upside down von Traumweber ================================================================================ Kapitel 10 - "back to reality" ------------------------------ Kapitel 10 - „back to reality“ Es war ein unangenehmes, fremdes Gefühl, wieder zuhause zu sein. Joèl war spät in der Nacht von einem Taxi heimgebracht worden und hatte wohlwissend das Rollo des Schlafzimmers oben gelassen, in der Hoffnung, seinen normalen Schlafrhythmus wieder antrainieren zu können. Schottland hatte er nun vor einer Woche hinter sich gelassen. Vor drei Tagen haben die Vorlesungen an der Universität begonnen und er hatte seither die Wohnung noch nicht verlassen. Mit angezogenen Beinen saß er auf der gepolsterten Fensterbank im Wohnzimmer, die Stirn an die Kühle Fensterscheibe gelehnt. Erique hatte ihn verlassen. War mit Professor Renadall nach Schottland gereist. Joèl atmet zitternd ein, als die Bilder seines Betruges zu ihm zurückkehren. Viele böse Worte, Streit und Tränen und er hatte ihn verlassen. War gemeinsam mit seinem neuen Liebhaber abgereist und hatte Joèl zurückgelassen. Das war die Geschichte, die sich der Student krampfhaft einredete, auf dass sie für ihn zur Realität werden möge. Er erwischte sich dabei, wie er aufhorchte, als im Hausflur Schritte an seiner Wohnungstür vorbeigingen. Ertappte sich bei der Erwartung, einen Schlüssel in der Tür zu hören. Erique hereinkommen zu sehen. Doch nichts dergleichen geschah. Wie denn auch? Joèl schüttelte den Kopf. Idiot! Erqiue war fort. Er würde nicht zurückkommen. Müde rappelte er sich auf und ging zum Schlafzimmer. Das Bild über dem Bett hatte er abgenommen. Noch hatte er es nicht durch ein neues ersetzt. Noch hatte er es auch nicht übers Herz gebracht, das große Fantasie-Gemälde zu vernichten. Es lehnte von einem Leinentuch verdeckt an einer Wand in seinem Atelier. Entschlossen holte Joèl sich einen großen Plastikbeutel und öffnete den Kleiderschrank. Er würde nicht zurückkommen. Wenn er irgendwann wieder ein normales Leben führen wollte, musste er aufhören, ihn zu erwarten. Behutsam nahm er Eriques Kleidungsstücke aus dem Schrank und verstaute sie in dem Plastiksack. Allzuviel war es nicht, immerhin hatte er für eine längere Reise gepackt. Joèl schluckte schwer, als ihm Eriques Lieblingspullover in die Hände fiel. Er war aus weicher Wolle, blau. Zu warm für den Sommer, auch für Schottland, deshalb hatte Erique ihn natürlich nicht mitgenommen. Der 23-Jährige drückte den Pulli an sich, atmete den Duft ein. Waschpulver. Natürlich, was sollte auch getragene Kleidung im Kleiderschrank verloren haben. Nichts in dieser Wohnung haftete noch der der Geruch seines Liebsten an. Joèl hatte in einem Anflug von Putzwahn alles gewaschen und gebügelt, bevor er entschieden hatte, ihm nachzureisen. Schluchzend setzte er sich auf das Bett, den Pullover weiter fest an sich gedrückt und weinte tränenlos. Er hatte keine Tränen mehr übrig. Zu viele waren in den vergangenen Tagen und Wochen geflossen. Genug für die nächsten zehn Jahre. Bestimmt würde er einer von diesen verbitterten Männern werden, die sich in sich selbst zurückzogen, nicht in der Lage eine Emotion zu zeigen. Er würde Menschen meiden und immer nur allein und unbeobachtet an seine verlorene Liebe denken, voller Gram über seinen Verlust. Wut, dass er nicht abschließen konnte, würde er in Whiskey ertränken. Er würde launisch und unnahbar werden, sich vielleicht eine Katze oder einen Hund anschaffen. Und dann irgendwann mit 50 oder 60 Jahren in seiner dunklen Wohnung dem Sterben nahe, würde er feststellen müssen, dass er allein war. Niemand würde ihn vermissen. Sein Haustier würde kläglich verhungern. Vielleicht würde auch niemandem auffallen, dass er gestorben war. Höchstens den Angestellten des Supermarktes um die Ecke, in