Wie Brüder von Tatheya ================================================================================ Kapitel 10: Der Anfang vom Ende II ---------------------------------- Disclaimer: Gundam Wing und die Charaktere gehören (immer noch) nicht mir sondern Sunrise und Bandai. Ich verdiene auch kein Geld mit meiner Fanfiction. Teil: 10 Genre: Gundam Wing Rating: ab 18 Pairing: Treize und Zechs Kapitel 9: Der Anfang vom Ende II Obwohl Treize Duke Dermail einen Stuhl angeboten hatte, stolzierte dieser vor dem Schreibtisch auf und ab und erweckte so den Eindruck eines alten Lehrers, der seinem ungehorsamen Schüler eine Strafpredigt hält. ‚So ganz falsch ist der Vergleich nicht.‘, musste sich Treize in Gedanken zugestehen. Doch er war noch immer der Anführer der Organisation OZ. Er gab die Befehle, nicht Dermail. Wieder einmal ging es bei ihrem Gespräch um Chefingenieur Tubarovs Vorstellungen über die automatischen Mobile Dolls. Treize hatte sich geweigert Soldaten abzustellen, die Tubarov bei einem ersten Testlauf assistieren sollten. Daraufhin war Tubarov gleich zu Dermail gegangen. Wie ein kleines Kind, das sich unter den Rockzipfel seiner Mutter flüchtete. Jetzt sah sich Treize wohl oder übel gezwungen dem Test zu zustimmen. Oh, wie er das hasste. Vielleicht konnte er die Mobile Dolls während des Tests irgendwie außer Gefecht setzen, so dass niemand mehr an diesen Kampfmaschinen interessiert wäre. Die Idee gefiel ihm sogar außerordentlich gut. Er tippte mit der Spitze seines Füllers gegen eines der blutroten Rosenblätter, das auf seinen Schreibtisch gefallen war. Dermal schien es nicht aufzufallen, dass er längst nicht mehr Treizes ungeteilte Aufmerksamkeit genoss. Treize hatte eines schon früh in seiner Karriere gelernt: Die Kunst im richtigen Augenblick zustimmende, aber nichtssagende Kommentare beizusteuern und in den Redepausen des Gegenübers langsam mit dem Kopf zu nicken. So fiel er auch jetzt wieder in dieses Muster und gestattete es sich, während er beobachtete wie sich die Tinte auf dem Blütenblatt verteilte, an den einzigen Lichtblick dieses Tages zu denken: Sein Gespräch mit Zechs. Mit dem er eigentlich auch ein Hühnchen zu rupfen hatte, aber das konnte warten bis der Lieutenant wieder hier in Luxemburg war. Zechs schien es geradezu darauf anzulegen, die Agenten der Romefeller Stiftung zu verärgern, in dem er sie auf falsche Fährten lockte und schmackhafte Köder auslegte. Gut, es war mehr als amüsant. Wie Zechs mit den Agenten spielte. Amüsant, aber auch gefährlich. Gerade kürzlich war eine gefälschte Materialanforderung von einer sibirischen Basis auf den Schreibtischen dieser Bluthunde von Romefeller, allen voran Inspektor Acht, gelandet. Acht war so gleich nach Sibirien aufgebrochen, weil er dort geheime Projekte von Zechs vermutet hatte. Treize hätte zu gern den Gesichtsausdruck der Agenten gesehen, denn das Ergebnis dieser teuren Razzia waren lediglich mehrere Kisten mit Kinderspielzeug in der Form von Tallgeese-Actionfiguren gewesen. Fein säuberlich in einer abgelegenen Lagerhalle gestapelt. Treize war wohl auch der Einzige gewesen, der darüber hatte lachen können. Der Inspektor fand es wohl weniger lustig und hatte seine Anstrengungen Zechs bei der Stiftung in Misskredit zu bringen nur noch verdoppelt. „Ich werde nach Bremen zurückkehren.