Das Tatsumi-Gen von DJ_Vierauge (*NEU* Rick & Phil-Special!) ================================================================================ Kapitel 8: BONUS-KAPITEL 3: The Tyrant Who Fly To America --------------------------------------------------------- Autor: DJ Vierauge Titel: „THE TYRANT WHO FLY TO AMERICA“ (Bonus-Story zu „Das Tatsumi-Gen“) Serie: Fanfiction zu den Serien „Verliebter Tyrann“ und „Küss mich, Student!“ von Hinako Takanaga Lime-Pairings: Morinaga x Soichi, Soichi x Morinaga, Phil x Rick (nur leicht angedeutet); sowie (ohne Lime): Kurokawa + Tomoe, Vater Tatsumi + Wang; außerdem („Flirt-Andeutungen“; weiß nicht, wie ich es besser nennen soll): Rick + Morinaga, Phil + Soichi, Vater Tatsumi + der Steward Genre/Warnungen: Shounen-ai/Yaoi, Lime, Humor, Romantik, OOC (Soichi, Morinaga etwas), OC, Language (= ein paar englische Worte, sowie einige Schimpfwörter) Rating: ab 16 Jahren Disclaimer: Alle Personen sind das Eigentum von Hinako Takanaga, bis auf den Steward und Wang, die ich komplett dazu erfunden habe. „Brokeback Mountain“ (Titel wird nur erwähnt) ist ein geschützter Filmtitel, die Rechte daran gehören der Filmgesellschaft, die ihn produziert hat. XD Ich verdiene kein Geld mit dieser Geschichte. Anmerkungen: Falsches Englisch im Titel, ich weiß! XD Das ist natürlich an den „Original“-Titel von „Verliebter Tyrann“ / „Koi suru Boukun“ angelehnt: „The tyrant who fall in love“. Die antiamerikanischen Äußerungen, die Soichi zeitweise von sich gibt (wie im Manga auch!), entsprechen nicht meinen eigenen Ansichten und werden auch nicht verherrlicht!! In den kursiv geschriebenen Sätzen wird Englisch gesprochen. Danke @ die Leute aus dem VT-Thread im Comics in Leipzig-Forum für die Anregung mit der Dusche! XD INHALT: Tatsumi Tomoe und sein Freund Kurokawa Mitsugu sind entsetzt! Die ganze Zeit haben sie sich hier in den USA sicher gefühlt, sicher vor IHM. Doch jetzt kommt er sie besuchen, Tomoes großer Bruder!! Kurokawa steht Todesängste aus, als dieser am Flughafen in Los Angeles landet, und Tomoe fragt sich, was es wohl mit Soichis Verlobung auf sich hat, von der ihm sein Vater am Telefon erzählt hat… Der Flug Verschlafen öffnete Morinaga die Augen. Sein Kopf lehnte an der Schulter von Soichi, dessen Stimme ihn gerade geweckt hatte. „Was soll das heißen, ich darf nicht rauchen?!“ „Es tut mir sehr leid.“ Der junge Steward trat eingeschüchtert einen halben Meter zurück. „Die neuen Nichtraucherschutzgesetze gestatten kein Rauchen in Flugzeugen mehr.“ „Verdammt.“ Soichi packte die Zigarettenschachtel und das Feuerzeug wieder zurück. „Na, wach?“ fragte er Morinaga. „Du hast den halben Flug verschlafen.“ Sie saßen in einer Maschine nach Kalifornien mit Zwischenlandung in Hawaii. In der linken Reihe am Fenster saß ganz außen Kanako, die in ein Pferde-Buch vertieft war und dabei Musik über Kopfhörer hörte, daneben saß Morinaga und am Gang Soichi. In der Reihe neben ihnen, in der Mitte des Flugzeugs, saßen Soichis Vater und Wang. Morinaga gähnte und setzte sich gerade hin. Kanako nahm sich die Kopfhörer ab. „Geht es dir gut? Oder ist dir übel vom Flug?“ „Nein, ist alles okay.“ Sie hielt ihm eine Tüte hin. „Möchtest du auch einen Kirschbonbon?“ Er nahm sich einen. „Danke.“ „Papa?“ Sie lehnte sich nach vorne. „Darf ich einen Araber haben?“ „Na, mal sehen“, kam die Antwort. „Von mir aus.“ Soichi sah verständnislos zu seinem Vater hinüber. „Du hast von Kindererziehung wirklich keine Ahnung. Bei allem, was Kanako haben will, sagst du ‚Ja, bekommst du’. Wie soll sie denn da später mit ihrem eigenen Geld klarkommen, wenn sie jetzt nicht lernt, auch einmal auf etwas zu verzichten?“ „Halt dich da raus!“ fuhr Kanako ihn an. „Ich weiß nicht, wo dein Problem liegt, Soichi. Ich habe Geld genug. Da kann ich meiner Tochter doch ab und zu etwas Schönes schenken.“ „Siehst du!“ sagte Kanako trotzig zu ihrem Bruder. „Außerdem habt ihr auch ein Tier.“ „Du willst ja wohl eine Katze nicht mit einem Pferd vergleichen.“ „Tier ist Tier! Du willst mir einfach nur nichts gönnen!“ „Vielleicht hat dein großer Bruder Recht“, warf der Vater ein. „Bist du nicht schon etwas zu alt dafür? Als ich in deinem Alter war, habe ich mich für Jungs interessiert und nicht für Pferde.“ „Ach, Jungs sind doof.“ Während sich ihr Vater nun mit Wang unterhielt, fauchte sie Soichi an: „Gut, dass du schwul bist und keine Kinder kriegst! Zu denen wärst du dann bestimmt auch nur gemein!“ „Halt die Klappe!“ giftete Soichi zurück. Morinaga sah sie vorwurfsvoll an. „Also, das war jetzt wirklich nicht nett. Vielleicht würde dein Bruder ja gerne Kinder haben.“ „Hrrm…“ grummelte Kanako. „Ja… tut mir leid. Hab ich nicht so gemeint.“ Sie setzte sich ihre Kopfhörer auf und blätterte weiter in dem Buch. Soichi schien etwas verstimmt, als Morinaga sich wieder an ihn lehnte. „Du, sag mal, wie ist es? Hättest du gerne Kinder?“ „Geht das jetzt wieder los?! Ich habe dir schon mal gesagt…“ „Ich meine es ernst, Soichi. Würdest du gerne Kinder haben?“ „Wie soll das denn bitte gehen?“ „Davon rede ich doch gar nicht. Mir ist schon klar, dass es nicht geht.“ „Was soll dann die Fragerei?“ „Wenn… na ja, wenn du geheiratet hättest…“ „Als ob man heiraten müsste, um Kinder in die Welt zu setzen.“ „Nein, natürlich nicht. Aber wenn du es getan hättest, dann wärst du wahrscheinlich schon in naher Zukunft…“ „Hör auf“, unterbrach ihn Soichi. „Bitte.“ Er lehnte seinen Kopf an den Morinagas. „Muss man denn unbedingt Kinder haben? Dein Bruder und Sayako haben keine Kinder. Tomoe und dieser Kurokawa auch nicht, natürlich.“ „Du wärst bestimmt ein guter Vater.“ „Und wenn schon. Ich werde es nie erfahren, und es ist mir auch egal. Oder willst du welche?“ „Nein. Ich habe immer gewusst, dass ich nie mit einer Frau zusammen sein und Kinder habe würde.“ Er drehte seinen Kopf so, dass Soichi seinen Atem spüren konnte, als er weiter sprach. „Vergiss das einfach, was ich gerade gesagt habe, ja?“ „Ja. Übrigens weiß ich nicht, was du hast. Ich werde doch irgendwann heiraten.“ Soichi neigte sich ebenfalls ein wenig zu ihm, bis sich ihre Lippen berührten. „Dich.“ Ein angenehmer Schauer durchfuhr Morinaga, als Soichi ihn sanft auf seinen leicht geöffneten Mund küsste. „Du schmeckst nach Kirsche“, flüsterte Soichi. „Da sind aber zwei ganz gewaltig verliebt!“ Soichi war der höhnische Unterton seiner kleinen Schwester nicht entgangen. „Ich denke, du liest?“ „Wie soll ich mich aufs Lesen konzentrieren, wenn ihr neben mir rumknutscht?“ „Vater hat ganz Recht. Ein Pferd ist genau das richtige für dich.“ „Hä? Wieso das denn jetzt auf einmal?“ „Für einen Freund bist du noch viel zu unreif.“ „Blödmann!“ „Halt’s Maul!“ „Boah, du bist schon wieder voll zickig!“ „Ich sage, du sollst dein Maul halten, verdammt noch mal!“ „Kinder, bitte!“ mischte sich ihr Vater ein. „Ihr wollt euch doch wohl hier im Flugzeug nicht streiten. Frieden, ja?“ „Von mir aus.“ „Fein, Kanako. So, und du hörst jetzt auf, so zickig zu sein.“ „Hast du gehört, was Vater gesagt hat?“ setzte Soichi nach. „Ich meine dich, Sohn.“ „Hey! Ich bin nicht zickig!“ Sein Vater sah ihn nur mitleidig an. „Nein. Natürlich nicht“, sagte er spöttisch. Kanako hielt ihrem Bruder die Bonbontüte hin. „Willst du auch einen?“ Soichi schob die Tüte von sich weg. „Danke, nein.“ Er stand auf und warf Morinaga dabei einen unmissverständlichen Blick zu. „Ich verschwinde mal kurz. Bin gleich wieder da.“ Vater Tatsumi sah zum wiederholten Male die Eintragungen in seinem Terminplaner durch. „Ich denke, dass wir in zwei bis drei Tagen nachkommen werden. Ich brauche voraussichtlich… hm… zwei Tage, um das geologische Gutachten zu vor Ort fertig zu stellen. Dann muss ich es den zuständigen Behörden vorlegen und es vom Minister absegnen lassen. Kann auch sein, dass ich an einem Tag damit fertig werde. Das kann ich noch nicht genau sagen… Tetsuhiro?“ „Ja?“ „Du und Soichi fliegt dann erstmal alleine nach Los Angeles weiter. Kanako, Wang und ich kommen nach, wenn ich in Honolulu alles erledigt habe. Aber das habe ich ja eben schon gesagt. Eigentlich hätte ich es schöner gefunden, wenn wir uns alle in Hawaii getroffen hätten, aber Tomoe konnte sich nur ein paar Tage frei nehmen, und da wäre ein Flug nach Hawaii und drei Tage später wieder zurück zu stressig für ihn geworden.“ „Stimmt.“ „Ach, Tomoe war am Telefon richtig glücklich, dass ihr zwei euch verlobt hat. Der gute Junge hat sich so gefreut. Er kam mir auch gar nicht überrascht vor, das hat mich eigentlich etwas gewundert. Aber wahrscheinlich liegt es daran, dass er dich schon kennt. Ihr seid euch doch schon mal begegnet, oder?“ „Ja, sind wir.“ Morinaga erhob sich. „Ich… werde mal sehen, wo Soichi bleibt…“ Er ging zu den Flugzeugtoiletten und sah nach, welche Türen verschlossen waren. Leise klopfte er an eine. „Soichi?“ „Na, endlich.“ Soichi riegelte die Tür auf, zog Morinaga zu sich herein und schloss sofort wieder ab. „Das hat lange gedauert.“ „Dein Vater hat mich zum hundertsten Mal mit seinen Plänen zugetextet.“ „Ja, mein Vater… Hast du gemerkt, wie er vorhin den Steward angeguckt hat?“ „Oh ja. War nicht zu übersehen. Aber…“, Morinaga legte die Hände in Soichis Nacken, „… ich will jetzt nicht über deinen Vater reden. Ich will…“ „Ja, das will ich auch.“ Soichi öffnete den Reißverschluss seiner Jeans. Morinaga tat das gleiche bei sich selbst. „Dreh dich um. Stütz dich da am Waschbecken auf.“ „Ja… Trotzdem. Flirtet einfach mit dem, während sein Freund direkt daneben sitzt. Total dreist.“ „Wang hat das aber gar nichts ausgemacht. Und der Steward schien auch ganz angetan.“ „Ach was, der ist viel jünger als wir. Vielleicht sogar noch unter zwanzig. Oh…“ Soichi schloss die Augen für einen kurzen Moment, als er die Hand des anderen unter seinem Hemd spürte. Morinaga ließ eine kleine leere Plastikverpackung zu Boden fallen. „Ich wäre dann soweit.“ „Okay.“ „Oder… halt.“ „Was ist denn? Mach schon.“ Morinaga zeigte auf den kleinen Schrank, in dem das Waschbecken eingebaut war. „Setz dich darauf. Ich will dich dabei ansehen.“ Soichi drehte sich wieder um, zog schnell Schuhe und Hose aus und setzte sich auf den Schrank. „Ob der mich aushält?“ Mit den Fingernägeln strich Morinaga außen an Soichis nackten Oberschenkeln entlang, was bei diesem eine Gänsehaut hervorrief. „Ganz sicher…“ Begierig umarmte Soichi ihn. Der Kuss, der eben nur zart angedeutet gewesen war, wurde jetzt zu einem richtigen. Er wühlte durch Morinagas Haare, während dieser mit der Zunge in seinen Mund vordrang und ihm den Atem raubte. „Los“, forderte Soichi ihn auf. „Fang an.“ „Ja… so, jetzt.“ „Haaah…!“ „Leise.“ „Ja…“ Es fiel Soichi sichtlich schwer, dabei ruhig zu bleiben. Er schlang seine Beine um Morinagas Taille, als dieser sein Hemd hoch schob und an seinem Hals entlang leckte, ihn dort spielerisch hinein biss und an der pulsierenden Haut zwischen seinen Zähnen saugte. „Aah…“ Morinaga ließ von der Stelle ab, jedoch nur, um sich etwas tiefer dem Piercing zuzuwenden. „Oh, Tetsuhi…“ Sein Mund wurde von Morinagas Hand zugehalten. „Sei leise. Die Türen und Wände sind dünn hier.“ Er ließ Soichis Mund wieder los. „Ja.“ Stumm hielt Soichi sich nun an Morinagas Hals fest und überließ ihm alles Weitere. Er wusste selbst nicht, wie er es schaffte, aber brachte es fertig, keinen weiteren Ton über die Lippen zu bekommen. Morinaga nahm den Ring samt Brustwarze zwischen die Zähne, so fest, dass Soichi mit seinem ganzen Körper zusammenfuhr. Oh, wie er es liebte, ihn derart in Besitz zu nehmen, ihn spüren zu lassen, dass er der Stärkere von ihnen beiden war. Und Soichi gab sich ihm gewillt hin, ja, er verlangte danach. Es grenzte fast an ein Wunder, dass es tatsächlich lautlos endete. „Das war… gut…“, keuchte Soichi anschließend und ließ sich von dem Waschbeckenschrank gleiten, um sich wieder anzuziehen. „Aah… genau das… habe ich jetzt gebraucht.“ „Es war himmlisch.