Das Tatsumi-Gen von DJ_Vierauge (*NEU* Rick & Phil-Special!) ================================================================================ Kapitel 9: BONUS-KAPITEL 4: If You're Going To San Francisco... (Teil 1 von 3) ------------------------------------------------------------------------------ (VORAB-ANMERKUNG: Da die erste Hälfte dieses Kapitels fertig ist, lade ich sie schon mal hoch. Ich habe jetzt soviel daran herumgefeilt, bin aber immer noch nicht hundertprozentig zufrieden, vor allem mit dem Schluss. Vielleicht überarbeite ich die eine oder andere Stelle später noch mal. Die 2. Kapitelhälfte folgt dann später… Sie ist „schon“ halb fertig. ^_^ Der Disclaimer gilt für beide Hälften.) Autor: DJ Vierauge Titel: „IF YOU’RE GOING TO SAN FRANCISCO…“ (Bonus-Story zu „Das Tatsumi-Gen“) Serie: Fanfiction zu den Serien „Verliebter Tyrann“ und „Küss mich, Student!“ von Hinako Takanaga Lime-Pairings: Morinaga x Soichi, Soichi x Morinaga, Phil x Rick sowie ein Überraschungspairing. Pairing ohne Lime: Kurokawa + Tomoe. Nur Andeutungen: Rick + Morinaga Genre/Warnungen: Shounen-ai/Yaoi, Lime, Humor, Drama, Romantik, OOC (Soichi), OC, etwas Bondage (total harmlos!), etwas Language (ein paar englische Wörter) Rating: ab 16 Jahren Disclaimer: Alle Personen sind das Eigentum von Hinako Takanaga, Ausnahmen sind Li-Li, der Flughafenbeamte, der Mann, die Standesbeamtin, Wang und Yashiro. Der Kapiteltitel ist die Textzeile eines Liedes, die Rechte daran gehör(t)en Scott McKenzie und/oder John Phillips (soweit ich weiß). Ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte. Anmerkungen: Die Äußerungen, die Professor Suzuki, Li-Li und Morinagas Mutter von sich geben, sowie Soichis zeitweiliges Anti-Amerika-Gerede (so redet er im Manga auch…) entsprechen nicht meinen eigenen Ansichten und werden auch nicht verherrlicht!! In den kursiv geschriebenen Sätzen wird Englisch gesprochen. INHALT: Kaum gelandet, ruft Morinaga bei Tomoe an, um das kleine Missverständnis, dass am Vortag entstanden ist, zu klären. Doch Tomoe scheint da etwas falsch zu verstehen… Etwas später legt sich Soichi (mal wieder) mit Professor Suzuki an und fällt eine folgenschwere Entscheidung. Dann spricht Morinaga mit seiner Mutter, und etwas Unfassbares kommt ans Tageslicht! Taschentücher bereithalten! T_T „Ja! Ich komme doch schon!“ Tomoe schlurfte gähnend über den Flur zum klingelnden Telefon. Gerade hatte er noch mit Kurokawa am Frühstückstisch gesessen. Obwohl, Frühstück war das falsche Wort. Es war schließlich schon Nachmittag. Aber die beiden waren erst gegen sechs Uhr morgens ins Bett gekommen und vor einer Viertelstunde wieder aufgestanden. „Hello?“, meldete sich Tomoe. „Hallo? Hier ist Morinaga“, kam es aus dem Hörer. Tomoes Gesicht hellte sich auf. „Oh, Morinaga! Seid ihr gut in Nagoya angekommen? Das ging aber schnell!“ „Äh, nein. Wir sind im… Moment, wie heißt das hier?“ Es folgte eine kurze Pause. „Im Hotel ‚Sunset Beach’ auf Oahu, Hawaii.“ „Hawaii?“ wiederholte Tomoe ungläubig. „Wieso das denn? Ich dachte, Soichi wollte unbedingt nach Japan zurück!“ „Ja, schon. Aber ihm ist auf dem Rückflug so schlecht geworden, dass wir es für besser hielten, nicht weiter zu fliegen. Nikotin-Überdosierung, weißt du…“ „Oh… und wie geht es ihm jetzt?“ „Na ja, er ist gewissermaßen ans Bett gefesselt.“ „Ach, spielt ihr mit den Handschellen, die ihr von Rick bekommen habt?“ ‚Spielen’, dachte Morinaga belustigt. ‚Tomoe ist wirklich noch ein Kind.’ Trotzdem, die Idee mit den Handschellen war nicht schlecht… „Nein“, sagte er. „So meinte ich das nicht. Er liegt im Bett, ruht sich aus und trinkt lauwarmen Tee. Ja… also… der Grund, weswegen ich anrufe…“ „Ja?“ Morinaga holte tief Luft. „Du darfst nicht glauben, dass wir das immer so machen wie gestern!!“ „Wie-wie bitte?“, fragte Tomoe erschrocken. Morinaga hatte ja fast geschrieen. „Du weißt doch, was wir im Bad gemacht haben, oder? Bevor ihr nachhause gekommen seid, meine ich.“ „Ja“, antwortete Tomoe vorsichtig. Kurokawa hatte sich neben ihn gestellt, und Tomoe hielt ihm den Hörer so hin, dass er das Gespräch mitbekommen konnte. „Normalerweise mache ich das nicht! Das war eine Ausnahme! Das kommt sonst nie vor!! Eigentlich… macht das nur Soichi.“ Tomoe schluckte. „Das?“ „Ja!“ „Wirklich? Das… macht mein Bruder?“ „Ja. Bitte sag das auch Kurokawa!“ Aus dem Hintergrund war Soichis Stimme zu hören. „Hör auf, mit Tomoe über so was zu reden! Leg endlich auf!“ „Leg du dich lieber wieder hin!“, rief Morinaga. „Sonst wird dir wieder übel.“ „Gib her!“, befahl Soichi. Jetzt hatte er den Hörer. „Tomoe?“ „Hallo Soichi!“, begrüßte Tomoe seinen großen Bruder. „Ist es echt wahr, dass du… das… machst?“ „Ja, und?! Ich kann selber entscheiden, was ich tue und was nicht!!“ „Aber… aber… dass du ausgerechnet… das… machst!“ Tomoe war es einfach zu peinlich, es auszusprechen. „Machst du das denn gerne?“ „Wa… was geht dich das an?!“ „Ich frag ja nur! Jetzt sag doch mal, machst du das gerne?“ „Wenn… wenn ich es… nicht gut finden würde, würde ich es wohl kaum machen, oder?! Reicht dir das als Antwort?!“ „Ja, ja, schon gut.“ „In Ordnung. Dann kann ich ja auflegen.“ „Halt, nicht!“, rief Tomoe. „Was ist denn noch?