dem er ab und an einkaufen gehen würde. Er nahm sich noch eine weitere Woche unentschuldigter Fehlzeit bevor er wieder zu den Vorlesungen ging. Und dann besuchte er sie nur vier Tage lang. Die Menge an laut schnatternden Menschen. Diese Blicke. Die verfluchten Blicke, die ihm folgten. Er fühlte sich ohnehin seit seiner Rückkehr verfolgt und beobachtet und konnte das Getuschel hinter seinem Rücken nicht ertragen. Dieser Versuch lag nun bald einen Monat zurück. Er hatte Post von der Universität bekommen. Er könne aufgrund seiner bislang so großartigen Arbeiten auch ohne Anwesenheitsnachweise an der nächsten Prüfung teil nehmen. Er wusste selbst nicht, ob er das wollte. Natürlich hatte er nicht vor sein Studium hin zu schmeißen. Aber es war so verdammt schwer, wieder in ein normales Leben zurückzufinden. Zu vergessen, was er gesehen und erlebt hatte. Er hatte es versucht. Hat versucht, sich selbst einzureden, dass das alles anders gewesen sei. Doch Erkenntnis ist wie eine tiefe Narbe. Man kann sie überschminken, doch man wird sie nie wieder los. Alexander hatte es richtig gemacht. Er war geblieben. Nicht weil er bleiben wollte, sondern, weil er nicht zurück wollte. Er war sowieso nur der verrückte Idiot, der an Schauergeschichten glaubte und mit leeren Händen zurückkehren würde. Doch für Joèl könnte hier noch ein ganzes Leben warten. Wenn er doch nur den Dreh kriegen könnte. Seit einigen Tagen klingelte immer wieder das Telefon. Die Schelle hatte er mittlerweile abgestellt. Auf der einen Seite wollte er niemanden sehen. Andererseits regte sich tief in ihm etwas, das froh war, dass seine Befürchtungen über seine Zukunft vielleicht doch nicht eintreffen würden. Dass er nicht so allein war, wie er glaubte. Die Digitalanzeige seines Weckers zeigte kurz nach sieben Uhr morgens, als Joèl von lauten hämmernden Geräuschen an seiner Wohnungstür geweckt wurde. Gedämpfte Rufe drangen zu ihm. Er stand auf, strich sich das wirre Haar aus dem Gesicht. Im Wohnzimmer war es schon verhältnismäßig hell, ging doch die Sonne immer noch sehr früh auf. In Boxershort gekleidet spähte er durch den Türspion. Alan! Na prächtig! Der letzte Mensch auf Erden, den er jetzt sehen wollte. Eigentlich wollte er überhaupt niemanden sehen. Kurz drifteten seine Gedanken ab. Er fragte sich unbewusst, wen er überhaupt, wenn es denn nun sein müsste, in seiner Nähe ertragen könnte. Die Antwort gefiel ihm nicht. Gefiel ihm ganz und gar nicht. "Joèl, mach die beschissene Tür auf! Ich weiß ganz genau dass du zuhause bist. Du hast aufmerksame Nachbarn, weißt du? Hey Arschloch, mach auf!!" Na so dann ja wohl erst recht nicht. Joèl machte auf dem Absatz kehrt und ging erst einmal zur Küche, um sich dort einen Kaffe zu kochen. Mangels besserer Beschäftigung - das Klavier war gut eingestaubt, sein Atelier zum Abstellraum degradiert worden, seine Bücher waren nur nette Deko im Regal - blieb er neben der Maschine stehen. Nahm ganz bewusst den Geruch der ersten Kaffetropfen auf, lauschte dem Geräusch des Wasserdampfes, der durch die Maschine hochstieg. Mit seiner duftend dampfenden Tasse tiefschwarzen Gebräus in der Hand machte er sich zurück auf den Weg ins Wohnzimmer. War da etwa immer noch ein stätiges Klopfen? Nicht mehr ganz so energisch aber doch da. Er stellte die Tasse auf dem Wohnzimmertisch ab. Hatte eigentlich vor gehabt, es sich auf der Couch gemütlich zu machen. Er ging wieder näher zur Tür. "Weißt du, ich kann mir auch den Zweitschlüssel von deinem Vermieter geben lassen." In einer fließenden Bewegung öffnete Joèl die Tür, trat dabei direkt beiseite, so dass Alan hereinkommen konnte. Er kannte ihn nur flüchtig, aber gut genug um zu wissen, dass sein Dickschädel unbesiegbar war. "Ich habe keinen Vermieter, das hier ist eine Eigentumswohnung. Was