upside down von Traumweber ================================================================================ Prolog: -------- Kapitel 1 Ein schrilles Piepen riss Joèl aus seinen Träumen. Er gab ein gequältes Stöhnen von sich und tastete mit noch geschlossenen Augen nach dem kleinen Knopf seines Digitalweckers, um das nervtötende Geräusch abzustellen. Warum hatte er sich nicht schon längst einen Anderen gekauft? Er drehte sich herum, langte neben sich und umarmte sanft... ein Kissen?! Widerstrebend öffnete Joèl die Augen. Erique? Na scheinbar war er schon aufgestanden. Er schlug die warme Decke zurück und schlurfte lustlos Richtung Wohnzimmer. Eigentlich war er ja kein Langschläfer, doch in letzter Zeit bereitete ihm das Einschlafen abends Probleme. Er lag dann stets noch lange wach und betrachtete seinen Partner, mit dem er nun seit 3 Jahren zusammen lebte, während dieser friedlich schlummerte. Oft erinnerte er sich dann daran, wie er ihn damals absolut Orientierungslos aufgefunden und ihm seine Hilfe angeboten hatte. Der damals wohl gerade 17/18-Jährige hatte keinerlei Erinnerungen mehr, die weiter als zwei Tage zurück reichte, also nahm Joèl ihn erst einmal mit zu sich. Die zahlreichen Behördengänge tätigte er ebenso mit ihm, doch niemand fand heraus, wer der Junge war. Niemand schien ihn zu vermissen und die Ärzte waren auch keine Hilfe. Ihren Aussagen zufolge sei mit seinem Gedächtnis alles in Ordnung, so dass selbst Joèl eine Zeit lang zu glauben begann, Erique würde nicht ganz die Wahrheit sagen. Während die Zeit dahinflog und Erique nun auch einen Aushilfsjob in der Universität bekam, in der Joèl Kunst und Geschichte studierte, ergab es sich, dass die Beiden sich nich nur schätzen sondern sogar lieben lernten. Erique stand bereits vollständig angekleidet in dem großen Wohnzimmer und betrachtete Joèls neuestes Kunstwerk. Sein blondes Haar fiel ihm in langen Locken über den Rücken. Er hatte die Angewohnheit, es fast immer offen zu tragen, während Joèl sein etwas über schulterlanges, braunes Haar meist zu einem Zopf zusammendrehte. Auch nachts trug er vorzugsweise ein Haargummi. Erique hatte ihn einmal gefragt, warum er sie sich dann denn hatte wachsen lassen, wenn er sie doch eh ständig zurück band, doch bis heute hatte ihm Joèl darauf noch keine wirkliche Antwort gegeben. Während er vor der Malerei stand, dachte Erique verträumt daran, wie er damals diese Wohnung das erste Mal betreten hatte. Joèl malte ausschließlich realistische Bilder. Landschaften, Menschen, ab und an auch mal Tiere. Der 2 Jahre jüngere Erique hatte dieser Kunst damals nichts abgewinnen können. Er hatte eine Schwäche für Fantasiebetonte Werke, doch eines zu malen konnte man von einem Realisten, der selbst auch nur das glaubt, was er sehen und berühren kann, schlecht verlangen. Umso überraschter war er gewesen, als 6 Wochen nachdem endgültig feststand, dass er wohl wesentlich länger bei Joèl wohnen bleiben würde, ein großes Acrylbild an der Wand über dem Kopfende des Bettes hing, welches einen Engel und bei ihm einen Pegasus in wunderschöner, verträumter Umgebung zeigte. Warme Arme schlossen sich um ihn und zogen ihn in eine sanfte Umarmung. „Guten Morgen Joèl. Hast du gut geschlafen?“ „Hm~m“ kam nur als Antwort, dann „Ich mach mal Frühstück.“ und die wunderbare Nähe war fort. Erique folgte seinem Freund eilig in die Küche. Was er ihm jetzt sagen musste gefiel ihm gar nicht, wo Joèl doch immer so viel Wert auf diverse Kleinigkeiten wie eben diese legte. „Du? Wir können heute leider nicht zusammen frühstücken. Der Professor erwartet mich bereits in einer halben Stunde. Tut mir leid, bist du jetzt böse?“ Nein, böse sah er nun wirklich nicht aus, aber ein wenig enttäuscht. „Nein, schon gut. Pflicht it Pflicht. Sieh zu, dass du nicht zu spät kommt, wir essen dann heute Abend aber zusammen?“ Ein Nicken, ein strahlendes Lächeln und – so viel Zeit musste sein – ein zärtlicher Kuss und Erique brauste davon. Joèl seufzte und schnitt lustlos sein Brötchen auf, bis er mit dem Messer er seinen Finger erwischte. „Au! Na der Tag fängt ja gut an.“ Am Ende der ersten Vorlesung des heutigen Morgens verfing sich Joèl beim Aufstehen in der Trageschlaufe der Tasche seines Sitznachbarn und landete lang ausgestreckt zwischen Tischen und Stühlen. //Kann es noch schlimmer werden?// jammerte er in Gedanken, als die Antwort prompt erhielt. Es konnte! Über ihm stand Alan. „Suchst du da unten was Bestimmtes?“ Zu gerne hätte ihm Joèl dieses arrogante Grinsen aus dem Gesicht geschlagen, doch er stand lediglich wortlos auf und marschierte mit mürrischem Blick an dem schwarzhaarigen vorbei. Und der weitere Tagesverlauf versprach nicht besser zu werden. Immer wieder geschahen kleine Unfälle und Joèl sehnte sich nur noch nach dem gemeinsamen Abend mit Erique. Definitiv ein Tag an dem er hätte im Bett bleiben sollen. Hoffnungsvoll betrat er ihre gemeinsame Wohnung und wurde von einem weiteren kleinen Schock erwartet. Erique hatte sich seine wunderschönen langen, blonden Locken schwarz gefärbt! Er trug sie jetzt sogar zusammengebunden. „Ist etwas nicht in Ordnung? Gefällt es dir nicht?“ Dieser schockierte Blick konnte nun wirklich niemandem entgehen und Erique war ein wenig verletzt. Joèl schüttelte seine Starre ab und zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln. Diesen Blick in Eriques tiefblauen Augen konnte er nicht ertragen. „Doch, es ist nur...äußerst ungewohnt. Das ist alles. Ich gewöhn mich dran.“ Jetzt lächelte auch der Jüngere. Ach wie einfach es doch war mit Erique. Hatte sie eigentlich je streit gehabt? Erique konnte so schnell nichts verärgern oder wirklich traurig stimmen. Eine wahre Frohnatur.... „Ich mach uns dann mal was nette zum Abendessen.“ Während Joèl in der Küche zauberte, deckte Erique den Tisch. Malen, ausgezeichnet kochen und obendrein noch Klavier spielen. Er fragte sich, ob es denn etwas gab, was Joèl nicht konnte. Der große Flügel im Wohnzimmer...Erique liebte es, am Kamin zu sitzen, wenn Joèl darauf spielte. Ein wütender Aufschrei und ein lautes Klappern rissen ihn au seinen Gedanken. „Mist, verdammter!“ Er stürmte sofort in die Küche. Joèl hielt seine Hand unter Wasser, auf dem Boden lag der Topfdeckel. „Verbrannt“, murrte er, als Erique den Deckel wieder aufhob. Hoffentlich ging dieser Tag schnell zu Ende.... Doch noch war er ja nicht vorbei. Nach dem Essen machte Erique wieder diesen Ich – muss – dir – was - sagen - Gesichtsausdruck. „Was ist los?“ Joèl bemühte sich ruhig, liebevoll und wirklich interessiert zu klingen, auch wenn er die Antwort fürchtete. „Ich bin noch verabredet. Alan und die andern Jungs wollen noch n bisschen raus.“ Joèl seufzte. „Ich kann dir schlecht verbieten weg zu gehen, auch wenn ich dich bei dieser Art Verabredung am liebsten einschließen würde.“ Wieder lächelte Erique. Joèl würde ihm nicht böse sein. „Du weißt doch, ich bin vorsichtig. Es passiert schon nichts!“ Er räumte noch de Tisch ab und verließ dann die Wohnung, bevor es sich Joèl eventuell doch noch anders überlegen und ihn festhalten könnte. Er hatte ja Verständnis dafür, dass Joèl sich sorgte, aber in seinen Augen war es unbegründet. Der Ältere hingegen saß nun am Kamin und starrte in die Flammen. Er hatte seiner Ansicht nach sehr wohl Grund zur Sorge. Dies ist der Hauptgrund aus dem er Alan so wenig leiden konnte. Seit Erique ihn kannte hatte er diesen mit auf diese verfluchten Autorennen geschleppt. Wo sie fuhren wusste Joèl nicht und wollte es eigentlich auch gar nicht wissen. Weniger Sorgen machte er sich darum, dass die Polizei seinen Freund irgendwann erwischen könnte. Er konnte nur nicht verstehen, wie man sein Leben so leichtfertig aufs Spiel setzen konnte. War denn der Adrenalinkick so viel wert? Die Stunden vergingen und wieder bekam Joèl kein Auge zu. Er saß noch lange in dem Atelier gleichen Wohnraum. Großzügig viel Platz. Stand man mit dem Rücken zur Wohnungstür, so befand sich rechts eine Kaminecke mit einer Couch und zwei Sesseln. Neben dem Kamin grenzte an der rechten Wand ein Schrank an, worin Fernseher und Stereoanlage verstaut waren. Links stand der Esstisch mit Stühlen für bis zu sechs Personen. Dazwischen angenehm ausreichend Platz, so dass es nicht gedrängt wirkte. Mittig durch die linke Wand befand sich ein Türbogen, der in einen kleinen Flur führte. Der Flügel stand beinahe mittig im Wohnzimmer. Der Raum war mit hellbraunem Packet ausgestattet und besaß große Fenster. Vom Flur aus die erste Tür rechts fand man das Schlafzimmer. Ein nicht all zu großer Raum. Darin stand ein Ehebett und ein geräumiger Kleiderschrank. Zweite Tür rechts befand sich das Badezimmer. Mit Eckbadewanne, Dusche und allem was halt in ein Badezimmer gehört. Weiter: erste Tür links: Die Küche. Joèl hatte hier eine ausreichend große Arbeitsplatte und einen Ceranfeld-Herd. Auch hier war alles in hellen Holztönen gehalten. Der Boden war allerdings gefliest. Der letzte Raum auf der linken Seite war einmal ein Gästezimmer, doch mittlerweile hatte Joèl es sich gestattet, aufgrund der auch hier sehr großen Fenster und der kleinen Strahler die an mehreren Stellen in der Decke angebracht waren und so ein sehr gleichmäßiges Licht im Raum verteilten, ein Atelier daraus zu machen. Hier standen nun drei Staffeleien und an den Wänden entlang standen mehrere unfertige und fertige Werke gelehnt. Alle in Leinen eingeschlagen, damit sie keinen Schaden nahmen. Gegen 2 Uhr morgens war endlich das Geräusch des Schlüssels an der Wohnungstür zu hören und herein kam ein ganz schon betrunkener Erique. Erique war keiner von denen, die tierisch lustig, laut und albern wurden, wenn sie betrunken waren. Man sah es ihm einfach nur in den Augen und an seinen Bewegungen an. Das breite Grinsen, dass dem eigentlich so liebvollem Lächeln gewichen ist, war eigentlich immer das Auffälligste und das was Joèl am wenigsten gerne sah. Am liebsten hätte er ihn gleich angefahren, was ihm denn einfallen würde, doch er besann sich, dass er Erique nie zutrauen würde, betrunken ein Fahrzeug zu führen. Er hatte wohl danach erst kräftig zugelangt und im Moment war Joèl einfach nur froh, ihn heil wieder zu haben. Die nächsten Tage vergingen an sich ohne besondere Zwischenfälle. Magenschmerzen bereitete Joèl allerdings, dass Eriques berühmter Gesichtsausdruck in den letzten vier Tagen immer häufiger vorkam, er aber nichts sagte. Er sei in Gedanken gewesen. Er habe nur überlegt, ob es Joèl etwas ausmachen würde, wenn er nicht aufäße ... all solche Antworten, die Joèl übel nach Ausflüchten klangen. Erique war auch immer seltener zu Hause. Der Professor arbeite wohl gerade an neuen, äußerst interessanten Entdeckungen. Mit den Jahren hatte sich Erique vom kleinen Gehilfen fürs Wegräumen der Akten und zusammentragen der nötigen Lektüren zum Assistenten des 49-Jährigen gemausert. Professor Alexander Rendall beschäftigte sich seit jeher mit dem Mythos „Vampire“. Völlige Zeitverschwendung in Joèls Augen. Doch solange Erique Spaß daran fand, ließ er dessen Redefluss über dieses Thema stets über sich ergehen. Und Erique tat es wirklich aus Überzeugung und Freude an der Sache. Geld war ja schließlich keine Frage. Einerseits bekam Joèl regelmäßig genügend von seinen Eltern, sie ihm monatlich ein kleines Vermögen überwiesen (mit der Vorraussetzung sich ja nicht zuhause blicken zu lassen) und verdiente noch einiges mit den Bildern, die er auf den Ausstellungen der Universität verkaufen konnte. Ab und an spielte er dann auch auf kleineren Festen auf dem Klavier und bekam dadurch noch einen kleinen Bonus. Wie der Professor seinen Freund ansah, gefiel Joèl allerdings ganz und gar nicht. Er hatte Erique des Öfteren mal abgeholt und dabei festgestellt, dass die Beiden sich recht nahe standen. Sie verbrachten ja mittlerweile auch schon mehr Zeit gemeinsam als sie beide. Tagsüber in der Uni und abends, wenn Joèl und Erique dann eigentlich endlich Zeit für sich hätten, war Joèl entweder mit seinen Bildern beschäftigt oder aber Erique war auf der Rennstrecke mit ... Alan!! Eine Woche vor den Semesterferien saßen sie gemütlich beim Abendessen, als Erique nach Joèls Ansprache des gemeinsam geplanten Urlaubes in Italien wieder diesen Ausdruck in seiner Mine zeigte. Joèl legte sein Besteck bei Seite und sah ihn ernst an. //Und heute keine Ausflüchte// „Was ist los mit dir, Liebling. Und keine Ausreden mehr.“ Er sah ihn aufmunternd an und scheinbar wollte Erique diesmal auch endlich mit der Sprache rausrücken, denn seine Bedrückung wich nicht. „Naja...unser Urlaub. Es ist so ... ich kann leider nicht.“ Joèl war schwer getroffen und während Erique seinem Teller den Grund erläuterte, aus dem Italien gestorben war bekam Joèl mehr und mehr das Gefühl, jemand habe ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. „Professor Rendall und ich werden nach Schottland reisen. Es gibt Legenden über ein altes Schloss und ... nach langer Arbeit hat er dieses Schloss tatsächlich gefunden.“ Moment ... da lief etwas falsch! Statt der Bedrückung und des üblichen schlechten Gewissens, das sich immer in solchen Momenten in Eriques Augen spiegelte, war da auf einmal dieses Glitzern. Dieses Feuer der Begeisterung, als er damit fort fuhr von dieser Reise zu sprechen. „Es existiert wirklich. Wir tappen jetzt nicht mehr in vagen Mythen herum, gebeugt über staubige Bücher mit wirren kaum glaubwürdigen Erzählungen. Wir haben etwas Handfestes und werden hinfahren!“ Erique begann zu strahlen, also beschloss Joèl die weiße Fahne zu schwenken und ihn gewähren zu lassen. Dann sollte er halt fahren, wenn es ihm soviel bedeutete. Schweren Herzens nahm er dann bereits drei Tage, verdammte DREI TAGE später Abschied von seinem Liebsten. Er machte ihm keine Vorhaltungen, dass dieser es ihm erst so kurzfristig gesagt hatte. Er wusste ja, wie schwer es Erique immer fiel, ihn enttäuschen zu müssen. Aber wahrscheinliche machte gerade diese Engelsgeduld und die Fähigkeiten zur blitzschnellen Vergebung, die Beziehung der Beiden so perfekt. Joèl blieb noch einige Zeit am Flughafen und sah zu, wie die Maschine sich ihrem Ziel entgegen in die Lüfte erhob. Abends hatte er sich nach langer Zeit mal wieder einen Spaziergang im Park gegönnt. Hier hatte er Erique damals gefunden. Als es dunkel war und die Sterne am Himmel standen, dachte Joèl noch nicht dran, nach Hause zu gehen. Ohne Erique ... was sollte er da jetzt schon? Also streifte er noch ein wenig durch das nächtliche Los Angeles, als sich der Gedanke tief in seinen Verstand brannte. So tief, dass er am nächsten Morgen tatsächlich zwischen den Vorlesungen das Büro des Professors aufsuchte, um den genauen Standort dieses Schlosses ausfindig zu machen, von dem ihm Erique einen ewig langen Vortrag gehalten hatte. Am späten Nachmittag saß er dann im Reisebüro und hatte am Abend das Flugticket in Händen. Er würde ihm einfach nachreisen und war sich sicher, dass Erique ihm nicht böse wäre, wenn er dies täte. Ganz im Gegenteil, denn dieser hatte ihn ja immerhin gefragt, ob er nicht mitwolle, damit er ihm beweisen könne, dass man ruhig auch an Dinge glauben sollte, die man noch nicht gesehen hatte. You'll regret it! ----------------- Kapitel 2 - „You'll regret it“ Gegen 16:30 Uhr erreichte Joèl endlich das Dorf, das dem sagenumwobenen Schloss am nächsten lag und es sollte über drei Stunden dauern bis er durch die großen Gittertore in den Vorhof des Schlosses treten konnte. Statt kurzer informativer Antworten auf die Frage nach einem Taxi oder Bus, die ihm den weiten Fußmarsch ersparen würden, regnete es Belehrungen und Warnungen. Selten nur hörte Joèl den Ausdruck 'Vampire', so dass er sich zu wundern begann, wie sich Erique so sicher hatte sein können, hier welche aufspüren zu können. Alten Legenden nach war das 'Schwarze Schloss' immer schon dort gewesen. Niemand wusste wann oder von wem es errichtet wurde. Weiter hieß es, ein Fluch läge über dem alten Gemäuer und viele bezeichneten es als das Tor zur Hölle. Niemand der es je betreten habe, sei zurückgekehrt, bis auf wenige Ausnahmen, doch diese Forscher seien allesamt verrück geworden Ein älterer Herr hatte sich seiner letztendlich erbarmt und erklärte Joèl seine Ansichten während sie die Straße zum Schloss hinauf fuhren. Mit seinen dreizehn Türmen aus schwarzem Gestein wirkte es eher wie eine Burgruine und nicht wie das pompöse Vampirschloss nach dem es in Eriques Erzählungen geklungen hatte. Der Herr schien ebenso wie Joèl eher ein Realist zu sein und schenkte den Sagen keinen Glauben. Seiner Auffassung nach hatte, wer auch immer das Schloss hatte bauen lassen, reichlich Fallen einbedacht, die den Verschollenen wohl zum Verhängnis geworden waren. Erstmalig spürte Joèl unangenehme Nervosität in sich aufsteigen. Fallen! Glaubwürdig, logisch, möglich! Was, wenn dem so war und Erique und der Professor...? Joèl bemühte sich diesen Gedanken fortzuwischen. Wenn dort Fallen waren, dann würde er es gleich wissen. Die großen Gittertore standen offen, doch der Wagen hielt noch davor. „Entschuldige Junge, aber weiter fahr ich nicht. Pass auf dich auf.“ Joèl schaute ihn kurz skeptisch an. Wenn der Herr die Mythen ebenso für Hirngespinste hielt, wie auch er, warum hatte er es dann so eilig, hier wieder weg zu kommen? Seufzend stieg Joèl aus, bedankte sich noch einmal und holte dann seine Koffer aus dem Kofferraum. Die beiden Gepäckstücke waren nicht wirklich schwer. Einen Koffer links, einen rechts, marschierte er durch den verwilderten Vorhof und die wenigen Stufen zum Eingangsportal hinauf. Oben angekommen stellte er sie ab und betätigte den Türklopfer, doch lange Zeit geschah nichts. Nach weiterem Klopfen und Warten kam Joèl dann endlich auf die glorreiche Idee, gegen die Türe zu drücken und tatsächlich war sie nicht verschlossen. Die riesige Eingangshalle hinterließ einen bleibenden Eindruck. Ein Kronleuchter prangte in der Mitte der Halle unter der Decke. Joèl schätze die Anzahl der darin brennenden Kerzen auf mindestens fünfzig. An den Wänden sorgten brennende Fackeln für Licht, sonst bestanden die Wände nur aus kaltem schwarzen Gestein. Einzig an der Wand am Ende der Treppe, die dem Portal gegenüber liegend nach oben führte, hing ein großes Gemälde. Auf schwarzem Hintergrund leuchtete die Blüte einer roten Rose, umrahmt mit dem verschnörkelten Schriftzug „Forever under the Living Dead“. Durchaus ein Vampirschloss, wie aus jedem drittklassigen Roman. Einige Momente stand Joèl noch da, lies alles auf sich wirken, bis er sich zu fragen began, wie er Erique in diesem gewaltigen Gebäude finden sollte. Er musste sich wohl ausnahmsweise mehr auf sein Bauchgefühl, als auf seinen Verstand verlassen und ohne noch weiter zu zögern,nahm er sein Gepäck wieder auf und marschierte wie zielsicher durch die Gänge, Treppen hinauf und wieder um einige Ecken. Nachdem er nun durch so einige Flure gekommen war, die hier unnd da Staubfäden und Spinnenweben aufwiesen gelangte er nun in einen Bereich der bewohnter wirkte. Joel blieb vor einer Tür stehen unter der hindurch er einen schwachen Lichtschein ausmachen konnte. Schwere Vorhänge verhangen überall die Fenster und nur das orangegelbe Licht von Feuer durchbrach die Dunkelheit. Doch dieses Licht war zu weiß für Kerzenschein. Er setzte einen seiner Koffer ab und wollte gerade die Tür öffnen, als ihn klar und deutlich eine Stimme davon abhielt. „Tu es nicht! Öffne diese Tür nicht, du würdest es bereuen.“ Joèl drehte sich um, doch es war niemand in seiner Nähe zu sehen. Ärgerlich mit sich selbst drehte er den Türknauf, hob seinen Koffer wieder an und gab der Tür mit seinem Fuß einen leichten Schubs, so dass sie langsam aufschwang. Die Szenerie, die sich ihm dahinter zeigte, schien das Blut in seinen Adern gefrieren zu lassen. Er hatte Erique gefunden, doch lag dieser mit dem Professor auf dem großen Bett. In enger Umarmungen und gierige Küsse geschmiegt. Mit offenem Mund stand Joèl wie gelähmt da. Einzig seine Koffer setzten sich in Bewegung, als ihre Griffe aus seinen Händen glitten und sie geräuschlos neben ihm auf dem Boden landeten. Joèl hatte da Gefühl von einer gläsernen Kulisse umgeben zu sein, die nun in abertausenden Scherben zersprang, die um ihn herum niederregneten. Die beiden bemerkten ihn nicht einmal und als Joèl kurz blinzelte war die Tür wieder verschlossen. Er schüttelte den ersten Schock ab und starrte auf die Tür. War das alles Einbildung gewesen und er hatte die Tür noch gar nicht geöffnet? Doch nun klang lustvolles Stöhnen gedämpft aus dem Raum auf den Flur. Joèl wich zwei Schritte zurück, dann zur Seite, drehte sich und lehnte nun mit dem Rücken an der Wand neben der Tür. Sein Herz, von dem er soeben noch geglaubt hatte, es sei stehen geblieben, meldete sich schmerzhaft rasend zurück. Er schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Als er sie dann wieder aufschlug stand jemand vor ihm. So nah, dass ihre Nasenspitzen sich beinahe berührten. Braune Augen blickten tief in die seinen und Joèl erkannte die rauhe, flüsternde Stimme von zuvor, als der Fremde ihn vorwurfsvoll ansprach. „Ich habe dir gesagt, du wirst es bereuen. Zufrieden?“ Sie sahen sich einander noch einen Moment an, dann trat der schwarzhaarige Mann, der knapp einen Kopf größer war als Joèl ein paar Schritte zurück und richte sich auf. Er hatte wirklich eine vornehme Haltung. Sein schwarzes Haar war seidig glatt und schulterlang. Er trug ein weinrotes Hemd, dazu eine schwarze Hose und darüber einen dunklen langen Mantel. Mit einem arroganten Ausdruck in den Augen musterte er den Studenten. „Folge mir, ich zeige dir dein Zimmer.“ Mit diesen Worten wand er sich um und ging eleganten Schrittes voraus. Joèl brauchte noch einen Moment, bis er sich loslösen, nach seinem Gepäck greifen und ihm hinterher eilen konnte. Sie gingen einige Zeit bis der Fremde vor einer Tür stehen blieb, diese dann öffnete und Joèl den Vortritt gewährte. In dem Raum, der sich vor ihm erstreckte stand eine altmodische, edle Couchgarnitur vor einem großen Kamin in dem ein Feuer beruhigend knisterte. Bücherregale säumten eine der Wände und zwei Türen führten wohl zu Schlaf- und Badezimmer. Alles in allem war der Raum sehr einladend. Joèl dachte an das Zimmer vor dem er vor einiger Zeit gestanden hatte. Hatten dort nicht sowohl Sitzmöbel als auch Bett und Schrank gestanden? Wie kam es, dass ihm solch ein Luxus zuteil wurde? Er trat tiefer in den Raum und auch hier sperrten dicke Vorhänge das Sonnenlicht aus. Er ging auf das Fenster zu und fasste den schweren Stoff, als er ihn allerdings zur Seite ziehen wollte, stand der Fremde wieder direkt neben ihm und hielt seine Hand. Nur ein Hauch von Berührung und Joèl hätte den Vorhang dennoch Problemlos zur Seite ziehen können. Doch in dem Moment als er die kühle Hand des Anderen auf seiner spürte, hielt er inne. Hatte er nicht soeben noch neben der Tür gestanden? „Hast du aus der Begebenheit vorhin gelernt? Höre diesmal auf mich und lass sie geschlossen, wenn du nicht eine weitere Tat bereuen willst.“ Wieder schien seine Stimme nicht viel mehr als ein Flüstern zu sein, doch möglicherweise sprach er immer in diesem rauchigen warmen Ton. Joèls Dickkopf redete ihm energisch ein, die Vorhänge nun erst recht zur Seite zu reißen, doch er schenkte dem Fremden ein Lächeln und lies langsam seine Hand sinken. Die Hand des Andern folgte ihr bis die Berührung schließlich unterbrochen war und er wieder höflichen Abstand zu Joèl einnahm. „Dies ist der östliche Teil des Schlosses. Du kannst dich von hier bis zur Eingangshalle sowie im Hof nach belieben frei bewegen. Die Türen zu allen anderen Bereichen ebenso wie zum Keller sind ohnehin versperrt. Aus gutem Grund. Solltest du einen Durchweg finden, rate ich dir, ihn nicht zu nutzen, es sei denn dir steht der Wunsch danach, dich in den labyrinthartigen Gängen zu verirren.“ Eine klare Aussage, der Joèl gerne Folge leisten wollte. Er würde wahrscheinlich nicht mal den Weg zurück zur Eingangshalle finden, da konnten ihm Flure und Räume, die eigentlich verschlossen sein sollten gestohlen bleiben. „Danke für Ihre Gastfreundschaft. Ich bin Joèl.“ Erstmalig sah er den Fremden nun lächeln. Und was für ein Lächeln das war. In seinen Augen glühte ein warmes Feuer. „Shatei. Es wird mir ein Ehre sein, dir deinen Aufenthalt bei uns so angenehm wie möglich zu gestalten.“ Joèl hatte sich in einem der Sessel niedergelassen und wies Shaei mit einer Handbewegung an, sich zu ihm zu setzen. „Uns?“ Shatei kam der Einladung nach. „Du wirst sie noch kennen lernen. Aber sei auf der Hut. Nicht jeder hier weiß Gastfreundschaft walten zu lassen, es wird wohl sogar den ein oder anderen geben, der dir nach dem Leben trachtet und ich werde nicht immer nahe genug sein können um das Schlimmste zu vermeiden.“ Joèl hob skeptisch eine Augenbraue, doch ehe er etwas sagen konnte, sprach Shatei das Thema exakt an. „Ich erwarte nicht von dir, dass du mir Glauben schenkst, daher werde ich mich gar nicht erst mit langen Erklärungen aufhalten. Du wirst bald lernen, dass Legenden nicht immer gleich Fiktion sind.“ Doch an sich konnte das Joèl im Moment herzlich egal sein. Seine Gedanken flogen zurück zu Erique. Erique in den Armen Rendalls. Erique wie er ihn Küsste. Erique, wie er dessen Namen stöhnte. Am liebsten wäre Joèl nun allein. Allein mit seinem Schmerz, doch wie könnte er Shatei bitten zu gehen, wo dieser ihn so zuvorkommend behandelte? Wie es aussah, war es für Joèl allerdings nicht nötig, über seinen Schatten zu springen, denn Schatei stand auf und sah ihn mitfühlend an. Diese Augen würden Joèl gewiss noch irgendwann de Verstand rauben. Ich kann dir schlecht raten, es nicht zu schwer zu nehmen. Der Schmerz über diesen Vertrauensbruch steht dir förmlich ins Gesicht geschrieben. Doch lass mich dir raten, zumindest zu versuchen, darüber hinweg zu kommen. Ich werde dich jetzt alleinlassen, damit du es auf deine Art verarbeiten kannst.“ Seine Art? Woher wollte er wissen, wie es sine Art war? Joèl lächelte ihm tapfer zu, bevor Shatei den Raum verlies. Dieser Mann war wirklich faszinierend. So warmherzig, vornehmes Verhalten und diese ausdrucksvollen Augen gepaart mit seiner rauchigen Stimme. Für gewöhnlich sympathisierte Joèl nicht sonderlich mit diesen 'Lehrer-Typen', die ständig mit weisen Ratschlägen daher kamen, doch Shatei schien ihn keineswegs belehren, sondern ihm auf freundliche, tröstende Art, helfen zu wollen. Noch lange verbrachte Joèl mit Gedanken, die zwischen Erique und Shatei hin und her flogen, bis die Dämmerung schließlich zur Nach wurde. Irgendwann waren Joèl die Augen zugefallen. Die lange Anreise hatte ihm mehr abverlangt, als er selbst gemerkt hatte. Als er erwachte stand er auf und zog nun doch die Vorhänge beiseite. Die Nacht hatte sich tiefschwarz über Schottland gelegt, kaum ein Stern war am Himmel zu sehen und auch der Mond brauchte viel Mühe, um durch die düstere Wolkendecke hindurchzuleuchten. Es wurde an der Zeit, sein Reich zu inspizieren. Im Schlafzimmer befand sich unter anderem ein geräumiger Kleiderschrank. Joèl holte seine Koffer und begann auszupacken. Er hatte auch ein paar Bücher mitgenommen, denn ganz vernachlässigen wollte er sein Tudium auch im Urlaub nicht. Wie er jetzt bemerkte, stand in dem großen Wohnraum auch ein Schreibtisch, auf dem er sein Lehrmaterial nun ablegte. Im Bad fand er bereits frisch Handtücher und einen weichen Bademantel. Duschgel und Haarshampoo verstaute er auf der Ablage in der Dusche, Zahnbürste und Zahnpasta in dem kleinen Schränkchen über dem Waschbecken. Da er ja nun gerade mal im Bad war, beschloss er, gleich zu duschen und sich frisch einzukleiden. Dann machte er sich auf den Weg um die nähere Umgebung zu erkunden. Zu dieser nachtschalfenden Zeit würde er ja wohl kaum jemandem begegnen, es sei denn natürlich, die Bewohner dieses Schlosses würden wirklich an diesem ominösen Vampirmythos festhalten. Und so war es, wie er feststellte. Schon bald kam er Schon bald betrat er einen Flur von dem aus er durch eine geöffnete Flügeltür Einblick in einen Salon hatte. Mehrere Leute unterhielten sich leise, andere saßen schweigend in einem der Sessel, lasen oder lauschten der Klaviermusik, die die Geräusche der Gespräche sanft untermalte. Eine alles in allem sehr einladende Szenerie, doch Joèl ging vorbei. Einige Flure weiter trat Erique um eine Ecke und strahlte, als er Joèl sah. „Joèl!!“ Er lief auf ihn zu, schlang seine Arme um ihn und schmiegte sich an ihn. Joèl hingegen gefror in seinen Bewegungen und stand regungslos da. Als Erique aufsah und ihn gerade fragen wollte was denn sei, verschlug ihm Joèls finsterer Blick die Sprache. Professor Rendall war soeben ebenfalls um die Ecke gekommen und senkte schuldbewusst und beschämt den Blick zu Boden. „Was ist denn, Joèl?“ Alexander ersparte Joèl die Antwort. „Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Sie sich fühlen müssen. Shatei besaß die Freundlichkeit, mich darauf hinzuweisen, dass sie bereits in Kenntnis sind über....“ war das Sarkasmus, als er über Shatei sprach? Alexander räusperte sich kurz. „...über die Beziehung, die Erique und ich zueinander pflegen.“ Der Schlag traf Erique hart und unvorbereitet, als ihm mit einem Mal bewusst wurde, was er seinem Liebsten angetan hatte. Doch Joèl sah ihn nicht an. Sein vorwurfsvoller Blick war fest auf Rendall geheftet. Eine peinliche Stille breitete ich zwischen den Dreien aus und Joèl war es, der die brach. „Ich werde es wohl oder übel hinnehmen müssen.“ Er schob Erique von sich, dem nun Tränen in den Augen standen. „Ich will gar nicht erst darüber nachdenken, wie lange da schon etwas hinter meinem Rücken läuft, damit fertig werden werde ich auf meine Art.“ Er ging an Erique vorbei auf den Professor zu, bei welchem er kurz stehen blieb. Seine Stimme war leise genug, so dass Erique ihn nicht hatte verstehen können und drohend genug, dass was er sagte einen bleibenden Eindruck bei Alexander hinterließ. “So jemand wie Erique läuft einem nur einmal im Leben über den Weg. Wenn Sie ihn jemals unglücklich machen, werden Sie es bereuen, das schwöre ich.“ Er bog um die Ecke in den nächsten Flur ein. Dort lehnte Shatei an einer der Wände, die Arme vor der Brust verschränkt, den Kopf leicht geneigt und die Augen geschlossen, mit einem etwas amüsierten Lächeln auf den Lippen. „Wirklich eine beachtliche Rede, Joèl. Ich stehe dir jederzeit zur Seite, wenn es darum geht, ihn bereuen zu lassen.“ Er lachte nun aufmunternd und sah Joèl an, bevor er sich von der Wand abstieß. „Wenn du möchtest, zeige ich dir das Schloss.“ Joèl nickte. Ja, ein wenig Ablenkung wäre jetzt gut und Shatei war ja nicht gerade unangenehme Gesellschaft. Er führte ihn nicht zu allen Orten. Für die erste Nacht erst einmal die Wichtigsten: Der Salon („Beachte sie nicht, sie sind es nicht wert.“), den Speisesaal („Ich werde dir deine Mahlzeiten selbstverständlich gerne bringen lassen. Dieser Saal ist viel zu groß für drei Personen.“), das Musikzimmer („Gefällt dir der Flügel? Es steht dir jederzeit frei, darauf zu spielen, jedoch wurde er bedauerlicher Weise seit Jahren nicht mehr gestimmt. Da weist der Flügel im Salon einen weitaus besseren Zustand auf“) und die Bücherei. „Lese soviel du magst. Allerdings muss ich dich hier auf eine bedeutende Regel aufmerksam machen: Kein Buch und auch keine Kopie darf das Schloss verlassen.“ Joèl sah ihn an, und bekam, wie erwartet ohne zu fragen eine Antwort, wenn diese auch nicht so ausfiel, wie erhofft. „Halt dich einfach daran, du wirst den Sinn beim Lesen diverser Exemplare schon noch erkennen.“ Joèl ging auf eines der Hohen Regale zu. Diese Bücherei war atemberaubend. Bücherregale bis hoch unter die Decke. Hätte er sie jemandem beschreiben sollen, so hätte er keine Worte gefunden. Man musste es einfach mit eigenen Augen gesehen haben. Vor eine der Regale betrachtete er die Buchrücken. Diese Bücher waren verdammt alt. Jeder Antiquariat wäre hier vor Freude in Tränen ausgebrochen. Für Joèl war es ein Meilenstein für sein Geschichtsstudium. „Fachbücher, geheftete oder gebundene Forschungsberichte, Atlanten und alte Karten, sowie Romane, Fabeln, Legenden. In dieser Bücherei dürfte an sich nichts fehlen.“ Shatei lachte wieder amüsiert und wies mit einer Hand nach rechts. „Einige Bilderbände sind gewiss auch noch aufzufinden.“ Nun gut, jetzt wusste Joèl zumindest wie er an den Tagen seine Zeit verbringen würde. Denn anhand der Kleidung auch dem Verhalten diverser Personen, denen er bei seinem Rundgang nun begegnet war, festigte sich in ihm die Ansicht, von einer Horde verrückter Vampirfanatiker umgeben zu sein. Einige von ihnen hatten ihn neugierig beobachtet, während er mit Shatei sprach. Andere blickten drohend. Eigentlich wollte er nicht wirklich in diesem Schloss bleiben. Shatei war ganz sympathisch aber hatte scheinbar auch heftig einen an der Klatsche. Und irgendwie wurde Joèl dessen Anwesenheit auch unangenehm. Die Art, wie er ihn beobachtete, die Art wie er sprach und sich bewegte. Auch seine Ausdrucksweise. Joèl wollte ihm gerade sagen, dass er zurück in seine Zimmer gehen würde, als Shatei sich wortlos von ihm abwendete und ging. //Merkwürdiger Typ...// Die Bücherregale waren nur durch die hohen Fenster unterbrochen. Kein Zentimeter Wand war mehr frei gelassen worden. Bücher über Bücher. Joèl fiel ein, dass in all den Räumen und Gängen, die sie diese Nacht besucht hatten, die Vorhänge nun beiseite gezogen waren. Leider wurde ihm das reichlich spät bewusst, denn einige derer, die sich in der Bücherei aufhielten, standen nun auf und zogen die Vorhänge zu, bevor sie den großen Raum verließen. Joèl ging an den Regalen entlang und fand schon bald ein Buch dessen Titel ihm interessant schien. An einem der massiven Holztische nahm er auf einem gepolsterten Stuhl Platz und begann zu lesen. Erst als seine Augenlider schwer wurden und die Buchstaben immer wieder vor seinem Blick verschwammen stellte er es zurück in das Regal, in der Hoffnung, es nach etwas Schlaf wieder finden zu können. Anhand der Bücher daneben sah er nun, dass es sich um eine Trilogie handelte. Müde wanderte er zurück und war im Bett angekommen auch schnell eingeschlafen. Lesen war wirklich eine wunderbare Ablenkung, von den Sorgen, die ihn plagten. Als er aufwachte fand er auf dem Tisch in seinem Wohnraum Kaffee und Brote. Wahrscheinlich hatte Erique irgendwem mitgeteilt, was Joèl üblicherweise zum Frühstück zu sich nahm... Frühstück...Der Blick auf seine Armbanduhr verriet Joèl, dass es bereits später Nachmittag war. Eher früher Abend. Nach der kleinen Stärkung ging er zurück zur Bücherei. Was sollte er auch sonst tun? Die Bewohner des Schlosses würden ja wohl vor Sonnenuntergang nicht aufstehen und auf Erique und Rendall konnte er gut und gerne ein paar Tage verzichten. Und dieses Buch bettelte in seinen Gedanken förmlich darum weiter gelesen zu werden. Selten hatte ihn etwas so sehr gefesselt. Die Schreibart, die Wortwahl. Nach wenigen Stunden hatte er den ersten Band dann auch schon durch und stand auf um ihn zurückzustellen und mit dem nächsten Band fortzufahren. Als er vor dem Regal stand dachte er daran, dass er wohl ewig hier bleiben und lesen könnte, als er wieder Shateis flüsternde Stimme direkt an seinem Ohr wahrnahm. „Ewig?“ Diesmal stand er jedoch tatsächlich direkt hinter ihm und legte nun auch die Arme um Joèls Körper. Sie beide waren noch immer allein in der Bücherei und dieser kurze Moment in dem sie nun still dastanden, Joèl noch immer das Buch in der Hand, welches er gerade im Begriff war, wegzustellen, Shatei hinter ihm, ihn umarmend, schien in der Zeit stillzustehen und eine halbe Ewigkeit anzudauern. „Oh ja, ein kleiner Moment kann zu einer Ewigkeit werden, nicht wahr, Joèl? Doch die Ewigkeit ist für uns nichts weiter, als ein solcher kurzer Moment.“ Shateis Lippen berührten beinahe sein Ohr, als er ihm diese Worte zuhauchte und ein Kribbeln breitete sich währenddessen in Joèls Körper aus. Er bemühte sich, nicht zu zittern, als seine Knie weich wurden und seine Brust beim Atmen spannte, während sein Herz darin donnernd raste. Ehe er sich versah, lehnte er sich gegen Shatei, der ihm nun sanfte Küsse auf den Hals hauchte. Joèls Nackenhaare stellten sich auf und ein kühler Schauer floss ihm über den Rücken, bei jeder Berührung dieser kalten Lippen. Kurz wollte er sich beschweren, den Anderen fragen, was das eigentlich sollte, doch es kam kein Wort über seine Lippen. Lediglich ein leises Geräusch löste sich aus seiner Kehle, das mehr nach einem Seufzen wenn nicht gar einem heiseren Stöhnen klang. Joèls Wangen begannen zu brennen. Wie verdammt würde Shatei das jetzt deuten und warum zum Teufel musste er jetzt auch noch rot werden. Wie es in diesem Teufelskreis so üblich war, vertiefte die Scham über sein Erröten den Teint seiner Wangen noch mehr. Die Wärme glitt weiter und breitete sich aus. Sein erhitzes Blut schoss wie Lava durch seine Adern und konzentrierte sich als ein ziehendes Gefühl in seinem Schritt. Er legte den Kopf zurück auf Shateis Schulter, während dieser nun leicht an der empfindlichen Haut seines Halses knabberte. Sein Verstand begann bereits nach und nach auszusetzen, als er den Kopf zur Seite neigte um Shatei besseren Zugang zu ermöglichen. Joèl hörte das Blut in seinen Ohren rauschen, begleitet durch das Geräusch seines schnellen Pulsschlages. Sein Atem kam stoßweise, während Shatei seine Hand tiefer gleiten lies. Wann hatte dieser Joèls Hose geöffnet? Den Bruchteil einer Sekunde war er schockiert, doch dann stöhnte er auf, als der Andere sein erregtes Glied umfasste. Das ging ihm alles entschieden zu schnell, doch sein Körper schrie verzweifelt nach mehr. So sehr, dass Joèl es aufgab, sich im Geiste dagegen zu wehren. Kleine Lichtsterne flackerten vor seinen Augen, der Raum schien unwirklich und in weiter Ferne, als das Buch aus seiner Hand auf den Boden fiel. Durch das laute Rauschen seines eigenen Blutes hörte er gedämpft und irreal sein eigenes Stöhnen, welches immer lauter, immer begehrender wurde. Der feste Griff um seine Erektion war köstlich und Joèl begann erst noch zurückhaltend dann schneller und intensiver in die kühle Hand zu stoßen. Er griff nach hinten, legte die Hand in Shateis Nacken, als seine Beine ihm den Dienst versagten, doch dieser hielt ihn mit einem Arm, den er um Joèl gelegt hatte aufrecht, während seine andere Hand weiter ihre Wunder wirkte. Joèl spürte seinen Höhepunkt ugewohnt schnell nahen, ein kleiner Schmerz an seinem Hals, der einen gleißenden Lichtstrahl vor seinem inneren Auge aufblitzen lies, schien ihm endgültig den Verstand rauben zu wollen. Begleitet von einem lauten Aufschrei rollte die Welle seines Orgasmus über ihn hinweg und er sank bewusstlos gegen Shatei, der ihn langsam zu Boden gleiten und ihn dann dort liegen lies. Er ging davon aus, dass einer der Beobachter sich wohl um ihn kümmern würde. Die Nacht war bereits hereingebrochen, doch nachdem Shatei die Bücherei verlassen hatte lag Joèl noch immer dort, mit geöffneter Hose. Als er zu sich kam, fand er sich allerdings in seinem Bett wieder. Verwirrt richtete er sich auf. Was war passiert? Die Welle der Erregung schoss als Erinnerung durch seinen Geist und wieder stieg ihm das Blut in die Wangen. Er legte sich zurück ins Bett und dachte beschämt an diese Momente zurück. Dann erinnerte er sich an den stechenden Schmerz an seinem Hals und tatstete die stelle ab. Nichts. //natürlich ist da nichts, du Depp. Wahrscheinlich ein gewaltiger Knutschfleck, aber was sollte da bitteschön sonst noch sein?// Ihm kam auch wieder in den Sinn, dass er unmittelbar danach das Bewusstsein verloren hatte. „Ja, der Biss eines Vampirs ist manchen wirklich einfach eine Spur zu viel.“ Shatei stand im Türrahmen des Schlafzimmers und sah belustigt auf Joèl hinab. Dieser schlug nun die Decke zurück, stand etwas zu ruckartig als es für seinen Kreislauf gut war auf und ging mit wütendem Blick auf Shatei zu. „Ich habe jetzt wirklich keine Lust auf diesen Vampirblödsinn! Was fällt dir eigentlich ein, mich mitten in der Bücherei....einfach so....das...“ Shatei hatte während er sprach den letzten Rest an Abstand zwischen ihnen überbrückt, seine Hand in Joèls Nacken gelegt und ihn näher zu sich gezogen. Nur wenige Zentimeter trennten ihre Lippen voneinander und der tiefe, brennende Blick, der in Shateis Augen lag, hinterließ in Joèl das Gefühl, sich in diesen Augen zu verlieren. Seine Stimme wurde immer leiser, bis er letztendlich gänzlich verstummte. Die Zeit schien wieder still zu stehen und Joèls Blut begann augenblicklich erneut zu kochen. „Wenn ich keiner bin, welchen Grund willst du dann dafür vorweisen, dass du mir unmöglich widerstehen kannst, ungeachtet dessen, wie sehr du es auch versuchst?“ Dieses Flüstern schnürte Joèl die Kehle zu. Sein Atem brannte in seinen Lungen und dieses fiebrige Gefühl lies es ihm schwindelig werden. Angenehm kühle Lippen legten sich auf die Seinen, die im Gegensatz dazu wie Feuer zu brennen schienen. Er wollte sich losreißen, wollte diesen Kuss unterbrechen, oder zumindest seine Lippen fest aufeinander pressen, doch ganz gegen seinen Willen öffnete er seine Lippen gierig und gewährte Shateis Zunge Zugang. Zärtlich und behutsam zog Shatei den 23jährigen in seine Arme, während seine Zunge sanft die des Anderen umspielte. Wieder gaben Joèls Knie nach, er krallte seine Hände in den edlen Stoff von Shateis Hemd und lies sich gierig in den Kuss sinken. Zu gerne vertiefte diesen auch der andere, denn eines war sicher, wenn Joèls Zunge....Etwas spitzes schnitt in das empfindliche Fleisch und Joèl hatte kurz den Geschmack von Blut im Mund bevor wieder abertausend Sterne vor seinen Augen explodierten. Und das, wo er sie doch geschlossen hielt. Der Raum um ihn herum begann sich zu drehen, und bevor er wieder endgültig in diesem Strudel von Lust und Wahnsinn unterging, unterbrach Shatei den Kuss und schob Joèl ein Stück von sich. Dieser wird sich dem Boden unter seinen Füßen wieder gewahr. Er öffnet die Augen und schaut Shatei unverwand an. Er hatte mit einem Mal das Gefühl, jemand habe ihn mit kaltem Wasser übergossen, als dieses Gefühl der Trance plötzlich von ihm abfiel. Doch seine Stimme hatte Joèl noch immer nicht wieder gefunden. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen und schloss ihn gleich wieder während er sofort wieder vergaß, was er eigentlich überhaupt hatte sagen wollen. Er taumelt ein paar Schritte zurück und setzt sich auf das Bett. Shatei folgt ihm, blieb vor ihm stehen und lehnte sich zu ihm hinunter. Mit Daumen und Zeigefinger fasste er Joèls Kinn und hob sein Gesicht an, so dass diesem keine andere Wahl bliebe, als ihn anzuschauen. Auf seinen Lippen lag nun ein triumphierendes Grinsen und die Arroganz kehrte in seine Augen zurück. Joèls Augen hingegen zitterten und er fragte sich selbst, was dies für ein Gefühl war, dass seinen Körper und Geist so vollständig in Besitz nahm. Fürchtete er sich etwa vor dem Anderen? Weil dieser ihn so wehrlos, so hilflos machte? „Du bist bereits mein, Joèl. Das sollte dir klar sein.“ Einen Moment starrte Joèl ihn fassungslos an, dann entfachte sich ein Feuer in seinen Augen. „Bitte was?! Du hast wohl was Falsches geraucht!“ Eine Ohrfeige traf Joèl hart und unvorbereitet und seine Wange brannte schmerzhaft. Noch bevor er Shatei anbrüllen konnte, ergriff dieser wieder das Wort. Der klang seiner rauhen Stimme war nun nicht länger warm, faszinierend und verführerisch, sondern drohend und beängstigend. „Es wäre für mich nicht mehr Aufwand, dir alle Knochen zu brechen, als es für dich wäre, mit den Fingern zu schnippen. Reize mich nicht Joèl.“ „Sonst werde ich es bereuhen, hm?“ Diese Kälte, die nun aus Shateis Augen schoss, schnürte Joèl die Kehle zu. Er hatte das eigentlich nicht sagen wollen, und doch war es ihm einfach so rausgerutscht. Und in was für einem Ton! Shatei bemerkte den Blick der nun in Joèls Augen bebte. Es war nicht sein Ziel gewesen, ihn zu ängstigen und schnell nahmen seine eigenen Augen wieder einen wesentlich wärmeren und geduldigen Ausdruck an. Er lies sich vor Joèl auf die Knie sinken und strich ihm sanft über die Wange, die er zuvor geschlagen hatte. „Es tut mir leid Joèl. Ich hatte mehr Zeit eingeplant, bis dir deine Ausflüchte ausgehen würden mit denen du vor dir selbst unsere Existenz leugnest. Aber es ist, wie es ist, Joèl. Du bist mein, und solltest du meinen, mich zu häufig verärgern zu müssen, wird es Erique und dem Professor nicht mehr allzulange so gut gehen.