“ „Ich wollte dir erzählen, dass Rick und Phil wieder richtig zusammen sind. Rick war, glaube ich, total eifersüchtig, weil du Phil geküsst hast…“ „Ich habe Phil nicht geküsst! Er hat mich geküsst! Das ist ein ganz großer Unterschied!!“ „Und jetzt sind sie wieder ein Paar. Ist das nicht toll?“ „Ganz toll“, sagte Soichi, klang dabei aber alles andere als begeistert. Als ob ihn das Liebesleben dieser zwei Amerikaner interessieren würde! „Okay, das wär’s dann. Wenn es mir nachher gut geht, fliegen wir nach Japan zurück. Oder morgen. Ich ruf dich an, wenn wir da sind. Tschüß!“ Und ohne Tomoes Verabschiedung abzuwarten, knallte er den Hörer auf. Soichi, der wegen der Hitze im Hotelzimmer nur mit seiner Hose bekleidet war, legte sich zurück aufs Bett und sah zu Morinaga hinüber, der noch beim Telefon stand. „Und? Bist du jetzt glücklich? Ist dein Seelenfrieden wieder hergestellt? Ich sage dir, das war so was von kindisch von dir, da anzurufen.“ „Jedenfalls ist dieses Missverständnis jetzt geklärt.“ Morinaga setzte sich zu ihm. „Wie geht es dir? Ist dir noch schlecht?“ „Ist nicht mehr so schlimm.“ „Du, wollen wir nicht ein paar Tage länger hier bleiben? Wir haben sowieso noch die ganze nächste Woche frei. Es wäre doch schade, sofort wieder von hier zu verschwinden.“ „Nein, danke. Hawaii gehört zu Amerika, und du weißt, wie ich über Amerika denke.“ „Nur eine Woche, ja?“ Er umkreiste mit dem Zeigefinger Soichis Bauchnabel. „Komm, sei ein bisschen lieb…“ „Nein! Und hör auf, mich zu begrapschen! Du weißt, dass es mir nicht gut geht!“ „Gerade hast du noch gesagt, dass es dir besser geht. Also können wir auch…“ Morinagas Stimme klang ein wenig anders, und Soichi wusste genau, was das zu bedeuten hatte. „Denk nicht einmal daran! Ich habe mir vorhin das Hemd ausgezogen, weil mir heiß war und nicht, damit du auf komische Gedanken kommst! Runter vom Bett! Sofort!!“ Anscheinend hatte er die Worte mit dem richtigen Nachdruck ausgesprochen, denn Morinaga stand tatsächlich auf. „Von mir aus können wir gleich einmal kurz zum Strand gehen. Aber spätestens morgen um diese Uhrzeit sitze ich in einem Flugzeug nach Japan, darauf kannst du dich verlassen. He, was willst du da am Koffer?“ Soichi reckte sich vor, um zu sehen, was sein Verlobter aus dem Koffer genommen hatte. Als er es erkannte, setzte er sich auf. „Pack die auf der Stelle wieder ein!“ „Das sind wirklich ganz harmlose Dinger.“ Morinaga setzte sich erneut zu ihm und hielt ihm die mit schwarzem Plüschstoff bezogenen Handschellen hin. „Da ist ja nicht mal ein Schlüssel dran! Ich bin doch nicht so dumm und lass mich von dir fesseln, wenn du keinen Schlüssel dafür hast!“ „Also, erstens kann man einen damit gar nicht richtig fesseln. Die sind so schwach, da genügt ein kleiner Ruck, und die Kette ist durchgerissen. Und zweitens brauchen wir gar keinen Schlüssel. Guck, da sind zwei Verschlüsse zum zuklappen. Die kannst du ohne Probleme selber aufmachen. Komm, probier es mal aus.“ Und ohne, dass Soichi etwas erwidern konnte, legte ihm Morinaga die eine Seite der Handschellen um das linke Handgelenk und ließ den Verschluss einrasten. „Hey! Ich hab dir das nicht erlaubt!“ Schnell befreite er sich von den Handschellen und warf sie gegen Morinagas Brust. „Siehst du, es ist ganz einfach.“ Er drückte ihn zurück auf die Matratze und machte sich daran, Soichi, der ja schon halb nackt war, komplett auszuziehen. „Sag mal, wenn Kurokawa gestern nicht hereingekommen wäre, hättest du es dann durchgezogen? Ich glaube, insgeheim bist du froh, dass er uns gestört hat.“ „Unsinn!“ „Na, dann kannst du es jetzt ja noch mal richtig machen.“ Soichi lief rot an. „Nein! Das ist einfach nur widerlich!“ „Ich finde es nicht widerlich. Und du hast ja auch nichts dagegen, wenn ich es mache. Im Gegenteil. Du liebst es.“ Morinaga ließ die Hose neben das Bett fallen und rückte ein Stück weiter in Richtung Bettende. „Soll ich?“, hauchte er. „Mach, was du willst“, brummte Soichi, der zu stur war, um zuzugeben, dass er sich genau das in diesem Moment wünschte. „Oh, was ich will?“ Morinaga hob die Handschellen vom Bett auf. „Das ist ein Angebot.“ Wie zuvor schloss er das eine Ende um das linke Handgelenk. Dann drückte er Soichis Hände am Kopfende zusammen, zog die Kette durch das metallene Bettgestell und ließ den zweiten Verschluss zuklappen. Das alles war so schnell gegangen, dass Soichi gar nicht wusste, wie ihm geschah. Und insgeheim fragte er sich, warum er sich nicht dagegen wehrte. Eine Erinnerung keimte in ihm auf. Denn schon einmal hatte ihn jemand mit Handschellen gefesselt: Diese fürchterliche Mutter von dem ebenso fürchterlichen Kurokawa. Das waren damals aber richtige Handschellen gewesen. Langsam begann Morinaga nun, ihn zu küssen. Erst auf den Mund, dann den Hals hinunter und über seine Brust. Ah, was für herrliche, große, rosa Brustwarzen er hatte… „Du bist so wunderschön“, flüsterte er kaum hörbar. Seine Küsse waren jetzt auf seinem Bauch. Er sah kurz nach vorne. Soichi hatte die Augen geschlossen und hielt sich mit beiden Händen am Bettgestell fest. Mit der Zungenspitze umkreiste er den Bauchnabel, so, wie kurz zuvor mit dem Finger, denn auch dort war Soichi unglaublich empfindlich. Die Kreise wurden kleiner, immer kleiner, bis er schließlich die Mitte erreicht hatte… Ja, das fühlte sich schön an, Soichis Finger in seinen Haaren. