upside down von Traumweber ================================================================================ Prolog: -------- Kapitel 1 Ein schrilles Piepen riss Joèl aus seinen Träumen. Er gab ein gequältes Stöhnen von sich und tastete mit noch geschlossenen Augen nach dem kleinen Knopf seines Digitalweckers, um das nervtötende Geräusch abzustellen. Warum hatte er sich nicht schon längst einen Anderen gekauft? Er drehte sich herum, langte neben sich und umarmte sanft... ein Kissen?! Widerstrebend öffnete Joèl die Augen. Erique? Na scheinbar war er schon aufgestanden. Er schlug die warme Decke zurück und schlurfte lustlos Richtung Wohnzimmer. Eigentlich war er ja kein Langschläfer, doch in letzter Zeit bereitete ihm das Einschlafen abends Probleme. Er lag dann stets noch lange wach und betrachtete seinen Partner, mit dem er nun seit 3 Jahren zusammen lebte, während dieser friedlich schlummerte. Oft erinnerte er sich dann daran, wie er ihn damals absolut Orientierungslos aufgefunden und ihm seine Hilfe angeboten hatte. Der damals wohl gerade 17/18-Jährige hatte keinerlei Erinnerungen mehr, die weiter als zwei Tage zurück reichte, also nahm Joèl ihn erst einmal mit zu sich. Die zahlreichen Behördengänge tätigte er ebenso mit ihm, doch niemand fand heraus, wer der Junge war. Niemand schien ihn zu vermissen und die Ärzte waren auch keine Hilfe. Ihren Aussagen zufolge sei mit seinem Gedächtnis alles in Ordnung, so dass selbst Joèl eine Zeit lang zu glauben begann, Erique würde nicht ganz die Wahrheit sagen. Während die Zeit dahinflog und Erique nun auch einen Aushilfsjob in der Universität bekam, in der Joèl Kunst und Geschichte studierte, ergab es sich, dass die Beiden sich nich nur schätzen sondern sogar lieben lernten. Erique stand bereits vollständig angekleidet in dem großen Wohnzimmer und betrachtete Joèls neuestes Kunstwerk. Sein blondes Haar fiel ihm in langen Locken über den Rücken. Er hatte die Angewohnheit, es fast immer offen zu tragen, während Joèl sein etwas über schulterlanges, braunes Haar meist zu einem Zopf zusammendrehte. Auch nachts trug er vorzugsweise ein Haargummi. Erique hatte ihn einmal gefragt, warum er sie sich dann denn hatte wachsen lassen, wenn er sie doch eh ständig zurück band, doch bis heute hatte ihm Joèl darauf noch keine wirkliche Antwort gegeben. Während er vor der Malerei stand, dachte Erique verträumt daran, wie er damals diese Wohnung das erste Mal betreten hatte. Joèl malte ausschließlich realistische Bilder. Landschaften, Menschen, ab und an auch mal Tiere. Der 2 Jahre jüngere Erique hatte dieser Kunst damals nichts abgewinnen können. Er hatte eine Schwäche für Fantasiebetonte Werke, doch eines zu malen konnte man von einem Realisten, der selbst auch nur das glaubt, was er sehen und berühren kann, schlecht verlangen. Umso überraschter war er gewesen, als 6 Wochen nachdem endgültig feststand, dass er wohl wesentlich länger bei Joèl wohnen bleiben würde, ein großes Acrylbild an der Wand über dem Kopfende des Bettes hing, welches einen Engel und bei ihm einen Pegasus in wunderschöner, verträumter Umgebung zeigte. Warme Arme schlossen sich um ihn und zogen ihn in eine sanfte Umarmung. „Guten Morgen Joèl. Hast du gut geschlafen?“ „Hm~m“ kam nur als Antwort, dann „Ich mach mal Frühstück.“ und die wunderbare Nähe war fort. Erique folgte seinem Freund eilig in die Küche. Was er ihm jetzt sagen musste gefiel ihm gar nicht, wo Joèl doch immer so viel Wert auf diverse Kleinigkeiten wie eben diese legte. „Du? Wir können heute leider nicht zusammen frühstücken. Der Professor erwartet mich bereits in einer halben Stunde. Tut mir leid, bist du jetzt böse?“ Nein, böse sah er nun wirklich nicht aus, aber ein wenig enttäuscht. „Nein, schon gut. Pflicht it Pflicht. Sieh zu, dass du nicht zu spät kommt, wir essen dann heute Abend aber zusammen?