“ „Himmlisch? Du klingst schon wie Hiroto.“ „Wir sind doch hier im Himmel. So hoch oben über den Wolken. Ganz nah an den Sternen.“ „Ah… du hörst dich wirklich wie Hiroto an.“ „Du hast eben keinen Sinn für Romantik.“ „Männer müssen nicht romantisch sein. Das ist nur was für Frauen.“ „Wenn du jetzt nicht so unwiderstehlich lächeln würdest, könnte man fast glauben, dass du diese Worte ernst meinst. Du bist so süß.“ „Ich bin nicht süß! Meine kleine Schwester ist von mir aus süß. Ich bin es nicht.“ Er spülte sich sein gerötetes Gesicht mit Wasser ab. „Ah, das tut gut. Lass uns jetzt zurückgehen.“ „Du bist immer noch ganz rot. Wir warten lieber ein bisschen, sonst sehen die dir das sofort an.“ „Okay.“ Soichi lehnte sich an die Wand. „Ah…“ „Ist was? Hab ich dir wehgetan?“ Als Soichi nicht antwortete, streichelte Morinaga ihm sanft über die Wange. „Aber… ich dachte, du magst das so?“ „Ich habe doch gesagt, dass es gut war.“ „Dann bin ich beruhigt.“ „Soll ich es das nächste Mal bei dir auch so machen? Das neulich war ja nur für den Anfang.“ „Das nächste Mal?“ Morinaga sah ihn erstaunt an. „Ich… dachte eigentlich, dass du das nie wieder machen wolltest. Ich meine jetzt deinen Teil unserer kleinen Abmachung.“ „Vergessen wir doch die dumme Abmachung. Du könntest mich ruhig mal zwischendurch ranlassen. Ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen.“ „Nein, kommt nicht in Frage. Es bleibt dabei. Wenn ich das schon machen soll, bist erst du dran.“ Soichi betrachtete sein Gesicht im Spiegel. „Ich glaube, jetzt geht es wieder. Komm.“ „Ihr wart ja lange weg“, meinte Soichis Vater, als sie kurz darauf zusammen wiederkamen. Irgendetwas in seiner Stimme sagte Soichi, dass er ganz genau wusste, was die beiden getan hatten. Und das wurde bestätigt, als er hinzufügte: „Na, dann setz dich mal wieder. Wenn du kannst.“ „Ha, ha! Der war gut“, lachte Wang. „Wie könnt ihr… Ihr seid unmöglich! Alle beide!“ Soichi setzte sich. Langsam. Kanako nahm sich die Kopfhörer ab und legte das Buch weg. „Lasst ihr mich mal durch? Ich muss auch.“ Kurz, nachdem sie weg war, schob der Steward einen Servierwagen den Gang entlang. „Ah, da kommt ja schon das Essen“, freute sich Vater Tatsumi. „Und die Bedienung ist auch ganz nach meinem Geschmack. Jung und frisch, so müssen sie sein. Oh ja…“ „Für mich drei Portionen”, bestellte Wang. „Das sieht ja köstlich aus.“ Der Vater lächelte charmant den Steward an. „Beinahe so köstlich wie Sie.“ Der Steward errötete wie ein junges Mädchen und servierte auf der anderen Seite, wo Soichi und Morinaga saßen. Beim Anblick von dessen Rückseite, ließ es sich der Vater nicht nehmen, einen weiteren Kommentar abzugeben. „Hallo… das nenne ich mal einen prächtigen Hintern.“ „Ja.“ Wang nickte zustimmend. „Kann sich sehen lassen.“ Der Steward, jetzt tiefrot, beeilte sich, weiterzugehen. „Der von dem Kleinen, mit dem wir an Weihnachten… nennen wir es mal ‚gefeiert’ haben, war aber auch nicht schlecht. Wie hieß der noch? Hirino oder so ähnlich…“ „Hiroto“, korrigierte Wang. „Ja, stimmt.“ Soichi starrte die beiden entsetzt an. „Wie bitte? Hiroto?“ „Genau. Euer Freund. Der im Moment auf eure Katze aufpasst.“ Tatsumi reichte Wang eine Serviette. „Hier, Schätzchen.“ „Danke.“ „Warte mal!“ Soichis Stimme überschlug sich fast. „Willst du mir ernsthaft erzählen, dass ihr beide… mit Hiroto…?“ „Richtig“, sagte sein Vater. „Ja, seid ihr denn noch zu retten?! In eurem Alter!“ Er drehte sich nach links zu Morinaga. „Das ist doch unerhört, oder?“ „Äh, ja… in der Tat. Guten Appetit…“ „Mehr sagst du nicht dazu? Oh, halt. Wusstest du das etwa? Hat Hiroto dir das erzählt?“ Morinaga nickte. „Ja, hat er.“ „Ach, und ich erfahre natürlich nichts! Warum hast du mir das nicht gesagt?“ „Ich wollte nicht, dass du dich aufregst.“ „Und ob ich mich aufrege!“ „Ja, ja“, sagte sein Vater. „Jetzt hast du dich ja genug aufgeregt. Und nun wird gegessen. Guten Appetit.“ „Ihr… das ist…“ Soichi fehlten die Worte. „Dein Vater hat Recht. Reg dich ab. Außerdem sind die beiden alt genug, um selbst zu entscheiden, was sie tun und was sie lassen sollen.“ „Zu alt, wenn du mich fragst! Müssen die denn unbedingt alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist…“ Er sprach nicht weiter. „Warum sollten wir unseren Lebensstil ändern, nur weil wir ein paar Jahre älter sind als ihr?“ fragte sein Vater. „Wir haben immer schon so gelebt.“ „Dann haltet euch wenigstens an Leute in eurem eigenen Alter!“ „Ha, ha, ha, du bist wirklich… amüsant, Sohn.“ „Hör auf, so zu lachen! Es passt mir eben nicht, dass ihr ausgerechnet mit einem unserer Freunde ins Bett geht!“ „Nun, im Bett waren wir nicht direkt.“ „Das wollte ich doch gar nicht wissen!!“ „Ich sage dir was, Junge. Wir sind Männer. Und Männer sind nicht für eine Beziehung mit nur einem Partner geschaffen. Das wirst du mit der Zeit schon noch begreifen.“ „Was soll das heißen? Nur, weil ihr so drauf seid, müsst ihr das nicht auf andere übertragen. Großvater zum Beispiel…“ „Ja, Großvater. Der ist auch eine Ausnahme.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher. Tetsuhiro und ich werden jedenfalls nicht so werden wie ihr, darauf kannst du dich verlassen. Aber was rede ich auch mit dir über ein Thema wie Treue? Du warst ja sogar verheiratet und hast nebenbei deine Beziehung mit Wang gehabt. Gut, dass ich nicht den gleichen Fehler gemacht habe.“ „Ja, und? Deine Mutter wusste das, wie ich dir schon mal erzählt habe. Oder hast du geglaubt, ich hätte es ihr erst gesagt, nachdem wir verheiratet waren?“ „Ach, ihr habt das geklärt, bevor ihr geheiratet habt?“ fragte Morinaga. „Selbstverständlich. Sie hatte kein Problem damit. Unsere Eltern haben damals die Ehe für uns arrangiert, wie ihr wisst. Wir hatten den gleichen gesellschaftlichen Stand. Es war eine reine Zweckehe. Sowohl für sie, als auch für mich. Die Situation war natürlich etwas ungewöhnlich, aber trotzdem waren wir beide zufrieden. Sie hatte ihre Liebhaber, und ich hatte meine. Und dass wir uns nicht geliebt haben, bedeutet nicht, dass wir uns nicht respektiert haben. Oh, und nicht zu vergessen, Wang war natürlich auch zu jedem Zeitpunkt über alles informiert.“ „Du und Respekt vor Frauen“, sagte Soichi abfällig. „.Das wäre ja das Neueste. Du bist der mit Abstand größte Macho, der mir je über den Weg gelaufen ist. Manchmal frage ich mich wirklich, ob es richtig ist, Kanako bei dir aufwachsen zu lassen. Es wäre sicher besser, ich würde sie wieder zu mir holen.“ „Das Essen wird kalt“, versuchte Morinaga abzulenken. „Ist ja gut“, murmelte Soichi. „Mahlzeit.“ Er aß etwas und sah dann wieder zu seinem Vater hinüber. „Wie ist es eigentlich, wenn wir die Möglichkeit bekommen, zu heiraten? Lässt du dich dann scheiden und heiratest Wang?“ „Ach, Kind. Meinst du wirklich, in Japan ändern sich die Gesetze so schnell? In den nächsten Jahren wird das nichts. Vielleicht in zwanzig, dreißig Jahren. Wenn überhaupt.“ „Du kannst einem wirklich allen Mut nehmen! Als ich mich mit Tetsuhiro verlobt habe, warst du es doch, der ganz begeistert davon war! Und jetzt…“ „Ihr könntet in Amerika heiraten. Nehmt die Gelegenheit einfach wahr, wenn ihr sowieso dort seid.“ „Das fehlte noch! Ich werde mich ganz bestimmt nicht auf so eine amerikanische Zeremonie einlassen, die bei uns zuhause keine Gültigkeit hätte. Nein, danke. Wenn ich heirate, dann richtig.“ „Und wenn ihr auch nach Amerika zieht? Wie Tomoe und sein Freund.“ „Ich ziehe doch nicht nach Amerika! Hältst du mich für geistesgestört?“ Tatsumi, der keine Lust hatte, sich weiter mit seinem Sohn herumzustreiten, schrieb nun unter den Augen von Wang etwas auf die Rückseite seiner Visitenkarte. Dann sah er sich nach dem Steward um. „Ach, kommen Sie doch bitte noch einmal her, junger Mann.“ Der Steward trat näher. „Haben Sie Beanstandungen wegen des Essens?“ „Aber nein. Das Essen ist hervorragend. Sagen Sie, wenn wir landen, müssen Sie dann eigentlich noch weiterarbeiten?“ „Ah… nein. Ich fliege erst morgen weiter. Bis dahin habe ich frei.“ „Das trifft sich ausgezeichnet.“ Er setzte sein verführerischstes Lächeln auf und reichte dem Steward die Karte. Der las, was darauf stand, überlegte nicht lange, nickte und wollte sie in die Seitentasche seiner Jacke stecken. Doch aufgeregt, wie er war, fiel sie ihm aus der Hand und landete auf dem Boden. Fast schon panisch wollte er sie aufheben, aber Soichi, der das ganze Geschehen ungläubig beobachtet hatte, war schneller. Schon hatte er die Karte. Morinaga beugte sich zu ihm, um mitzulesen. ‚Du findest uns heute Abend ab zehn Uhr hier:’ Darunter die Adresse des Hotels in Honolulu. Peinlich berührt riss der Steward ihm die Karte aus der Hand, steckte sie ein und verschwand in Richtung Cockpit. „Das… das kann ich einfach nicht glauben! Habt ihr denn überhaupt keinen Anstand?“ entrüstete sich Soichi angesichts dieses neuen Ereignisses. „Der ist erst so alt wie Tomoe!“ Sein Vater lehnte sich entspannt zurück. „Nun spiel mal nicht den Moralapostel. Was war denn das da eben für eine Aktion auf der Flugzeugtoilette? Jetzt guck nicht so. Man hat euch das vorhin genau angesehen. Und euer Verhalten davor war schon ziemlich deutlich. Erst fällst du hier auf deinem Platz über ihn her, dann gehst du schon mal vor, und er rennt dir eine Minute später hinterher.“ „Ja“, grinste Wang. „Das war sogar sehr deutlich.“ „Und dann kommst du mit einem unübersehbaren Knutschfleck zurück“, fügte Tatsumi hinzu. „Knutschfleck? Wo soll der sein?“ fragte Soichi mit zittriger Stimme. „Am Hals. Wo sonst?“ „Zeig mal“, bat Morinaga, und Soichi drehte sich wieder zu ihm. „Oh ja, da ist einer.“ „Warum hast du das gemacht?“ zischte Soichi ihn an. „Ist doch nicht schlimm, oder?“ „Was heißt hier, nicht schlimm? Jetzt sieht das jeder!“ Kanako, die sich gerade wieder zu ihrem Platz durchdrängelte, hatte ihn auch gesehen. „Soichi hat ’n Knutschfleck! Soichi hat ’n Knutschfleck!“ „Schnauze!“ „Ich hab einen ganz tollen Seidenschal mit“, bot sie an. „Im Handgepäck. Willst du dir den um den Hals wickeln?“ „Farbe?“ „So lila. Mit großen roten Herzen.“ „Ha, ha“, prustete ihr Vater los. „Vergiss es!“ lehnte Soichi ab. „Ich heiße doch nicht Hiroto!“ „So was würde nicht mal Hiroto tragen“, sagte Morinaga lachend. „Garantiert nicht. Oh, wir dürfen übrigens nicht vergessen, ihm eine Postkarte aus Amerika zu schicken. Das habe ich ihm versprochen.“ Er stellte Kanako einen Teller hin. „Hier ist deine Portion. Ist sehr lecker. Guten Appetit.“ „Oh, prima! Danke. Du?“ „Ja?“ Sie flüsterte ihm zu: „Die haben hier nicht mal getrennte Toiletten für Männer und Frauen.“ „Ich glaube, das ist so üblich in Flugzeugen.“ „Echt? Wusste ich gar nicht. Du, soll ich dir noch was sagen?“ „Ja?“ „Auf dem Klo eben…“, ihr Flüstern wurde leiser, „… da lag auf dem Boden eine Verpackung von einem Kondom.“ Morinaga fiel fast der Bissen aus dem Mund. „Was hast du?“ fragte Soichi, der von dem Gespräch nichts mitbekommen hatte. „Nichts weiter“, sagte Morinaga schnell. „Das bedeutet doch, dass es da zwei miteinander… gemacht haben“, kicherte sie. „Tja…“ Kanako schüttelte den Kopf. „Leute gibt’s… Na ja, ich esse dann mal. Guten Appetit.“ Amerika Im riesigen Flughafengebäude des Los Angeles International Airport atmete Tomoe tief durch. „Also, noch mal. Auf keinen Fall das Wort ‚schwul’ erwähnen.“ Kurokawa nickte. „Auf keinen Fall.“ „Kein Wort über die Homo-Ehe hier in Amerika. Und erst recht nicht über die, die vielleicht in Japan erlaubt werden soll. Kein Kuss, keine Umarmung. Am besten wird es sein, wenn du mich überhaupt nicht berührst und immer einen Meter Abstand zu mir hältst.“ „Geht klar.“ „Und nichts positives über Amerika sagen.“ „Verstanden.“ „Puh, hoffentlich geht alles gut. Ich hab ehrlich gesagt etwas Angst, Kurokawa.“ „Ich ja auch. Aber gemeinsam stehen wir das schon durch. Wie wohl seine Verlobte ist?