Eien ni furu yuki ga aru nara… von Danisa (If there were an eternally falling snow…) ================================================================================ Kapitel 7: Rückkehr... ---------------------- Kapitel 7 „Rückkehr…“ „Fasse du, wie der Saum eines Kleides von Borte eingefasst, dieses Endchen an dich, das Verzweiflung und Verlassenheit von meiner Seele getrennt haben.“ (Murasaki, Shikibu: Die Geschichte vom Prinzen Genji, 1. Band. S. 263, Z. 6-8) Die Wärme des Tages verschwand über dem Tag. Die Temperaturen sanken mit der Sonne und an ihrer statt kamen Wolken, die sich plötzlich in wahren Sturzbächen über ganz Tokio ergossen. Es war nun Nachmittag, der 7. Mai, und obwohl es immer noch hell war, schien die Sonne nun nur gedämpft durch die vielen dunklen Wolken die Tokio nun umgaben, sodass ihr Schein unwirklich wirkte als ihre hellgelben Strahlen durch die dicke aDecke brachen, und es vom Gefühl her auch schon beginnender Abend hätte sein können. Und inmitten dieses Schauspiels aus Regen lehnte ein dunkler Haarschopf gegen das Innere eines Fensters einer kleinen Apartmentwohnung, ohne sich zu bewegen… So lange bis sich der dunkle Kopf wandte und matte, blonde Strähnen zum Vorschein kamen die noch zusätzlich mit den Schwarzen gegen das Glas lehnten und sich erstaunlich grüne, helle Augen sich schließlich dem Naturschauspiel vor sich öffneten. Ohne Ausdruck sahen sie nun auf die fließenden Straßen nieder, in die die Grau und Regen sie verwandelt hatten, ohne eine Gefühlsregung... Es war als hätte er keine Gefühle mehr um sie noch länger empfinden zu können... Es regnete nun schon seit zwei Tagen ununterbrochen. Nur entspannte Stille herrschte hinter ihm in seinem Appartement. Kein Licht in seiner Wohnung brannte und auch das Klingeln des Telefons hatte endlich aufgehört nachdem er es schließlich eine halbe Stunde erfolgreich ignoriert hatte. Hikaru wusste wer es war. Doch er hatte jetzt kein Verlangen mit Waya oder irgendjemand anderem zu sprechen. Der Puls wie auch der Herzschlag des blonden Mannes waren seltsam entspannt, fast apathisch. Er fühlte gar nichts. Der junge 17-jährige Dan lehnte gegen das Fenster seines Schlafzimmers ohne jegliches Gefühl ausdrücken zu können- ohne dass er es auch wirklich wollte. Doch der Regen… Der Regen machte ihn unruhig. Es war eine seltsame innere Unruhe. Eine, die er sich nicht erklären konnte… Doch die Fakten blieben. Der Regen konnte die Ruhe nicht widerspiegeln, die er jetzt so dringend brauchte. Schließlich, in einem plötzlichen überraschenden Moment, hatte er genug… Und er lehnte seinen Kopf noch etwas weiter gegen das kühle Glas- seine Augen zusammengepresst- bis er ihn schließlich von dem Glas zurückzog und mit einer einzigen, flüssigen Bewegung aufstand. Er schnappte sich sein hellblaues Jackett ohne es wirklich zu bemerken, ließ seine Schlüssel in die rechte Tasche des Kleidungsstückes gleiten und verließ schließlich ohne noch einmal zurückzusehen, mit einem kaum vernehmbaren Klacken, sein Appartement… Keine drei Minuten später fand sich der blonde Dan auf den nassen Straßen wider… Der Regen prasselte immer noch unbarmherzig vom Himmel herab, seine Sachen klebten ihm in sekundenschnelle am Körper, sein Haar zog bereits einen tropfenden, kalten Weg seinen Nacken hinunter… doch es störte ihn nicht. Wäre die Luft nicht merkbar kühler geworden in den letzten Tagen, schätze er nun, wäre der Regen fast angenehm gewesen, der jetzt in lauwarmen Strömen auf ihn niederging. Doch als er nun hier draußen stand, und den Regen unbarmherzig auf ihn niederprasseln ließ, fand er endlich Trost in ihm… Ein Gefühl, ein Einfluss auf seinen Körper und seinen Geist, der jenseits seines Willens lag, den er nicht beeinflussen konnte und alle Gefühle auslöschte bis auf das Trommeln das leise, stetig seine Kopfhaut bearbeitete… Und ein kleines schwaches Lächeln schlich sich auf das blasse, abgewandte Gesicht des 4. Dans, während er durch den Regen ging und mit der linken Hand den kleinen Papierfächer in seiner Tasche umfasste- das einzige Teil an seinem Körper das er beharrlich vor der Gewalt des Regens schützte. Es hörte sich schon wieder nach Sai an… Da gewesen, aber ohne seinen Willen. Wie überaus