“ Ein Nicken, ein strahlendes Lächeln und – so viel Zeit musste sein – ein zärtlicher Kuss und Erique brauste davon. Joèl seufzte und schnitt lustlos sein Brötchen auf, bis er mit dem Messer er seinen Finger erwischte. „Au! Na der Tag fängt ja gut an.“ Am Ende der ersten Vorlesung des heutigen Morgens verfing sich Joèl beim Aufstehen in der Trageschlaufe der Tasche seines Sitznachbarn und landete lang ausgestreckt zwischen Tischen und Stühlen. //Kann es noch schlimmer werden?// jammerte er in Gedanken, als die Antwort prompt erhielt. Es konnte! Über ihm stand Alan. „Suchst du da unten was Bestimmtes?“ Zu gerne hätte ihm Joèl dieses arrogante Grinsen aus dem Gesicht geschlagen, doch er stand lediglich wortlos auf und marschierte mit mürrischem Blick an dem schwarzhaarigen vorbei. Und der weitere Tagesverlauf versprach nicht besser zu werden. Immer wieder geschahen kleine Unfälle und Joèl sehnte sich nur noch nach dem gemeinsamen Abend mit Erique. Definitiv ein Tag an dem er hätte im Bett bleiben sollen. Hoffnungsvoll betrat er ihre gemeinsame Wohnung und wurde von einem weiteren kleinen Schock erwartet. Erique hatte sich seine wunderschönen langen, blonden Locken schwarz gefärbt! Er trug sie jetzt sogar zusammengebunden. „Ist etwas nicht in Ordnung? Gefällt es dir nicht?“ Dieser schockierte Blick konnte nun wirklich niemandem entgehen und Erique war ein wenig verletzt. Joèl schüttelte seine Starre ab und zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln. Diesen Blick in Eriques tiefblauen Augen konnte er nicht ertragen. „Doch, es ist nur...äußerst ungewohnt. Das ist alles. Ich gewöhn mich dran.“ Jetzt lächelte auch der Jüngere. Ach wie einfach es doch war mit Erique. Hatte sie eigentlich je streit gehabt? Erique konnte so schnell nichts verärgern oder wirklich traurig stimmen. Eine wahre Frohnatur.... „Ich mach uns dann mal was nette zum Abendessen.“ Während Joèl in der Küche zauberte, deckte Erique den Tisch. Malen, ausgezeichnet kochen und obendrein noch Klavier spielen. Er fragte sich, ob es denn etwas gab, was Joèl nicht konnte. Der große Flügel im Wohnzimmer...Erique liebte es, am Kamin zu sitzen, wenn Joèl darauf spielte. Ein wütender Aufschrei und ein lautes Klappern rissen ihn au seinen Gedanken. „Mist, verdammter!“ Er stürmte sofort in die Küche. Joèl hielt seine Hand unter Wasser, auf dem Boden lag der Topfdeckel. „Verbrannt“, murrte er, als Erique den Deckel wieder aufhob. Hoffentlich ging dieser Tag schnell zu Ende.... Doch noch war er ja nicht vorbei. Nach dem Essen machte Erique wieder diesen Ich – muss – dir – was - sagen - Gesichtsausdruck. „Was ist los?“ Joèl bemühte sich ruhig, liebevoll und wirklich interessiert zu klingen, auch wenn er die Antwort fürchtete. „Ich bin noch verabredet. Alan und die andern Jungs wollen noch n bisschen raus.“ Joèl seufzte. „Ich kann dir schlecht verbieten weg zu gehen, auch wenn ich dich bei dieser Art Verabredung am liebsten einschließen würde.“ Wieder lächelte Erique. Joèl würde ihm nicht böse sein. „Du weißt doch, ich bin vorsichtig. Es passiert schon nichts!“ Er räumte noch de Tisch ab und verließ dann die Wohnung, bevor es sich Joèl eventuell doch noch anders überlegen und ihn festhalten könnte. Er hatte ja Verständnis dafür, dass Joèl sich sorgte, aber in seinen Augen war es unbegründet. Der Ältere hingegen saß nun am Kamin und starrte in die Flammen. Er hatte seiner Ansicht nach sehr wohl Grund zur Sorge. Dies ist der Hauptgrund aus dem er Alan so wenig leiden konnte. Seit Erique ihn kannte hatte er diesen mit auf diese verfluchten Autorennen geschleppt. Wo sie fuhren wusste Joèl nicht und wollte es eigentlich auch gar nicht wissen. Weniger Sorgen machte er sich darum, dass die Polizei seinen Freund