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Morinaga klar wurde, dass das bedeutete, dass er sich aus den Handschellen befreit haben musste. Für einen Augenblick unterbrach er sich in seinen Bewegungen. „Mach weiter“, sagte Soichi schwach und drückte Morinagas Kopf weiter in die gewünschte Richtung. Er hatte gerade begonnen, als Soichi ihn auf einmal fragte: „Hast du das bei Masaki auch gemacht?“ Wieder stoppte Morinaga. „Warum fragst du das jetzt?“ Er sah Soichi an, der ihm nicht antwortete. Dann nickte er. „Ja, ich habe es oft bei ihm gemacht. Und wenn du es schon so genau wissen willst, ich habe es auch bei einigen anderen Männern gemacht, mit denen ich kurz zusammen war. Und die haben es auch bei mir gemacht.“ „Hat er es bei dir gemacht?“ „Masaki? Nein. Nicht ein einziges Mal. Sei jetzt ruhig und lass mich weitermachen. Bleib einfach liegen… und genieße…“ Soichi kam der Aufforderung nach. Ganz entspannt lag er da und überließ sich vollkommen Morinaga. Mit den Fingern kam er gegen die Handschellen. Dumpf fielen sie zu Boden. Durch das gekippte Fenster waren aus weiter Entfernung Möwen zu hören, Menschen lachten draußen auf der nahen Hotelterrasse, und der sanfte Wind ließ die Palmenblätter vor ihrem Zimmer leise rascheln. All das schien plötzlich zu verstummen, als Soichi einen lauten Aufschrei ausstieß, bei dem sogar Morinaga erschrocken zusammenzuckte. „Ja, ich bin gut. Danke für das lautstarke Kompliment“, sagte er gönnerhaft, ließ Soichi einen Augenblick verschnaufen und drückte dann entschlossen dessen Beine auseinander. „Was soll das? Ich will nicht!“, beschwerte er sich sogleich. Als Morinaga nicht von ihm abließ, wurde er deutlicher. „Hör sofort auf!! Ich will nicht!!“ „Das sagst du immer. Und dann willst du doch.“ „Nein!! Wenn ich sage, ich will nicht, dann will ich auch nicht!!“ Und mit einem überraschend kräftigen Fußtritt stieß er ihn von sich und sprang aus dem Bett. „Ich gehe jetzt an den Strand. Ich brauche frische Luft. Oder, nein. Zuerst dusche ich.“ Er nahm seine Sachen vom Boden und ging ins Bad. „Und ich?“, rief Morinaga ihm hinterher. „Du kannst mit zum Strand kommen.“ „Das meine ich nicht! Du kannst dich mir jetzt nicht einfach verweigern! Das ist gemein!“ „Verweigern? Ich höre wohl nicht recht! Du tust ja so, als hätte ich irgendeine Verpflichtung dir gegenüber! Also, wenn du unbedingt willst, dann…“ Der Anflug eines Lächelns huschte über Morinagas Gesicht. „Ja?“ „Dann mach das alleine.“ Soichi schloss die Badezimmertür hinter sich. Morinaga ließ sich enttäuscht auf das Bett fallen. Er hörte, wie die Dusche angestellt wurde und überlegte, was er jetzt tun sollte. Dass er Soichi wieder freiwillig ins Bett kriegen würde – das konnte er vergessen! Und einfach zu ihm unter die Dusche gehen, so wie gestern? Keine Chance. Soichi hatte den Schlüssel in der Tür umgedreht. Ja, gestern… Er hatte ihn unter der Dusche nach allen Regeln der Kunst verführen wollen. Doch dann war alles anders gekommen, und Soichi hatte zum zweiten Mal die Kontrolle übernommen. Sicher, es war ganz schön gewesen. Irgendwie mochte er es tatsächlich. Aber ihm gefiel nicht, dass Soichi in diesen Situationen mehr und mehr seinen Willen ihm gegenüber durchsetzte. Er hatte kein Problem damit, wenn er von ihm im alltäglichen Leben herumkommandiert wurde. Das war soweit in Ordnung. Dass er jedoch in letzter Zeit vermehrt auch im Bett das Sagen haben wollte, das ging zu weit! Alleine sollte er es machen, hatte Soichi gesagt. Nein, diesmal würde er sich nicht seinem Willen fügen. Wenn er es alleine machte, dann, weil er selbst es wollte und nicht, weil es ihm befohlen wurde. Also stand er seufzend auf. Im Schneckentempo machte er sich daran, die Sachen für den Strand zusammenzusuchen. Wenn er Glück hatte, würde Soichi vielleicht später am Abend etwas weniger ablehnend sein. Er wickelte gerade eine Flasche Sonnencreme, zwei Badehosen und Handtücher in ein weiteres großes Handtuch, als Soichi fertig angezogen aus dem Bad kam. „Ah, gut, du hast schon alles eingepackt. Gehen wir.“ Der Weg zum Strand war länger, als sie gedacht hatten. Es dauerte ganze zwanzig Minuten, bis sie ihn zu Fuß erreichten. Morinaga fragte sich, warum ihr Hotel das Wort „Beach“ im Namen hatte, obwohl es doch so weit weg vom Strand lag. Nachdem sie sich in einer Umkleidekabine umgezogen hatten, breiteten sie im Schatten einer Palmengruppe das große Handtuch aus. Sie setzten sich, und Soichi hielt Morinaga die Flasche mit der Sonnencreme hin. „Crem mir den Rücken ein. Ich komm da schlecht ran.“ „Vielleicht solltest du dir erst die Haare hochstecken. Sonst sind die gleich voller Sonnencreme.“ „Hochstecken? Wie denn?“ „Warte…“ Morinaga löste den Zopf auf, wickelte die Haare, die noch leicht feucht vom duschen waren, oben auf Soichis Kopf wieder zusammen und band sie mit dem Haargummi fest. „Ja. Das müsste gehen.“ „Sehe ich auch nicht albern aus so?“ „Nein, du siehst sehr gut aus. Ein bisschen wie ein Sumoringer.