“ Dieser Satz holte Treize sofort wieder in die Realität zurück und er benötigte all seine schauspielerischen Künste um zu verhindern, dass Dermail ihm die Erleichterung ansah, die mit dieser Ankündigung einherging. Schön, dass er den Repräsentanten der Stiftung nicht mehr länger vor seiner Nase sitzen hatte. Treize schob seinen Stuhl zurück und war gerade im Begriff sich von Dermail zu verabschieden, als plötzlich die Tür zu seinem Arbeitszimmer aufgerissen wurde und Lady Une auf ihn zu eilte. „Eure Exzellenz, das ist gerade an uns geschickt worden.“ Sie legte eine Blatt Papier vor ihm auf den Schreibtisch und selbst die gestandene Lady Une schien es nicht so recht glauben zu können, was sie da gesehen hatte. Und ganz gewiss nicht Treize, dessen Knie nachgaben und sich wieder zurück auf den Stuhl fallen ließ. Er wagte es nicht einmal das Papier zu berühren, um es näher zu sich heran zu ziehen. Es war eine schwarz-weiß Fotografie, jedoch brauchte Treize auch keine Farbe um zu wissen, dass der Uniformrock der Person auf dem Foto scharlachrot war und die Haare eine hellblonde Farbe aufwiesen. Lautlos formten seine Lippen den Namen der Person. „Zechs.“ Die Hände des jungen Lieutenant waren hinter seinem Rücken gefesselt und er lag auf der Seite. Etwas an der Position sagte Treize, dass Zechs nicht bei Bewusstsein gewesen war als diese Aufnahme entstanden war. Vielleicht war es der überstreckte Kopf, der ihn zu dieser Annahme verleitete. Was Treize jedoch so sehr schockierte war die Tatsache, dass man Zechs die Maske abgenommen hatte und man eine Stiefelspitze erkennen konnte, die sich unter das Kinn des Mannes geschoben hatte, so als ob man das Gesicht besser in die Kamera drehen wollte. So dass man ganz deutlich die dunkle Spur von Blut sah, die sich von Zechs´ Mundwinkel zu seinem Hals zog. „Was ist das?“ Fast hätte es Treize vergessen, dass Duke Dermail noch immer in seinem Arbeitszimmer stand. Der blickte ebenso überrascht auf die Fotografie. Endlich streckte Treize die Hand aus und zog das Papier an sich. „Das war alles?“, wandte er sich an Lady Une. „Ja.“ „Dann versuchen sie herauszufinden, wer das geschickt hat und woher.“, herrschte er sie an. Eines war sicher, Zechs steckte in Schwierigkeiten. Fotos von verletzten Soldaten an das Hauptquartier zu schicken, und dann auch noch in dieser Art und Weise, das war ganz sicher keine Standardprozedur – weder von OZ noch von der Allianz, oder besser was von ihr noch übrig war. Zechs erlangte das Bewusstsein wieder da hatte sich der unscheinbare Lieferwagen längst in Bewegung gesetzt. Die Fahrt führte wohl nicht gerade über gut ausgebaute Straßen und die regelmäßigen Erschütterungen des Fahrzeugs verstärkten noch seine Kopfschmerzen. Doch er beschloss weiterhin ruhig dazuliegen, denn vielleicht wurden die Schmerzen nur noch schlimmer, wenn er sich bewegte. Zu sagen er wäre über die jetzige Situation verwirrt, das wäre noch untertrieben. Seine drei Entführer hatten ihn schon beinahe wie ein rohes Ei behandelt, dass er unglücklich gestolpert war und sein Kopf daraufhin mit dem harten Beton der alten Landebahn der Basis Bekanntschaft gemacht hatte, das war ja nicht einmal ihre Schuld gewesen. Obwohl, sie hätte ihm ja nicht unbedingt die Augen verbinden müssen. Doch alles lamentieren half nichts, bei dem besagten Sturz hatte er sich nicht nur eine Platzwunde auf der Stirn zugezogen, sondern sich auch unglücklich