch sprang er auf und lief ins Bad. Schnell hatte er sich von den Klamotten getrennt und stellte sich unter den heißen Wasserstrahl der kleinen Duschkabine. Er ließ das heiße Wasser seine haut malträtieren, bevor er sich einseifte, abwusch und dann dampfend und erfrischt aus der Dusche hervortrat. Schnell rubbelte er sich mit einem Handtuch ab, bevor er die neue Boxershorts anzog, die er aus seiner Tasche mitgebracht hatte. dann ging er wieder in das Zimmer, suchte sich sowohl eine neue Jeans, als auch ein neues Shirt und zog beides an. Gerade als er vor dem Spiegel stand und versuchte seine Frisur zu richten, klopfte es an der Tür. Schnell öffnete er sie, hatte er nun doch beträchtlichen Hunger. Lächelnd nahm er dem Zimmerservice das Tablett ab, bemerkte den kurzen Blick des Erkennens dessen nicht. nach einem kurzen Smalltalk kickte er die Tür mit dem Fuß zu und setzte sich dann im Schneidersitz auf das Bett, stellte das Tablett so auf seinen Knie ab, dass er bequem sitzen und gleichzeitig essen konnte. Dieser Tätigkeit ging er dann auch schnellstens nach, war er doch schon förmlich ausgehungert. Seine Gedanken schweiften kurzzeitig ab, zu Take. /Ob er wohl auch so ein schönes Frühstück hat?/ grinsend biss Mamoru von einem Brötchen mit Marmelade ab. Er hoffte es, konnte aber irgendwie nicht daran glauben. Take kam mit seiner Maschine schlitternd zum Stehen und stieg schwungvoll ab. /jetzt aber schnell. Ich sollte nicht zu spät kommen./ Er ordnete im gehen seine Frisur, die der Helm platt gedrückt hatte und bemerkte nicht die Blicke, die ihm über den ganzen Campus von zahllosen Leuten zugeworfen wurden. Seine Gedanken schwankten zwischen fröhlich-ausgelassen, wenn er an Mamoru dachte und angespannt-sorgenvoll, wenn er an die Nachrichten dachte. Er stutzte unwillkürlich, als ein paar Mädchen giggelnd an ihm vorbeiliefen und mit dem Finger auf ihn deuteten. Als er ihnen stirnrunzelnd nachsah, bemerkte er andere Blicke, nicht so offen, aber doch, sie waren da. Die Leute starrten ihn an! Take begriff erst in dem Moment die volle Wahrheit, als er einen unsanften Knuff in die Seite bekam und einer seiner Kumpel ihn frech von der Seite angrinste: "Na, wo ist denn dein Süßer? Hast du ihn nicht mitgebracht?" Er lachte, doch es klang hart. Take lachte nicht - er verstand. Alles. "Mamoru ist im Hotel, weil Kanae uns rausgeworfen hat." erwiderte er kühl, als würde es nichts Ungewöhnliches sein über einen Liebhaber zu sprechen und fügte dann scharf hinzu: "und Süßer darf nur ich ihn nennen." Er marschierte schnurstracks Richtung Hörsaal, einen verdatterten Freund im Anhang. Take war so wütend und verletzt nach diesem einen Kurs, dass er beschloss, den Rest des Tages (oder des Studiums?) sausen zu lassen. "Hey, Take!" Er drehte sich wutentbrannt um; anfangs hatte er die hämischen Kommentare, starrenden Blicke und bösen Seitenhiebe des Professors mit kühler Ironie und stoischer Ruhe abgehandelt, aber es wurde ihm zu viel und schließlich stürmte er aus dem Kurs und ließ seine lauthals lachenden ehemaligen Freunde zurück. "Was?" fauchte er nun böse sein Gegenüber an. Toya zuckte nicht mit der Wimper. "Du hast schlechte Laune?" "Hast du heute morgen nicht fernsehen geguckt oder Zeitung gelesen? "Doch. Und?" sagte Toya nur und fasste Take am Arm, zog ihn mit