“ Er hatte es Joèl erzählt, wie man einem Kind einen Fehler erklärt. Behutsam, ruhig und langsam. Das alles machte ihn wütend. Tierisch wütend. Doch im Moment fühlte er sich einfach zu schwach, um sich auf einen Streit mit Shatei einzulassen. Die ausgesprochene Drohung lastete schwer auf Joèls Gemüt. Auch wenn er diesen Vampirkram weiterhin für Gewäsch hielt, war es nicht ausgeschlossen, dass Shatei Mittel und Wege besaß, Erique Schaden zuzufügen. Dieser hatte sich nun mit Alexander eine ruhige Ecke in der Bibliothek gesucht. Dokumente und Bücher lagen über dem Tisch an dem sie saßen verteilt. „Es ist unglaublich! All diese Schriften. Darunter verloren geglaubte Exemplare ältester Überlieferungen. Diese Dokumente könnten das gesamte menschliche Realitätsdenken vollkommen umkrempeln....Erique? Erique, wo bist du gerade?“ Der Junge hatte den Blick aus dem Fenster gerichtet und war mit seinen Gedanken tatsächlich ganz woanders. „Joèl geht mir nicht aus dem Kopf. Ich verstehe nicht, wieso Shatei das getan hat. Uns hat er nie auch nur angerührt...“ Alexander legte das Buch, das er soeben in Händen gehalten hat beiseite und setzte seine Lesebrille ab. „Auf diese Frage werden wir in nächster Zeit wohl genausowenig eine Antwort finden, wie auf die, warum Shatei uns nicht schon längst getötet hat. Immerhin hat er uns bereits am ersten Abend kund getan, wie wenig sympathisch er uns gesinnt ist.“ Es herrschte ein Moment Stille. Sie waren vor wenigen Stunden gerade auf dem Weg hierher gewesen, als sie ihre Schritte aufgrund lauten Stöhnens beschleunigt hatten. Shatei hatte sie konsequent ignoriert und nichtmal eines Blickes gewürdigt, als er an ihnen vorbeiging und Joèl einfach liegen lies. Alexander war es, der Joèl zurück in seine Räume brachte. Nicht dass er gewusst hätte, wo sie lagen. Shatei hatte wohl doch Nachsicht mit dem Studenten gehabt, so dass Alexander nur seiner inneren Eingebung hatte folgen brauchen. Diese Räume waren überschäumender Luxus im Vergleich zu ihren Unterkünften, Irgendetwas hatte Shatei mit Joèl vor. Alexander beschloss für sich, mit ihm zu reden sobald sich die erstbeste Gelegenheit ergab. War Joèl tatsächlich so verbohrt in seinen Realitätssinn und so ignorant gegenüber allem, was in dieser nicht hineinpasste, so wie Erique ihn beschrieben hatte, würde er selbst nach diesem Vorfall nicht glauben, mit welchen Wesen er es hier zu tun hatte. Und das könnte über kurz oder lang zu einer großen Gefahr für ihn werden. Er schob die Brille wieder auf seine Nase und beugte sich über die Dokumente an deren Übersetzung er gerade arbeitete.Auch Erique hatte sich wieder seinen Studien gewidmet. So verflog die Zeit bis Alexander erneut aufsah und Joèl durch die Bücherei wandernd bemerkte. Er schien etwas zu suchen. Das war doch eine ausgezeichnete Gelegenheit für einen kurzen Wortwechsel. Ihr erstes Gespräch war ja nicht gerade positiv verlaufen, aber alles was nicht derart ausgehen würde, war ein großer Fortschritt um eine Kommunikationsbasis zu schaffen. Alexander erhob sich von seinem Platz und nahm den Papierbogen mit, auf dem Erique und er in der ersten Nacht einen Grundriss der Bücherei mit ihren Regalen gezeichnet hatten um zu beschriften, welche Thematik wo zu finden war. Ebenso vermerkten sie dort, welche Werke bzw. Regale sie schon durchgearbeitet hatten. „Joèl?“ Er stand bereits hinter dem jungen Mann, der sich langsam zu ihm umdrehte. Joèls feuriger Blick schien ihn zu einem Häufchen Asche verbrennen zu wollen. Einen kurzen Moment war Alexander erschrocken darüber, wie viel Verachtung ein Mensch in seinen Augen auszudrücken vermochte. „Ich denke...das hier könnte Ihnen nützlich sein.“ Joèl warf nur einen kurzen Blick darauf und reichte es dem Professor zurück, während er ein „Danke“ zwischen den Zähnen hervorpresste. „Gern geschehen.“ Alexander lächelte ihn freundlich an. Irgendwie musste man doch an den Jungen herankommen können. Doch Joèl hatte sich schon abgewendet und marschierte zielstrebig auf die von ihm gesuchte Abteilung zu. //Interessant. Er hat also vor, sich mit den Mythen und Berichten über Vampire auseinanderzusetzen//, ging es Alexander durch den Kopf. Und das hatte Joèl tatsächlich im Sinn. Wenn er seine Würde bewahren und Erique heil hier herausbringen wollte, musste er wissen und verstehen, wie diese Wahnsinnigen tickten und was sie glaubten zu sein. Er musste nach ihren Regeln spielen. Stunde um Stunde, Nacht um Nacht brütete er über Büchern und Pergamenten. Er hatte sich angewöhnt, Tags zu schlafen, wenn es ruhig war im Schloss, während er die Nächte fast ausschließlich damit verbrachte, zu lesen oder andere „Vampire“ zu beobachten. Shatei lies ihn gewähren. Warum er dies tat, war Joèl unklar. Er konnte ohnehin nicht einmal erahnen, was Shatei überhaupt an Beweggründen für jede seiner Taten hatte, wie und was er dachte. Oftmals, wenn Shatei an ihm vorbeiging, oder wenn er an der Wand lehnend Joèl beim Lesen beobachtete während Joèl seinen Blick förmlich auf sich spüren konnte, durchzog ihn wieder dieses merkwürdige Gefühl der zweiten Nacht in diesem Schloss. Sein Herz schlug dann schneller und der Drang aufzuschauen und Shatei mit einem ebenso intensiven Blick zu betrachten, sich ihm zu nähern, wuchs in solchen Augenblicken. In der fünften Nacht seiner Studien nahm Joèl sich in Buch mit in den Salon, wo er sich in einem Sessel nieder ließ, von dem aus man den gesamten Raum überblicken konnte. Er wollte beobachten und lauschen. Mittlerweile hatte er sich mit ganzen Regelwerken diverser Vampir-Rollenspiele abgemüht. Nun wurde es Zeit herauszufinden, welche Art Spiel diese hier spielten. Fünf Nächte hatte Shatei ihn nicht angesprochen, ihn nicht angerührt. Fünf Nächte kein Zeichen des vorangegangenen 'Du bist mein'. Doch nun stand er direkt neben ihm und sein Blick war freundlich, seine Ausstrahlung warm. „Komm, ich möchte dir etwas zeigen.“ Warum Joèl in diesem Moment aufstand und ihm folgte, wusste er nicht. Er tat es einfach. Hörte auf den inneren Wunsch, so zu handeln. Unpleasant Truth ---------------- Kapitel 3 - „unpleasant truth“ Es war eine angenehm laue Nacht. Ein seichter Wind wehte frische Waldluft mit sich, als sie gemeinsam das Schloss verließen. Joèl folgte Shatei knapp einen Schritt, so dass sie beinahe gleichauf nebeneinander hergingen. Die Anwesenheit des Schwarzhaarigen machte ihn nervös, doch zu seiner Verwunderung empfand er diese Nervosität keineswegs als unangenehm. Diese geheimnisvolle Aura hüllte ihn ein und lies die Umgebung kaum in sein Bewusstsein dringen. Nicht die dunklen Pflastersteine des Weges, der zu den rostigen Toren des Grundstückes führte, nicht die verdorrten Sträucher des verwilderten Vorhofes an denen sie vorbeigingen, nicht die alten Bäume, deren Äste im Wind knarrten. Auch nicht die Bäume des Waldes, die im Gegensatz zu jenen im Vorhof noch eine dichte Blätterkrone trugen und so nur spärlich das Mondlicht zu ihnen herunter scheinen ließen. Sie sprachen kein Wort und die Zeit verging, ohne dass Joèl überhaupt das Gefühl hatte, sie würde vergehen. Er erwachte aus seinem tranceähnlichen Zustand erst wieder, als er die Stimmen einiger Jugendlicher hörte. Ihr Lachen wurde mit dem Wind zu ihnen herüber getragen. Shatei hielt inne. Sofort blieb auch Joèl stehen und sah ihn an. Der Schwarzhaarige blickte in den dunklen Wald und schien sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Joèl spitzte die Ohren und tatsächlich war da noch etwas zu hören. Das Heulen von Wölfen in weiter Entfernung. Seine Hände wurden feucht. Er wollte nicht hier im Wald bleiben. Und was war mit den Jugendlichen? Er konnte mittlerweile die Schritte der kleinen Gruppe hören, hörte, wie die Blätter und Äste des Waldbodens unter ihren Füßen raschelten und knackten. Scheinbar waren sie betrunken und alberten herum, bemerkten nicht das Rascheln anderer Schritte, die sich schnell näherten. Joèl sah einen grauen Schatten vorbei huschen, hörte die schnellen leichtfüßigen Schritte an seinen Ohren vorbei rauschen, dann ein Aufschrei „Wölfe! Hier sind Wölfe, hauen wir ab!“ Eine Mädchenstimme rief panisch nach den Anderen und Joèl hörte, wie sie zu rennen begannen. Hörte, wie sich die Stimmen voneinander entfernten, wie sie nacheinander riefen. Auch sein Herz begann zu rasen. Er sah wieder Shatei an, der die Ruhe in Person zu sein schien. War das ein Lächeln auf seinen Lippen? Wie konnte er diese Katastrophe, als was Joèl es wahrnahm, nur mit einem Lächeln verfolgen? Abscheu machte sich in ihm breit und doch faszinierte es ihn, wie Shatei diese Fassade des kalten Unbeteiligten, Übernatürlichen wahrte. Von Jetzt auf Gleich tat Shatei eine paar schnelle Schritte nach vorne und ein Junge, vielleicht in Joèls Alter rannte ihm regelrecht in die Arme. Es folgte kein Wolf. Der Junge war entkommen, doch... was tat Shatei da? Er hielt den wimmernden Jungen fest in seinen Armen, das Gesicht an dessen Halsbeuge verborgen. Joèl spürte sein Herz in der Brust donnernd schlagen, hörte sein Blut in seinen Ohren rauschen und starrte gebannt auf die Beiden vor ihm. Dann hob Shatei den Kopf, lies den Jungen locker in seinen Armen liegen und nun bemerkte Joèl, dass er nicht mehr lebte. Die Augen des Anderen waren weit geöffnet, die Haut so blass, wie Shateis, der nun bei einem Grinsen die Lippen spannte, so dass Joèl ganz deutlich die spitzen Eckzähne sehen konnte Blut schimmerte tiefrot auf Shateis Lippen und Zähnen. Das war zuviel. In einer panischen Kurzschlussreaktion drehte Joèl um und begann zu rennen. Orientierungslos duckte er sich unter Ästen hindurch, stolperte über Wurzeln und Steine. Heiße Tränen fanden ihren Weg über seine Wangen, er keuchte schwer, doch auch wenn er sich fühlte als würde er in Panik schreien, kam doch kein Ton aus seiner Kehle. Er rannte weiter, dachte nicht an die Wölfe dachte an sich überhaupt nicht klar. Verschwommene Bilder und die Geräusche der Wölfe, die Schreie der Jugendlichen von zuvor hallten in seinen Gedanken wider. Irgendwann kam er an den Toren des Schlosses an, rannte hinein und fiel in der großen Eingangshalle auf die Knie. Er weinte bitterlich, ballte die Hände zu Fäusten und lag nun auf Knien und Ellbogen auf dem Steinboden. Da war Wärme. Irgendjemand lies sich vor ihm nieder und legte ihm eine Hand auf den Rücken. Joèl kannte diese Hand, kannte die Ausstrahlung des Anderen, kannte dieses Flüstern, das seinen Namen an sein Ohr trug. Ohne aufzuschauen krallte er sich an Erique. Schlang seine Arme fest um ihn und begann nur ganz langsam, sich zu beruhigen, als dieser auch ihn fest in den Armen hielt. Er hörte die sanfte Stimme, die beruhigend auf ihn einredete, doch die genauen Worte drangen nicht zu ihm durch. Er selbst mühte sich verzweifelt, zu erklären, was geschehen war, begriff selbst nicht ganz was er da von Tränen erstickt, zusammenhanglos vor sich hinbrabbelte. Erique wusste nicht wie ihm geschah. Er hörte das donnernde Zuschlagen der Flügeltür durch die Gänge hallen, als er gerade auf dem Weg von der Bücherei zu dem Zimmer war, dass er mit Alexander teilte. Das Schluchzen und erstickte Weinen machte ihn aufmerksam. Joèl dort liegen zu sehen erschreckte ihn. So hatte er ihn noch nie gesehen. Eilig ging er auf ihn zu und legte nur zögerlich seine Hand auf den Rücken seines Freundes. Wie dieser sich wimmernd an ihn krallte, als wäre er ein Ertrinkender inmitten einer Sturmflut. Was sollte er sagen, um ihn zu beruhigen? Er sprach leise auf ihn ein und scheinbar hatte es Wirkung. Was Joèl ihm versuchte zu sagen verstand er rein gar nicht. Etwas schreckliches muss geschehen sein. Er verstand nur die Worte 'Wölfe', 'Mörder', 'schrecklich' und 'Shatei' ganz klar, wobei er bei Letzterem immer weiter in Sorge geriet. Was hatte dieser Vampir mit Joèl vor? Was hat er ihm angetan? Als Joèl sich etwas beruhigt hatte, versuchte er ihn hochzuziehen. „Komm, lass uns erstmal hier verschwinden.“ Gewiss waren auch schon Andere auf sie aufmerksam geworden und Erique mochte dieses Gefühl, beobachtet zu sein einfach nicht. Er musste in Ruhe mit Joèl reden können. Also legte er Joèls rechten Arm um seine Schultern, hielt ihn um die Hüfte fest und wagte ein paar vorsichtige Schritte. Joèl hing mehr auf ihm, als dass er auf seinen eigenen Beinen stand. Tausend Sterne schwirrten vor den Augen des Studenten. Seine Beine fühlten sich weich und zittrig an und der Boden unter seinen Füßen schien zu wanken. Er bemühte sich, nicht mit seinem ganzen Gewicht auf Erique zu hängen, doch immer wieder sackten seine Knie zusammen und er musste sich an den Schultern des Jüngeren hochziehen. Ein kleiner Hauch Erleichterung kribbelte angenehm durch seinen Körper, als er die weiche Matratze unter sich spürte, auf die Erique ihn sich setzen lies. Nur langsam klärte sich das Bild vor seinen Augen. Erique hatte schräg hinter ihm auf dem Bett Platz genommen und er lehnte schwer gegen diesen. Sanfte Hände streichelten ihm sanft durch's Haar. Er schmiegte sich Erique entgegen, atmete den süßen Duft seines Liebsten tief ein und drehte sich ein wenig, so dass er seinen Kopf auf dessen Schulter betten und sein Gesicht an seiner Halsbeuge verbergen konnte. Die Anspannung fiel von ihm ab und ihm wurde langsam wieder warm, wenn auch die Anstrengung, die sein Körper mitgemacht hatte eine Welle der Erschöpfung über ihm zusammenschwappen lies, die ihm ab und an einen kleinen Schauer durch die Glieder schickte. Er war gefangen in dieser warmen Umarmung, vergaß für einige Momente ganz, was sich abgespielt hatte. Den Wald, das Schloss und auch Rendall. Seine Lippen streichelten sanft über die weiche Haut an Eriques Hals und fanden ihren Weg zu dessen Mund. Dieser Kuss war zu gut. So zärtlich, so innig. Doch ein tiefes Räuspern riss ihn aus diesem wohligen Zustand. Am Fußende des Bettes saß der Professor. Sein Blick zeigte gemischte Gefühle. Scheinbar hatte er sie wohl an sich nicht stören wollen, doch dass es ihm äußerst unangenehm war, spiegelte sich in diesen Augen. Augenblicklich rutschte Joèl ein Stück von Erique weg. Er war nun nicht mehr sein Freund, das sollte er endlich einsehen. Er hatte sich für..... einen alten und.... Er schüttelte die Gedanken aus seinem Kopf und atmete tief durch. Irgendetwas würde Rendall ja wohl an sich haben, denn für geschmacklos hielt er Erique ja keineswegs. Der Schmerz, den diese Gedanken jedoch mit sich brachten, veranlassten ihn, nicht länger darüber nachzudenken und sich erst einmal bewusst zu werden, wo er hier war. Zu bergreifen, was er soeben gesehen hatte. Doch die Bilder ergaben keinen Sinn. Das alles wirkte auf ihn, wie ein kranker Albtraum, ein Hirngespinst, dass ihm seine Panik eingetrichtert hatte. Die Wölfe und der tote Junge, das mag alles real gewesen sein, aber dieser bestialische Ausdruck in Shateis Augen, das Blut. Es war so dunkel gewesen, gewiss hatte er sich das alles in seiner Angst nur eingebildet. „Was ist passiert?“ Das war die Stimme des Professors. Joèl sah auf und bemerkte, dass er sich wohl eher an Erique gerichtet hatte, der nur die Schultern zuckte und fragend zu ihm sah. Joèl setzte zu einer Antwort an, doch seine Kehle war zu trocken um einen klaren Ton herauszubringen. Er räusperte sich, seine Stimme ist immer noch leise und heiser. „Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben einen Menschen sterben sehen. Ich werd' es schon verarbeiten, alles halb so wild.“ Es klang nicht so überzeugend, wie Joèl es gerne gehabt hätte und Erique und Alexander schienen ihm auch wirklich kein Wort abzukaufen. „Joèl, was ist genau passiert?“ Eriques Stimme klang so besorgt, so hatte er sie noch nie zuvor gehört. Nun, er hatte ihm ja auch nie wirklich Anlass gegeben, besorgt zu sein. „Shatei hat mich mit in den Wald genommen und dort einen Jungen umgebracht. Was gibt es da genaueres zu sagen?“ Müdigkeit und Erschöpfung schwangen in seiner Stimme mit. Er rieb sich über die Augen und atmete noch einmal tief durch, um das wiederaufkommende Rasen seines Pulses ein wenig zu drosseln. Rendall schien nachdenklich. „Scheinbar hat er ein großes Interesse daran, Ihnen zu beweisen, 'was' er wirklich ist. Joèl, Sie sollten sich der Wahrheit gegenüber nicht weiter versperren, das kann zu keinem guten Ende führen.“ Der eisige Blick des jungen Mannes traf ihn hart. Alexander hatte sich wirklich Sorgen um Joèl gemacht und wollte ihm damit gewiss keine Vorschriften machen, sondern nur einen gut gemeinten Rat geben. „Ich weiß schon längst 'was' er ist. Alle hier! Verrückte, die sich in diesen Vampirmythos hineinsteigern. Sich einbilden, sie könnten nur Nachts hinaus, weil die Sonne sie verbrennen würde, dass jemand so weit gehen würde auch noch zu morden, um tatsächlich Blut zu trinken, hätte ich nicht angenommen, aber wie es aussieht habe ich Shatei in dem Punkt tatsächlich unterschätzt.“ Warum klang dieser letzte Satz so enttäuscht? Hatte Joèl sich etwas anderes bezüglich Shatei erhofft? „Was will Shatei von dir?“ Oh diese süße Stimme.... Ein Blick zwischen Erique und Rendall hin und her und Wut und Schmerz keimten wieder in Joèl auf. Er stand vom Bett auf und sah sie beide mit einem undeutbaren Ausdruck in den Augen an. „Ich glaube, was Shatei und mich betrifft, geht nur ihn und mich etwas an. Aber dieselbe Frage kann ich dir und auch Ihnen stellen. Was wollt ihr voneinander? Was ist das zwischen euch? Eine Fickbeziehung? Was habe ich falsch gemacht, so dass ich dich nicht mehr halten konnte? Was hat er getan, um in der Lage zu sein unsere Beziehung zu zerreißen? Ich hatte immer das Gefühl zwischen uns wäre alles so traumhaft perfekt!“ Seine Augen brannten, doch es kamen keine Tränen hervor. Er hatte wohl heute schon zuviel geweint. Momente verstrichen in denen keiner Etwas sagte. Ja, genau das hat er erwartet. Keine Erklärung. Schweigen. Er machte auf dem Absatz kehrt und wollte den Raum verlassen, doch Alexander packte ihn fest am Oberarm. „Sie wissen nicht in welcher Gefahr Sie sich befinden. Wir alle! Ich will Sie nicht sterben sehen, Joèl, aber wenn wir hier alle drei lebend rauskommen wollen, sollten wir zusammen halten.“ „Pah!“ Joèl riss sich los und schlug die Hand des Anderen weg. Aber er hatte Recht. Sie wollten alle drei lebend hier heraus. Joèl hatte bisher nur Eriques Überleben interessiert, aber wie es schien, schlug dessen Herz nun für Rendall und somit würde Joèl nur ungerne dessen Tod zulassen und Erique damit unglücklich machen. „Wie es aussieht hat Shatei einen Narren an mir gefressen. Was er genau von mir will, weiß ich nicht, aber wenn ich näher an ihn heran komme, kann ich ihn vielleicht überzeugen, euch gehen zu lassen.“ Mit diesen Worten verließ er den Raum. Kurz hatte Joèl überlegt zu seinen eigenen Räumen zurückzukehren, aber er hatte wenig Lust, Shatei dort wieder die besten Möglichkeiten für was auch immer zu geben. Somit lenkte er seine Schritte zurück in den Salon. Er kam an einigen Gestalten vorbei. Jugendliche und Erwachsene, die sich leise unterhielten, oder nur herumstanden wie bestellt und nicht abgeholt. In diesem Teil des Schlosses traf man wirklich auf nichts Interessantes. Diejenigen, die sich hier herumtrieben waren weder besonders gutaussehend, noch klangen ihre Gespräche besonders geistreich. Es hatte wirklich den Anschein, als wäre ganz klar dafür gesorgt, dass jede Gruppierung ungestört von Anderen war. Der Salon war meist belagert von elegant Gekleideten. Schnappte man Gesprächsfetzen von ihnen auf, so war es immer ein gedankenanregendes Thema. Wirklich krank dieses Schloss. Irreal und verrückt! Joèl hatte nun so manches Regelwerk durchgelesen, aber er fand und fand nichts, was zutreffen konnte. Diese Gruppierungen innerhalb der einzelnen Schlossbreiche lies ihn erst an Clane der Masquerade denken, doch keiner der Möchtegern-Vampire hier passte auf eine der Clanbeschreibungen. Er betrat den Salon und sah sich kurz um. Es machte den Anschein als habe ihn keiner bemerkt. Da der Sessel in dem er zuvor gesessen hatte nun besetzt war ging er zum Fenster. Der Ausblick war wirklich erstaunlich. Ganz im Gegensatz zu dem verkommenen Vorhof gab dieses Fenster den Blick auf einen wunderbar gepflegten Garten im Innern des Schlosshofes frei. Er betrachtete einen Moment die schwarzen Silhuetten der Bäume und Sträucher, die dunkle Schatten auf die Blumenbeete warfen, dann drehte er sich um. Er wollte den Blick durch den Raum schweifen lassen, doch es stand bereits ein blonder Mann neben ihm. Er war ein wenig größer als Joèl, das blonde Haar war kurz und er hatte einen leichten Bartschatten am Kinn und über der Oberlippe. In seinen Augenwinkeln lagen kleine Falten. Er trug einen grauen Nadelstreifenanzug, darunter ein braunes Hemd , dazu eine rote Krawatte. Nun, Geschmackssache. Diese Farbkombination würde Joèl gewiss nie in einem seiner Bilder verwenden. Der Mann blieb schweigend neben ihm stehen und wartete bis Joèls musternder Blick wieder seine blaugrünen Augen traf. „Vielleicht erweist du mir ja die Ehre, mir zukünftig meine Kleidung zusammenzustellen?“ Er lächelte. Joèl schluckte. Hatte er laut gedacht? Für gewöhnlich war er da immer sehr vorsichtig. Er öffnete den Mund und wollte sich gerade, wie es die Höflichkeit gebot, vorstellen und nach dem Namen des Herrn fragen, doch dieser kam ihm wieder zuvor. „Joèl, ich weiß. Riccardo.“ Er deutet eine leichte Verbeugung an. „Wunder dich nicht, es wird sich alles noch aufklären. Hier.“ Er hielt ihm ein Buch entgegen. Joèl hatte gar nicht bemerkt, dass Riccardo eines in der Hand gehalten hatte... Er nahm es an und betrachtete den Einband. „Telepathie?“ Er musste unweigerlich ein wenig lachen. So ein Quatsch! „Lass mich dir den ein oder anderen Rat geben: Lies es. Es wird sich als nützlich erweisen, wenn du hier raus willst. Shatei wird über deine Pläne, die du im Geiste spinnst nicht sonderlich erfreut sein. Solltest du etwas lernen wollen, erwarte im Übrigen nicht, dass einer von uns auf dich zukommt. Shatei hat es jedem Einzelnen von uns verboten. Es ist also an dir, uns anzusprechen. Und glaub mir,“ Er lehnte sich näher zu ihm und sprach wesentlich leiser. Nein, er bewegte die Lippen nicht einmal und doch konte Joèl ihn klar und deutlich hören. „ ,auch wenn die meisten Gestalten hier hochnäsig und eingebildet wirken, sie wollen es sich vielleicht nicht selbst eingestehen, aber jeder hier ist fasziniert von dir und wird dir gewiss mit nichts anderem als Höflichkeit begegnen.“ Er nahm wieder Abstand, musterte Joèl noch mit einem langen Blick und ging dann. Der Student schaute ihm perplex nach. Was war das denn jetzt? Er zuckte mit den Schultern, betrachtete noch einmal das Buch und machte sich dann doch auf den Weg in seine Räume, um in Ruhe zu lesen. Warum nicht? Vielleicht war ja was dran? Er schüttelte den Kopf. Junge, du wirst doch wohl nicht auch noch anfangen, den ganzen Quatsch zu glauben? Aber merkwürdig war es schon. Dass Riccardo und auch Shatei zuvor genau wussten, was er hatte sagen wollen. Er nahm in einem der Sessel platz und begann zu lesen. Die Einleitung und Erklärungen klangen logisch und die Übungen sinnig. Er bemühte sich, sich so viel wie möglich zu merken. Stellte sich alles bildlich vor, wie es beschrieben war, konzentrierte sich, wie ihm in den Übungen geraten wurde. Ein Lichtstrahl kroch über den Boden unendlich langsam auf ihn zu. Draußen ging die Sonne auf. Zeit zu schlafen. Er wollte vor Sonnenuntergang wach sein. Er legte sich hin und wälzte sich noch lange hin und her. Es war ihm einfach nicht möglich, Ruhe zu finden. Als er irgendwann endlich eingedöst war, schreckte er Minuten später schweißgebadet wieder hoch. Die Bilder der Nacht prasselten auf ihn ein. Murrend stand er auf und ging unter die Dusche. Er war hellwach. Keine Chance zu schlafen. Nachdem er sich gewaschen und neu eingekleidet hatte, machte er sich auf den Weg in die Bücherei. Hier würde es bestimmt genauso leer sein, wie in seinen Räumen, aber irgendwie war es doch ein anderes Gefühl. Dieses Zimmer war irgendwie.... bedrückend. Er betrat den dunklen, nur von wenigen Kerzen beleuchteten Raum und zog einen der Vorhänge beiseite. An dem Tisch, der nun im Lichtschein stand nahm er Platz und begann weiterzulesen, ging die Lektionen im Geiste immer nochmal durch und befolgte die Anweisungen. Irgendwie kam er sich albern vor, gleichermaßen hatte es aber einen gewissen Reiz, sich vorzustellen, es könne tatsächlich funktionieren. Er erreichte bald das Kapitel zum Lesen von Gedanken, schmunzelte und schlug das Buch erneut von vorn auf. Vermeiden, dass sie jemand las, oder wie es hier stand „Blocken“ würde für's erste mehr als genug sein. Wenn es denn funktionierte. Er las noch ein wenig, legte das Buch dann auf den Tisch und lies sich in dem gepolsterten Stuhl zurücksinken. In dieser Bücherei fühlte er sich so winzig. Diese hohen Regale. Bücher über Bücher. Begnadete Schriftsteller, Gelehrte. Ebenso scheinbar aber auch kranke Idioten oder Leute, die zwar noch des Schreibens mächtig aber scheinbar vollkommen auf Drogen waren. Zweifelsohne eine Bücherei, wie sie keinen Vergleich fand. Sein Blick fiel auf eine angelehnte Tür. Der Raum dahinter schien von Kerzenlicht beleuchtet, aber es interessierte ihn nicht weiter. Dennoch zog der Raum irgendwie seine Aufmerksamkeit auf sich. //Nicht mehr heute, Joèl. Wird Zeit, dass du endlich schlafen gehst.//, ermahnte er sich selbst und stand auf. Kopfschmerzen hatten eingesetzt. Er sollte wirklich versuchen zu schlafen. Das Buch unterm Arm tat er ein paar Schritte zur Tür, bis die Kopfschmerzen etwas stärker wurden und 'Du könntest mir den Gefallen tun, und die Vorhänge wieder schließen, bevor du gehst' Joèl drehte sich erschrocken herum. Die Kopfschmerzen waren fort aber niemand zu sehen, der das gesagt haben könnte. Die Stimme kannte er nicht, es war nicht Shatei gewesen. Dafür war sie zu hell. Wieder zog der Nebenraum seine Aufmerksamkeit auf sich und er ging langsam auf die Tür zu, schob sie vorsichtig auf. Dahinter lag ein sehr kleiner Raum, mit zwei Buchregalen, ca 2 Meter hoch und einen breit. Davor ein Schreibtisch auf dem ein paar Bücher und Pergamente lagen. Zwei Kandelaber mit je 5 Kerzen sorgten für Licht. An dem Schreibtisch standen zwei Stühle, wesentlich mehr Platz bot der Raum nicht. Dunkle Augen schauten zu ihm auf. An dem Tisch saß ein Jugendlicher etwa Anfang 20 mit dunkelblondem, Kinnlangen Haar. Er sah neugierig zu ihm auf. Sein Blick fiel auf das Buch in Joèls Händen. „Wie lange lernst du schon?“ Die Stimme, die Joèl gerade gehört hatte. Der braunhaarige zuckte mit den Schultern. „Seit letzter Nacht.“ Er nahm auf dem Stuhl, dem Fremden gegenüber Platz, als dieser ihn mit einer Handbewegung dazu aufforderte. Eine weitere Handbewegung und die Tür hinter ihm fiel plötzlich zu. „Meinen Respekt. Ich habe nie von einem Sterblichen gehört, der es geschafft hat in nur einer Nacht solche Fortschritte zu machen. In deine Gedanken zu gelangen war wirklich nicht einfach.“ Ein freundliches Lachen hallte Joèl entgegen. „Ich habe schon geglaubt ich könne den ganzen Tag, dieses Zimmer nicht verlassen.“ Joèl hob eine Augenbraue. „Müsste ein Vampir um diese Zeit nicht in seinem Sarg liegen und schlafen?“ Spott schwang in seiner Stimme mit und traf auf ein warmes, amüsiertes Lächeln. „Großer Irrtum. Man sollte nicht alles glauben, was man liest, oder hört.“ Endlich sprach einer Joèl mal aus der Seele. „Wie wahr. Und ich glaube weder, dass es hier -oder sonstwo- auch nur einen einzigen Vampir gibt, noch glaube ich an den Kram in diesem Buch.“ Joèl hatte sich dem Anderen schnell angepasst, auch er lächelte, wobei das Lächeln nicht seine Augen erreichte, und seine Stimme war sanft. Der Fremde wurde nun jedoch ernst. „Dann ist es ja wirklich ein glücklicher Zufall, dass du gerade Zeit und Lust hattest, die Lektionen trotz deines Unglaubens zu befolgen. Es wird dir viel nützen, wenn du es wieter ausbaust, das wirst du früher oder später einsehen müssen.“ Er machte eine Pause in der Joèl nichts sagte. Dann sprach er weiter, sein Ton wieder weitaus freundlicher, aber immer noch ernst und nicht so leichtfertig wie zu Beginn ihrer Unterhaltung. „Shatei hat großes Interesse an dir. Er hat dich ganz für sich beansprucht, zwar dürfen die anderen Beiden nicht angerührt werden, bis er das Ok gibt, aber mit dir dürfen wir nichteinmal sprechen.“ Joèl schnaubte verächtlich. „Merkwürdig, dass du dann schon der Zweite heute bist, der sich mit mir unterhält.“ Dieser Typ hier war irgendwie anders, als die anderen Gestalten. Irgendwie lockerer. Er machte auch nicht diesen krankhaft irren Eindruck. Keine Versuche, den Vampirmythos auszustrahlen. Scheinbar hatte Joèl ihn mit seinen Worten nachdenklich gemacht und der Gedanke, der Fremde könne ihn nun bitten zu gehen, da ihm ins Gedächtnis gerufen wurde, dass er ja nicht mit ihm sprechen durfte war Joèl zu seiner eigenen Überraschung unangenehm. „Ich bezweifel, dass Shatei mir irgendwie zu nahe kommen wird. Wir hatten vor etlichen Zeiten mal eine Auseinandersetzung, seitdem ziehen wir es beide vor, uns aus dem Weg zu gehen. Ganz abgesehen davon, dass ich nachts schlafe und er tagsüber. Er wird wohl wissen, dass ich kein Interesse daran habe, mich an seiner Beute zu vergreifen und somit erneuten Ärger zu provozieren.“ „Beute?!“ spieh Joèl ihm reflexartig entgegen. Er schnappte nach Luft. „So allmählich reicht es mir! Ich bin nicht das Eigentum, Spielzeug oder die Beute von irgendwem.“ Der Fremde hob beschwichtigend die Hände. „Heyhey, kein Grund so aufzubrausen. Es gibt genug Mittel und Wege, sich gegen Shatei zur Wehr zu setzen und das ganz ohne dich in Gefahr zu bringen.“ Dieses merkwürdige Schimmern in den Augen und das Lächeln, dass sich zu einem Grinsen verzog versprach nähere Informationen. Joèl zwang sich zur Ruhe und lehnte sich ein Stück vor. „Ich bin ganz Ohr.“ Doch wieder kam ihm nur ein Lachen entgegen. „Eins nach dem Anderen. Lies und Lerne.“ Er deutet auf das Buch in Joèls Schoß. „Und begreife ersteinmal was real ist und was nicht. In diesem Schloss liegen die Dinge ein wenig anders, als in der Welt da draußen.“ Mit diesen Worten erhob er sich. „Würdest du dann so freundlich sein, und eben den Vorhang wieder zuziehen?“ Diese Ausstrahlung konnte wirklich anstecken. Er hatte ein wenig etwas von Eriques fröhlicher unbeschwerter Art, ging es Joèl durch den Kopf. Er stand lächelnd auf, nickte und verlies dann den Raum, um den Vorhang zuzuziehen. Der Fremde folgte ihm, verneigte sich dann leicht zum Abschied und verlies die Bücherei. Joèl schaute ihm einen Moment nach, dann streckte er sich und gähnte herzhaft. Zeit ins Bett zu kommen. Müde bahnte er sich seinen Weg durch die Gänge, zog sich das T-Shirt über den Kopf, streifte die Jeans von den Beinen und kippte wie ein gefällter Baum auf das weiche Bett. Es war eine unheimliche Umgewöhnung gewesen bei diesem Licht zu schlafen. An sich hatte Erique keinerlei Befürchtungen, ein Vampir könne sie tagsüber im Schlaf überfallen, doch Alexander war es bei weitem lieber, sicherheitshalber die Vorhänge geöffnet zu lassen. Man konnte ja nie wissen. Nun saßen sie gemeinsam bei einer Tasse Kaffee in dem kleineren Speisesaal und betrachteten den Sonnenuntergang. Erique musste immer wieder an Joèl denken. Er hatte ihn wirklich tief verletzt. Das war nicht seine Absicht gewesen. Er wollte ihre Beziehung nicht kaputt machen und doch hätte er sich nicht entscheiden können, wenn er vor der Wahl zwischen ihm und Alex gestanden hätte. Joèl hatte ihm die Entscheidung jetzt abgenommen und nun vermisste er ihn. Sehr. Er sah Alex an, musterte den 49jährigen. Wie war das für ihn? Wie fühlte er sich in dieser Situation? Alexander bemerkte den Blick des Jungen nicht. Er beobachtete gebannt die Farben, die der Sonnenuntergang an den Himmel warf. Für ihn war die Situation auch nicht gerade angenehm. Auch seine Gedanken huschten oft zu Joèl herüber. Er liebte Erique, hatte doch aber immer gewusst, dass dieser mit Joèl zusammenlebte und dass die beiden mehr verband als eine enge Freundschaft. Er hatte sich anfangs noch gegen seine Gefühle wehren können, doch letztendlich war er dankbar gewesen, Eriques näher kommen zu dürfen. Wenn auch nur als geheimer Liebhaber. Nun sollte er doch vor Glück überschäumen, nicht wahr? Sein Gewissen nagte an ihm, trichterte ihm ein schlechtes Gewissen ein. Joèl hatte so schnell aufgegeben. Aber wie hätte Alex auf einen Streit wegen Erique reagiert? Er wusste es nicht. Er wusste genauso wenig, wie Erique sich entschieden hätte, hätte Joèl ihn vor die Wahl gestellt. Diese Ungewissheit, ob die Entscheidung zu seinen Gunsten oder zugunsten Joèls ausgefallen wäre, nagte an ihm. Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger zwischen den Augen, verdrängte diese Gedanken. Sie sollten wirklich erst die Zeit hier hinter sich bringen und hoffen, heil wieder nach Hause zu kommen. Dann würde er sich diesem unliebsamen Thema früh genug stellen. Er trank den letzten Schluck seines Kaffees und wandte sich an Erique, um mit ihm zu besprechen, was sie heute tun würden. Er selbst würde wohl wieder Unterlagen durcharbeiten, während Erique darauf brannte endlich ins Gespräch mit den Vampiren zu kommen. Für Alexander war das eine Hürde, die er noch immer nicht zu überwinden vermochte. Er studierte diese Wesen schon so lange und nun, wo er die Möglichkeit hatte von Angesicht zu Angesicht einem Vampir gegenüber zu stehen und von diesem aus erster Quelle Informationen, Antworten zu erhalten, da hinderte ihn etwas gewaltiges daran, es in die Tat umzusetzen: Angst. Alex hatte sich ein paar Bücher mit in einen der Salons im Südflügel genommen und sah immer wieder von den Seiten zu Erique auf. Dies war nicht der Raum, in dem sich Joèl ein paar Male aufgehalten hatte. Hier tummelten sich Vampire, die eher einen Eindruck von gemütlicher Grillparty hinterließen. Nicht diese eleganten, unnahbaren Wesen, die eher durch den Raum schwebten, statt zu gehen. Es war Alex wirklich angenehmer, wie er sich selbst eingestehen musste, wenn auch nicht wirklich angenehm, wenn er an die Reißzähne, an die Geschwindigkeit und die Fähigkeit Gedanken zu lesen dachte. Erique schien sich prächtig zu amüsieren, er war im Gespräch mit einer Frau und einem Herrn, die ihn beinahe so neugierig ansahen, wie er sie. Doch plötzlich änderte sich die Stimmung, als der Herr anfing zu weinen und dann eilig den Raum verlies. Alexander starrte ihm perplex nach. Was war das? Er schaute schnell und besorgt zu Erique, doch der lächelte nun wieder und unterhielt sich weiter mit der jungen Dame, die noch weiterhin bei ihm stand. Es vergingen ein paar weitere Minuten, in denen der Professor sich weiter auf sein Buch fixierte, bis Erique zu ihm kam und im Sessel ihm schräg gegenüber Platz nahm. Fragend schaute er ihn über seine Lesebrille hinweg an. „Was war das denn vorhin? Sind da ein bisschen die Emotionen mit ihm durchgegangen?“ Eriques Lächeln machte so etwas wie Sorge platz. Alex stutzte. „Hm....die beiden haben schnell angefangen mich auszufragen, wie denn Pfirsicheis schmecke und wie das mit diesen Alkopop-Getränken sei von denen ihnen Jungvampire erzählt haben. Irgendwann hat Anthony dann angefangen loszuweinen und ist gegangen. Beatrice meinte es läge an seinem Wunsch wieder menschlich zu sein....“ Erique wirkte wirklich bedrückt. //Der Junge ist einfach zu gut für diese Welt//, ging es Alexander durch den Kopf. Joèl hatte tief und fest geschlafen. Die Anstrengungen der letzten Nacht forderten ihren Tribut und er erwachte erst nach Mitternacht. Schnell machte er sich im Bad zurecht und kleidete sich an. Der Kaffee, der wie immer im Wohnzimmer stand war bereits kalt, also schlang er nur das Brot herunter und verlies das Zimmer. In der Bücherei war es wie üblich recht gut gefüllt, aber ruhig, er ging gezielten Schrittes zur Tür des Nebenraumes, doch der Fremde war nicht dort. Einen Moment steht er in der Tür und spürt wieder diesen Kopfschmerz. Und noch etwas. Einen merkwürdigen Schauer, so als würde er beobachtet. Langsam drehte er sich herum und bemerkte, dass viele Blicke auf ihm ruhten und etwas in diesen Blicken war anders. Prüfend. Neugieriger. Mühsam schluckte er den Kloß in seinem Hals herunter und atmete tief durch. Er fühlte sich wie bei einem Vortrag in der Uni und das war für ihn kein gutes Gefühl. Schnellen Schrittes verlies er den Raum und machte sich auf den Weg zurück. Auch diejenigen, denen er auf seinem Weg begegnete sahen ihn so merkwürdig an und Joèl wurde das Gefühl nicht los, dass eine unangenehme Migräne sich immer weiter in seinem Schädel ausbreitete. Im Wohnzimmer lies er sich in einen Sessel fallen. Eine Tablette wäre jetzt fantastisch. Wieder bemerkte er Blicke in seinem Rücken und drehte leicht den Kopf, sprang dann erschrocken auf, als er aus dem Augenwinkel einen Schatten hinter sich sah. Shatei. „Wer hat dir das gegeben?“ Seine Stimme klang ausgeglichen doch sein Blick sprühte Funken. In Händen hielt er das Telepathie-Buch. „Keine Ahnung, ich kenne seinen Namen nicht.“ Nun würde sich ja zeigen, ob Shatei wirklich Gedanken lesen konnte. „Lüg mich nicht an!“ Seine Stimme war wieder lauter geworden. Diese tiefe rauhe Stimme vibrierte in seinem innern. Der Kopfschmerz schien ihn einen Bruchteil einer Sekunde lang zu zerreißen, dann war er verschwunden. Shatei klang wieder wesentlich sanfter. „Ah, du hast doch nicht angenommen, eine Nacht Übung würde dich dazu befähigen mich auszusperren, oder Joèl?“ Er kam langsam auf ihn zu, legte eine Hand in seinen Nacken und sah ihm tief in die Augen. Seine Finger massierten leicht die Haut, an der sich Joèls Nackenhaare nun leicht aufstellten. „Sshhh, ist schon gut. Lern fleißig weiter, das erhöht den Reiz. Irgendwie ist es um so interessanter, dich zu besitzen, wenn ich nicht weiß, was du denkst, als nächstes sagst oder tust.“ Er strahlte eine merkwürdige Wärme aus und Joèl verspürte den Drang, sich ihm entgegen zu lehnen, doch dann kehrten die Bilder aus dem Wald zurück und er tat schnell ein paar Schritte zurück. Sein Blick kalt, panisch und wütend. Er hätte ihm gerne 'Mörder' entgegen gebrüllt, doch biss sich im letzten Moment noch auf die Zunge. Er wollte Shatei nicht verärgern. Hier ging es um Eriques Überleben. Shatei setzte sich in den Sessel, in dem soeben noch Joèl gesessen hatte und legt die Hände zusammen. „Ich wollt eigentlich mit dir über die vergangene Nacht sprechen. Glaubst du mir nun?“ Joèl blieb wie angewurzelt stehen, mühte sich, seinen Tonfall neutral und ruhig zu halten. „Ich glaube dir, dass du wahnsinniger bist, als ich dir zugetraut hätte und nichtmal vor einem Mord zurückschreckst um deinen Vampirmythos aufrecht zu erhalten.“ Shatei lächelte. „Komm her Joèl.“ Eher eine Bitte als ein Befehl. Einem Befehl wäre der Student nie nachgekommen, aber dieser freundliche Blick und die ihm entgegengestreckte Hand waren zu einladend um widerstehen zu können. Zögernd tat er ein paar Schritte vor und nahm Shateis Hand, lies sich allerdings nur Widerwillig auf dessen Schoß ziehen. Shatei legte die Arme um Joèl und verschränkte die Finger hinter dessen Rücken ineinander, um ihn festzuhalten. Er streifte sanft mit seiner Nasenspitze an Joèls Wange entlang, gab ihm dort einen zärtlich, flüchtigen Kuss, dann löst er seine Arme leicht, fasste mit seiner linken Hand Joèls Rechte und legte sie sich auf die Brust. „Spürst du? Kein Herzschlag.“ Er zog ihn näher an sich, drückte mit einer Hand an Joèls Hinterkopf, dessen Ohr gegen seine Brust und flüsterte „Kein Herzschlag.“ Dann schwieg er. Gab Joèl die Möglichkeit, zu lauschen. Dieser strengte sich wirklich an, etwas zu hören. Dass man einen Herzschlag durch auflegen der Hand nicht spürte, war möglich, aber hören können sollte er ihn schon, es sei denn Shatei hatte solch einen flachen Puls, aber das wäre gewiss auf Dauer ungesund. Nichts. Er konnte wirklich nichts hören. „Ich kann dir weitere Beweise geben, wenn du möchtest.“ Joèl hob seinen Blick. Shatei trug heute ein Hemd mit Krawatte und Weste, an der Krawatte eine Krawattennadel, die er nun löste. Er nahm Joèls Hand und zog die Nadel mit festem Druck durch die Handinnenfläche des Jungen. Joèl sog scharf die Luft ein, einen Schrei konnte er unterdrücken doch ein schmerzhaftes Keuchen entrang sich seiner Kehle. Der schwarzhaarige hob die Hand an seine Lippen und leckte das hervorquillende Blut ab. Es brannte in der Wunde und wieder schossen Joèl Sternchen vor die Augen. Ein Kribbeln und Hitze durchströhmten seinen Körper und drohten, sich erneut in seinem Schritt zu zentrieren. Wie in der Bücherei vor einigen Tagen. Shatei lies seine Hand los und stach die Nadel in seinen eigenen Finger. Blut quoll auch hier hervor und er lies es auf den Schnitt in Joèls Hand tropfen. Wieder dieses glühende Kribbeln. Noch intensiver. Es vernebelte Joèl beinahe die Sicht, dennoch konnte er das unfassbare deutlich sehen. Die Wunde schloss sich und nachdem Shatei mit einem Taschentuch die Blutreste weggewischt hatte war nichts von der zuvorigen Verletzung zu sehen. Joèls Puls raste. Nun saß er da, auf Shateis Schoß, mit weit aufgerissenen Augen, seine Hand anstarrend, kaum glauben könnend was er gerade gesehen und gespürt hatte und zu allem Überfluss auch noch mit einer recht beträchtlichen Beule in der engen Jeans. „Sieh es ein, mein Schöner. Das sind keine billigen Tricks.“ Er spürte Shateis Lippen an seinem Ohr während dieser ihm die Wort sacht entgegen hauchte. Das alles wirkte noch mehr auf seine Hormone und er begann leicht vor Erregung zu zittern. Was hatte dieser Mann bloß an sich, dass er so sehr auf ihn reagierte? Er spürte, wie sich ein Lächeln an seinem Ohr bildete. „Ich würde zu gerne wissen, was du jetzt denkst, aber ich möchte dir ungern wieder Kopfschmerzen bereiten. Erzählst du es mir?“ Shateis Hände streichelten sanft Joèls Seiten hinab, dann nach hinten über seinen Rücken. Joéls Stimme klang heiser und schien ihm selbst weit entfernt. „Ich denke.... ich weiß nicht, ich kann gerade nicht klar denken...“ „Hmm, das wundert mich nicht.“ Kaum spürte Joèl, wie er hoch gehoben wurde, saß er schon in dem weichen Polster des Sessels. Shatei lies sich vor ihm auf die Knie sinken und strich mit den Händen von Joèls Knien an zu seiner Hüfte, dann über den Hosenbund nach vorne. Geschickte Finger öffneten schnell den Knopf und den Reißverschluss, dann fuhr er mit der linken Hand unter Joèls Shirt, über seinen Bauch höher und streichelte mit kalten Fingern seine rechte Brustwarze. Joèl sog scharf die Luft ein und hob seine Hüften leicht an, als Shatei mit der Rechten Hand an seiner Hose zog. Warum nicht? Warum sollte er nicht nachgeben? Er hatte wenig Lust, sich selbst einen runterzuholen und dabei nur wieder an Erique zu denken. Ganz davon abgesehen, dass er kaum in der Lage und der Verfassung war, sich gegen diese bestimmenden und doch wohlig sanften Hände zu wehren. Auch Shateis zweite Hand glitt nun wieder hinunter, er streichelte sanft Joèls Beine, weiter hinab und zog ihm in einer fließenden Bewegung die Schuhe von den Füßen. Quälend langsam, fuhr er mit den Handflächen an den Außenseiten seiner Beine wieder höher und strich dann die Jeans vollkommen ab. Kühle Haut berührte Brennende. Mit sachtem Druck an den Knien drängte Shatei seine Beine auseinander und glitt elegant zwischen sie. Seine Lippen legten sich auf den rechten Oberschenkel des Jungen, küssten sich höher über seinen Hüftknochen, dann zum Bauchnabel. Shatei dippte flüchtig mit der Zunge hinein, lies seine Lippen küssend weiter hoch wandern und schob dabei Joèls T-Shirt höher. Immer wieder glitt seine Zungenspitze kurz über die weiche Haut. Die rechte Hand des Vampirs streichelte zärtlich die Innenseite von Joèls Schenkel, die linke glitt mit höher und erreichte wieder die Brustwarze die sie zuvor bereits gereizt hatte. Die andere wurde nun von Shateis Zunge angedippt, kühle Lippen umschlossen sie und immer wieder saugte Shatei, bis sie sich verhärtet hatte. Joèls Körper lies ihn seine Hüfte, wie von selbst immer wieder dem anderen entgegen heben, doch Shatei zeigte kein Erbarmen, wich ein wenig zurück und lies keinen Berührungskontakt zu. Erst als er langsam über Joèls Kiefernbogen küsste, dann seine Wange und endlich die Lippen des Jungen erreichte, legte sich seine Hand hauchzart auf das harte Geschlecht. Vom Kuss gedämpft stöhnte Joèl in den Mund des Schwarzhaarigen. Drägnte seine Hüfte weiter der Hand entgegen um die Berührung zu intensivieren. Die langen Finger umschlossen ihn und begannen mit massierenden Auf- und Ab-Bewegungen. Genießerisch schloss Shatei die Augen, küsste wieder das Gesicht des Jungen und lauschte den entzückenden Geräuschen, die dieser von sich gab. Leises zögerliches Stöhnen, tiefes seufzen und schnelles Atmen. Der Körer vor ihm zitterte und und kleine Schweißperlen lagen auf der warmen Haut. Er lies seine Wange über die des Studenten streicheln und küsste nun dessen Ohr, dann weiter hinab zu seinem Hals. „Nein.....