auf die Zunge gebissen und hatte dabei das Gefühl an ihr beinahe zu ersticken, weil sie so angeschwollen war. Seine Hände waren noch immer gefesselt, wie er nach einem kurzen Anspannen der Muskeln feststellt, und sie hatten ihm die Maske abgenommen. - Das nahm er ihnen wirklich übel. Doch sie hatten seinen Kopf wenigstens auf eine weiche Unterlage gebettet und er musste nicht auf bloßem Boden ruhen. Jemand kniete plötzlich an seiner Seite und er spürte die Wärme eines anderen Körpers an seinem Bein. Unwillkürlich hielt er die Luft an und war verwundert als ihm die Person die blutigen Strähnen auf seiner Stirn zur Seite schob. Verdammt, und da hatte er gedacht, er wäre alleine hier. War er die ganze Zeit etwa unter Beobachtung gewesen? Noch wagte er nicht die Augen zu öffnen und spürte mit Verwunderung, dass ihm ein Pflaster auf die Stirn gedrückt wurde. Doch ein kleines Ächzen konnte er sich nicht verkneifen als der Klebstreifen mit einigen seiner Haare in Berührung kam. Sein Bewacher legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Natürlich wäre es vom medizinischen Standpunkt aus betrachtet besser die Strähnen abzuschneiden, aber ich glaube euer Hochheit würde das nicht gefallen.“ ‚Hoheit?!‘, hatte ihm da sein Gehirn einen Streich gespielt? Hatte der Sturz doch so schwere Folgen nach sich gezogen. Jetzt schlug Zechs doch die Augen auf und konnte so zum ersten Mal einen seiner Entführer genauer betrachten. Der Mann hatte nichts Auffälliges an sich und war noch recht jung, vielleicht genau so alt wie Zechs selbst. „Erinnern Sie sich nicht mehr Hoheit?“ Er beschloss auf der Hut zu bleiben und schwieg, womöglich war es ja eine Falle und diese Terroristen hatten irgendwo etwas aufgeschnappt, was sie jetzt bestätigt wissen wollten. Der andere Mann schien seine Anspannung zu bemerken. „Keine Angst Hoheit, Sie sind hier in Sicherheit.“ Bei diesem Satz musste Zechs doch die Augen aufreißen und hätte ihn beinahe mit einem zynischen Lachen quittiert. In Sicherheit? Sie hatte ihn gerade aus einem OZ-Stützpunkt entführt. Nicht unbedingt eine Tat, die dazu führte dass er sich sicher fühlte. „Ich war damals in Stockholm dabei.“ Wieder schwieg Zechs, doch er begann sich aufzusetzen und als er schließlich gegen die Wand des Wagens lehnte, musterte er den Mann vor sich erneut. Er konnte sich wirklich nicht an dieses Gesicht erinnern. Es wäre möglich, dass sein Entführer damals auch in Stockholm bei der Geiselnahme mit von der Partie gewesen wäre. Plötzlich wurde ihm klar, dass die ganze Situation dann erst recht keinen Sinn ergab. Damals in Stockholm während der Pearsonaffäre, das waren verzweifelte Menschen gewesen, der für ihre Heimat, das Königreich Sanc gekämpft hatten. Ihr Anführer war ein alter Freund von Zechs gewesen und nachdem sie erfahren hatten, wer Zechs in Wirklichkeit war, da hatten sie sich auf einen Deal geeinigt. Warum sollten ihn dann diese Menschen entführen? „Sie schweigen noch immer.