sich. "Hör mal, ich weiß nicht, ob du's hören willst, aber ich hab's mir schon gedacht - du und der Knirps und so - und als du vorgestern Nacht bei mir reingeschneit bist, hab ich's geahnt, aber... Also ich muss dir sagen, du bist schön blöd, Idiot!" Er warf Take einen bösen Blick zu, der skeptisch zurückäugte und zerzauste ihm dann mit beiden Händen das Haar. "Zu glauben, mir würde das was ausmachen!" Er grinste breit. "Lass uns Mathe schwänzen und irgendwo frühstücken und scheiß auf die Leute. Ist doch egal, was die denken. Morgen will davon eh keiner mehr was wissen." "Stimmt." sagte eine Frauenstimme in Takes freies Ohr, der erstaunt Toya angesehen hatte und sich nun umdrehte. "Lass die Leute reden. Sie reden über jeden. Doch die ganz besonders Blöden reden über dich." rezitierte Kanae ud die Spur eines Lächelns deutete dich auf ihrem Gesicht an. "Kanae! Von dir hätte ich am allerwenigsten Trost erwartet." "Na ja, er wollte sich deinetwegen vom Tokyo Tower stürzen. reichlich kindisch, wenn du mich fragst, aber es hat gezeigt, wie viel du ihm bedeutest und ich, na ja, saß zu Hause und hab geheult." Sie lächelte traurig, dann packte sie plötzlich Takes freien rechten Arm und grinste breit. "Aber das heißt nicht, dass ich schon aufgebe! Und da du mir noch ein Frühstück schuldest, lade ich mich hiermit ein." Take hatte kaum eine andere Wahl, aber im Grunde war er froh und gefrühstückt hatte er auch noch nicht. "Worauf warten wir noch?" "Und voll Großmut schlage ich vor deinen Freund mit einzubeziehen und in eurem Hotel zu frühstücken." sagte Kanae fröhlich. Es war ihr schon immer schwer gefallen Take böse zu sein. Toya blickte sie überrascht an. Wie war das bitte? Hatte sie vor ein paar Tagen bei seinem Anruf nicht total eifersüchtig reagiert? Und jetzt? Verwirrt blickte er sie an, bis er bemerkte, dass sie ihn anstarrte. "Was ist?" fragte er vorsichtig, wollte er sie doch nicht reizen. Er kannte die Krallen, die sie ausfahren konnte. "Bist du einverstanden mit dem Vorschlag? Kommst du mit?" Mit einem alles durchleuchtenden Blick musterte sie ihn, bevor sie kurz die Augen schloss, sich wieder an Take klettete und ihn in Richtung Ausgang zog. "Kommt. Lasst uns gehen. Ich hab Hunger!" Toya blickte den beiden kurz nach, bevor er schnell aufholte und sich an Takes zweite Seite begab. Er sagte nichts mehr, überließ seinen Gedanken die Oberhand. Mamoru... Jetzt würden sie also zu ihm fahren. In ihm keimte der Gedanke, dass es nun vielleicht doch an der zeit war, den alten Streit zu begraben und Frieden zu schließen. Es war eh kindisch, wie er sich Mamoru gegenüber verhalten hatte. Er hatte ihn geärgert, beschimpft, ignoriert... Und das, obwohl er immer noch sein Bruder war. Und obwohl er der Ältere war und auf den Jüngeren Acht geben müsste. Leise grinste er in sich hinein, dachte an seine Kindheit zurück. Er war acht gewesen als seine Mutter eines Tages nach Hause gekommen war und seinem Vater gesagt hatte, dass sie wieder schwanger war. Das war das erste Mal, dass sich die beiden in Anwesenheit Toyas gestritten hatten. Und er hatte das nie vergessen. Seine Mutter hatte gleich, nachdem sie wusste, dass sie noch ein Kind bekommen würde, zu seinem Vater gesagt, dass sie ihn nach der Geburt verlassen würde. Im Endeffekt hatte sie es noch ein paar Jahre länger