“ „Wie meinst du das?“ „Das bezog sich nur auf die Frisur! Halt jetzt still, damit ich dich ordentlich eincremen kann.“ Während Morinaga die Sonnencreme auf Soichis Rücken verteilte, unterhielten sich zwei Leute, ein Mann und eine Frau, ganz in ihrer Nähe. „Was für ein herrliches Wetter“, sagte der Mann. „Und da heißt es immer, der hawaiianische Winter sei ein einziger großer Regenschauer.“ „Eine ganze Woche Sonne, Strand und Meer!“, jubelte die Frau. „Wundervoll!“ „Und nur wir beide, Li-Li“, fügte der Mann hinzu. „Nur du und ich.“ „Zu schade, dass ich hier nicht den schicken Zobel tragen kann, den du mir zu Weihnachten geschenkt hast. Aber für einen Pelzmantel ist es einfach zu warm.“ Der Mann lachte. „Tja, man kann nicht alles haben, Liebste.“ Soichi sah hinter sich. Diese Stimme kannte er doch? „Ach nee. Professor Suzuki.“ Der Angesprochene drehte sich erschrocken um. „Tatsumi! Das darf ja wohl nicht wahr sein! Und Morinaga auch! Was um alles in der Welt machen Sie denn hier?“ „Dasselbe könnte ich Sie fragen.“ Soichi warf einen Blick auf die Frau im knappen Bikini, die neben dem Professor stand. „Wer ist das denn? Das ist doch nicht Ihre Frau?“ „Meine… Sekretärin“, stellte er sie nach kurzem Zögern vor. „Hi!“, rief diese und strahlte die beiden Männer mit ihren gebleichten Zähnen an, die von zwei aufgespritzten und knallrot geschminkten Lippen umrundet waren. Ihre Augen waren unnatürlich groß, was durch ihre operativ verkleinerte Nase noch zusätzlich betont wurde. „Tatsumi?“, wiederholte sie den Namen. Ihre hohe Stimme erinnerte Soichi an das Meckern einer aufgeregten Ziege. „Ach, dann sind Sie der kleine Schwule, vom dem Su-Su erzählt hat!“ Sie beugte sich zu dem schockierten Soichi hinunter und kniff ihn in die Wange wie eine Großmutter, die ihrem Enkel erzählt, wie groß er doch schon wieder geworden sei. Dabei kam sie ihm mit ihren riesigen Brüsten, die offensichtlich den einen oder anderen chirurgischen Eingriff hinter sich hatten, unangenehm nahe, und ihre langen rotblond gefärbten Haarsträhnen streiften fast sein Gesicht. „Sie sehen gar nicht so gefährlich aus. Und Su-Su hat so böse Sachen über Sie erzählt! Und was für eine süße Frisur Sie sich gemacht haben! Das ist ja niedlich! Wissen Sie, ich mag Schwule! Die sind alle immer so freundlich und höflich! Und mit denen kann man so schön über alles reden, was uns Frauen interessiert, nicht wahr? Na, Schwule denken ja auch genau wie Frauen, weil sie so feminin und friedlich und sensibel sind.“ Morinaga sah mit Entsetzen, wie Soichi angefangen hatte zu beben. Noch zwei, maximal drei Sätze dieser Art und er würde explodieren! „Ein Freund von mir ist auch schwul“, setzte sie nach. „Ich sag immer, er ist wie meine beste Freundin.“ Sie lachte meckernd auf. „Tja, ich komme mit Schwulen einfach viel besser klar, als mit richtigen Männern!“ Das war er gewesen, der entscheidende Satz. Soichi wollte aufspringen, aber Morinaga, der das vorausgesehen hatte, hatte sich blitzartig auf ihn geworfen und drückte ihn in den heißen Sand. „Hör mal, Li-Li.“ Der Professor schob seine angebliche Sekretärin ein Stück zur Seite. „Dort vorne gibt es ein hübsches Café. Geh bitte schon mal vor und such uns einen Tisch aus, ja?“ Sie presste ihm ihre schlauchbootartigen Lippen auf den Mund und sagte: „Klar mach ich das, Su-Su. Bis gleich!“ Endlich war sie verschwunden. Morinaga ließ von Soichi ab. „Was denkt die sich dabei, so mit mir zu reden?!“ Soichi funkelte seinen Vorgesetzten an. „Ihre Sekretärin, was? Weiß Ihre Frau eigentlich davon?“ Suzuki trat auf Soichi zu. „Tun Sie nicht so, als ob Sie in einer Position wären, in der Sie mir Vorhaltungen über mein Privatleben machen dürften! Sie… Sie mit Ihren gleichgeschlechtlichen Aktivitäten! Von Ihnen lasse ich mir doch keine Vorträge über Sitte und Anstand halten!“ Sein Gesicht war jetzt glühend rot, sodass der Lippenstiftabdruck auf seinem Mund gar nicht mehr auffiel. „Wenn Sie auch nur ein Wort darüber verlieren sollten, dann… dann…“ „Das muss ich mir noch überlegen!“ „Tatsumi!! Ich warne Sie!!“ „Schon gut, wir sagen nichts“, versuchte Morinaga zu beschwichtigen. Er hatte bemerkt, dass der Professor nicht wie gewöhnlich seinen Ehering trug. Ganz in Gedanken versunken blickte er auf seine eigene Hand, an dem sein Verlobungsring steckte. Suzuki folgte seinem Blick. „Lächerlich“, murmelte er. „Was ist lächerlich?“, wollte Soichi wissen. „Dass Sie so tun, als seien Sie miteinander verlobt. Nicht genug damit, dass Sie beide vor ein paar Wochen an dieser überaus peinlichen Demonstration teilgenommen haben! Jetzt müssen Sie Ihre Neigung mit diesen Ringen auch noch jedem auf die Nase binden! Ein Glück, dass wir in Japan leben, wo man noch weiß, was sich gehört! Da können Sie soviel demonstrieren, wie Sie wollen, eine Ehe für Leute wie Sie wird es bei uns nie geben!“ Wieder wollte Soichi voller Wut losstürzen, und wieder wusste Morinaga es zu verhindern. „Sie sollten besser zu ihrer Sekretärin gehen“, sagte er dem Professor, während er den sich wehrenden Soichi mit aller Kraft am Boden hielt. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sich der Professor um und ging in die Richtung, in der das Café lag. „Lass mich los!