“ „Keine Ahnung. Mein Vater hat am Telefon nur gesagt, dass Soichi sich verlobt hat und dass die beiden mitkommen. Wir haben ja nur ganz kurz telefoniert. Höchstens drei Minuten. Er hat halt nie Zeit.“ „Wahrscheinlich kommt für deinen Bruder nur eine typisch japanische, unterwürfige, traditionelle Hausfrau in Frage. So spießig, wie der ist. Mir tut die arme Frau jetzt schon leid.“ „Ja, mir auch, das kannst du mir glauben. Auf Vaters neue Frau bin ich fast noch mehr gespannt. Du, ich freue mich total, dass er wieder geheiratet hat.“ „Komisch, dass er dich nicht zur Hochzeit eingeladen hat. Meinst du, dein Vater ist sauer, weil du mit mir zusammen bist?“ „Nein, glaube ich nicht. Der weiß ja gar nicht, dass wir ein Paar sind. Der denkt, du wärst nur ein Freund. Ich würde ihm am liebsten die Wahrheit sagen. Aber solange Soichi dabei ist, werde ich mich hüten, das Thema anzusprechen. Vielleicht kann ich mit Vater darüber reden, wenn er uns später noch einmal alleine besucht.“ „Und wenn dein Bruder ihm schon alles erzählt hat?“ „Das hätte mir mein Vater gesagt.“ „Merkwürdig auch, dass er dir nicht einmal Fotos von der Hochzeit geschickt hat.“ „Stimmt. Und den Namen seiner neuen Frau hat er auch nicht erwähnt. Aber den werden wir spätestens erfahren, wenn er hier ist. Er hat ja gesagt, er bringt sein ‚Schätzchen’ mit.“ Tomoe zog die Stirn in Falten. „Ich kann nicht ganz verstehen, dass mein Bruder sich gerade jetzt verlobt hat. Er hat doch erst vor kurzem mit einem Bekannten zusammen eine WG gegründet. Dann muss er die ja wieder auflösen.“ „Du, ich finde das irgendwie seltsam, dass er sich ausgerechnet mit Morinaga eine Wohnung teilt. Homophob, wie er ist, hat er doch bestimmt die ganze Zeit Angst, dass der sich an ihn ranmacht.“ „Ja, das ist mir auch unbegreiflich. Vor allem, weil er ja weiß, dass Morinaga ihn mal heimlich im Schlaf geküsst hat. Nachdem er das damals herausgefunden hat, war ich davon ausgegangen, dass er Morinaga nie wieder sehen will.“ „Ob deine Schwester immer noch glaubt, dass die beiden ein Paar sind?“ „Bestimmt nicht“, lachte Tomoe. „Soichi wird ihr das schon ausgeredet haben.“ „Ist ja auch ein absurder Gedanke. Oh, das Wichtigste hätten wir beinahe vergessen. Er darf unter keinen Umständen rauskriegen, das wir beide uns auch…“ „Hey, ist er das?“ Tomoe winkte jemandem zu. „Soichi!! Hier sind wir!!“ Einen Koffer hinter sich herziehend kam Soichi auf die beiden zu. „Nanu, er kommt alleine?“ wunderte sich Kurokawa. „Und ist das nicht Morinaga da neben ihm?“ „Ja, aber wieso…“ „Hallo, Tomoe!“ rief Soichi und nahm seinen kleinen Bruder, der völlig sprachlos war, in die Arme. Morinaga umarmte Kurokawa seinerseits. „Lange nicht gesehen, Mann!“ „Das kann man wohl sagen…“, meinte der. „Ja… willkommen hier in Amerika.“ Und dann standen sich Soichi und Kurokawa gegenüber. „Kurokawa“, sagte Soichi. „Hallo.“ „Hallo… Tatsumi.“ „Wo ist denn Vater? Und Kanako?“ Verwundert sah Soichi Tomoe an. „Die kommen übermorgen oder so nach. Hat Vater dir das nicht gesagt?“ „Nein. Und… deine Verlobte?“ Soichis Augen verengten sich. „Wieso Verlobte?“ Wie konnte sein kleiner Bruder es wagen, Morinaga als seine Verlobte zu bezeichnen? „Vater hat am Telefon total von ihr geschwärmt. Sie sei sehr nett, meinte er.“ „Sie? Hat er das wirklich gesagt?“ „Also, genau genommen hat er gesagt, dass du dich verlobt hast. Und einen besseren Menschen hättest du gar nicht finden können, und ihr wäret ein ganz tolles Paar und so glücklich miteinander…“ „So, hat er das?“ Langsam begriff Soichi. Sein Vater hatte also nichts gesagt. Typisch. „Es gibt keine Verlobte.“ „Nein? Habt ihr euch etwa wieder getrennt?“ Tomoe sah auf die Hand seines Bruders. „Du trägst ja einen Verlobungsring! Es stimmt also doch. Du hast dich verlobt.“ „Natürlich stimmt das.“ Und nun fiel Tomoe auf, dass auch an Morinagas Finger ein Ring steckte. „Oh, Sie haben sich auch verlobt? Ich dachte, Sie wären schw…“ Er unterbrach sich im letzten Moment. Beinahe hätte er das Wort ausgesprochen. Das war gerade noch mal gut gegangen. „Ich meine… äh…“ Aber Morinaga hatte den Satz auch so verstanden. „Doch, doch. Das ist schon richtig. Und ich habe mich mit einem Mann verlobt.“ Ihm war ebenso wie Soichi klar, dass weder Tomoe noch Kurokawa Bescheid wussten. „Schließlich ist in Japan die Homo-Ehe schon seit längerer Zeit im Gespräch, und wir können hoffentlich bald heiraten.“ „Gra-gratulation“, stotterte Kurokawa, der nicht verstand, warum Soichi bei dem Wort ‚Homo-Ehe’ nicht sofort ausrastete. „Danke.“ Morinaga legte einen Arm um Soichi. „Ja. Wir sind sehr glücklich.“ Er lächelte Tomoe an. „Genau, wie euer Vater gesagt hat.“ „Wir?“ Tomoe starrte auf Morinagas Hand, die an Soichis Hüfte lag. „Wieso…“ Er blickte seinem Bruder verwirrt ins Gesicht. „Wieso lässt du dich von einem Mann umarmen?“ „Hast du nicht zugehört, was Tetsuhiro gesagt hat?“ „Wer ist Tetsuhiro?“ fragte Tomoe. „Na, ich. Was Soichi sagen will, ist…“ „… dass Tetsuhiro und ich uns miteinander verlobt haben.“ Soichi nickte. „So. Jetzt ist es raus.“ Tomoe schnappte nach Luft. „Das ist doch ein Witz! Ihr wollt uns verarschen!“ „Was ist denn das für ein Vokabular? Diese Amerikaner haben keinen guten Einfluss auf dich. Ich hätte nie zustimmen dürfen, dass du hierher ziehst.“ Kurokawa räusperte sich. „Okay, ihr habt euren Spaß gehabt. Hört jetzt auf damit.“ Soichi zuckte die Schultern und nahm den Koffer. „Wenn du meinst. Wie wär’s, wollen wir irgendwo was essen, bevor wir zu euch nach hause fahren?“ „Äh… ja. Hier… am Flughafen gibt es… ganz tolle Restaurants“, stammelte Tomoe mühevoll. „Guck, da vorne ist ein japanisches. Wollen wir… da…“ „Ach, nein. Japanisch essen kann ich auch zuhause. Wie wäre es mit dem?“ Soichi zeigte auf eine grelle Leuchtreklame. „Einen Hamburger könnte ich jetzt wohl vertragen.“ „Aber du hasst doch amerikanisches Essen!“ „Wie kommst du darauf?“ „Weil du alles Amerikanische hasst! Was soll das überhaupt?“ schniefte Tomoe. Er sah aus, als müsste er im nächsten Moment losheulen. „Was ist los mit dir? Du bist ganz anders!“ „Ja, du bist richtig nett“, fand auch Kurokawa. „Danke“, sagte Soichi nur, und es war nicht herauszuhören, ob er das auch wirklich so meinte. „Also gut. Dann gehen wir jetzt was essen“, entschied Tomoe. Etwas später saßen sie in dem Burger-Restaurant am Flughafen. Soichi und Morinaga hatten sich zwei riesige Hamburger bestellt. Tomoe und Kurokawa hingegen war der Appetit vergangen. „Hm, gar nicht so schlimm, wie ich zuerst dachte, dieses amerikanische Essen“, meinte Soichi mit vollem Mund. „So, jetzt will ich endlich eine rauchen. Den ganzen Flug über konnte ich das nicht, und als wir in Honolulu zwischengelandet sind, blieb auch keine Zeit für eine Zigarette.“ „Geht nicht“, sagte Tomoe schnell. „In Amerika ist es verboten, in Restaurants und öffentlichen Gebäuden zu rauchen.“ „Was?“ Soichi erhob sich. „Dann eben nicht.“ „Wo willst du hin?“ fragte Tomoe. „Ich rauche draußen eine.“ „Bleib hier. Man darf draußen nicht rauchen.“ Soichi lachte auf. „Ja, sicher. Also, bis gleich.“ „Das ist wirklich so! Du darfst das in Amerika nicht! Sonst wirst du verhaftet!“ „Was Tomoe sagt, stimmt“, meinte Kurokawa. „Und wo soll man sonst bitteschön rauchen? Wer denkt sich solche bescheuerten Gesetze aus?“ „In Privaträumen darf man rauchen“, sagte Kurokawa. „Ach, verdammt. Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich nie hierher gekommen. Ha, Amerika. Was soll man da schon groß erwarten? Sind doch alles Spinner hier.“ Er setzte sich wieder hin. „Sag das bitte nicht so laut“, flüsterte Tomoe. „Nicht, dass sie dich noch festnehmen.“ „Ist ja gut. Dann rauche ich eben später. Wenn die hier drin ihre ach so tolle amerikanische Luft rein halten wollen, bitte.“ „Hat doch auch Vorteile“, meinte Morinaga. „Wenigstens ist es hier im Restaurant nicht so stickig wie im ‚Adamsite’.“ „Okay, so gesehen hast du Recht“, stimmte Soichi zu. „Da hält man es kaum aus.“ Kurokawa brach in einen Hustenanfall aus. „Bitte, wo? Im ‚Adamsite’?“ „Ja, da waren wir letztes Wochenende. Tetsuhiro, Hiroto, sein Freund Yashiro und ich. “ „Was ist denn ‚Adamsite’?“ fragte Tomoe ahnungslos. „Das ist eine…“, Kurokawa wusste nicht, wie er es sagen sollte, ohne dabei das Wort zu erwähnen, „… eine Art Kneipe.“ „Es ist eine Schwulenbar“, sagte Soichi. Tomoe starrte ihn an. „Was… wolltest du denn da?“ „Wir haben Hirotos Geburtstag gefeiert.“ „Und die haben dich nicht rausgeschmissen?“ „Nein. Wieso sollten sie?“ „Eigentlich hat er fast die ganze Zeit betrunken an der Theke gesessen“, lachte Morinaga. „Oh.“ Er zeigte auf Soichis Wange. „Du hast da Ketchup im Gesicht.“ „Wo?“ „Warte…“ Morinaga reichte über den Tisch, streifte den Ketchup mit dem Zeigefinger von seiner Wange und leckte ihn vom Finger ab. Schockiert stand Tomoe auf. „Kommst du mal kurz mit, Kurokawa?“ „Ja…“ Die beiden verzogen sich in eine andere Ecke des Restaurants. „Hast du das gesehen?“ fragte Tomoe. „Und ob. Was war das denn jetzt? Die benehmen sich wie zwei Verliebte!“ „Ich verstehe das nicht! Es ist, als ob sie ihn ausgetauscht hätten!“ „Er hat nicht zufällig noch einen Zwillingsbruder, von dem du nichts weißt?“ „Schön wär’s…“ Tomoe sah Kurokawa betroffen an. „Ich… ich weiß gar nicht, wie ich jetzt damit umgehen soll.“ „Du meinst, du nimmst ihm das ab, dass sie zusammen sind?“ „Nein, ich meine, dass er auf einmal so freundlich ist.“ „Aber warum tut er so, als ob er schwul wäre? Ausgerechnet er!“ „Woher soll ich das denn wissen?!“ schluchzte Tomoe laut. „Entschuldige. Ich wollte dich nicht anschreien. Das alles ist nur wieder eine neue Art von Psychoterror, den sich mein Bruder ausgedacht hat.“ „Aber das ergibt doch gar keinen Sinn.“ „Nein… oder…“ „Was ist?“ „Genau… so muss es sein. Ich weiß jetzt, was das soll! Soichi weiß doch, dass wir beide hier in Amerika heiraten können.“ „Das hat er dir ja am Telefon höchstpersönlich erzählt.“ „Eben. Wahrscheinlich ahnt er, dass wir vorhaben, zu heiraten. Und jetzt machen die einen auf schwul, um uns in Sicherheit zu wiegen. Er wartet bestimmt darauf, dass ich sage: ‚Ach, du hast dich mit einem Mann verlobt, dann kann ich es dir ja sagen. Ich habe auch vor, einen Mann zu heiraten.’ Und sobald er das weiß, zeigt er sein wahres Gesicht!“ „Meinst du? Und dafür betreibt er so einen Aufwand? Nein…“ Kurokawa schüttelte den Kopf. „Das Verrückte dabei ist, dass das alles so echt wirkt. Als ob die das wirklich ernst meinen. Hast du den Knutschfleck an seinem Hals gesehen?“ „Den kann er auch von einer Frau haben. Oder er hat sich den mit einem Staubsauger gemacht.“ „Und was ist, wenn er Mitglied in einer Sekte geworden ist?“ „Das könnte natürlich sein… Es soll ja Sekten geben, die einen umpolen. Obwohl ich gehört habe, dass das gar nicht funktionieren kann.“ Soichi winkte zu ihnen herüber. „Ich glaube, dein Bruder will, dass wir zurückkommen.“ „Gut, gehen wir. Am besten, wir tun so, als ob alles in Ordnung ist und gehen gar nicht weiter auf diesen Unsinn ein.“ „Ja.“ Sie setzten sich wieder zu den beiden anderen. Soichi aß gerade den Rest seines Hamburgers. „Hör mal, Tomoe. Ich kann ja verstehen, dass das im Moment nicht so leicht für dich ist. Und dass du es vielleicht etwas seltsam findest, dass dein großer Bruder mit einem Mann zusammen ist.“ „Schon… okay.“ „Es tut mir auch leid, dass wir dich jetzt so damit überrumpelt haben. Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass du schon alles weißt. Dass Vater dir alles erzählt hat. Wie auch immer, du weißt es ja nun.“ „Da gratulier ich auch schön“, meinte Kurokawa bissig. „Ladet ihr uns denn zu eurer Hochzeit ein?“ „Das brauchst du gar nicht in so einem Ton zu sagen“, entgegnete Soichi verärgert. „Du glaubst uns wohl nicht, was?“ „Erwartest du ernsthaft, dass wir das glauben?!“ rief Kurokawa wütend. „Du musst uns schon für reichlich beschränkt halten!!“ „Pst!