ausgehalten, aber sie war gegangen. Und das war auch der Grund, warum er Mamoru so hasste. Seine bloße Anwesenheit hatte die ganze Familie zerstört... Aber nun war er soweit, seinem kleinen Bruder zu verzeihen... wenn dieser denn wollte! Kanae hatte leicht errötend Takes Angebot hinter ihm mitzufahren abgelehnt und brauste nun mit wehendem Haar neben Toya in seinem Wagen. Take fühlte sich merkwürdig, leicht und losgelöst, es war ein schönes, leicht melancholisches Gefühl. Beim Hotel angekommen sagte er seiner Ex-Freundin und seinem Freund, er gehe nur schnell Mamoru holen. Die beiden setzten sich derweil ins hotel-interne Café und bestellten uni-sono einen Kaffee für den Anfang. "Du hast es echt verbockt, weißt du?" Toya lehnte sich lässig zurück. "Erst stürmst du wie eine Furie aus China zurück und dann lässt du ihn dir doch wegschnappen." Sie warf ihm einen kalten Blick zu: "Take liebt ihn mehr als mich, was sollte ich da noch groß tun? Er war nie der Typ, der sich für andere interessiert hätte während er in festen Händen ist und wenn er es jetzt tut, dann ist es auch ernst." Sie sah zu Boden und seufzte. "Ich wollte es nicht wahrhaben, aber ich habe schon damit gerechnet als du mich mitten in der Nacht angerufen hast und mir sagtest, Take küsst einen Kerl." "Du gibst also doch auf? Naja, hast ihn ja auch weglaufen lassen. Weißt du, wen er vorgestern Nacht um Rat gefragt hat? Mich. Damit stand es patt zwischen euch. Ich hab dir geholfen und dem Knirps und er hat sich halt geschickter angestellt." Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen: "Apropos. Diese 'Hilfestellung' - was wolltest du damit eigentlich bezwecken?" "Nichts. Take ist schließlich mein Freund und ich wollte ihn vor Unheil bewahren." sagte Toya scheinheilig. Kanae beobachtete ihn genau und fragte plötzlich: "Du kennst ihn nicht zufällig, diesen Mamoru, oder?" Doch Toya blieb die Antwort erspart, da sie in diesem Augenblick Besuch bekamen. Mamoru saß immer noch auf dem Bett, schob sich gerade das letzte Stück seines Brötchens in den Mund und spülte es mit einem Schluck Kaffee herunter. Er fühlte sich pappsatt. Bis zum Nachmittag würde er keinen Bissen mehr herunter bekommen. Gerade wollte er die Augen schließen, hatte er sich doch schon auf das bett zurücksinken lassen. Da klopfte es und Mamoru saß wieder kerzengerade. Wer Konnte das denn sein? Bevor er weiter über die Frage hatte nachdenken können, hörte man Geräusche und die Tür fiel klangvoll ins Schloss. Mamorus beschleunigter Herzschlag beruhigte sich augenblicklich, als er Take in der Tür sah. Es zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht und seine Stimmung kletterte ein paar Grade nach oben. /Verdammt! Warum musste er denn gerade so unanständig sexy aussehen, wie er da auf dem Bett saß?/ Take verscheuchte den Gedanken mit einem breiten Grinsen, obwohl sein Herzschlag beschleunigte. "Tada ima. Mein Kurs ist aus und der andere fällt aus." log er, bevor Mamoru fragen konnte. "Ich hab noch nicht gefrühstückt - im Gegensatz zu dir." Und sein Blick schweifte über die Reste Mamorus ausgiebigen Frühstücks. 