willst du hier?" Der Schwarzhaarige blieb erst einmal mitten im Raum stehen, lies den Blick schweifen. Ignorierte ihn der Kerl etwa? "Wow, echt geile Wohnung!" Joèls Laune sank rapide dem Tiefpunkt entgegen. "Erique ist nicht da." Nun drehte Alan sich doch um. Grinsend. "Ich weiß. Zu ihm will ich ja auch nicht." Eine Augenbraue wanderte in die Höhe. "Nicht?" Jetzt war Joèl verwirrt. Was konnte es geben, dass dieser Kerl von ihm wollte? Warum wollte er nicht zu Erique? Erique hatte ja logischerweise auch schon seit Wochen nicht von sich hören lassen. Konnte nichts von sich hören lassen, wie Joèl wusste, versuchte energisch dies wieder zu verdrängen. "Hast du noch ´nen Kaffee?" Zum aus der Haut fahren. Legte der Kerl es darauf an, rausgeschmissen zu werden? "Nein. Ich erwarte, dass du mir sagst, was du von mir willst und dann augenblicklich wieder verschwindest!" Eisig kalt schien seine Stimme die Luft zu durchschneiden. "Du bist wirklich gruselig geworden, Joèl. Aber fein: Ich mache mir Sorgen, ob du's glaubst oder nicht. Du kommst nicht zu den Vorlesungen, verlässt kaum die Wohnung, Erique ist spurlos verschwunden und deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hat er nicht nur seinen Urlaub verlängert." Nein. Nein, nicht das Thema. Wieder krampfte sein Magen. "Das geht dich nichts an." Es kostete ihn einige Mühe, seine Stimme daran zu hindern wegzubrechen. "Du weißt wo die Tür ist." Er ging an seinem Studienkollegen vorbei, wollte zur Couch, doch eine warme Hand schloss sich um sein Handgelenk. So ungewohnt... so vergessen. Der Blick des Anderen erinnerte ihn entfernt an den des Professors, als sie sich verabschiedet hatten. Diese Sorge in den Augen. Und als würde er um den Schmerz wissen, den Joèl empfand. Dabei konnte er das nicht. Wie auch? Er war allein mit seinem Schmerz. Würde allein bleiben und wollte es auch gar nicht anders. "Gib mir eine Chance! Ich werde dich nicht fragen und auch nicht über Erique sprechen, wenn du es nicht willst. Aber schmeiß das Studium jetzt nicht hin. Das bedeutet dir doch viel zu viel." War das so? Ja, Alan hatte recht. Das Studium bedeutete ihm wirklich sehr viel. Er hatte das Studium direkt nach dem Abitur, noch lange bevor er Erique kennen gelernt hatte begonnen. Er liebte und lebte das Studieren. "Ich muss gleich zur Vorlesung. In zwei Wochen sind Prüfungen. Lass mich dir beim Aufholen des Stoffes helfen, Joèl. Lass mich einfach nur da sein, falls du es dir anders überlegst und doch reden möchtest. Meine Nummer hast du ja." Mit diesen Worten verschwand der warme Griff und hinterließ ein Kribbeln auf Joèls Haut an der Stelle an der Alans Hand gewesen war. Ohne ein weiteres Wort ging der junge Mann. Verquere Welt. Schlief er noch? Ausgerechnet Alan war hierhergekommen und sorgte sich um ihn? "Schwachsinn..." Joèl dachte noch einige Zeit über Alans Worte nach. Selbstverständlich war es Richtig, was er gesagt hatte. Nachdem er geduscht und sich angekleidet hatte nahm er sich eines seiner Bücher zur Kunstgeschichte zur Hand. Mit diesem Stoff hatte er keinerlei Probleme. Er las gerne von der Entwicklung der Kunst in den verschiedenen Epochen und Ländern. Von großen namhaften Künstlern und den Facetten ihrer Werke. Mathematik war da schon eher etwas, bei dem man in Übung bleiben sollte, doch im Moment fehlte ihm einfach die Motivation, sich an ellenlange Zahlenreihen voller Unbekannter zu setzen. Mit ein paar Broten und einem Tee bewaffnet kuschelte er sich also auf die Couch, ein dickes Buch über die Zeit des Impressionismus vor der Nase. In der Bücherei im Schwarzen Schloss hatte er so viel Zeit mit Lesen und Lernen verbracht... nein, korrigierte er sich. Er hatte nur die ersten Tage wirklich seinem Studium gewidmet. Danach war er zu Vampirromanen und