“ zischte Tomoe. „Wir wollten doch so tun…“ Kurokawa unterbrach ihn. „Wenn ihr wirklich zusammen seid, dann küsst euch doch mal! Na los!“ Soichi sprang auf, langte über den Tisch und packte Kurokawa, der ihm schräg gegenüber saß, am Kragen. „Ich küsse Tetsuhiro, wann ich es will, und nicht, wenn du es mir befiehlst! Verstanden?!“ „Oh ja, ich habe verstanden! Aber die Ausrede zieht bei mir nicht! Als ob du jemals einen Mann küssen würdest!“ „Es reicht mir jetzt, Kurokawa! Ich komme doch nicht den weiten Weg hierher nach Amerika, um mich von dir runtermachen zu lassen! Wie gut, dass wir noch am Flughafen sind. Tetsuhiro, wir nehmen die nächste Maschine nach Japan.“ „Hört auf zu streiten!“ bat Tomoe flehend. „Ja. Lass gut sein, Soichi“, stimmte auch Morinaga zu und stand auf. „Wir sollten jetzt am besten zu euch nach Hause fahren und unseren Koffer auspacken.“ Sie hatten den Koffer und die Reisetasche, die sie als Handgepäck mitgenommen hatten, ins Auto geladen und waren auf dem Weg zur Wohnung der beiden. Während sie vor einer roten Ampel hielten, sagte Tomoe plötzlich: „Guck, da vorne ist Rick. Fahr bitte rechts ran, Kurokawa.“ Und mit einem Blick auf die Rückbank, auf der sein Bruder und dessen angeblicher Verlobter saßen, fügte er hinzu: „Ich muss mal vernünftige Leute sehen, sonst verliere ich völlig den Verstand.“ Als Kurokawa gehalten hatte, stieg Tomoe aus. „Hi, Rick!“ „Hey, Tomoe!“ „Kommt, steigen wir auch einen Moment aus“, schlug Kurokawa vor. „Hi, boys!“ begrüßte Rick die drei anderen. „Well, wen haben wir denn da? Bist du nicht der big brother von Tomoe? Soichi? All right, Tomoe hat ja gesagt, dass du vorbeikommst. Oh, ganz allein? Ich dachte, du bringst deine Verlobte mit?“ „Es gab da ein kleines Missverständnis“, sagte Soichi. Abschätzend musterte Rick Morinaga von oben nach unten. „Hi. Und wer bist du?“ „Morinaga Tetsuhiro. Hallo. Freut mich, dich kennen zu lernen.“ „Tetsuhiro, so…“ Rick ging auf ihn zu und lächelte ihn viel sagend an. „Ganz alleine hier in den Staaten? Soll ich dir ein bisschen was von L.A. zeigen?“ Soichi trat zwischen die beiden. „Das reicht jetzt.“ „Ach, sei kein Spielverderber, Soichi. Während du deinen süßen Bruder besuchst, kann ich mich in der Zeit doch ein bisschen um euren Freund kümmern und ihm die Clubs in der City zeigen. Was meinst du, Tetsuhiro?“ Er zwinkerte Morinaga zu. „Danke, nein!“ antwortete Soichi, dem es gar nicht passte, dass Rick sie so vertraut ansprach. „Kann er das nicht selber entscheiden? Who is he? Dein boyfriend, right? Ja, ja, als wir uns das erste Mal gesehen haben, dachte ich mir schon, dass du einer von uns bist.“ Rick grinste. „Damals, als du mit Mitsugu im Flur geschmust hast.“ Tomoe und Morinaga blickten erst Rick erschüttert an, dann Soichi und Kurokawa. „Was meinst du?“ fragte Tomoe bestürzt. „Ist das wahr?“ „Als ob ich den freiwillig anfassen würde!“ Soichi schüttelte sich. „Ganz meine Meinung!“ sagte Kurokawa mit Nachdruck und nahm Tomoes Hand. „Von dem, was Rick sagt, stimmt kein Wort, Tatsumi!“ „Ehrlich?“ „Ja! Ich fang doch nichts mit deinem Bruder an!“ Tomoe lachte erleichtert auf. „Natürlich nicht. Wie konnte ich nur so etwas annehmen?“ Rick hakte sich bei Tomoe unter. „Hey, wollt ihr nicht noch mit zu mir kommen? Ich lade euch auf ’ne Cola ein. Du kannst dann auch gleich die DVD mitnehmen, die ich dir leihen wollte. Lasst den Wagen einfach hier stehen. Und, Tomoe? Was hast du heute von deinem Mitsugu zum Valentinstag bekommen?“ „Ach, weißt du, bei uns in Japan verschenken nur Mädchen etwas zum Valentinstag“, antwortete Tomoe, während die fünf zu Ricks Apartment gingen, das ganz in der Nähe war. „Wir sind aber in America, Darling. Heißt das, du hast nichts bekommen?“ „Nein. Und was ist mit dir? Hat Phil dir etwas geschenkt?“ „Oh, verschone mich mit dem! Er will nachher noch vorbeikommen, hat er gesagt.“ „Hast du etwas für ihn?“ „No, ich schenke ihm nichts. Wenn ich das mache, werde ich ihn nie wieder los.“ „Aber ihr seid doch jetzt wieder ein Paar.“ „Du bist really sweet, Tomoe. Phil und ich sind kein Paar. Das, was wir machen, hat damit nichts zu tun.” „Hm… du, Rick? Hast du das eben ernst gemeint? Glaubst du Soichi wirklich, dass er sich mit ihm verlobt hat?“ „What? Verlobt?“ Rick zeigte auf Soichi und Morinaga. „Ihr beide? Oh my goodness, ihr tragt sogar Ringe! Du, Tomoe, dann kannst du es deinem brother doch sagen, oder nicht?“ „Rick, nicht…“ „Tomoe und Mitsugu haben sich nämlich auch miteinander verlobt!“ Sie hielten an. Tomoe schossen die Tränen in die Augen. Es war geschehen. Rick hatte es ausgesprochen. Damit wusste sein Bruder nun Bescheid. Soichi schluckte. „Das war ja vorauszusehen.“ „Bitte sei nicht böse!“ Kurokawa trat schützend vor Tomoe. „Wir hätten es dir bestimmt gesagt!“ „So? Wann? Nach eurer Hochzeit?“ „Wir… sag mal, wieso bleibst du so ruhig?“ fragte Kurokawa verwirrt. „Hätte ich denn einen Grund, laut zu werden?“ „Ja!!“ schrie Tomoe mit tränenüberströmtem Gesicht. „Du kannst jetzt dein ganzes falsches schwules Verhalten ablegen und uns endlich sagen, was du schon die ganze Zeit sagen willst!!“ „Schrei mich nicht an, Tomoe!!“ „Doch!! Warum benimmst du dich nicht einfach normal?! Merkst du nicht, dass du uns allen Angst machst, wenn du so nett bist?!“ „Der einzige, der sich hier nicht normal benimmt, bist du. Jetzt beruhige dich endlich, und akzeptiere mich so, wie ich bin.“ Dann sah er Rick an. „Wollten wir nicht zu dir?“ „Yes. Nur noch um die eine Ecke, dann sind wir da.“ Soichi setzte sich in Bewegung, die anderen folgten einen Moment später. Er war nicht scharf darauf, zu diesem Amerikaner in die Wohnung zu gehen, aber er spürte, dass er bald durchdrehen würde, wenn er nicht endlich die Gelegenheit bekam, eine Zigarette zu rauchen. Während der Fahrt vorhin hatten sich Tomoe und Kurokawa dagegen ausgesprochen, da sie nicht wollten, dass in ihrem Auto geraucht wurde. Und langsam aber sicher machte sich der Nikotinentzug bemerkbar. Ein paar Minuten darauf waren sie in Ricks kleinem Apartment und hatten im Wohnzimmer Platz genommen. Tomoe schniefte noch immer vor sich hin. Rick kam gerade mit fünf Gläsern und zwei Flaschen Cola aus der Küche, als Soichi das Feuerzeug anstellte. „No!!“ „Was?“ Soichi nahm erschrocken den Daumen von Feuerzeug, so dass die Flamme ausging. „Sorry, aber hier drin wird nicht geraucht.“ „Wieso nicht?!“ „Das hier ist eine Nichtraucherwohnung. Mein Vermieter würde mir sofort kündigen, wenn er rauskriegt, dass hier geraucht wurde.“ „Es ist nur eine einzige Zigarette!“ „No.“ Verärgert steckte Soichi Zigaretten und Feuerzeug wieder weg. Rick schenkte ihnen Cola ein, griff in das Regal neben dem Fernseher und legte eine DVD vor Tomoe auf den Tisch. „Hier, Darling.“ „Danke. Ich gebe sie dir dann in ein paar Tagen zurück“, sagte Tomoe und putzte sich die Nase. „Lass dir ruhig Zeit.“ „Was ist denn das für ein Film?“ Soichi nahm sich die DVD und las den englischen Titel. „‚Bro… ke… back…’ Ach so. Das ist der mit den Cowboys.“ Fassungslos sah Tomoe ihn an. „Jetzt sag nicht, dass du den kennst.“ „Als ob ich mir so was angucken würde! Tetsuhiro wollte sich den mit mir zusammen im Kino ansehen, aber ich hatte keine Lust dazu.“ „Das wundert mich nun überhaupt nicht“, sagte Kurokawa. „Na ja, Soichi meinte, der wäre ihm zu amerikanisch. Ich bin dann mit Hiroto ins Kino gegangen.“ Morinaga nahm Soichi den Film aus der Hand. „Wusste gar nicht, dass es den hier schon auf DVD gibt.“ Rick setzte ich neben ihm auf das Sofa. „Yes, hier in America gibt es so einiges“, sagte er und rückte näher an ihn heran. „Ich hab noch ein paar gute Filme. Willst du…“ „Er will nicht!“ unterbrach ihn Soichi. Da klingelte es. „Ihr entschuldigt mich kurz.“ Rick ging zur Haustür und öffnete. Es war kein Mensch zu sehen. Auf dem Flur im Treppenhaus stand eine große Kiste aus Holz. Darauf lag ein Zettel. ‚Lieber Rick, bitte bring die Kiste in deine Wohnung und öffne sie dort. Einfach den Deckel abheben.’ „Phil…“ murmelte Rick und schob die Kiste an. Sie war schwer, aber da sie auf einem Rollbrett stand, war es relativ einfach, sie durch die Tür zu bekommen. „Was ist das denn?“ rief Kurokawa. „Mein Valentinstagsgeschenk von Phil, schätze ich.“ Wie auf dem Zettel gewünscht, nahm er den Holzdeckel ab. Die Wände der Kiste klappten auseinander und zum Vorschein kam eine übergroße Torte aus Pappmaché. „Nein…“ Rick seufzte auf. „Komm schon raus da, Phil.“ Der obere Teil der Torte wurde von innen abgehoben, und dann stand Phil in voller Lebensgröße vor ihnen. Nackt. „Alles Liebe zum Valentinstag, Rick!“ Soichi schrie entsetzt auf und hielt Tomoe die Augen zu. Morinaga, der neben ihm saß, starrte auf Phils Mitte. „Würdest du bitte woanders hingucken?!“ fuhr Soichi ihn an. „Äh… oh, sicher.“ Morinaga wurde rot und sah zur Seite. „Entschuldigung…“ Phil sah sich um. „Oh. Du hast Gäste.“ „Halt dir gefälligst was davor!!“ kommandierte Soichi mit bebender Stimme, ohne Phil dabei anzusehen. Phil nahm seelenruhig das Stück Pappmaché, das eben noch oben auf der Torte gelegen hatte und hielt es vor sich. Erleichtert nahm Soichi die Hand von den Augen seines Bruders. „Wie um alles in der Welt bist du in die Torte gekommen und hast danach die Kiste noch zugekriegt?“ fragte Rick. „Ein Freund hat mir dabei geholfen. Er war es auch, der geklingelt hat.“ „Und das ist jetzt also dein Valentinstagsgeschenk, ja?“ „Ja, aber das ist noch nicht alles. Lieber Rick, ich möchte dich fragen, ob du mich heiraten willst.“ „Nein!” sagte Rick entschieden. Enttäuscht senkte Phil den Kopf. „Warum denn nicht?“ „Wie kann ich jemanden heiraten, mit dem ich nicht mal zusammen bin?!“ „Aber wir sind doch zusammen.“ „Sind wir nicht!“ „Wir schlafen miteinander.“ „Ja, das war’s dann auch schon!“ „Ich dachte, du liebst mich…“ „Das tue ich nicht! Und außerdem will ich nicht mit einem Mann zusammen sein, dem ich alles sagen muss!“ „Ich habe aber gar nichts dagegen, wenn du mir sagst, was ich tun soll“, meinte Phil ehrlich. „Hör mal. Wenn ich tatsächlich eines Tages eine feste Beziehung mit jemandem eingehen sollte, will ich einen richtigen Mann, der seine eigene Meinung hat. Nicht so ein Weichei wie dich!“ Die anderen sahen Rick bestürzt an. Phil tat ihnen leid. Aber diesem schienen Ricks Worte nicht viel auszumachen. „Aber Tomoe findest du doch auch toll. Und der ist auch kein richtiger Mann. Mehr ein Kind.“ „Ach, mit Tomoe ist das etwas anderes. Tomoe ist niedlich. Den muss man einfach lieben. Phil, es hat keinen Zweck mit uns beiden. Sobald wir wieder eine richtige Beziehung miteinander haben, fängst du an, mir Vorwürfe zu machen, wenn ich mit jemand anderem schlafe.“ „Wenn wir erstmal zusammen sind, wirst du merken, dass du keine anderen Männer brauchst.“ „Nein, Phil! Ich will das nicht!“ „Das ist wirklich schade. Dann… oh, mir fällt ein, ich habe ja noch ein anderes Geschenk für dich.“ „Du hast noch etwas?“ „Ja. Hier.“ Phil nahm ein kleines Päckchen aus der Torte und hielt es ihm hin. Rick riss das mit Herzchen bedruckte Papier ab. „Plüschhandschellen?!“ „Ja. Dann kannst du mit mir machen, was du willst.“ „Das kann ich auch so.“ Rick ließ die Handschellen um seinen Zeigerfinger kreisen. „Also wirklich. So ein Kinderkram.“ Er reichte sie Tomoe. „Das ist mehr was für dich. Alles Gute zum Valentinstag!“ „Äh… danke“, sagte Tomoe überrascht. Soichi nahm sie ihm weg. „Kommt gar nicht in Frage! Für so was bist du noch viel zu klein.“ „Aber Rick hat sie mir geschenkt!“ „Dann geben wir sie ihm eben zurück.“ Und damit drückte Soichi Rick das Geschenk wieder in die Hand. Der schüttelte den Kopf. „Ich will das Kinderspielzeug nicht haben. Wie es aussieht, bleibt damit nur noch einer übrig. Da du nicht willst, dass Tomoe sie bekommt, brauche ich sie Mitsugu gar nicht erst zu geben.“ Er setzte sich wieder neben Morinaga und strahlte ihn an. „Bitte, Tetsuhiro. Viel Spaß damit.