2Und da ich Kanae versprochen hatte sie zum Essen auszuführen, wenn sie wieder da ist... also, ähm, ist das okay, wenn, also ... Ich hab sie und 'nen Freund aus der Uni hergebracht zum Brunchen und wollt dich fragen, ob du nichts dagegen hast..." Er schlug die Augen mit Dackelblick auf. Take war nervös, ob Mamoru nicht vielleicht sauer werden würde, dass er sich schon wieder mit seiner Ex-Freundin traf. Kanae? Sie war hier? Der Rest, den Take gesagt hatte, rauschte einfach an Mamoru vorbei. Dieser andere 'Uni-Freund' war Mamoru egal. Aber Kanae bedeutete Gefahr... Langsam stand Mamoru vom Bett auf und lief zu Take, krallte seine Hände in dessen Shirt. "Warum... warum hast du sie hergebracht...?" Kurze Stille. Dann spürte er einen Arm um seine Hüfte, wurde langsam durch die Tür geschoben. Take hatte sich entschieden, dass Mamorus entsetztes Gesicht und seine Reaktion dagegen sprachen ihm die Entscheidung zu überlassen. Er würde ihn jetzt runter bringen und ihn wenn nötig mit (sanfter) Gewalt dazu zwingen einzusehen, dass Take seine frühere Geliebte als 'Freundin' behalten wollte und deswegen dem egoistischen Wunsch fröhnte, sie beide versöhnt zu sehen. Aber um das 'nur Freunde' bei Mamoru zu verankern wollte er auf Nummer sicher gehen. Deswegen legte er nun beide Hände um seinen Geliebten und sah ihm fest in die Augen. "Ich lieb nur dich, dass das klar ist. Kanae ist meine Freundin, aber lieben tu ich nur dich." Und damit beugte er sich leicht nach vorn und küsste Mamoru. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte er daran, die beiden unten sitzen zu lassen und mit Mamoru... Aber er schob den Gedanken (und Mamoru) zur Seite. "Ich hab Hunger und ich will beim Essen nicht auf deine Gesellschaft verzichten." Mit entschlossener Miene bugsierte er Mamoru durch die Tür, in den Lift und schließlich zu seinen Freunden an den Tisch. "So, da sind wir." Als Takes Lippen die seinen berührten war sein ganzer Zweifel verflogen. Pure Liebe floss durch seinen Körper. Mit wackligen Beinen ließ er sich in den Fahrstuhl führen. Sein Herz begann langsam wieder schneller zu schlagen, als sich die Türen wieder öffneten. Gemächlich folgte er Take nach draußen, seinen Blick immer auf seinen Freund gerichtet. Als dieser dann plötzlich anhielt prallte Mamoru leicht gegen ihn und sah sich dann um, entdeckte Kanae und ... Toya. Was machte der denn jetzt auch hier? Mit geweiteten Augen blickte er zu dem Älteren, dieser bemerkte ihn allerdings schneller: "Hallo Knirps. Lange nicht gesehen..." Still blickte Mamoru weiter zu seinem Bruder, brachte keine Wort über die Lippen. ____________________________________________________________________ Und, wie hat euch das Kapitel gefallen? ^-^ Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- "Habt ihr mir was mitbestellt?" "Klar, Scha- ... Take." Kanae verschwand hinter der Speisekarte und Take begnügte sich damit, sich neben Toya und damit weit von Kanae weg zu setzen. "Willst du auch noch was?" Er drehte sich zu Mamoru um, der hinter ihm stehen geblieben war. Keine Antwort. "Mamoru?" Langsam begann Mamoru sich wieder zu regen, hob eine Hand und stützte sich auf der Rückenlehne von Takes Stuhl ab, bevor er es schaffte sich auf den seinigen zu setzen. Dann mischte sich wieder Toya in das Geschehen. "Also ehrlich. Du siehst aus, als wärst du gerade einem Geist begegnet. Ja, ich weiß, dass wir uns schon seit über zehn Jahren nicht mehr richtig gesehen haben." Ohne Punkt und Komma ging es weiter. "Aber unser erstes