“ Als Antwort darauf zuckte er nur mit der Schulter. Besser er wartete ab bis das Fahrzeug sein Ziel erreicht hatte, vielleicht würde er dort erfahren, was das Ziel dieser Aktion war und wer dahintersteckte. Zechs vermochte nicht sagen, wie lange er in diesem Lieferwagen saß. Irgendwann zwischen der siebter Beteuerung seines Bewachers, dass Zechs nichts zu befürchten hatte und dem schätzungsweise 140. Schlagloch, war Zechs tatsächlich eingeschlafen. Das war zum einen peinlich und zum anderen und nicht gerade sehr empfehlenswert, wenn man sie seinem Entführer so schutzlos auslieferte. Doch was galten schon Empfehlungen, wenn man eine mittelschwere Gehirnerschütterung hatte und sich der Magen nicht entscheiden konnte, ob er sich jetzt nun von der letzten Mahlzeit verabschieden sollte oder nicht. Glücklicherweise schreckte er aus seinem unfreiwilligen Schlummer gerade in dem Moment als jemand gegen die Außenwand des Wagens schlug. Zechs bemerkte, dass sie angehalten hatten. Entweder diese Leute wollten eine Pause einlegen, um die Fahrzeuge zu wechseln, oder sie hatten ihre Ziel erreicht. Es öffneten sich die Türen und für einen Moment war Zechs von der tiefstehenden Abendsonne geblendet, die jetzt den gesamten Laderaum erhellte. „Kommen Sie Hoheit.“ Der junge Mann packte ihn am Arm und half ihm beim Aussteigen. Augenscheinlich waren sie an ihrem Bestimmungsort angekommen. Zechs verschaffte sich schnell einen Überblick und stellte schnell fest, dass an eine Flucht so ohne Weiteres nicht zu denken war. Er sah drei Montagehallen, teilweise zerfallen und neben den Hallen mehrere kleine Zelte aus Leinen, nebst zahlreichen Rindern die umher trotteten. Was aber noch wichtiger war, sie befanden sich buchstäblich mitten in der Wüste. ‚Wahrscheinlich tarnen sie sich als Beduinen. Clever.‘ Das musste er den Männern zu gestehen. Sie trugen auch die typische Kleidung der Wüstenclans wie Zechs feststellte und er richtete seine Aufmerksamkeit auf die kleine Gruppe von Leuten, die ihnen entgegenkamen. Dies war wohl das Empfangskomitee. Unbewusst richtete sich Zechs zu seiner vollen Größe auf. Er wollte keinerlei Schwäche zeigen, auch wenn man ihm seine Maske abgenommen hatte und sein Uniformrock mit Blut beschmiert war. Einige der Typen, so weit er sehen konnte waren keine Frauen unter ihnen, blickten ihn mit unverhohlener Neugier an, andere mit eindeutiger Abscheu. „Ah ja, der große Lightning Baron.“ Direkt vor ihm baute sich ein wahrer Hüne auf, der sogar Zechs um einen Kopf überragte. „Das wollte ich schon immer mal machen.“, und bevor sich Zechs fragen konnte, was zur Hölle dieser Riese damit meinte, taumelte er schon unter der Wucht des Schlages, der ihn mitten in die Magengrube getroffen hatte. Hätte man ihn nicht am Arm festgehalten, wäre Zechs sich in die Knie gegangen und auf den Boden gestürzt. So jedoch konnte er sich irgendwie aufrechthalten und hoffte, dass ihm noch ein bisschen Würde erhalten blieb, in dem er diesem Riesen nicht auch noch vor die Füße kotzte. Während er also vollauf damit beschäftigt war wieder seine grundlegenden Körperfunktionen unter Kontrolle zu bringen, hörte er eine zweite Stimme. „Verdammt noch mal Butcher. So war das nicht abgemacht.“ ‚Butcher?!‘ In Gedanken konnte sich Zechs ein abfälliges Schnauben nicht verkneifen, der Spitzname war mehr als nur treffend. Doch seine Überlegungen kamen zu einem abrupten Stop als er den Mann sah, der da gesprochen hatte und jetzt an seiner Seite stand. Luke, das war Luke Evans. Sein alter Freund aus Sanc, der jetzt im Untergrund für das Königreich kämpfte und dabei nicht immer die saubersten Methoden bevorzugte, so dass er von der Allianz schon längst als Terrorist eingestuft worden war. Aber Luke war Zechs gegenüber immer loyal gewesen. Wieder fragte