“ „Danke“, murmelte Morinaga verlegen und strich mit den Fingerspitzen über den schwarzen Plüschbezug. „Und denk daran, sie im Koffer zu transportieren, wenn ihr zurück nach Japan fliegt“, sagte Rick weise. „Wenn du sie ins Handgepäck tust, könnte das bei der Metall-Kontrolle am Flughafen sonst peinlich für euch werden.“ Morinaga ließ die Handschellen in seiner Jackentasche verschwinden. „Ich werde daran denken.“ „Was willst du denn mit den Dingern?“ fragte Soichi mürrisch. „Lass die hier.“ „Nein.“ Phil stieg aus der Torte. „Soll ich lieber gehen?“ Rick sah ihn genervt an. „Musst du wissen. Von mir aus bleib.“ „Aber ich glaube, wir gehen jetzt besser“, sagte Kurokawa. „Danke für die Cola.“ „Keine Ursache.“ Rick brachte die vier zur Tür. „Bye-bye!“ In der geräumigen Wohnung von Tomoe und Kurokawa stellte Soichi das Gepäck im Gästezimmer ab. Tomoe baute sich vor seinem Bruder auf. „Wie lange wollt ihr dieses Spiel noch mit uns treiben?“ Soichi antwortet nicht. Er setzte sich auf das Bett und wollte nach seinen Zigaretten greifen. „Hey, das geht aber nicht! Kurokawa und ich sind beide Nichtraucher. Wir möchten nicht, dass du uns hier die Bude voll qualmst.“ „Wie bitte? Dein toller Kurokawa hat doch vorhin gesagt, in Privaträumen darf geraucht werden!“ „Ja, aber zu entscheiden haben das letztendlich die Besitzer.“ „Willst du mir jetzt allen Ernstes weismachen, dass du als mein kleiner Bruder mir das verbieten willst?“ „Ja“, sagte Tomoe entschlossen. „Das ist doch die Höhe!“ Soichi stand auf und ging ins Wohnzimmer. „Möchtest du stattdessen etwas trinken?“ fragte Kurokawa vorsichtig. „Wir haben zwar keinen Alkohol da, aber…“ „Dann will ich einen Kaffee“, sagte Soichi unfreundlich und nahm auf dem Sofa Platz. „Ja, gerne.“ Kurokawa eilte in die Küche. „Brauchst du Hilfe?“ rief Morinaga ihm hinterher. Als keine Antwort kam, ging er zu ihm. „Tut mir wirklich leid, dass er so schlecht drauf ist. Normalerweise ist er nicht so. Ich weiß ja, dass er viel raucht, aber dass er derart abhängig davon ist, war mir auch nicht bewusst.“ Kurokawa sah ihn verzweifelt an. „Was heißt hier, normalerweise? Er ist überhaupt nicht mehr normal! Was ist denn bloß mit ihm los? Wieso behauptet er, sich mit dir verlobt zu haben? Seid ihr in einer Sekte oder so? Haben die eine Gehirnwäsche mit ihm gemacht? Nimmt er Drogen?“ „Nein. Es ist einfach so, wie wir sagen. Wir lieben uns.“ „Ich habe wirklich gedacht, dass du mir die Wahrheit sagst. Wir sind doch so etwas wie Brüder, Morinaga. Als wir uns damals im ‚Adamsite’ das erste Mal begegnet sind, wusste ich gleich, dass wir seelenverwandt sind. Und gerade deswegen hätte ich erwartet, dass wenigstens du ehrlich zu mir bist. Jetzt sage mir bitte ganz offen, warum er so freundlich und ruhig ist.“ Morinaga nickte. „Ganz einfach. Wir schlafen fast jeden Tag miteinander.“ Kurokawa schluckte. Dann nahm er die volle Kaffeetasse aus dem Automaten, ging damit zu Soichi und stellte sie vor ihm auf den Tisch. Soichi sah verächtlich in die Tasse. „Was ist das?“ „Espresso“, sagte Tomoe, der ihm gegenüber saß. „Ich wollte einen richtigen Kaffee haben und nicht so eine amerikanische Brühe.“ „Das ist richtiger Kaffee! Was anderes haben wir nicht hier! Trink den oder lass ihn stehen!“ Tomoe hatte genug. „Weißt du was? Mir ist das alles zu blöd! Ich gehe jetzt und komme heute Abend irgendwann wieder! Kommst du mit, Kurokawa?“ „Ja… ja.“ Kurokawa stolperte in Richtung Wohnungstür. „Wo wollt ihr denn hin?“ rief Soichi seinem Bruder nach. „Weiß ich nicht. Irgendwohin, wo normale Leute sind. Tschüß!“ verabschiedete sich Tomoe gereizt. „Warte! Wenn ihr schon rausgeht… gibt es da irgendwo eine Apotheke in der Nähe?“ „Ja, ein paar Blocks weiter ist eine. Wieso?“ „Bring mir eine Schachtel Nikotinpflaster mit. Oder besser noch zwei. Und Nikotinkaugummis. Ich gebe dir das Geld dafür nachher wieder.“ „Okay. Aber rechne nicht damit, dass ich dir die jetzt sofort hole. Wenn wir nachher wiederkommen, bring ich die mit.“ Die beiden Männer schlugen die Tür hinter sich zu. Soichi fasste sich an den Kopf. „Scheiße…“ „Die werden sich schon an den Gedanken gewöhnen. Gib ihnen Zeit.“ „Das meine ich überhaupt nicht! Mir doch egal, was die denken! Ich hab verdammte Kopfschmerzen.“ „Du bist auch ganz blass.“ „Ich habe, seit wir aus Japan weg sind, nicht eine einzige Zigarette geraucht.“ Er nahm die Schachtel wieder aus seiner Jacke. „Was machst du? Die wollen doch nicht, dass du…“ „Ja, und?“ Er stand auf und wollte ein Fenster öffnen. „Bis die zurück sind, ist das rausgelüftet.“ Morinaga stürzte auf ihn zu und riss ihm das Feuerzeug aus der Hand. „Nein! Lass es!“ „Was fällt dir ein, mir das verbieten zu wollen? Für wen hältst du dich eigentlich? Gib das sofort wieder her!“ „Ich will nur nicht, dass du dir Ärger einhandelst.“ Er nahm Soichi die Zigarette aus dem Mund und legte sie und das Feuerzeug beiseite. „Wir fliegen in ein paar Tagen nach Nagoya zurück. Dann kannst du soviel rauchen, wie du willst.“ „In ein paar Tagen? Wie soll ich das denn ein paar Tage aushalten? Was ist das für ein Land, in dem man sich nicht normal benehmen kann?“ Er schleuderte die Zigarettenschachtel zu Boden. „Was bin ich für ein Idiot gewesen, überhaupt hierher zu fliegen? Ich hätte wissen müssen, dass es so kommt! Verdammter Mist! Ich hasse dieses Land!“ „Jetzt ist es aber langsam mal gut, oder?“ fragte Morinaga genervt. „Ja, es ist gut. Wir fliegen zurück.“ „Bitte, was?“ „Wenn du hier bleiben willst, bleib. Ich tue es nicht.“ Er nahm den Telefonhörer ab. „Wen rufst du an?“ „Den Flughafen. Ich buche meinen Rückflug um.“ „Hast du denn die Nummer?“ „Verdammt! Nein.“ Er legte wieder auf. „Wo habe ich die aufgeschrieben? Steht die vielleicht auf den Tickets…“ „Warte.“ „Was ist denn?“ „Wäre das jetzt nicht eine gute Gelegenheit, damit aufzuhören?“ „Mit dem Rauchen? Vergiss es. Ich kann das nicht.“ „Hast du es denn schon einmal versucht?“ Soichi schüttelte den Kopf. „Seit wann rauchst du eigentlich?“ „Seit ich fünfzehn bin. Ich habe damit angefangen, als…“ „Verstehe.“ Morinaga schloss ihn in die Arme. „Aber das ist doch jetzt alles aus der Welt geräumt. Die Dinge haben sich geändert. Meinst du nicht, dass du es schaffen könntest?“ „Hör schon auf mit deinem mitleidigen Gerede, ja?!“ „Ich will dir nur helfen!“ rief Morinaga, der jetzt ebenfalls sauer war. „Dann werde doch selber damit fertig!“ Er sah Soichi an. „Hey, nicht weinen… Ist ja okay, wir fliegen zurück.“ „Ich weine nicht, du Idiot!“ „Ja, ich weiß, du regst dich nur auf…“ Soichi wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. „Ja, verarsch mich nur.“ „Jetzt redest du wie dein kleiner Bruder.“ „Halt dein Maul! Du kannst das überhaupt nicht nachvollziehen! Hast du schon mal so einen Entzug erlebt? Nein? Na also!“ Soichi ließ sich wieder auf das Sofa fallen und trank den Espresso aus. Morinaga setzte sich daneben und legte einen Arm um ihn. „Nein, das habe ich zum Glück wirklich noch nie.“ „Findest du ihn… eigentlich nett?“ „Wen? Wovon redest du jetzt denn?“ „Ich meine diesen Amerikaner.“ „Rick?“ Soichi nickte. „Er ist ganz okay.“ „Mehr nicht?“ „Sag mal, Soichi, was soll das?“ „Er fand dich anscheinend nett. Hat dir sogar etwas geschenkt.“ „Ja, und? Darf er mir nichts schenken? Das hat doch nichts zu bedeuten.“ „Und? Ist er dein Typ?“ Morinaga lachte auf. „Du glaubst, ich will was von ihm?“ Soichi überhörte die Frage. „Und ich habe genau gesehen, wie du diesen anderen Amerikaner angeguckt hast. Vor allem, wo du hingestarrt hast.“ „Wenn der auch so nackt vor mir steht!“ „Man kann den Leuten auch ins Gesicht sehen. Du brauchst mir nichts vorzumachen. Mir ist schon bewusst, dass ich nicht der einzige bin, mit dem du zusammen warst. Ich sehe es doch an meinem Vater. Der kann auch nicht treu sein. Dann dieser Rick. Macht sich an dich ran, obwohl er einen festen Freund hat.“ „So, wie ich das mitgekriegt habe, ist Phil nicht sein fester Freund. Verstehe ich dich richtig? Du gehst davon aus, dass ich dir früher oder später untreu werde?“ Soichi zuckte die Schultern. „Wie viele feste Beziehungen hattest du eigentlich? Zwei?“ „Ja, zwei.“ „Und als du… mit ihm zusammen warst, warst du ihm da treu?“ „Ja.“ „Und er?“ „Ich denke, dass Masaki mir auch treu war.“ „Aber du weißt es nicht.“ „Man kann nie hundertprozentig sicher sein.“ „Mit anderen Worten, ich kann mir auch nicht hundertprozentig sicher sein.“ „Doch, das kannst du. Zwischen uns beiden ist es ganz anders als zwischen Masaki und mir. Zwischen dir und mir besteht ein viel größeres Vertrauen.“ „Als ihr euch damals getrennt habt, hattest du aber noch einige andere Männer, richtig?“ „Warum willst du das jetzt wissen?“ „Wir haben nie wirklich darüber gesprochen. Wie viele waren es?“ „Keine Ahnung.“ „Mehr als zehn?“ „Oh ja, weit mehr.“ „Mehr als… zwanzig?“ „Hör auf. Ich weiß die genaue Zahl nicht. Ich habe sie nicht gezählt. Es waren auf jeden Fall mehr als zwanzig. Das spielt doch jetzt überhaupt keine Rolle mehr. Ich bin mit dir zusammen. Nur, weil dein Vater, genau wie Rick, nebenbei noch andere Männer hat, muss das bei uns nicht auch so laufen. Guck dir zum Beispiel Hiroto an. Der ist total glücklich mit seinem Yashiro. Und ich weiß genau, dass Hiroto nicht fremdgeht, wenn er eine feste Beziehung hat.“ „Die sind auch erst zwei Wochen zusammen.“ „Und was ist mit deinem Bruder und Kurokawa? Die sind sich doch auch treu.“ „Woher willst du das wissen? Diesem Kurokawa traue ich alles zu.“ „Okay, mir reicht es jetzt.“ Morinaga nahm den Arm von Soichis Schultern. „Ich verstehe, dass du dich im Moment nicht gut fühlst. Und ich kann es tatsächlich nicht nachempfinden, was du gerade durchmachst. Ich sage dir jetzt eins, und das meine ich auch so. Ich liebe dich. Ich will mit keinem anderen Mann zusammen sein. Und ich will mit keinem anderen schlafen. Lass die anderen machen, was sie wollen. Lass deinen Vater von mir aus jeden Tag mit einem anderen ins Bett gehen. Das sind Dinge, die jeder für sich selbst entscheiden muss. Für mich ist das jedenfalls nichts. Ich will mit dir zusammen sein. Nur mit dir. Unsere Beziehung ist mir so ernst wie noch nie etwas in meinem Leben. Hast du das jetzt endlich begriffen?“ Er legte sanft seine Finger unter Soichis Kinn. „Sieh mich an.“ Soichi hob seinen Kopf. „Ist ja gut.“ „Das heißt, du glaubst mir?“ „Ja.“ „Und was ist mit dir?“ „Was soll schon sein?“ „Außer mit mir hast du mit keinem anderen Erfahrungen sammeln können. Möchtest du nicht wissen, wie es mit jemand anderem ist?“ „Warum fragst du so was? Du weißt doch genau, dass ich das nicht will.“ „Eben. Und du weißt, dass ich das genau so sehe. Also sollten wir jetzt am besten mit dem Thema aufhören. Oder kann es sein“, Morinaga war ein Gedanke gekommen, „dass du ein wenig gekränkt bist, weil ich es war, der Rick gefallen hat und nicht du?“ Soichi sprang vom Sofa auf. „Als ob ich Wert darauf legen würde, irgend so einem dahergelaufenen Amerikaner zu gefallen!“ „Aha. Ins Schwarze getroffen.“ „Du spinnst doch!“ Nervös fingerte er sich an den Lippen herum. „Verdammt… ich brauche eine Zigarette. Sofort!“ „Vielleicht hilft es dir, wenn du erstmal eine Kleinigkeit isst.“ „Nein, keinen Hunger. Hm… hast du vielleicht Kaugummis dabei?“ „Nein, hab ich nicht.“ „Wenn ich nicht bald irgendwas…“ Suchend sah sich Soichi um. Morinaga dachte kurz über etwas nach, dann stand er auch auf. Langsam fuhr er mit seinem Daumen über Soichis Unterlippe. „Irgendwas?“ Er kam seinem Gesicht näher, streifte den Mund des anderen mit seinen eigenen Lippen und küsste ihn leicht. „Du brauchst das Gefühl, dass dort etwas ist, nicht wahr?“ „Ja…“ „Und wie fühlte sich das an? Hat dir das gereicht?“ „Nein.“ Morinaga küsste ihn noch einmal. Zuerst wieder ganz leicht, dann intensiver. Er stieß mit der Zunge in ihn vor, und schließlich stimmte Soichi mit ein. Atemlos fragte er danach: „Besser?“ „Etwas.