Wiedersehen war ja schon beim Karaoke. Also müsstest du jetzt langsam den ersten Schock verdaut haben, oder?" Erwartungsvoll sah Toya Mamoru an. Dieser starrte nur zurück und senkte dann den Kopf. "Sorry, aber..." Die Worte verschnürten ihm die Kehle. "...du hasst mich schließlich..." Toya durchbohrte ihn mit einem Blick, bevor er mit den Schultern zuckte. "Ja, das tu ich. Oder sagen wir, das hab ich bisher getan. Ich finde es kindisch, dich nach zehn Jahren des Streits immer noch zu hassen, also dachte ich, dass wir das Kriegsbeil ja begraben könnten." Erwartungsvoll blickte er den Jungen an. Dieser blickte ungläubig zurück. Wie war das? Toya wollte ihm hier einfach so verzeihen? Ein leises Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Älteren. "Du bist wirklich groß geworden... Wie geht's dir? Und was macht Papa?" Ein Zittern durchlief Mamorus Körper, sein Blick senkte sich auf den Teller vor sich. "Ich bin... von zu Hause weggegangen, weil... Papa hatte einen Autounfall... und... und..." Mamoru brachte die letzten Worte nicht über die Lippen, konnte es Toya nicht sagen, wäre er doch sicher sauer auf ihn. Doch dieser schien genau zu wissen, was sein kleiner Bruder meinte. Der Löffel, den er in der Hand gehalten hatte, fiel klirrend auf seinen Teller. Eine beängstigende Ruhe senkte sich über den Tisch. Dann: "Sag mir, dass das nicht wahr ist. Sag mir nicht, dass er gestorben ist, bevor ich ihn noch mal sehen konnte." Ein Nicken. Mamorus Rücken begann zu vibrieren, seine Augenwinkel wurden feucht. Nein, er durfte jetzt nicht weinen, nicht hier. Toya schien genau diesen Zwist seines kleinen Bruders zu merken. Wahrscheinlich hatte es diesen hart getroffen. Mitleidig blickte er ihn an. Hatte er sich nicht gerade geschworen, dass er ein besserer Bruder sein würde? Wollte er dem Kleinen nicht verzeihen? Mit einem Knarren des Stuhls stand er auf, lief auf die andere Seite zu Mamoru. Es überkam ihn einfach, er wusste nicht warum. Leicht legte er dem Kleineren einen Arm auf die Schulter, legte den anderen auf dessen Kopf. "Hey, schon gut. Entschuldige..." Nun überließ Mamoru sich ganz seinen Gefühlen. Die Tränen, die er versucht hatte zurückzuhalten brachen aus ihm heraus. Wie ein Ertrinkender klammerte er sich an Toyas Arm, während dieser ihm sanft über den Kopf strich. Take bekam den Mund nicht mehr zu. /Wie jetzt, Mamoru und Toya kennen sich nicht nur, sondern scheinen auch noch Brüder zu sein?/ "Ähm, also hab ich das grad richtig verstanden? Ihr seid Brüder und hasst euch - nicht? Oder doch?" Er blickte irritiert von seinem weinenden Freund zu seinem ebenfalls den Tränen nahe stehenden anderen Freund. /Kein Wunder, dass mir Mamoru irgendwie bekannt vorkam, als wir uns das erste Mal begegnet sind./ Take suchte leicht ratlos Kanaes Blick, doch diese beobachtete die Szene (wie einige andere Gäste) mit harten, brennenden Augen. Ihr war ein Licht aufgegangen. Kanae wusste jetzt ziemlich genau, warum Toya sie in Tokyo hatte haben wollen. Und sie konnte auch als Einzige Toyas plötzlichen Stimmungswandel nachvollziehen. Sie hatte ihn ihrer Meinung nach ganz gut durchschaut: er mochte Takes Aufmerksamkeit und profitierte von ihm. Als sein verhasster Bruder auftauchte, versuchte er ihn loszuwerden indem er sie benutzte um ihn zu verscheuchen. Und als das