“, forderte Soichi. „Dem werde ich…“ „Nein, du wirst hier bleiben!“ „Du hast mir gar nichts zu sagen! Jetzt lass mich endlich los! Die Leute gucken schon her!“ Morinaga sah dem Professor nach. Er war inzwischen weit genug weg, sodass er Soichi schließlich freigab. Dieser setzte sich wieder hin und starrte auf die hohen Wellen, auf denen hier und da Surfer auszumachen waren. Er sah aus, als würde er über etwas nachdenken. Morinaga wollte gerade fragen, was er hatte, als Soichi nickte und sagte: „Wir fliegen zurück.“ „Okay.“ Es wunderte ihn jetzt doch, dass Soichi auf einmal so ruhig war. „Geht es dir denn schon so gut, dass du den langen Flug bis Japan aushältst?“ „Nicht nach Japan. Wir fliegen nach Kalifornien.“ „Wie bitte?“ „Wir fliegen nach Kalifornien, und dort heiraten wir.“ Morinaga glaubte, sich verhört zu haben. „Könntest du das bitte noch einmal wiederholen?“ „Du hast mich schon richtig verstanden. Hier in Amerika können wir schließlich heiraten.“ „Aber du hast doch gesagt, dass du das nicht willst! Weil es bei uns zuhause keine Gültigkeit hätte.“ „Ich habe es mir anders überlegt. Du willst es doch auch.“ „Natürlich will ich es. Aber…“ „Na bitte. Wir fliegen zurück nach Kalifornien, am besten gleich nach San Francisco, machen einen Termin beim Standesamt aus, und dann sollen die mal alle sehen, dass wir heiraten können, wenn wir wollen!“ Soichi griff nach seinem Handy. „Ich werde sofort bei Tomoe anrufen. Der weiß sicher, wie das in Amerika genau abläuft. Er und dieser Kurokawa wollten doch sowieso in San Francisco heiraten.“ „Warte mal, Soichi! Das kommt alles ein bisschen plötzlich. Zu einer richtigen Hochzeit gehört noch mehr als nur ein Termin beim Standesamt. Wir müssen außerdem Gäste einladen, und Anzüge haben wir auch keine dabei. Von Eheringen ganz zu schweigen.“ „Das ist ja wohl das kleinste Problem. Anzüge und Ringe kannst du überall kaufen. Und das mit den Gästen ist auch ganz einfach. Wenn wir nächste Woche Samstag heiraten, bleibt genügend Zeit, alle einzuladen, die wir dabeihaben wollen. Wenn sie Freitag ins Flugzeug steigen, sind sie Samstag da. Und Sonntag können sie wieder zurückfliegen. Und wenn dir das zu kompliziert ist, lassen wir das mit den Gästen und feiern, wenn wir wieder zuhause sind.“ „Wer soll denn die ganzen Flüge bezahlen? Überleg doch mal, was allein unsere Tickets gekostet haben.“ „Ich schicke die Rechnungen einfach an meinen Vater. Der hat genug Geld. Moment… Er müsste eigentlich noch auf Hawaii sein.“ Er nahm wieder sein Handy, und schon wenige Sekunden später meldete sich sein Vater. „Tatsumi.“ „Vater? Ich bin’s.“ „Soichi! Seid ihr gut gelandet? Wie ist das Wetter in Kalifornien? Und die Männer?“ „Das weiß ich nicht. Wir sind nicht in Kalifornien. Wir sind auch auf Hawaii.“ „Was soll das heißen? Seid ihr gar nicht nach Los Angeles weitergeflogen?“ „Doch. Da waren wir. Wir sind schon wieder zurück. Ist eine längere Geschichte.“ „Du, sei mir nicht böse, aber ich habe jetzt nicht so viel Zeit. Hier in der Ausgrabungsstätte hat es letzte Nacht einen kleinen Erdrutsch gegeben. Es ist zum Glück keiner verletzt, aber wir müssen jetzt noch mal einen Teil neu freilegen. Dadurch verzögert sich mein Aufenthalt hier noch bis Mittwoch, schätze ich, und…“ „Tetsuhiro und ich werden heiraten.“ „Was?“ „In San Francisco.“ „In San Francisco“, wiederholte sein Vater lachend. „Wie hat Tetsuhiro denn das fertig gebracht?“ „Es war ganz allein meine Entscheidung. Also, ich will nicht lange drum herum reden. Wir brauchen Geld für die Flüge von Tetsuhiros Familie und unseren Freunden.“ Morinaga hörte zu, wie Soichi mit seinem Vater das Finanzielle besprach und sich dann verabschiedete. „Meine Familie soll auch kommen?“, fragte er. „Natürlich. Wir waren auf der Hochzeit deines Bruders, da ist es doch wohl selbstverständlich, dass sie auch zu unserer kommen, oder nicht?“ Morinaga zuckte unschlüssig mit den Schultern, und Soichi tippte schon wieder auf eine Taste des Handys. „Ist zwar nicht gerade billig, wenn ich mit dem Handy da anrufe, aber ich will das jetzt sofort…“ Soichi unterbrach sich, als Tomoe am anderen Ende abnahm. Ohne Umschweife erklärte er ihm, was er vorhatte. Tomoe, der vor Freude gar nicht wusste, was er dazu sagen sollte, erklärte ihm seinerseits alles, was für eine Hochzeit in Amerika nötig war. Soichi hatte sich inzwischen damit abgefunden, dass das Ganze natürlich bedeutete, dass sein kleiner Bruder in San Francisco die Gelegenheit wahrnehmen und Kurokawa heiraten würde. Als er schließlich das Gespräch beenden wollte, fragte Tomoe ihn vorsichtig: „Du, Soichi?“ „Ja, was ist denn noch?“ „Kurokawa und ich haben das jetzt auch gemacht. Also, zuerst fand ich es ja etwas eklig und so… Aber dann habe ich gedacht, wenn du es so toll findest, kann es ja nicht so schlimm sein. Und Kurokawa fand es auch ganz toll. Ja, und da fand ich es auch…“ „Halt mal! Wovon redest du?!“ „Na, davon…“, druckste Tomoe herum. „Das, wobei Kurokawa euch gestern gesehen hat.“ Kreidebleich sprang Soichi von dem großen Strandhandtuch auf. „Ah…!