Forschungswerken zu diesem Thema übergegangen. Er atmete tief durch. Wüten darüber, dass ihn diese Gedanken schon wieder ablenkten. Tatsächlich kam Alan am gleichen Abend wieder. Mit einer Mappe gefüllt mit Mitschriften und zwei großen Pizzen im Arm. Joèl war überrascht, wie wunderbar das gemeinsame Büffeln funktionierte. Alan hatte irgendwie die gleich Art an Aufgaben heranzugehen, wie er. Erklärte es mit Worten, die Joèl wohl nicht anders gewählt hätte. Die verpassten Vorlesungen waren unglaublich schnell aufgearbeitet und der Braunhaarige war sich sicher, dass er ihrem Professor nicht so gut hätte folgen können, wie Alan. Er sprach ihn nicht auf Erique an. sprach eigentlich überhaupt nicht von den Semesterferien, und bewältigte das sogar ganz ohne dass man das Gefühl hatte, als meide er das Thema. Dreimal die Woche fanden die Mathematikvorlesungen statt und jeden Abend nach den Vorlesungen kam Alan bei ihm vorbei und ging den Stoff mit ihm durch. Heute war Sonntag, doch scheinbar hatte er wohl nichts Besseres zu tun, als sich mit ihm auf die Prüfungen vorzubereiten. "...und dann stolpert der Depp über seine eigenen Füße und schleudert dem Prof die ganze Sauerei entgegen. Du hättest sein Gesicht sehen sollen!" Alan hatte neben der Mathematik noch Biologier begonnen und war nun im dritten Semester. "Da! Ich habe es ganz genau gesehen. Deine Mundwinkel haben gezuckt. Das war eindeutig sowas wie ein Lachen!" Joèl starrte ihn perplex an. Was? "Bin ich so ernst?" Ein Nicken bestätigte seine Befürchtung. Die Abende waren wirklich überraschend angenehm und auch amüsant gewesen. Hatte er kein einziges Mal gelacht? Verdammt, war er jetzt schon zu diesem griesgrämigen Einsiedler aus seinen Albträumen geworden? "Du musst das nicht machen, Alan. Du brauchst nicht ständig mit mir hier rumhocken. Erique kommt nicht wieder." Ein dumpfer Schmerz schoss durch seinen Oberarm, als dieser von Alans Faust getroffen wurde. "Idiot. Als ob ich hier wäre, weil ich auf Erique warte. Ehrlich, was immer du gedacht hast, wir waren nicht befreundet. das nur mal zu Protokoll." Er hatte das Thema meiden wollen. Alan hatte sich entgegenkommend daran gehalten. warum nur, fing er nun selbst davon an? Doch irgendetwas in ihm sagte ihm, dass es in Ordnung ist. Er wollte jetzt darüber reden. Nicht über alles. Nicht über das was geschehen war. Aber über Erique im Allgemeinen. "Nur schien das anders zu sehen. Immerhin hat er sich ja von dir zu diesen waghalsigen Rennen schleppen lassen. Was mich eigentlich daran erinnert, wie wenig ich dich leiden kann." "Autsch. Das tat weh, Joèl." Sein breites Grinsen widersprach da allerdings massiv. Natürlich war auch Joèl überdeutlich bewusst, dass da gewiss wesentlich mehr hinter steckte als Erique ihn hatte glauben lassen. Die Bestätigung dieser Vermutungen folgte auch prompt. Es war wohl wirklich an der Zeit, dass die beiden jungen Männer sich mal aussprachen. "Um dich endlich von diesen verfluchten Rennen runter zu bringen: Ja, ich fahre illegale Rennen. Ja, der Scheiß ist waghalsig und obendrein kriminell. Doch hättest du auch nur einmal meine Einladung angenommen... mich hätte wirklich interessiert, was passiert wäre. Was wäre gewesen, wenn du auf all die Leute getroffen wärst, die Erique so gar nicht als den kleinen unschuldigen, naiven Kerl kannten? Keiner von uns ist gerne gegen ihn gefahren. Es war ihm egal ob er seine Gegner in den Graben drängte. es war ihm egal, ob er schon zu betrunken war um geradeaus zu gehen." Ja, das klang in etwa so, wie Joèl es nach den abgrundtiefen Offenbarungen über sein Herz erwartet hatte. Er schluckte trocken, ein Kloß saß ihm im Hals. "Warum habt ihr ihn dann überhaupt fahren lassen? Ohne Gegner hätte er es doch sicherlich schnell aufgegeben?" Alan stand nun