offensichtlich fehlgeschlagen war, hatte er die Taktik geändert und beschlossen, dass, wenn er Take nur mit Mamoru bekam, er sich lieber mit ihm gut stellen wollte. Take hatte offensichtlich nichts geblickt, da er sie mit verwirrten Blicken bombardierte. Toya blickte von Mamoru zu Take. "Ja, du hast recht. Mo-chan ist mein jüngerer Bruder..." damit hielt Toya dieses Thema erstmal für abgeschlossen. Nachdem er Mamoru noch einmal über den Kopf gestrichen hatte, begab er sich wieder zu seinem Platz und setzte sich. "Was ist mit dem essen?" fragend blickte er durch den Raum. "Wann kommt hier endlich was? Ich hab Hunger..." sachte presste er sich eine Hand auf den Bauch, der gerade begonnen hatte zu knurren. Noch ehe er allerdings weiter ans Essen denken konnte, wurde die Ruhe in dem Café gestört. Urplötzlich wurde es laut, viele Stimmen sprachen durcheinander. Fragend blickte Toya sich um. "Was ist denn hier los?" er fragte mehr sich selbst, als irgendjemand der anderen. Er warf einen Blick in Richtung des Lärms und erstarrte dann. Was war denn das? Stimmte das wirklich? Vor ihrem Tisch, am Eingang des Saales stand eine Horde Journalisten und belagerte Angestellte des Hotels. Toya zählte eins und eins zusammen und sprang auf, sodass sein Stuhl scheppernd zu Boden fiel. Schnell war er auf der anderen Seite bei Take und Mamoru. "Leute, wir haben da ein kleines Problem. Hinter mir steht gerade eine Horde Fotografen, die ganz scharf auf euch ist. Sie werden wohl irgendwie rausbekommen haben, dass ihr hier wohnt.“ Toyas Stimme wurde lauter, da auch die allgemeine Lautstärke im Raum gestiegen war. „Ihr müsst beide so schnell wie möglich hier weg. Sie dürfen euch nicht sehen...“ Unsicher blickte er sich um, versuchte einen sicheren Weg zu finden, mit dem sie den Raum verlassen konnten. Take bekam gerade Kopfschmerzen und zwar solche, der wirklich schmerzhaften Sorte. Toya und Mamoru waren verwandt, Kanae schien das gewusst zu haben und zu allem Überfluss wurde ihm nun die volle Breitseite der Tokyo-Tower-Geschichte bewusst. Aber jetzt war wohl keine Zeit dafür. Take lehnte sich zurück und linste an Toya vorbei; was er sah, gefiel ihm nicht: eine kleine Scharr Leute mit Kameras, Rekordern und Klemmbrettern befragte die Dame an der Theke. Mit einem Hauch von Erleichterung erkannte er, dass heute ausgerechnet jene Frau Schicht hatte, die ihm bei ihrem ersten Hotelbesuch so gar nicht hilfreich erschienen war. Tatsächlich blätterte sie in einem Magazin und blickte nur ab und zu auf, um ein Statement über die Privatsphäre von Gästen abzugeben. Doch in diesem Moment blickte eine junge Frau mit orange gebleichten Haaren aus dem Pulk in ihre Richtung und entdeckte Takes Kopf. „Da rüber!“ brüllte sie und führte die nun begeisterte Menge an, als sie durch das Café auf ihren Tisch zustürmte. „Oh mein...“ Take sprang ebenso geräuschvoll auf, wie Toya kurz vorher. „Los, lauft!