“ Joèl verspannte sich. „Nicht....das halt' ich nicht aus.“Oh dieses Seufzen, diese heisere, leise Stimme. Shatei konnte ein Grinsen nicht vermeiden. Glaubte er nun also doch endlich mit was er es hier zu tun hatte. Sein sanftes Flüstern lies es Joèl wohlig kühl den Rücken hinunterlaufen, lies ihn beben und erneut aufseufzen. „Keine Sorge, mein Schöner. Entspann dich.“ Die Lippen verschwanden, kehrten dann auf Joèls linkem Oberschenkel zurück, wanderten zur Hüfte. Vorsichtig biss Shatei in die weiche Haut, vorsichtig genug, dass sie nicht blutete. Wieder lief ein Zittern durch Joèls Glieder, mündete in ein erneutes Aufstöhnen. Shateis linke Hand streichelte immer wieder über sein Bein, den Brustkorb, seinen Hals hinauf und wieder an seiner Seite hinunter während die Finger der Rechten sein Glied umschlossen, dann wieder freigaben und seine Hoden streichelten. Zögernd öffnete Joèl die Augen. Er hatte den Kopf nach hinten auf die Rückenlehne des Sessels gelegt und blickte nun an die verschwommene Decke. Leicht hob er den Kopf an, senkte ihn nach vorne und bernsteinfarbene Augen trafen auf tiefbraune. Dieser Schimmer in Shateis Blick, drohte, ihm die letzte Selbstbeherrschung zu entreißen. Zitternd hob er eine Hand und strich sie tief in das schwarze Haar, während Shatei seine Lippen langsam näher an sein pochendes Geschlecht führte. Wieder hob Joèl ihm seine Hüften erwartungsvoll entgegen, sein Atem stockte und sein Puls hatte bereits eine neue Rekordgeschwindigkeit erreicht. Schweiß rann nun von seinen Schläfen und auch an anderen Stellen seines Körpers spürte er das Kribbeln der langsam herabfließenden Schweißperlen. Shateis kalte Hand fuhr noch drei-viermal mit sachtem Druck an ihm auf und ab, dann lies er seine Zunge am Schaft hinauf gleiten. Mit einem lauten Aufstöhnen warf Joél den Kopf in den Nacken. Die Zunge war im Vergleich zu Shateis Hand so wunderbar heiß. Seine linke Hand krallte sich in das Polster der Armlehne, die Rechte griff in das seidige Haar und übte sanften Druck auf Shateis Hinterkopf aus. Er brauchte mehr. Jetzt sofort oder er würde noch wahnsinnig werden. Glühende Lippen schlossen sich um das pulsierende Glied und Shatei begann an ihm zu saugen, während Joèls Stöhnen immer lauter wurde. Erst langsam und zitternd hob und senkte er seine Hüften, bis er einen Takt fand und begann immer schneller diesem wonnebringenden Mund entgegen zu stoßen. Zwei Hände krallten sich in seine Hüften, drückten ihn tief in das Polster, verweigerten ihm so, den Rhythmus zu bestimmen. Die Lippen verschwanden nun, nur Hauchzart leckte Shatei ein paar mal über die Eichel, während Joèl gequält aufstöhnte, versuchte, sich aus dem Griff zu befreien. Doch seine Hüften rührten sich keinen Millimeter. Sein Körper bebte, war nun schweißnass und alles um ihn herum schien sich zu drehen. Joèl versuchte ein paar mal, aus seinem unkoordinierten Stöhnen Worte zu bilden und endlich brachte er ein winselndes „Bitte...“ hervor. Tatsächlich zeigte der Andere Gnade. Er senkte sich wieder über ihn, eine Hand gab nun seine Hüften frei, doch die andere hielt ihn immer noch gut genug, als dass er sich hätte bewegen können. Die kühle Haut brannte zwischen Joèls Beinen, als Shatei nun auch seine Hoden massierte. Immer schneller und lauter Stöhnend lehnte sich Joèl nach vorn, grub seine Hand noch tiefer in die Haare des anderen, krallte sich mit der anderen in den gebeugten Rücken vor ihm. Er presste seine Lippen aufeinander, nur um sie wieder zu öffnen und nach Luft zu hecheln. Mit einem letzten heiseren Aufschrei streckte er den Rücken wieder gerade durch, bog sich leicht nach hinten und kam in Shateis Mund, der noch ein paar mal fest an ihm saugte, bevor Joèl erschöpft in das Polster zurückfiel. Schwer atmend und zitternd versuchte er zögerlich die Augen zu öffnen. Dieser kühle Hauch, der über seine Seiten, seinen Bauch , dann die Brust fuhr, war solch eine Wohltat. Hauchzart glitten Shateis Hände nun zu seinem Gesicht, während er sich über Joèl beugte und ihn unendlich zärtlich küsste. Zögerlich glitt seine Zunge in den Mund des anderen, er wollte Joèl die Möglichkeit gebe, die Intensität dieses Kusses zu bestimmen, brach dann nach unendlich wirkenden Sekunden ab, um ihm ein paar Atemzüge zu ermöglichen. Ein brennender Blick musterte Joèl. Dieser Junge war zu schön um wahr zu sein. Shatei zog die Linien dieses Gesichtes nach, strich mit dem Daumen über die noch immer bebenden und nun tiefroten Lippen, während Joèls Augen immer wieder zuflackerten. „Schlaf ein wenig“, hauchte er ihm entgegen während er ein paar vom Schweiß verklebte Haarsträhnen von seiner Stirn wischte. The Bet ------- Kapitel 3 - „The bet“ Als die Tür ins Schloss fiel, nachdem sie ihr Zimmer im Morgengrauen wieder betreten hatten, ließ Alexander sich auf das Bett sinken. Weiterhin war ihm Joèl nicht aus den Kopf gegangen. Er fühlte sich so mieserabel, war es doch kein Wunder, dass Joèl ihm so derart feindlich gesonnen war. Immerhin hatte er nun etwas, das ursprünglich zu dessen Leben gehörte: Erique. Die Liebe konnte schon etwas Grausames sein, doch was sollte er tun? Er konnte sich doch schlecht gegen sein eigenes Herz wehren, oder? Letztendlich war es Eriques Entscheidung. Seine allein, und wenn er beschloss, sein Herz ihm, Alexander, zu schenken, dann würde er ihm gewiss nicht den Laufpass geben, um Joèl sympathischer zu werden. Ein Seufzen entrang sich seiner Kehle. Sie beide hatten nie offen darüber geredet, es war einfach irgendwann passiert. Da war irgendwann der erste Kuss und einige Zeit später auch die erste gemeinsame..... Alex rieb sich über die Schläfen. Auch wenn er beschlossen hatten, sich diesem Thema erst nach ihrer Forschungsreise zu widmen, so drängten die bohrenden Kopfschmerzen, das schwere Gemüht und unwohle Gefühl in der Magengegend ihn doch dazu, es endlich anzusprechen. Immerhin führten sie ja nicht wirklich eine feste Beziehung, nicht wahr? Es war eher immer etwas wie ein Verhältnis, eine Liebschaft gewesen. Hinter dem Rücken des eigentlichen Geliebten....den Rendall nur immer zu gerne aus seinen Gedanken verdrängt hatte. Er hatte in seiner kleinen heilen Traumwelt dann einfach nie existiert, wenn Erique bei ihm war. Doch jetzt sollte er endlich die Augen öffnen und ihre gemeinsame Welt mit der Welt der Realität verschmelzen. Erique setzte sich zu ihm, legte die Arme um ihn. „Du grübelst schon wieder zu viel, nicht wahr?“ Traurig sah er auf. Am liebsten würde er diesen unsagbar hübschen Jungen mit dieser sanften Ausstrahlung und den warmen Augen jetzt küssen, in seine Arme schließen und die Realität erneut aussperren. „Liebst du ihn noch?“ Erique blinzelte verwirrt. Sagte nichts. Dachte scheinbar nach. „Ihr habt nicht mehr wirklich miteinander geredet, seit wir hier sind. Es scheint einfach nur vorbei zu sein, ohne dass es einer von euch wirklich beendet hat. Und das zwischen uns...hat auch irgendwie angefangen, ohne, dass es einer von uns wirklich als begonnen erklärt hätte.“ Er unterbrach nur mit einem kurzen Seufzen, nahm seinen Mut zusammen. Hier musste nun die Vernunft, über die Gefühle siegen und seine Worte leiten. Ihm helfen, die Frage zu stellen, die zu stellen er sich am meisten fürchtete. „Wem von uns beiden, Erique, gehört dein Herz wirklich?“ Alle Farbe schien aus dem Gesicht des Jungen zu weichen. Ist es in diesem Raum schon die ganze Zeit so kalt und ungemütlich gewesen? Was war das für eine Frage? Und warum, konnte er darauf nicht antworten? Langsam sickerte der Sinn der Worte in sein Gehirn, das sie sofort an sein Herz - oder was auch immer es war, was sich da nun so merkwürdig in ihm regte – weiterleitete. Das war die Frage, vor der er sich, seit seine Liéson mit Alexander begonnen hatte fürchtete. Er wusste, irgendwann würde sie ihm einer der Beiden stellen und er fluchte innerlich, dass er sich nie Gedanken um eine Antwort gemacht hatte. Er war kein Mensch für Sorgen. Wann immer welche aufkamen, hatte er sie schön zurückgedrängt und einfach den Moment gelebt. Nun aber drohte er, den beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben unsagbar weh zu tun, und genau das wollte er nicht. Alex betrachtete den jungen Mann schweigend. Beobachtete die gewaltigen Emotionen in dessen Augen, bis die Stille, die sich wie ein gewaltiger Schatten über sie gelegt hatte, nach endlos wirkenden Sekunden von Erique unterbrochen wurde. Er sprach langsam und zögernd, als würde er jedes Wort, jede Silbe noch einmal überdenken bevor er sie aussprach. „Ich kann dir da glaube ich keine eindeutige Antwort zu geben. Wir sind so weit weg von unserem Alltag... Jetzt wo Joèl scheinbar alles was zwischen uns war, beendet hat, da...vermisse ich ihn unsagbar.“ Er schaute zu ihm auf und fügte schnell an, „aber dich will ich nicht missen. Ich kann und will mich hier und jetzt nicht entscheiden. Wahrscheinlich werde ich das nie können... Vielleicht...wenn....wir wieder daheim sind.“ Sein Herz raste, in seinen Ohren rauschte es. Wie sollte er in Worte fassen, was er im Moment fühlte. Wie beschreiben, was in ihm vorging? Was er für Joèl fühlte, für Alexander? Was sollte er tun, wie sich verhalten? Fragen über Fragen und keine einzige Antwort, wo doch genau diese von ihm erwartet wurde. Er sank langsam in ein Loch aus Verzweiflung und Ratlosigkeit, bis sich Alexanders Arme, warm und haltgebend um ihn schlossen. „Ich werde auf deine Antwort warten. Aber rede mit Joèl. Er wird hier sonst nicht lange überstehen können.“ Warum verdammt, war er nur so in Sorge um den Studenten? Hatte er ihnen beiden nicht klar gesagt, er würde zurechtkommen? Aber das gehörte nuneinmal zu seinem Charakter, dass Alex sich immer und überall um jeden sorgte. Es dauerte noch lange, bis sie an diesem Tag Schlaf fanden. Lagen Arm in Arm wach und lauschten dem Atem und Herzschlag des Anderen. Eriques Gedanken drehten sich ununterbrochen um Joèl. Wie er ihn damals das erste mal gesehen hatte, wie dieser ihn mitnahm zu sich. Ihre erste gemeinsame Nacht, die ersten zaghaften Liebesbeteuerungen. Ihre drei gemeinsamen Jahren hatten gewiss nicht nur gute Erinnerungen hinterlassen. Da war zum Beispiel Eriques Zusammentreffen mit Joèl`s Familie. Sein Vater hatte den blonden Jungen am Kragen vor die Haustür gezerrt und ihn mehrmals geschlagen, bevor Joèl es endlich geschafft hatte, ihn von ihm zu reißen und sich selbst damit saftige Prügel zugezogen hatte. Oder der immer wieder aufkeimende Streit wegen der Autorennen und insbesondere Alan. Erique hatte Joèl nie zuvor so ausrasten gesehen. Wie dieser auf Alan losging, ihn anschrie, der Streit der beiden immer weiter aufloderte, bis der erste Schlag eine Prügelei nach sich zog und die umstehenden Rennfahrer die beiden Kontrahenten auseinander treiben mussten. Damals hatte Joèl noch vor Eifersucht gekocht, aber dass er nach der nachfolgenden Versicherung seitens Eriques nie wieder dessen Treue in Frage gestellt hatte, zeigte doch zu gut, wie tief sein Vertrauen war. Und er hatte es missbraucht!! Mit heißen Tränen in den Augen glitt Erique dann irgendwann in den Schlaf. Müde rekelte sich Joèl zu der Zeit in seinem Bett. Als er die Augen öffnete und mit einem Blick zum Fenster bemerkte, wie hell es bereits war, rappelte er sich auf und zog die Vorhänge beiseite. Dem Sonnenstand nach zu urteilen musste es bereits gegen Mittag sein. Schnell noch unter die Dusche, Jeans und T-Shirt übergezogen und den wieder bereitstehenden Kaffee hinuntergestürzt, konnte der Tag beginnen. Sein Ziel stand heute definitiv fest: Bücherei, Nebenraum. Ob er den jungen Mann von gestern wieder dort antreffen würde? Dass die Vorhänge wieder allesamt sorgfältig das Sonnenlicht aussperrten, lies hoffen. Die Tür zu dem kleinen Zimmer war verschlossen, also klopfte Joèl erst einmal an und tatsächlich ertönte ein freundliches, wenn auch verwundertes „Herein“ „Ah, mein werter Freund von gestern. Du siehst müde aus.“ Joèl schloss die Tür hinter sich und nahm wieder an der gegenüberliegenden Seite des Schreibtisches Platz. „Ging mir schon schlechter.“ Eigentlich dürfte er gar nicht müde sein. Hatte er doch einen guten Teil der Nacht und den halben Tag geschlafen, nach Shateis Besuch. Er richtet seinen Blick leicht aufgebracht auf den dunkelblonden Vampir, als es wieder leicht in seinen Schläfen pochte. „Lass das!“ Ertappt lachte er auf und hob beschwörend die Hände. „Entschuldige. Ich hatte nur das Bedürfnis, mich nach dem Stand deines Könnens zu erkundigen.“ Stand seines Könnens? Nun, im Bereich Telepathie hatte es sich nicht gerade erweitert. Er hatte noch einmal das Zimmer durchsucht, nur um festzustellen, was ihm ohnehin schon bewusst war. Das Buch war fort. Ein erneutes Ziehen schoss quer durch seinen Kopf und wie auch immer, war Joèl schlagartig bewusst, dass jemand seine Gedanken in gerade diesem Moment nach belieben durchforsten konnte. Sein Gegenüber stützt das Kinn auf eine Hand und lehnt sich so ein Stück zu ihm vor. „Respekt, dass du schon erkennst, wenn jemand die Barriere durchbrochen hat. Falls du hier bist, um mich zu fragen, ob ich eine zweite Ausgabe besitze: Tut mir leid, leider nicht.“ Joèl seufzte enttäuscht, konzentrierte sich dann aber kurz und beobachtete dabei die Reaktion des Anderen. Dieser lehnte sich mit einem gespielten Schmollen wieder nach hinten. „Nicht gerade die feine Art, mich einfach rauszuschmeißen.“, kommentierte er Joèls offensichtlichen Erfolg. Das wurde ihm hier wirklich zu bunt. Schnaubend stand er auf, seine Laune dem Tiefpunkt entgegen schnellend. „Wenn du dich ohnehin nur über mich lustig machst, kann ich meine Zeit auch sinnvoller verbringen.“ Doch noch bevor er die Tür erreichte stand sein Gesprächspartner direkt vor ihm. „Verzeih bitte, wenn ich dich gekränkt habe. Das lag nicht in meiner Absicht. Bitte, setz dich und sag mir, was ich für dich tun kann.“ Begleitet von den letzten Worten, wurde er sanft zu seinem Platz zurückgeschoben und lies sich erneut nieder. „Mein Name ist im Übrigen Bernard.“ „Joèl.“ Auch wenn er nicht annahm, dass Bernard das nicht schon längst wusste. Lächelnd lies dieser sich nun auch wieder auf seinen Stuhl sinken. „Was hat dir so die Laune verhagelt? Gestern warst du zwar aufbrausend, aber bei weitem nicht so bockig.“ Konnte man diesen ehrlich fragenden Augen, diesem einladenden Lächeln eine Antwort schuldig bleiben? „Die paar Brüche in meinem Realitätsbild waren noch zu verkraften, aber mittlerweile rieselt es in tausend Einzelteilen um mich nieder, wie soll ich da nicht aufgebracht sein?!“ Er atmet noch einmal durch, hatte sich wieder etwas im Ton vergriffen. „Ich neige heute wohl zur Aggressivität, tut mir leid.“ Mit einer schlichten Handgeste symbolisierte der Vampir ihm, dass er sich darüber keine Gedanken machen solle und Joèl fiel wieder ein, weshalb er hierher gekommen war. „Erzähl mir mehr über dieses Schloss.“, bat er ihn. Ein Lächeln und der Unterricht begann. Zu Beginn beschrieb ihm Bernard die Aufteilung in verschiedene Bereiche. Die Ältesten bewohnten den größten Teil der nördlich liegenden Räume. In den Kellern befanden sich aufwendig verbarrikadierte Katakomben, der größte Salon des Schlosses, ein Musikzimmer und ein wunderschönes Atellier, in welchem so manch ein Kunstwerk zu finden war, nach dem sich Museum-Direktoren alle zehn Finger lecken würden. Alles in Allem verkehrte dort die „High Society“ unter den Untoten. Die östlichen Türme waren größtenteils nur noch Ruinen. „Dort gibt es nichts für dich zu sehen.“ Damit musste sich der Student begnügen, denn Bernard fuhr sofort bei seiner Schilderung über die südlichen Räume und Gänge fort, wobei er nicht gerade begeistert aussah. „Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum sie hier geduldet werden. Diese Wesen sind entweder abgestumpft und langweilig, warten nur noch auf den Tod oder vegetieren vor sich hin, oder aber sie sind abgrundtief verrückt, so dass sie in den anderen Schlossbereichen unerwünscht sind. Ihnen bleibt keine andere Möglichkeit, außer sich mit diesen lebenden Leichen zusammenzutun. Meist benutzen sie diese für ihre Scherze und zu ihrer Belustigung. Ein wahres Szenario von Marionetten und ihren dümmlichen Puppenspielern.“ Nun blieb noch der westliche Bereich, zu dem auch die Bücherei gehörte. Eingangshalle, Hauptbücherei, ein weiterer Salon. Auch hier in den Kellern Katakomben. „Wenn du Interesse an Gesprächen hast, solltest du dich hier aufhalten. Die Vampire hier sind nicht so abgehoben und von sich eingenommen, wie die Alten. Natürlich kann es dir hier passieren, dass du so manchem Verrückten begegnest, aber an sich ist dies hier noch der normalste Bereich, allerdings auch der gefährlichste. Intrigen, Feindschaften, Rivalitäten. Oft auch angezettelt von den Alten, die sich die Langeweile mittels Manipulation zu vertreiben suchen.“ Bernard lehnte sich zurück. Ließ einen Moment Ruhe im Raum schweben. Doch Joèl hatte nach wie vor Fragen, was ihm unschwer anzusehen war. „Meine Zimmer liegen in einem der Nordtürme, Eriques und das des Professors im Westen. Warum? Und....wie alt ist Shatei genau?“ Hatte er eine Antwort erwartet? Von Bernard an sich schon, doch dieser schüttelte nur leicht den Kopf. „Das kann ich dir leider nicht sagen, aber wenn du es herausfindest, lass es mich wissen.“ Wieder dieses offene, freundliche Lächeln. Joél seufzte. „Gut, danke für die Informationen.“ Wieder spürt er, wie der Andere versucht an seine Gedanken zu gelangen, doch er konzentriert sich schnell genug. Dann stand er auf und wünschte noch einen angenehmen Tag, bevor er den kleinen Nebenraum verließ. Er wurde Zeit, sich endlich mal genau umzusehen. Auch mit anderen 'Vampiren' zu sprechen und so vielleicht irgendeine Idee zu erlangen, wie sie hier heil herauskommen könnten. Erst als die Sonne bereits unterging wurden Erique und Alexander durch unnachgiebiges Klopfen an ihre Zimmertür geweckt. „Herein“, murmelte der Junge verschlafen und bedachte natürlich nicht, dass die Tür abgesperrt war. Also war es wohl an Alexander, aufzustehen und den Besucher einzulassen. Wie erwartet handelte es sich dabei um den älteren Herrn, der hier tagsüber den Garten und einige Schlossräume in Ordnung hielt. Nach einem knappen 'Guten Morgen' stellte er das Tablett mit dem 'Frühstück' auf den kleinen Tisch bei der Sitzecke und verlies wieder den Raum. //Merkwürdiger Typ//, ging es Erique noch durch den Kopf, doch bei dem Duft der frischen und noch warmen Croissants waren seine Gedanken gleich wie leergefegt. Alexander schloss die Tür hinter ihm und lies sich auf der Couch nieder. So war es jeden Abend. Immer brachte dieser Mann ihnen Speisen und Getränke ohne mehr als nötig mit Ihnen zu sprechen. Überhaupt war es sehr still geworden und es war bereits eine Woche vergangen, seit sie zuletzt etwas von Joèl gesehen oder gehört hatten. Egal, wie sehr der Professor sich auch einredete, dass der junge Mann gut genug auf sich selbst aufpassen konnte, er machte sich riesige Sorgen. Und das um seinen Rivalen um Eriques Herz. „Hey? Willst du nichts essen?“ Große blaue Augen schauten ihn fragend an. So gefühlvoll ... so ... voller Leben. Er hätte Erique nie mit hierher nehmen dürfen. Allmählich spielte sich ein gewisser Rythmus im Ablauf der Nacht bei den Beiden ein. Die meiste Zeit verbrachten Sie in der Bücherei. Wahrscheinlich wären hundert Menschenleben noch nicht genug, um sie alle zu lesen. Ab und an verließen sie den riesigen Raum um sich im Garten die Beine zu vertreten. Erique war oft drauf und dran gewesen mit einem Schlossplan bewaffnet einfach drauflos zu stürmen, doch Alexander hatte ihn immer wieder davon abhalten können. Auch wenn er immer schon davon geträumt hatte einen Ort wie diesen zu finden, die Existenz von Vampiren zu beweisen, hatte er doch große Furcht vor ihnen. Nachdem sie weitere vier Tage nicht das Geringste von Joèl gehört hatten und Erique zunehmend besorgter aussah begegneten sie Shatei. Keine Chance den Jungen zurückzuhalten, als er auf den so ehrfurchtgebietenden Vampir zulief. „Guten Abend Shatei.“, rief Erique strahlend aus, als er vor dem Dunkelhaarigen zu stehen kam. Dieser hob nur eine Augenbrauhe und betrachtete ihn abschätzend. Schnell wich das Lächeln aus Eriques Zügen. „Ich....ähm..... Wissen Sie zufälliger Weise.... also wir haben schon länger nichts...“ „Warum sollte er sich auch mit euch abgeben?“, unterbrach Shatei den Jungen mit spöttischem Ton. Ein breites Grinsen zog sich über Shateis Gesicht und gab den Blick auf seine rasiermesserscharfen Reißzähne frei. Erique schluckte schwer. Wortlos schaute er dem Mann nach, der nun geräuschlos an ihm vorbei den Gang hinunter ging und an der nächsten Abzweigung verschwand. Wie hatte er das gemeint? Ein Zittern durchlief ihn. War Joèl etwa....? Hatte dieser Vampir ihn....? Er wagte es nicht diese Fragen zuende zu denken. „Erique! Erique, was ist denn?“ Alexander hatte die Arme um den schlanken Körper geschlungen. Was immer Shatei seinem Liebsten gerade angetan hatte, er würde ab jetzt noch besser auf ihn aufpassen! Und er hielt sein Versprechen sich selbst gegenüber. Keinen Moment ließ er seinen Partner aus den Augen, was nicht gerade wenig anstrengend war, da dieser sich mehr denn je in den Kopf gesetzt hatte, Joèl zu finden. Zwei Nächte später glückte es ihnen und auch Alexander konnte den Anflug von Freude und Erleichterung nicht verleugnen, der ihn bei der Erkenntnis, dass der Student noch lebte durchströmte. „Joèl!“, rief Erique aufgebracht durch die Bücherei woraufhin sich einige Köpfe zu ihm drehten, mahnende Blicke ihn zu durchbohren schienen. Schnell lief er auf seinen Ex-Freund.....bei dem Gedanken an dieses Wort spürte er ein Krampfen in der Magengegend... zu. Doch was sollte das? Dieser Blick? So.... herablassend. „Erique, was ist?“ Joèls Stimme klang ruhig und beherrscht, beinahe Gefühllos und desinteressiert. Kümmerte es ihn gar nicht, dass sie sich so lange nicht gesehen hatten? Konnte er sich nicht denken, dass sie sich um ihn gesorgt hatten, wo sie doch wussten, dass Shatei ein Auge auf ihn geworfen zu haben schien? Alexander kam hinzu und musterte ihn prüfend, während Erique mit offenen Mund in das Gesicht seines ehemaligen Geliebten starrte. Er war sehr blass geworden. Ränder zeichneten sich in einem leichten violettton unter seinen Augen ab. Seine Haltung war gerade und er wirkte beinahe erhaben. Das Buch, dass er in der Hand hielt stellte er nun in einer fließenden Bewegung zurück an seinen Platz. Erique und Alexander kam wohl der gleiche Gedanke zu gleichen Zeit, denn aus Eriques Gesicht schwand jegliche Farbe, während sich Tränen in seinen Augenwinkeln bildeten und Professor Rendall fragt mit heiserer Stimme „Hat etwa Shatei....?“ Joèl zog einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln in die Höhe. „Ich sagte, ich bringe euch beide hier lebend heraus. Vertraut mir einfach und geht mir aus dem Weg.“ Die letzten Worte untermalte er mit einem gezielt fixierenden Blick auf Eriques Hals, was beiden eine eindeutige Warnung war. Doch unfähig sich zu rühren durch den tief sitzenden Schock lag es an Joèl, Abstand zwischen sie zu bringen und die Bücherei zu verlassen. In seinen Privaträumen lehnte er sich gegen die kühle Steinwand und erlaubte sich ein paar Tränen, die jedoch schnell verebbten als ein plötzliches Lachen aus ihm hervorbrach. Sie hatten es tatsächlich geschluckt. Natürlich hatten sie das, wenn er doch sogar Bernard schon an der Nase hatte herumführen können. Und all die Anderen. Nachdem er sich von Bernard über das Schloss und seine Gegebenheiten hatte aufklären lassen, war Joél auf Erkundungstour gegangen. Er scherzte mit den Vampiren die die westlichen Räume des Schlosses bewohnten, diskutierte mit den beleseneren von Ihnen, wagte sich schließlich in die Katakomben im Osten und stellte überrascht fest, dass die Wesen, die man mehr als Monster als als Vampire bezeichnen mochte, vor ihm zurückwichen, wenn er sie mit festem Blick ansah. Es dauerte eine gewisse Zeit bis ihm auffiel, dass er begann sich wie diese todbringenden Schönheiten zu bewegen. Seine Stimme wurde gelassener, ruhiger. Alles in Allem wurde er sich seines Körpers bewusster und hatte sich selbst immer mehr unter Kontrolle. Wirklich klar wurde es ihm, als Riccardo ihn eines Tages zur Seite winkte und eindringlich ansah. „Warum ist mir das nur nicht vorher aufgefallen?“, murmelte er mehr zu sich selbst. „Wer war es? Shatei?“ „Was soll Shatei gewesen sein?“ Genaugenommen hatte Joèl Shatei zu dem Zeitpunkt bald 8 Nächte nicht mehr gesehen. „Hat er dich zu einem von uns gemacht?“ Joèl stutzte nur kurz, bis dieser Gedanke klarer zu ihm durchdrang und ein leichtes Grinsen auf sein Gesicht zauberte. „Wer weiß?“ Er drehte sich um und ging. Am darauf folgenden Abend versuchte er sein Glück in den nördlichen Hallen. Hier lebten die Alten und Mächtigen, was einem schlagartig bewusst wurde, betrat man diese Gänge. Die alles umfassende Aura, diese Wesen, die so unmenschlich schön und doch erschreckend beängstigend waren, schlugen ihn sofort in ihren Bann. Einige schienen seine Gedankenbarriere anzutasten, ließen dann aber ab. Er konnte wohl kaum stark genug sein, um sie zu blocken, doch aus irgendeinem Grund ließen sie ihm seine Gedankenwelt, die er zu verteidigen suchte. Die Nacht, die er mit ihnen verbrachte schien wie gewünscht zu verlaufen. Sie schienen ihm zu glauben, doch die Quittung bekam er heute. Er stemmte sich von der Wand ab und ging zum Fenster. In Gedanken immer noch bei Erique. Hatte es ihn verletzt? Der Gedanke er könne ein Vampir sein? Eine eiskalte Hand in seinem Genick riss ihn barsch aus seinen Gedanken. Fest wie ein Schraubstock hielt die unmenschliche Hand stand, als Joèl sich instinktiv aus dem Griff zu winden versuchte. Shateis Lippen berührte beinahe Joèls Ohr, der warme Atem der so sehr im Gegensatz zu dem sonst kalten Körper des Vampirs stand bereitete ihm Gänsehaut, als die Stimme tief und bedrohlich, augenscheinlich sehr gereizt durch seinen ganzen Körper zu fahren schien. „Wer hat es gewagt? Wer hat sich nicht an mein Wort gehalten und mir meine Beute genommen?“ Shateis Griff wurde schmerzhaft, Joèl fürchtete bereits jeden Moment ein Knacken zu hören, welches das letzte Geräusch wäre dass er wahrnehmen würde. Doch der schwarzhaarige ließ von ihm ab, drehte ihn ruckartig herum und packte ihn fest an den Oberarmen. Wie konnten braune Augen so eisig kalt und schneidend sein? Der junge Mann brauchte einen Moment bis er sich wieder kontrollieren und dem Anderen einen festen, entschlossenen Blick entgegenbringen konnte. Doch etwas veränderte sich in den Augen seines Gegners. Hatte Joèl gerade den Geschmack der Überlegenheit gekostet, war es auch schon wieder vorüber, denn Shatei verfiel in ein lautes Lachen. „Unglaublich, dass ich auf das Geschwätz dieser Idioten gehört habe! Habt ihr euch gedacht es wäre lustig, zu schauen, ob es mich aus der Fassung bringt?“ Das Lachen erstarb. Shatei wirkte wütend, wenn auch wesentlich weniger als noch vor einigen Sekunden. „Ich....ich weiß nicht, was du meinst. An sich fand hier niemand irgendetwas lustig.“ Joèl konnte Shatei im Moment wirklich nicht ganz folgen. „Dann will ich dich mal aufklären, mein Hübscher. Im ganzen Schloss erzählt man sich, irgendwer habe die Dreistigkeit besessen meine Beute anzurühren und zu einem von uns zu machen. Jeder Einzelne hier hat die ausdrückliche Anweisung, sich von dir fern zu halten, wie also kommt es, dass ich dich in letzter Zeit ständig an der Seite irgendwelcher Vampire, ganz gleich welchen Alters und welcher Klasse, sehe. Ausgerechnet dich, der sich doch bis vor einigen Tagen noch so furchtbar dagegen gesträubt hat, unsere Existenz zu akzeptieren. Und wie bitte kommen sie alle dazu dieses kleine Spiel mitzuspielen?“ Ein paar mal blinzelte Joèl verwirrt, dann fiel der Groschen. Es hatte tatsächlich funktioniert. Und besser als er dachte. Dank der Anweisung ihm fern zu bleiben kontrollierte keiner der Vampire Joèls Gedanken, um sicherzugehen, dass er sie nicht anlog und scheinbar spielte er seine Rolle so überzeugend, dass sie ihm abnahmen, er sei ein Vampir. „Und dabei habe ich geglaubt du würdest merken, ob ein Vampir oder Mensch vor dir steht. Ich bin ein klein wenig enttäuscht Shatei.“ Der Griff festigte sich. Er würde unter Garantie blaue Flecke davontragen. „Mach dich nicht lustig über mich. Dass du Sterblich bist ist für jeden klar zu riechen. Ich weiß nur nicht, warum sie mitspielen.“ Klar zu riechen.... klar zu riechen. Nein, war es nicht! Joèl kam ein glänzender Einfall: „Ich wette mit dir, sie wissen es nicht! Keiner von denen, die du hast erzählen hören, ich sei einer von euch, weiß, dass ich es nicht bin!“ Wieder lachte Shatei. „Diese Wette verlierst du!“ Ja! Er hatte ihn da wo er ihn haben wollte. „In Ordnung. Wenn keiner herausfindet, dass ich sterblich bin, bis zum Ende meiner Semesterferien, dann lässt du Erique, Rendall und mich lebend und unversehrt nach Hause. Wenn ich das nicht schaffe...naja... deine Entscheidung.“ Das Lachen erstarb abermals. Nie hatte Joèl Shatei mit einem solch verwunderten Gesichtsausdruck gesehen. Er sah so.... lebendig aus. Und einfach umwerfend schön... „Einverstanden.“ Er lockerte den Griff um Joèls Schultern. „Allerdings...“,wagte der Student noch anzumerken „...musst du dafür Sorge tragen, dass ich unbemerkt an Nahrung herankomme. Ich kann schlecht hungern, und in der Küche würde ich auffallen.“ Ein Nicken des Größeren. „Dafür im Gegenzug, ist ausnahmslos jeder außer Felix und mir mit in diese Wette eingeschlossen. JEDER muss glauben, und damit meine ich wirklich glauben, denn ich werde es in Ihren Gedanken überprüfen, dass du ein Vampir bist.“ Felix war der Name des älteren Herrn, der auch Erique und Rendall immer ihr Essen brachte. Gärtner und Chauffeur, sowie Mädchen für alles, was bei Tageslicht und im Dorf zu erledigen war. Ein sterblicher im fortgeschrittenen Alter, umgeben von Gesichtern ewig währender Jugend.... „Damit gilt die Wette.“ Joèl beendete den Satz mit einem erschrockenen Aufschrei. Hatte er doch glatt in aller Naivität geglaubt Shatei würde die Wette mit einem Händedruck besiegeln, hatte er auch schon dessen Zähne in seinem Hals. Wieder schoss die nun bekannte Welle der Erregung durch seinen Körper, eine Hand zwischen seinen Beinen wehte seine Fähigkeit zum bewussten Denken fort und lies nur den instinktgesteuerten Teil seines Seins zurück. Kapitel 4 - "wind of change" part 1 ----------------------------------- Hallo ihr Lieben, ja es hat wieder irre lange gedauert, ich weiß. Und dann ist das Kapitel diesmal auch noch ein zweiteiler, aber ich habe einfach nicht alles in ein Kapitel bekommen und bevor ich euch noch länger warten lasse, ist hier schonmal die erste Hälfte ^^ Ich bin selbst sehr froh, dass ich endliche den Gastcharakter einbauen konnte, den ich unbedingt in dieser Story drin haben wollte und schon habe ich knapp 3 Monate an der Szene mit ihm gehangen -.- naja, genug des Vorgelabers, Viel Spaß beim Lesen. Kapitel 4 - „wind of change“ part 1 Behutsam manövrierte Alexander den Jüngeren zu dem Sessel ihres Zimmers und platzierte ihn dort bevor er ein Glas Wasser eingoss. Erique war bis eben ruhig gewesen, seine Mine unergründlich, Tränen die still seine Wangen hinabflossen. Nun jedoch erwachte er aus seiner Starre. „Joèl ist.... Er.... Shatei, dieser verdammte Mistkerl hat ihn gebissen! Alexander was machen wir jetzt?!“ Der Professor setzte sich auf die Armlehne des Sessels und zog Erique in seine Arme. „Wir können nichts tun, Erique.“ Seine Stimme klang belegt. Auch ihn traf es schwer, dass Joèl seine Sterblichkeit lassen musste, wahrscheinlich sogar um ihnen zu helfen. Und Schuld an allem hatte er. Erique stieß ihn beiseite und sprang auf. „Das kann nicht sein! Ich werde es nicht so hinnehmen. Niemals!!“ Nun stiegen auch Alexander Tränen in die Augen. Konnte es sein, dass Erique ihn immer noch liebte? Wurde dem Jungen vielleicht jetzt erst wirklich bewusst, wie sehr? Leider hatte Alexander Recht mit diesen Vermutungen. Erst jetzt, wo Joèl verloren für ihn schien, fraß sich die Sehnsucht nach ihm schmerzhaft durch Eriques Inneres. Er bebte am ganzen Körper. Nein, er würde es nicht akzeptieren. Konnte es nicht akzeptieren. Bilder der Erinnerungen erschienen vor seinem inneren Auge, Joèls Stimme, warm und zärtlich konnte er beinahe hören, die Wärme des so bekannten Körpers förmlich spüren. Erique schlang seine Arme um sich selbst, das Atmen fiel ihm schwer. Er fühlte sich als würde jemand sein Herz mit der bloßen Hand zusammendrücken, der Schmerz die Lungen lähmen und sein Magen sich unnachgiebig winden. Seine Sicht verschwamm zunehmend, als mehr und mehr Tränen sich vor seinen Augen sammelten um dann in dicken Tropfen seine Wangen hinunterzurollen oder gleich zu Boden zu fallen. Dafür aber wurden die Bilder seiner Gedanken umso schärfer. Joèl, wie er ihm morgens, mit noch verstrubbeltem Haar und einem unwiderstehlichem Lächeln Frühstück an das Bett brachte, das noch so angenehm nach ihnen beiden roch. Joèl, wie er ganz vertieft auf eine Leinwand starrte, dabei den Pinsel immer wieder in die Farben tauchte, Linien zog, ihn abwischte, wieder in die Farbe tauchte. Alles ohne den konzentrierten und glühenden Blick von dem Kunstwerk zu wenden, dass dort aus dem Nichts heraus durch diese talentierten Hände entstand. Joèl der lauthals lachte, während Erique einen Todeskampf mit Topf, Kochlöffel und Topflappen durchstand. Wie er ihm sanft aber bestimmt die Küchenutensilien aus der Hand nahm und ihm mit Witz und einer Engelsgeduld alles erklärte. Es hatte nicht viel genützt, aber.... Joèl.....und nun? Nun das Bild von Joèl vor wenigen Augenblicken in der Bücherei. Diese so vollkommen andere Person. Alexanders Augen weiteten sich, sein Puls raste zunehmend. Was sollte er tun? Er sah Erique leiden und konnte diesen Anblick nicht ertragen. Er musste jetzt stark sein. Er musste für ihn da sein, ihm Kraft geben, ihn halten, damit er nicht abstürzte! Aber warum gehorchte ihm sein Körper nicht? Er wollte ihn in seine Arme ziehen und ganz fest halten, doch er rührte sich kein Stück. Alles wirkte, als habe jemand die Zeit einfach angehalten. Ein nie enden wollender Moment der Qual, des Schmerzes, der jäh durchbrochen wurde, als sich all die Sehnsucht, Verzweiflung, das Unverständnis und die Wut in Erique bündelten und in einem lauten Schrei aus ihm hervorbrachen. Der Junge fiel auf die Knie, hielt sich selbst weiter krampfhaft umschlungen und weinte nun hemmungslos. Alexander traf dies wie ein Schlag, von dem er glaubte er würde ihm den Verstand rauben, doch kurz darauf fand er endlich den Impuls aufzuspringen und Erique an sich zu ziehen. Selbsthass, Schuldgefühle und Ratlosigkeit zerfraßen den Professor, doch jetzt war nur Erique wichtig. Dieser hübsche, zarte und so unglaublich zerbrechliche junge Mann, den er hier in dieses Szenario des Horrors geschleppt hatte. So schluckte er seinen eigenen Schmerz hinunter und ertrug still die Schreie, das Schluchzen und die sich an ihm festkrallenden Hände des Jungen in seinen Armen. Ein Lächeln umspielte Shateis blasse Lippen. Ein Lächeln voller Hohn und Arroganz. Voller Gemeinheit. Doch dann begann eine Veränderung, nur leicht und ganz langsam, jedoch stetig. Sein Blick wurde sanfter, die Boshaftigkeit wich aus den dunklen Augen, ein Schleier legte sich über sie und die Mundwinkel sanken schleichend nach unten. Schon bald schien sein Blick zu zittern. Würde Joèl nun aufwachen, er würde ein Bild der Trauer zu Gesicht bekommen. Shatei schüttelte innerlich über sich selbst den Kopf. Diese beiden Sterblichen waren ihm egal. Was interessierte ihn schon das Gefühlsleben dieses Gelehrten. Abgesehen davon dass er ohne ihn niemals an seine so unwiderstehliche Beute gekommen wäre, sollte er sich nicht weiter mit dem Mann befassen und doch würde er es tun. Er kannte sich nach den Jahrhunderten selbst gut genug, um dies zu wissen. Der Student gab ein Seufzen von sich und murmelte etwas Unverständliches in seinem wohl sehr traumreichen Schlaf. Mit einem Lächeln erhob Shatei sich geräuschlos von dem großen Bett und verließ das Zimmer. Es lagen einige äußerst interessante Nächte vor ihm und er sollte sich sehr genau überlegen, was er nach Joèls kläglichem Versagen in dieser Wette mit den anderen Beiden anstellen wollte. Joèls Schicksal stand unumstritten fest in dem Moment in dem er sich dem Schwarzen Schloss zum erstem Mal genähert hatte. Für Joèl änderte die letzte Nacht nicht wirklich viel. Er achtete ein wenig mehr darauf seine Gedanken wirklich sicher zu verschließen und beobachtete weiterhin die Reaktionen der Schlossbewohner, wenn er einen Raum betrat oder sich mit einem von ihnen unterhielt. Gegen 2 Uhr morgens überkam ihn dann augenblicklich der Gedanke daran, wie lange er keinen Stift geschweigedenn Pinsel mehr in die Hand genommen hatte. Sobald ihm Felix über den Weg laufen würde, was spätestens nach Sonnenaufgang der Fall sein dürfte, würde er ihn bitten, einige Besorgungen für ihn zu tätigen. Eriques und Alexanders nächtlicher Ablauf hingegen hatte sich vollkommen gewendet. Keine Bücherei, keine Beobachtungen. Sie verbrachten eine Nacht vollkommenen Schweigens in ihrem Zimmer, während Erique nur vor sich hinstarrte und immer wieder weinte, bis kurzer Schlaf seine Tränen stoppte. Alex schaute aus dem Fenster und richtete seinen Blick trübsinnig zu den Sternen auf, als würden sie in einem unbedachten Moment eine Lösung zu ihm herabfallen lassen. Seine Gedanken überschlugen sich und ergaben doch nie Sinn. Führten zu keinem Ziel. Immer wieder zogen ihm Schmerz und Trauer den Brustkorb zusammen, bis er wieder dachte und dachte. Wie könnten sie hier herauskommen? Hatte Joèl tatsächlich einen Plan? Würde der Student ihm je verzeihen, was ihm widerfahren war? Würde Erique ihm dies je verzeihen? Was konnte er für die beiden jungen Männer tun? Konnte er überhaupt etwas tun? Auch der Tag sah nicht großartig anders aus. Beide fanden sie nicht wirklich Schlaf, ihre nächtlichen Mahlzeiten und auch den Kaffee und Kakao den Felix ihnen brachte, als er unter der Tür hindurch sah, dass sie die Vorhänge nicht zugezogen und sich folglich wohl nicht schlafen gelegt hatten, hatten sie kaum angerührt. Bei Sonnenuntergang jedoch raffte Alexander sich auf. Sie konnten hier nicht ununterbrochen Trübsal blasen. Wie tief der Schock und der Schmerz auch saßen, die Reise, Joèls Opfer durften nicht umsonst sein, wobei sich nach all der Grübelei in dem 39-jährige immer mehr der Gedanke festigte, dass Joèl es wohlmöglich so gewollt haben könnte, bedachte man die überlieferte und sich hier bewahrheitende Wirkung von Vampiren auf die Menschen. Doch wann immer sich ihm der Gedanke aufdrängte, der Student könne vielleicht Gefühle für den stilvollen Schlossherren entwickelt haben, wischte er diesen schnell beiseite. Er lies sich neben Erique, der seitlich auf der niedrigen Fensterbank saß und in den rötlichen Himmel starrte, auf den Boden nieder und streichelte ihm ein paar dunkle Locken aus dem Gesicht. „Ich werde mir ein wenig die Beine vertreten. Ablenkung suchen. Magst du mitkommen?“ Er hatte mit nichts anderem gerechnet: Sein Assistent und Partner schüttelte den Kopf. Die sonst so glückliche, helle Stimme klang sehr belegt. „Gib mir etwas mehr Zeit Alex. Bitte.“ Also wagte er sich alleine in die Flure und Gänge des Schlosses. Erique verließ ihr Zimmer weiterhin nicht also machte Alexander sich alleine wieder an ihre Forschungen, wagte sich aber nun auch mal ein paar Schritte abseits des Weges zwischen Bücherei und ihrer Unterkunft zu gehen. Beobachtete und unterhielt sich sogar mit einigen dieser für ihn nun noch beängstigenderen Wesen. Es war nur oberflächliches Geschwätz, doch es war schon mehr als er sich je erhofft hatte. Kurz vor Sonnenaufgang saß er nun immer mit Erqiue beim Essen und erzählte. Nur selten konnte er sich sicher sein, dass der Jüngere ihm wirklich zugehört hatte, die übrige Zeit war Erique irgendwie abwesend, gab nur halbherzige Antworten und entgegnete auf Fragen wie es ihm ginge wieder und wieder die Bitte nach mehr Zeit. „Es ist bereits die fünfte Nacht und doch nach wie vor ein ungewohnter Anblick, Sie ohne Ihren jungen Gefährten zu sehen, Professor.“ Alexander schrak von dem Buch auf über das er sich gebeugt hatte und die Farbe wich aus seinem Gesicht, als er zu Shatei aufsah. Ein Lächeln umspielte kurz die Züge des Vampirs. „Sie haben doch sicherlich nichts dagegen, wenn ich mich einen Moment zu ihnen setze?“ Alexander starrte ihn noch einem Moment perplex an, nahm dann jedoch mit zitternden Händen seine Brille ab. „Ähm, nein, natürlich nicht. Bitte.“ Ein paar Sekunden schien der Blick des Schlossherren ihn zu durchbohren, er brachte es nicht fertig ihm lange stand zu halten und sah immer wieder weg, bis er beschloss, seinen Blick auf seine Hände zu fixieren. „Wie geht es Erique?“ Nun sah Rendall doch auf. Hatte sich Shatei soeben wirklich nach Erique erkundigt? Er bemühte sich den Ton seines Gegenübers noch einmal in Gedanken zu rekonstruieren doch ihm wollte keine Ironie, kein Spott darin auffallen. Zwei Fragen drängten ich ihm auf. Warum interessierte es Shatei, und warum holte er sich diese Information nicht einfach aus Eriques oder auch seinen Gedanken? „Weil ich mich gerne mit Ihnen unterhalten möchte und es entbehrt jedweder Notwendigkeit miteinander zu kommunizieren, wenn ich mir meine Informationen auf anderem Wege aneigne.“ Unumstritten hatte er damit recht. Wobei die Frage nach dem ersten 'Warum' damit nicht geklärt wäre, doch vielleicht würde sich das ja noch ergeben. „Es geht ihm schlecht. Sehr schlecht um genau zu sein. Ehrlich gesagt mache ich mir Sorgen, ob er sich überhaupt wieder erholt.“ Shatei stütze sein Kinn auf einer Hand ab. „Sie sind überraschend naiv Professor. Ich kann ihnen garantieren, er wird bald wieder quicklebendig durch dieses Schloss laufen.“ „Ich hoffe es...“ Alexander legte das Buch aus der Hand und wagte noch einmal aufzusehen. Irrte er sich, oder wollte der Vampir ihn ermutigen, die Frage zu stellen, die ihm gerade durch den Kopf gegangen war? Shatai lächelte ihn mild an und wirkte so etwas weniger beängstigend, auch wenn Alexander noch weit davon ab war, sich auch nur annähernd entspannen zu können. „Joèl, wie geht es ihm?“ Der Professor beobachtete interessiert, wie sich Shatei zurücklehnte und einen Moment schwieg. „Das lässt sich nicht so einfach fest machen. Sagen wir, den Umständen entsprechend gut. Er arrangiert sich mit der Gesamtsituation auch wenn sie ihm rein gar nicht gefällt.“ Alexander seufzte. Das war irgendwie nichts sagend. Dass Joèl ihrer aller Situation wohl nicht sonderlich zusagen dürfte hatte er sich denken können, und was blieb dem jungen Mann anderes übrig, als sich mit seiner Situation zu arrangieren? Er und Erique taten dies auch. Nun lachte Shatei laut auf, woraufhin Alex fragenden Blickes die Stirn in Falten zog. „Entschuldigen Sie. Gehen Sie zu Ihrem Schützling und lassen Sie die Bücher mal Bücher sein. Wenn ich das richtig sehe, sind Sie ohnehin nicht in der Lage, sich wirklich zu konzentrieren.“ Mit diesen Worten erhob der Schwarzhaarige sich lautlos und verlies ohne eines weiteren Wortes den Raum. Rendall schaute noch einmal abschätzend auf sein Buch, stand dann aber auch auf, um es in das Regal zurückzustellen und zu ihrem Zimmer zu gehen. Im Gegensatz zu Shatei wusste er nicht, dass ihn ein leerer Raum erwarten würde, was ihn erst einmal vollkommen aus der Bahn warf. Wo konnte Erique hingegangen sein? „Joèl, versuch doch bitte wenigstens mich zu verstehen!!“ „Ich glaube nicht, dass ich wirklich verstehen will.“ Joèl lehnte an einer Wand, die Arme vor der Brust verschränkt und klang ganz entgegen seiner wahren Emotionen ruhig und herablassend, während Erique laut mit Tränen in den Augen und roten Wangen flehte. „Ich wollte das nicht! Ich wollte nicht,dass wir auseinander gehen! Das mit Alexander..... Joèl bitte, verzeih mir doch!“ 'Natürlich verzeihe ich dir, du Idiot' Wie gerne hätte er das jetzt gesagt.... „Die Dinge haben sich geändert. Du hast deine Wahl getroffen, und ich die meine.