“ „Möchtest du… nicht noch einen Schritt weiter gehen?“ Fragend sah Soichi ihn an. „Ich meine unsere Abmachung.“ Soichi zuckte zusammen. Im schlimmsten Fall hatte Morinaga ein lautes ablehnendes ‚nein’ erwartet, aber die Reaktion auf seinen Vorschlag fiel deutlich heftiger aus. „Du bist ein ganz mieses Schwein, Tetsuhiro!!“ Augenblicklich wurde Morinaga klar, dass er den Bogen überspannt hatte. „Tut mir leid! Tut mir leid!!“ „Selbst jetzt nutzt du die Situation noch aus!“ „Ich sage doch, es tut mir leid!“ „Du weißt genau, wie dreckig es mir gerade geht!“ „Ja, doch! Deswegen dachte ich ja… dass es dir vielleicht… helfen könnte. Es tut mir wirklich leid!“ „Gar nichts tut dir leid! Los, komm mit! Wir machen das bei uns im Zimmer. Nicht hier.“ Morinaga glaubte, sich verhört zu haben. „Was, echt jetzt?“ Statt einer Antwort zog Soichi ihn hinter sich her in das Gästezimmer. Morinaga ließ die Tür ins Schloss fallen und küsste ihn erneut. Er nahm ihm die Brille ab, löste sein Haarband und strich ihm durch die langen Haare. „Du bist so lieb…“ „Und du bist ein verdammter Egoist, der mich nur ausnutzt.“ Er zog den Reißverschluss von Morinagas Hose auf. „Dir ist klar, was das für Folgen für dich hat, wenn ich das jetzt tue?“ „Ja.“ Soichi ging vor ihm auf die Knie. „Mach die Augen zu.“ „Wenn es sein muss…“ Er sah nach oben und versicherte sich, dass Morinaga wirklich die Augen geschlossen hatte. Dann tat er es ihm gleich und atmete tief durch. „Okay.“ Tomoe schloss die Tür zur Wohnung auf. „So was blödes. Dabei nehme ich das sonst immer mit, wenn ich rausgehe.“ „Wenn dein Bruder sich so bescheuert benimmt, ist das ja auch kein Wunder.“ Kurokawa blickte sich um. „Nanu? Sind die auch weggegangen?“ Tomoe griff nach seinem Portemonnaie, das auf der Kommode im Wohnzimmer lag. „Ich hab’s. Kommst du?“ „Einen Moment.“ Kurokawa horchte. „Ich glaube, die sind doch da. Ich meine, ich habe gerade etwas aus ihrem Zimmer gehört.“ Er trat vor die Tür des Gästezimmers und fragte leise: „Hallo?“ „Jaaa…“, kam es von drinnen. Morinagas Stimme. Kurokawa drückte die Klinke hinunter und trat ein. Da stand Morinaga, mit dem Rücken an den Kleiderschrank gelehnt. Vor ihm kniete Soichi und… „Nein!“ entfuhr es Kurokawa unwillkürlich. Erschrocken drehte Soichi den Kopf zur Seite. Für den Bruchteil einer Sekunde traf sich sein Blick mit dem Kurokawas. Kreidebleich und schockiert machte Kurokawa auf dem Absatz kehrt und ging zu Tomoe zurück. „Was hast du?“ fragte Tomoe seinen Freund. „Ich hab gerade… etwas gesehen… was gar nicht… sein kann“, stammelte Kurokawa. „Was?“ „Dein Bruder… er hat…“ Die Hand vor den Mund gepresst stürmte Soichi über den Flur und verschwand im Badezimmer, Morinaga hinter ihm her. „Was haben die denn?“ Tomoe hörte, wie im Bad der Wasserhahn voll aufgedreht wurde. „Was wolltest du gerade sagen?“ „Erinnerst du dich noch an das… was Rick… dich letzte Woche gefragt hat? Ob du… bei mir… diese eine Sache… machst? Du weißt schon… das, was dir… so peinlich war.“ Tomoe errötete. „Ach, du meinst… diese Sache…“ „Genau das… meine ich.“ „Aber warum fragst du jetzt danach? Wir machen das doch gar nicht.“ „Wir nicht. Dein Bruder schon.“ „Verdammter Mist!!“ fluchte Soichi und trocknete sich mit einem Handtuch Gesicht und Hände ab. „Wieso kommt der einfach rein?! Perverser Spanner!!“ „Kurokawa kann nichts dafür. Wir hätten die Tür abschließen müssen.“ „Verteidige ihn nicht auch noch! Der hat alles gesehen! Alles!!“ „Ja, das weiß ich selber.“ Morinaga sah ihm zu, wie er den eben zugedrehten Wasserhahn wieder anstellen wollte. Er hielt ihn zurück. „Übertreiben wir es nicht ein bisschen? Es ist doch gar nichts passiert. Du hast es abgebrochen. Und darum…“ „Was? Was, darum?“ „Darum gilt es diesmal nicht.“ „Was?! Natürlich gilt es!! Heute Abend bist du fällig!“ „Abwarten…“ „Los, geh da jetzt hin und sag ihm, dass er Tomoe nichts erzählen soll!“ „Wie du willst“, seufzte Morinaga. „Das kann ja gar nicht sein! Die haben irgendwas anderes gemacht, was nur so aussah, als hätten sie… das… gemacht.“ „Ich weiß doch, was ich gesehen habe!“ „Also, dann…“ Tomoe lief im Wohnzimmer auf und ab. „Vielleicht hat Morinaga meinen Bruder ja dazu gezwungen?“ „Meinst du?“ „Ja. Vielleicht hat er ihn bedroht und gesagt, wenn er… das… nicht macht, tut er ihm etwas Schlimmes an… oder so. Wie im Krimi halt.“ „Nein. Das kann ich mir nicht vorstellen. Morinaga ist wirklich nett. So was würde er nicht machen.“ „Sonst gibt es aber keine logische Erklärung! Es kann einfach nicht sein! Du musst dich geirrt haben!“ Morinaga kam aus dem Bad. „Oh, du bist auch hier“, sagte er, als er Tomoe erblickte. Er wandte sich an Kurokawa. „Hast du… es ihm gesagt?“ Kurokawa nickte. „Ja. Das, was ich da eben gesehen habe… es war doch das, wonach es aussah, oder?“ „Ähm… ja“, antwortete Morinaga. „Tetsuhiro?“ kam es aus der geöffneten Badezimmertür. „Ja?“ „Komm her!“ „Ja.“ Morinaga ging zurück. Soichi machte die Tür von innen zu. „Habe ich das richtig mitgekriegt?“ „Ja. Dein Bruder weiß es.“ „Und jetzt?!“ „Ist doch nicht so schlimm. Dann weiß er es eben.“ „Ich will aber nicht, dass er denkt, dass ich das immer bei dir mache! Geh zu ihm und sag, dass das heute eine Ausnahme war und dass ich das sonst nicht mache!“ „Was bin ich denn, dein Laufbursche? Geh doch selber hin.“ „Ich will ihn jetzt nicht sehen.“ „Willst du bis heute Nacht hier im Bad bleiben?“ „Dann sag ihnen, sie sollen weggehen und erst wiederkommen, wenn ich im Bett bin.“ „Das ist ihre Wohnung. Die werden sich bestimmt nicht von dir rausschmeißen lassen.“ Soichi überlegte kurz, dann zog er sein Portemonnaie aus der hinteren Hosentasche und nahm zwei Hundert-Dollar-Scheine heraus. „Gib ihnen das hier. Sie sollen irgendwo essen gehen. Bitte!“ Morinaga nahm die Scheine entgegen und ging nochmals ins Wohnzimmer. „Soichi fühlt sich im Moment nicht so gut. Könntet ihr… wäre es möglich, dass ihr euch einen schönen Abend in einem Restaurant macht?“ Er gab Tomoe die Geldscheine. „Zweihundert Dollar? Danke…“, sagte Tomoe fassungslos. „Die sind nicht von mir. Soichi hat sie mir gegeben. Er… möchte, dass ihr euch ein paar Stunden Zeit lasst und erst nachher wiederkommt. Das wäre… sehr nett von euch.“ „Okay…“ Tomoe nahm Kurokawa an die Hand und zog ihn in Richtung Tür. „Aber nicht, dass er durchdreht und unsere Wohnung verwüstet, ja?“ „Ich passe auf. Versprochen.“ „Gut… Also, bis später dann.“ „Ja. Vielen Dank. Ach, und um die Nikotinpflaster braucht ihr euch nicht zu kümmern. Ich gehe gleich los und kaufe welche.“ Als Tomoe und Kurokawa aus der Tür waren, kam Soichi aus dem Bad. Er sah aus dem Fenster hinunter auf die Straße, wo die beiden kurz darauf den Fußweg entlanggingen. Dann drehte er sich zu Morinaga, der neben ihm stand und umarmte ihn. „Danke“, flüsterte er. Morinaga streichelte ihm durch die Haare. „Was willst du nachher machen, wenn sie wieder da sind?“ „Ich will hier nicht bleiben. Ich rufe beim Flughafen an und lasse die Flüge umbuchen. Unser Koffer ist ja zum Glück noch nicht ausgepackt. Ich schreibe Tomoe einen Zettel, dass wir weg sind.“ „Oh, wo du gerade vom Koffer sprichst…“ Morinaga griff in die Tasche seiner Jacke, die über der Sofalehne lag, und zog die Handschellen heraus. „Die müssen da noch rein.“ „Schmeiß die Dinger doch weg. Ich weiß wirklich nicht, wozu die gut sein sollen.“ „Och, mir fällt da schon so einiges ein.“ Er ging ins Gästezimmer und verstaute sie im Koffer. Soichi war ihm nachgegangen und lehnte sich in den Türrahmen. „Dir geht’s echt nicht gut, oder?“ fragte Morinaga besorgt. „Mir ist total heiß. Und dann wieder kalt. Immer abwechselnd.“ Er wischte sich mit dem Hemdsärmel über die schweißnasse Stirn. „Willst du dich ein bisschen hinlegen? Ich gehe schnell zur Apotheke und besorge dir diese Pflaster. Vielleicht geht es dir dann wieder besser.“ „Nein, ist schon gut. Ich rufe da jetzt wegen der Flüge an, bestelle uns ein Taxi, und auf dem Weg zum Flughafen hole ich mir die Pflaster selber raus.“ „Lass mich das mit dem Telefonieren machen. Du bist viel zu nervös.“ „Ist gut. Du, ich stelle mich vorher noch mal kurz unter die Dusche.“ Soichi nahm ein paar frische Sachen aus dem Koffer und ging wieder ins Badezimmer. Morinaga hielt den Telefonhörer schon in der Hand, als er es sich anders überlegte und den Hörer wieder losließ. Er konnte es förmlich vor sich sehen, wie Soichi sich jetzt im Bad verführerisch langsam von seinem Hemd befreite. Wie er sein langes Haar zurückwarf, sich mit nacktem Oberkörper an die gläserne Duschtür lehnte, mit den Fingerspitzen über seine Brust fuhr, auf der unzählige winzige Schweißtropfen glänzten und sich ihren Weg nach unten bahnten. Wie er ihn auffordernd ansah und hungrig seinen Namen raunte, nach seiner Berührung verlangte… Als hätten ihn seine Beine von selbst getragen, fand sich Morinaga plötzlich vor dem Badezimmer wieder. Er klopfte an und trat ohne Aufforderung ein. Soichi stand, bereits vollkommen entkleidet, in der Dusche. „Raus hier! Ich kann alleine duschen.“ „So mies, wie du dich im Moment fühlst, ist es besser, ich bleibe bei dir. Sonst brichst du mir hier am Ende noch zusammen.“ „Hast du beim Flughafen angerufen?“ „Nein, noch nicht.“ „Dann sieh zu, dass du das erledigst. Und lass ja die Tür zu! Das wird sonst kalt hier drin.“ Morinaga knöpfte sich sein Hemd auf. „Was soll das werden?“ fragte Soichi und stellte das Wasser an. „Los, verzieh dich! Wage es nicht, mit unter die Dusche zu kommen! Zieh sofort deine Klamotten wieder an und hau ab!“ Doch da war Morinaga schon bei ihm und machte die Duschtür hinter sich zu. „Warum so unfreundlich? Vor ein paar Minuten warst du so lieb…“ „Ich werde dir gleich zeigen, wie lieb ich sein kann! Verschwinde endlich!“ „Du, ich bin vorhin gar nicht fertig geworden.“ Er stellte sich vor ihn legte seine Arme um Soichis Taille. „Bleib mir vom Leibe! Schlimm genug, dass ich das eben gemacht habe! Dafür wirst du nachher teuer bezahlen, das kann ich dir jetzt schon sagen! Mach dich auf was gefasst!“ „Wollen wir… nicht einfach die Abmachung vergessen? Das hast du selber beim Flug hierher gesagt…“ „Hör auf, mich mit diesem leidenden Blick anzugucken! Ich habe dich vorher gefragt, ob es für dich okay ist! Und du hast ja gesagt!“ „Ja, ich weiß“, sagte Morinaga kleinlaut. „Aber… das ist einfach nicht mein Fall.“ „So? Ich hatte vor zwei Wochen einen anderen Eindruck. Es gefällt dir. Du willst es nur nicht zugeben. Feigling!“ Morinaga zog ihn dicht an sich. „Es gibt doch noch so viele andere schöne Dinge, die wir zwei zusammen machen können“, hauchte er in sein Ohr. „Du könntest dich zum Beispiel jetzt umdrehen, dich hier festhalten“, er deutete auf die Halterung des Duschkopfes, „und dann werde ich dich ganz sanft…“ „Ah, das das könnte dir so passen.“ „Danach fühlst du dich bestimmt viel besser.“ „Ach ja?“ Er legte seinerseits die Arme um Morinaga. „Und wie wär’s, wenn du dich da festhältst und deinen Teil der Abmachung jetzt sofort erfüllst?“ „Nein, warte.“ „Was ist denn? Ich mache doch gar nichts.“ „Lass uns diesen blöden Deal wirklich vergessen. Ich habe keine Lust dazu, wenn wir das nur aus einer Verpflichtung heraus tun.“ „Na toll. Damit rückst du jetzt raus, nachdem du deinen Spaß gehabt hast.“ „Wir sollten das in Zukunft nur noch tun, wenn wir beide es wollen.“ „Wenn wir beide es wollen…“ wiederholte Soichi. „Also… ich will es jetzt. Und was ist mir dir?“ Tomoe und Kurokawa saßen auf einer Bank an der Straße, ganz in der Nähe ihrer Wohnung. „Jetzt haben wir zwar die Gewissheit, dass sie das tatsächlich gemacht haben, aber wir wissen immer noch nicht, aus welchem Grund mein Bruder das gemacht hat.“ „Und was ist, wenn es stimmt, was sie uns erzählt haben?“ „Du meinst, sie sind wirklich ein Paar? Nein.“ „Nein, ich kann es mir auch beim besten Willen nicht vorstellen. Aber Morinaga hat mir doch vorhin in der Küche gesagt, dass sie fast jeden Tag miteinander schlafen.