sich in was für eine Sache er hier bloß geraten war. Zwei Tage waren seit der Entführung von Zechs vergangen, drei Tage in denen Treize voller Ungewissheit gelebt hatte. Jetzt hatte er wenigstens eine Gewissheit: Zechs war noch am Leben. Treize saß auf seinem Bett und blickte wieder auf den unscheinbaren Ausdruck der Nachricht, die gestern Abend im Hauptquartier eingetroffen war: Eine Erpressung, wenn OZ nicht binnen 48 Stunden zehn der am gefährlichsten Widerstandskämpfer auf freien Fuß setzen würde, dann würden sie Zechs umbringen. Treize zerknüllte den Fetzen Papier und fegte ihn auf den Fußboden. Heute früh war eine Sitzung der führenden Repräsentanten von Romefeller einberufen worden, aber das war nicht mehr als eine Farce, Treize wusste bereits wie die Stiftung der Entführung Zechs´ gegenüber stand. Die Stiftung würde keine Mittel zur Verfügung stellen um den Lieutenant zu befreien. Wenn Treize was für seinen Geliebten tun wollte, dann musste er sich gegen die Stiftung stellen. Und das käme politischem Selbstmord gleich. Auf jeden Fall sollte er zuerst einmal duschen und sich rasieren, die Repräsentanten – allen voran Dermail – wären wenig beeindruckt, wenn er sich ihnen in Boxershorts, Dreitagebart und zerzausten Haaren präsentieren würde. Schon Lady Une hatte ihm gestern den nicht gerade dezenten Hinweis gegeben, dass er aussehe wie eine wandelnde Leiche. Sie war es auch gewesen, die ihn mit all ihrer zur Verfügung stehenden Macht gezwungen hatte in sein Quartier zurückzukehren und sich endlich schlafen zu legen. Hatte sich Treize doch die letzten zwei Tage nur mit Kaffee und zahlreichen Tassen Espresso über Wasser gehalten. Nun, wenigstens eines war ihm gelungen: Er hatte Noin ausfindig gemacht und hatte sie nach Nairobi geschickt. Treize hoffte, dass sie dort eine heiße Spur fand und so den Aufenthaltsort von Zechs aufspüren konnte. Die gute Noin hatte schließlich sogar einen Gundampiloten quer durch Europa verfolgt, da würde sie es doch noch mit einer Gruppe Terroristen aufnehmen können. Außerdem war sie genauso entschlossen wie Treize selbst Zechs zu finden und zu retten. Wenn er doch nur persönlich nach Afrika fliegen könnte. Auf jeden Fall mussten sie Zechs vor Ablauf der 48 Stunden Frist finden, denn sonst... Treize vermochte es sich nicht auszumalen was sonst passieren konnte. Doch zuerst die Krisensitzung, wenn er etwas für seinen Geliebten tun wollte, dann musste Treize so souverän und stark auftreten wie nur irgend möglich! Er musste sich gegen die übrigen Mitglieder der Stiftung durchsetzen, allen voran Duke Dermail. Und dazu musste er sein Äußeres zuerst einmal in einen passablen Zustand bringen. Unglaublich was man mit einer heißen Dusche, samt Rasur alles erreichen konnte. Während Treize die letzten Reste des Rasierschaumes abwusch, musste er wieder an Zechs denken, der hatte ihn vor kurzem damit geneckt, dass sich Treize mindestens jeden zweiten Tag rasieren musste, wenn er nicht wie ein Landstreicher aussehen wollte. Treize hingegen hatte diesen Spott nicht einfach so hingenommen. ‚Gut und schön, dafür habe ich nicht die Beine eines Gorillas.‘, feuerte er zurück und Zechs starrte ihn mit verletzter Würde an, zog aber dann das Bettlaken zur Seite um seine Beine zu Begutachten. ‚Man sieht sie doch fast nicht, weil sie so hell sind. Von wegen Gorilla, hast du schon einmal einen blonden Gorilla gesehen?!