“ Mehr brachte er nicht heraus. „Zuerst habe ich es bei Kurokawa gemacht, und dann hat er es bei mir gemacht. Aber sag mal, was genau findest du daran eigentlich so schön? Ich meine… also, derjenige, der es macht, hat ja eigentlich gar nichts davon.“ „Was… ich…? Wie kommst du darauf, dass ich das schön finde?!“, stieß Soichi entrüstet aus. „Als wir vorhin telefoniert haben, hast du mir gesagt, dass du das gerne machst! Und außerdem hat Morinaga gestern Kurokawa erzählt, dass ihr das jeden Tag macht!“ „Was?!“ Böse starrte er Morinaga an. „Du hast Kurokawa erzählt, ich würde dir jeden Tag…“ Er wandte sich wieder Tomoe zu. „Was auch immer Tetsuhiro gesagt hat, es ist erlogen!! Hörst du?! Nichts davon stimmt!! Ich mache solche Sachen nicht!! Hast du das verstanden?!“ „Aber…“ „Nichts aber!! Und ich verbiete dir, dass du das noch einmal machst! Und wenn dieser Kurokawa das von dir verlangt, dann werde ich ins nächste Flugzeug steigen und ihm…“ Ein lautes Piepen unterbrach ihn. Der Akku des Handys war leer. Die Verbindung zu Tomoe war getrennt. Auf dem ganzen Weg zurück zum Hotel sprach Soichi kein einziges Wort mit Morinaga, der vergeblich herauszufinden versuchte, was Tomoe am Telefon zu ihm gesagt hatte. Als sie wieder auf ihrem Zimmer waren, fing Soichi gleich an, eine Liste mit den Leuten, die sie einladen wollten, zu erstellen und eine weitere mit all den Sachen, die gekauft und organisiert werden mussten. Nachdem Soichi einige Anrufe getätigt hatte, rief Morinaga bei seinem Bruder Kunihiro an, um ihm und seiner Frau Sayako die freudige Botschaft mitzuteilen. Die beiden sagten zu. Dann wählte er mit einem mulmigen Gefühl im Bauch die Nummer seiner Eltern. Es war besetzt. Also versuchte er es stattdessen zunächst bei Hiroto, denn natürlich durften er und sein Freund Yashiro auch nicht fehlen. „Hallo?“ „Hey, Hiroto! Ich bin’s!“ „Engelchen! So eine Überraschung! Wie geht es euch? Rufst du wegen eures Kätzchens an? Dem geht’s blendend bei mir.“ „Das ist schön. Hiroto, ich habe eine Neuigkeit für dich, die dich umhauen wird. Setz dich besser hin.“ „Aber ich sitze doch schon. Yashiro und ich frühstücken gerade.“ Richtig, fiel es Morinaga ein. In Japan war es ja ein paar Stunden früher als bei ihnen. „Schieß los, Engelchen. Habt ihr geheiratet, oder was?“ „Woher weißt du… ich meine…“ „Ist nicht dein Ernst, oder? Ihr habt geheiratet? Yashiro, hast du das gehört?“ „Nein, wir haben nicht geheiratet. Noch nicht. Aber wir wollen heiraten. Samstag in einer Woche.“ „Oh, Engelchen, das ist ja wunderbar! Ich freue mich so für euch!“ „Wir möchten euch beide gerne einladen. Die Kosten für die Flüge und das Hotel übernimmt Soichis Vater.“ „Das ist so süß von euch, wirklich! Aber was mache ich denn mit eurer Katze?“ „Das ist kein Problem. Soichi hat vorhin mit der Haushälterin seines Vaters telefoniert. Sie hat in der nächsten Woche Zeit und wird unsere Katze gerne solange in Pflege nehmen. Ich gebe dir mal ihre Nummer. Hast du Zettel und Stift?“ „Ja.“ Als Morinaga eine Minute später aufgelegt hatte, hakte er den Namen seines Freundes auf der Liste ab. Ob er es jetzt noch einmal bei seinen Eltern versuchen sollte? Das mulmige Gefühl von vorhin war noch immer da. Er blickte zu Soichi hinüber, der in der anderen Ecke des Zimmers am Tisch saß, angestrengt über der Liste mit den Besorgungen brütete und mit den Gedanken ganz woanders zu sein schien. Langsam tippte er die Nummer in das Telefon ein. Diesmal ging der Ruf raus. Nach nur zweimaligem Klingeln hob seine Mutter ab. „Ja, bitte?“ „Hallo Mutter. Ich bin es.“ „Tetsuhiro.“ Die Art, wie sie die einzelnen Silben seines Namens betonte, sagte alles. Morinaga atmete tief durch. „Kunihiro hat es dir erzählt.“ „Dabei kann es sich wohl nur um einen geschmacklosen Scherz handeln. Du und dein Bruder sollten wissen, dass man über so etwas keine Witze macht.“ „Es ist kein Scherz. Ich werde Soichi heiraten. Wir…“ Er war sich nicht sicher, ob er den Satz wirklich aussprechen sollte. „Wir möchten, dass du und Vater… dass ihr dabei seid.“ Am anderen Ende herrschte eisiges Schweigen. Das genügte Morinaga als Antwort. „Es ist in Ordnung. Ihr braucht nicht zu kommen, wenn ihr es nicht möchtet.“ „Dass du überhaupt die Dreistigkeit besitzt, uns um so etwas zu bitten! Ich finde es schon allerhand, dass Kunihiro und… seine Frau bei diesem Unsinn mitmachen!“ „Ich habe schon mitgekriegt, dass du etwas gegen sie hast. Aber du kannst sie ruhig beim Namen nennen! Sie heißt Sayako.“ „Danke. Ich weiß, wie sie heißt. Aber dass Kunihiro… ich meine, es weiß doch, dass wir von dir keine Enkelkinder erwarten können. Warum muss er sich denn eine solche Frau aussuchen? Und dass er es uns dann auch noch monatelang verschweigt, dass sie…“ „Sie kann keine Kinder bekommen. Und? Dann ist das eben so! Kunihiro liebt sie. Das ist alles, was zählt. Und ich liebe Soichi.“ „Sag das nicht so, als wäre es das gleiche!“ „Es ist das gleiche. Wir sollten jetzt besser das Gespräch beenden. Ich habe keine Lust, mir weiter deine Vorwürfe anzuhören. Ich werde Soichi sagen, dass ihr nicht kommt. Wiederhören.“ „Auf Wiederhören.