“ „Und selbst, wenn das stimmen sollte! Sie sind kein Paar, niemals! Es muss so sein, wie ich eben gesagt habe. Morinaga hat wahrscheinlich irgendwas gegen ihn in der Hand. Es wäre doch möglich, dass Soichi ein Verbrechen begangen hat, von dem Morinaga weiß. Und jetzt erpresst er ihn damit, zur Polizei zu gehen und alles zu verraten, wenn er ihm nicht…“ Tomoe wurde rot. Kurokawa deutete auf die Dollar-Scheine, die Tomoe noch immer in der Hand hielt. „Wollen wir wirklich essen gehen? Ich habe eigentlich gar keinen Hunger. Mir ist das alles irgendwie auf den Magen geschlagen.“ „Ich kriege im Moment auch nichts runter.“ Er steckte die Scheine in die Hosentasche. „Wir können uns ja morgen oder in den nächsten Tagen ein schönes Restaurant aussuchen. Am besten, wenn mein Bruder wieder weg ist. Vielleicht haben wir ja Glück, und er reist früher ab. Dass er hier nirgendwo rauchen darf, scheint ihn ganz schön fertig zu machen. Du, ob er sich wegen des Nikotinentzugs so komisch benimmt?“ fragte Tomoe und lag damit gar nicht mal so falsch. „Könnte sein. Meinst du, er wird wieder der Alte, wenn er ein paar Zigaretten geraucht hat?“ Tomoe sprang plötzlich auf. „Das ist es! Genau! Dass mir das nicht früher eingefallen ist! Es gibt doch einige Discos, die Raucherecken haben. Hey, war das nicht auch in dieser Disco so, in der wir letztens mit Rick und Phil waren?“ „Ja, klar, du hast Recht! Da hätten wir echt früher dran denken können. Komm, wir fahren da sofort hin.“ „Na ja, so toll ist die Idee doch nicht.“ „Wieso?“ „Weil das eine Schwulendisco ist. Da geht mein Bruder bestimmt nicht rein.“ „Umso besser. Dann wissen wir auch, ob er die Wahrheit sagt. Wenn er da rein geht, bedeutet es, dass es stimmt. Wenn er es ablehnt, wissen wir, dass er lügt. Los, wir schlagen ihm das jetzt vor.“ „Äh… du willst zurück in unsere Wohnung? Und… wenn die wieder so was machen?“ „Tatsumi. Du glaubst doch nicht, dass die das ein zweites Mal wagen, oder?“ „Und was machen wir, wenn dein Bruder und Kurokawa früher zurückkommen?“ „Glaubst du wirklich, die kommen ein zweites Mal wieder? Nein, ganz bestimmt nicht.“ Soichi schloss die Badezimmertür, drehte den Schlüssel herum und ging wieder zu Morinaga in die Dusche. Er sah auf das durchsichtige Gel in seiner Handfläche. „Wir hätten das auch ohne das hier machen können.“ „Lieber nicht. Danke, dass du was geholt hast.“ Morinaga griff nach der Metallstange an der Wand, wo der Duschkopf angebracht war. Soichi positionierte sich hinter ihm und küsste seinen Rücken. „Bist du bereit?“ „Ja.“ „Gut, dann… oh.“ „Was?“ Morinaga blickte hinter sich. „Mir ist nur was von der Creme aus der Hand gelaufen.“ „Ach, Mann, jetzt reicht das nicht.“ „Natürlich reicht das noch. So…“ „Aaah! Warne mich… vor, wenn du… anfängst!“ „Habe ich… doch.“ Die Zähne zusammengebissenen, klammerte sich Morinaga an die Armatur. „Warum… bewegst du dich nicht?“ „Soll ich… es diesmal so machen wie du?“ „Nein! Es war gut so, wie du es letztes Mal gemacht hast. Ich meine…“ Soichi drückte ihn gegen die kalten Fliesen der Wand und leckte an seinem Ohrläppchen. „Ah, es war gut? Das hast du mir gar nicht gesagt.“ „So habe ich das… nicht gemeint!“ „Wenn ich das hier mache…“ „Soichi!!“ Seine Finger schlossen sich fester um das Metallstück an der Wand. „… gefällt dir das?“ Er bekam keine Antwort, aber das war egal. Morinagas Körper sprach Bände. Es war erst das zweite Mal, dass sie es auf diese Weise taten, und trotzdem wusste er schon genau, wie er mit Morinaga umzugehen hatte. Wie er ihn berühren und sich bewegen musste, damit es der andere genauso genießen konnte wie er selbst. So schwer es ihm auch fiel, Morinaga musste sich eingestehen, dass er das hier wirklich ein bisschen zu mögen schien. Weh tat es diesmal überhaupt nicht. Und falsch fühlte es sich eigentlich auch nicht an. Es war nur so ungewohnt… Ein befreiter Aufschrei entwich endlich seiner Kehle, und kurz darauf war auch Soichi soweit. „Du hast Recht gehabt“, flüsterte Soichi, während das heiße Wasser noch immer von oben auf sie herunterströmte. „Jetzt geht es mir tatsächlich besser.“ Als Tomoe und Kurokawa ihre Wohnung betraten, hörten sie gleich das Geräusch des laufenden Wassers in der Dusche. Da in den übrigen Zimmern niemand war, schlossen sie daraus, dass beide im Bad waren. „Soll ich mal kräftig an die Tür klopfen?“ fragte Tomoe. „Wenn die beide unter der Dusche stehen, hören die das nicht.“ „Meinst du echt, die duschen zusammen? Hey, hier ist einer mit nassen Füssen über den Flur gelaufen!“ Tomoe ging der Wasserfleckenspur nach, die vom Bad zum Gästezimmer reichte. Auf dem Bett lag der aufgeklappte Koffer und daneben eine offene Tube, aus der etwas klares Dickflüssiges austrat und auf die Bettdecke tropfte. „Kurokawa!!“ schrie er. „Was ist denn passiert?!“ schrie Kurokawa zurück und eilte zu ihm. „Da!“ Tomoe zeigte auf die Tube. „Das ist doch…“ Kurokawa nahm die Tube und klappte den Deckel zu. „Das kann nur mein Bruder gewesen sein! Er hat schon früher immer die Zahnpastatuben offen herumliegen lassen.“ „Ist dir klar, was das bedeutet? Wenn die so was benutzen, heißt das…“ „Aaaaah!!“ kam es plötzlich aus dem Badezimmer, zeitgleich mit einem lauten Poltern. „Das war Morinaga!“ rief Kurokawa erschrocken. „Bestimmt schlägt Soichi ihn zusammen! Den ganzen Tag über hat er seine Wut verdrängt, und jetzt hat er sich nicht mehr unter Kontrolle! Wir müssen Morinaga helfen!“ „Ich geh da nicht rein! Wenn dein Bruder so drauf ist, halte ich mich garantiert nicht freiwillig in seiner Nähe auf!“ „Dann… gehe ich alleine!“ „Nein!! Das ist viel zu gefährlich!“ Die Dusche wurde abgestellt, und wieder ertönte Morinagas schmerzerfüllte Stimme aus dem Bad. „Auaaa, Soichi!! Aaaah!!“ Kurokawa schüttelte ängstlich den Kopf. „Um nichts in der Welt gehe ich da rein!“ „Gut. Bleib du hier. Ich versuche, ob ich die Tür aufkriege. Heb schon mal den Telefonhörer ab, dann kannst du im Notfall die Polizei anrufen.“ „Ja.“ Tomoe schlich auf Zehenspitzen über den Flur. Er blickte sich um. Ja, Kurokawa hielt den Hörer in der Hand. Dann nahm er all seinen Mut zusammen und wollte gerade auf die Türklinke drücken, als Kurokawa ihn wieder zu sich winkte. „Was ist?“ Er zog die Hand zurück. „Du, sag mal… und wenn die da drinnen was ganz anderes machen? Da lag doch die Tube. Wenn Morinaga nicht geschrieen hat, weil dein Bruder ihn verprügelt hat, sondern…“ Er legte den Hörer auf. „Du meinst…“ In dem Moment wurde der Schlüssel in der Badezimmertür herumgedreht, und schon stand Soichi auf dem Flur, tropfnass und nur mit einem um die Hüften gewickelten Handtuch bekleidet. „Wusste ich es doch, dass ich euch gehört habe“, sagte er und zog die Tür so weit hinter sich zu, dass sie nicht ins Bad sehen konnten. „Seid ihr schon länger da?“ „Nein“, sagte Kurokawa. Wie vorhin trafen sich ihre Blicke. Zwar sah Soichi ihn nur unscharf, da er seine Brille nicht aufhatte, aber es genügte. Er wurde rot. Und Kurokawa wurde es auch. Dieser hustete nun verlegen. „Wir kamen gerade herein, als ihr mit dem… Krach da drin angefangen seid.“ „Krach? Habt ihr etwa gehört, wie wir…“ „Ja. Hörte sich an, als ob Morinaga gegen die Glaswand von der Dusche gestoßen ist.“ „Ach, das meinst du“, sagte Soichi erleichtert. „Davor wart ihr aber noch nicht da, oder?“ „Nein.“ „Was habt ihr in der Dusche gemacht?“ fragte Tomoe. „Und warum lag das da herum?“ Er zeigte auf die Tube, die sein Freund noch immer festhielt. Soichi riss Kurokawa die Tube aus der Hand. „Hast du das etwa aus dem Koffer genommen? Was fällt dir ein, in unseren Sachen herumzuwühlen?“ „Ich habe euren Koffer nicht mal angefasst!“ wehrte sich Kurokawa. „Einer von euch hat das offen auf dem Bett liegen lassen!“ „Oh… richtig“, fiel es Soichi wieder ein. „Aber anstatt in unserem Zimmer herumzuspionieren, solltest du dich lieber beeilen, den Wagen startklar zu machen. Wir müssen zu einem Arzt.“ „Ist… nicht so schlimm. Es… geht schon“, stöhnte Morinaga im Bad. „Keine Widerrede! Vielleicht ist es gebrochen. Trockne dich ab, und zieh dich an.“ Kurokawa sah ihn erschrocken an. „Gebrochen?“ „Ich verstehe ja, dass du wütend auf Morinaga bist, nachdem er dich vorhin… dazu gezwungen hat“, sagte Tomoe. „Aber du musst wirklich etwas gegen deine Gewaltausbrüche unternehmen. Du hättest ihn umbringen können!“ „Was redest du da?“ fragte Soichi verwirrt. „Du hast Morinaga da drin doch zusammengeschlagen!“ rief Tomoe, dem schon wieder zwei Tränen die Wangen hinunterliefen. „Weil er dich gezwungen hat… das… zu machen. Das, wobei Kurokawa euch gesehen hat!“ Hinter Soichi ging die Tür auf, und Morinaga, ebenfalls bedeckt mit einem Handtuch, humpelte aus dem Bad. „Was fällt dir ein, hier herumzulaufen! Setz dich sofort hin!“ wies Soichi ihn zurecht. „Zum letzten Mal, es ist nicht gebrochen. Ich bin nur unglücklich gegen die Kante von der Duschtür gestoßen. Ich brauche auch keinen Arzt. Es reicht, wenn ich das Knie ein bisschen kühle.“ „Könnt ihr uns mal sagen, was hier eigentlich los ist?“ heulte Tomoe. „Ich bin in der Dusche ausgerutscht“, erklärte Morinaga. „Ja, und du hättest mich beinahe mitgerissen“, sagte Soichi mit vorwurfsvoller Stimme. „Tu nicht so, als wäre das meine Schuld! Wem ist denn das Zeug aus der Hand gefallen?“ „Wenn du nicht so empfindlich wärst, hätten wir das gar nicht gebraucht! Außerdem dachte ich, das wäre mit dem Wasser weggespült. Kann ich denn ahnen, dass das an der Seite von der Duschwanne hängen bleibt? Pass das nächste Mal besser auf, wo du hintrittst! Und setz dich jetzt endlich hin!“ Morinaga errötete. „Nein… lass mal…“ Kurokawa unterbrach die beiden Streitenden. „Vielleicht wäre es wirklich besser, du würdest dich hinsetzen. Ich hole dir ein bisschen Eis aus dem Kühlfach.“ „Ich… bleibe lieber noch einen Moment stehen. Oder… nein. Ich ziehe mich erstmal an. Ah… bis gleich …“ Und damit humpelte er zurück ins Bad. „Was hat er denn?“ fragte Tomoe. „Tut ihm was weh?“ Soichi sah Kurokawa, der diese Worte ausgesprochen hatte, an. Kein Zweifel. Er wusste es. „Was geht dich das an?!“ „Also habe ich Recht, ja? Du brauchst nicht zu antworten. Tatsumi und ich wissen genau, wofür das da gut ist.“ Er deutete auf die Tube in Soichis Hand. „Wenn du das alles schon weißt, wieso stellst du dann so überflüssige Fragen?! Außerdem brauche ich mich nicht dafür zu rechtfertigen! Schon gar nicht vor dir!“ „Rechtfertigen nicht. Aber du könntest uns mal langsam erklären, was mit dir los ist. Wieso bist du plötzlich… schwul?“ Tomoe zuckte zusammen. Kurokawa schien inzwischen überzeugt zu sein, dass Soichi und Morinaga ihnen kein Theater vorspielten. „Was heißt hier, plötzlich? Das bin ich schon immer gewesen. Man wird so geboren.“ „Ach, das ist ja interessant!“ rief Kurokawa entrüstet. „Du warst das also schon immer? Und du hast es jetzt erst gemerkt, oder wie?“ „Nein. Ich weiß es seit über zehn Jahren.“ „Das kann doch wohl nicht wahr sein! Und warum hast du uns nie etwas gesagt?“ Kurokawa legte tröstend einen Arm um Tomoe, dem noch immer Tränen über die Wangen liefen. „Oder zumindest deinem Bruder?“ „Ich konnte es Tomoe nicht sagen. Ich hatte meine Gründe.“ „Welche Gründe?“ „Das geht dich überhaupt nichts an, Kurokawa!“ Und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging Soichi ins Bad und schlug die Tür zu. Kurokawa reichte Tomoe ein paar Taschentücher, woraufhin der sich ein paar Mal kräftig schnäuzte. „Du, Kurokawa?“ „Ja?“ „Er ist wirklich so, oder? Es stimmt, was er sagt, nicht wahr? Mein Bruder… ist…“ Erneut begannen die Tränen zu fließen. „Tatsumi… ich kann es ja auch noch nicht richtig fassen.“ Er streichelte über seinen Kopf. „Aber es ist doch nicht schlimm. Wir sind es schließlich auch.“ „Nicht schlimm? Nein. Das ist…“, wieder putzte er sich laut die Nase, „… das ist das beste, was passieren konnte!“ „Was?