“ und damit waren Take, Toya und Mamoru, der von beiden angetrieben wurde, auf der Flucht. Kanae war ruhig sitzen geblieben. Sie trank ihren Kaffee und ignorierte die Fragen der heraneilenden Reporter nach „ihrer Beziehung zu den beiden“. Sie würde sich hüten, aus dem Nähkästchen zu plaudern, aber auch sie war nur ein Mensch. Take hatte sie betrogen und verlassen und damit tief verletzt – sie gönnte es ihm Ärger zu haben und sich selbst, ihre Rache zu haben. Schließlich war sie es gewesen, die den anonymen Tipp über das Hotel gegeben hatte. Und sie hatte einfach nicht widerstehen können, dem Schauspiel selbst beizuwohnen... Toya hatte Mamorus Hand ergriffen und ihn so auf die Beine gezogen. Zwischen den beiden Älteren versteckt, lief er auf die gegenüberliegende Seite des Cafés zu. Hektisch blickte Toya sich um und suchte einen Fluchtweg. Ein schnelles Grinsen huschte über sein Gesicht, dann drehte er sich nach links und hatte mit zwei schnellen Schritten das nächstgelegene Fenster erreicht. Mamoru, der nur mitgezogen worden war, blickte seinen Bruder ängstlich an. „Was hast du vor?“ Mehr als ein Krächzen brachte er nicht über die Lippen. Toya lächelte ihn aufmunternd an und öffnete dabei das Fenster. „Keine Bange, du schaffst das schon.“ Und eh Mamoru noch etwas sagen konnte, spürte er Toyas Hände an seiner Hüfte, wurde dann von ihm nach oben gehoben und auf die Kannte des Rahmens gesetzt. Ängstlich klammerte sich Mamoru an Toyas Händen fest, als er den Rasen unter sich erblickte. „Hey! Keine Angst. Spring einfach! Wir kommen gleich nach!“ Ein letzter Blick auf Toya und Take und schon sprang der Braunhaarige vom Fensterbrett ab und landete keine Sekunde später auf dem feuchten Rasen. Take hatte mit einem Blick über die Schulter entsetzt festgestellt, die Reporter sie nicht nur entdeckt sondern auch beinahe eingeholt hatten, allen voran der Karottenkopf. Er drehte sich wieder zu Toya und zischte ihm ein „Beeil dich!“ zu. Jetzt war Toya draußen, Take kletterte auf die Fensterbank und wurde rigoros von einem bulligen Reporter mit Stiernacken heruntergezerrt. „Nicht so schnell, Mister, wir haben da ein paar Fragen...“ Take sah sich umringt von Kameras, Mikrofonen und fragenden, aufdringlichen Menschen; sein Fluchtweg war abgeschnitten, denn der Stiernacken hatte sich davor aufgebaut. Takes Kopfschmerzen pochten hart und er fühlte sich in die Enge getrieben. In diesem Moment spürte er, wie jemand sein Handgelenk fasste – er wollte sich losreißen und bemerkte zu seinem Erstaunen, dass ihn ein Hotelangestellter festhielt. Er erinnerte sich dunkel an diesen Typen. Bei ihm hatten sie eingecheckt. Benyo oder so hieß er. Take tauschte einen Blick mit ihm und wurde dann von dem anderen aus der Traube gezogen. Verschiedene Hotelangestellte begannen die Reporter rauszukomplementieren, während Benyo ihn schnell durch das Cafe und durch eine „Personal“-Tür bugsierte. Take hörte mit Erleichterung die Tür hinter ihnen ins Schloss fallen und folgte dem jungen Mann durch den Raum, der sich als Großküche herausstellte. Er musste Slalom laufen, um den Leuten mit Tellern und Zutaten aus dem Weg zu gehen. „Ähm, Benyo-san, wohin bringen sie mich?“ Der so angesprochene drehte leicht den Kopf, antwortete aber nicht. Sie passierten eine weitere Tür und standen in einem engen, leeren Gang. Benyo blieb stehen und drehte sich zu ihm um. „Also, du hast mir gleich gefallen, als du eingecheckt hast. Ich hab sofort gesehen, dass du ein Bruder bist.“ Er grinste anzüglich. „Du bist genau mein Typ. Wie wär´s, wollen wir nicht ne schnelle Nummer schieben? Hier rein kommt fast nie jemand.