“ Nein! So konnte und wollte Erique es nicht enden lassen. Doch ehe er noch etwas sagen konnte ging Joèl gelassenen Schrittes an ihm vorbei zur Tür. Er wollte ihm etwas hinterherrufen, ihn aufhalten, ihm einen schlagkräftigen Grund dafür geben, ihn nicht so hier zurückzulassen, doch ihm fiel nichts ein. Sein Kopf war wie leergefegt. Bilder und Emotionen doch kein einziges klares Wort und so erreichte nichts als Schluchzen seine Lippen, als er weinend in die Knie sank. Joèl würde nicht zu ihm zurückkommen. Nicht mehr. Shatei hatte dies unmöglich gemacht.... Shatei.... Erique wischte sich mit dem Ärmel die Tränen von den nassen Wangen und stand auf. Shatei wäre noch eine Möglichkeit. Doch er hätte keine Hoffnungen auf ihn setzen sollen. Arrogant schritt der Vampir vor ihm auf und ab. „Ich soll dich zu einem von uns machen? Du weißt doch selbst ganz genau, dass diese Frage sinnlos ist. Warum auch sollte ich zulassen, dass du auch nur annähernd eine Möglichkeit erhalten könntest, Joèl wieder näher zu kommen? Vergiss ihn, das ist gesünder für dich.“ Eine Drohung... Eriques Fingernägel schnitten leicht in seine Handinnenflächen als er die Hände zu Fäusten verkrampfte. „Was bin ich denn schon ohne Joèl. All meine Erinnerungen haben mit ihm zu tun, alles was vor ihm gewesen sein mag ist doch ohnehin...“ „Das brauchst du mir nicht zu erzählen. Ich weiß ganz genau, mit welchen Lügen du eure Beziehung gepflastert hast. Gib ihn auf, oder meinst du er hat dir wirklich alles abgekauft? Glaubst du wirklich er wird sich nicht bald fragen, was denn überhaupt die Wahrheit gewesen ist und nachhaken?“ Erique begann zu zittern. Er vergas nur zu gerne, dass Vampire vollen Zugriff auf die Gedanken- und Emotionswelt eines Menschen hatten. War Joèl dazu auch in der Lage? Wusste er bereits , dass er.... Tränen brachen erneut aus seinen Augen hervor und er rannte überstürzt aus dem Raum. Alexander hatte es nicht leicht mit ihm. Er kam in das Zimmer gerannt, warf sich auf das Bett und weinte. Alex stieß er von sich, als dieser ihm tröstend Nähe spenden wollte und blockte den Älteren auch nachdem er sich wieder gefangen hatte vollkommen ab. Kommunikation gab es zwischen ihnen auch die nächsten Tage nicht. Einer von ihnen verlies meist schon in den frühen Abendstunden das Zimmer und sie trafen sich dort nur zu den Mahlzeiten und zur Bettruhe wieder. Zu sehen bekamen sie sich allerdings relativ häufig, zum Missfallen von Erique, der seinem Plan, Shatei doch noch um den Finger zu wickeln nachging und dessen Kommentare auf seine Bemühungen, die Alex nicht gerade mitbekommen sollte. Genauso wenig gefiel es Alexander, dem es immer wieder einen Stich der Sorge und Nervosität versetzte, Erique mit ihrem 'Gastgeber' zu sehen, wusste er doch, wie dies mit Joèl geendet hatte. Dieser fiel Alexander heute auch auf. Er stand im Türrahmen einer Verbindungstür zwischen Bücherei und einem Arbeitszimmer, welches sich Alexander einmal kurz angesehen hatte keine zwei Nächte nach ihrer Ankunft. Er hatte bislang nie jemanden darin angetroffen, doch scheinbar unterhielt Joèl sich mit irgendwem, während er immer wieder wachsam Shatei und Erique musterte. Auf die Entfernung konnte der Professor es zwar nicht genau sagen, aber er meinte in den Zügen des Studenten erkennen zu können, dass ihm diese Szenerie genauso wenig gefiel wie ihm selbst. Damit hatte er keineswegs unrecht. Joèl war absolut ungehalten darüber, dass Shatei sich nun scheinbar auf Erique eingeschossen hatte. Er konnte kein Wort verstehen von dem, was sie sprachen, meist allerdings schien Shatei aber eine gedankliche Brücke aufzubauen so dass auch Vampirohren verborgen blieb, worum es ging. „Beruhige dich. Ich glaube kaum, dass Shatei ihm etwas antun wird. Im übrigen Frage ich mich Momentan wirklich auf wen du nun eifersüchtig bist.“ Bernard kicherte leise woraufhin sich Joèl umdrehte. „Scherze sind hier ganz und gar nicht angebracht.“ „Nun hab dich nicht so. Wer hat nun dein Herz erobert? Shatei oder doch nach wir vor dein kleiner Engel? Oder bist du gar wegen beiden so unausstehlich? Hm?“ „Bernard es reicht. Musst du nicht allmählich schlafen? Es ist schon dunkel.“ Nun wich das Lachen aus den Zügen des Vampirs. Er räumte seine Bücher beisammen und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Seine Stimme war ernst und etwas tiefer als er wieder sprach. „Unternimm etwas, wenn es dich so sehr stört, überlege dir allerdings gut, ob du dich wirklich mit Shatei anlegen möchtest.“ 'Das habe ich doch schon längst.... Hätte ich ihn nicht derart herausgefordert würde er mich wohl kaum mit solch offensichtlicher Absicht reizen.' Doch Joèl schwieg und ging ohne ein weiteres Wort mit eleganten Schritten durch die Bücherei zum Ausgang. Er brauchte einen Moment Ruhe. Abstand von diesen kalten perfekten Wesen, deren Existenzinhalt wohl scheinbar nur aus Grausamkeit bestanden. Lange Zeit lief er ziellos durch die Gänge bis er irgendwann bemerkte, dass hier Staub den Teppich bedeckte. Es sah zwar aus, als würde hier regelmäßig jemand hindurchgehen, doch warum wurde hier nie geputzt, wo doch der Rest des Schlosses ein einziges Bild der Sauberkeit war? Er ging weiter, wenn auch etwas zögerlicher. Möglicherweise war er hier im Südflügel gelandet, er sollte sich also in Acht nehmen, auch wenn alle Vampire, die hier ihr Dasein fristeten, denen er bislang begegnet war, ihn mit Respekt, schon fast Ehrfurcht behandelt hatten. Joèl musste über eine umgestürzte Ritterrüstung steigen, Blumen, die in zum Teil brüchigen Vasen zurückgeblieben waren, waren verwelkt, die Vorhänge hier wiesen Mottenlöcher auf. 'Ich sollte zusehen, einen Weg zurück zu finden....', doch dann blieb sein Blick an einer Flügeltür am Ende des Ganges hängen. An beiden Seiten zur Tür erleuchteten Fackeln den Gang. Als er näher kam bemerkte er auch, dass die geschnitzten Verzierungen der Türen keinerlei Staubablagerung aufwies. Zögernd legte er seine Hände an das kühle, lackierte Holz und schob die Flügel mit sanften Druck auseinander. Was er dahinter sah, raubte ihm den Atem. Eine Kapelle erstreckte sich vor ihm, mit gewölbter Decke, zahlreichen Sitzbänken und großen Gemälden verschiedener Heiliger an den Wänden. Alles in diesem Raum war in strahlendem weiß gehalten, der Boden, die Bänke, die Grundfarbe der Wände. Um den Altar herum brachten zahllose Grünpflanzen Wärme in den Raum. Das schwimmende Licht der Fackeln wurde von unzähligen Goldverzierungen zurückgeworfen und alles in allem hatte diese Kapelle eine doch so vollkommen andere Ausstrahlung als all jene, die Joèl bislang betreten hatte. Lag das vielleicht einfach nur an dem Wesen, dass vor dem Altar kniete? Eine im Gebet kniende Gestalt, die er nur von hinten sehen konnte. Helle Kleidung und weißblondes Haar, im Nacken mit einer braunen Schleife zusammengebunden, floss es in sanften Wellen bis zur Hüfte des Gläubigen herab. Joèl stand wie angewurzelt keine zwei Schritte von den geöffneten Türen entfernt, sein Atem ging unregelmäßig und sein Herz schlug laut in seiner Brust. Er spürte seinen Puls an seinen Handgelenken und seinem Hals. Leichtes Zittern stieg in ihm hoch, bis er abrupt erstarrte, als die Person vor ihm sich in einer fließenden Bewegung erhob. Diese Sekunden schienen wie in Zeitlupe dahinzugleiten, und es kam Joèl wie einige Minuten vor in denen er nicht atmend dastand und seinen Gegenüber anstarrte, der sich ebenso fließend, wie er aufgestanden war nun zu ihm umdrehte. Die Fingerspitzen seiner Hände aneinander gelegt, den Kopf leicht geneigt, blickten zwei eisblaue Augen in seine Richtung und schienen ihn doch nicht anzusehen, sondern durch ihn hindurch. Das weißblonde Haar war in der Mitte gescheitelt, zwei Strähnen, die nicht mit in den Zopf eingebunden waren, lagen nach hinten über seinen Schultern. Er trug eine beige Stoffhose und über einem cremefarbenen Hemd eine braune Weste mit zahlreichen goldenen Stickereien. Wieder schien die Zeit anzuhalten, bis Joèls Lunge schmerzhaft nach Sauerstoff verlangte, er trocken schluckte und - in seinen Ohren viel zu laut - einatmete. Nur langsam nahm Joèls Gehirn den Betrieb wieder auf. „Verzeiht, ich habe nicht beabsichtigt, Euch zu stören.“ Er neigte den Kopf zum Gruß, wie er es oft bei den Vampiren in den nördlichen Türmen gesehen hatte. Eigentlich hatte er beabsichtigt, sich vorzustellen, doch ihm versagte die Stimme, als er den Blick hob und bemerkte, dass die Augen des Vampirs ihn genau fixierten. Als er sprach, stellten sich Joèl die Nackenhaare auf, die tiefe und leicht heisere Stimme, die als ein leises Flüstern an seine Ohren drang fuhr ihm durch Mark und Bein. „Es wird sich möglicherweise als fataler Fehler erweisen, mich geweckt zu haben, Joèl, doch da du nun schon einmal hier bist“, er wies mit einer Handbewegung auf die Gebetsbänke der Kapelle,“leiste mir doch noch ein wenig Gesellschaft.“ Joèl schluckte und überlegte einen flüchtigen Moment, ob er sich höflich verabschieden und damit die Einladung ausschlagen sollte. Angst schärfte seine Sinne und ließ seinen Puls ohrenbetäubend und deutlich spürbar an seiner Kehle pochen. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen um mit seinen zitternden Knien nicht zu straucheln. Er nahm an der angewiesenen Stelle platz und war eigentlich nicht wirklich überrascht, dass der respekteinflößende Mann bereits vor ihm stand, als er den Blick hob. Mit einer anmutigen Bewegung stellte er sich ihm als 'Andrea Lecrois' vor, bevor er sich wieder aufrichtete und den junge Mann kurz musterte. Das Eisblau dieser emotionslosen Augen lies ihn erneut frösteln und er musste sich zweimal räuspern, um seine Stimme wiederzufinden nachdem der Andere das Gespräch eröffnet hatte. „Üblicherweise verirrt sich nur alle 10 Jahre jemand hierher. Was also hat dich in diesen Teil des Schlosses getrieben? Oder würde die Frage 'wer' es eher treffen?“ Wieder schien sich dieser Blick unerbittlich in ihn hineinzubohren. „Ich habe nach einem Ort gesucht, an dem ich ein wenig Ruhe finden kann. Aber ja, 'wer' trifft es an sich recht exakt, nur bin ich mir nicht ganz eindeutig sicher, wer genau den Ausschlag für meine Suche gegeben hat.“ Zum ersten Mal zeichnet sich jetzt ein leichtes Anzeichen von Emotion in Form einer fast unmerklichen Bewegung der Mundwinkel auf den Zügen seines Gegenübers ab. Mit etwas Konzentration konnte man einen amüsierten Ton in der noch immer schwachen Stimme ausmachen. „Shatei hat schon immer viele Nerven gekostet und allem Anschein nach, scheint Erique ihm in dem Punkt in nichts nachzustehen.“ Entgegen der doch etwas freundlicher werdenden Atmosphäre verfinstert sich Joèls Blick. „Wenn Sie...Ihr ohnehin meine Gedanken lest, warum habt Ihr mich gebeten zu bleiben?“ Er war es schon zu Beginn seines Aufenthaltes leid gewesen Gesprächspartnern gegenüber zu sitzen, die rein eines Gespräches wegen Fragen gestellt haben, nicht aber weil er wirklich eine Chance gehabt hätte zu entscheiden was und wieviel er ihnen sagte. Und in diesem gegenwärtigen Fall verspürte er nicht einmal den üblichen Kopfschmerz, der ihn vorgewarnt hätte. Ein Gedanke, der ihm einen erneuten Schauer über den Rücken schickte. „Es liegt mir fern, deine Gedanken zu lesen, glaube mir. Ich habe aufgehört die Monate zu zählen, seit ich das letzte Mal meine Stimme benutzte um mit jemandem zu sprechen, ich würde es also nicht tun, wenn ich es nicht genau so wollte. Was ich über dich und die anderen Beiden weiß, habe ich durch die Augen und Ohren Anderer aufgenommen, der Rest sind eigene Interpretationen, folglich also mehr als Lückenhaft und vage.“ Da war es wieder, ein wenig deutlicher als zuvor, doch immer noch nur ein schwacher Schimmer in den leeren Augen und auf den marmornen Zügen. Ein Lächeln? Erneut erwischte sich Joèl dabei, wie er den Vampir vor sich anstarrte. Warum brachte er ihn so dermaßen aus der Fassung? „Darf ich fragen, wie lange Ihr bereits in dieser Kapelle wart und warum?“ Dem Studenten war noch immer schleierhaft, wieso ein Vampir sich an solch einem Ort aufhielt. Bei allem was er bislang gesehen und gelesen hatte, passte dies beim besten Willen nicht zusammen. Andrea lies sich auf einer Gebetsbank zur anderen Seite des Ganges nieder und saß Joèl somit nun gegenüber. „Es dürfte schätzungsweise dreißig Jahre gewesen sein, vielleicht auch vierzig. Zu dem 'Warum' gibt es mehr als eine mögliche Antwort. Zum einen natürlich, um zu beten, aber das ist, wie ich annehme nicht das, was du wissen wolltest.“ Es war keine Frage, sondern eine schlichte Feststellung ohne jede besondere Betonung. Um so mehr die Stimme und Züge des Vampirs auftauten, desto mehr fiel auch die Anspannung von Joèl ab. Zwar schoss ihm unangenehm wie ein brennender Pfeil durch den Kopf, dass sein Gegenüber gewiss eine lange Zeit kein Blut zu sich genommen hatte, betrachtete man seine unnatürlich weiße Haut, die selbst für einen Untoten zu blass war, sowie das hungrige Glitzern dass ganz langsam aber stetig die Leblosigkeit aus den Augen, kaum zwei Meter vor ihm, verdrängte, doch Shatei hatte ihm versichert, dass ihm bislang jeder seine Maskerade glaubte und er nicht um sein Blut fürchten musste.... zumindest nicht vor Anderen als Shatei selbst. „Dreißig bis vierzig Jahre.... Würdet Ihr mir erklären, wieso jemand eine so lange Zeit im Gebet verbringt? Gerade ein Vampir. Versprecht Ihr Euch eine Art Erlösung dadurch?“ Ein leises Lachen war zu hören und hallte in der Kapelle wider. „Nein, auf Erlösung hoffe ich schon seit Jahrhunderten nicht mehr. Als Atheist wirst du meine Beweggründe nicht verstehen und es würde auch wenig Sinn machen, sie dir zu erklären. Hierher zurückgezogen habe ich mich nach einem ziemlich ausufernden Streit mit Shatei. Und ich bin wohl nicht der Einzige, der sich zurückgezogen hat. So wie ich erfahren habe, verlässt Bernard seine kleine stickige Kammer nach wie vor nur noch, wenn niemand in der Nähe ist und schläft bei Nacht.“ Sein Herz machte einen Satz und erhöhte abrupt das Tempo. Das Shatei machtvoll war, wagte er nicht in Frage zu stellen, aber warum stellten mindestens zwei Vampire, die nicht wesentlich unterlegen wirkten, ihr ganzes Dasein dermaßen um, um ihm aus dem Weg zu gehen? Warum verließen sie dann nicht das Schloss? „Shatei scheint ein sehr problematischer Schlossherr zu sein?“ Andrea hob eine elegant geschwungene Augenbraue. „Der Herr des Schwarzen Schlosses... es scheint wohl so. Ich bin der zahlreichen Machtkämpfe irgendwann einfach überdrüssig geworden, viele würden mir gewiss vorwerfen, dass ich ihm so viele Freiheiten gewehrt habe. So viele dass er sich heute Schlossherr nennt.“ Der Blick des Anderen war zu einem der Gemälde an der Kapellenwand gewandert. „Also ist es ein Irrtum, dass Shatei der älteste und mächtigste Vampir ist, der in diesem Schloss lebt? Wieso gehorchen ihm dann alle?“ Seufzend stand Andrea auf. Es war Joèl kaum aufgefallen, doch während sie sich unterhielten verlor Andrea mehr und mehr von seiner statuenhaften Leblosigkeit. „Eine zu lange Geschichte. Für heute möchte ich dich bitten, zu gehen. Erzähle Shatei nichts von mir. Niemandem. Jeder glaubt ich sei vernichtet oder zumindest unerreichbar weit fort und ich hege nicht den Wunsch, dass sich das all zu bald ändert.“ Joèl wollte sofort ein 'warum' entgegnen, doch er schluckte es herunter. Er hatte das Gefühl, dass das Gespräch nun beendet war und Andrea ihm keine weiteren Antworten mehr geben würde. Nickend erhob auch er sich und verabschiedete sich mit einer Verbeugung. Als er nun durch die staubigen Gänge mit den brüchigen Wänden zurückging lies ihn das Gefühl nicht los, dass sich wieder eine gravierende Veränderung ergeben konnte. Vorausgesetzt natürlich, er könnte Andrea überzeugen, seine Kapelle zu verlassen. Der elegante Mann mit den weißblonden Haaren strahlte eine solche Stärke aus, dass es Joèl undenkbar schien, dass dieser sich von Shatei hatte vertreiben lassen. Es musste einfach mehr dahinter stecken und er hatte sich fest in den Kopf gesetzt herauszufinden, was das war. Andernfalls sah er für sich und Erique keine große Chance. Nicht mehr, seit Shatei nun auch ihm immer wieder gefährlich nahe kam. „Wird es dir nicht irgendwann mal zu langweilig, mir immer und überall aufzulauern? Meine Antwort bleibt nein!“ Allmählich war Shatei wirklich genervt von Joèls Ex-Freund, der ihn immerzu versuchte davon zu überzeugen, ihm das Blut der Unsterblichen zu geben. Diese Gespräche liefen meist nach dem gleichen Schema: Erique bat um die Verwandlung, Shatei verneinte, Erique flehte, nach erneutem Nein, wurde er wütend. Spätestens ab dem Punkt warf ihm Shatei seine Vergangenheit vor, die vergessen zu haben er Joèl hatte glauben lassen. Doch mittlerweile reichte dies nicht mehr aus, um den Jungen abzuschrecken. Er war zu mehr in der Lage als sein süßes Äußeres den Anschein machte. „Du kannst so kalt und böse schauen, wie du willst, ich fürchte mich nicht vor dir Shatei, denn du weißt genauso gut wie ich, dass Joèl dich verlassen würde, würde mir etwas zustoßen. Immer noch! Er liebt mich! Er will mich nur vor sich schützen!“ Der schwarzhaarige Vampir verdreht die Augen. Natürlich würde er dem Jungen nie etwas antun können, wenn er die instabile Verbindung die er zu Joèl aufzubauen geschafft hatte nicht zerstören wollte, doch eigentlich störte ihn vielmehr, wie sehr er sich in Erique getäuscht hatte. So tief gingen die Gefühle seines Rivalen zu dem Studenten. Er hatte schon einmal sein Leben für ihn komplett umgekrempelt und war bereit es erneut zu tun. Hatte er selbst je so empfunden? Gingen seine Gefühle für seine hübsche Beute auch nur annähernd so tief? Eine Tür keine drei Schritte von den Beiden entfernt öffnete sich und Joèl, immer noch tief in Gedanken trat heraus und starrte seine Gegenüber einen Moment perplex an. Er hatte nicht damit gerechnet jemandem zu begegnen, vor allem nicht ihnen. Nicht so bald und dann noch zusammen. 'Mein Leben hasst mich ja so dermaßen....' „Wohl der Nacht, Joèl.“ Wie sehr sich Shateis Stimme doch änderte von dem Moment in dem er seine Worte an Erique richtete zu dem in dem Joèl ihm gegenüber stand. Warm, tief und verführerisch vibrierte sie einem durch sämtliche Adern und Venen. „Wohl der Nacht, Shatei.“ Wie verführerisch er klang, wenn auch ein wenig.... ja was war das? Etwas das Erique nicht an ihm kannte, doch er kam und kam nicht darauf. Er zuckte zusammen als er die Bernsteinfarbenen Augen in seine Richtung blicken sah. Gleichgültigkeit?! „Hallo Erique.“ Der Student ging an den Beiden vorbei. Zwar war ihm unwohl bei dem Gefühl, sie miteinander allein zu lassen, doch er war sich nicht sicher, wie lange er seine Maskerade beiden zeitgleich gegenüber aufrechtzuerhalten in der Lage sein würde. Schmerz ebbte in ihm nach, hervorgerufen durch den enttäuschten Blick Eriques nach seiner kalten Begrüßung. Plötzlich spürte er Shateis Hand auf seiner Schulter. „Ich habe dich gesucht. Komm mit, ich habe eine Bitte an dich.“ Er wandte sich nocheinmal zu Erique um, „Richte dem Professor Grüße von mir aus.“, bevor er mit Joèl um eine Ecke in einen anderen Gang einbog. Wut schäumte in Erique hoch. „Na warte, ich hol ihn mir schon zurück. Du weißt doch wozu ich fähig bin Shatei, also unterschätze mich besser nicht!“, flüsterte er mit brennenden Augen eher zu sich selbst, bevor er kehrt machte und zu seinem und Alexanders Quartier zurückging. Kapitel 5- "wind of change" part 2 ---------------------------------- Kapitel 5 - „wind of change“ part 2 Einige Zeit gingen sie schweigend nebeneinander her, bevor Joèl die Stille brach. Seine Gedanken hatten ihn vollkommen in ihrer Gewalt gehabt,erst als er jetzt stehen blieb und Shateis Blick begegnete bemerkte er, wie dieser ihn forschend und mit einem Anflug von Sorge musterte. „Was immer es für eine Bitte ist Shatei, kann es bis morgen warten? Ich bin sehr müde.“ Ein Mundwinkel zog sich zu einem Grinsen nach oben. „Müde? Ach wirklich? Wo hast du dich herumgetrieben Joèl, du riechst nach Staub und irgendetwas Merkwürdigem.“ Joèl fuhr innerlich zusammen, lies sich aber nichts anmerken. Dieses Merkwürdige war natürlich der Geruch von Weihrauch. Aber welche Erklärung sollte er dafür anbringen, dass er in einer Kapelle war, ohne von Andrea zu erzählen. Wusste Shatei überhaupt von dieser Kapelle? „Ich bin ein wenig herumgelaufen und habe zugegebener Maßen irgendwann die Orientierung verloren. Also bin ich dann wieder umgekehrt.“ Shatei musterte ihn noch einen Moment, doch er ahnte nicht, dass ihm Joèl etwas verschwieg. Nichts außer dem Schmerz, dessen Shatei sich dennoch so vollkommen bewusst war. Irgendwann, wenn ein wenig mehr Zeit vergangen war, so war er sich sicher, würde Joèl sein Leben an seiner Seite akzeptieren können und auch genießen. Irgendwann würde er sein Herz für sich gewinnen, die Chancen standen doch gar nicht so schlecht, oder? „Komm mit!“ Er legte dem Braunhaarigen einen Arm um die Schultern und zog ihn mit sich. Ihr Ziel war ein kleiner Raum, der mit einer großen Couch, zwei Sesseln und einem wunderschönen Flügel vollkommen ausgefüllt war. „Eigentlich hatte ich beabsichtigt, dich zu bitten, für mich zu spielen, doch da du müde bist, drehen wir das Ganze einfach um.“ Er schob den jungen Mann zu der Couch und nahm dann selbst am Flügel platz. Joèl lies sich auf das weiche Polstermöbel sinken und zog die Beine an. Bereits als Shatei die ersten Klänge anschlug lies er sich zur Seite sinken und machte er sich mittels ein paar Kissen bequem. Er schloss kurz die Augen, um die Musik zu verinnerlichen, doch öffnete sie schneller als er es selbst wirklich bewusst registrierte wieder. Er wollte Shatei nicht nur zuhören, sondern auch zusehen. Das schwarze schulterlange Haar hatte er zu einem Zopf im Nacken zusammengebunden, er trug eine schwarze Stoffhose, dazu ein dunkelrotes Seidenhemd. Ein schwarzes Lederband war um seinen Hals gebunden, daran ein silberner Anhänger, der schon etwas angelaufen wirkte. Seine Finger flogen über die Tasten, sein Spiel war sauber und präzise. Es war so angenehm, hier zu liegen und den Klängen zu lauschen und dabei diesen wunderschönen und imposanten Mann zu betrachten. Doch wie sehr er diese Momente auch genießen 'wollte', Erique drängte sich immer wieder in seine Gedanken. Warum waren die Beiden in letzter Zeit so oft beisammen? Was war mit Rendall? So oft wie Shatei sich Joèl immer wieder aufgedrängt hatte, war es irgendwie auffällig, wie leicht er ihm in den letzten Nächten aus dem Weg gehen konnte. „Dass du mich so verhasst musterst liegt an Erique, nicht wahr?“ Joèl stutzte. Er hatte nicht bemerkt, dass Shatei seine Augen,die er während des bisherigen Spiels geschlossen hielt, geöffnet, geschweigedenn ihn angesehen hatte. Er saß da und spielte, wie schon die ganze Zeit. Der Student spürte Röte in seine Wangen steigen. Warum schämte er sich dafür, Shatei einen hasserfüllten Blick zugeworfen zu haben? Aus einem ihm unerfindlichen Grund tat es ihm weh, dabei erwischt worden zu sein. „Du musst nicht antworten. Ich weiß auch so, dass es wegen ihm ist.“ Warum? Warum nur klang er bei diesen Worten so.... verletzt? Und warum wurde Joèl bei diesem Klang so unangenehm heiß? „Du liebst ihn noch, das kann ich hinnehmen. Ich kann verstehen, wenn du mich dafür hasst, dass ich euch hier festhalte, für diese Wette, die du unmöglich gewinnen kannst, dafür, dass ich die mir zur Verfügung stehenden Mittel einsetze, um dich zu verführen und in meinen Bann zu ziehen, aber das du mich so anschaust, weil du glaubst, ich täte ihm etwas an...“,er hörte auf zu spielen, klappte langsam die Abdeckung der Tasten herunter und stand auf, um zu Joèl hinüber zu gehen. Er setzte sich zu dem 21-jährigen auf die Couch, während dieser sich ebenfalls aufsetzte und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Die kühlen Finger so sanft und zärtlich, der Blick in diesen braunen Augen ein warmes Glühen mit einem lodernden Funken darin. Schmerz? „...das tut weh, Joèl. Schätze mich nicht falsch ein. Ich bin nicht nett, sanft oder freundlich, ich bin auch nicht gerecht und selten fair, aber ich bin ehrlich. Ich werde keinen der beiden Anrühren, bis der Ausgang unserer Wette steht.“ Was war das? Warum nur wollte er ihm jetzt so gerne glauben, die Arme um ihn schlingen und ihm genau das zuflüstern? Stattdessen griff Joèl nach der Hand des Vampirs und zog sie, wenn auch sanft, so doch bestimmend, von seiner Wange fort, hielt sie aber weiter fest. „Worüber sprecht ihr Abend für Abend? Was geht da vor Shatei? Was willst du von ihm?“ Nun lachte sein Gegenüber leise in sich hinein. Nur kurz, doch es reichte aus, um Joèl wieder Wut in die Augen zu treiben. „Wirklich rein gar nichts, Joèl. Du zerbrichst dir vollkommen unnötig deinen hübschen Kopf.“ Der Student seufzte. In Ordnung. Er würde sich für heute zufrieden geben müssen. Man merkte schnell, wenn Shatei nicht bereit war, mehr als nötig zu erzählen. Die dunkelbraunen Tiefen musterten ihn eingehend. „Aber das ist nicht das Einzige, dass dich beschäftigt. Wo warst du wirklich Joèl? Ich weiß, dass ich diesen Geruch kenne.“ Na wunderbar. Zum Teufel mit dem feinen Geruchssinn eines Vampirs. Vielleicht würde eine Halbwahrheit seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, wobei der junge Mann nicht genau wusste, warum er auf Andreas Forderung niemandem von seinem 'Leben' zu erzählen einging. „Ich sagte dir doch, dass ich mich in den Gängen verlaufen habe. Man merkt halt doch immer wieder, dass dieses Schloss zum größten Teil nur noch eine Ruine ist.“ Er bemühte sich, seine Stimme gleichgültig klingen und sich nichts von seiner Aufregung, wenn er nur an den hellhaarigen Vampir dachte, anmerken zu lassen. „Frag mich nicht, wie lange ich da herumgeirrt bin, letztendlich bin ich in einer Kapelle gelandet.“ Verflucht! Shateis Augen verengten sich zu Schlitzen. „In Ordnung Joèl, dir bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder du sagst mir jetzt die Wahrheit, oder ich sehe mich gezwungen, auf anderem Wege meine Antwort zu erhalten.“ Joèl senkte den Blick. Er rechnete schon jeden Augenblick mit dem stechenden Kopfschmerz, der das Durchbrechen seiner Barriere begleitete, doch er kam nicht. Als er wieder aufsah blickte Shatei gelassen abwartend auf ihn herab. Er gab ihm Zeit.... „Es ist schade, dass du es mir nicht selbst erzählen willst, er scheint von seiner beeinflussenden Wirkung auf Andere nichts eingebüßt zu haben. Wie geht es Andrea?“ Joèl muss wohl restlos alle Farbe aus dem Gesicht gewichen sein. Was sollte das? Was war das wieder für ein krankes Spiel, dass hier mit ihm gespielt wurde? „Ganz ruhig mein Hübscher. Natürlich weiß ich, dass Andrea sich in der alten Kapelle aufhält. Felix entstaubt dort regelmäßig alles, selbstverständlich weiß er nicht, dass ich durch diesen schon vor Jahren erfahren habe, dass er dort ist.“ „Warum? Was ist damals zwischen euch vorgefallen? Er sagte, er habe wegen dir das Schloss verlassen.“ Die Fragen sprudelten einfach so aus ihm hervor. Seit er die Kapelle verlassen hatte, hatte ihn nichts Anderes beschäftigt. „Ein paar dumme Umstände. Fakt ist, dass wir alle froh sein können, wenn er da bleibt, wo er ist.“ War das Angst in Shateis Augen? „Und wenn nicht?“ „Vorsichtig Joèl, wie sehr ich dich auch begehre, lehn dich nicht zu weit aus dem Fenster.“ Joèl atmete noch einmal tief durch, er wusste es war riskant, aber er musste das Risiko eingehen. Er konnte einfach nicht widerstehen. „Du hast also Scheu davor ich könnte es schaffen, ihn zur Rückkehr zu bewegen?“ Er wollte noch etwas anhängen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. „Ich will dir nicht drohen Shatei, vermutlich kann ich das auch gar nicht.... ich.... verdammt es macht mich nur völlig krank, was willst du von Erique? Warum sehe ich euch Nacht für Nacht zusammen?“ Shatei hatte seine Hand längst befreit und legte Joèl nun beide Hände an die Wangen, musterte ihn eindringend. „Ich will rein gar nichts von ihm, mein Liebster. Dein kleiner Schatz ist es, der mir nachläuft. Glaube mir doch endlich, wenn ich dir sage, dass es dir hier besser gehen wird, als mit ihm. Ich habe nichteinmal vor, ihn hier festzuhalten. Lass ihn zurückkehren zu seinen Autorennen und den tollen Freunden, die du doch ohnehin nicht ausstehen kannst.“ Das hatte gesessen. Joèl fühlte sich, als habe man ihm den Boden unter den Füßen fortgezogen. Wiedereinmal. Er war hin- und hergerissen, Shatei einfach an sich zu ziehen und in einem Strudel von Lust und Hitze einfach für ein paar Momente alles zu verdrängen, und ihn von sich zu stoßen, anzuschreien, zu toben und wüten, bis er keine Energie mehr hatte. „Du bist wirklich erschöpft, Joèl. Ruh dich aus, ich lasse dich bis morgen Nacht in Ruhe.“ Er hauchte ihm noch einen Kuss auf die Stirn, bevor er dem jungen Mann seine Hand entzog, aufstand und den dämmrigen Raum verlies. Einige Sekunden lang noch starrte Joèl auf die geschlossene Tür, ohne sie wirklich zu sehen, dann krampften sich seine Hände in das Polster, doch der Schrei, der sich in seiner Kehle zusammenkrampfte, brach nicht hervor. Ja, er hatte Eriques Freunde nie gemocht.... Mit einem Seufzen lies er sich rücklings auf die Couch fallen, lag nun auf dem Rücken und starrte an die Decke als er den Erinnerungen gestattete über ihn hinweg zu rollen. Es war schon kurz vorm Ende des ersten Mathematik-Semesters in dem er Alan kennen gelernt hatte. Nun, was heißt kennen gelernt. Er war ihm nicht wirklich sympathisch. Man sprach mal in der Mensa miteinander, aber mehr auch nicht. Er war einer von diesen Typen Marke Arschloch, die cool daher redeten und gewiss auf Typen wie Joèl, die nicht 'normal' waren, gleich einschlugen, vorausgesetzt sie hatten genügend Mitstreiter hinter sich stehen, damit sie nicht selbst einen über kriegten. So zumindest hatte Joèl ihn zu der Zeit eingeschätzt, und ja, er war stets ein sehr voreingenommener Mensch gewesen, der lieber allein lebte. Erique war dann später eine ungeplante Ausnahme. Als Erique den Job bei Professor Rendall angenommen hatte, musste er Alan wohl irgendwie auf dem Uni-Gelände begegnet sein. Er begann Abends wegzugehen.... mit Freunden. Joèl stellte erst keine Fragen, er wollte seinen Freund schließlich nicht bemuttern, doch als dieser Name fiel... da wurde Joèl neugierig. Ein- bis zweimal die Woche trafen Erique, Alan und ein paar andere Jungs sich, um mit aufgemotzten Wagen Landstraßen entlang zu heizen, die um die Uhrzeiten meist leer waren. Aber eben nur meist.... Später kam es immer wieder mal vor, dass man in der Zeitung las, wie knapp jemand einem nächtlichen Raser noch entgangen war bevor sich beide im Krankenhaus oder Mausoleum wiedergefunden hätten. Für Joèl war stets klar, dass Alan Erique irgendwie beeinflussen musste. Erique war einfach nicht der Mensch für solch riskante und vor allem dumme Dinge. Es hatte dann aber auch nicht lange gedauert, bis Alan ihn nach einer Vorlesung angesprochen hatte, ob er nicht mal mitkommen wollte. „Um mir anzuschauen, wie ihr euch in den Straßengraben katapultiert? Vielen Dank, aber ich verzichte.“ Wie konnte Erique solch einen Quatsch mitmachen? „Komm schon Joèl. So prüde habe ich dich gar nicht eingeschätzt. Hälst du deinen Lebensgefährten für so bescheuert, dass er mitführe, wenn er es sich nicht zutrauen würde?“ Wie gerne hätte er Alan schon da seine Faust ins Gesicht gejagt. Was immer er in der Situation gesagt hätte, es hätte gegen ihn verwendet werden können. Er hatte erneut die Einladung ausgeschlagen und wütend den Hörsaal verlassen, war aber am Abend dann doch mitgekommen. Erique hatte nicht gerade den Eindruck gemacht, als hätte er ihn dabei haben wollen. Es war merkwürdig, wie anders er sich benahm, umgeben von diesen Möchtegern-Rennfahrern, die mit ihren Autos prahlten, die Motoren aufheulen ließen. Es gefiel Joèl ganz und gar nicht was er da sah, bis Erique dann plötzlich vor ihm stand, sich das blonde lange Haar, das ihm der Wind ins Gesicht blies, nach hinten strich und liebevoll aus seinen großen blauen Augen ansah. Wie ein Engel, sanft, unschuldig..... „Geh nach Hause, Liebster. Du fühlst dich hier nicht wohl, und mir tut es weh, wenn du mich so ansiehst. Glaube mir, ich tue nichts, was mich davon abhalten könnte, heil zu dir zurückzukommen.“ Wenn er ihn so ansah.....? Sein wütender Blick galt nie Erique. Er hatte seit jeher Alan die Schuld dafür gegeben, dass Erique die Nächte ohne Führerschein mit teils 200 Stundenkilometern am Steuer eines Sportwagens ohne Airbags verbrachte. Wahrscheinlich noch unter dem Einfluss von Alkohol, obwohl er ihm versprochen hatte, selbst nach dem kleinsten Schluck nicht mehr zu fahren. Er war ja auch desöfteren Beifahrer, nicht wahr? Erique gingen soeben dieselben Gedanken durch den Kopf. Er hatte lange nicht mehr daran gedacht. Und schon gar nicht daran, dass sein Leben vor Joèl nicht anders ausgesehen hatte. Eigentlich hatte er komplett abschließen wollen. In dem Moment in dem er Joèl das erste Mal gesehen hatte, hatte er sich entschieden. Er war ihm nachgeschlichen, hatte ihn beobachtet. In diversen Szenebars hatten sie sogar schon miteinander gesprochen und auch getanzt, doch entweder war Joèl zu desinteressiert oder zu betrunken gewesen, um sich später an ihn zu erinnern, oder aber Erique war es gut genug gelungen, mit den hochgebundenen und damals auch noch dunklen Haaren anders auszusehen, als später, regenüberströmt mit gebleichtem blonden Haar, dass offen über seinen Rücken wallte. Nachdem er Jahrelang dunkle Kontaktlinsen getragen hatte, lies er nun endlich seine blauen Augen ihre Wirkung tun, und dass das mit dem plötzlichen Gedächtnisverlust nach der Masche 'ich bin eine ausgesetzte Katze, nimm mich mit nach Hause' so gut funktionieren würde, hätte er sich damals nicht zu träumen gewagt. Doch es hatte sich gelohnt. Er hatte sich so unrettbar in den Dunkelhaarigen verliebt und jeden Tag mit ihm in vollen Zügen genossen. Warum hatte er nun wieder alles kaputt gemacht? Warum hatte es nicht so bleiben können? Und wenn Joèl nun erfahren würde, dass ihr Kennenlernen auf einer Lüge beruhte.... würde er ihm dann je wieder auch nur den Hauch einer Chance geben? Waren die wenigen Jahre für Joèl ebenfalls intensiv genug gewesen, um über alles hinweg zu sehen, nur um wieder beisammen zu sein? Alexander schaute Erique einen Moment lang an, öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder und stand wortlos auf. Er hatte aufgegeben Erique zu stören, wenn er in Gedanken war. Dieser Junge war ihm in den wenigen Tagen so erschreckend fremd geworden. Er fühlte sich allein und orientierungslos. Alles was ihn noch ausfüllte war sein Schuldgefühl. Er hatte den Raum verlassen und war versunken in seinen Schmerz – nein, den Schmerz der beiden jungen Männer, die er hier hineingeritten hatte – die Gänge entlanggegangen. Ein paar Bücher in den Armen, die er zur Bücherei zurückzubringen gedachte und die nun zu Boden fielen, als eine tiefe Stimme hinter ihm ihn begrüßte. Er glaubte beinahe den Atem des Anderen in seinem Nacken spüren zu können. „Warum so schreckhaft Professor? Sie sollten mittlerweile wissen, dass ich nicht beiße... zumindest nicht so ohne Weiteres und ohne Vorwarnung.“ Shatei war um ihn herumgegangen und hatte sich niedergekniet um die Bücher einzusammeln, während Alexander wie festgefroren dastand. Der Vampir richtete sich langsam auf und drückte dem Professor die Bücher in die zitternden Hände. Nach einem Räuspern schaffte dieser es dann nun auch ein heiseres „Auch Ihnen einen guten Abend.“ hervorzubringen. „Sie sehen aus, als ob Sie einen Tee vertragen könnten, Professor.“ Shatei hatte einfach keine Lust die Nacht allein oder noch schlimmer, mit einem der anderen Untoten zu verbringen. Warum auch? Der arme Alexander wurde doch gewiss vollkommen vernachlässigt, und da war noch etwas: Dieser aufrichtige Schmerz, diese Schuld die ihm aus jeder Pore strahlte, machte Shatei rasend. Warum auch immer, aber er konnte sich nicht mit ansehen, wie dieser Gelehrte an etwas zerbrach, woran er nicht zerbrechen sollte. Alle Alarmglocken klingelten bei Alex, und doch folgte er dem Schlossherrn in einen kleinen gemütlichen Raum, mit einer Sitzgruppe aus einladenden dunkelgrünen Polstermöbeln. Der Tisch und ein schöner alter Schrank mit Barfach, sowie eine Kommode und ein Sekretär mit einem Stuhl davor, dessen Polsterung ebenfalls in dunklem grün gehalten war, waren aus massivem, poliertem Holz. Alexander hatte gerade die Bücher auf dem Tisch abgelegt und sich in einen der Sessel gesetzt, als Shatei ohne erkennbaren Ausschlag zur Tür ging und sie öffnete. Felix betrat den Raum und stelle ein Tablett mit einer dampfenden Kanne und einer Tasse auf dem Tisch ab, bevor er mit einer Verbeugung wortlos wieder verschwand. „Telepathie ist meist doch mehr als praktisch.“, kommentierte der Vampir Alexanders unausgesprochene Frage, während dieser mit zitternden Händen versuchte, sich Tee ein zu schänken. Leise kichernd schüttelte Shatei den Kopf und nahm dem 39-jährigen die Kanne ab, um das mit dem Tee für ihn zu übernehmen. Es lies Röte in seine Wangen steigen, dass er sich in Shateis Nähe, wie ein kleiner nervöser Junge benahm. Joèl und Erique konnten so ruhig bleiben, wenn er mit ihnen sprach. Warum war ausgerechnet er, der sie doch hierhergebracht hatte, ein solch elender Feigling? „Seien Sie nicht so streng mit sich, Professor.“ Mitfühlend ruhten seine braunen Augen auf dem Mann vor ihm, in dessen Haar sich schon die ersten grauen Strähnen abzeichneten. Merkwürdig, dem Blick eines Vampirs entgeht selten etwas, hatte er sie wirklich übersehen, oder stresste sein Aufenthalt hier den Uni-Lehrer so sehr, dass die grauen Haare ein Resultat seiner Zeit in diesem Schloss waren? Nun, sehr wundern würde es ihn nicht. Behutsam nahm Alex die Tasse entgegen, vermied es aber, Shatei anzusehen. Sein Herz raste, das Blut rauschte in seine Ohren und seine Nackenhaare stellten sich auf, wann immer er den Blick des Anderen auf sich zu spüren glaubte. Shatei seufzte. „Wovor fürchten Sie sich so sehr, Professor? Doch wohl kaum davor, dass ich Sie anfallen und ihr Blut trinken könnte, oder?“ Doch eigentlich, so banal es war, hatte er damit ins Schwarze getroffen. Natürlich fürchtete er sich davor, von dem furchteinflößenden und geheimnisvollen Wesen, dass in dem Sessel ihm gegenüber saß, gebissen und getötet zu werden. Das war doch auch nur ein natürlicher Instinkt, nicht wahr? Die potenzielle Beute, deren Sinne sich in Gegenwart eines Raubtieres schärften, und für Vampire standen Menschen nun einmal an erster Stelle auf dem Speiseplan. „Geht es Ihnen besser, wenn ich Ihnen sage, dass Sie nicht mein Typ sind? Eigentlich vermeide ich solche Sätze in höflicher Konversation, aber vielleicht hilft es ja?“ Alexander hob den Blick und sah Shatei zögernd an. Er senkte den Blick direkt wieder atmete aber einmal tief durch, um sich etwas zu fassen. Es war anders, hier allein mit ihm, als in der Bücherei in der, zwar auch nur Vampire, aber dennoch andere Personen anwesend waren. „Es beruhigt mich irrationaler Weise nicht wirklich, aber es ist dennoch gut zu wissen.“ Er mühte sich zu einem schwachen Lächeln und trank vorsichtig einen Schluck von seinem Tee. Shatei lies noch ein paar wenige Sekunden verstreichen, doch bevor Rendall sich wieder mehr und mehr in seiner Nervosität verlieren konnte, nahm er das Gespräch am besten gleich am Kernpunkt wieder auf. „Sie machen sich zuviele Gedanken um Ihre beiden Schützlinge, die doch eigentlich gar nicht Ihres Schutzes bedürfen. Warum?“ Nun endlich schaffte Alexander es, den Blick seines Gesprächspartners zu erwidern. Hatte er ihn allen Ernstes gefragt, warum er seine Reisegefährten schützen wollte? Abgesehen davon, ob er es konnte? „Ich...fühle mich für sie verantwortlich. Wenn ich mir nicht diese Reise in den Kopf gesetzt hätte, nicht so besessen von meinen Studien gewesen wäre, dann könnten die Beiden jetzt daheim zusammensitzen und ein normales Leben führen. Wenn ich es auch nicht rückgängig machen kann, so will ich wenigstens so viel für sie tun, wie ich zu tun vermag.“ Dieser Blick, dieser Ton in der Stimme.... diese feste Entschlossenheit, obwohl er sich der Aussichtslosigkeit dieses Wunsches bewusst war... Das alles machte einen stärkeren Eindruck auf Shatei als er wirklich zulassen wollte. Doch er musste sich wohl oder übel eingestehen, dass er eine gewisse Zuneigung zu dem Mann vor ihm entwickelte. „Was soll das bitte sein, was in Ihrer Macht steht, was Sie für sie tun könnten? Joèl wünscht keine Hilfe von Ihnen und schon gar kein Mitgefühl. Er würde Ihnen wahrscheinlich am liebsten nie wieder begegnen. Und Erique.... tja, Erique ist wohl ein komplizierter Fall für sich, aber glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, dass Sie sich nur selbst verletzen werden, wenn Sie versuchen, ihm zu helfen.“ Warum fühlte es sich so merkwürdig grausam an, ihm diese Worte entgegenzuwerfen? Er entwickelte doch wohl keine Skrupel? „Wahrscheinlich haben Sie recht. Nein, Sie haben ganz sicher Recht, immerhin kennen Sie ja die Gedanken und Gefühle der Beiden, die mir verschlossen bleiben, aber dennoch kann ich nicht tatenlos zusehen. Und wenn das Einzige, was ich für die Beiden tun kann, hoffen und beten ist, oder an meinen Schuldgefühlen ersticken, das ist alles besser, als gar nichts zu tun und gefühllos und unbeteiligt zuzusehen, wie zumindest einer von ihnen zunehmend den Verstand zu verlieren scheint.“ Kopfschüttelnd stand Shatei auf und kam auf den Professor zu. Er ging langsamen Schrittes um den Sessel herum hinter ihn und lies dabei eine Hand den Oberarm seines Gastes hinauf zu dessen Schulter gleiten. Der Körper unter seiner Berührung spannte sich augenblicklich an. „Sie sind es, der hier derzeit am meisten leidet. Aus einem mir unerklärlichen Impuls heraus würde ich Sie gerne für einige Momente von diesem Leid ablenken.“ Er stand nun hinter ihm, seine Finger wanderten langsam über die glühende und pochende Haut an Alexanders Hals, während er sich ein wenig vorbeugte, dann jedoch mit einem leisen, aber nicht bosartigem Lachen verschwand die Berührung und Shatei entfernte sich wieder ein paar Schritte von ihm und kam um den Sessel herum zurück zu seinem eigenen Platz. „Aber wahrscheinlich würde Ihnen das eher einen Herzinfarkt bescheren, statt zu helfen.“ Ein riesiger Kloß hatte sich hartnäckig in seiner Kehle festgesetzt und lies seine Stimme wegbrechen, als er kaum hörbar antwortete, „Das ist wohl sehr wahrscheinlich,“ und ebenfalls - kläglich versagend allerdings - versuchte zu lachen. „Ach Alexander, was mache ich nur mit Ihnen? Es droht Ihnen keine Gefahr, auch Ihrem kleinen Erique nicht. Ich habe meine Beute und kein Vampir in diesem Schloss wird es wagen meine Gäste anzurühren. Sie können wirklich aufhören, sich mittels Schals und Rollkragenpullovern bis unters Kinn zuzuschnüren.“ Ein paar Mal tief durchatmend, nickte er bevor er es erneut wagte, den Blick zu heben und den glühenden braunen Tiefen nun erstmalig stand hielt. Der Blick des Vampirs wirkte amüsiert und entspannt, aber dahinter schimmerte etwas, dass Alexanders Aufmerksamkeit erregte. Er war einen kurzen Moment erschrocken, als ihm klar wurde, dass er hier dem einflussreichsten Vampir dieses Schlosses, vielleicht auch ganz Schottlands, offen in die Augen starrte, doch er senkte den Blick nicht, als er registrierte, dass auch Shatei ein wenig darüber erschrak, dass Alexander wohl etwas witterte, was er zu verbergen gedacht hatte. Das stachelte den Wissensdurst des Forschers natürlich noch mehr an... doch die Höflichkeit machte dem dann letztendlich doch ein Ende. „Es....tut mir Leid. Bitte verzeihen Sie, ich wollte Sie gewiss nicht anstarren.“ Alexander hatte mit einer herunterspielenden Erwiderung gerechnet, oder aber auch mit der Beendigung ihres Gespräches, doch nicht damit. „Sie haben einen wachen Blick, Professor. Ich sollte mich wohl in Ihrer Gegenwart in Acht nehmen.“ War das als eine Art Einladung zu verstehen, das Gespräch umzudrehen? Konnte er es riskieren? Eine kurze Zeit überlegte er unschlüssig hin und her. „Drehen Sie, Professor. Wenn Sie nichts riskieren, werden Sie nie etwas erfahren und da Sie die Gabe des Gedankenlesens nicht beherrschen, bleibt Ihnen wohl keine andere Wahl, als Fragen zu riskieren, auf die Sie möglicherweise keine Antwort erhalten.“ 'Keine Antwort nehme ich ja noch gerne in Kauf', ging es ihm durch den Kopf, doch Shatei hatte ihm mehr als ein gutes Argument gegeben, warum er sich darauf verlassen sollte, dass er ihn nicht umbringen würde. Selbst wenn er mit einer Frage mal zu weit gehen sollte. „Was macht Ihnen Sorgen, Shatei? Sie haben drei Sterbliche in Ihrem Schloss, einer von Ihnen ist Ihnen wie es aussieht mit Körper und Seele zu eigen geworden, auch der zweite scheint sich Ihnen kaum entziehen zu können. Wieso sehe ich dann diese Unsicherheit in Ihrem Blick?