“ „Ja. Jetzt kann er nichts mehr gegen uns haben. Und er wird nie wieder auf uns rumhacken. Dann kann ich auch versuchen, meinem Vater von uns beiden erzählen, wenn er in ein paar Tagen kommt. Und wenn Soichi dabei ist und Vater es vielleicht nicht gleich versteht, kann er mich, nein, uns ein bisschen unterstützen.“ Er fiel Kurokawa in die Arme. „Das wird nicht nötig sein. Dein Vater hat sicher kein Problem damit. Erinnere dich doch. Er weiß, dass dein Bruder und Morinaga ein Paar sind. Und dass sie verlobt sind.“ „Ja, stimmt! Und er findet es toll! Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Oh, das ist so schön! Jetzt wird alles gut. Und außerdem können wir sie alle beruhigt einladen, wenn wir heiraten!“ Er drückte Kurokawa einen Kuss auf den Mund. „Ich liebe dich, Kurokawa!“ „Ich liebe dich auch, Tatsumi!“ Sie küssten sich noch, als Soichi und Morinaga, diesmal beide angezogen, auf den Flur traten. Soichi räusperte sich. Tomoe strahlte ihn an. „Oh, ihr seid schon fertig.“ „Ja… äh… wir packen nur schnell unsere Sachen zusammen“, sagte Soichi und bemühte sich, seinem kleinen Bruder dabei nicht in die Augen zu sehen. „Und dann… rufe ich uns ein Taxi zum Flughafen.“ „Wieso Sachen packen? Heißt das, ihr wollt weg? Ihr seid doch eben erst angekommen! Und Vater wollte mit uns allen feiern. Hast du das vergessen?“ „Nein, natürlich nicht. Dann feiert ihr eben alleine. Mir gefällt es hier nicht. Ich will zurück nach Japan.“ „Soichi“, mischte sich Morinaga ein, „dir geht es doch jetzt viel besser, hast du vorhin gesagt.“ „Besser, aber nicht gut. Ich halte das nicht länger aus.“ „Meinst du nicht, es reicht, wenn du dir ein paar von diesen Pflastern und Kaugummis holst? Ich würde gerne noch ein paar Tage hier bleiben.“ „Ach“, sagte Tomoe, „du willst zurück, weil du rauchen willst?“ „Ja, unter anderem.“ „Aber das ist gar kein Problem! Uns ist eben eingefallen, dass es doch einen Ort gibt, wo du rauchen kannst. Deswegen sind wir auch gleich zurückgekommen, weil wir es dir schnell sagen wollten.“ Soichis Gesicht erhellte sich mit einem Mal. „Wo?“ „In einer Disco in der Stadt. Aber wenn Morinaga sich verletzt hat, ist es vielleicht besser, wir bleiben zu hause.“ Soichi sah auf Morinagas Bein. Er hatte das Hosenbein hochgekrempelt und hielt ein Handtuch, das mit kaltem Wasser getränkt war, an sein Knie. „So schlimm scheint das wirklich nicht zu sein. Und du kannst doch laufen, oder?“ „Ja, klar“, sagte Morinaga und trat vorsichtig auf. „Ich lege mir noch ein bisschen Eis drauf, dann geht das schon.“ Erleichtert umarmte Soichi ihn. „Ein Glück. Ich hatte echt befürchtet…“ „Ist doch alles in Ordnung. Ich habe ja gleich gesagt, dass es nicht gebrochen ist.“ „Das meine ich nicht. Ich hatte nur befürchtet, dass ich erst zuhause wieder rauchen könnte.“ „Du bist herzlos“, stöhnte Morinaga. „Los, ins Auto jetzt.“ Soichi hob die Zigarettenschachtel auf, die noch immer auf dem Fußboden lag, und steckte sein Feuerzeug ein. „Kommt ihr?“ fragte er, während er ins Gästezimmer ging, um seine Brille zu holen. „Es ist aber Nachmittag. Die Disco macht bestimmt erst abends auf. Du, ich ruf mal eben bei Rick an und frage ihn. Der ist da öfter.“ Tomoe sprang zum Telefon und drückte eine der Kurzwahltasten. Es dauerte etwas, bis am anderen Ende abgehoben wurde. „Coldman.“ „Hallo? Rick? Ich bin’s.“ „Hey… Tomoe, Darling.“ „Rick, wann macht diese Disco auf, in der wir letzte Woche waren?“ „Welche… ah… Disco? Meinst du das… ‚Challengers’?“ „Ja, richtig! So war der Name.“ Tomoe stockte. Rick klang irgendwie seltsam. „Aah…“ „Rick? Geht es dir nicht gut?“ „Ganz… im Gegenteil.“ Ein leises Stöhnen war zu vernehmen. „Gut so, Phil. Oh ja…“ „Phil ist noch bei dir?“ „Das… kann man so sagen.“ „Was… macht ihr denn?“ „Na, was wohl? Dinge, die kleine Boys wie du… nicht tun. Ooh… Phil!!“ Für ein paar Sekunden herrschte Stille. Dann hörte Tomoe, wie sich Rick mit Phil unterhielt. „Er will wissen, wann das ‚Challengers’ aufmacht. War das um neun Uhr? Oder um zehn?“ „Ich glaube, die haben schon um neun auf.“ „Tomoe? Phil meint, um neun.“ „Okay, danke.“ „Wolltest du dahin?“ „Mein Bruder will dahin.“ „Alleine?“ „Nein, nein. Wir kommen natürlich mit.“ „Das heißt, Tetsuhiro ist auch dabei?“ „Ja, ich glaube, Morinaga kommt auch mit.“ „Oh, super! Dann treffen wir uns da alle um neun, yes?“ „Äh… ja, warum nicht…“ „Great! Also, bis nachher!“ Aus dem Hintergrund war wieder Phils Stimme zu hören. „Wollen wir noch mal?“ „Ja, gleich. Tomoe? Wir sind um neun im ‚Challengers’. Bye-bye!“ Und damit legte Rick auf. „Wann?“ fragte Soichi. „Um neun, sagt Phil.“ „Das sind noch fünf Stunden! Das halte ich nicht aus! Wo ist die Apotheke?“ „Das kann ich schlecht erklären. Am besten, ich gehe mit und zeige dir den Weg. Ich kann eigentlich auch alleine gehen.“ „Nein, ich komme mit. Tetsuhiro, du bleibst hier und legst dein Bein hoch. Kurokawa, hole ihm bitte etwas Eis.“ Er ging zur Tür. „Komm, Tomoe.“ „Ja.“ Der restliche Nachmittag zog sich schleppend dahin. Soichi hatte sich die Haut mit etlichen Nikotinpflastern beklebt und kaute ununterbrochen Kaugummis. Für die zweihundert Dollar, die er seinem Bruder gegeben hatte, hatten sie auch Verwendung gefunden, indem sie abends zu viert essen gingen. Erstaunlicherweise lief der Restaurantbesuch recht harmonisch ab, und Soichi brachte es zustande, sich nicht ein einziges Mal mit Kurokawa anzulegen. Und dann, gegen zehn, saß Soichi an der Theke im ‚Challengers’, eine brennende Zigarette im Mund, und war wieder mit sich und der Welt zufrieden. „Dir wird noch furchtbar schlecht werden, wenn du so weitermachst“, sagte Morinaga besorgt. „Die halbe Schachtel ist schon leer.“ „Ich muss ja irgendwie den Rückflug überstehen.“ „Wollt ihr wirklich gleich wieder abreisen?“ fragte Tomoe. „Wir könnten jeden Abend hierher kommen, wenn du möchtest.“ „Nein. Außerdem habe ich den Flug bereits umbuchen lassen. In vier Stunden sind wir beim Flughafen, und dann geht es zurück.“ „Das kannst du doch wieder rückgängig machen.“ „Nein, Tomoe.“ Rick nahm Morinaga an die Hand. „Wollen wir tanzen? Come on!“ „Das geht nicht“, sagte Soichi. „Du weißt, dass er sich am Knie verletzt hat.“ „Lass gut sein, Soichi. Ich merke das kaum noch. Ich habe jetzt auch keine Lust mehr, hier weiter herumzusitzen. Du willst ja doch nicht tanzen.“ Er ließ sich von Rick mitziehen. Tomoe und Kurokawa folgten. Phil, der sich etwas verloren vorkam, jetzt, wo Rick einen anderen Tanzpartner als ihn hatte, setzte sich zu Soichi und bestellte einen Drink. Soichi zündete sich gerade eine neue Zigarette an dem noch glimmenden Rest der alten an. „Willst du auch eine?“ bot er Phil an. „Nein, danke.“ Phil sah zu Rick hinüber, der sich lachend mit Morinaga unterhielt. „Ich will lieber tanzen. Hättest du Lust?“ Soichi schüttelte den Kopf. Ihm war nicht entgangen, wie traurig Phils Blick war. „Sag mal, was willst du von Rick? Der Typ liebt dich nicht, und er betrügt dich.“ „Rick ist der Mann meiner Träume. Ich weiß, eines Tages wird er verstehen, dass nur ich ihn glücklich machen kann.“ „Das glaubst auch nur du. Sieh ihn dir doch an. Er tanzt mit Tetsuhiro, obwohl er genau weiß, dass du ihn siehst und dass dir das wehtut. An deiner Stelle würde ich mir sein Verhalten nicht gefallen lassen.“ „Ich kann ja doch nichts machen.“ „Du willst nur nicht.“ Er zog an der Zigarette. „Weißt du was? Geh hin, und such dir auch irgendeinen Mann aus. Tanz mit ihm, küss ihn von mir aus, direkt vor Ricks Augen. Dann merkt er vielleicht selber mal, wie das ist.“ „Küssen?“ Phil sah sich um. „Wen denn? Ich kann doch nicht hingehen und einfach jemanden küssen.“ „Hat Rick vorhin auch gemacht.“ Aufmunternd lächelte Soichi ihn an. Phil trank seinen Drink in einem Zug aus und stellte das leere Glas auf den Tresen. „Gut.“ Er winkte zur Tanzfläche hinüber. Rick hatte ihn gesehen. Dann lehnte sich Phil nach vorne, legte eine Hand an Soichis Hinterkopf, die andere an sein Kinn und küsste ihn. Soichi wusste nicht, wie ihm geschah, als Phils Zunge in seinen Mund eindrang. Er schmeckte anders als Morinaga, und er bewegte sich anders. Nicht so fordernd und erst recht nicht so überlegen, wie er es von Morinaga gewohnt war. Ein paar Meter entfernt von ihnen hörte Rick auf zu tanzen. „Hey…“ Morinaga durchfuhr es wie ein Blitzschlag. Er starrte zur Theke und konnte nicht fassen, was er sah. Da saß sein Soichi, sein Verlobter, und küsste einen anderen Mann. Er überlegte nicht lange und stürmte zu ihnen. Soichi spürte, wie ihn jemand an den Haaren zurückriss, und dann sah er Morinaga ins Gesicht. Erst in diesem Moment wurde ihm das gerade Geschehene klar. „Tetsuhiro…“ Rick stellte sich wütend vor seinen Freund. „Was fällt dir ein, ihn zu küssen?!“ „Das war Soichis Idee“, sagte Phil wahrheitsgemäß. Morinaga ließ Soichis Haare los. „Wieso…?“ „Es ist nicht so, wie du denkst! Bitte, Tetsuhiro, du musst mir glauben! Ich habe Phil nicht gesagt, dass er mich küssen soll! Ich habe gesagt, er soll irgendjemanden küssen!“ Morinaga nahm ihm die Zigarette aus der Hand, drückte sie im Aschenbecher aus und schleppte ihn auf die Tanzfläche. „Tetsuhiro… ich…“ „Es tut mir leid“, sagte Morinaga und nahm ihn in die Arme. „Dir?“ fragte Soichi verständnislos. „Aber ich…“ „Ich hätte nicht mit Rick mitgehen sollen. Ich weiß ja, dass du dir so was immer sehr zu Herzen nimmst. Entschuldige bitte.“ „Nein. Ich bin schuld. Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass Phil mich küsst.“ „Dann lass uns das einfach vergessen, ja? Ich liebe dich.“ Bevor Soichi etwas antworten konnte, drückte Morinaga seinen Mund auf seine Lippen. Ja, sein Kuss war wirklich anders. Dieser Kuss war voller Gefühl, voller Liebe. Und wieder einmal erkannte Soichi, dass er mit niemand anderem außer diesem Mann zusammen sein wollte. Sie tanzten noch eine ganze Zeit gemeinsam, bis sie spät in der Nacht die Disco verließen und mit Tomoe und Kurokawa zum Flughafen fuhren. Der Abschied war ihnen allen schwer gefallen, und besonders Tomoe hatte viele Tränen vergossen. Morinaga hatte noch schnell eine schöne Postkarte gekauft und sie wie versprochen an Hiroto geschickt. Die Maschine nach Japan hatte gerade abgehoben, als es Morinaga siedend heiß einfiel. „Oh, scheiße! Dass ich das vergessen habe! Mann, ich bin so blöd!“ „Wovon redest du?“ fragte Soichi Kaugummi kauend. „Ich hätte denen das sagen müssen!“ „Was meinst du denn, verdammt?!“ „Die haben doch genau mitgekriegt, was wir im Bad gemacht haben. Und wer von uns beiden… was gemacht hat.“ „Ja, und?“ „Na, die denken jetzt, dass ich die Fr…“ Er sah Soichi an und sprach nicht weiter. „Die was?“ „Vergiss es.“ „Dass du die Frau bist? Das wolltest du doch sagen, oder?“ „Wollte ich nicht.“ „Weißt du was? Das ist so typisch für dich! Wenn ich dran bin, sagst du: ‚Keine Sorge, Soichi, du kannst ruhig unten liegen, du bist trotzdem ein Mann.’ Aber wenn es dich selbst trifft, hörst du dich plötzlich ganz anders an!“ „Wenn wir landen, musst du sofort deinen Bruder anrufen und das klarstellen!“ „Wieso ich? Mach du das doch, wenn dir soviel daran liegt.“ „Ach, Mensch“, stöhnte Morinaga und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Nimm’s nicht so schwer“, sagte Soichi und packte sich genüsslich lächelnd ein weiteres Kaugummi aus. Ende Tja, Morinaga! Das kommt davon, wenn man vor anderen rumprollt, von wegen „Ich liege oben“ (Kapitel 5). Jetzt biste nämlich selber der Uke, ha! XD (Zumindest zeitweise) Wie ihr sicher gemerkt habt bezieht sich der Disco-Name „Challengers“ auf den Originaltitel von „Küss mich, Student!“. Damit hätte ich alles geschrieben, was mir eingefallen ist. Es kann natürlich sein, dass noch etwas dazukommt, wenn ich noch mehr Ideen haben sollte. ^___^d Jetzt sind leider gar nicht die Handschellen zum Einsatz gekommen, aber dann wär’s wohl nicht mehr jugendfrei gewesen. ^__^’’’ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)