auf, verschwand nur kurz in der Küche, um sich eine Dosencola aus dem Kühlschrank zu nehmen. Bereits am zweiten Tag hatte Joèl ihn aufgefordert sich jederzeit zu bedienen. Der Verschluss clickte in die Stille hinein, das zischende Entweichen der Kohlensäure verursachte bei Joèl eine Gänsehaut, dem er keine weitere Bedeutung beimaß. Erst nach zwei Schlucken des eisgekühlten Koffeingetränkes setzte Alan sich wieder zu ihm, hielt ihm die Dose hin, die Joèl mit schweigender Geste ablehnte. "Es ist nicht so einfach. Stolz ist ein gefährlicher Freund. Keiner würde eine Herausforderung ohne wirklich guten Grund ablehnen. Und schon gar nicht kam in Frage, vor einem Homo zu kneifen. Nichts gegen dich, aber gerade in dieser Szene werden Schwule mit einiger Geringschätzung betrachtet. Spätestens nach seinem Outing brauchte Erique sich keine Sorgen mehr um Gegnermangel zu machen." Welch eine Situation. Da musste sich Joèl doch tatsächlich von einem Studienkollegen über den Charakter des Jungen aufklären lassen mit dem er drei Jahre lang die Wohnung und das Bett geteilt hatte. "Wenn du Erique so wenig leiden konntest, warum..." "Warum ich mit ihm rumhing? Hohlkopf. Wegen dir! Guck nicht so! Ist dir mal aufgefallen wie schwer man an dich ran kommt? Wir studieren jetzt, wie lange zusammen? Naja, ist ja auch egal, auf jeden fall konnte man nie als zwei drei Sätze mit dir wechseln und schon warst du wieder weg." Das entsprach der Wahrheit. Joèl war immer ein Einzelgänger gewesen. Seit er von seinen Eltern vor die Tür gesetzt wurde, weil sie einen schwulen Sohn schlicht und ergreifen nicht akzeptieren wollten und es besser zu verdrängen war, wenn er nicht unter dem gleichen Dach wohnte, hatte Joèl auch noch seine sogenannten Freunde verloren. Es waren eher Bekannte gewesen. Seine Freizeit verbrachte er, wenn er sich nach Menschen sehnte in Clubs. Mit seinem Aussehen fehlte es ihm an nichts. Er hatte zwar ab und an über das Thema Beziehung nachgedacht, doch es war nie für ihn in Frage gekommen. Und auch Erique war er nicht von Beginn an treu gewesen. Das hatte sich dann später irgendwie mit den wachsenden Gefühlen von selbst eingestellt. Shatei hatte er sich auch nicht Geringsten verweigert. So banal der Gedanke war, fühlte er sich allen Ernstes deswegen so unwohl seit er zurück was? Kein Sex in der Heimat? Er musste über sich selbst und diesen Aberwitzigen Gedanken schmunzeln. "Jaja, lach nur über mich. Vor Erique war es noch ein wenig Unsicherheit, die in deiner Ausstrahlung mitschwang. Bloß niemanden zu nahe heranlassen. Während eurer Beziehung hat man immer mehr gemerkt, dass dir alles und jeder außer ihm gleichgültig ist. Und jetzt. Jetzt bist du unheimlich. Du solltest mal einen Blick in dein Spiegelbild in einem Schaufenster werfen, wenn du an einem vorbeikommst. Wie du dich bewegst, das ist nicht normal." Joèl musst schlucken. Selbst Shatei hatte einen kurzen Moment geglaubt jemand habe sich seinen Anordnungen widersetzt und Joèl verwandelt... Verdammt. Er war hier unter ganz normalen Menschen. Benahm er sich immer noch so... untot? Er wendete den Blick zum Fenster. Die Sonne war vor einigen Minuten untergegangen. Er hatte es seit einiger Zeit vermieden, in den Nachthimmel zu schauen. Er musste sich eingestehen, dass er die Nacht vermisste. Der Geruch der nächtlichen Luft, das Zwitschern von Vögeln, der Lärm und das Licht des Tages waren ihm zuwider geworden. Er hatte sich zu sehr an die Atmosphäre in diesem Schloss gewöhnt. Die dauerhafte Präsenz des Übernatürlichen. Dieses Alte und Erhabene.... Das Geräusch eines Finger-schnippen direkt vor seiner Nase schreckte ihn auf. "Du tust es schon wieder! Dich unheimlich verhalten. Lass das!" "Oh, ich... entschuldige. Ich dachte nur gerade, dass es vielleicht Zeit ist, dass