“ Hatte er das gerade wirklich alles ohne jeden Vorwurf in seinem Tonfall gesagt? Er war wohl selbst mehr überrascht als Shatei, der nun zum ersten Mal seinerseits den Blick abwandte. „Erique befindet sich in keinerlei Bann, dem er sich entziehen können müsste. Und die Bindung zu Joèl steht auf wackeligen Beinen. Natürlich kann ich Eriques Gedanken lesen, seine jedoch verschließt er vor mir und ich kann nicht einschätzen, wie er auf Eriques nächste Schritte reagieren wird. Und auch um Sie, Professor, mache ich mir ein wenig Sorgen.“ „Warum um mich?“ Eine Frage auf die er sich nicht die geringste Antwort denken konnte. Warum sollte sich jemand um ihn sorgen, und vor allem, warum ausgerechnet Shatei? „Weil Sie sich selbst zerstören. Drei Sterbliche in einem Schloss voller Vampire und nicht die Vampire treiben alle drei an den Rand des Wahnsinns, sondern die drei sich gegenseitig. Und Sie Professor, Sie haben das Risiko am Rand des Abgrunds auszurutschen ganz allein in der Hand. Sie reden sich ein, Joèl leide wegen Ihnen. Sie haben ihm seinen Lebensgefährten genommen und der Schmerz und der Hass auf Sie treibt ihn in meine Arme? Sie irren so sehr. Joèl ist verletzt, ja. Er ist wütend. Aber Sie Professor sind ihm egal, so wie ich das sehe. Sie bereiten ihm keine Alpträume und Kopfzerbrechen. Dass schaffe ich schon ganz alleine, mit ein wenig freundlicher Unterstützung von Erique, wie ich allerdings zugeben muss.“ Machte er da Scherze? Sein Ton klang verdammt danach. Wagte dieser Vampir es tatsächlich eine kranke Art von Humor mit in dieses ernste und verletzende Thema zu mischen? Es war mehr Fassungslosigkeit, als Wut, die Alexander überrollte. „Und Erique? In diesem Fall sind doch wirklich Sie das Opfer, oder nicht? Sie haben sich verliebt, gut er hatte einen Freund, aber dazu gehören immer zwei. Er hat doch Sie jetzt sitzen lassen, oder habe ich da etwas falsch aufgeschnappt? Ah, das ist es was Sie so fertig macht? Seine abweisende Art. Sie glauben, wenn schon Joèl Ihnen nicht die Schuld an allem gibt, an der gesamten Situation in der Sie drei sich befinden, dann tut es Erique? Tun Sie ihm nicht so unrecht. Möchten Sie wissen, was in Erique vorgeht? Ich kann es Ihnen verraten.“ Alexanders Kopf bewegte sich fast automatisch zu einem Nicken, doch seine Antwort war ein 'nein'. „Es ist Eriques Entscheidung, ob er mir seine Gedanken und Gefühle mitteilt, nicht die meine und nicht Ihre... Dennoch danke.“ Shatei blickte ein wenig enttäuscht drein, hatte er doch so gehofft Alexanders Reaktion zu sehen zu bekommen, wenn er erfuhr, was wirklich in diesem jungen Mann tobte, den er zu kennen glaubte. „Nun, konnte ich Ihre Schuldgefühle denn zumindest ein wenig reduzieren?“ Nicht wirklich, doch Alexander zog es vor, zu schweigen. Shatei würde die Antwort kennen und er selbst hatte nicht das Gefühl, dem Gespräch noch lange folgen zu können. Er fühlte sich verwirrter als zuvor, ratlos und verloren, und doch, dieser Moment jetzt gerade, der warme Tee, der sein Inneres ein wenig beruhigt und die zwar furchteinflößende aber überaus faszinierende Ausstrahlung von Shatei, der ihn mit einem Blick musterte, der ihm mehr als deutlich sagte, dass er gerade überhaupt keinen Grund zur Furcht hatte, war beinahe entspannend. Heute Nacht würde Joèl sich Shatei nicht so einfach entziehen können. Der Schwarzhaarige hatte sich am Vorabend schließlich mehr oder minder angekündigt. 'Für heute lasse ich dich in Ruhe'. Joèl hatte gelernt, dass das bei ihm nichts anderes hieß, als dass er die nächste Nacht für sich beanspruchen würde. Es war bereits eine Stunde nach Sonnenuntergang und noch war er nicht in Joèls Räumen aufgetaucht, also sah der Student es auch nicht weiter ein, auf ihn zu warten. Er verlies den Wohnraum und trat auf den Gang. Die Vorhänge waren bereits beiseite gezogen und der Mond war fast voll und erhellte den Wald jenseits des Schlossgeländes. „....um das zu erreichen, würdest du mich wirklich töten?“ War das Eriques Stimme? „Geh nicht zu weit, Junge. Du befindest dich auf verdammt dünnem Eis!“ Shatei! Joèl eilte um eine Biegung der Gänge und kam fast stolpernd zu stehen. Shatei hatte Erique gegen eine Wand gedrängt und packte ihn am Hemdkragen. Was jetzt? Was wenn er die Situation falsch einschätzte, was wenn nicht? Wie sollte er sich geben, was würde Shatei beschwichtigen, aber Erique möglichst keine Hoffnungen machen? „Bist du gekommen, um zuzuschauen, Joèl?“ Sein Blick fixierte Shatei wütend. „Jetzt werd nicht gleich Eifersüchtig, nur weil ich mich ein klein wenig mit Erique beschäftige“, neckte er ihn auch noch. „Ein klein wenig mit ihm beschäftigen?! Ich weiß nicht, was hier zwischen euch beiden vor sich geht, und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich es wirklich wissen will.“ Er ging näher auf die beiden zu und sah Shatei, der Erique inzwischen losgelassen hatte fest in die Augen. „Du sagtest, du bist ehrlich. Ich möchte dir gerne Vertrauen, aber du macht es mir nicht gerade leicht.“ Mit diesen Worten ging er an den beiden vorbei und lies einen rätzelnden Vampir und einen absolut nervlich erledigten jungen Mann zurück. Hatte er das gerade wirklich so gemeint oder nur gesagt, da Erique dabeistand und er seine Maskerade festigen wollte? Shatei würde sich diese Frage noch einige Zeit stellen müssen, zu seinem Unwissen, Joèl ebenso. Er war sich nicht wirklich sicher, oder er ihm wirklich vertrauen wollte.... fest stand für ihn nur, er konnte es nicht. Seine Schritte führten ihn zu der Kapelle, in der er letzte Nacht Andrea kennen gelernt hatte. Es musste sich etwas ändern, und zwar bald. Andrea schien eine Chance dazu zu sein. Leise drückte Joèl die Flügeltüren auseinander und erschrak, als er feststellte, dass Andrea ihn scheinbar schon erwartete. Er stand vor dem Altar, den Blick in seine Richtung gewandt. „Ich hatte mir schon gedacht, dass du bereits heute wiederkommen würdest, Joèl. Komm herein.“ Der Student nickte, schloss die Türen und ging auf den Eindrucksvollen Mann zu. „Darf ich euch zwei Fragen stellen, Andrea?“ Ein nicken ermutigte ihn, auch wenn der Blick des Vampirs ihn ernst anfunkelte. Joèl fiel auf, dass er wohl getrunken haben musste. Er war immer noch bleicher, als er es von den anderen Vampiren gewohnt war, aber nicht mehr so vollkommen weiß und seine Augen hatten ihren kalten farblosen Schimmer verloren und wirkten wie brennendes Eis. „In welcher Beziehung standet Ihr früher zu Shatei und was war das für eine Auseinandersetzung, die Euch veranlasst hat, Euch in dieser Kapelle einzuschließen und aus dem Schloss zurückzuziehen?“ Innerlich betet Joèl für Antworten, die ihm Hoffnung gaben. Antworten, die ihm sagten, dass er in Andrea jemanden gefunden hatte, der ihnen helfen konnte, zu entkommen. Natürlich müsste er ihn erst auch noch überzeugen, dass zu tun, aber ersteinmal wollte er wissen ob der Andere überhaupt in der Lage wäre zu helfen. „Du wählst deine Fragen sehr zielgerichtet. Aber ich möchte dir darauf Antworten: Shatei und ich waren uns von Beginn an schon nicht wirklich sympathisch. Wir haben uns arrangiert, bis zu dem Tag, an dem er eines meiner Kinder vernichtet hat. In all den Jahrhunderten habe ich nur zwei Sterblichen mein Blut gegeben und sie zu Unseresgleichen gemacht. Einen von Ihnen durch die Hand eines Anderen zu verlieren, konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Von jenem Zeitpunkt an war unsere Feindschaft jedem bekannt, doch wir konnten es uns nicht erlauben offen gegeneinander zu kämpfen. Es ging Jahrelang so weiter, bis ich irgendwann resignierte. Intrigen über Monate und Jahre hinweg sind ermüdend. Niemandem kann man trauen, hinter jeder Mauer des Schlosses das schon Jahrhunderte zuvor mein Zuhause war den Tod lauern zu sehen, ist kräftezehrend. Sind deine Fragen damit beantwortet?“ Joèl schluckte. Er konnte aus den Antworten nicht wirklich entnehmen, was er zu erfahren hoffte, doch zu erfahren, dass sein Gegenüber einen geliebten Menschen, oder Vampir, durch Shatei verloren hatte, schnürte ihm die Kehle zu. „Was möchtest du wirklich wissen, Joèl. Du bist doch heute aus einem bestimmten Grund hierher gekommen, nicht wahr?“ Ertappt hatte er kurzzeitig das Gefühl, ihm würde Röte ins Gesicht steigen, doch das Gefühl verschwand sofort wieder. Es wäre fatal gewesen, nun rot zu werden und Andrea damit deutlich vor Augen zu führen, dass er kein Vampir war. Falls dieser es nicht schon wusste und alles ohnehin verloren war. „Ich.... ich fühle mich zu Shatei sehr hingezogen, das muss ich zugeben, doch ich fürchte ihn auch. Ich möchte Erique vor ihm beschützt wissen, doch weiß nicht wie. Zugegebener Maßen.... hatte ich mir Hilfe erhofft.“ Zu Joèls Überraschung nickte sein Gegenüber. „Hilfe? Von mir? Wie kommst du auf den Gedanken, dass ich dir in deiner Situation auch nur annähernd helfen könnte?“ „Nicht mir. Erique. Er ist es den ich schützen will. Shatei weiß, dass Ihr hier seid. Glaubt mir ich habe nichts getan, was ihn hätte darauf bringen können, und er machte den Anschein, als fürchte er Euch. Erzählt Ihr mir, warum?“ Andrea lies kurz den Blick sinken und wandte sich dann zum Altar um, wo er eine Kerze entzündete. In einer fließenden Bewegung riss er ein Streichholz an, das kurze Zischen und Knistern des anfachenden Holzes hallte durch die Kapelle. Ein angenehmer Duft von Rauch und heißem Wachs wehte Joèl entgegen. Erst nach einigen Momenten drehte Andrea sich wieder Joèl zu. „Ich denke er fürchtet, dass ich wieder zu Einfluss kommen könnte. Dieses Schloss gehörte meinen Vorfahren. Ich habe es einst geerbt und zu einem Ort gemacht, an dem Vampire sich sicher fühlen können. Viele der Älteren würden mich ohne zu zögern in jeder Hinsicht unterstützen, sie hätten es auch damals bei unserem Streit getan, doch mir war es seit jeher zuwider Macht und Einfluss in einer persönlichen Fehde als Waffe zu wählen.“ Andrea lachte leise. Ein raues, unheimliches Lachen. Joèl kroch ein eisiger Schaue über den Rücken. „Er, wie auch viele Andere, wissen, wozu ich fähig bin, sollte ich es darauf anlegen. Furcht und Schrecken in Augen, die mich anblicken zu sehen, ist mir zuwider geworden. Deine Bitte um Hilfe muss ich leider ausschlagen.“ Die letzten Worte sprach er mit einer eleganten Verbeugung. In Joèl zerbrach etwas. Hatte er sich schon so sehr auf die Unterstützung des Fremden eingeschossen? Er konnte sich doch überhaupt nicht sicher sein, ob dieser Vampir, der es vorzog ein Einsiedlerleben zu führen, Sterblichen überhaupt freundschaftlich gesinnt war. Er konnte seine Einstellung nicht im geringsten Erahnen. Ein Gedankengang, der ihn daran erinnerte, dass sich dies bei Shatei nicht anders verhielt. Auch wenn er ab und an das Gefühl hatte, eine Ahnung von Shateis Intentionen zu erhaschen, so zerstreuten Worte, Blicke, Situationen diese doch immer aufs Neue und ließen ihn in unsicheren Spekulationen zurück. Joèl machte ein paar wankende Schritte rückwärts und lies sich auf eine Bank der Kapelle sinken. Seine einzige Chance war also wirklich, diese Wette zu gewinnen. Andrea wandte sich ab, ging vor dem Altar in die Knie und versank in einem stillen Gebet. Einige Minuten herrschte Stille, als Joèl aufsah, wagte er es nicht, Andrea anzusprechen, also stand er lautlos auf und verlies den großen Raum. Ruckartig wurde er aus seinen Gedanken katapultiert, als eine kräftige Hand ihn packte und gegen eine Wand drücke. Beinahe wäre er dabei über einen Vorhang, der auf dem Boden lag, gestürzt. Erschrocken starrte er in Shateis Gesicht, dass sich nur wenige Zentimeter vor seinem befand, während der Blick des Anderen sich brennend in ihn bohrte. Was machte er hier? So nah bei Andrea, wo er ihm doch nicht begegnen wollte? „Was versprichst du dir von ihm? Warum tust du mir das an?“ Er war wütend, unüberhörbar. Seine Stimme klang gepresst, so als brauche es seine ganze Kraft, nicht zu schreien. Joèl war viel zu erschrocken, um antworten zu können. Zugegebener Maßen auch verängstigt. Er hatte nie vergessen, was Shatei war. Ein Menschenmordendes Wesen, dass man sonst nur aus Horrorstreifen kannte. Ein Mann, der seine Realität mit einem gewaltigen, erbarmungslosen Schlag zerstört und ihn nackt und schutzlos in eine neue und grausamere Welt gestoßen hatte. Shatei kam näher an ihn heran, verringerte den Abstand zwischen ihnen, bis er zur Gänze verlosch, presste ihn nun mit seinem Körper gegen die kalte Steinwand. Sein Atem glühte auf Joèls Haut und beschrieb einen heftigen Kontrast zu der Kälte seines Körpers. „Du hasst mich nicht annähernd so sehr, wie du es gerne würdest, mein Herz. Du würdest nicht so weit gehen, meine Existenz und die aller Anderen in diesem Schloss zu gefährden, nur um deinen kleinen Schatz zu befreien.“ Es waren, wie so oft, keine Fragen, sondern Feststellungen. Shatei war sich stets so sicher mit den Behauptungen, die er aufstellte, und zur Hölle nochmal, er hatte jedes verdammte Mal Recht. Joèl spürte, wie sein Körper zu zittern begann. Seine Stimme kam ihm fremd und weit entfernt vor. „Ich....muss einfach etwas tun.... ich kann doch nicht einfach hinnehmen, was geschieht.“ Er hob die Hände, um sich an Shatei festzuhalten. Seine Kraft schien mit jedem weiteren Atemzug, der über seine Haut wehte, mehr zu schwinden. „Ich habe dir schon einmal geraten etwas zu unterlassen, dass du bereuen würdest und Recht behalten. Höre diesmal auf mich: Du wirst es bereuen, solltest du ihn dazu bewegen können, sich wieder in das Geschehen innerhalb dieser Mauern einzumischen.“ Mit diesen Worten löste er sich von dem zitternden Jungen und lies ihn stehen. Er wandte sich ab und lies ihn einfach so zurück... Für Shatei war dies keineswegs leicht, doch so nahe an der Kapellentür, so wenige Meter von Andrea getrennt, fühlte er sich bedroht und unwohl. Nein, Andrea würde ihn weder vernichten, noch würde er ihm auf andere Weise Leid zufügen. Er würde ihm nicht einmal seine so heiß und innig begehrte Beute nehmen. Doch das wusste Joèl nicht. Wie, fragte er sich, kam es aber, dass oèl von der Kapelle wusste? Niemand, der auch nur halbwegs bei Verstand war, würde in diesen verwitterten und verfallenen Gängen herumlaufen, wenn er nicht ein Ziel hätte. Der einzigen Antwort auf diese Frage, derer Shatei sich entsinnen konnte, würde er schon in wenigen Stunden nachprüfen. Es war Riskant, doch gewiss zu Joèls Bestem. Es gibt einfach Dinge, die will man nicht wissen. Hätte Joèl an diesem Abend nicht genau zu dieser bestimmten Zeit die Bücherei betreten, dann wäre ihm eine solche unerwünschte Erfahrung erspart geblieben. Das Buch, in dem er bis eben Lustlos herumgeblättert hatte wurde nun doch von einem Seufzen begleitet beiseite gelegt. Der Student konnte und konnte sich einfach nicht auf den Uni-Stoff konzentrieren, doch die Semesterferien würden auch nicht ewig währen. Mit einem missmutigem Knurren erhob er sich von seinem Sitzplatz und lief einen Moment in seinem Wohnraum auf und ab. Diese innere Unruhe war einfach kaum auszuhalten. Es mochte ihm nichts einfallen, wie er den Tag herumkriegen sollte, denn schlafen konnte er nicht, doch zu sämtlichen erdenklichen Taten fehlte ihm der Elan. Bernard.... natürlich, er hatte sich seit einigen Tagen nicht mehr bei ihm blicken lassen. Als er nun um ein Bücherregal herumging,um zu dem kleinen Nebenraum zu gelangen, hoffte er im einen Moment noch inständig, den tagaktiven Vampir nicht verpasst zu haben, im nächsten aber für eben diesen Vampir, er wäre schon fort gewesen, denn Shatei stieß gerade die Tür auf und lies sie geräuschvoll hinter sich zufallen. Schnell verschwand Joèl hinter einem weiteren Regal und atmete erleichtert auf, als sein unheilvoller Verehrer die Bücherei verlassen hatte, ohne ihn zu bemerken. Zögernd klopfte er an und betrat, nachdem er ein missgestimmtes 'Herein' vernommen hatte mit einem flauen Gefühl den Raum. Bernard sammelte gerade ein paar Unterlagen und Bücher vom Boden auf. Wie es aussah, hatte Shatei ihn nicht eines freundlichen Gespräches wegen aufgesucht. Seine Verwirrung und Besorgnis ob dieser Situation schien Joèl ins Gesicht geschrieben. „Es freut mich, zu hören, dass Andrea wohlauf ist. Doch die Art es zu erfahren hätte angenehmer sein können.“ Er warf seinem Besucher ein aufmunterndes Lächeln zu. „Schau mich nicht so an, Joèl. Shatei war wohl der Auffassung, ich habe dir von der Kapelle erzählt und du habest auf meinen Hinweis hin gezielt nach ihm gesucht. Sei mir nicht böse, aber ich war eigentlich ohnehin gerade dabei, mich zurückzuziehen.“ Bernard legte die aufgehobenen Schriftstücke auf den Schreibtisch und ging an Joèl vorbei durch die Tür. Verwirrt sah er ihm noch eine zeitlang nach und entschloss sich dann aber, noch unruhiger als zuvor wie er war, zu einem erneuten Spaziergang durch das Schloss. Draußen wurde es zunehmend dunkler, was aber nur zu bemerken war, da Felix wohl schon vor ihm in dem ein oder anderen Korridor entlang gekommen war und die Vorhänge dort beiseite gezogen hatte. Er begegnete keinem einzigen Vampir auf seinem Weg hörte aber leise Stimmen aus dem ein oder anderen Raum, in dem sich angeregt unterhalten wurde. Doch etwas war heute entschieden anders als sonst. Die allgemeine Stimmung war aufgewühlt, der Geruch von misstrauischer Erwartung lag in der Luft. Erwartung auf was? Oh, er konnte sich nur zu gut denken, worum sich die meisten Gespräche wohl gerade drehen mochten. Vielleicht war es ein Fehler, vielleicht hatte er es aber auch schon viel zu lange aufgeschoben. Andrea klopfte nur kurz an, betrat dann aber ohne eine Antwort abzuwarten direkt den Raum. Kurz war Erschrecken in den braunen Augen zu sehen, doch schnell wandelte es sich zu einer berechnenden und abschätzenden Kälte, die selbst ihm beinahe Unbehagen bereitet. Aber eben nur beinahe. Mit einem leichten Anflug eines Lächelns nährte er sich Shatei mit langsamen gemessenen Schritten. „Es ist viel Zeit vergangen Shatei, und wie ich sehe hast du nicht dazu gelernt.“ Es kostete Shatei ein wenig Beherrschung, nicht zurückzuweichen und er war zugegebenermaßen Erleichtert, als Andrea mehr als zwei Meter von ihm entfernt stehen blieb. Nicht dass er sich wirklich fürchtete, doch die Anwesenheit, gar nicht zu sprechen von der Nähe, des Anderen war ihm aufs Äußerste Unangenehm. „Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du nicht wegen meines Gespräches mit Bernard hergekommen bist. Also warum spielen wir nicht gleich mit offenen Karten?“ Nun lachte Andrea. Zum ersten Mal, seit er sich zurückgezogen hatte, lachte er wirklich. Es war kein freundliches Lachen, aber es war offen und befreiend, nicht nur ein leiser Anflug, wie bislang. „Mit offenen Karten zu spielen war für dich seit jeher ein weitaus schwierigeres Unterfangen, als für mich. Aber gerne: Ich werde Joèl einen Wunsch erfüllen. Er wünscht sich eine Veränderung ihrer aller Situation. Du wirst sicherlich Ahnen, woran ich dabei denke und wirst eingestehen müssen, du würdest selbst so handeln, wäre dir Joèls Zuneigung nicht so unendlich wichtig.“ Shatei war fassungslos. Nach so vielen Jahrzehnten in denen ihn nichts wirklich überraschen, ängstigen oder schockieren konnte, war er fassungslos. Dann jedoch zuckte ein Mundwinkel nach oben und er senkte den Blick. „Ich hätte es erwarten müssen. Doch ich hoffe du hast nicht vergessen, was beim letzten Mal geschehen ist, als du einem Sterblichen dein Blut gabst, Andrea. Oder ist dir das am Ende gar unwichtig?“ Ein Grinsen in dem so engelsgleichen Gesicht seines Gegenübers lies seine Befürchtung wahr werden und Shatei wurde schlagartig klar, was das bedeuten würde. Für ihn ebenso, wie für Joèl, Erique und Alexander. Kapitel 6 - "giving in" ----------------------- Endlich *seufz*. Ihr wollt nicht wissen wie lange ich auf ein und derselben Seite festhing -.- Ich möchte mich für evtl. Tippfehler entschuldigen, denn diesesmal musste es gänzlich ohne Beta-Leser gehen.... viel Spaß ^^ ----------------------------------- Kapitel 6 – 'giving in' „Wenn er dir auch nur annähernd etwas bedeutet, solltest du ihn darauf vorbereiten“, hatte er gesagt bevor er den Raum verlassen hatte. Wie sollte er Joèl 'darauf' vorbereiten, ohne dieses wenige Zutrauen das er bislang bei ihm gewinnen konnte vollends zu ruinieren? Denn der kleinen Fortschritte war Shatei sich sicher. Joèl wirkte zunehmend entspannter in seiner Gegenwart. Schon sehr bald würde er endlich seine Zähne in die zarte Haut schlagen und erfahren, wie weit er gehen konnte, betört von diesem umwerfenden Geschmack. Vielleicht würde es sogar schon heute so weit sein, denn wenn Shatei eines wusste, dann dass seine Beherrschung ihm bald versagen würde. Die Nacht war schon weit fortgeschritten als er ihn schließlich in einem der Salons am Fenster stehend vorfand, dem Anschein nach tief in Gedanken versunken. Lautlos näherte er sich ihm und wunderte sich nicht wirklich, als Joèl sich zu ihm umdrehte und ein begrüßendes Lächeln zuwarf. Sein Gespür schärfte sich von Nacht zu Nacht, Shatei konnte gut nachvollziehen, wieso es Joèl gelang, zahllose Vampire zum Narren zu halten. Er war einfach perfekt! Perfekt geschaffen für diese Art von Leben und er würde es an seiner Seite verbringen. So überzeugend dieses schauspielerische Kunststück auch sein mochte, der Braunhaarige war ein Narr, wenn er glaubte, Andrea habe es nicht bemerkt, habe nicht das Leben in ihm gerochen. „Wohl der Nacht, Shatei. Hat sich dein Gemüt seit gestern etwas abgekühlt, oder bist du mir immer noch böse wegen meines kleinen Ausfluges durch die Ruinen?“ Shatei grinste ihn herausfordernd an und nahm in einem Sessel einer Sitzgruppe nur wenige Schritte von Joèl entfernt platz, ehe er antwortete. „Sprich seinen Namen ruhig aus. Andrea hat mich heute Abend mit einem kurzen Besuch beehrt, die Nachricht über sein Wiedererscheinen verbreitet sich wie ein Lauffeuer.“ Ein kurzer Stich durchfuhr den Jungen Mann, den er nicht klar zu deuten vermochte. War es die Hoffnung, Andrea könne ihnen doch helfen, zu entkommen, oder gar ein wenig Scham und Schuld, Shatei eine unangenehme Begegnung aufgezwungen zu haben? Ein bisschen von Beidem wird es wohl gewesen sein. Er ging auf den Vampir zu, überlegt einen flüchtigen Moment, doch entschied sich dann, nicht in einem der Sessel, sondern direkt an Shateis Seite auf der Armlehne platz zu nehmen. War der Andere darüber verwundert, so verbarg er es meisterhaft. „Was hat ihn dazu bewogen, sein selbstauferlegtes Exil zu verlassen?“ Shatei seufzte. Er lies wie immer nichts anbrennen und forderte gleich den Hauptpunkt eines Gespräches ein. „Du hast eine Veränderung herbeigesehnt, jetzt werden wir alle die daraus resultierenden Konsequenzen hinnehmen müssen. Ich werde in der Aufgabe dich auf das vorzubereiten, was da auf dich zukommen mag kläglich versagen, doch um so mehr ist es mir wichtig, dass du eines ganz genau weißt: Du gehörst bereits mir. Das ist unwiderruflich und dass du früher oder später endgültig mein wirst unausweichlich. Überlege dir bitte noch einmal sehr genau, ob du mein Blut nicht annehmen willst.“ Warme Finger strichen über Shateis Stirn, fuhren die Konturen seines Gesichtes nach und kamen dann auf seinen Lippen zu liegen. „Psst. Du willst doch meine Chancen in unserer Wette nicht auf solch unehrenhafte Weise verschlechtern indem du auf Zuhörer plädierst, oder?“ Der Schwarzhaarige zog Joèls Hand beiseite, sein Blick suchte den seinen und fixierte ihn. „Eher würde ich dich gehen lassen und mein Dasein in Erwartung deiner Rückkehr fristen, als das Risiko einzugehen, dich vollends zu verlieren. Dir steht ein Ereignis bevor, dass dir ganz und gar nicht gefallen wird und mir bleibt nur, zu hoffen, dass du mir dann nicht mit Hass und Wut entgegentrittst. Auch wenn du selbst mir noch in vielen Dingen rätzelhaft bist, so kann ich doch mit Gewissheit voraussagen, dass du Halt brauchen wirst. Ich bete, dass du mir die Chance dazu gibst, derjenige zu sein, der dich auffängt.“ Joèl mühte sich zu einem herunterspielenden Lachen, doch Angst kroch bedrohlich in ihm auf. Beängstigend war nicht nur, was Shatei ihm da sagte, sondern noch viel mehr, wie er dies tat. Was für ein Ereignis stand ihm bevor? Dem Eindruck des Mannes neben ihm nach, würde er darauf wetten, sein Leben sei in Gefahr. Mehr noch als ohnehin in jeder Nacht in der schon ein winziger Fehler genügen würde, um seine Sterblichkeit zu enthüllen und ihr aller Schicksal damit zu besiegeln? „Lass uns bitte woanders hingehen, ich fühle mich unwohl hier.“ Die Anwesenheit so vieler anderer Vampire steigerte Joèls innere Unruhe nur, da nahm er es lieber in Kauf, mit Shatei allein zu sein, auch wenn dies bedeutete, sich ihm erneut schutzlos auszuliefern. Shatei sah darin einen erneuten Funken des Vertrauens. Ein kleiner zwar nur, aber doch so wertvoll. Es war das erste Mal, dass er Shateis Privaträume betrat. Der große Raum war stilvoll, wenn auch spärlich eingerichtet. Eine Couch sowie ein Sessel aus schwarzem Leder umrahmten einen niedrigen Glastisch mit gusseisernen Fuß. Der Kamin sah aus, als wäre er lange Zeit nicht benutzt, oder aber gerade erst gründlich gereinigt worden. Auf der anderen Seite des Raumes befanden sich drei gut gefüllte Bücherregale sowie ein massiver Schreibtisch. Ein weicher Teppich verlieh dem Zimmer eine Gemütlichkeit, die Joèl nie mit Shatei in Verbindung gebracht hätte. Warum eigentlich nicht? Dunkle schwere Vorhänge verbargen zwei große Fenster, eiserne Kerzenhalter mit schwarzen Kerzen auf denen kleine Flammen tanzten sorgten für ein angenehmes Dämmerlicht. Eine verschlossene Verbindungstür zum Nebenraum erregte Joèls Aufmerksamkeit. Neugierde flammte in ihm auf, denn eines wusste er nach wie vor nicht über Shatei und so banal es in dieser Situation, nach dem, was Shatei ihm kurz zuvor erzählt hatte, sein mochte, es lies ihn nicht los. Schlief er tatsächlich in einem Sarg? Selbstverständlich hatte er andere Vampire schon zuvor zu diesem Thema befragt, speziell Bernard hatte unzählige, von ihm als äußerst amüsant bezeichneten, Fragen erdulden müssen, doch die Antworten waren ernüchternd. Jeder Vampir hielt es scheinbar anders. Shateis Lachen lies ihn den verräterisch langen Blick von der Tür abwenden. „Überlegst du dir gerade was wir alles in meinem Schlafzimmer anstellen könnten, oder interessiert dich nur, wie es darin aussieht?“ Der Student lies den Blick sinken. „Letzteres um ehrlich zu sein...obwohl...“ 'Nein!' Schnell schob er diese Gedanken beiseite, was sich als unnütz erwies, drängten sich die Bilder der Erinnerung an die überaus erotischen Momente in Shateis Armen doch wieder in seinen Geist zurück. Er sträubte sich dagegen, doch warum eigentlich? Er war doch nun wieder Single, nicht wahr? „Ja, warum eigentlich, Joèl?“ Joèl blickte schockiert zu dem Vampir auf, der ihm nun sehr nahe stand. Ein gefährliches Glitzern erinnerte den Studenten daran, dass er hier einem Raubtier gegenüber stand. „Deine Gedanken schreien mich gerade quasi an, wie soll ich da widerstehen?“ Er beugte sich vor und hauchte einen Kuss auf Joèls Hals. Er wollte zurückweichen, war jedoch wie gebannt als das Kribbeln der empfindlichen Haut durch seinen Körper schoss. Die ihm so bekannte Furcht, beinahe schon Erwartung eines stechenden Schmerzes übermannte ihn, doch er blieb aus. Stattdessen wanderten Shateis Lippen mit sanften Küssen seinen Hals hinauf bis zu seinem Ohr. „Warum sträubst du dich so sehr? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du dich mir nicht entziehen kannst, und wenn du ehrlich bist, auch gar nicht willst.“ Joèl seufzte ergebend als er seine Arme um Shateis Schultern legte. Sollte ihn doch jemand auch nur eine einzige Person zeigen, die solche einem Mann wie Shatei nicht verfallen würde, wenn er einem so wie jetzt, in unbeschreiblicher Zärtlichkeit und mit einem Glanz in den dunkelbraunen Tiefen, der ungeahntes versprach, die kühlen Hände unter die Kleidung schob und so brennendes Fleisch nur noch empfindlicher werden lies. Schwer atmend lag Joèl zwischen den zerwühlten Laken, nicht fähig sich zu bewegen. Er war vollkommen erschöpft und doch brodelte Energie in ihm. Shatei legte sich neben ihn und strich ihm zärtlich ein paar Haare aus der Stirn, fuhr dann mit streichelnden Fingern die Konturen von Joèls Gesicht nach. Der Student schluckte trocken, wollte etwas sagen, hatte jedoch im nächsten Moment schon wieder vergessen, was es war. Es war so angenehm, hier neben Shatei zu liegen, doch die Gedanken an das, was dieser Mann war, ließen Anspannung in ihm erwachen. In Gedanken verfluchte er seinen Urinstinkt, der ihn an die tödliche Gefahr erinnerte, die sich gerade über ihn beugte. Kühle Lippen berührten seine glühende Stirn. Der Student konnte nicht verhindern, dass sein Körper sich anspannte. Seine Sinne schärften sich wieder, sein Körper rebellierte gegen die Erschöpfung und steigerte das Unbehagen des Jungen ins schier unermessliche. Verflucht sei dieser Körper, der wann immer Joèls Verstand ihm riet, sich von Shatei zurückzuziehen und Wachsamkeit walten zu lassen, alle Sinne ausschaltete, sein Blut aufwallte und nach dem Vampir rief. Verflucht sei der Körper, der nun, da Joèl sich so sehnlichst Wünschte, vergessen zu können, welche Gefahren von dem Mann neben ihm ausgingen, sich an ihn zu schmiegen und nur an die Wonnen, die unbeschreibliche Ekstase zu denken, die er ihm soeben bereitet hatte, alle Alarmglocken in Betrieb nahm und ihm diesen Moment in Qualen umkehrte. Eine tiefe Stimme lies ihn Zusammenzucken und vertrieb den schwarzen Nebel bohrender Gedanken mit einem kraftvollen Schlag. „Bleib noch. Lasse Angst und Misstrauen noch nicht wieder die breite Kluft zwischen uns schlagen, die ich Nacht für Nacht so mühsam zu überwinden versuche.“ Joèl dreht den Kopf ein wenig und sah Shatei in die Augen, bemühte sich, zu lächeln. Nur ein wenig beruhigte sich sein Puls. „Wie sollte ich dich nicht fürchten, Shatei? Leiten mich denn meine Instinkte so sehr fehl, wenn sie mich vor dir warnen?“ Seine Instinkte sehnten ihn weit fort von hier, doch Joèl rührte sich keinen Zentimeter. Nein, im Gegenteil. Shatei lächelte, ohne einen kleinen Funken des Triumphes darin verbergen zu können, als er eine glühende Hand an seiner Seite entlangstreichen spürte. „Auch wenn deine Instinkte dich schon oft genug fehlgeleitet haben, seit du hierher kamst, so kann ich nicht leugnen, dass sie gerade ausgezeichnete Arbeit leisten. Es wäre für mich unsagbar leicht, mir zu nehmen, wonach es mir verlangt, und doch kann ich dir versichern, dass du nichts befürchten brauchst. Habe ich meine Selbstbeherrschung nicht ausreichend unter Beweis gestellt?“ Diese Worte klangen nicht nach Shatei. Sie waren mit dem Unterton einer innigen Bitte gesprochen, während der dunkelhaarige Vampir seinen Kopf auf Joèls Brust bettete und sich an ihn schmiegte. Joèl konnte dem Drang nicht widerstehen seine Finger in die tiefschwarze Seide gleiten zu lassen und mit einzelnen Haarsträhnen zu spielen. Er lies einige Momente verstreichen und seufzte dann hörbar. „Ich werde aus dir einfach nicht schlau Shatei. Ich weiß dich nicht einzuschätzen, wie soll ich da meine Furcht vor dir verlieren? Wenn ich doch nur wüsste, was du wirklich willst.“ „Nicht was ich will ist es, was dir Kopfzerbrechen bereitet, mein Schöner. Was du willst ist dir unklar. Dein Dickschädel brüllt dir immerzu entgegen, dass du zurück gehörst. In eine Welt voll von Stadtlärm und Universitätsstress. Umgeben von Sterblichen mit denen du allesamt nichts zu schaffen hast und nichts anzufangen weißt. Denn du kannst nicht leugnen, dass dir lange bewusst ist, dass ein Leben an meiner Seite dir viel mehr zu bieten hätte. Mehr Erfüllung für dich bereit hält. Es macht für mich keinen Sinn, dich gewaltsam zu mir zu nehmen, wenn ich genau weiß, dass auch nur die kleinste Chance besteht, dass du freiwillig zu mir kommst.“ War er sich da wirklich so sicher? Joèl versuchte, sich aufzusetzen, nicht hoffend, dass es funktionieren würde, doch Shatei lies ihn gewähren, lies sich von ihm auf den Rücken drehen. Nun lag Joèl halb über ihm, sah ihm forschend in die Augen. Dieser Bernsteinton sah aus wie flüssiges Gold in diesem Kerzenschein. „Ich war glücklich bevor ich hierher kam, Shatei. Auf eine Art glücklich, wie ich es hier niemals werde sein können und solange die Erinnerung daran noch lebendig ist, zieht es mich zurück.“ Widerspruch leuchtete in den braunen Seen unter ihm, doch Shatei sagte nichts. Er zog ihn einfach nur sanft an sich, griff dann nach der Decke, um diese über sie beide auszubreiten. Erst nach weiteren Minuten murmelte er dicht an Joèls Ohr „Du wirst es noch selbst herausfinden, in der Zwischenzeit, sei so gut und bleib noch eine Weile bei mir. Und denke doch bitte daran, die Vorhänge im Wohnraum zuzuziehen, wenn du gehst...“ Danach blieb er still, während Joèl nicht die Ruhe fand, sich neben ihm schlafen zu legen. Er setzte sich auf und blickte sich in dem von Kerzen erhellten Schlafzimmer um. Tatsächlich schlief Shatei in einem Bett. Und in was für einem. Joèl musterte den reglos neben ihm liegenden Shatei. Oft genug hatte er dem Dran, die Augen niederzuschlagen, wenn ihre Blicke sich begegneten nicht widerstehen können. So forsch war Shateis Blick, intensiv und bohrend als könne er bis in Joèls Herz sehen, auch wenn dieser sich seines Könnens im Blocken seiner Gedanken sicher war. Jetzt jedoch genoss er es regelrecht, seinen faszinierenden Liebhaber studieren zu können. Das tiefschwarze Haar, dass wie Seide über das Kissen floss, das Licht der tanzenden Kerzenflammen reflektierend. Die Lippen leicht geöffnet, nichts lies erahnen welch gefährliche Waffen sich dahinter verbargen. Die Wangen waren nur leicht gerötet, eigentlich ein beängstigender Gedanke, denn es zeigte, dass er vor sehr kurzer Zeit getrunken haben musste. Die sonst so blasse Haut war beinahe weiß und wies nicht einen einzigen Makel auf. Die Decke war ihm bis zur Hüfte heruntergezogen waren, als Joèl sich aufsetzte, so dass Joèl seinen Blick weiter über Shateis muskulösen Oberkörper wandern lassen konnte. Von seinem Baunabel aus zog sich ein schmaler blasser Streifen schwarzer Härchen geradlinig tiefer bis Joèls forsche Blicke von der Decke gestoppt wurden. Leicht errötend wendete er sich nun ab und sah sich in dem Raum um. Größer als 2,5 x 2,5 m war er bestimmt nicht, wie er schätzte. Mit dem Kopfende zur einen Wand stand das breite Bett aus massivem dunkel gebeiztem Holz. Reich verziert mit Schnitzereien, dazu im gleichen Stil gehalten ein großer Wandschrank, der die gesamte Wand zu Joèls linken einnahm. Rechts von ihm bedeckte ein atemberaubender Wandteppich mit aufwendig geknüpften Mustern die Wand. Ob sich dahinter ein verdecktes Fenster befand? Die Tür des Raumes befand sich seitlich versetzt an der Wand gegenüber dem Fußende des Bettes. In zwei der vier Ecken im Zimmer standen große Kandelaber mit 5. Farblich war der Raum mehr als dunkel, denn selbst der Teppich, der den Boden bedeckte war weinrot, doch wunderbar weich und aus fantastischer Qualität, wie Joèl jetzt feststellte, da er aufstand. Er suchte seine Kleidung zusammen und zog sich nahezu geräuschlos an. Sich immer wieder wundernd, ob Shatei denn tatsächlich schlief. Er wusste aus Büchern und Gesprächen, dass Schlaf durchaus von Nöten war, jedoch nicht, um einen Unsterblichen bei Kräften sondern vielmehr, bei Verstand zu halten. Der wirklich gravierende Unterschied zwischen dem Schlaf eines Untoten und den eines Sterblichen bestand darin, dass Vampire in der Lage waren, sich jederzeit bewusst in den Schlaf zu begeben und ebenso aufzuwachen. Ihr Bewusstsein schaltete sich nie vollkommen aus, wie es das eines Menschen in so genannten traumlosen Nächten tat. Sie waren sich ihres Unterbewusstseins und der Verarbeitung von Erinnerungen ihres Bewusstseins jede Sekunde gewahr, bekamen allerdings ebenfalls höchstens Schemenhaft bis gar nicht mit, was um sie herum geschah, wenn sich jemand im Raum befand, der in der Lage war, sich, also seinen Geist, zu verbergen. Somit konnte man also durchaus behaupten, Shatei schlief tief und fest und bemerkte nicht annähernd wann und wie Joèl den Raum verlies, indem er durch einen nur schmalen Türspalt schlüpfte, wohlwissend vermeidend, Sonne in den Raum dringen zu lassen. Lange Zeit noch dachte er über Shateis unheilverkündende Worte nach, ehe er selbst in seinem eigenen Bett vom Schlaf übermannt wurde und lange nach Sonnenuntergang wieder erwachte. "Es wird Zeit, dass wir endlich wieder miteinander reden..." Alexander da verwundert auf. Erique hatte ihn angesprochen, noch bevor die Zimmertür ins Schloss gefallen war und kam nun auf Alexander zu, der sich einen Stuhl an das geöffnete Fenster gezogen hatte. Die Sonne durchflutete den kleinen Raum und konnte doch die trüben Gedanken in Alexander nicht auslöschen. Es war Erique zur Angewohnheit geworden immer erst einige Zeit nach Sonnenaufgang in ihr gemeinsames Quartier zurückzukehren, wie Alex vermutete wohl, weil er für gewöhnlich um diese Zeit bereits schlief. Heute jedoch fand er keine Ruhe, das Gespräch mit Shatei in der heutigen Nacht und die Gespräche Anderer, ein seit einem halben Jahrhundert vernichtet geglaubter Vampir sei in das Schloss zurückgekehrt, wühlten ihn auf. 'Nun, letzteres lenkt sie vielleicht eine Weile von uns ab.' Erique setzte sich auf die Bettkante und befand sich dem Professor nun Gegenüber, der seine Brille abnahm, um sie gemeinsam mit dem Buch, dem er ohnehin keinerlei Beachtung geschenkt hatte auf die Fensterbank zu legen. Dabei lies sein Blick den jungen Mann vor ihm nicht eine Sekunde los. "Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich dich mit meinem Verhalten der letzten Tage so sehr verletzt habe. es tut mir wirklich aufrichtig leid und ich möchte dir wirklich nicht noch mehr weh tun..." Er machte eine Pause. Sah unsicher zu Boden. "Aber?" Voller Liebe und Wärme war dieser Blick, wenn auch durchsetzt mit Schmerz, was einen bitteren Beigeschmack bei Eirique hinterlies. „Aber... Joèl bedeutet alles für mich. Ich weiß nicht einmal genau, was es ist, das mir bei ihm fehlt und ich bei dir gefunden habe...ich kann es nicht benennen und es tut mir unsagbar weh, unsere... Affäre, Beziehung... zu beenden. Ich kann einfach nicht ohne Joèl leben...Es...es tut mir leid, Alex...“ Seine Stimme war immer leiser geworden, Tränen liefen ihm über die Wangen während Alexanders Mine wie versteinert wirkte. Er kniete sich vor Erique, strich ihm zärtlich über die Wangen. Seine Stimme klang belegt, doch unerwartet gefasst. Er hoffte, Erique würde nicht merken, wieviel Mühe ihn dies kostete. „Es war von Anfang an nur eine Frage der Zeit, bis das mit uns zuende geht. Das war mir in jeder Minute mit dir bewusst, also mach dir deshalb keine Vorwürfe. Doch Erique, Joèl ist unerreichbar für dich geworden. Bitte mach dir das bewusst. Er hat sich für Shatei und dessen Art des Lebens entschieden.“ Der Junge atmete tief durch, gewann Fassung und die Tränen versiegten. Ein merkwürdiger Glanz trat in dieses sonst so unschuldige Blau und jagte Alexander einen jagten Schauer über den Rücken. „Ich werde sein Herz und sein Vertrauen zurückgewinnen, was immer es kosten mag, ich bin bereit den Preis zu zahlen. Und dass er hoch sein wird, ist mir vollauf bewusst. Ein sehr interessantes Gespräch hat mir heute Nacht die Augen geöffnet. Mein ganzes Leben lang war ich immer nur egoistisch und auch jetzt tue ich dies alles nur aus reinem Egoismus. Wer weiß, vielleicht ist Shatei einfach besser für Joèl geeignet als ich, doch ich kann und werde das niemals akzeptieren. Ich all meiner Fixierung auf mich allein ist mir nicht im geringsten der Gedanke gekommen, wie du dich fühlen könntest. Auch dafür möchte ich mich entschuldigen. Bitte gib dir nicht die Schuld daran, wie sich alles entwickelt hat und wie es sich noch entwickeln mag. Auf nichts davon konntest du bewusst Einfluss nehmen und auch jetzt wird mich nichts was du sagen oder tun könntest von meiner Entscheidung abbringen. Sei stolz auf die Entdeckung, die wir gemacht haben und kehre an die Uni zurück mit Wissen, das dir niemand nehmen kann und das keiner außer dir je in der Lage sein wird zu erwerben. Denn ich glaube kaum, dass sie so bald wieder Sterblichen Zugang zu ihrer Bibliothek gestatten werden.“ Fassungslosigkeit lähmte Alexander. Er starrte Erique an, nicht fähig, sich zu rühren oder etwas darauf zu sagen. Er musste das erst einmal verarbeiten, doch würde ihm die Zeit dazu bleiben? Sein Stimme fühlte sich rau an in seiner Kehle und klang ungewollt leise. „Übertreibst du es nicht jetzt ein wenig? Nur weil du unser Verhältnis beendest musst du dich doch nicht gleich so vollkommen von mir verabschieden...“ Eriques schweigen, sein zerknirschter Blick waren mehr als genug. Wie sehr hatte er sich in diesem jungen Mann geirrt? Er hatte wirklich geglaubt ihn zu kennen und Shateis Worte kamen ihm wieder in den Sinn. Erique würde sich nicht abhalten lassen, um Joèl zu kämpfen und das mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mittel. Mit zitternden Knien stand er auf und schaute wieder zum Fenster hinaus. „Du siehst müde aus Erique. Schlaf nochmal über alles und dann....können wir ja nochmal reden.“ „Verzeihst du mir?“, hörte er die zaghaft flüsternde Stimme vom Bett. „Natürlich...“ Er fühlte sich wie betäubt. Der Schock? Gewiss. Alles wirkte leer und hoffnungslos. Aber nach ein wenig Schlaf würde auch für ihn die Welt anders aussehen, oder? Erique schlief erstaunlich schnell ein. Doch was erstaunte Alexander daran? Es war eine lange Nacht und gewiss war mit einem mal eine riesige Anspannung von seinem Assistenten abgefallen als dieser losgeworden war, was ihm merkbar schwer gefallen war zu sagen. Erst im Erwachen bemerkte er, dass er überhaupt geschlafen hatte. Der Mond schien schwach durch einige Wolken und lies den Raum aus zahlreichen dunklen Schatten bestehen. Neben ihm war das Bett leer und er war gerade im Begriff, sich aufzurappeln... „Bleib noch eine Weile liegen. Du hast sehr unruhig geschlafen und bist doch gewiss noch müde.“ Zu wem gehörte diese rauchige Stimme, die kaum mehr war als ein Hauch? Alexander erwischte sich dabei, wie er unwillkürlich den Atem anhielt, um die Worte zu verstehen. Sein Herzschlag beschleunigte und war ihm unerträglich laut. „Wer sind Sie?“ Seine Augen blickten suchend durch den Raum, doch er konnte nichts erkennen, so sehr er sich auch anstrengte. „Fürchte dich nicht vor mir, es droht dir keinerlei Gefahr durch mich. Und bitte erweise mir den Gefallen, mich nicht zu siezen. Es würde mich sehr freuen, wenn wir eine Freundschaft zueinander aufbauen könnten.“ Eine Freundschaft? Wer auch immer sein nächtlicher Besucher war, was er war, war nicht schwer zu erraten. Alexanders Hand bewegte sich zu dem Feuerzeug auf dem Nachttisch, doch er griff ins Leere. „Wir benötigen kein Licht, um uns zu unterhalten, oder?“ „Gibt es etwas, dass du glaubst verbergen zu müssen?“ Die Worte waren schneller gesprochen, als er in der Lage war, über sie nachzudenken. Machte die Erinnerung an Eriques Abschied vor wenigen Stunden ihn lebensmüde? „Nicht ich, jedoch vielleicht du. Ich halte dich nicht für einen Mann, der Fremden gerne seine Tränen schon bei der ersten Begegnung in strahlendem Licht präsentiert.“ Er wollte es schon leugnen. 'Welche Tränen?' wollte er fragen, doch seine Finger tasteten wie automatisch über seine Wange und spürten Feuchtigkeit. Einen kurzen Moment setzte sein Atem aus. Was war nur los mit ihm? Was ging hier vor? „Du brauchst Ruhe, Alexander. Und du brauchst einen Freund. Ich fürchte andernfalls wirst du die kommenden Nächte nicht überstehen. Du hast bereits einen schmerzhaften Verlust erlitten, doch wieviel mehr kannst du aushalten?“ „Nicht viel mehr...