passend… Und Hikaru konnte das kleine ironische Lächeln nicht aufhalten dass sich bei diesem Gedanke seiner Lippen bemächtigte, auch wenn er nicht bemerkte, wie er gleichzeitig wie schwaches Espenlaub am ganzen Körper zitterte… Alles erschien auf einmal so unsagbar unwichtig... Er kannte es bereits- dieses Gefühl der Leere… Jedes Jahr erneut suchte es ihn heim, wohin er auch ging. Das gähnende Gefühl etwas verloren zu haben, Teil von etwas gewesen zu sein, dass weit über jeder menschlichen Vorstellungskraft gelegen hatte- ohne die Chance es festhalten haben zu können. Ohne Chance auf Rettung... Und noch einmal als der junge Mann diese nassen Straßen entlangging, auf denen sich keine Menschenseele zu dieser Zeit mehr verirrte, gab er zu… …dass er ihn vermisste. Seine Begeisterung, seine kindliche Art, seine Leidenschaft für Go… Seine Spiele, seine Tipps, seine Ratschläge… Seine Mimiken, Gesten und kindlichen Bewegungen, die ihm so vertraut geworden waren doch die er zum teil nur noch vage in Erinnerung hatte… Hikaru machte sich nichts mehr vor. Er hatte es schon vor langer Zeit bemerkt... Die Erinnerungen an Sai… verblassten langsam. So wie ein altes Foto dass nun letztendlich sein letztes Verfallsdatum überschritten hatte. Und plötzlich spürte er Verzweiflung in sich aufwallen… Alles was ihn ausmachte, ihn ausgemacht hatte als Sai noch bei ihm gewesen war- alle seine Erinnerungen… …verschwanden langsam. Sein Freund… Sein bester Freund… „Sai…“ Eine Träne rollte schließlich über Hikarus Gesicht, doch sie vermengte sich nahtlos mit dem Wasser auf seiner Haut und verschwand, ohne jemals gesehen worden zu sein... Und als er schließlich aufsah, das erste Mal, seit er aus seinem Appartement verlassen hatte, bemerkte er, dass er am Park angekommen war. Dem gleichen kleinen Park an dem er Akari einst zusammen mit ihrem Hund angetroffen hatte und in dem Sai versucht hatte ihm beizubringen, wie man einen Go-Stein richtig in der Hand hielt… Fast ohne das er es richtig bemerkte war der blonde Dann auch schon in die Hocke gegangen und hob langsam einen der kleinen, ovalen Kieselstein, auf die unter ein paar nassen Büschen ruhten- ähnlich dem den er vor vielen Jahren hier einmal selbst in der Hand gehabt hatte- bevor er ihn fast mechanisch zwischen Mittel- und Zeigefinger nahm und ihn schließlich langsam auf dem nassen Pflastersteinen niedersinken ließ, in perfekter Imitation zu einem echten Go-Stein... „Patt…“ flüsterte er abgehakt. Heiße Tränenbahnen flossen Hikarus Wangen schließlich hinunter, ohne das er sie noch länger mehr aufhalten konnte, und er hob auch schon eine Hand um sie unwirsch wegzuwischen; doch ein herzzerreißendes Schluchzen bahnte sich auf einmal aus seiner Kehle, der Laut plötzlich jenseits seiner Kontrolle und so unaufhaltsam geworden wie sein nächste Atemzug. Sai… Er ließ los. Allen Schmerz den er über drei Jahre lang in seinem Herzen aufbewahrt hatte kontrahierte nun in seiner Brust. Sai… Als Hikaru schließlich nach zehn Minuten das erste Mal aus seiner zusammengekauerten Position am Boden aufsah, fielen seine roten, von Tränen verschwommenen Augen das erste Mal auf die kleine hölzerne Bank die sich unmittelbar vor ihm befand, die ihm bis dahin noch gar nicht richtig aufgefallen war, und auf dessen dunkler, glatter Oberfläche ihm plötzlich ein kleines, helles Objekt entgegenblickte. Ohne genau zu wissen warum hefteten sich seine Augen auf einmal auf dieses kleine Objekt, und er wischte sich noch einmal die Tränen aus seinen Augen und schniefte bevor er schließlich aufstand und auf zitternden Beinen schließlich auf das kleine Objekt zutrat. Kaum dort angekommen hob er es auf- mit beiden Händen, so als wäre es ein kostbares Stück aus Glas… Eine grobe, hübsch gefertigte Keramikschüssel blickte ihm durch den Regenschleier entgegen, mit einem fein gearbeitetem Sakura-Muster auf deren Außenseite, die der leichten Imperfektion zu schließen eigenhändig angefertigt worden war. Hikaru betrachtete die kleine Schüssel vor sich mit ausdauernden, fechten Augen, obwohl er nicht wusste, warum er es tat. Sie schien nur etwas Licht zu sein… Etwas Licht in der Gräue und dem Regen seines Lebens dem sie sich hier mit ihrer feinen, hell rosa Bemalung