ich endlich mal wieder ausgehe." Alan klatschte in die Hände und sprang auf. "Na wunderbar. Du gehst eh nicht zur Uni und ich kann mir einen Tag frei auch erlauben. Lass und ausgehen." Da damit zumindest schon klar war, dass der Lern-Abend an seinem Ende angelangt war, begann Joèl die Unterlagen zusammen zu räumen. "Ich denke nicht, dass du doch in den Clubs, die ich für gewöhnlich besuche, wohl fühlen würdest." Nein, nicht so ein illegale-Rennen-fahrender-absolut-100%ig-hetro wie Alan. Der würde es fertig bringen und sich mit seiner großen Klappe noch in derbe Schwierigkeiten bringen. Joèl musste zugeben, dass der Andere ihm zu sympathisch geworden war, um ihn mit gebrochener Nase und vielleicht noch schlimmeren, im Krankenhaus abliefern zu müssen. Welch Ironie. Vor nicht ganz zwei Monaten hätte er ihm am liebsten noch eigenhändig jeden Knochen im Körper zertrümmert. "Langsam aber sicher wird deine Ignoranz beleidigend, mein Freund. Wir haben schon den selben Mathe-LK auf dem Gymnasium besucht und du hast immer noch nicht gepeilt, dass ich auf dich stehe? Oder bin ich so dermaßen unattraktiv dass du es mit krampfhafter Absicht übersiehst?" Wie schloss man noch gleich wieder den Mund? Joèl starrte Alan ungläubig an. Ein Traum. Alles ein dummer Traum. Er war auf dem Hinflug nach Schottland eingeschlafen und seither nicht wieder erwacht. Dass er keine Probleme hatte, nen One-Night-Stand zu finden war super, Dass Erique sein Herz an ihn verloren hatte war umwerfend. Dass er sich für ihn verstellte, weniger. Dann verliebt sich ein Vampir in ihn. Das war beängstigend, aber auch schmeichelnd. Äußerst schmeichelnd. Wütend rief sich Joèl selbst zur Ordnung als seine Gedanken abzudriften drohten. Nun sollte Alan schon seit sechs Jahren auf ihn stehen? Da konnte doch etwas nicht stimmen! Klar. Alan war der Typ Spaßvogel. Er hatte einen merkwürdigen Humor, das war Joèl ja bereits aufgefallen. Er begann leise zu lachen. "Ok, jetzt hast du mich erwischt." Natürlich war es ihm auch zu einem gewissen Grad peinlich, tatsächlich für einen Moment geglaubt zu haben, der Schwarzhaarige würde Interesse an ihm haben, aber letztendlich war es wie es war. Er hatte ihn eiskalt drangekriegt. Joèl verstummte und hob eine Augenbraue. Alan stand vor ihm, die Arme verschränkt, sein Blick ernst und gefasst. "Es gibt gewisse Dinge über die selbst ich keine Scherze mache. Ich kenne die Clubs in denen du dich vor deinem plötzlichen Anfall von Monogamie herumgetrieben hast. Auch da hast du mich schlicht und ergreifend übersehen." Gut, nun wurde es Joèl allmählich wirklich unangenehm. War er so ein ignorantes Arschloch? Aber warum hat jemand wie Alan, nie die Zähne auseinander gekriegt? Er war ja nun noch nie die Schüchternheit in Person gewesen. Oder? "Ich will ja jetzt nicht deine Ehrlichkeit anzweifeln, aber bin ich so Abschreckend, dass du in all den Jahren nichts gesagt hast und jetzt hast du gerade irgendwie so eine Art Eingebung, die dir nach sechs Jahren sagt 'Jetzt ist der richtige Zeitpunkt' ?" Joèl musterte ihn skeptisch, während Alan tief durchatmete und dann die Schultern zuckte. "Für mich kommen One-Night-Stands nicht in Frage, für dich war alles Andere tabu. Während du mit Erique zusammen warst hatte ich wohl kaum eine Chance. Also wann sonst, wenn nicht jetzt?" Da war was dran. Da war verdammt nochmal wirklich was dran...aber...Alan? Er brauchte nicht lange zu überlegen, ob der Biologie-Student in seinen Augen attraktiv war. Er war es ohne jedweder Beanstandung. ---------------- Das war dann nun wirklich das vorletzte Kapitel ^^ In der nächsten gibt es wieder 'adult'-markierung und ENDLICH lasse ich auch mal was passieren ^^ Slash-fans ihr dürft euch freuen Liebe Grüße Fye Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)