“ Er fühlte sich schwach und elend. Er wollte weiterschlafen. Wieder in die traumlose Dunkelheit ohne bewussten Denkens sinken, doch die Schau vor dem, was mit ihm in einem Raum war, hielt ihn wach. „Shatei hat mir angeboten, mich über Eriques Absichten aufzuklären. Ich habe es aus Respekt vor ihm abgelehnt doch aus Sorge würde es mich nun dann doch sehr interessieren..." Er wagte nicht, die Bitte auszusprechen, denn ein Knurren wehte bei Erwähnung von Shateis Namen von dem anderen Teil des Raumes zu ihm herüber und schüchterte ihn weiter ein. "Dein Schützling bedarf deines Schutzes nicht mehr. Gewinne Abstand zu ihm, das ist das einzig Richtige, das du tun kannst. Vielleicht ist dir das Wissen über seine Vorhaben dabei durchaus eine Hilfe." Ein kurzes Schweigen lies die Anspannung in Alexander steigen. "Je schneller du dich damit abfindest, dass er dich unwiderruflich verlassen hat, desto besser. Gib ihm nur wenige Tage und du wirst ihm vollkommen gleichgültig sein. Erique hat sich schon einmal vollauf einzig und allein in seine Gefühle zu Joèl hineingesteigert und er tut es wieder. Seit er sich von seinem letzten Schock erholt hat, belagert er Shatei wo er nur kann. Bittet ihn um sein Blut, fleht ihn regelrecht an. Sogar ihn zu verführen hat er versucht. Gib ihn auf." Was er hörte war nichts anderes, als das, was er ohnehin erwartet hatte, doch jetzt war es Gewissheit. Der erwartete Schmerz blieb aus. Zu erschöpft, zu taub von den letzten Schlägen war er noch, als dass ihm das volle Maß dessen, was sich hier soebend ergab, bewusst werden wollte. Erique bat um das Blut eines Vampirs. Schweigend starrte er in die Dunkelheit vor sich. Erst als eine Wolke beiseite zog und das spärliche Mondlicht plötzlich unweit von ihm reflektiert wurde, schreckte er aus dieser Art wachen Ohnmacht auf. Nur kurz blitzen zwei eisblaue Augen auf, Alexanders Augen hatten sich so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass er jetzt mit dem wenigen Licht genauere Formen der Schatten erkennen konnte. Schemenhaft erkannte er seinen Gesprächspartner in dem Sessel sitzend, die Beine übereinander geschlagen und die Hände an den Fingerspitzen aneinander gelegt. Er stand auf und kam auf den Professor zu, der Bewegung und des Geräusches nach zu urteilen legte er das zuvor vermisste Feuerzeug wieder auf dem Nachttisch ab. "Versuche, dich noch ein wenig auszuruhen. Die Nacht ist noch sehr jung, Felix wird dich in zwei Stunden wecken." Er wendete sich schon zum gehen, als Alexander seine Stimme wieder fand. "Wird Shatei nachgeben? Oder ein Anderer?" Er wollte die Antwort eigentlich nicht wissen. Fürchtete sich davor. Doch hätte er sich die Frage dann jetzt nicht noch stundenlang selbst gestellt? Einen Moment herrschte wieder Schweigen, doch die Stimmung, die diese Stille begleitete war eine andere als bisher. Sein Gesprächspartner zögerte. Und auch als er sprach, waren Zögern und Widerwillen in seiner Stimme zu hören. "Shatei ist standhaft. Er wird nichts tun, das Joèls Missfallen wecken könnte und niemand wird sich seiner Anordnung, seine Gäste nicht anzurühren widersetzen. Keiner außer mir. Ich habe ihm nachgegeben, und ich würde dich um Verzeihung bitten, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass dies die einzig Richtige Entscheidung für euer aller Wohl war." Schwärze zog sich um ihn zusammen. In seinem Inneren tobten zwei einander gegensätzliche Stimmen. Während die eine nach seinem Gegenüber rief, ihn bat, ihn jetzt nicht allein zu lassen, verfluchte die andere ihn in derben Tönen, für das, was er ihm soeben gesagt, was er ihm angetan hatte. Er spürte Schmerzen in seinen Gliedern, sein Kopf dröhnte als wolle ihm der Schädel bersten. Ein pochender, drückender, stechender Schmerz, der ihm die Sicht gänzlich nahm. Seine Kehle brannte und er bekam keine Luft. Undeutlich hörte er weit am Rande seines Bewusstseins Stimmen, die seinen Namen riefen. Die ihm irgendetwas zu sagen versuchten. Ohrenbetäubender Lärm übertönte sie jedoch. Ein furchtbarer, markerschütternder Ton und nur langsam, während sich der schwarze Nebel lichtete, er den Schein von Kerzen erkannte, bemerkte er, dass dieser Lärm von ihm stammte. Seine Schreie verebbten und ein wenig mehr Sauerstoff gelang in seine Lungen. Der Schmerz in seinem Kopf blieb, nahm jedoch ab. Die Krämpfe allerdings, die seinen Körper schüttelten vermochte er nicht selbst zu stoppen, auch wenn die Erschöpfung seiner Muskeln sie zu einem stetigen Zittern abschwächten. Übelkeit stieg in ihm hoch, lies ihn würgen und husten. Was hatte ihn noch gleich so aus der Fassung gebracht? Ach ja, Erique! Das Zittern nahm zu, die Tränen mehrten sich erneut. Ein kalte Hand strich ihm durchs Haar, Gewicht neben ihm auf der Matratze wurde ihm bewusst. Shatei saß vor ihm am Bettrand und hielt sein Gesicht nun in beiden Händen während er eindringlich auf ihn einredete. Nicht nur mit Worten, sondern auch, wie es Alexander schien, direkt in seinen Gedanken. "Professor, ich bitte Sie. Reißen Sie sich zusammen. Sie sind nicht allein, hören Sie?" Sein Blick fixierte Alexanders Augen, schien sich tief in ihn hineinzubohren. "Alexander, schauen Sie mich an!" Und tatsächlich klärte der Blick des 39-jährigen sich zu Shateis Erleichterung auf. Ein Lächeln huschte über die Züge des Vampirs als er ihn wieder los lies. "Willkommen zurück, Professor." Alexander schluckte trocken, zwar spürte er, wie er wieder zu kippen drohte, doch er hielt sich. Wollte nicht wieder die Kontrolle so derbe verlieren. Im Augenwinkel nahm er eine weitere Person wahr, die schräg hinter Shatei an der Wand lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Blick huschte kurz zu dem -dem Aussehen nach- jungen Mann herüber, dessen langes weißblondes Haar in Wellen um seine schlanke anmutige Gestalt lag, als er glaubte, die Augen zu erkennen. Shatei war der kurze Seitenblick, bevor Alexander die Bettdecke fixierte, mit seiner üblichen Nervosität kämpfend, die sehr langsam aber doch stetig zurückkehrte, nicht entgangen. "Wie es aussieht, sind Sie wirklich wieder vollständig bei uns. Dann überlasse ich ihn wieder dir." Die letzten Worte an den anderen Vampir richtend, stand er auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. -------------------------------------------- Überstanden? Bitte steinigt mich nicht, ich weiß, das 'leckerste' habe ich mal wieder gekonnt übersprungen, aber die Szene ist in Arbeit und wird irgendwann vielleicht noch nachträglich eingefügt. Vielen Dank für's lesen und hoffentlich auf bald ^^ Kapitel 7 - „shattering peripety“ --------------------------------- Kapitel 7 - „shattering peripety“ „Der Sommer im Jahr 1846 war unerträglich heiß, so dass selbst an der Küste die Nächte nur kaum spürbare Linderung brachten. Für die Fischer und Fischhändler war dies ein Fluch und auch uns traf der Verlust dieses Handelszweiges, wenn auch nur minimal. Unseren Hauptverdienst erzielten mein Vater und ich mit der Verschiffung von Stoffen und allerlei anderer Handelsgüter, die die Küste von Calais erreichten und dort auf eines der Handelsschiffe verladen wurden, die der Koordination meines Vaters unterstanden. Dunkelheit hatte sich über den Hafen gelegt, und noch waren längst nicht alle Kisten, die die vor knappen 2 Stunden vor Anker gegangene 'La Couronne' aus England mitgebracht hatte, entladen. In dem geschäftigen Treiben und meinen stets zwischen schweißgebadeten Männern, Kisten, Säcken und den Listen in meinen Händen hin und her zuckenden Blicken hätte er mir vollkommen entgehen müssen und doch brannte sich fast jede Sekunde, die er für seinen Weg über die Planken bis zu mir benötigte, so tief in mein Gedächtnis als hätte ich ihn ohne Unterbrechung angestarrt. Bis heute bin ich mir sicher, dass dem nicht so gewesen ist. Es war nicht unüblich, dass Handelsschiffe Passagiere beförderten, doch ein Mann wie er passte nicht so recht in dieses Bild. Er machte auf mich schlichtweg einen zu wohlhabenden Eindruck, um zwischen Handelswaren oder in den Gemeinschaftskajüten der Besatzung mehrere Tage oder Wochen auszuharren. Wie ich später erfahren sollte war ich weder der Erste und noch lange nicht der Letzte, der seinem Charme auf Anhieb erlag und so überzeugte er mich, während er die gesamte Zeit des restlichen Entladens an meiner Seite verbrachte, ihn zu dem von mir empfohlenen Gasthaus zu begleiten und dort noch etwas mit ihm zu trinken. Das Gespräch war gewiss belanglos, ebenso, wie es mir damals belanglos erschienen sein musste, dass er nicht ein einziges Mal an seinem Wein auch nur nippte, denn an beides kann ich mich nur schattenhaft erinnern. Fesselnde Gespräche und feurige Diskussionen ließen in den nächsten Wochen zunehmend eine Freundschaft zwischen uns entstehen, und doch musste ich mir eingestehen, dass Shatei immer dazu in der Lage war, mich gezielt vollkommen aus der Fassung zu bringen. Er war so ungreifbar, so vollkommen undurchschaubar und um so mehr Misstrauen sich in mir in mancher Situation regte, desto mehr wuchs meine Faszination für ihn und fesselte mich, ohne das ich es selbst merkte. Seine Geschichten von fernen Ländern und Abenteuern habe ich nie hinterfragt. Mich nie gewundert, wie er so viel in seiner bisherigen Lebensspanne hatte sehen und erleben können, denn wie alt mochte er sein? Mitte zwanzig vielleicht? Gewiss nicht viel älter als ich es damals war. Die nächtliche Zeit, die ich mit ihm verbracht, zusätzlich zu den zahlreichen täglich Arbeitsstunden, gingen zum Leidwesen meiner schwangeren Frau und meiner süßen dreijährigen Tochter. Natürlich dauerte es nicht besonders lange, bis Chantal mich darauf aufmerksam machte, dass ich meine Pflichten als Familienvater und Ehemann mehr als nur vernachlässigte. Ich liebte sie, keine Frage. Ich liebte sie sogar sehr und ich war glücklich und zufrieden mit meinem Leben.... bis Shatei nach Calais kam. Er führte mir vor Augen, was ich nicht besaß und haben wollte. Ich wollte diese Spannung und Abwechslungsreichen Erfahrungen. Ich wollte mit ihm auf Reisen gehen. Doch meine Liebe zu Chantal und Elise hielt mich in der wachsenden Hafenstadt und auch wenn mein Glück geschmälert war, konnte ich doch noch sagen 'Ich bin glücklich' ohne wirklich lügen zu müssen. Als dann Anfang 1847 mein Sohn zur Welt kam war jedes Fernweh lange Zeit vergessen. Wenn ich jetzt zurückdenke muss ich sagen, dass es mir hätte auffallen sollen, wie unzufrieden Shatei mit dieser Situation war. Und dass wohl nur ich zu blind für das Offensichtliche war, wurde wohl darin deutlich wie mehr sich meine Frau von ihm distanzierte. Vielleicht sah sie in ihm, was er wirklich war, vielleicht hat sie mir mehr als einmal versucht zu verstehen zu geben, welche Gefahr von meinem Freund ausging, doch wann immer wir über ihn sprachen war ich nahezu taub für ihre Worte. Um diese Spanne meines Lebens abzuschließen: Es kam wie es kommen musste und ich verlies meine Familie. Shatei zog es nach Paris und ich konnte mich dem Wunsch, ihn zu begleiten nicht erwehren, wie sehr ich es auch versuchte. Und ich schwöre, ich habe es versucht. Unruhen wurden laut und ihre Nachricht erreichte schnell den Handelsort. Auch uns ging es zunehmend schlecht als die Handelskrise 1948 auf uns zu raste. Viele befürchteten eine zweite Revolution, wie sie die halbe Welt schon 1789 in Atem gehalten hatte und als es schließlich zu gewalttätigen Aufständen und a Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern und Bürgern mit der französischen Armee kam, war Shatei nicht mehr zu halten, die Stimmen meiner Frau und meines Vaters um so lauter. Doch ich ging mit ihm. Natürlich behielt ich Recht, als ich sagte, wir würden gewiss erst Paris erreichen, wenn alles vorbei wäre. Louis-Philippe's Regierung fand ihr Ende und die Republik wurde ausgerufen. Ich erlebte eine Zeit des Wandels und der Neuerungen mit. Etwas, das ich Shatei nie vergessen werde. Doch natürlich konnten mir jetzt die allzu deutlichen Eigenarten meines Freundes nicht mehr entgehen. Wir reisten in einer mit Vorhängen vermummten Kutsche, die Vorhänge waren bei Tage dicht zugezogen und durften nicht geöffnet werden. Er versuchte mir eine seltene Hautkrankheit glaubhaft zu machen, die ihn unangenehm sensibel auf Sonnenlicht reagieren ließe. Ebenso hätte er äußerst empfindliche Augen. In Frankreichs Hauptstadt angekommen hatte er darauf bestanden, zwei Hotelzimmer zu beziehen und zu zahlen, auch wenn ich noch so sehr dagegen argumentierte. Er verschlief jeden Tag, so dass ich mich schnell daran gewöhnte die Tage alleine in Paris' Straßen zu verbringen, was mir all zu bald viel zu viel Zeit zum Nachdenken gewährte. Ich begann, Shatei skeptisch zu beobachten und das entging ihm nicht im Mindesten. Ganz im Gegenteil, schien er genau das zu erwarten und schnell wurde auch mir klar, er wollte mir sein Geheimnis nicht verraten, ich SOLLTE es selbst lüften. Natürlich waren mir alle Vermutungen, mit denen ich der Wahrheit nahe kam zu abwegig, als dass ich an ihnen hätte festhalten wollen, auch wenn ich gewiss nicht selten immer wieder in die selbe Richtung schwenkte. Gewissheit über das was er war und das 'aufklärende' Gespräch erhielt ich in der Nacht des 24. auf den 25. Juni, nachdem auch mich, wie weit über 3000 weitere Aufständische eine Kugel der Nationalgarde traf. Meine Familie hatte nach wenigen Tagen die Nachricht meines Todes in Händen, der jedoch durch nur wenige Tropfen von Shateis verfluchtem Blut verhindert wurde. Ich war kein Untoter, wie er. Ich dürstete nicht nach sterblichen Blut und musste mich nicht vom Sonnenlicht fern halten. Ich hörte nicht auf zu altern, ich alterte lediglich sehr viel langsamer und hätte mein Körper je die Chance dazu erhalten, das Vampirblut gänzlich zu verarbeiten, vielleicht wäre ich auch wieder zu einem ganz normalen Menschen geworden und alt und grau irgendwann irgendwo eingeschlafen und nie wieder aufgewacht. Doch meine Zuneigung zu Shatei stieg noch so weit es möglich war. Ich war abhängig von ihm, süchtig nach seiner Nähe, seinem Blut und dem Gefühl, dass es auslöste sobald es auch nur meine Lippen benetzte. Wir verließen Frankreich und bereisten Europa in östlicher Richtung, und sehr bald schon verstand ich, was Shatei suchte. Nicht Ablenkung, Neuheiten, etwas, dass sein unnatürlich langes Leben ausfüllte, sondern das, was jeder x-beliebige Romanvampir sucht: Seinesgleichen, die ihm Antworten geben könnten. Wir begegneten einigen von Ihnen und schnell musste ich mich daran gewöhnen, dass ich in ihren Augen nicht mehr war, als Shateis Diener und Blutwirt. Am Leben erhalten durch sein Blut war ich dazu verpflichtet, ihm mein Blut und alles was er sonst noch von mir verlangen mochte, zur Verfügung zu stellen. Wenn man ignorierte, dass er sich seiner umgarnenden Wirkung, die er nutzte um einen um etwas zu bitten, vollauf bewusst war, könnte man standhaft aussagen, er hatte mir stets die freie Wahl gelassen. Nicht dass bis dato körperlich auch nur annähernd etwas anderes als der Blutaustausch zwischen uns stattgefunden hätte, das möchte ich an dieser Stelle gerne betonen. Erst als wir 1881 nach Calais zurückkehrten wurde mir schmerzhaft bewusst, dass ich kaum gealtert war. Ich mochte vielleicht in dem Körper eines 26-Jährigen stecken, nicht jedoch die 50 überschritten haben, wie Chantal, von der wir erfuhren, dass sie im sterben lag. Mir zog es schmerzhaft das Herz in der Brust zusammen und wie brutale unnachgiebige Hammerschläge gingen die Erinnerungen an die vielen Male, die ich sie in den letzten Jahren mit anderen Frauen betrogen hatte auf mich hernieder. Keiner erkannte mich wider. Wie auch? Ich war tot. Und 33 Jahre waren eine äußerst lange Zeit. Ich bat bei einem Herrn, der ,wenn auch nur wenig aber doch augenscheinlich, älter war als ich, darum bitten, zu meiner Großcousine wer-weiß-wievielten Grades vorgelassen zu werden, und musste feststellen, dass ich meinem eigenen Sohn gegenüber stand. Den bitteren Nachgeschmack dieser Begegnung werde ich wohl nie wieder loswerden. Ein Priester war der einzige, der noch am Bett meiner sterbenden Frau stand und leise Gebete murmelte. Ihr trüber Blick fand mich und klärte sich sichtbar auf, während ihre Augen sich weiteten. „Bernard....“ Ihre Stimme war ein leises heiseres Flüstern, doch lauter als ihr Rasselnder Atem und somit unüberhörbar in diesem kleinen stickigen Raum. Der Priester sah verwundert auf und ich stellte mich ihm unverzüglich mit leiser Stimme als der vor, der ich vor meinem Sohn zu sein vorgegeben hatte. Sie würde uns jeden Augenblick verlassen, ihre Kinder und Enkelkinder könnten dies leider nicht mit ansehen, doch er würde sich freuen, wenn ich, als Verwandter, bei ihr bleiben könnte, bis es vorbei sei. Meine Bitte an ihn, und allein zu lassen schien ihn sehr zu überraschen und gewiss auch nicht wenig zu verwirren, doch er kam ihr nach. Milchiges Grün schimmerte in den einst so smaragdfarbenen Augen . „Bernard.... du bist gekommen...um mich abzuholen. Endlich...“ Ich nahm ihre Hand, die Kehle wirkte mir wie zugeschnürt und lies meine Stimme ebenso heiser klingen. „Es...tut mir alles so schrecklich leid, meine Liebe.“ Ewigkeiten schienen zu vergehen, ihre Hand war eiskalt in der Meinen. Die Haut wie dünnes Pergament. Ich hatte Scheu, sie mit der kleinsten Bewegung meiner Finger zu verletzen. „Du bist so jung und warm und ich.... schau mich nicht an Bernard...“ Zaghaft strich ich hier über die Wange, Tränen verschleierten meinen Blick. „Nein...nein meine Schöne. Du bist so umwerfend, so strahlend schön, wie eh und jeh...“ „Schmeichler....“ Sie atmete zittrig durch, als müsse sie sich zu etwas durchringen, dann fixierte mich ihr Blick, der sich weiter aufzuklären schien. „Du hast nicht....auf mich gehört. Er hat aus dir gemacht...was auch er ist. Dieses....Monster...“ Ich spürte, wie sie unruhig wurde und versuchte sie mit meiner streichelnden Hand und einem Lächeln, dass mir gewiss kläglich misslang so sehr wie der Schmerz mich aufwühlte, zu beruhigen. Es gelang mir entgegen meiner eigenen Annahme. „Verzeih mir....“ War das einzige, was ich hervor würgen konnte, bevor meine Stimme wegbrach. Sie musste mich hassen. Sie würde Sterben, mit Wut auf mich als ihren letzten Gedanken. Eine zittrige, knochige Hand legte sich an meine tränennasse Wange. „Seit sie mir die Nachricht deines Todes gebracht haben, habe ich mir jeden Tag eingeredet, du seist am Leben, und einfach nur auf Reisen. Das war leichter zu ertragen, wusste ich doch immer, dass du irgendwann mit einem deiner Handelsschiffe auslaufen und nicht zurückkehren würdest, bis du nicht genug gesehen hättest. Ich bin so unendlich glücklich, dass die Illusion, die ich mir geschaffen habe... die Wahrheit ist....“ Sie wollte noch etwas sagen, ich hielt sie besorgt, nein, verängstigt, davon ab. Sie war zunehmend blasser geworden, ihre Worte immer leiser. Es kostete sie zuviel Kraft, zu sprechen. Ihre Lippen bewegten sich noch einmal, dann wich das Leben aus ihren Augen, und ihre Hand fiel von meiner Wange. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich an ihrem Bett geweint habe. Ich weiß nicht, wie Shatei es geschafft hat, mich in ein Schiff zu schaffen oder wie lange ich nur zwischen schlafen und weinen wechselte, bis ich wie nach einer langen fiebrigen Krankheit, mit tauben Gliedern und einem furchtbaren Geschmack in einer schaukelnden Hängematte unter Deck erwachte. Es stank durchdringend nach Meerwasser, Fisch, Schweiß und Unrat. Ich quälte mich aus der Hängematte, trat scheinbar nicht richtig auf und landete der länge nach schmerzhaft hart auf dem feuchten Holzboden. Leise fluchend rappelte ich mich auf und sah mich um. Der kleine Raum in dem noch ein paar Kisten und Säcke verstaut waren, war verlassen, ich fand leider keine Wechselkleidung und stieg somit Gekleidet in der schlabbrigen bestimmt mindestens eine Nummer zu großen Hose und dem nahezu aufgetragenen Hemd aus grober Baumwolle, die steile Treppe hinauf an Deck. Das Schiff war nicht wirklich groß, jedoch auch alles andere als eine kleiner Fischkutter. Nur wenige Matrosen waren an Deck beschäftigt, Shatei stand vor einem sternenklaren Nachthimmel an der Reling, den Blick auf das weite Meer gerichtet. Meine erste Schifffahrt und ich kann mich bedauerlicherweise nur an diese und die darauf folgende Nacht, in der wir bereits an der Englischen Küste anlegten erinnern. „Du hast dich aufgeführt, wie ein Geisteskranker. Ständig hast du geschrien und geweint, bis du vor Erschöpfung eingeschlafen bist. Mehr als zwei Tage sind so vergangen, bis du dann angefangen hast, zu fiebern. Bei dem scheußlich kalten Wetter in letzter Zeit kein Wunder. Glaub mir, es fiel mir nicht einfach, aber so sehr du gebettelt hast, habe ich dir mein Blut dennoch verweigert. Wir können uns beide glücklich schätzen, dass die Matrosen nichts bedeutendes von deinem ohnehin zusammenhanglosen Fieberwahn-Gebrabbel mitbekommen haben. Die letzten Tage hast du dann, dem Himmel sei dank, in komatösem Tiefschlaf verbracht. Wir erreichen morgen York.“, war Shateis knappe Schilderung der bisherigen Vorfälle. Ich war mir unschlüssig, ob ich über sein Verhalten wütend sein sollte, doch andererseits fiel es mir unglaublich schwer. Es war wirklich unglaublich kalt. An sich kein Wunder, im Winter auf See, glücklicherweise wurde ich minutenschnell mit warmer frischer Kleidung ausgestattet und mir fiel nun auch erstmalig auf, dass Shatei eine schlichte Stoffhose und ein äußerst dünnes Hemd mit weiten Ärmeln trug. „Du beschwerst dich über meine Worte im Fieber und stehst hier in Sommerkleidung bei Minustemperaturen. Entbehrt dies nicht einer gewissen Logik, mein Freund?“ Er hatte mir viel erklärt. Sehr viel. Ich muss also gestehen, er ist -oder war zumindest derzeit- ein ausgezeichneter Lehrmeister im Punkto Vorbereitung auf ein unsterbliches Leben. Doch die Dinge, die die geistigen Kräfte betraf, Präsenz, Verschleierung, Gedanken lesen sowie die eigenen schützen, sickerten durch mein Gehirn, wie durch ein Sieb. Erst einige Monate später habe ich begonnen mich eingehend damit zu beschäftigen. Hier also beginnt die eigentliche Geschichte. Ich war bereits ein Vampir, als wir im Jahr 1935, nachdem wir Europa noch einige Male verlassen und wieder betreten hatten, nach Schottland kamen und uns somit auch bald unweigerlich vor den Toren dieses Schlosses wieder fanden. Nicht dass wir nicht beide zuvor schon gespürt -gewittert- hätten, dass hier mehr als nur eine handvoll Vampire lebten, wir hatten auch mehr als oft genug in anderen Ländern von unseresgleichen von diesem Schloss und seinem Schlossherrn Andrea Lecrois gehört. Was immer uns abgehalten hatte, ich möchte die Bekanntschaft zu Andrea in meinem Leben nicht missen, jedoch hätte ich mir gerne die Erfahrung mit Shatei auf entgegengesetzten Seiten zu stehen, erspart. Andrea war genau das, wonach wir all die Jahrzehnte gesucht hatten. Er wusste so viel. Vielleicht nicht alles, dennoch schien sein Wissen unerschöpflich, und umso unendlicher die Informationen in dieser Bibliothek. Die Monate in denen ich Shatei nahezu überhaupt nicht zu Gesicht bekam, waren für uns so unbedeutend kurz als wären es wenige Tage gewesen in denen unsere Interessen auseinander und unsere Wege in verschiedene Richtungen in diesem Bauwerk führten. „Ich habe eine Bitte an dich Bernard.“ Andrea stand neben dem Sessel, in dem ich es mir vor einem Kamin bequem gemacht hatte. Ein Stapel Bücher, der bis zur Armlehne reichte, neben mir, eines der Bücher aufgeschlagen in meinem Schoß liegend. Meine Hand brauchte die Geste, mit ihr auf den mir gegenüberliegenden Sessel zu weisen, nur andeuten, damit er die Einladung verstand. Es war so unendlich einfach, mit ihm zu kommunizieren. Meist reichten die wenigsten Worte, nur die Idee einer Geste oder Entgegnung, die wir regelrecht in den Augen des jeweils anderen ablesen konnten ohne uns der Telepathie bedienen zu müssen. Etwas, von dem ich mir inständig gewünscht hätte, dies mit Shatei bewältigen zu können, denn gewiss hätte es später dann nicht annähernd so viele Missverständnisse zwischen uns gegeben. „Wie kann ich dir behilflich sein?“ Die Verwunderung, mit der ich das Wort 'ich' belegte, konnte ihm nicht entgangen sein. Es erschien mir merkwürdig, dass ein Mann wie er, mich um einen Gefallen zu bitten gedachte. Er lehnte sich in dem Polstermöbel zurück, legte die Fingerspitzen seiner Hände federleicht aneinander. „Du magst den Eindruck haben, ich besäße ein unersättliches Erinnerungsvermögen, doch dem ist gewiss nicht so.“ Er machte eine kurze Pause, in der ich, ohne meine Blick von ihm zu nehmen, das Buch beiseite legte. „Ich habe unzähliges aus meinem Leben vergessen und mir ist nur zu deutlich bewusst, dass ich weiter vergessen werde. Mein sterbliches Leben existiert in meiner Erinnerung nur noch schemenhaft. Meine Bitte ist: Hilf mir dabei, verlorene Details wieder zu finden. Es würde mir eine große Freude sein, mit dir gemeinsam alte Karten und Schriften zu studieren, die meiner Erinnerung auf die Sprünge helfen könnten und in Schriftform festzuhalten, was mir nicht wieder entgleiten soll.“ Ich wusste kaum, wie ich der Ehre, die ich empfand Ausdruck verleihen sollte. Ich muss ihn wohl mit vor Euphorie brennendem Blick angestarrt haben. Es waren wunderbare Monate. Und Shatei gesellte sich zu uns und verfolgte unsere Nachforschungen. Nachdem ich so mühselig gelernt hatte damit umzugehen, Leben nehmen zu müssen um selbst zu überleben, fühlte ich mich endlich wieder so lückenlos glücklich, wie lange nicht mehr. Doch natürlich durfte dies nicht von Dauer sein. Andrea begann zunehmend sich zu verändern und ich musste bald erkennen, was mit ihm vorging. Er versank mehr und mehr in seiner eigenen Gedankenwelt. Zog sich immer häufiger zurück. So gehörte ich zu jenen, die die Ankunft einer Hochschwangeren Frau im Vorhof der Schlossruine mit gemischten Gefühlen sahen. Das Wetter war scheußlich, schon die letzten Wochen und würde es auch die nächsten Wochen bleiben. Ich gehörte zu jenen, die instinktiv hinausrannten und ich war derjenige, der sie in das Schloss trug. Sie fieberte, klammerte sich zitternd an mich und lies mich nur wiederwillig los, als ich sie in einem der Zimmer auf ein Bett gelegt hatte. Einige waren mir neugierig gefolgt und der Aufruhr schien auch Andreas Interesse geweckt zu haben. Nachdem nun schon so lange nichts mehr sein Interesse wert gewesen zu sein schien. Auch Shatei war dort, doch er verlies mit allen außer Andrea, Roderique und mir, den Raum. „Ich ... habe solche Angst...“ Das hilflose Wimmern klang umso kläglicher durch das Kältezittern, das zu den Wehen hinzukommend ihren Körper schüttelte. Es war Andrea, der mit einer mir bis dato unbekannten Wärme in den Augen auf die werdende Mutter zutrat, am Bettrand platz nahm und ihr überaus zärtlich einige von Regen und kaltem Schweiß nassen Haarsträhnen aus der Stirn wischte. „Ganz ruhig, Susan. Mein Freund hier ist Arzt. Es wird alles gut werden.“ Roderique trat neben ihn. Er sprach leise mit der jungen Frau, während Andrea am Bett sitzen blieb und ihre Hand hielt. Er wich die gesamte Zeit nicht von ihrer Seite. Der alles umfassende Blutgeruch in diesem Raum, die rot verfärbten Laken, der laute kräftige Herzschlag der von Schmerz und Anstrengung heftig atmenden Mutter, hätten mich in willenlose Raserei stürzen müssen, doch das was ich dort miterleben durfte, die Erinnerung an die beiden vergangenen Male in denen ich einer Geburt, der Geburt MEINER Kinder, hatte beiwohnen dürfen, hielten mich bei Verstand. Ich erlebte diese Szenen vor meinem geistigen Auge erneut, bis ich mir wieder der Realität um mich gewahr wurde. Nachdem Roderique den Säugling warm in weiches Tuch gewickelt und ihn der Mutter in die kraftlosen Arme gelegt hatte, spürte ich Andreas Arm um meine Schultern. „Lass uns bitte allein, Bernard.“ Der Ausdruck in seinen Augen beunruhigte mich, dennoch verlies ich mit Roderique den Raum und erfuhr erst später von Andrea, was weiter geschehen war. Die junge Frau hatte gespürt, dass sie nicht die nötige Kraft finden würde, sich von den Anstrengungen der Geburt zu erholen und hatte ihm, wie immer es ihr gelungen war, das Versprechen abgenommen, den Jungen aufzuziehen. Wie oft habe ich mir die Triaden seiner Verzweiflung anhören dürfen. Der so strahlende, selbstbewusste Andrea, der alles konnte, alles wusste, war am Ende ratlos, als es um ein Kind ging. Es dauerte nicht lange, bis er aufgab und das Kind in meine und Felicitas' Verantwortung gab. Natürlich war er immer wieder mal für das Kind da, doch bei weitem nicht oft und intensiv genug. Wie sehr der Junge seinen Ziehvater doch vermisste. Ich nahm die Rolle seines Lehrers ein, Felicitas die der mütterlichen großen Schwester und so wie er uns beinahe alles überlassen hatte, hätte Andrea uns auch die Erklärung dessen, was wir waren und warum er so vollkommen anders war als wir, überlassen sollen. Ich kann bis heute nicht klar zu fassen bekommen, was mich an dem Verhalten des Kindes nach dem 'klärenden' Gespräch mit Andrea so verstörte, es nahm letzten Endes doch vorerst die richtigen Züge an, das ist wohl das Wichtigste. Ich fühlte mich in der Zeit zurückkatapultiert. Felicitas die Amme, meine Wenigkeit als Mentor, und Andrea ein Vater, der sich kaum Zeit nahm, an den der Junge nur heran kam, wenn er über andere darum bat, dass sein Vater zu ihm kam oder in empfing. Ein Vater, mit dem er ausgewählt höflich sprach. Wenn er ihn ansah so leuchtete mehr Verehrung und Bewunderung in seinen jungen Augen, als Liebe. Shatei beobachte den Knaben meist nur verstohlen und argwöhnisch, wich mir jedoch jedes Mal aus, wenn ich ihn auf ihn ansprach. Ich war wieder einmal so unglaublich blind und sah nicht das Unglück auf das wir zusteuerten. Shatei hatte längst mit vielen Anderen Partei gegen Andrea ergriffen, sie waren gegen das Aufwachsen eines Sterblichen unter ihnen. Ein Kind, das inzwischen zu einem Teenager geworden war, der seine pubertären Launen nicht im Geringsten verheimlichte oder zu unterbinden suchte, stets erpicht darauf, seine Grenzen zu entdecken. Das Verbot Andreas seinem Sohn etwas zuleide zu tun hielt die Vampire davon ab, dem Jungen eine Lektion erster Güte zu erteilen und die seltenen Male, die Andrea ein Machtwort sprach, reichten lange nicht, um ihn in die Schranken zu weisen. Im Gegenteil wurde es nur schlimmer, umso mehr ihm bewusst wurde, dass sein Vater nur noch Zeit für ihn fand, wenn er ihn zu schelten hatte. Sein Trotz richtete sich nun gegen Andrea und alles womit er diesem auch nur die kleinste Gefühlsregung entlocken konnte, war ihm Recht. Vielleicht war ich sogar der einzige im Schloss, der von Andrea erfuhr, wie es nur wenige Jahre später wirklich zwischen ihm und dem bald schon 17-Jährigen jungen Mann stand. Für ihn stand außer Frage, dass er seinen Sohn eines Tages verwandeln und nie von seiner Seite weichen lassen würde. Nie hätte ich Shatei derartige Grausamkeit zugetraut, denn er schmeichelte sich zunehmend bei dem Knaben ein. Umgarnte ihn, wie er einst mich umgarnt hatte und ich war mir schmerzlich sicher, bei ihm würde er weiter kommen, als bei mir, der ich nie auch nur das leiseste körperliche Interesse an Männern hatte empfinden können. Er erreichte sein Ziel: Andrea wurde rasend vor Eifersucht je näher die beiden sich kamen, bis letztendlich die Grenze überschritten war und nicht nur der Körper sondern auch das Herz des Jungen vollkommen auf Shatei geprägt waren. Es kam zu offenen Anfeindungen zwischen zwei Parteien, die sich schleichend aber stetig im Schloss gebildet hatten. Es tat mir so unglaublich leid für alle Beteiligten, dass es nie um Liebe und Sterblichkeit oder Unsterblichkeit des Jungen gegangen war, sondern von Anfang bis Ende nur ein Kampf um Macht und Ansehen gewesen ist. Wie nicht anders zu erwarten, war es Andrea, der Shatei letztendlich mit der Bitte um Frieden entgegentrat und überdeutlich in meiner Anwesenheit so wie der seines Sohnes betonte, wie wenig ihm das Sagen im Schloss bedeutete. Wie viel dafür aber sein Sohn und dessen Glück und Unversehrtheit. Die nächsten Entwicklungen entziehen sich meinem Verständnis. Ich war und bin nicht in der Lage sie nachzuvollziehen. Fakt ist, Shatei verlies das Schloss, ohne ein Wort an mich oder irgendwen, der bereit gewesen wäre, mir mitzuteilen, warum und wohin er gegangen war. Erst als zwei Jahre später unser sterblicher Zögling nach langen Gesprächen, viel Wut, bösen Worten, liebevollem wieder Vertragen und etlichen Argumenten dem Schloss und damit Andrea und uns den Rücken kehrte, kam Shatei zurück. Andrea verschwand spurlos und es setzte sich das Gerücht fest, Shatei habe ihn getötet oder vertrieben. Er widersprach kein einziges Mal, wenn man ihn mit diesen Vorwürfen konfrontierte, grinste überheblich oder zuckte mit abfälligem Blick die Schultern. Nichts lies darauf schließen, dass die Gerüchte nicht stimmten, auch wenn nichts sie bestätigte. Es genügte, um unbändige Wut in mir zu schüren. Zum Teil wegen der Vorwürfe, die auch ich ihm nun machte aber bedeutend mehr noch, weil er nicht mit mir sprach. Ich trieb es bis zum Äußersten und hatte selbst in meinem Schmerz über den Verlust Andreas und seines Sohnes gar nicht realisiert, dass ich mir einen ehemals sehr guten Freund zum Todfeind gemacht hatte. Das Wort Todfeind sage ich, wie ich es meine. Ich wachte aus meinem aggressiven Verhalten ihm gegenüber erst auf, als ich nahezu tot unter ihm lag, sein brennender Blick sich in mich bohrte, während er mir androhte, es zu Ende zu bringen, sollte ich es noch einmal wagen, ihn mit physischen oder psychischen Kräften oder auch nur verbal anzugreifen... Möglicherweise ist das der Grund, warum ich selbst die Gerüchte den Umstand über Andreas Verschwinden geglaubt habe und ihm seit schätzungsweise vier Jahrzehnten aus dem Weg gegangen bin, bis Shatei mich vor drei Nächten..... nein, bis Andrea selbst mich kurz bevor du heute morgen hergekommen bist, aufgesucht hat.t“ Bernard stand von seinem gepolsterten Stuhl auf und kam um den Schreibtisch herum, setzte sich auf die Tischplatte. Er war während er seine Geschichte erzählt hatte mehrmals aufgestanden, unruhig auf und ab gegangen, um sich dann wieder zu setzen und einige Zeit darauf wieder aufzustehen. Auch Joèl hatte seinen Platz irgendwann kurz vor Ende der Erzählung verlassen und war ein paar wenige Schritte hin und her gegangen bevor er sich gegen ein Regal gelehnt und seinen Blick wieder auf Bernard gerichtet hatte. Einige Atemzüge lang herrschte Stille im Raum. Bernards Blick war in keiner Weise erwartungsvoll, und doch hatte Joèl das Gefühl, dass er irgendetwas zu dieser Geschichte sagen sollte. Immerhin hatte er lange genug auf den dunkelblonden Vampir einreden müssen bevor dieser ihm endlich seufzend nachgegeben hatte. Doch alles was ihm zu sagen einfiel kam ihm kläglich dumm vor. Das Schweigen wurde ihm unangenehm und er senkte verlegen den Blick. Er musste die zahlreichen Informationen erst verdauen. In wenigen Minuten hatte er mehr über Shatei erfahren, als all die Zeit, die er bislang schon in dessen Nähe verbracht hatte. Und doch kam er zu dem Schluss, das all dieses neue Wissen ihm nicht im geringsten half, Shatei oder Andrea einzuschätzen. Stattdessen formte sich ein anderer unangenehmer Gedanke in ihm: Würde Shatei Wut darüber empfinden, dass er nicht ihn sondern Bernard gefragt hatte....Hätte Shatei ihm etwas erzählt, wenn er ihn gefragt hätte? „Geh ruhig Joèl. Man sieht dir deutlich an, dass du Zeit für dich alleine brauchst.“ Irgendetwas in Bernards Blick gefiel dem Studenten nicht. Er hatte an einigen Stellen der Geschichte verletzt gewirkt, aber das jetzt war keine Trauer, Schuld, oder Schmerz, die er auf sich bezog.... Es war Mitleid. Aber warum? Er schüttelte den Gedanken ab. Sein Gehirn musste sich jetzt mit etwas anderem beschäftigen. „Ich danke dir....“ Er hoffte, dass sein Lächeln nicht zu kläglich misslang und verlies dann der Raum, um in seine eigenen Gemächer zurückzukehren. Bis Sonnenuntergang würde er ganz allein für sich und seine Gedanken Zeit haben, nur unterbrochen, von Felix, der ihm wohl zweifellos etwas zu Essen vorbeibringen würde, sobald er, wie auch immer er das stets machte, erfahren würde, dass Joèl wach war. Shatei und er waren schnell übereingekommen, dass sie Felix einweihen mussten, damit Joèl sich nicht stets auffällig in die Küche schleichen musste. Tatsächlich fand er nichtmal eine volle Stunde schlaf, bevor er wieder aufwachte und unruhig in seinen Zimmern herumlief. Irgendetwas wühlte ihn zunehmend auf. Das ungute Gefühl, dass sich etwas tat, das ihm ganz und gar nicht behagte. Es lag eine merkwürdige Spannung in der Luft, die nicht nur von Shateis und auch Bernard eigentümlichen Verhalten herrührte. Plötzlich und ohne genau zu wissen warum, landeten seine Gedanken bei Erique. Er hatte weder ihn noch den Professor seit drei Nächten gesehen. Waren sie abgereist und hatten ihn zurückgelassen, weil sie alle glaubten, er sei selbst ein Untoter? Oder war ihnen vielleicht etwas... Nein! Diesen Gedanken durfte und wollte er sich gar nicht erst erlauben. Die Sonne war mittlerweile untergegangen und Joèl verlies festen Schrittes sein Zimmer. Wem immer er begegnen würde, es war ihm Recht. Er brauchte Ablenkung von dieser Achterbahnfahrt, die seine Gedanken da machten, denn mittlerweile war er geistig so durchgeschleudert, dass er das Gefühl hatte, in einer anderen ihm nahezu vollkommen unbekannten Sprache zu denken von der er nur hier und da ein Wort ohne jeglichen Zusammenhang aufzuschnappen in der Lage war. Dass er ausgerechnet in Erique hineinlaufen würde, hatte er am wenigsten erwartet. Er stutzte kurz, legte gerade seine Maske auf, als sie sofort wieder abfiel und einem Ausdruck absoluten verständnislosen Erschreckens platz machte. Erique stand vor ihm mit einem Glanz in den Augen, der alles andere als normal, oder überhaupt von menschlichem Verstand geprägt war. Sein Grinsen war beängstigend, den Kopf hatte er leicht zur Seite gelegt. „Joèl, mein Liebster, was hast du denn? Du siehst so erschrocken aus.“ Wer immer das dort vor ihm war, das war nie und nimmer Erique. Nicht sein Erique! Sein Grinsen wurde noch ein wenig breiter und es fiel Joèl wie Schuppen von den Augen. „Nein.....nein......“ , nur leises Murmeln drang über seine Lippen. Der neugeborene Vampir kam langsam näher. Irgendetwas in diesen blauen Augen war abgrundtief bösartig, wenn auch überlagert und nahezu verschleiert von Wahnsinn. „Wir werden jetzt für immer zusammen sein, Joèl. Ich bin jetzt wie du. Ich bin dir gefolgt, jetzt kannst du mich wieder lieben, nicht wahr? Jetzt brauchst du keine Angst mehr um mein Leben zu haben.“ Er wich stolpernd rückwärts. „Shatei!! Shatei du verdammter Mistkerl, ich weiß genau dass du mich hörst!! Dafür wirst du bezahlen du Teufel! SHATEI!!!“ Erique blinzelte verwirrt. Ansonsten tat sich nichts in ihrer Nähe. Gnadenlose, blutrote Wut überlagerte den Schmerz über das, was Joèl soeben erfahren hatte. Er stürmte, Erqiue ignorierend, an diesem vorbei. Instinktiv fand er die Flügeltür, stieß sie auseinander und betrat Shateis Privaträume. Der Vampir stand Mitten im Raum, die Arme verschränkt, den Blick zur Tür gewandt, als habe er ihn erwartet. „Du verdammte Ausgeburt der Hölle, was hast du mit ihm gemacht! Wir hatten eine Abmachung, wenn ich dir schon sonst nichts positives zugetraut habe, so doch, dass du ein wenig Ehre im Leib hast. Hast du das nicht selbst gesagt!? Du hälst dich an einen Deal! Ein Versprechen, auch wenn du sonst nur lügst?“ Joèl schrie und prügelte tobend mit seinen Händen auf den Brustkorb des Vampirs ein. Er war zu blind vor Wut, als dass er gezielt hätte zuschlagen können. Shatei tat nichts, um ihn abzuhalten, sagte nicht einmal etwas. „Er war es nicht.“ Das war nicht die Stimme des Schwarzhaarigen. Joèl hielt mitten in der Bewegung inne und hielt den Atem an. „Er war es nicht.“, wiederholte die Stimme. Joèl drehte sich herum. Andrea hatte in einem der ledernen Sessel der Sitzgruppe gesessen und stand nun auf. Sein Haar trug er heute offen. Er tat nur einen einzigen Schritt auf sie beide zu, blieb dann wieder stehen und fixierte Joèls Blick. „Ich war es. Ich habe Erique getötet und ihm mein Blut gegeben.