fast verschwindend schwach entgegenstellte… Sein Herz kontrahierte auf einmal in seiner Brust, so heftig das es schmerzte, und immer noch hielt er die kleine, hellgraue Schale in seinem Griff als wenn sie sein Leben bedeutete. Mit gesenktem Kopf und in das Gesicht hängenden blonden und schwarzen, nassen Strähnen ging er schließlich weiter, die Schale in Händen, keinen einzigen Tropfen Wasser in ihr verschüttetend. Die leichten Bäume um ihn hatten nun dem dichten Dickicht und den festen, dunklen Laubbäumen des Parks platz gemacht die seine ganze Umgebung noch in ein gleichmäßiges Dunkel tauchten. Hikaru bemerkte es kaum. Und noch einmal er die Augen zusammen. Und noch einmal bahnten sich zwei stumme Tränenbahnen seine Wangen entlang, die, wie alle vor ihnen, ungesehen in seinem langen Pony verschwanden... Sai. Hikaru… Hikaru stoppte mit einem Mal ab, und die Welt schien plötzlich stillzustehen... Die kleine Keramikschüssel zitterte plötzlich in der Hand des blonden Dans und seine großen grünen Augen starrten plötzlich in das Dunkel des Waldes vor ihm ohne Fokus zu finden. Hikaru… Und dieses Mal wirbelte Hikaru herum. Er bemerkte kaum wie Wasser in einem hohen Bogen aus der kleinen Schale flog und in einem Zug über seinen Anzug schwappte. Er registrierte die Kälte nicht. Alles was er spürte, was er plötzlich nur noch wahrnahm, war sein wie wild klopfendes Herz das irgendwo in der Nähe seines Kehlkopfes pochte und seine wirren Ponyfransen die ihm nun im Gesicht klebten als er in das dunkle Dickicht vor sich starrte. In die Richtung aus der er diese Stimme gehört hatte… Seine Stimme… „Sai...?“ flüsterte Hikaru heiser. Er konnte nicht atmen, ein Nebel so dicht wie der Regen um ihn selbst umhüllte auf einmal seine Gedanken, der es ihm unmöglich machte auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. …Doch die einzige Stimme die ihm antwortete war das leise Heulen des Windes und das unbarmherzige Prasseln des Regens als er von den vielen hundert Bäumen um ihn herum auf den Boden tropfte. Hikaru senkte sein Gesicht. Ein Beben überlief seinen Körper, das Zittern so stark, dass die kleine Keramikschüssel unter seinen Fingern zitterte und seine Zunge registrierte bereits Blut das er in seinem Mund schmeckte… doch es kümmerte ihn nicht. Nichts konnte den Schmerz betäuben der nun seinen Körper entlang jagte als er für drei gloriose Sekunden geglaubt hatte, seine Stimme zu hören... Hikarus Knie zitterten, sein Körper schien auf einmal keine Kraft mehr zu haben ihn noch länger aufrecht zu halten, doch er zwang seine Beine dazu, sich trotzdem zu bewegen und einen Schritt nach hinten zu setzen wo er sich schließlich zitternd umdrehte und seinen ersten Schritt in die entgegengesetzte Richtung zu setzen… Vielleicht war es eine Strafe von Kami-sama persönlich, dass jetzt auch noch seine Stimme hörte… Und ein zittriges Lächeln umspielte Hikarus Mund. Wie unglaublich passend… Hikaru…? … Hikaru stoppte. Er wusste nicht was es war was ihn dazu bewegte… Vielleicht war es sein eigener Verstand der die blutige Wahrheit nun endgültig und vernichtend in sein Hirn einhämmern wollte, vielleicht war es auch sein eigenes blutendes Herz das nun nicht mehr, mehr ertragen konnte… …vielleicht war es aber auch dieses kleine Fünkchen Hoffnung noch in seinem Herzen… das einzige was ihm noch geblieben war. Was immer es auch war, es entschied sich alles auf eine letzte, finale Karte zu setzen… Hikaru drehte sich noch ein Mal um. Grüne Augen fielen noch einmal auf das triste, dunkle Geäst der Bäume, die Kronen unter dem Regen so dicht das der Boden unter ihnen fast schwarz wirkte… bis seine Augen plötzlich an etwas hellem hängen blieben… Stoff einer Robe, die so lang war dass sie in Falten den nassen Boden streifte, graue, von Wasser getränkte Lagen die die gerade noch Blick auf ein Paar blasser, weißer Hände freigaben… und das alles umrahmt von einem Gewirr aus langem, nachtschwarzen Haar… mit einem Paar aus himmelblauen Augen, die ihm aus dieser Dunkelheit fiebrig entgegen glommen… „H-Hikaru…?“ flüsterte es heiser. *Krach* ... Die Schüssel in Hikarus Händen fiel zu Boden und zersprang in tausende kleine Scherben... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)