“ Er ging ein paar Schritte durch das Zimmer. Mit gesenktem Kopf setzte er sich auf das Bett. Soichi sagte irgendetwas, aber er hörte nicht hin. Am liebsten hätte er seinen ganzen Ärger hinausgeschrieen, aber stattdessen blieb er einfach nur sitzen und tat nichts. Soichi trat neben ihn. „Hey, ich habe dich etwas gefragt! Hallo!“ „Was?“ Morinaga sah ihn an. Tränen liefen über seine Wangen. „Was ist passiert?“ Soichi setzte sich zu ihm. „Wieso weinst du?“ „Ich…“ Er schluckte ein paar Mal und wischte sich mit seinem Hemd über die Augen. „Meine Mutter.“ Morinaga fasste in knappen Worten zusammen, was sie zu ihm gesagt hatte, und vor allem, wie angewidert sie dabei geklungen hatte. Mit jedem Satz wurde Soichi wütender. Der ganze Groll, den er eben noch gegen ihn gehegt hatte, war augenblicklich verflogen. „Und du? Was hast du zu ihr gesagt? Du hast ihr doch hoffentlich deine Meinung gesagt?“ „Nicht wirklich…“ Soichi stand vom Bett auf und ging entschlossen zum Telefon. Er drückte auf die Taste für die Wahlwiederholung. „Ja, bitte?“, meldete sich eine zitternde Frauenstimme. Morinagas Mutter. „Was fällt Ihnen eigentlich ein, so mit Ihrem Sohn zu sprechen?“, fiel Soichi über sie her. „Können Sie sich vorstellen, wie er sich jetzt fühlt? Soll ich es Ihnen sagen? Er sitzt völlig fertig auf dem Bett und weint! Und das ist allein Ihre Schuld!“ Die Mutter räusperte sich. „An unsere Gefühle denken Sie wohl nicht.“ „Oh doch, das tun wir! Was glauben Sie denn, warum Tetsuhiro Sie angerufen hat? Um Sie zu belästigen? Nein! Weil er Sie bei seiner Hochzeit, bei unserer Hochzeit, dabei haben will. So, wie Sie bei der Hochzeit ihres anderen Sohnes dabei waren. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie an dem Abend sehr freundlich zu Tetsuhiro und mir waren. Gerade deswegen dachten wir, dass Sie uns beide als Paar akzeptiert hätten.“ „Hören Sie. Als Tetsuhiro Sie zu Kunihiros Hochzeit mitgebracht hat, was hätten wir denn da tun sollen?“ „Wie meinen Sie das?“ „Nun, Kunihiro hatte uns darüber in Kenntnis gesetzt, dass Sie zu Gewalt neigen, wenn etwas nicht nach Ihren Vorstellungen abläuft. Mein Mann und ich haben uns Ihnen gegenüber nur deshalb höflich verhalten, weil wir fürchteten, Sie könnten einen Skandal auf der Hochzeitsfeier verursachen.“ „Das heißt, Sie haben uns damals nur etwas vorgespielt?“ Eine Hitzewelle fuhr durch seinen Körper. Das konnte doch alles nicht wahr sein! „Mein Vater hat Tetsuhiro sofort wie einen eigenen Sohn behandelt, als er ihn das erste Mal getroffen hat“, sagte er. „Ich bin darüber informiert, dass in Ihrer Verwandtschaft… andere Vorstellungen bezüglich Ehe und Familie herrschen.“ „Jedenfalls wird mein Vater bei unserer Hochzeit anwesend sein. Und er steht zu uns.“ „Und Ihre Mutter?“ „Meine… meine Mutter ist tot.“ „Das tut mir leid.“ Sie machte eine kurze Pause. Als sie weiter sprach, klang ihre Stimme hart und kalt. „Aber so bleibt ihr wenigstens der Anblick erspart, wie ihr Sohn… einen Mann heiratet.“ Soichi wäre bei diesen Worten beinahe der Hörer aus der Hand gefallen, aber der wurde ihm sowieso gerade von Morinaga abgenommen. „Mutter?“ „Bitte, mein Sohn, sei jetzt vernünftig! Dein Vater und ich wollen doch nur nicht, dass du dich und unsere ganze Familie noch weiter ins Unglück stürzt! Wenn man hier bei uns erfährt, dass du diesen Menschen geheiratet hast, dann…“ „Mutter, hör mir zu. Und richte es bitte auch Vater aus. Ihr werdet euch in Zukunft nicht mehr für mich schämen müssen. Man wird mich bald nicht mehr mit… eurer Familie in Verbindung bringen. Ich werde den Namen Morinaga ablegen und Soichis Namen annehmen.“ „Du weißt, dass das nicht geht! Dein Name ändert sich nicht automatisch wie bei einer normalen Ehe!“ „Das ist kein Problem. Die Cousine von meinem Freund Hiroto arbeitet im Rathaus. Ich habe mich schon vor ein paar Wochen bei ihr erkundigt. Eine Namensänderung ist jederzeit möglich.“ „Du weißt nicht, was du tust, Junge! Du…“ „Ich weiß es sogar ganz genau. Wie es aussieht, werden wir bei unserer Hochzeit wohl auf eure Anwesenheit verzichten müssen. Leb wohl.“ „Warte! Bevor du auflegst, lass dir noch eins gesagt sein. Ein Mann kann dich niemals wirklich lieben! Gerade du solltest das am besten wissen!“ Morinaga spürte, wie seine Knie weich wurden. Masaki. Es war eindeutig Masaki, über den seine Mutter hier sprach. Masaki, der seinen Körper begehrt, aber ihn nie geliebt hatte. „Woher weißt du das?“ Stumm stellte sich Soichi neben ihn und hielt das Ohr mit an den Hörer. „Von Masaki selbst“, antwortete sie. „Seit… seit wann weißt du es?“ „Seit der Sache damals. Als Masaki im Krankenhaus lag, hat er seinen Eltern und uns gesagt, wie es wirklich mit euch beiden war. Und dass es nicht du warst, den er zu lieben glaubte, sondern jemand anders.“ „Warum habt es nie für nötig gehalten, Kunihiro und mir von diesem Gespräch zu erzählen?“ „Wir wollten Kunihiro nicht noch weiter damit belasten. Die Situation war auch schon so unerträglich genug für ihn. Außerdem hat Masaki uns unter Tränen angefleht, zuhause kein Wort darüber zu verlieren. Und warum hätten wir ausgerechnet mit dir darüber reden sollen? Du warst es doch, der Masaki in diese schreckliche Lage gebracht hat! Er hatte dir anvertraut, dass er… nun, so etwas wie sexuelle Gefühle für einen Jungen aus seiner Klasse hegte. Wenn du das nicht ausgenutzt hättest, wäre es nie soweit gekommen!