“ Unfähig sich zu rühren, starrte Joèl in die beiden eisblauen Kristalle vor ihm. Er nahm am Rande seines Bewusstseins die glühende Spur wahr, die eine einzelne heiße Träne auf ihrem Weg über seine Wange nach unten zog. Sein Körper begann zu zittern und die Knie wurden ihm weich. Er spürte kräftige Hände an seinen Oberarmen, die ihn aufrecht hielten, spürte eine stählerne Brust hinter seinem Rücken, die ihn zusätzlich stützte. Ihm ein vages Gefühl von Sicherheit gab. Seine Gedanken begannen zähflüssig wieder zu fließen, wieder verständlicher zu werden. Darum also hatte Shatei ihm so eindringlich versucht begreiflich zu machen, dass er sich erhoffte, Joèl würde sich von ihm helfen lassen. Doch warum war Andrea hier, wenn die beiden sich doch so sehr hassten? Warum war Bernard gerade heute bereit gewesen, ihm diese Geschichte zu erzählen? Hatten sie all dies vielleicht gemeinsam geplant? War das alles ein Spiel, dass sie alle gemeinsam mit ihren drei Opfern spielten? Oder tat er Shatei nun unrecht, so wie Bernard ihm einst unrecht getan hatte. Hatte ihm Bernard deshalb alles erzählt, um ihm unterschwellig einzubläuen, nicht dasselbe zu tun? Aber warum Andrea? War sein erster Eindruck von dem Mann so falsch? Konnte jemand wie Bernard eine so enge Freundschaft und Sympathie zu jemandem aufbauen, der im Grunde grausam und bösartig war? Oder war Bernards gesamte Geschichte vielleicht nur eine Lüge? All diese Fragen, all die Emotionen in ihm, diese so drastisch veränderter Situation waren einfach zu anstrengend. Er hatte nicht mehr die Kraft. Zu wenig Schlaf, zu viel Unruhe. Er wollte einfach nicht mehr denken. Flehte geistig um eine Pause! Geistig? Ihm war als könne er seine eigene Stimme wimmernd diese Bitte in Worte fassen hören, lies sich vollkommen in Shateis Umarmung sinken, so dass er gewiss wie ein nasser Sack zu Boden fallen würde, sobald dieser ihn losließe, dann klappten seine Augenlider zu und kurz umhüllte ihn ein angenehmes Schwindelgefühl, dann endlich Stille.... Kapitel 8 - "overdue avowal" ---------------------------- Kapitel 8 – ‚overdue avowal‘ Mit ausdruckslosem Blick betrachtete Andrea den bewusstlosen Jungen in Shateis Armen. "Er wird nicht lange ohne Bewusstsein bleiben. Schade für ihn." "Ich höre seinen Herzschlag auch. Spiel dich nicht so auf!" Shateis Blick bohrte sich hasserfühlt in den seines Gegenüber. Mit einer unbeeindruckten Handbewegung winkte Andrea ab. "Es kommt jetzt auf dich an. Ich hoffe für euch beide, dass du so weit bist..." Ein Tonfall, der Shatei in der Tat für einen Moment inne halten lies. Mitgefühl? Von Andrea? Seit er zurückgekehrt war benahm sich der 'ehemalige' Schlossherr schon so merkwürdig. Diese Ruhe, die schon mehr Gleichgültigkeit glich, hatte einen seit jeher zur Weißglut treiben können, doch nun war diese Ruhe begleitet von geduldiger Fürsorge. Andrea verließ den Raum mit den Worten, sich um 'seinen' Schützling kümmern zu wollen. Shatei war es egal, ob er damit nun Erique oder Alexander meinte. Hier und jetzt zählte nur Joèl. Joèl, der, wenn er diesen Schock zu überwinden in der Lage sein würde, nun vielleicht wirklich 'sein' sein konnte. Behutsam legte er den jungen Mann auf der Couch ab und nahm selbst in einem Sessel, den er so drehte, dass er ihn besser betrachten konnte, platz. Wie unzählige Male zuvor wanderte sein Blick über die Gesichtszüge des Studenten, prägte er sich jeden Milimeter genau ein. So vollkommen entspannt in seiner Ohnmacht lies nichts die Qualen, Wut und Trauer erahnen, die gleich, wenn er die Augen aufschlug wieder über ihn hereinbrechen würden. "Es tut mir so leid Joèl..." Ein leises Flüstern, eigentlich nur für sich selbst bestimmt und doch öffnete der angesprochene beim Klang seines Namens flackernd die Augen, antwortete ebenso flüsternd. "Gesetz den Fall, dass du dazu in der Lage bist, ändert es ja doch nichts." Heiße Tränen fanden sofort ihren Weg über seine bleichen Wangen. Der 23-Jährige setzte sich ruckartig auf, verbarg mit einem gequälten Schluchzen das Gesicht in den Händen. In zähflüssiger Endlosigkeit dahinfließende Sekunden starrte Shatei den vom Weinen bebenden Körper an, unfähig etwas zu sagen oder zu tun. Nie zuvor - seit er seine Sterblichkeit verloren hatte- hatte er sich so hilflos gefühlt. Ihm blieb nichts weiter, als geduldig abzuwarten, bis Joèl sich von alleine beruhigt hatte. Es war gut so. Er gab sich dem Schmerz hin. Er verlieh ihm Ausdruck und schluckte ihn nicht herunter. Vielleicht würde es mit seiner Wut auch so verlaufen. Shatei würde es hinnehmen. Er musste. Doch egal wie sehr er auf ihn einhieben würde, egal welche Beschimpfungen er ihm entgegenwarf, es würde nichts ändern. Je länger Shatei den Jungen betrachtete, je länger er über ihn und die gegenwertige Situation nachdachte, desto schneller stieg sein Respekt vor ihm. Wie viel, fragte er sich, konnte der Verstand aushalten, bevor er unter der Last von Emotionen zusammenbrach? Der Last von Schicksalsschlägen und Verlusten? Erst der Betrug seiner großen Liebe, dann die Erkenntnis dass alles woran man geglaubt, was das eigene Realitätsempfinden ausgemacht hat, falsch war. Die Angst vor dem was vor einem lag. Umgeben von Monstern in einem Spukschloss, dem Tod näher als der Chance auf Überleben. Wie hatte wohl der Kampf in Joèl ausgesehen, als er sich dagegen entschied, für sich selbst zu flehen und stattdessen für Erique und Rendall unter Einsatz seines Lebens, schlimmer noch: Seiner Freiheit, in einen Kampf zu ziehen? Hatte er diesen selbst überhaupt bewusst wahr genommen, oder schlichtweg in einem Moment gewusst, was er zu tun entschied? Und nun der Verlust des Liebsten für den er dies alles getan hatte. Was mochte er gerade empfinden? Wut auf Andrea, weil er Erqiue gebissen hatte? Wut auf Shatei weil er es nicht verhindert hatte oder auch weil er Joèl mit ihrer irrsinnigen Wette von Erique entfernt hatte, sie daher nicht reden konnten? Weil Erique sich nur wegen dieser Wette dazu entschlossen hatte? Vielleicht auch ein wenig Wut auf Erique? Und Alexander, der sie überhaupt erst hierher gebracht hatte? Schmerz über den Verlust Eriques? Verzweiflung, weil all die Nächte des Schauspielens und der Angst des Entdecktwerdens vergebens waren? Hoffnungslosigkeit? Worin lag seine Hoffnung? Nur in der Rettung Eriques? Ein bitterer Geschmack stieg in Shatei hoch bei dem Gedanken, dass Joèl nun wohl mehr über seinen unschuldigen reinen Erique erfahren würde als gut für ihn war. Minuten später beruhigte sich der Student. Das Beben wich einem stetigen, schwachen Zittern. Das Schluchzen verebbte vollends, nur die Tränen wollten nicht versiegen. Lautlos rannen sie über die bereits benässten Wangen, gerötete Augen blickten verschleiert in Shateis Richtung. Fragen, Vorwürfe, Bitten um Hilfe. Diese Augen bombadierten den Vampir so unbarmherzig, das ihm zu schwindeln drohte. "Warum?" Seine Stimme klang belegt und schwach. Dieses eine Wort, diese kurze Frage, drückte so unendlich viel aus. "Bedauerlicherweise kann ich dir nur zur Antwort geben, was Andrea mir sagte. Er habe es zu deinem Wohle getan, was immer das in seinen Augen sein mag." Auch er bemühte sich um einen ruhigen doch sicheren Ton. "Zu meinem Wohl? Andrea hat all meine Ängste der letzten Tage damit noch übertroffen. Hast du Erqiue gesehen? Hast du seine Augen gesehen?" Unaufhaltsam rannen wieder mehr und mehr Tränen über das, durch Erschöpfung zu keiner Regung mehr fähige Gesicht. Die Stimme immer wieder wegbrechend. Jahrzehnte lang hatte sich Shatei nicht mehr so unwohl in seiner Haut gefühlt. Er schüttelte nur benommen den Kopf. Nein, er hatte Erqiue noch nicht gesehen, doch er konnte sich das Ergebnis der Verwandlung nur zu gut vorstellen. Ein neugeborener Vampir, beherrscht von Blutdurst hätte Joèl schockiert, ihn vor Entrüstung rasen lassen, ihn auch verletzt, doch so vollkommen zerschmettern konnte ihn gewiss nur das, was Shatei von vornherein gewusst hatte. Seit Shatei Andrea kannte, hatte kein Verstand es vermocht die Wirkung seines Blutes zu verarbeiten. Sie waren alle unmittelbar nach der Verwandlung dem Wahnsinn verfallen. Manche mehr manche weniger, doch Wahn blieb Wahn. Andrea fand Alexander wie üblich in seinem (nun alleinigen) Zimmer, in einem Sessel, den Blick in die Leere gerichtet. Drei Nächte waren nun seit dieser furchtbaren Offenbarung vergangen. Oder waren es vier gewesen? Wenn er ihn so sah, machte der Professor ihm wirklich Sorgen, doch kaum hatte er die Tür hörbar zugezogen, zuckte der 39-Jährige zusammen und wandte ihm seinen Blick mit der üblichen Mischung aus ängstlichem Respekt und schwer gezügelter Neugier zu. Wobei dort seit jener Nacht Erleichterung über Gesellschaft und eine tiefe Traurigkeit begraben unter einem falschen Lächeln mit schimmerten. "Wohl der Nacht, Alexander." Mit einem Kopfnicken erwiderte er den Gruß. "Du siehst besser aus, hast du endlich etwas Schlaf finden können?" Geschmeidig lies sich Andrea in den zweiten Sessel gleiten. "Das Schlafmittel, dass du mir hast bringen lassen, hat mir gute Dienste erwiesen, aber ich bin wohl noch weit davon entfernt, wirklich wieder auf dem Damm zu sein." Zwei Herzschläge vergingen in Schweigen. "Du willst das Thema immer noch meiden?" Andrea betonte es zwar, wie eine Frage, doch es war, was es zu sein hatte: Eine Feststellung dessen, was er aus Alexanders Geist wusste. "Unterhalte dich mit mir über Geschichte, Politik, Philosophie und Religion, doch bitte gestatte mir, noch ein wenig Kraft zu sammeln, bevor ich mich dem Unweigerlichen stelle." Ein sanftes Lächeln brachte ein wenig Lebendigkeit in die marmornen Züge des Vampirs. Alexander wäre ein solch vortrefflicher Kandidat für die Unsterblichkeit. So aufgeschlossen, interessiert, sein Wissensdurst schien unstillbar. Die Stärke, die er hier an den Tag legte war unfassbar. Doch der Damm würde brechen. Andrea wusste nur zu genau, wie es im Innern seines Gesprächspartners wirklich aussah. Der tobende Strudel aus Trauer und Wut wurde derzeit nur von einer starken Schutzmauer aus Verstand in seinem Innern gehalten. Denn wenn sich der Professor einer Sache gewiss war, dann der, dass er wohl nicht noch einmal 'wach' werden würde, würde er sich derzeit wieder in seinen Emotionen verlieren. Wie ein Bibliothekar inmitten einer von einem Erdbeben zerrütteten und durcheinandergebrachten Bücherei mit der Aufgabe ein neues Register zu erstellen, versuchte er mit Logik die ersten 'Gefühlsfetzen' zu analysieren und zu verarbeiten, bevor er sich an den komplizierten Stoff heranwagte. Nein, Andrea erkannte in diesem Moment ein furchtbar gravierendes Argument dafür, dass Alexander sich absolut nicht zu einem Untoten eignete: Sein unerschütterlicher Lebenswille. Egal wie oft ihm die Fragen 'Was ist denn noch Lebenswert?', 'Hast du nicht schon alles verloren?', 'Warum beendest du es nicht, wo das doch so viel einfacher ist?' und 'Was hält dich noch hier?' durch den Kopf schossen, er lies nicht zu, dass der Damm brach. Drängte all die Dämonen beiseite und suchte verbissen weiter nach einem Lichtblick. Allmählich durchschaute er Alexs Taktik und Denkweise. Bevor der Sterbliche nicht etwas gefunden hatte, von dem er wusste, dass es ihn bei Verstand halten, oder ihm zumindest den Weg zurück zu seinem Verstand leuchten würde, gab es kein Gespräch über oder gar mit Erique. So viele Jahre hatte Andrea kein Mitgefühl mehr verspürt und nun wurde ihm mulmig bei dem Verlangen Alexanders unterbewusstes Rätzeln zu beenden. Rätzeln darüber, was aus seinem 'Engel' geworden war. Die Vorstellungen des 39-Jährigen schwankten und variierten ganz massiv über alle Nuancen zwischen den Extremen. Einem engelsgleichen Geschöpf, wie er Andrea sah, anmutig, kühl, unerreichbar, über Vampire wie Riccardo, freundlich, beinahe natürlich, wenn auch gefährlich, bis hin zu den 'Monstern' nur bestimmt von ihrem Blutdurst und dem Drang nach Zerstörung und Leid Anderer. Er wusste, Alexander würde nicht gefallen, was die Realität bereithielt, doch zumindest würde dann diese verdammte Ungewissheit ein Ende haben. Er musste sich von Erique los sagen, der auch ohne Verwandlung mehr Gift als Heilmittel für die beiden ihn so sehr Liebenden war. Alex hatte ihm diese Frage noch nicht gestellt, Joèl würde dies im ersten Moment in dem sich ihm die Gelegenheit bieten würde tun. 'Warum?' Wollte er ihnen die Antwort geben? Er entschied sich dagegen. Sie würden es selbst herausfinden. Ganz gewiss. Dies war zwar die unangenehmere und langwierigere Methode, jedoch aber die wirksamste. Seine Aufgabe nach diesem 'Vergehen' saß ihm hier gegenüber. Er würde Alexander nicht aufgeben lassen, sich aber nur dann einmischen, wenn es unvermeidbar war. Jahrzehnte als Sterblicher unter Bluttrinkern und nie zuvor hatte Felix um sein Leben gefürchtet. Bis jetzt. Dieser ‚Neugeborene‘ war unberechenbar und selbst die drei Vampire, die sich mit ihm im Raum befanden, mit Seitenblicken darauf achtend, dass Erique Felix nicht zu nahe kam, konnten ihn nicht wirklich beruhigen. Möglichst schnell verrichtete er seine Arbeiten, hielt dann jedoch jäh inne und begann ganz im Gegensatz dazu nun besonders langsam und gründlich vorzugehen. Hatte er aus seinen Gedanken erlauscht, dieser kleine Teufel mit dem Engelsgesicht, dass er den Raum und damit ihn baldmöglichst verlassen wollte, oder warum scharwenzelte er jetzt so heimtückisch und bar jeder ersichtlichen Logik vor der Tür herum? Der ältere Herr warf um Hilfe ersuchende Blicke zu seinen drei Beschützern, doch diese schienen zutiefst konzentriert auf ihre eigenen Beschäftigungen. War dies Tarnung für den Jungvampir oder hatte Felix sich zu sehr in seinem Wunschdenken von Schutz verirrt? Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und atmete bewusst und tief durch. Sein Herzschlag war für die Bewohner dieses Schlosses gewiss noch in den Etagen über und unter ihm dröhnend dahingaloppierend hörbar. Er hatte Shatei so viele Jahre gedient, war schon Teil des Schlosses als Andrea sich noch nicht zurückgezogen hatte. Der strahlende Schlossherr, der nun zurückgekehrt war… der diesen Wahnsinnigen erschaffen hatte. Shatei würde ihn nicht sterben lassen, nicht wahr? Er würde nie zulassen, dass Erique ihm etwas antat! Doch scherte Erique das? Wie viel war von diesem freundlichen Jungen noch übrig? Felix schaute auf, als er ein Kichern vernahm. Die Drei glucksten verhalten während Erique ihn mit schiefgelegtem Kopf ansah und dann laut lachte. ‚Jaja, meine Gedanken sind der Renner, was?‘ Ein Zwinkern des sich bereits wieder beruhigenden 21-Jähringen bevor dieser auf Riccardo zu schlenderte. Felix zog sich tiefer in den Raum zurück. Er konnte nicht verstehen, was Erique sagte, dafür sprach er viel zu leise, doch es blieb kein Zweifel daran, dass Riccardo und auch die anderen Beiden ihn hörten und dass ihnen keinesfalls gefiel, was der Frischling zu erzählen hatte. Spannung lag plötzlich in der Luft. Dieses Kind versuchte doch allen Ernstes sie zu provozieren! Wenige Schritte vor der Gruppe blieb Erique stehen, kichernd, ein diabolisches Grinsen auf den Lippen. Riccardo bleckte die Zähne. Das würde Ärger geben. Ganz gewaltigen Ärger. Felix blick wanderte immer wieder zur Tür. ‚Verschwinde Felix!‘ Der Hausmeister zuckte zusammen, als er Riccardos Stimme in seinem Kopf vernahm. ‚Keine Angst, wir sind schneller und stärker als dieser Welpe. Aber du stehst kurz vor einer Herzattacke, also sieh zu, dass du hier verschwindest.‘ Der ältere Herr schluckte schwer und bewegte sich dann mit bleiernen Schritten auf den rettenden Flur zu. Erst an der Tür angelangt beschleunigte er seine Schritte, wagte erst jetzt, den Blick von den vier Vampiren abzuwenden. Augenblicklich hörte er hinter sich Fauchen und Knurren, dann ein kurzes schmerzhaftes Aufschreien. Er drehte sich nicht noch einmal um. Joèl lag entkräftet auf der Couch. Getrocknete Tränen klebten an seinen Wangen, fahrig rieb er sich die brennenden Augen. „Was willst du nun tun Joèl?“ Eigentlich hatte Shatei sich vorgenommen, ihm mehr Zeit zu geben. Doch die Sorge trieb ihm diese Frage immer wieder zu, bis sie nun aus ihm herausgebrochen war. Er würde ihn nicht gehen lassen können. Doch welche Möglichkeit bliebe ihm, wenn er bleiben würde? Shatei zuckte überrascht zusammen, als er wider erwarten tatsächliche ein Antwort erhielt. Der Student war so voller Überraschungen, seit Ewigkeiten war Shatei nicht mehr zusammengefahren. „Ich will hier heraus. Lebend. Sterblich. Nenn es wie du willst.“ Seine Stimme klang so unglaublich schwach und heiser. Sie erinnerte bald an die von Andrea. Als habe er sie zu lange nicht benutzt, doch war hier das Gegenteil der Fall. Sein Toben, Schluchzen und Schreien hatten seine Stimmbänder strapaziert. „Die Wette läuft weiter. Die Semesterferien enden in vier Tagen. Wenn ich bis dahin weiter alle in dem Glauben lassen kann, ich sei ein Vampir, lässt du mich und Rendall gehen.“ Shatei seufzte. Er wollte ihm widersprechen. Ihm sagen, dass Andrea doch schon lange bescheid wusste. Die Wette verloren war. Aber letztlich hatte auch Shatei durch Andreas auftauchen seinen Teil der Wettbedingungen nicht einhalten können. Er musste ihm also entgegenkommen. Andrea musste als Faktor für Ihre Wette ignoriert werden. „Du bist bewundernswert, Joèl.“ Mehr sagte Shatei dazu nicht und es dauerte noch eine ganze Weile, bis Joèl sich aufsetzte, sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht wischte. „Ich will zu ihm. Du kannst doch sicherlich schnell herausfinden, wo in diesem riesigen Steingrab ich ihn finde.“ Der Vampir schluckte, kannte er Joèl doch gut genug dass seine Wortwahl eine Spitze sein sollte. „Hälst du das wirklich für eine gute Idee?“ Ein feuriger Blick traf die dunklen Augen. Die roten Ränder unter dem Goldbraun, diese Aggression, die unausgesprochene Warnung in seinem Blick von unten herauf, den Kopf leicht geneigt. So stellte man sich einen Vampir vor, kurz bevor er sein Opfer anfällt. „Wenn ich durch die Begegnung mit ihm eine Dummheit mache oder unachtsam werde gereicht dir das nur zum Vorteil. Also halt dich raus!“ Oh er würde ihm gehören. Niemals, niemals würde er ihn gehen lassen. Er wollte ihn viel zu sehr. Und er hatte immer bekommen was er wollte, Mitgefühl für ihn hin oder her. Er würde ja Jahrzehnte Zeit haben, ihm zu verzeihen. Glucksend und Kichernd saß Erique auf einer Fensterbank in einem dunklen selten begangenen Korridor und sah zu, wie die letzten blauen Flecke und blutenden Schnitte von seiner weißen Haut verschwanden. Wohlwissend von der rasanten Heilkraft eines Neugeborenen hatten die drei Vampire ihn über zugerichtet. Ja, sie waren stärker als er, in der Tat. Aber was sollte es? Er hatte sie in Rage gebracht, sie beinahe zur Weißglut getrieben. Er musste ihnen nicht schaden, musste nicht der sein, der am Ende die Oberhand behielt. Er reichte ihm, ihnen ein Dorn im Auge zu sein. Diesen arroganten, engelsgleichen Wesen, die glaubten, ihm seinen Joèl wegnehmen zu können. Ruckartig hob er den Kopf und schnupperte in der Luft. Er witterte Joèl… und Shatei! Doch Shatei entfernte sich wieder. Joèl kam zu ihm. Sein Joèl kam zu ihm! Mit einem breiten Grinsen erwartete er den Studenten, der die Augen leicht zusammenkniff, um in dem schwachen Licht etwas erkennen zu können. „Nettes kleines Versteck hast du dir hier ausgesucht…. Komm mit.“ Er war sich nicht ganz sicher, ob es eine gute Idee war, ihm den Rücken zuzudrehen, atmete bewusst und konzentriert um seinen Herzschlag ein wenig zu beruhigen. Das war die ultimative Prüfung. Er ging den Flur einige Meter hinab und öffnete dann eine Tür hinter der sich ein kleiner Raum mit Kamin und Sitzgruppe befand. Mit langsamen Bewegungen, um das Zittern seine Hände zu verhindern, zündete er die Kerzen, der an der Wand befindlichen Kandelaber an. Auf Erique mussten diese Bewegung wirken, als konzentriere sich Joèl darauf, seine Tätigkeiten in einer menschlichen Geschwindigkeit zu halten. Kaum hatte er das letzte Streichholz gelöscht und war im Begriff, die Streichholzschachtel auf den niedrigen Couchtisch abzulegen von dem er sie genommen hatte, da prallte Eriques eisiger Körper schon gegen ihn. Starke Arme wollten sich um seinen Nacken schlingen, doch Joèl riss instinktiv die Arme hoch und war nicht wenig überrascht, als er feststellte, dass er Erique tatsächlich hatte von sich stoßen können. Dieser schaute ihn einen Moment verdutzt an. Diese Augen. Diese verdammten Augen! „Was soll das? Was hast du?!“ Aggression? Nein, Erique würde ihm nie etwas antun, nicht wahr? Und schon lachte er wieder. Drehte sich im Kreis, die Arme weit von sich gestreckt. „Sieh mich doch an, Joèl. Ist das nicht großartig?“ „Nein, das ist es nicht.“ Joèls ernster und fester Tonfall, lies den Jungen inne halten und ihn fragend betrachten. „Das hättest du nicht tun sollen. Du hättest mit mir reden können, Erique. Du sagst, du hast das für mich getan, aber warum schmeißt du dein Leben für mich weg, wenn du mir nicht einmal mehr genug vertraut hast, mit mir zu reden? Ich wusste, deine Naivität würde einmal fatal werden. Schon als du…“ „Naivität?!“ Ein lautes schallendes Lachen schnitt Joèl das Wort ab. „Wovon sprichst du Liebster? Von den Autorennen? Von Alan. Reden? Zuhören? Beherzige deinen eigenen Rat, mein Schatz, bevor du Anderen Ratschläge erteilst!“ Mit zittrigen Beinen lies Joèl sich in einen Sessel sinken. Diese Nacht war so schon unglaublich anstrengend gewesen, doch hier würde er seine Grenzen überschreiten müssen, dass wurde ihm von Sekunde zu Sekunde deutlicher. „Wie meinst du das?“ Er war müde. So unglaublich müde. Doch auf den Andren musste sein Tonfall wohl wirklich gefasst, ja beinahe gefühllos oder gleichgültig klingen, denn sein Blick warf ihm Entrüstung entgegen. „Nein, mein Herz, du hast ein falsches Bild von mir. Hör auf damit. Du weißt, ich bin dein Erique. Du kennst mich. Schau mich nicht so prüfend an.“ Er wich zurück, die Hände in seine Haare gekrallt, den Kopf schüttelnd. „Kenne ich dich wirklich? Kennst du dich wirklich, Erique? Du hast dich nie auch nur an die kleinste Begebenheit vor unserem Kennenlernen erinnert.“ Woher kam diese Kälte? Joèl war verwundert über sich selbst. Er wollte schreien und weinen, wollte vor Erique zusammenbrechen, ihn an sich drücken und wenn es denn sein sollte, durch seinen Biss sterben. Doch irgendetwas in ihm hielt ihn aufrecht. Drängte ihn weiter. „Das habe ich für dich getan! Alles! Alles habe ich immer für dich getan. Hör auf mich so abzuweisen!“ Was war das? Alles für ihn getan? Sprach er jetzt schon wieder von seiner Verwandlung? Joèl lehnte sich leicht nach vorn, stützte die Unterarme auf seine Oberschenkel. „Was hast du für mich getan, Erique?“ Er widerstand dem Drang, ihm die Affäre mit Rendall an den Kopf zu werfen. Meinte er auch das für ihn getan zu haben? Warum meinte alle etwas für ihn tun zu müssen, was ihm dann nur weh tat? „Du hättest mich nie geliebt! Du hättest mir keine Chance gegeben, so wie ich war! Ich wollte es dir ja sagen, aber als ich sah, wie du auf Alan reagierst….“ Es wurde Joèl zu bunt. Er sprang aus seinem Sessel auf und packte Erique, der sich schon bis an die andere Wand des Raumes zurückgezogen hatte, so als wäre er der Sterbliche und Joèl das Monster in diesem Zimmer, an den Schultern. „Was hat Alan schon wieder damit zu tun?!“ Von jetzt auf gleich schlug der Blick der blauen Augen wieder in Wut um. Ein Fauchen, die Reißzähne bleckend, stieß er Joèl von sich und brachte wieder Abstand zwischen sie. Seine leichte gebückte Haltung, die Zähen immer noch gebleckt, warnten den jungen Mann, ihm nicht noch mal zu nahe zu kommen. „Glaubst du wirklich, er hat mich überreden müssen bei diesen Rennen mit zu machen? Ich habe noch viel mehr getan als ohne Fahrlizenz mit über 200 Sachen über Landstraßen zu heizen! Wer ist hier naiv Joèl? Hm? Glaubst du, Alexander hätte mich verführt? Ein 39-jähriger, von allen als verrückt abgestempelter Professor? Es war der Reiz, erwischt zu werden! Du kennst mich nicht! Du weißt gar nichts!!“ Jetzt war es Joèl der zurückwich. War das möglich? Nein. Nein! Es war das Blut, dass Erique diese Dinge vorgaukelte. Das entsprach nicht der Wahrheit. Er konnte ihm nicht drei Jahre lang etwas vorgespielt haben. Tränen begannen sich wieder in seinen Augen zu sammeln, verschleierten seinen Blick. Er hörte noch, wie Eriques verzerrte Stimme ihm „Jetzt weißt du es, und wenn du mich nicht lieben kannst, wirst du nie wieder jemanden lieben,“ entgegentrug, sah die verschwommene Gestalt auf ihn zu springen und fand sich im nächsten Moment in dem Sessel wieder in dem er zuvor gesessen hatte. Erschrocken wischte er die Tränen aus seinem Gesicht und starrte auf das Bild von Shatei, der Erqiue am Kragen gepackt hielt. Beide mit gebleckten Zähnen. „Rühr ihn noch einmal an, denke auch nur einmal noch daran, ihm ein Leid zuzufügen, und ich werde dich endgültig vom Angesicht der Erde wischen!“ Er schleuderte den Jungvampir in Richtung Tür, wo dieser einer Katze gleich landete und nach einem letzten Fauchen verschwand. „Es tut mir so unendlich leid, Joèl.“ Sein Blick verschwamm. Nein… nein, nicht schon wieder. Wie lächerlich klischeehaft wäre es, jetzt schon wieder das Bewusstsein zu verlieren. Doch dann spürte er eine kühle Hand auf der Stirn. „Hey Joèl, bist du noch bei mir?“ Er schluckte trocken, nickte dann. „Ist das wahr? Du weißt es doch, oder? Hat er mich all die Jahre…?“ „Hat er. Erique hatte mehr als einen Grund, zu behaupten, er könne sich an sein vorheriges Leben nicht mehr erinnern. Ich gebe ungerne zu, du warst einer davon. Seine Gefühle waren – oder sind – echt. Aber das ändert wahrscheinlich nichts?“ Joèl lachte müde. „Wahrscheinlich? Du willst wohl sagen ‚hoffentlich‘! Aber, nein, das ändert nichts.“ Seine Arme legten sich wie von allein um Shateis Schultern. „Lass mich heute Nacht nicht mehr allein. Nimm mich mit zur Jagd wenn es sein muss, aber bleib in meiner Nähe.“ Er wusste, er würde Shatei am Ende verlassen. Doch im Augenblick brauchte er ihn. Im Augenblick… ------------------------------------ wieder muss ich mich für die lange Wartezeit entschuldigen. Ich habe derzeit ein wenig Probleme, die Reihenfolge festzulegen. Es gibt noch eine ganze Menge näher zu beleuchten und ich kann mich so schwer entscheiden bei wem ich anfange. Wenn also jemand einen Wunsch hat, über wen er als erstes mehr erfahren würde, oder welche Charaktere er gerne in einem Gespräch miteinander lesen würde, nur heraus damit ^^ Nur eines steht fest: Es wird nur noch zwei Kapitel geben von daher wird wohl nicht restlos alles aufgedeckt. Würde mich freuen, wenn ihr mir bei der Entscheidung helfen würdet. Viele liebe Grüße und tiefsten Dank, dass ihr bis hierher gelesen habt. Kapitel 9 - "death penalty" --------------------------- Kapitel 10 – „death penalty“ Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sein Zimmer verließ und den breiten Korridor in Richtung Bibliothek entlang ging. Es hatte ihn unendliche Überwindung gekostet, Andrea zu gewähren, ihm von Erique zu erzählen. Natürlich hatte der elegante Vampir seinen innerlichen Kampf in jeder Nuance mitverfolgen können, doch er wartete bis Alexander bereit gewesen war, die Aufforderung laut auszusprechen. Er hatte ihm erzählt, was aus Erique geworden war, wie er jeden, wo er nur konnte provozierte. Hatte sich mehrere Male in verschiedensten Wortlauten entschuldigt und ihm auch erzählt, dass Eriques eigentlicher Charakter sich gar nicht so sehr verändert hatte. In der festen Überzeugung es ja doch nicht mehr von Erique selbst zu erfahren, lies er sich von Andrea aus dessen Leben erzählen. Es erschreckte ihn bei weitem nicht so sehr, wie Joèl, was er über ihren gemeinsamen Liebhaber hörte. Hatte er doch schon oft geahnt, dass hinter dessen Engelslächeln viel Tieferes steckte. So naiv konnte kein Mensch überleben, ganz davon abgesehen, dass er ihm die Geschichte mit der Amnesie nie vollständig abgekauft hatte. Es war ihm derzeit schlicht und ergreifend gleichgültig gewesen. Er liebte die Person, die Erique ihn sehen lies und genoss die Zeit, hatte er doch im Gegensatz zu Joèl, der sich ein 'happy ever after' versprach, stets gewusst, dass ihr Glück zeitlich begrenzt war. "buh!" Alexander wirbelte erschrocken herum. Hinter ihm stand Erique und kicherte amüsiert. "Wow, du schaust als hättest du einen Geist gesehen." Alexanders Hände wurden feucht. Er war unglaublich nervös. Nicht, weil er befürchtete, was Erique tun könnte, er fürchtete sich vor seinen eigenen Reaktionen. Der Junge kam näher, schnupperte demonstrativ in seine Richtung. "Hmmmm, du riechts gut." Automatisch wich Alexander zurück, Erique folgte, bis eine Wand den Professor stoppte. "Oh Alex, du willst doch nicht der Einzige von uns sein, der nicht weiß, wie unglaublich fantastisch sich so ein Vampirbiss anfühlt, oder?" Korrektur: Jetzt hatte er Angst vor dem was Erique tun könnte. Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, seine Knie wurden weich und das Atmen fiel im schwer, als Erique nun ganz nah bei ihm stand, sich seinem Hals entgegen reckte. Dann erklang sein lautes Lachen, als er Abstand zwischen sie brachte. "Bin ich nicht großartig Alexander? Andere Können solch köstlichem Blut nicht widerstehen, wenn sie noch so jung sind, wie ich!" Er glaubte ihm nicht. Kein Wort. "Weißt du schon das Tollste? Ich kann deine Gedanken hören. Ich kann sie spüren. Weißt du, ich wollte bei dir bleiben. Aber wenn du mir so sehr mistraust, wie soll ich dir da glauben, wenn du sagst, du würdest mich lieben?" Das war nicht fair. Alexander ballte die Hände zu Fäusten. "Du hast dir insgeheim so lange gewünscht, dass ich Joèl für dich verlassen würde, obwohl du ganz genau wusstest, dass das nie passieren kann. Die Verwandlung hat mir die Augen geöffnet, weißt du? Aber du? Du schmeißt das weg mit deiner verdammten Angst. Naja, wahrscheinlich wäre ich jetzt für dich nur noch ein Forschungsobjekt." "Hör auf..." Er widerstand dem Drang, sich die Ohren zuzuhalten. Es hätte nichts genutzt. Erique sandte ihm Bilder von sich auf einem OP-Tisch. Alexander über ihn gebeugt, ein Skalpell in der Hand. Sandte ihm Bilder wie Alexander seine Hand packte und unter eine UV-Lampe hielt. Sandte ihm... "Hör auf!" "Oh, ich tue doch gar nichts. Das sind Bilder, die ich aus deinem tiefsten Innern hole. Das sind deine ganz eigenen Vorstellungen. Das was du mit mir machen willst. Du enttäuschst mich Alex! Und ich dachte, du würdest mich lieben und dabei war diese Reise von Anfang an nur dazu gedacht gewesen, mich zu verwandeln!" Jetzt war Alexander froh über die Wand in seinem Rücken, andernfalls wäre er bestimmt schon auf den Boden gesunken. Bilder und Worte quälten ihn weiter, bis er kurz davor stand, nicht mehr zu wissen, was wahr ist und was gelogen. Plötzlich jedoch brach die Flut ab und Erique zog sich mit einem lauten Fauchen zurück. Verwirrt und verstört blickte Alexander sich um, wollte ein paar Schritte gehen, musste sich dabei aber weiter an der Wand abstützen. Nein, nach der Bibliothek stand ihm jetzt nicht mehr der Sinn. Er würde noch eine Nacht in seinem Zimmer verbringen und sich vielleicht morgen bei hellichtem Tag den Büchern widmen. Die ganze Zeit über drängten sich ihm die Bilder, die Erique ihm eingepflanzt... oder gefunden, hatte vor sein inneres Auge. Nein, das alles kam mit Sicherheit allein von Erique. Er würde solche Grausamkeiten nie auch nur annähernd in Erwägung ziehen. Seltsam bestärkt in diesem Gedanken fragte er sich zunehmend, warum der Junge das getan hatte. Es schmerzte und seine Schuldgefühle, die beiden jungen Männer hierhergebracht und damit ihre Leben zerstört zu haben, trieben ihn bald in den Wahnsinn. Doch er musste jetzt nicht damit fertig werden, dass Erique, wie er ihn kannte nun ein Vampir war, sondern Erique, wie er ihn kannte, beerdigen. Wenn es diesen Jungen je wirklich gegeben hatte, dann gab es ihn spätestens jetzt nicht mehr. Es erschreckte den 39-jährigen ein wenig, dass ihm dieser Gedanke weniger Probleme breitete, als der Erste. Vielleicht aber auch wirklich nur, weil er von seinem Schauspiel wusste. Weil er Andrea glaubte. Bedingungslos und ohne Verständnis für die Beweggründe, die ihn dazu bewegten. Überraschen einfach fiel es ihm, sich in den nächsten Nächten unter den Vampiren zu bewegen. Zwar versetzte es ihm einen schmerzhaften Stich, wenn er Erique sah, doch schnell tröstete ihn der Gedanke, dass er nur ein Vampir von vielen war, der in dem Körper seines ehemaligen Geliebten herumlief. Nicht gerade aufmunternd, aber verkraftbar. Oft erwischte er sich jedoch dabei, Erique zu beobachten, und schnell stellte er für sich fest dass er keinerlei Sympathie für das Wesen zu dem er geworden war empfinden konnte. Irrational, provokant. Alexander hatte bislang die nördlichen Schlosstürme und -kerker gemieden, wusste nur vom Hörensagen, welche Art Vampire dort hausten. Erique gehörte bald zu ihnen. Etwas, was ihm alle Anderen deutlich zu verstehen gaben. Immer wieder. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn eigenhändig durch eine der Verbindungstüren der Korridore werfen und sie hinter ihm verriegeln würden. Mehr Unbehagen bereitete es Alexander dann als Joèl die Bibliothek betrat. Niemand sonst war mehr anwesend, da die Sonne bereits aufging, auch wenn die Vorhänge das Licht aussperrten. Joèl hatte kurz mit dem Gedanken gespielt den so zerknirscht wirkenden Professor mit den dunklen Rändern unter den Augen links liegen zu lassen und im Nebenraum auf Bernard zu warten. Ihre Blicke trafen sich und er schlug nun doch seine Richtung ein, lies sich betont langsam auf den Stuhl sinken. "Sie sehen schlecht aus, Professor." In der kurzen Stille zwischen Ihnen nahm Alexander fahrig die Brille ab und rieb sich die Augen. "Es tut mir leid, Professor. Wäre ich nicht Vorreiter gewesen, vielleicht wäre Erique nie auf die wahnsinnige Idee gekommen,..." "Nein, Sie trifft da am wenigsten Schuld. Diese ganze Reise war bis hierher bereits eine Katastrophe. Alles aufbauend auf meinen Fehlern." Joèl konnte nicht anders. Er musste lachen. Leise nur. Kein böses Lachen. "Wollen wir uns jetzt unsere Schuldgefühle vorheulen? Ich hatte eine Abmachung mit Shatei, höchstwahrscheinlich wären Sie beide lebend hier herausgekommen. Ich glaube, sie brauchen sich um Ihr überleben keine Sorgen zu machen." Alexander setzte zu einer Entgegnung an, doch es genügte, dass Joèl seine Hand leicht hob, um ihn um Schweigen zu bitten. "Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Gerade der, der betrogen wird sollte doch am besten nachvollziehen können, was derjenigen mit dem er betrogen wird, für den Liebsten empfindet. Ich hätte Ihnen und auch Erique zumindest die Chance geben sollen, mit mir zu reden. Mein Verhalten war egoistisch und bei dem hohen Grad der Lebensgefahr unangebracht." Wieder musste Joèl ihn mit dieser Geste vom Widerspruch abhalten. "Außerhalb des Schlosses hätte ich Ihnen wohl eine reingehauen und dabei nicht ansatzweise ein schlechtes Gewissen gehabt, aber hier... " Joèl probierte ein Lächeln. Es fiel ihm noch schwer, und seine Augen erreichte es nicht. Selbstverständlich machte die Tatsache darauf achten zu müssen, dass das Fehlen von Reißzähnen, nicht auffiel, ein Lächeln nicht gerade einfacher. Alexandr schwieg. Er sah aus, als würde er eine ganze Menge sagen wollen, tat es jedoch nicht. Joèl fluchte innerlich. Wahrscheinlich erwartete der Andere, dass er schon aus seinen Gedanken wusste, was er ausdrücken wollte. Dieses Gespräch war gefährlich. Er musste jetzt also ganz genau aufpassen was er sagte. Zu seiner Rettung betrat Bernard die Bücherei und grüßte höflich. "Sie entschuldigen mich, Professor?" Ohne eine Erwiderung abzuwarten stand Joèl auf und folgte Bernard fluchtartig in dessen kleines Studierzimmer. Das war dann ja gerade nochmal gut gegangen. Ein ungewohnter Aufruhr herrschte zwei Tage später auf den Gängen. Joèl wendete sich verwundert dem verhangenen Fenster seines Schlafzimmers zu. Richtig, Er hatte nicht geirrt, die Sonne war längt aufgegangen. Was also war da los? Schnell schlüpfte er in eine Jeans und ein T-Shirt, um nachzusehen. Nicht noch mehr Überraschungen. Bitte nicht. Nicht wieder Ärger, Schmerz.... Er bog um eine Ecke, dann noch eine. Lief die Treppe hinunter, durch eine Tür, bis plötzlich Shatei vor ihm stand und ihm den Weg versperrte. "Du wirst es bereuen. Glaubst du mir diesmal?" Hatte er damit bezwecken wollen, dass Joèl seine Neugier herunterschluckte, so erreichte er mit diesen Worten das genaue Gegenteil. Der Magen des Jungen krampfte sich einen kurzen Moment schmerzhaft zusammen, um dann einem stetigen flauen Gefühl von Angst Platz zu machen. Sein Blick ebenso aggressiv wie vorsichtig. "Möglich, dass du erneut Recht hast, doch umso mehr will ich wissen, was hier los ist. Was soll das Theater, warum sind alle auf den Beinen?" Er schob sich an Shatei vorbei, der ihn gewähren lies. Ihm schweigend folgte. Stimmen und Fauchen führten sie in die Eingangshalle des Schlosses. In weitem Abstand zu der großen Flügeltür hatten sich zahlreiche Vampire versammelt, einige standen, saßen oder hockten auf der Treppe. Ein Flüstern, so leise und unverständlich, dass es an das Rauschen von Wind in Laubbäumen erinnerte war rings herum. Dann näherten sich Stimmen, johlend und lachend. Einige der Schaulustigen verstummten, andere knurrten, wieder Andere begannen zu kichern. Ein bösartiges, gehässiges Kichern. Joèl spürte, wie sich Shateis Hand einem Schraubstock gleich um seinen Oberarm schloss und das Ungute Gefühl in seinem Magen nahm zu. Eine Eskorte von fünf Vampiren, Erique in ihrer Mitte, kam aus einem der Gänge und das Fauchen um sie herum schwoll an. Zwei der Vampire hatten den Jungen links und rechts an den Armen gepackt und schleiften ihn mit während er sich, unartikulierte Laute des Protests von sich gebend, strampelnd zu wehren versuchte. Es dauerte einige unendlich wirkende Sekunden, bis Joèl wie vom Blitz getroffen klar wurde, was sie vor hatten. "Nein! NEIN!!" Aus einem Impuls heraus wollte er auf die Gruppe zurennen, doch Shateis unbarmherziger Griff lies ihm nicht einen einzigen Zentimeter Spielraum. Vor Wut und Panik zitternd verstummte er also. Unwillig mit ansehen zu müssen, was als nächsten geschehen würde und doch nicht fähig, den Blick abzuwenden. Umso näher sie der Tür kamen, desto lauter wurden Eriques Schreie. Unmenschlich. Wahnsinnig. Er zappelte, trat aus und doch brachten ihm diese Bemühungen ebenso wenig, wie Joèls soeben unternommener Versuch, von Shatei los zu kommen. Grotesk war das Bild der in schwarze Umhänge gehüllten Gestalten, von denen einer nun nach der Tür griff, was alle Umstehenden noch ein weiteres Stück zurückweichen lies, so als lauere dahinter eine Bestie, die hineinzustürmen drohte, sollte die Tür zu weit geöffnet werden. "Shatei tu doch was, verflucht!" "Das kann ich nicht." Wie bitte?! Joèl war außer sich. "Das kannst du nicht? Natürlich kannst du! Bring sie davon ab!" Keine Reaktion. Er würde nichts tun. Alles ging rasend schnell. Eine Seite der Flügeltür wurde nur einen Spalt geöffnet, Erique hinaus gestoßen und das Tor wieder verschlossen. Einige schrien auf, viele, sehr viele andere, jubelten. "NEIN!" Joèl wäre beinahe gestürzt, hatte er doch nicht damit gerechnet, dass Shatei ihn los lies, als er sich nun nach vorn warf. Er ging wohl nicht davon aus, dass Joèl nun noch etwas unternehmen könnte. Rechnete nicht mit den nächsten Schritten des Studenten, der so schnell bei den Toren war, dass dem Vampir keine Möglichkeit mehr blieb, ihn aufzuhalten, ehe das Sonnenlicht hereinfiel. Auch Joèl hatte die Tür nur einen Spalt geöffnet und war hinausgeschlüpft. Es lag nicht in seiner Absicht, den Anderen zu schaden. Noch nicht! Erique kauerte unmittelbar vor seinen Füßen auf dem Boden, starrte mit weit aufgerissenen Augen auf seine Hände. In Sekunden schnelle wurde die Haut erst leicht-, dann dunkelrot, Erique begann zu kichern, seine Stimme brach weg. In das Kichern mischten sich Schluchzer und Schreie. Brandblasen bildeten sich und platzen schon kurz danach auf, Eriques Schreie wurden schriller, bis er nur noch panische und schmerzverzerrt Kreischte. Vor Joèls Augen verbrannte ein Körper ohne Feuer. Er schüttelte die Starre, die ihn für einen Bruchteil der Sekunde befallen hatte ab und packte Erique mit festem Griff, schleifte ihn mit sich und stieß das Tor auf. Lautes Fauchen und Aufschreien schlugen ihm entgegen, als die Vampie, die näher an die Tore herangetreten waren, sich schnell vor den Sonnenstrahlen zurückzogen. Joèl warf seinen Ex-Freund regelrecht zurück in den Saal und stieß die Tür zu. Sofort war er bei ihm. Die gesamte Haut des Jungen war eine einzige nässende und stellenweise blutende Brandwunde. Seine Augen waren blutunterlaufen und verschleiert, der Mund ein ausgefranstes Loch ohne Lippen. Er schrie und kreischte nach wie vor, wand sich auf dem kalten Steinboden, der doch nicht in der Lage war, den brennenden Schmerz zu löschen. Mit einem Satz war Shatei bei ihnen, Joèl blickte hilfesuchend auf. Er selbst hockte neben dem sich windenden Vampir auf dem Boden, Shatei stand neben ihm, hoch über ihm aufragend mit einem mahnenden Blick. Schräg hinter ihm Andrea und Alexander. Alexander, der von Andrea gestützt wurde. Alexander dessen Blick starr auf Erique gerichtet einen Ausdruck hatte, als wäre er selbst es, der brennen würde. Erst jetzt bemerkte Joèl die Stille. Stille, bis auf Eriques Schreien und Wimmern. Er sah sich erschrocken um, sein Herz begann einen Takt schneller zu schlagen, aller Augen, bis auf die des Professors, ruhten auf ihm. Auf ihm, nicht auf Erique. Noch eine Sekunde. Zwei. Dann setzte sein Herz einen Schlag aus, seine Nackenhaare stellten sich auf und sein Magen drehte sich ihm um. Er hatte sich verraten. All die Wochen... er war nach draußen in das grelle, alles verbrennende Sonnenlicht gerannt und hatte nicht die kleinste Hautrötung aufzuweisen. Eine nasse Hand packte ihn plötzlich am Handgelenk. Riss ihn hinunter. Ehe er wusste, wie ihm geschah, bohrten sich spitze Zähne in seinen Oberarm. Erique... Nach kurzem Erschrecken, atmete Joèl tief durch. Es war in Ordnung. Das wohlige Kribbeln, der laute rythmische Schlag setzten wieder ein. Er schloss die Augen. Spürte wie sein Blut durch seinen Arm strömte. Diese Wunde würde nie und nimmer ausreichen, um Erique genug Blut zu geben, sich zu heilen. Joèl wollte ihm sein Handgelenk darbieten. Sollte er zubeißen. Sollte er alles nehmen, was er brauchte. Er würde ihm alles geben, was er geben konnte. Er wollte es so. Dahingleiten, sterben. Joèl sank immer tiefer in diesen Gedanken und verspürte nicht die leiseste Furcht davor, Erique sein Leben zu überlassen. Nein, ganz im Gegenteil. Dieser Gedanke wurde immer angenehmer und reizvoller. Er konnte sich schon gar nicht mehr vorstellen, die Augen je wieder zu öffnen oder seine Lungen noch einmal mit Luft zu füllen, als es plötzlich vorbei war. Verwirrt sah Joèl sich um. Shatei hatte ihn auf die Füße gezogen, Bernard hielt den jetzt wieder tobenden Erqiue fest gepackt. Seine Sinne waren so sehr geschärft, dass er in Sekundenbruchteilen die gesamte Situation um sich erfasste. Er sah Shatei an, dessen Blick schmerzerfüllt und doch tröstend auf ihm ruhten, Andrea, der einen ähnlichen Blick in Renadalls Richtung warf, ihn immer noch stützend. Nur kurz huschte sein Blick zu Bernard hinüber. Bernard, der aussah, als habe man ihn gefoltert. Als bereite es ihm Schmerzen, Erique fest zu halten. Alexanders Augen waren gerötet, Tränen liefen ihm über die unrasierten Wangen. Ein Ausdruck in seinen Zügen als habe man ihm ein Todesurteil ausgesprochen, die Schlinge des Galgens bereits um seinen Hals gelegt. Der Augenblick in dem Joèl klar wurde, dass der Gedanke an eine Hinrichtung so grausam korrekt war. Er hatte eine Hinrichtung gestört, doch das Todesurteil stand. Im Augenwinkel nahm er wahr, wie Cesario, ein Vampir wie aus einem typischen Horrorfilm, mit langen Spitzgefeilten Fingernägeln, rotumrandeten, gierigen Augen, langem pechschwarzen Haar und dem ständigen Ausdruck eines Raubtieres in den Zügen, in die Hocke ging, die Zähne bleckte und im nächsten Moment schon auf Erqiue zusprang und ihn Bernards Armen entriss. Eriques Schreien ging in einem gurgelnden, übelkeiterregenden Laut unter, als Cesario seine Zähne in dessen Kehle schlug. Dunkelheit legte sich über sein Blickfeld, als Shatei ihm seine kühlen Hände vor die Augen drückte. Doch waren die realen Bilder wirklich schlimmer, als das, was Joèls Vorstellungskraft ihm aufgrund dessen, was er hörte ausmalte? Mit Nachdruck versuchte Joèl sich umzudrehen, würgte. Dann hörte er Shateis tiefe Stimme, spürte sie in seinem zitternden Körper vibrieren. "Ich bin bei dir, Liebster. Es ist vorbei." Sollten diese Worte ihn beruhigen? Shatei hatte ihn mit sich in seine Gemächer genommen, ihn erst einmal unter die Dusche gestellt. Und tatsächlich half ihm das, wieder ein wenig 'aufzuwachen'. Wie sehr sich Shatei auch gewünscht hatte, das Thema 'Erique' endlich abhaken zu können, was nun geschehen war ärgerte ihn ungemein. Joèl hatte sich gerade erst wieder gefangen. Auch wenn Joèl wann immer der Name seines Ex-Freundes fiel, der Schmerz anzusehen war. Wenn er immer einige Sekunden brauchte, den Blick abzuwenden, wenn der Jungvampir einen Raum betrat, er für immer ein Bestandteil seines Lebens sein würde, so hatte Shatei doch das Gefühl gehabt, Joèl habe begonnen, sich langsam zu erholen. Ganz allmählich in seinem Tempo und auf seine Art begonnen zu verarbeiten, was geschehen war und sich mit der neuen Situation zurechtzufinden. So wie er es auch getan hatte, als seine Realität ihm entrissen wurde. "Du bist so unglaublich stark Joèl. Es ist nicht fair, was du hier erleiden musst." Nicht fair, was er hier erleiden musste? Shatei hatte nicht gerade wenig damit zu tun, war daran nicht sonderlich unschuldig! Dennoch lehnte Joèl sich an ihn, verbarg sein Gesicht an dessen Halsbeuge, genoss die kühlen Finger, die seinen Nacken streichelten. Schnell beschloss Joèl für sich, den Schmerz erst einmal zu verdrängen. Tief in seinem Innern einzuschließen. Er würde genug Zeit finden, sich ihm hinzugeben. Wenn er Pech hatte, mehrere Jahrhunderte. Denn das war das Thema um dass er sich jetzt sorgen sollte. Er hatte die Wette verloren. So nahe am Ziel war er in die Sonne gerannt und hatte dem gesamten Schloss gezeigt, dass er sie an der Nase herumgeführt hatte. Wenn Shatei nicht dafür sein Leben als Wetteinsatz einforderte, dann würden es die Anderen spätestens nach seiner Rückreise tun. Aus Wut und Entrüstung, was ein Sterblicher sich gewagt und damit dann auch noch Erfolg gehabt hatte. Die gesamte Nacht bereitete ihm dies Kopfschmerzen, Shatei jedoch vermied es, ihn darauf anzusprechen, aus liebevoller Rücksicht. "Shatei ist in diesem Thema in der Tat schwer einzuschätzen. Er ist sehr besitzergreifend und ich habe ihn nie so vernarrt in etwas gesehen, wie in dich. Andererseits wäre es möglich, dass seine Gefühle ihn dazu bewegen, dir deinen Wunsch zu erfüllen. Immerhin kann er sich wohl seine Chancen bei dir ausrechnen, wenn er dich gewaltsam zu sich nimmt. Damit hätte er sich diese Wette gleich sparen können." Bernard war solch ein Schatz. Er hatte laut gelacht als Joèl den Nebenraum betrat, war aufgesprungen und hatte ihm applaudiert, so begeistert war er von dem, was Joèl gelungen war. Er fing sich allerdings schnell und erkundigte sich danach, wie er sich fühlte, Joèl beruhigte ihn jedoch vorerst, dass er sich damit erst wesentlich später auseinandersetzen wolle. "Du darfst nur selbstverständlich nicht vergessen, dass Andrea auf ähnliche Weise verlassen wurde. Er lies ihn gehen und hat nie wieder etwas von seinem Sohn gehört. Shatei hat natürlich Angst, dasselbe zu erfahren." "Also bist du in diesem Punkt genauso unsicher, wie ich." Joèl wurde das Herz schwer. "Ich werde wohl mit ihm reden und mich überraschen lassen müssen. Ich danke dir für alles." Er stand auf, wurde an der Tür jedoch noch einmal zurückgerufen. "Natürlich wünsche ich mir, dass du den für dich richtigen Weg wählen kannst, aber ich muss zugeben, dass ich nicht traurig darum wäre, wenn er dich hier halten würde. Du bist ein äußerst angenehmer Gesprächspartner." Bei diesen Worten verneigte er sich vor ihm. Welch ein rührender Abschied, wenn es denn wie im besten Falle erhofft einer sein sollte. Als Gesprächspartner von jemandem wie Bernard geehrt zu werden bedeutete sehr viel, das wusste Joèl. Gerade da er dem 23-jährigen noch ein wenig Zeit einräumen wollte schaffte dieser es erneut den Vampir zu überraschen, als er kurz nach Mitternacht neben dessen Sessel in die Knie ging und so unglaublich sanft und etwas nervös zu ihm aufsah. "Ich war so nah dran. Ich habe die Motoren des Flugzeuges schon förmlich gehört... Forderst du meinen Wetteinsatz dennoch ein?" Verflucht was sollte er denn darauf erwidern? Mit den Fingerspitzen strich er dem Studenten eine braune Haarsträhne aus der Stirn. "Seit ich dich das erste mal gesehen habe wollte ich nichts anderes als genau das. dich in meinen Armen halten und zusehen, wie du zu einem von uns wirst. Mein. Für die Ewigkeit." Joèl richtete sich auf, setzte sich auf die Armlehne des Sessels. "Aber?" Kurz blitze es in den Augen des Vampirs, wollte er sagen es gäbe kein 'Aber', dann seufzte er jedoch. "Willst du wirklich zurück? Was versprichst du dir davon Joèl? Du wärst so wunderbar geeignet für diese Art von Leben. Ich..." Joèl legte einen Finger an seine Lippen. "Es bedarf keiner Rechtfertigungen, mich hier zu halten. Ich habe diese Wette verloren und Wettschulden sind Ehrenschulden, Shatei. Du hast dich an alle Bedingungen gehalten..." "Andrea..." Wieder der Finger um seine Unterbrechung im Keim zu ersticken. "Andrea habe ich geweckt. Hätte ich ihn nicht erneut aufgesucht, ihn nicht