“ Mamoru hörte ein dumpfes Geräusch und sah dann Toya sich neben ihm erheben. Kurz lächelte er ihm zu und blickte wieder hoch zum Fenster. Jetzt fehlte nur noch Take. Mit einem unguten Kribbeln in der Magengegend starrte er zu dem Fenster empor und drehte sich besorgt zu Toya. „Was ist mit ihm? Wo bleibt er?“ Leise Angst schwang in seinen Worten mit. Toya starrte wie hypnotisiert auf das Fenster und als sich seine Augen weiteten, dauerte es nur noch eine Sekunde, bis der junge Mann auch den Mund öffnete. „Ich will dir ja nicht zu Nahe treten, aber das ist momentan unser kleinstes Problem.“ Seine Finger zeigte zum Fenster und als Mamoru ihm folgte, sah er einige der Reporter ebenfalls aus dem Fenster klettern. „Schnell! Weg hier!“ Toya schnappte sich die Hand seines Bruders und begann zu rennen, zog den Jüngeren dabei mit. Völlig überrumpelt besah sich Mamoru seine Hand, die grob von Toya gezogen wurde. „Aber was ist mit Take? Wie können nicht ohne ihn gehen!“ Toya blickte nicht zurück, sondern rannte einfach weiter, immer weiter weg vom Hotel. „Oh doch, das können wir! Der wird erst mal auf sich selbst aufpassen müssen. Wir werden ihn irgendwann schon wieder finden.“ Und schon lief er mit Mamoru an der Hand in die U-Bahn, so dass sie in seine Wohnung fahren konnten. Take blickte nach rechts und links und vergewisserte sich, dass die Reporter nicht vor der Tür auf ihn warteten. Er kochte vor Wut. Am liebsten hätte er diesem Kerl eine reingehauen, aber er war nicht so für Gewalt und hatte es dann doch sein lassen. Er hatte nicht mal Worte für diese widerliche Anmache gefunden, hatte Benyo nur einen angewiderten Blick zugeworfen, ein „Nein danke.“ Ausgespuckt und war an ihm vorbeigerauscht. Nun, da er nach einer Odyssee durch verwinkelte Gänge auf die Straße gelangt war, machte er sich Gedanken über Mamoru. Wo war er nur abgeblieben? Hatten die Paparazzi ihn erwischt? Und wie zum Teufel hatten sie sie überhaupt gefunden? Take tippte Mamorus Nummer in sein Handy und wartete. /Bitte nimm ab./ Seufzend ließen sich die beiden jungen Männer auf einer Bank nieder. Sie hatten es geschafft, vor den Paparazzi zu flüchten und waren im letzten Moment, noch während sich die Türen schlossen, in den Zug gesprungen. Nach etwa fünf Minuten standen sie wieder auf und verließen die Bahn. Mamoru folgte seinem Bruder schweigend, seine Gedanken drehten sich nur um Take. Wie es ihm wohl ging? Was machte er gerade? Seufzend ließ er den Kopf hängen und ging dann durch die Tür, die Toya ihm aufhielt. Dieser bemerkte die Niedergeschlagenheit und blickte seinem kleinen Bruder mitleidig hinterher. „Mach dir keine Gedanken um ihn. Take ist stark. Er wird schon klar kommen. Aber wenn es trotzdem nicht geht, versuch ihn doch einfach anzurufen, hm?“ Kurz erhellte sich Mamorus Gesicht, versank aber genauso schnell wieder in Schatten. Take hatte ihn vorhin so schnell aus dem Zimmer gezerrt, dass er sein Handy gar nicht hatte mitnehmen können. „Ich hab mein Handy nicht dabei...“ Mamorus Flüstern erstarb. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Hallo allerseits^^ ein riesengroßes Sorry, dass es so lange keine neuen Kapitel gab^^ ich werde mir ganz doll mühe geben, wieder regelmäßiger eins hochzuladen^^ danke, dass ihr mir (und bloody_venus) so lange treu geblieben seid^^ Liebe Grüße und alle Knuddel Hime Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)