irgendwann erwischen könnte. Er konnte nur nicht verstehen, wie man sein Leben so leichtfertig aufs Spiel setzen konnte. War denn der Adrenalinkick so viel wert? Die Stunden vergingen und wieder bekam Joèl kein Auge zu. Er saß noch lange in dem Atelier gleichen Wohnraum. Großzügig viel Platz. Stand man mit dem Rücken zur Wohnungstür, so befand sich rechts eine Kaminecke mit einer Couch und zwei Sesseln. Neben dem Kamin grenzte an der rechten Wand ein Schrank an, worin Fernseher und Stereoanlage verstaut waren. Links stand der Esstisch mit Stühlen für bis zu sechs Personen. Dazwischen angenehm ausreichend Platz, so dass es nicht gedrängt wirkte. Mittig durch die linke Wand befand sich ein Türbogen, der in einen kleinen Flur führte. Der Flügel stand beinahe mittig im Wohnzimmer. Der Raum war mit hellbraunem Packet ausgestattet und besaß große Fenster. Vom Flur aus die erste Tür rechts fand man das Schlafzimmer. Ein nicht all zu großer Raum. Darin stand ein Ehebett und ein geräumiger Kleiderschrank. Zweite Tür rechts befand sich das Badezimmer. Mit Eckbadewanne, Dusche und allem was halt in ein Badezimmer gehört. Weiter: erste Tür links: Die Küche. Joèl hatte hier eine ausreichend große Arbeitsplatte und einen Ceranfeld-Herd. Auch hier war alles in hellen Holztönen gehalten. Der Boden war allerdings gefliest. Der letzte Raum auf der linken Seite war einmal ein Gästezimmer, doch mittlerweile hatte Joèl es sich gestattet, aufgrund der auch hier sehr großen Fenster und der kleinen Strahler die an mehreren Stellen in der Decke angebracht waren und so ein sehr gleichmäßiges Licht im Raum verteilten, ein Atelier daraus zu machen. Hier standen nun drei Staffeleien und an den Wänden entlang standen mehrere unfertige und fertige Werke gelehnt. Alle in Leinen eingeschlagen, damit sie keinen Schaden nahmen. Gegen 2 Uhr morgens war endlich das Geräusch des Schlüssels an der Wohnungstür zu hören und herein kam ein ganz schon betrunkener Erique. Erique war keiner von denen, die tierisch lustig, laut und albern wurden, wenn sie betrunken waren. Man sah es ihm einfach nur in den Augen und an seinen Bewegungen an. Das breite Grinsen, dass dem eigentlich so liebvollem Lächeln gewichen ist, war eigentlich immer das Auffälligste und das was Joèl am wenigsten gerne sah. Am liebsten hätte er ihn gleich angefahren, was ihm denn einfallen würde, doch er besann sich, dass er Erique nie zutrauen würde, betrunken ein Fahrzeug zu führen. Er hatte wohl danach erst kräftig zugelangt und im Moment war Joèl einfach nur froh, ihn heil wieder zu haben. Die nächsten Tage vergingen an sich ohne besondere Zwischenfälle. Magenschmerzen bereitete Joèl allerdings, dass Eriques berühmter Gesichtsausdruck in den letzten vier Tagen immer häufiger vorkam, er aber nichts sagte. Er sei in Gedanken gewesen. Er habe nur überlegt, ob es Joèl etwas ausmachen würde, wenn er nicht aufäße ... all solche Antworten, die Joèl übel nach Ausflüchten klangen. Erique war auch immer seltener zu Hause. Der Professor arbeite wohl gerade an neuen, äußerst interessanten Entdeckungen. Mit den Jahren hatte sich Erique vom kleinen Gehilfen fürs Wegräumen der Akten und zusammentragen der nötigen Lektüren zum Assistenten des 49-Jährigen gemausert. Professor Alexander Rendall beschäftigte sich seit jeher mit dem Mythos „Vampire“. Völlige Zeitverschwendung in Joèls Augen. Doch solange Erique Spaß daran fand, ließ er dessen Redefluss über dieses Thema stets über sich ergehen. Und Erique tat es wirklich aus Überzeugung und Freude an der Sache. Geld war ja schließlich keine Frage. Einerseits bekam Joèl regelmäßig genügend von seinen Eltern, sie ihm monatlich ein kleines Vermögen überwiesen (mit der Vorraussetzung sich ja nicht zuhause blicken zu lassen) und verdiente noch einiges mit den