neugierig gemacht, dann wäre Erique noch am Leben, und ich wahrscheinlich nicht in das Tageslicht gelaufen. Eine Kette von Ereignissen, die ich ganz allein ins Rollen gebracht habe. Ich kann dich nur bitten, uns mir zu liebe gehen zu lassen." Shatei wendete den Blick ab. Ihm zu liebe? "Du würdest nicht zurechtkommen. Erinnerst du dich? Ich habe dir deine Realität zerstört." Ja damit hatte er Recht. Joèl wusste nun, dass er sein Leben lang falsch gelegen hatte mit seiner Einstellung nur zu glauben, was er sah. Doch viele Menschen glaubten an Übernatürliches und lebten ein vollkommen normales Leben. Warum sollte er das nicht auch können? "Gib mir noch eine Chance, Shatei. Ich schaffe das. Ich kriege mein Leben wieder in den Griff, ich brauche nur die Möglichkeit es überhaupt zu versuchen." Wieder breitete sich Schweigen zwischen Ihnen aus. Dieses mal lies Joèl ihm die Zeit und wartete geduldig, wagte nicht, sich zu rühren. Alexander würde gehen dürfen. Joèl hatte vor wenigen Stunden mit Andrea gesprochen. Dieser hatte ihm zunächst von aller Hoffnung auf ein Weiterleben als Sterblicher abgeraten und ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass Alexander sich gegen eine Rückreise entschieden hatte. Joèl wusste, der Professor würde sich nicht verwandeln lassen. aber vielleicht würde er, wie Felix, von den Vampiren als Mitglied dieser Gemeinschaft akzeptiert werden. Er selbst hatte von vorherein geahnt, dass er mit dieser Wette sein Todesurteil unterschrieb. Das Urteil stand. Jetzt kam es auf den Henker an, ob sie vollzogen oder aufgeschoben wurde. An ein 'Aufgehoben' wollte Joèl gar nicht erst glauben. Kapitel 10 - "back to reality" ------------------------------ Kapitel 10 - „back to reality“ Es war ein unangenehmes, fremdes Gefühl, wieder zuhause zu sein. Joèl war spät in der Nacht von einem Taxi heimgebracht worden und hatte wohlwissend das Rollo des Schlafzimmers oben gelassen, in der Hoffnung, seinen normalen Schlafrhythmus wieder antrainieren zu können. Schottland hatte er nun vor einer Woche hinter sich gelassen. Vor drei Tagen haben die Vorlesungen an der Universität begonnen und er hatte seither die Wohnung noch nicht verlassen. Mit angezogenen Beinen saß er auf der gepolsterten Fensterbank im Wohnzimmer, die Stirn an die Kühle Fensterscheibe gelehnt. Erique hatte ihn verlassen. War mit Professor Renadall nach Schottland gereist. Joèl atmet zitternd ein, als die Bilder seines Betruges zu ihm zurückkehren. Viele böse Worte, Streit und Tränen und er hatte ihn verlassen. War gemeinsam mit seinem neuen Liebhaber abgereist und hatte Joèl zurückgelassen. Das war die Geschichte, die sich der Student krampfhaft einredete, auf dass sie für ihn zur Realität werden möge. Er erwischte sich dabei, wie er aufhorchte, als im Hausflur Schritte an seiner Wohnungstür vorbeigingen. Ertappte sich bei der Erwartung, einen Schlüssel in der Tür zu hören. Erique hereinkommen zu sehen. Doch nichts dergleichen geschah. Wie denn auch? Joèl schüttelte den Kopf. Idiot! Erqiue war fort. Er würde nicht zurückkommen. Müde rappelte er sich auf und ging zum Schlafzimmer. Das Bild über dem Bett hatte er abgenommen. Noch hatte er es nicht durch ein neues ersetzt. Noch hatte er es auch nicht übers Herz gebracht, das große Fantasie-Gemälde zu vernichten. Es lehnte von einem Leinentuch verdeckt an einer Wand in seinem Atelier. Entschlossen holte Joèl sich einen großen Plastikbeutel und öffnete den Kleiderschrank. Er würde nicht zurückkommen. Wenn er irgendwann wieder ein normales Leben führen wollte, musste er aufhören, ihn zu erwarten. Behutsam nahm er Eriques Kleidungsstücke aus dem Schrank und verstaute sie in dem Plastiksack. Allzuviel war es nicht, immerhin hatte er für eine längere Reise gepackt. Joèl schluckte schwer, als ihm Eriques Lieblingspullover in die Hände fiel. Er war aus weicher Wolle, blau. Zu warm für den Sommer, auch für Schottland, deshalb hatte Erique ihn natürlich nicht mitgenommen. Der 23-Jährige drückte den Pulli an sich, atmete den Duft ein. Waschpulver. Natürlich, was sollte auch getragene Kleidung im Kleiderschrank verloren haben. Nichts in dieser Wohnung haftete noch der der Geruch seines Liebsten an. Joèl hatte in einem Anflug von Putzwahn alles gewaschen und gebügelt, bevor er entschieden hatte, ihm nachzureisen. Schluchzend setzte er sich auf das Bett, den Pullover weiter fest an sich gedrückt und weinte tränenlos. Er hatte keine Tränen mehr übrig. Zu viele waren in den vergangenen Tagen und Wochen geflossen. Genug für die nächsten zehn Jahre. Bestimmt würde er einer von diesen verbitterten Männern werden, die sich in sich selbst zurückzogen, nicht in der Lage eine Emotion zu zeigen. Er würde Menschen meiden und immer nur allein und unbeobachtet an seine verlorene Liebe denken, voller Gram über seinen Verlust. Wut, dass er nicht abschließen konnte, würde er in Whiskey ertränken. Er würde launisch und unnahbar werden, sich vielleicht eine Katze oder einen Hund anschaffen. Und dann irgendwann mit 50 oder 60 Jahren in seiner dunklen Wohnung dem Sterben nahe, würde er feststellen müssen, dass er allein war. Niemand würde ihn vermissen. Sein Haustier würde kläglich verhungern. Vielleicht würde auch niemandem auffallen, dass er gestorben war. Höchstens den Angestellten des Supermarktes um die Ecke, in dem er ab und an einkaufen gehen würde. Er nahm sich noch eine weitere Woche unentschuldigter Fehlzeit bevor er wieder zu den Vorlesungen ging. Und dann besuchte er sie nur vier Tage lang. Die Menge an laut schnatternden Menschen. Diese Blicke. Die verfluchten Blicke, die ihm folgten. Er fühlte sich ohnehin seit seiner Rückkehr verfolgt und beobachtet und konnte das Getuschel hinter seinem Rücken nicht ertragen. Dieser Versuch lag nun bald einen Monat zurück. Er hatte Post von der Universität bekommen. Er könne aufgrund seiner bislang so großartigen Arbeiten auch ohne Anwesenheitsnachweise an der nächsten Prüfung teil nehmen. Er wusste selbst nicht, ob er das wollte. Natürlich hatte er nicht vor sein Studium hin zu schmeißen. Aber es war so verdammt schwer, wieder in ein normales Leben zurückzufinden. Zu vergessen, was er gesehen und erlebt hatte. Er hatte es versucht. Hat versucht, sich selbst einzureden, dass das alles anders gewesen sei. Doch Erkenntnis ist wie eine tiefe Narbe. Man kann sie überschminken, doch man wird sie nie wieder los. Alexander hatte es richtig gemacht. Er war geblieben. Nicht weil er bleiben wollte, sondern, weil er nicht zurück wollte. Er war sowieso nur der verrückte Idiot, der an Schauergeschichten glaubte und mit leeren Händen zurückkehren würde. Doch für Joèl könnte hier noch ein ganzes Leben warten. Wenn er doch nur den Dreh kriegen könnte. Seit einigen Tagen klingelte immer wieder das Telefon. Die Schelle hatte er mittlerweile abgestellt. Auf der einen Seite wollte er niemanden sehen. Andererseits regte sich tief in ihm etwas, das froh war, dass seine Befürchtungen über seine Zukunft vielleicht doch nicht eintreffen würden. Dass er nicht so allein war, wie er glaubte. Die Digitalanzeige seines Weckers zeigte kurz nach sieben Uhr morgens, als Joèl von lauten hämmernden Geräuschen an seiner Wohnungstür geweckt wurde. Gedämpfte Rufe drangen zu ihm. Er stand auf, strich sich das wirre Haar aus dem Gesicht. Im Wohnzimmer war es schon verhältnismäßig hell, ging doch die Sonne immer noch sehr früh auf. In Boxershort gekleidet spähte er durch den Türspion. Alan! Na prächtig! Der letzte Mensch auf Erden, den er jetzt sehen wollte. Eigentlich wollte er überhaupt niemanden sehen. Kurz drifteten seine Gedanken ab. Er fragte sich unbewusst, wen er überhaupt, wenn es denn nun sein müsste, in seiner Nähe ertragen könnte. Die Antwort gefiel ihm nicht. Gefiel ihm ganz und gar nicht. "Joèl, mach die beschissene Tür auf! Ich weiß ganz genau dass du zuhause bist. Du hast aufmerksame Nachbarn, weißt du? Hey Arschloch, mach auf!!" Na so dann ja wohl erst recht nicht. Joèl machte auf dem Absatz kehrt und ging erst einmal zur Küche, um sich dort einen Kaffe zu kochen. Mangels besserer Beschäftigung - das Klavier war gut eingestaubt, sein Atelier zum Abstellraum degradiert worden, seine Bücher waren nur nette Deko im Regal - blieb er neben der Maschine stehen. Nahm ganz bewusst den Geruch der ersten Kaffetropfen auf, lauschte dem Geräusch des Wasserdampfes, der durch die Maschine hochstieg. Mit seiner duftend dampfenden Tasse tiefschwarzen Gebräus in der Hand machte er sich zurück auf den Weg ins Wohnzimmer. War da etwa immer noch ein stätiges Klopfen? Nicht mehr ganz so energisch aber doch da. Er stellte die Tasse auf dem Wohnzimmertisch ab. Hatte eigentlich vor gehabt, es sich auf der Couch gemütlich zu machen. Er ging wieder näher zur Tür. "Weißt du, ich kann mir auch den Zweitschlüssel von deinem Vermieter geben lassen." In einer fließenden Bewegung öffnete Joèl die Tür, trat dabei direkt beiseite, so dass Alan hereinkommen konnte. Er kannte ihn nur flüchtig, aber gut genug um zu wissen, dass sein Dickschädel unbesiegbar war. "Ich habe keinen Vermieter, das hier ist eine Eigentumswohnung. Was willst du hier?" Der Schwarzhaarige blieb erst einmal mitten im Raum stehen, lies den Blick schweifen. Ignorierte ihn der Kerl etwa? "Wow, echt geile Wohnung!" Joèls Laune sank rapide dem Tiefpunkt entgegen. "Erique ist nicht da." Nun drehte Alan sich doch um. Grinsend. "Ich weiß. Zu ihm will ich ja auch nicht." Eine Augenbraue wanderte in die Höhe. "Nicht?" Jetzt war Joèl verwirrt. Was konnte es geben, dass dieser Kerl von ihm wollte? Warum wollte er nicht zu Erique? Erique hatte ja logischerweise auch schon seit Wochen nicht von sich hören lassen. Konnte nichts von sich hören lassen, wie Joèl wusste, versuchte energisch dies wieder zu verdrängen. "Hast du noch ´nen Kaffee?" Zum aus der Haut fahren. Legte der Kerl es darauf an, rausgeschmissen zu werden? "Nein. Ich erwarte, dass du mir sagst, was du von mir willst und dann augenblicklich wieder verschwindest!" Eisig kalt schien seine Stimme die Luft zu durchschneiden. "Du bist wirklich gruselig geworden, Joèl. Aber fein: Ich mache mir Sorgen, ob du's glaubst oder nicht. Du kommst nicht zu den Vorlesungen, verlässt kaum die Wohnung, Erique ist spurlos verschwunden und deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hat er nicht nur seinen Urlaub verlängert." Nein. Nein, nicht das Thema. Wieder krampfte sein Magen. "Das geht dich nichts an." Es kostete ihn einige Mühe, seine Stimme daran zu hindern wegzubrechen. "Du weißt wo die Tür ist." Er ging an seinem Studienkollegen vorbei, wollte zur Couch, doch eine warme Hand schloss sich um sein Handgelenk. So ungewohnt... so vergessen. Der Blick des Anderen erinnerte ihn entfernt an den des Professors, als sie sich verabschiedet hatten. Diese Sorge in den Augen. Und als würde er um den Schmerz wissen, den Joèl empfand. Dabei konnte er das nicht. Wie auch? Er war allein mit seinem Schmerz. Würde allein bleiben und wollte es auch gar nicht anders. "Gib mir eine Chance! Ich werde dich nicht fragen und auch nicht über Erique sprechen, wenn du es nicht willst. Aber schmeiß das Studium jetzt nicht hin. Das bedeutet dir doch viel zu viel." War das so? Ja, Alan hatte recht. Das Studium bedeutete ihm wirklich sehr viel. Er hatte das Studium direkt nach dem Abitur, noch lange bevor er Erique kennen gelernt hatte begonnen. Er liebte und lebte das Studieren. "Ich muss gleich zur Vorlesung. In zwei Wochen sind Prüfungen. Lass mich dir beim Aufholen des Stoffes helfen, Joèl. Lass mich einfach nur da sein, falls du es dir anders überlegst und doch reden möchtest. Meine Nummer hast du ja." Mit diesen Worten verschwand der warme Griff und hinterließ ein Kribbeln auf Joèls Haut an der Stelle an der Alans Hand gewesen war. Ohne ein weiteres Wort ging der junge Mann. Verquere Welt. Schlief er noch? Ausgerechnet Alan war hierhergekommen und sorgte sich um ihn? "Schwachsinn..." Joèl dachte noch einige Zeit über Alans Worte nach. Selbstverständlich war es Richtig, was er gesagt hatte. Nachdem er geduscht und sich angekleidet hatte nahm er sich eines seiner Bücher zur Kunstgeschichte zur Hand. Mit diesem Stoff hatte er keinerlei Probleme. Er las gerne von der Entwicklung der Kunst in den verschiedenen Epochen und Ländern. Von großen namhaften Künstlern und den Facetten ihrer Werke. Mathematik war da schon eher etwas, bei dem man in Übung bleiben sollte, doch im Moment fehlte ihm einfach die Motivation, sich an ellenlange Zahlenreihen voller Unbekannter zu setzen. Mit ein paar Broten und einem Tee bewaffnet kuschelte er sich also auf die Couch, ein dickes Buch über die Zeit des Impressionismus vor der Nase. In der Bücherei im Schwarzen Schloss hatte er so viel Zeit mit Lesen und Lernen verbracht... nein, korrigierte er sich. Er hatte nur die ersten Tage wirklich seinem Studium gewidmet. Danach war er zu Vampirromanen und Forschungswerken zu diesem Thema übergegangen. Er atmete tief durch. Wüten darüber, dass ihn diese Gedanken schon wieder ablenkten. Tatsächlich kam Alan am gleichen Abend wieder. Mit einer Mappe gefüllt mit Mitschriften und zwei großen Pizzen im Arm. Joèl war überrascht, wie wunderbar das gemeinsame Büffeln funktionierte. Alan hatte irgendwie die gleich Art an Aufgaben heranzugehen, wie er. Erklärte es mit Worten, die Joèl wohl nicht anders gewählt hätte. Die verpassten Vorlesungen waren unglaublich schnell aufgearbeitet und der Braunhaarige war sich sicher, dass er ihrem Professor nicht so gut hätte folgen können, wie Alan. Er sprach ihn nicht auf Erique an. sprach eigentlich überhaupt nicht von den Semesterferien, und bewältigte das sogar ganz ohne dass man das Gefühl hatte, als meide er das Thema. Dreimal die Woche fanden die Mathematikvorlesungen statt und jeden Abend nach den Vorlesungen kam Alan bei ihm vorbei und ging den Stoff mit ihm durch. Heute war Sonntag, doch scheinbar hatte er wohl nichts Besseres zu tun, als sich mit ihm auf die Prüfungen vorzubereiten. "...und dann stolpert der Depp über seine eigenen Füße und schleudert dem Prof die ganze Sauerei entgegen. Du hättest sein Gesicht sehen sollen!" Alan hatte neben der Mathematik noch Biologier begonnen und war nun im dritten Semester. "Da! Ich habe es ganz genau gesehen. Deine Mundwinkel haben gezuckt. Das war eindeutig sowas wie ein Lachen!" Joèl starrte ihn perplex an. Was? "Bin ich so ernst?" Ein Nicken bestätigte seine Befürchtung. Die Abende waren wirklich überraschend angenehm und auch amüsant gewesen. Hatte er kein einziges Mal gelacht? Verdammt, war er jetzt schon zu diesem griesgrämigen Einsiedler aus seinen Albträumen geworden? "Du musst das nicht machen, Alan. Du brauchst nicht ständig mit mir hier rumhocken. Erique kommt nicht wieder." Ein dumpfer Schmerz schoss durch seinen Oberarm, als dieser von Alans Faust getroffen wurde. "Idiot. Als ob ich hier wäre, weil ich auf Erique warte. Ehrlich, was immer du gedacht hast, wir waren nicht befreundet. das nur mal zu Protokoll." Er hatte das Thema meiden wollen. Alan hatte sich entgegenkommend daran gehalten. warum nur, fing er nun selbst davon an? Doch irgendetwas in ihm sagte ihm, dass es in Ordnung ist. Er wollte jetzt darüber reden. Nicht über alles. Nicht über das was geschehen war. Aber über Erique im Allgemeinen. "Nur schien das anders zu sehen. Immerhin hat er sich ja von dir zu diesen waghalsigen Rennen schleppen lassen. Was mich eigentlich daran erinnert, wie wenig ich dich leiden kann." "Autsch. Das tat weh, Joèl." Sein breites Grinsen widersprach da allerdings massiv. Natürlich war auch Joèl überdeutlich bewusst, dass da gewiss wesentlich mehr hinter steckte als Erique ihn hatte glauben lassen. Die Bestätigung dieser Vermutungen folgte auch prompt. Es war wohl wirklich an der Zeit, dass die beiden jungen Männer sich mal aussprachen. "Um dich endlich von diesen verfluchten Rennen runter zu bringen: Ja, ich fahre illegale Rennen. Ja, der Scheiß ist waghalsig und obendrein kriminell. Doch hättest du auch nur einmal meine Einladung angenommen... mich hätte wirklich interessiert, was passiert wäre. Was wäre gewesen, wenn du auf all die Leute getroffen wärst, die Erique so gar nicht als den kleinen unschuldigen, naiven Kerl kannten? Keiner von uns ist gerne gegen ihn gefahren. Es war ihm egal ob er seine Gegner in den Graben drängte. es war ihm egal, ob er schon zu betrunken war um geradeaus zu gehen." Ja, das klang in etwa so, wie Joèl es nach den abgrundtiefen Offenbarungen über sein Herz erwartet hatte. Er schluckte trocken, ein Kloß saß ihm im Hals. "Warum habt ihr ihn dann überhaupt fahren lassen? Ohne Gegner hätte er es doch sicherlich schnell aufgegeben?" Alan stand nun auf, verschwand nur kurz in der Küche, um sich eine Dosencola aus dem Kühlschrank zu nehmen. Bereits am zweiten Tag hatte Joèl ihn aufgefordert sich jederzeit zu bedienen. Der Verschluss clickte in die Stille hinein, das zischende Entweichen der Kohlensäure verursachte bei Joèl eine Gänsehaut, dem er keine weitere Bedeutung beimaß. Erst nach zwei Schlucken des eisgekühlten Koffeingetränkes setzte Alan sich wieder zu ihm, hielt ihm die Dose hin, die Joèl mit schweigender Geste ablehnte. "Es ist nicht so einfach. Stolz ist ein gefährlicher Freund. Keiner würde eine Herausforderung ohne wirklich guten Grund ablehnen. Und schon gar nicht kam in Frage, vor einem Homo zu kneifen. Nichts gegen dich, aber gerade in dieser Szene werden Schwule mit einiger Geringschätzung betrachtet. Spätestens nach seinem Outing brauchte Erique sich keine Sorgen mehr um Gegnermangel zu machen." Welch eine Situation. Da musste sich Joèl doch tatsächlich von einem Studienkollegen über den Charakter des Jungen aufklären lassen mit dem er drei Jahre lang die Wohnung und das Bett geteilt hatte. "Wenn du Erique so wenig leiden konntest, warum..." "Warum ich mit ihm rumhing? Hohlkopf. Wegen dir! Guck nicht so! Ist dir mal aufgefallen wie schwer man an dich ran kommt? Wir studieren jetzt, wie lange zusammen? Naja, ist ja auch egal, auf jeden fall konnte man nie als zwei drei Sätze mit dir wechseln und schon warst du wieder weg." Das entsprach der Wahrheit. Joèl war immer ein Einzelgänger gewesen. Seit er von seinen Eltern vor die Tür gesetzt wurde, weil sie einen schwulen Sohn schlicht und ergreifen nicht akzeptieren wollten und es besser zu verdrängen war, wenn er nicht unter dem gleichen Dach wohnte, hatte Joèl auch noch seine sogenannten Freunde verloren. Es waren eher Bekannte gewesen. Seine Freizeit verbrachte er, wenn er sich nach Menschen sehnte in Clubs. Mit seinem Aussehen fehlte es ihm an nichts. Er hatte zwar ab und an über das Thema Beziehung nachgedacht, doch es war nie für ihn in Frage gekommen. Und auch Erique war er nicht von Beginn an treu gewesen. Das hatte sich dann später irgendwie mit den wachsenden Gefühlen von selbst eingestellt. Shatei hatte er sich auch nicht Geringsten verweigert. So banal der Gedanke war, fühlte er sich allen Ernstes deswegen so unwohl seit er zurück was? Kein Sex in der Heimat? Er musste über sich selbst und diesen Aberwitzigen Gedanken schmunzeln. "Jaja, lach nur über mich. Vor Erique war es noch ein wenig Unsicherheit, die in deiner Ausstrahlung mitschwang. Bloß niemanden zu nahe heranlassen. Während eurer Beziehung hat man immer mehr gemerkt, dass dir alles und jeder außer ihm gleichgültig ist. Und jetzt. Jetzt bist du unheimlich. Du solltest mal einen Blick in dein Spiegelbild in einem Schaufenster werfen, wenn du an einem vorbeikommst. Wie du dich bewegst, das ist nicht normal." Joèl musst schlucken. Selbst Shatei hatte einen kurzen Moment geglaubt jemand habe sich seinen Anordnungen widersetzt und Joèl verwandelt... Verdammt. Er war hier unter ganz normalen Menschen. Benahm er sich immer noch so... untot? Er wendete den Blick zum Fenster. Die Sonne war vor einigen Minuten untergegangen. Er hatte es seit einiger Zeit vermieden, in den Nachthimmel zu schauen. Er musste sich eingestehen, dass er die Nacht vermisste. Der Geruch der nächtlichen Luft, das Zwitschern von Vögeln, der Lärm und das Licht des Tages waren ihm zuwider geworden. Er hatte sich zu sehr an die Atmosphäre in diesem Schloss gewöhnt. Die dauerhafte Präsenz des Übernatürlichen. Dieses Alte und Erhabene.... Das Geräusch eines Finger-schnippen direkt vor seiner Nase schreckte ihn auf. "Du tust es schon wieder! Dich unheimlich verhalten. Lass das!" "Oh, ich... entschuldige. Ich dachte nur gerade, dass es vielleicht Zeit ist, dass ich endlich mal wieder ausgehe." Alan klatschte in die Hände und sprang auf. "Na wunderbar. Du gehst eh nicht zur Uni und ich kann mir einen Tag frei auch erlauben. Lass und ausgehen." Da damit zumindest schon klar war, dass der Lern-Abend an seinem Ende angelangt war, begann Joèl die Unterlagen zusammen zu räumen. "Ich denke nicht, dass du doch in den Clubs, die ich für gewöhnlich besuche, wohl fühlen würdest." Nein, nicht so ein illegale-Rennen-fahrender-absolut-100%ig-hetro wie Alan. Der würde es fertig bringen und sich mit seiner großen Klappe noch in derbe Schwierigkeiten bringen. Joèl musste zugeben, dass der Andere ihm zu sympathisch geworden war, um ihn mit gebrochener Nase und vielleicht noch schlimmeren, im Krankenhaus abliefern zu müssen. Welch Ironie. Vor nicht ganz zwei Monaten hätte er ihm am liebsten noch eigenhändig jeden Knochen im Körper zertrümmert. "Langsam aber sicher wird deine Ignoranz beleidigend, mein Freund. Wir haben schon den selben Mathe-LK auf dem Gymnasium besucht und du hast immer noch nicht gepeilt, dass ich auf dich stehe? Oder bin ich so dermaßen unattraktiv dass du es mit krampfhafter Absicht übersiehst?" Wie schloss man noch gleich wieder den Mund? Joèl starrte Alan ungläubig an. Ein Traum. Alles ein dummer Traum. Er war auf dem Hinflug nach Schottland eingeschlafen und seither nicht wieder erwacht. Dass er keine Probleme hatte, nen One-Night-Stand zu finden war super, Dass Erique sein Herz an ihn verloren hatte war umwerfend. Dass er sich für ihn verstellte, weniger. Dann verliebt sich ein Vampir in ihn. Das war beängstigend, aber auch schmeichelnd. Äußerst schmeichelnd. Wütend rief sich Joèl selbst zur Ordnung als seine Gedanken abzudriften drohten. Nun sollte Alan schon seit sechs Jahren auf ihn stehen? Da konnte doch etwas nicht stimmen! Klar. Alan war der Typ Spaßvogel. Er hatte einen merkwürdigen Humor, das war Joèl ja bereits aufgefallen. Er begann leise zu lachen. "Ok, jetzt hast du mich erwischt." Natürlich war es ihm auch zu einem gewissen Grad peinlich, tatsächlich für einen Moment geglaubt zu haben, der Schwarzhaarige würde Interesse an ihm haben, aber letztendlich war es wie es war. Er hatte ihn eiskalt drangekriegt. Joèl verstummte und hob eine Augenbraue. Alan stand vor ihm, die Arme verschränkt, sein Blick ernst und gefasst. "Es gibt gewisse Dinge über die selbst ich keine Scherze mache. Ich kenne die Clubs in denen du dich vor deinem plötzlichen Anfall von Monogamie herumgetrieben hast. Auch da hast du mich schlicht und ergreifend übersehen." Gut, nun wurde es Joèl allmählich wirklich unangenehm. War er so ein ignorantes Arschloch? Aber warum hat jemand wie Alan, nie die Zähne auseinander gekriegt? Er war ja nun noch nie die Schüchternheit in Person gewesen. Oder? "Ich will ja jetzt nicht deine Ehrlichkeit anzweifeln, aber bin ich so Abschreckend, dass du in all den Jahren nichts gesagt hast und jetzt hast du gerade irgendwie so eine Art Eingebung, die dir nach sechs Jahren sagt 'Jetzt ist der richtige Zeitpunkt' ?" Joèl musterte ihn skeptisch, während Alan tief durchatmete und dann die Schultern zuckte. "Für mich kommen One-Night-Stands nicht in Frage, für dich war alles Andere tabu. Während du mit Erique zusammen warst hatte ich wohl kaum eine Chance. Also wann sonst, wenn nicht jetzt?" Da war was dran. Da war verdammt nochmal wirklich was dran...aber...Alan? Er brauchte nicht lange zu überlegen, ob der Biologie-Student in seinen Augen attraktiv war. Er war es ohne jedweder Beanstandung. ---------------- Das war dann nun wirklich das vorletzte Kapitel ^^ In der nächsten gibt es wieder 'adult'-markierung und ENDLICH lasse ich auch mal was passieren ^^ Slash-fans ihr dürft euch freuen Liebe Grüße Fye Epilog: "happy ever after ?" ---------------------------- Kapitel 12 „happy ever after?“ "Wir haben unsere Meinungen dazu beide nicht geändert." "Du hattest einen Freund." "Richtig. Gerade deswegen bin ich noch nicht bereit für eine neue Beziehung. Oder hat sich deine Einstellung geändert?" "Nicht wirklich." "Na bitte!" Warum führten sie dieses Gespräch, wenn man es denn nun wirklich als solches bezeichnen wollte? Es gab nur zwei Möglichkeiten, wie dieser Abend enden würde. Entweder sie würden beide ihre mehr oder weniger gefestigten Vorsätze über Bord werfen und das ganze Gespräch morgen früh erneut beginnen oder sie trennten sich und würden dieses Gespräch wohlmöglich am nächsten Abend erneut beginnen. Denn das würde geschehen, da war sich Joèl sicher. Nachdem Alan so viele Jahre seine Gefühle mit sich herumgeschleppt hatte, würde er jetzt, wo er sie ausgesprochen hatte, nicht einfach aufgeben. Joèl rieb sich die Stirn. Hatte er überhaupt irgendetwas von Gefühlen gesagt? Eigentlich hatte er nur gesagt, er stehe auf ihn. Er fände ihn attraktiv. Das musste ja nicht zwangsläufig heißen, dass er sich in ihn verliebt hätte. Wobei wiederum die Aussage, er mache keine One-Night-Stands, reines Begehren ausschloss. Joèl machte ein paar Schritte rückwärts und ließ sich auf einen Sessel nieder. Alan seufzte und kam dann auf ihn zu, lehnte sich über ihn und beugte sich zu ihm hinunter. Joèls Herz beschleunigte seinen Takt, als sich die warmen Lippen des anderen schon auf seine drückten. Ganz sanft nur. Zögerlich. Warme Finger berührten seine Wange, als Alan seine Lippen an den seinen bewegte. Joèls Nackenhaare stellten sich auf, seine Handflächen wurden feucht. Alan strahlte eine unglaubliche Wärme aus, die Joèl nach Shatei überhaupt nicht mehr gewöhnt war. Er hob eine zittrige Hand und legte sie dem Schwarzhaarigen in den Nacken, zog ihn näher zu sich heran und öffnete bereitwillig seinen Mund. Ihre Zungenspitzen trafen sich. Kurz nur. Dann ein zweites Mal. Joèls Griff in Alans Nacken verstärkte sich, als dieser endlich der Einladung nachkam und den Kuss vertiefte. Schnell verloren sie die anfängliche Vorsicht, küssten sich begieriger. Joèl ließ sich nach hinten gegen die Lehne sinken, zog Alan mit sich, der sich mit einem Knie auf der Sitzfläche zwischen Joèls Beinen abstützte. Das ging alles zu schnell. Joèl wurde unglaublich heiß und er hatte das Gefühl, er würde brennen, als sich Alans freie Hand unter sein T-Shirt schob. Die andere blieb an seiner Wange. Genüsslich seufzte Alan gegen seine Lippen. Dieser Kuss war unglaublich. Besser noch, als er es sich all die Zeit hatte erträumen können. Er atmete Joèls Duft tief ein, ließ seine Fingerspitzen über den flachen Bauch des Künstlers wandern. Liebkoste die weiche, penibel rasierte Haut seiner Wange. Wieder entkam ihm ein Seufzen, die Luft wurde ihm knapp, doch er wollte unter keinen Umständen unterbrechen. Und Joèl keine Gelegenheit geben, es sich anders zu überlegen. Er küsste nicht einfach nur ihn, wie er es sich schon so oft gewünscht hatte, nein, sie küssten sich. Das wollte er auf keinen Fall enden lassen. Es war Joèl, der einen kleinen Abstand zwischen ihre Lippen brachte. Heißer Atem glühte zwischen ihnen. Alan wollte schon etwas sagen, das spürte Joèl aufgrund der Nähe mehr, als dass er es am Einatmen und dem Öffnen dieses sinnlichen, zärtlichen Mundes sah. Kurzerhand zog er den Rennfahrer wieder an sich, übernahm nun seinerseits die Dominanz in diesem Kuss. Bilder der Vergangenheit fluteten in Joèls Geist. Natürlich war Alan ihm aufgefallen. Und wie er ihm aufgefallen war. Immer und immer wieder. Dieser unglaublich fantastisch aussehende Kerl mit dem gut trainierten Körper. Dezent, nicht aufdringlich. So dass man durchaus jeden Muskel seines Oberkörpers und der Arme deutlich sehen konnte, er unter seiner sportlich-eleganten Kleidung aber immer noch androgyn wirkte. Als Alans forschenden Finger seine Seite nach oben glitten konnte auch Joèl ein leises Aufstöhnen nicht unterdrücken, verlagerte sein Gewicht so, dass er sich ihm entgegenstrecken konnte. Alan erfasste dies als Aufforderung, fuhr mit der gesamten Handfläche über Joèls Brustkorb, unter dem er den dröhnenden Herzschlag des anderen deutlich spüren konnte. Würde Alan doch nicht so verdammt viel Wert auf feste Bindungen legen. Er wollte ihn jetzt. Wollte ihn hier und ohne an das Danach zu denken. Darüber konnte man doch morgen noch reden. Musste es denn gleich eine Beziehung sein? Vielleicht erst eine lockere Affäre? Alles egal. Er sollte nur verdammt noch mal weiter machen! Woher sollte er auch wissen, dass Alan nicht anders dachte? Er konnte auf eine feste Bindung verdammt nochmal pfeifen, wenn er die Chance hatte, hier und jetzt mit Joèl den ganzen Weg zu gehen. Er könnte es ihm sagen. Andererseits, vielleicht wollte Joèl sich noch Zeit nehmen. Was, wenn er plötzlich bemerken würde, dass er noch zu sehr an Erique hing? Alan war ja nun kein Fremder, der so gar nichts mit der ganzen Geschichte zu tun hatte. "Wenn ich dir verspreche, dass wir das hier wiederholen, ist es kein One-Night-Stand, richtig?" Joèls Worte waren atemlos und wurden von Alans Lippen gedämpft, der ihn jedoch dennoch prächtig verstand. Sein Herz - und vor allem seine Hormone - jubilierten. "Scheiß auf meine Prinzipien, solange es dich dazu bewegt weiter zu machen..." Das war mehr als genug Bestätigung. Joèl schob Alan mit sanftem Druck vom Sessel, folgte aber, so dass ihre Lippen nicht ein Mal den Kontakt verloren. Unter gierigen Küssen entledigten sich beide ihrer Shirts, forsche Hände streichelten über empfindliche Haut, während Joèl Alan zum Schlafzimmer dirigierte. Joèl schubste ihn auf die Matratze und war sofort über ihm, machte sich an seinem Gürtel zu schaffen, während seine Lippen heiß und hungrig über seinen Oberkörper wanderten. Alan stöhnte lustvoll auf, als Joèls Zunge über seine linke Brustwarze leckte. Dann war auch schon seine Jeans geöffnet, verschaffte seiner schon fast schmerzhaft geschwollenen Erregung Platz. Als Joèl ein Stück von ihm herunterrutschte, um ihm die Hose von den Beinen ziehen zu können, setzte Alan sich auf, half ihm erst dabei, sich selbst aus dem störenden Kleidungsstück zu befreien und hatte seine Hände dann auch schon am Verschluss von Joels Hose. Sekunden später folgten die Boxershorts. Während Alan sofort näher an Joèl heranrückte, drehte dieser ihn auf den Rücken, richtete sich neben ihm ein Stück auf und ließ seine Hand tastend an seinem Körper hinab wandern. Folgte jeder seiner eigenen Bewegungen mit den Augen, bis zur Hüfte. Von dort ließ er seine Hand wieder an Alans Seite hinauf wandern und beugte sich vor um seine geröteten Wangen zu küssen. Seine Lippen markierten eine glühende Spur zu Alans Ohrläppchen, dann den Hals hinunter. Der Schwarzhaarige bog den Rücken durch, ein wohliges Zittern lief durch seinen Körper. Als Joèls Hand sich um seine Erektion schloss, schossen ihm für einen kurzen Moment tausend Sterne vor die Augen. Er dreht sich leicht, ließ auch seine Hände wandern. Ihre Lippen fanden sich wieder, ihre Zungen verwickelten sich in einen innigen Tanz. Auch Alans Hand hatte ihr Ziel gefunden, begann den Schaft zu massieren, ließ den Daumen über die Spitze kreisen. Geduld war eine Tugend, die beide nicht ihr Eigen nennen konnten, dennoch rückte Alan ein verhaltenes 'Verdammt' murmelnd von Joèl ab, setzte sich auf und krabbelte über ihn hinweg."Was ist?" Joèls Körper schrie wütend auf, ein Knurren grollte leise in seiner Kehle. Dieser Mann sah so verflucht zum Anbeißen aus, wie er dort auf den Knien am Bettrand hockte, nach vorn gelehnt um nach seiner Jeans zu angeln. Alan schrie erschrocken und erregt auf, als Joèl von hinten seine Hand zwischen dessen Beine schob, seine Hoden umgriff und zu massieren begann. "Fuck! Du hinterhältiger Mistkerl!" Seine Hände zitterten jetzt so stark, dass er Probleme hatte, das, was er gesucht hatte, aus seiner Jeanstasche zu holen. Glühende Lippen drückten ihm einen Kuss auf die linke Pobacke. "Was suchst du da eigentlich?" Mit einem triumphierenden Grinsen drehte Alan sich jetzt endlich wieder zu ihm um, eine Reihe aneinander geschweißter Kondompäckchen und eine kleine Tube Gleitgel in der Hand. Joèl gluckste amüsiert. "Du nimmst Kondome mit, wenn du mit mir für die Uni lernst?" "Man muss auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Ich bin halt Optimist." Mehr instinktiv als durchdacht zog Joèl ihn wieder an sich, Haut schmiegte sich an Haut. "Und du glaubst, ich hätte sowas nicht selbst im Haus?" Seine Hände zogen glühende Pfade über seinen ganzen Körper, verweilten nie länger als den Bruchteil einer Sekunde an derselben Stelle. "Du warst 3 Jahre in einer festen Beziehung. Hast du?" Wieder musste Joèl schmunzeln, sein Blick von Lust verklärt. Konversation war das letzte, was er jetzt von Alan wollte. "Kondome nicht, das stimmt. Aber vernünftiges Gleitgel, also schmeiß das Billigzeug da weg." Nach diesen Worten war seine Hand wieder in Alans Nacken angelangt, zog ihn forsch zu sich, um dort weiter zu machen, wo sie soeben aufgehört hatten. Zu ihrem Glück lagen sie derzeit nahe genug an der Bettkante, um nicht noch einmal unterbrechen zu müssen, während Joèl mit ausgestrecktem Arm die Schublade seines Nachtschränkchens öffnete und wohlwissend, wo er es zu finden hatte, das Gleitgel hervor zauberte. Alan spannte sich leicht an. Er wollte abwarten, was sich entwickelte, wusste jedoch zu genau, dass Joèl NIE den passiven Part übernahm. Nicht zumindest laut der Erzählungen in den Clubs, und auch nicht laut Erique. Er sollte ein fantastischer Liebhaber sein, keine Frage. Doch Alan hatte die wenigen Male, in denen er in die Verlegenheit gekommen war, unten zu liegen, nicht in angenehmer Erinnerung, was seiner Nervosität nur zuträglich war. Er hatte kaum mitbekommen, wie Joèl die Tube geöffnet und ihm etwas von dem Gel auf den Fingern seiner rechten Hand verteilt hatte, bevor dieser sie schon zwischen seine Beine dirigierte. Eine eindeutigere Einladung konnte es ja wohl kaum geben! Während er erst zaghaft einen Finger über den engen Muskelring kreisen lies, dann die Fingerspitze nur einige Millimeter weit hinein drückte, nahm Joèl ihm die Kondompäckchen aus der Hand. Verdammt, lag es an den geschickten Fingern eines Künstlers und Pianisten, war es eine besondere Begabung oder einfach nur unverschämt viel Übung, dass er trotz des starken Zitterns, das beide durchlief, dieses widerspenstige Päckchen beim ersten Anlauf geöffnet hatte? Ein wenig hämisch registrierte er allerdings, dass Joèls fachkundigen Finger ein wenig Probleme hatten, ihm das Kondom über seine Erektion zu streifen, als Alan seinen Finger tiefer in Joèl drängte. Probeweise bewegte er ihn noch etwas tiefer, Joèl stöhnte auf, schnappte kurz nach Luft, entspannte sich aber überraschend schnell für jemanden, der für gewöhnlich nicht in dieser Situation war. Also ließ Alan alle Zurückhaltung fahren und nahm direkt schon einen zweiten Finger hinzu. Tief durchatmend fand Joèl seine Kontrolle wieder und strich dass Gummi über das in seiner Hand pochende Glied. Verdammt, warum zur Hölle musste Alan so rücksichtsvoll sein? Allein der Gedanke, wie es sich wohl anfühlen würde, diesen glühenden, lebenden Schaft in sich zu spüren, trieb Joèl fast in den Wansinn. Ungeduldig schob er Alans Hand beiseite und dirigierte ihn mit forschem Druck an den Hüften an die richtige Stelle, krallte eine Hand in dessen kurzes Haar um ihn wieder in einen atemlosen Kuss zu ziehen. Diese Aufforderung ließ Alan sich kein zweites Mal geben. In einer fließenden Bewegung schob er seine Hüfte vor, drängte sich langsam aber stetig in diesen Mann, den er schon so unendlich lange begehrte. Intensiver noch, als Joèl erwartet hatte stieg sengende Hitze von seinem Unterleib in seinem Körper hoch, trieb ihm den Schweiß auf die Stirn und ließ alles vor seinen Augen flimmern. Er spürte kaum noch Alans Hände an seiner empfindlichen Haut, hörte kaum dessen gedämpftes Keuchen an seiner Halsbeuge. Alan hatte ihm eigentlich einen Moment Zeit geben wollen, um sich an ihn zu gewöhnen. Den Muskeln die Möglichkeit geben wollen, sich zu entspannen. Doch da bewegten seine Hüften sich schon längst von allein. Genussvoll stöhnend registrierte er, dass Joèl sich ihm entgegen drängte, ihren Kontakt vertiefte. Er war im siebten Himmel, erfüllt von Joèls Geruch, dem Geräusch seines schlagenden Herzens, dem stoßweise gehendem Atem, dem Gefühl von Hitze, die ihn umschloss, alles bestimmt durch seine gleichmäßig schneller werdenden Stößen. Joèls Muskeln krampften sich um ihn zusammen, der Student bäumte sich auf. Es musste ihn unendliche Disziplin gekostet haben, Alans Hüften zu packen, ihn an jedweder Bewegung zu hindern und dann kraftvoll herumzudrehen, so dass er nun mit dem Rücken in den zerwühlten Laken lag. Joèl biss sich auf die Unterlippe, als Alan vollständig aus ihm herausglitt, um dann unmittelbar wieder in ihn einzudringen als er sich auf seine Hüfte niederließ. Unendlich wirkende Sekunden, den Atem anhaltend verharrten sie beide bewegungslos. Ihre Körper glänzten in dem dämmrigen Licht, das Mond und Sterne durch das Schlafzimmerfenster warfen. "Mein Tempo, Alan." Quälend langsam ließ Joèl seine Hüfte kreisen. Bewegte sich nur wenige Millimeter auf und ab. Seine Muskeln verkrampften und entspannten sich im gleichen Takt. Alan bog den Rücken durch, drängte sich stöhnend in die Kissen und krallte seine Finger kraftvoll in Joèls Oberschenkel. Dieser schrie auf, warf den Kopf in den Nacken. Einen flüchtigen Moment schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, wie froh er sein konnte, dass Alan nicht reflexartig nach seinem Geschlecht gegriffen hatte, als dieser spürte, wie die Haut unter seinen Fingernägeln aufriss. Ein greller Lichtblitz zuckte vor Joèls innerem Auge, sein ganzer Körper krampfte sich zusammen. Alan wollte seine Hände erschrocken zurückziehen, doch Joèl reagierte unerwartet schnell, packte mit der Rechten Alans linkes Handgelenk. Das also hatte dieser verfluchte Vampir aus ihm gemacht. Einen Menschen, der auf blutige Wunden und stechenden Schmerz beim Sex abfuhr. Joèl schloss seine eigene Hand um seine Erektion, bewegte sich schneller, und nun war es Alan, der wieder die Initiative ergriff, ihn herumwirbelte und sich Joèls linkes Bein über die Schulter schob. Die rechte Hand an dessen Hüfte, die Linke an seinem Glied, die Stöße forsch, kraftvoll. Ein letztes Mal bäumte Joèl sich auf, krallte seine Hände in die Decke unter sich, registrierte Alans Aufschrei. Sein Bein glitt von Alans Arm, als dieser sich über ihn lehnte, sich zur Seite rollen wollte. Joèl legte zärtlich seine Arme um seine Hüften. "Warte noch." War er so erschöpft oder hatte er sich tatsächlich heiser geschrien? Alan beugte sich vor, lächelte gegen seine Lippen und küsste dann federleicht die geröteten und geschwollenen Lippen. Die Prüfungen waren geschafft. Zeit für die nächsten zu lernen. Joèl hatte entschieden, ab der nächsten Woche wieder selbst an den Vorlesungen teil zu nehmen. Im laufe der vergangenen zwei Wochen hatte sich sein Zustand enorm verbessert. Da, wo die Erinnerungen an Erique waren, schmerzte es nach wie vor, doch es war erträglich. Alan grinste übers ganze Gesicht, als Joèl ihm leicht schwankend aus der Discothek folgte. Es freute ihn, dass er den einsamen Wolf endlich wieder unter Leute bekam. Einige wenige Male hatte er registrieren müssen, dass Joèl's Gedanken abdrifteten. Wohin, wollte er ihm nie sagen. Dann bekam er wieder diesen merkwürdigen Ausdruck in den Augen. Dieses Blitzen und dazu eine unbändige Sehnsucht. Das waren die Momente in denen seine Stimme einen leisen, gefährlichen Klang hatte, wenn er ihn ansprach, seine Bewegungen so unglaublich fremd wirkten. Es war alles noch zu frisch, um sich wirklich Sorgen zu machen. Alan wollte Joèl Zeit geben. Wie lange würde ein Mensch wohl brauchen, um den Verlust seiner großen Liebe zu verkraften? Monate? Jahre? Auch Joèl selbst stellte sich regelmäßig diese Frage. Wohin seine Gedanken abdrifteten war nicht Erique. Es war das Schwarze Schloss im Allgemeinen. Er konnte die Erkenntnis dessen, was er dort erfahren hatte, aus seinem Alltag verbannen, doch wenn er zur Ruhe kam, wenn er in den Sternenhimmel sah, die Nachtluft einatmete, dann war er nicht in der Lage die Erinnerungen an diese erhabenen Wesen zu verdrängen. Das waren die Momente in denen er sich an lange Gespräche mit Bernard erinnerte, an einen Salon in dem ein Kaminfeuer knisterte, Klavier gespielt wurde und Gestalten wie aus einer anderen Zeit schweigend beisammen saßen um sich wortlos über alles und nichts zu unterhielten. Das waren Momente in denen er an Shatei dachte. An diese so widersprüchlichen Gefühle, die der Vampir in ihm auslöste. Die Angst vor ihm, die Wut, dass er ihn als Beute und Eigentum bezeichnet hatte, den Schmerz und die Lust. Er sehnte sich nach seiner Nähe und war doch froh, sie nicht ertragen zu müssen. Sein Blick fiel auf Alan. Dieser Mann tat ihm gut. So unendlich gut. Sein Humor, die geistreichen Gespräche. Er hatte sich von ihm breitschlagen lassen, zu einem dieser Rennen mit zu kommen. Die Faszination für schnelle, donnernde Motoren, den Geruch von Benzin und verbrannten Gummi, konnte er noch immer nicht nachvollziehen. Wollte den Reiz der Gefahr und das Risiko, bei einem Gesetzesverstoß erwischt zu werden, nicht nachvollziehen können. Er stolperte fast über seine eigenen Füße, musste lachen. Es tat gut, mal wieder betrunken zu sein. 'Joèl.' Wie vom Blitz gerührt blieb er stehen. Diese Stimme. Als wäre sie direkt an seinem Ohr. Schlagartig war jegliche Wirkung des Alkohols verflogen. Oder war die Stimme selbst nur eine Wirkung des Alkohols? Zögernd sah er sich in der von gelbem Licht beleuchteten Straße um. "Hey, was ist?" Jetzt machte er sich Sorgen. Hatte Joèl da drin irgendwas geschluckt was er nicht hätte schlucken sollen? Er war plötzlich so blass, seine Pupillen geweitet. Joèls Blick zuckte in eine Richtung links von ihnen. Unmittelbar darauf hörte Alan es auch: Das Geräusch von Schotter, der unter schweren Schuhen knirschte. drei Schritte, vier. Nur zwei Meter von ihnen entfernt war ein hochgewachsener Mann aus einer Seitenstraße getreten. Schwarzes schulterlanges Haar, ein langer schwerer Ledermantel über dunkler Kleidung. Selbst die dunkelbraunen Augen wirkten bei diesen Lichtverhältnissen schwarz. Es herrschte einen Momente gespannte Stille. Hatten sie sogar den Atem angehalten? Alan zuckte zusammen als die kräftige tiefe Stimme des Fremden einem Donner ähnlich durch die Stille, bis tief in seine Knochen vibrierte. "Komm mit mir zurück, Joèl." Seine Augen sagten so überdeutlich aus, dass er noch so vieles mehr zu sagen hatte, dies jedoch nicht vor Alan tun wollte. Ein leichter Kopfschmerz drückte in Joèls Schläfen. Er hatte seinen geistigen Schutz gleich bei dem Klang seines Namens reflexartig hochgezogen und gedachte nicht, ihn auch nur ansatzweise zu senken. Alan öffnete den Mund und setzte dazu an, einen Schritt nach vorn zu tun, um Shatei wohl anzuherrschen, was er von ihm wolle, doch Joèl schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab noch bevor der erste Ton über seine Lippen kam. "Ich habe es dir ehrlich zugetraut, als du sagtest, du kommst zurecht. Du hast dich hervorragend wieder eingegliedert, aber Joèl, du musst doch zugeben, dass sich zu viel geändert hat. Du hast dich geändert. Du kannst es dir einreden und dich bemühen, du kannst wieder vortäuschen, etwas zu sein, was du nicht bist, aber du gehörst nicht hierher." Ja. Ja, natürlich hatte er Recht. Aber verflucht nochmal, er wollte leben. Er wollte wieder zur Universität gehen, Klavier spielen, Bilder malen. Er wollte unter Menschen gehen, feiern, wollte einen warmen Körper in seinen Armen. Er wollte sein Leben zurück. Wie immer bei diesem Gedanken spürte er diesen tief sitzenden, gut verdrängten Schmerz des Wissens, dass es nie so wie früher werden konnte. Dass er nie wieder so wie früher werden konnte. Er würde Shatei ein klares Nein geben. Was sollte ihm das Schwarze Schloss bedeuten? Was... "Komm zurück Joèl. Komm nach Hause." -------------------------- Tja, das war es nun. Ich bedanke mich herzlich bei allen, die bis hierher durchgehalten haben und hoffe das Ende (naja.... "Ende") ist für euch alle annehmbar. *verneig* Fye Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)