“ „Moment! Was hast du gerade gesagt?“ „Er hat dir damals dieses Geständnis gemacht, mit der Bitte, deinem Bruder gegenüber Stillschweigen zu bewahren. Er wollte nicht, dass sein bester Freund ihn verachtet, weil er sich von diesem anderen Jungen angezogen fühlte. Und was hast du gemacht? Du hast ihn mit diesem Wissen erpresst und ihn dazu gezwungen, mit dir diese… diese furchtbaren Dinge zu tun! Ach, aber warum erzähle ich dir das alles? Du kannst dich bestimmt noch bestens daran erinnern!“ Morinagas Knie gaben nach. Er ging in die Hocke und lehnte sich gegen die Kommode, auf der das Telefon stand. Kein Wort hatte Masaki über das Gespräch von damals verloren, als er im vergangenen Jahr Kontakt zu ihm und Kunihiro aufgenommen hatte. Ob er es vielleicht nur vergessen hatte? Nein, etwas so wichtiges vergaß man nicht. Masaki hatte ihn belogen. Damals wie heute. Noch mehr als das. Masaki hatte ihn verraten. Er fühlte, wie Soichi, der sich neben ihn gesetzt hatte, einen Arm um seine Schultern legte und ihn dicht an seinen Körper zog. Jetzt versuchte er nicht mehr, seine Tränen zurückzuhalten. Es war ihm egal, ob seine Mutter hörte, wie er weinte. Sicher hatte sie es vor all den Jahren auch gehört, als er sich in seinem Zimmer eingeschlossen und heulend auf sein Bett geworfen hatte. Es war jeden einzelnen Tag so gewesen, nachdem man ihn immer wieder aus dem Krankenhaus weggeschickt hatte, wo ihn nur eine dünne Tür von Masaki trennte. Soichi nahm ihm den Hörer ab. „Passen Sie jetzt gut auf. Es ist richtig, dass Masaki Tetsuhiro nie geliebt hat. Aber es ist eine Lüge, dass Tetsuhiro ihn in irgendeiner Weise erpresst hat! Masaki hat damals nach über einem Jahr die Beziehung beendet, und erst da ist herausgekommen, in wen er in Wirklichkeit verliebt war. Ich nehme an, Masaki hat Ihnen nie den Namen genannt?“ „Nein. Das war auch nicht weiter wichtig.“ „Kunihiro.“ „Was?“ „Der Name. Dieser Junge aus Masakis Klasse, den er geliebt hat, das war Tetsuhiros Bruder.“ „Das ist nicht wahr!“ „Tetsuhiro hat es mir selbst so erzählt! Dann muss es ja wohl stimmen!!“ Es dauerte einen Augenblick, bevor sie weiter sprach. „Das ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass Tetsuhiro Masakis jugendliche Unsicherheit über seine Sexualität ausgenutzt hat!“ „Heißt das, nach alledem, was ich Ihnen gerade gesagt habe, halten Sie immer noch zu diesem Kerl? Mehr, als zu ihrem eigenen Sohn? Was sind Sie bloß für eine Mutter?! Sie sollten sich schämen!!“ „Werden Sie nicht ausfallend!“ „Sie könnten sich wenigstens bei ihm entschuldigen! Was glauben Sie denn, wie schlecht es ihm ging, als Sie ihm damals auch noch zu allem Überfluss die Tür gewiesen haben?“ „Sie müssen bedenken, dass Masakis Vater von der Regierung ist. Die ganze Familie ist hoch angesehen. Sie konnten es einfach nicht mehr ertragen, wenn Tetsuhiro sich in ihrer Nähe blicken ließ. Wir leben in einer sehr kleinen Stadt. Da kann man sich nicht immer aus dem Weg gehen. Es war die beste Lösung für alle, dass Tetsuhiro damals die Stadt verlassen hat. Und er hat dadurch ja auch seine Vorteile gehabt.“ „Wie bitte?! Soll er Ihnen jetzt etwa auch noch dankbar dafür sein, dass Sie ihn verstoßen haben?!“ Morinaga saß noch immer wie ein Häuflein Elend an seiner Seite. Seine Mutter sprach so laut, dass auch er sie verstehen konnte, als sie fragte: „Was denken Sie denn, wer ihm in den ersten Jahren sein Studium finanziert hat? Etwa wir?“ Morinaga schloss die Augen. „Nein…“ „Es war sehr großzügig von Masakis Eltern, dass sie ihn nach all dem Ärger so gut unterstützt haben. Wir allein hätten nicht genügend Geld gehabt. Es war zu der Zeit schon schwer genug für uns, für Kunihiros Ausbildung aufzukommen. Sie haben uns einen hohen Geldbetrag geboten, unter der Bedingung, dass für Masaki keine weiteren Probleme entstehen und Tetsuhiro wegzieht.“ „Das glaube ich jetzt einfach nicht…“, flüsterte Morinaga. Offenbar hatte seine Mutter ihn verstanden. Sie rief ihm laut zu: „Die Entscheidung ist uns doch auch nicht leicht gefallen! Wir lieben dich doch, Tetsuhi…“ Die letzte Silbe hörte er nicht mehr. Soichi hatte den Hörer aufgelegt. Fortsetzung folgt… Boah, fies! *Taschentücher rumreich* Erstmal vielen Dank an LittleTreeflower, arcati und MrsJuliaNanba für die Idee, dass Morinagas Eltern das mit Masaki rauskriegen! ^__^ Ansonsten wäre die Szene schon an der Stelle zu Ende gewesen, wo Morinaga seiner Mutter „Leb wohl“ sagt. Eigentlich ist das Stück ziemlich überflüssig, was den weiteren Verlauf der Geschichte anbelangt… Aber dadurch ist ein guter Schuss „Drama“ eingeflossen! War das auch zu dramatisch…? ^_^''' Die 2. Kapitelhälfte fängt auf jeden Fall erstmal fröhlicher an, als diese hier geendet hat. ^^ Was Suzukis „Sekretärin“ angeht: Ich kenne mindestens drei Frauen, die so in der Art reden! („Alle Schwulen sind ja sooo toll!“ *über einen Kamm scher* „Und immer sooo freundlich!“ „Sooo friedlich!“ „Alle sooo sympathisch!“ etc.) Das passte gerade so schön, weil Soichi diesem Bild ja nun wirklich nicht entspricht! XD Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)