Bildern, die er auf den Ausstellungen der Universität verkaufen konnte. Ab und an spielte er dann auch auf kleineren Festen auf dem Klavier und bekam dadurch noch einen kleinen Bonus. Wie der Professor seinen Freund ansah, gefiel Joèl allerdings ganz und gar nicht. Er hatte Erique des Öfteren mal abgeholt und dabei festgestellt, dass die Beiden sich recht nahe standen. Sie verbrachten ja mittlerweile auch schon mehr Zeit gemeinsam als sie beide. Tagsüber in der Uni und abends, wenn Joèl und Erique dann eigentlich endlich Zeit für sich hätten, war Joèl entweder mit seinen Bildern beschäftigt oder aber Erique war auf der Rennstrecke mit ... Alan!! Eine Woche vor den Semesterferien saßen sie gemütlich beim Abendessen, als Erique nach Joèls Ansprache des gemeinsam geplanten Urlaubes in Italien wieder diesen Ausdruck in seiner Mine zeigte. Joèl legte sein Besteck bei Seite und sah ihn ernst an. //Und heute keine Ausflüchte// „Was ist los mit dir, Liebling. Und keine Ausreden mehr.“ Er sah ihn aufmunternd an und scheinbar wollte Erique diesmal auch endlich mit der Sprache rausrücken, denn seine Bedrückung wich nicht. „Naja...unser Urlaub. Es ist so ... ich kann leider nicht.“ Joèl war schwer getroffen und während Erique seinem Teller den Grund erläuterte, aus dem Italien gestorben war bekam Joèl mehr und mehr das Gefühl, jemand habe ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. „Professor Rendall und ich werden nach Schottland reisen. Es gibt Legenden über ein altes Schloss und ... nach langer Arbeit hat er dieses Schloss tatsächlich gefunden.“ Moment ... da lief etwas falsch! Statt der Bedrückung und des üblichen schlechten Gewissens, das sich immer in solchen Momenten in Eriques Augen spiegelte, war da auf einmal dieses Glitzern. Dieses Feuer der Begeisterung, als er damit fort fuhr von dieser Reise zu sprechen. „Es existiert wirklich. Wir tappen jetzt nicht mehr in vagen Mythen herum, gebeugt über staubige Bücher mit wirren kaum glaubwürdigen Erzählungen. Wir haben etwas Handfestes und werden hinfahren!“ Erique begann zu strahlen, also beschloss Joèl die weiße Fahne zu schwenken und ihn gewähren zu lassen. Dann sollte er halt fahren, wenn es ihm soviel bedeutete. Schweren Herzens nahm er dann bereits drei Tage, verdammte DREI TAGE später Abschied von seinem Liebsten. Er machte ihm keine Vorhaltungen, dass dieser es ihm erst so kurzfristig gesagt hatte. Er wusste ja, wie schwer es Erique immer fiel, ihn enttäuschen zu müssen. Aber wahrscheinliche machte gerade diese Engelsgeduld und die Fähigkeiten zur blitzschnellen Vergebung, die Beziehung der Beiden so perfekt. Joèl blieb noch einige Zeit am Flughafen und sah zu, wie die Maschine sich ihrem Ziel entgegen in die Lüfte erhob. Abends hatte er sich nach langer Zeit mal wieder einen Spaziergang im Park gegönnt. Hier hatte er Erique damals gefunden. Als es dunkel war und die Sterne am Himmel standen, dachte Joèl noch nicht dran, nach Hause zu gehen. Ohne Erique ... was sollte er da jetzt schon? Also streifte er noch ein wenig durch das nächtliche Los Angeles, als sich der Gedanke tief in seinen Verstand brannte. So tief, dass er am nächsten Morgen tatsächlich zwischen den Vorlesungen das Büro des Professors aufsuchte, um den genauen Standort dieses Schlosses ausfindig zu machen, von dem ihm Erique einen ewig langen Vortrag gehalten hatte. Am späten Nachmittag saß er dann im Reisebüro und hatte am Abend das Flugticket in Händen. Er würde ihm einfach nachreisen und war sich sicher, dass Erique ihm nicht böse wäre, wenn er dies täte. Ganz im Gegenteil, denn dieser hatte ihn ja immerhin gefragt, ob er nicht mitwolle, damit er ihm beweisen könne, dass man ruhig auch an Dinge glauben sollte, die man noch nicht gesehen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)