‘, maulte er dann in Bezug auf seine blonde Körperbehaarung und Treize konnte bei so viel Eitelkeit nur lachen. Entschlossen schob Treize diesen Erinnerungssplitter beiseite. Es durfte nichts geben, das ihn ablenken konnte. Er schlüpfte in eine frische Uniform und war mit dem Ergebnis zufrieden. Die paar Stunden Schlaf, die er in der Nacht hatte finden können – mit Hilfe eines Schlafmittels, wie er zugeben musste – hatte geholfen, die dunklen Augenringe fast vollständig verschwinden zu lassen und für den Rest half Treize mit etwas Concealer nach. Wer sagte, dass nur Frauen Makeup sinnvoll einsetzen konnten?! Auf den Glockenschlag genau, um 8 Uhr betrat er dann mit Lady Une im Schlepptau den Sitzungssaal. Er grüßte die Anwesenden mit ernster Mine und setzte sich an seinen Platz an der Stirnseite des Tisches. Treize überließ es Lady Une die Anwesenden über die Lage zu unterrichten, während er die Gesichter der Repräsentanten studierte. „Ich verstehe nicht, warum diese Angelegenheit einer Krisensitzung bedarf.“, ergriff Count Gabriel das Wort als Lady Une geendet hatte. „Duke Dermail hat uns bereits darüber informiert, dass Lieutenant Zechs eine potentielle Gefahr für unsere Sache ist.“ „Inwiefern ist er das?“, fragte Treize nach und warf Dermail einen schrägen Blick zu. „Bitte Treize, du weißt doch hoffentlich, dass er gegen die Bestimmungen der Stiftung den Gundam 01 wieder hat restaurieren lassen.“ „Ja, das hat er und es ist stimmt, dass er entgegen den Vorschriften gehandelt hat. Auch, dass er mir, seinem Vorgesetzten, dies verschwiegen hat, ist verwerflich. Doch zweifle ich nicht an seinen Motiven.“ „Welche wären das?“ „Lieutenant Zechs´ Motive stehen außer Frage. Er kämpft für OZ und für eine neue Weltordnung. Wie alle Soldaten unter meinem Kommando.“ „Mit Verlaub, eure Exzellenz, kämpft er für OZ... oder für Sie?“ Der Blick des Adligen war abschätzig auf ihn gerichtet. Treizes Hand schloss sich unter dem Tisch zur Faust. Er war für einen kurzen Moment überrumpelt, dass die Stiftung so schwere Geschütze auffuhr. „Was deuten sie hier an, Count?“ Treizes Stimme gewann an Schärfe und wenn er es nicht ganz verhindern konnte, dass seine Hände zu zittern begonnen hatte. Hatte die Romefeller Stiftung etwas herausgefunden über ihn und Zechs, über ihre Beziehung? „Nichts, Exzellenz, nur...“ „Ich bin schockiert, mein lieber Count Gabriel. Was Sie hier so unbedarft in den Raum stellen, ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch absolut abstoßend und ekelhaft.“ ‚Verzeih mir Zechs.‘, bat Treize in Gedanken. Keinesfalls dachte er wirklich so, doch was hätte er denn sonst sagen sollen. Anscheinend hatte er genau das richtige gesagt, dann die fünf Männern am Tisch atmeten kollektiv aus. ‚Also gab es tatsächlich Gerüchte und sie wollten mich testen.‘ Treize lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. Gut, wenn sie noch einen Beweis wollten, dann konnte Treize auch noch einen Schritt weiter gehen. „Ich sollte Sie zum Duell fordern Count Gabriel. Eine Ehrverletzung dieser Art...“ Das uralte Protokoll, das in den Kreisen des Adels galt, ließ so etwas durchaus zu. Treize war in vollem Recht auf Satisfaktion zu pochen. „Bitte Treize. Ich bin sicher, der Count war nur besorgt um die Sicherheit unseres großen Plans, nicht mehr.“, ging Dermail dazwischen und legte Treize beschwichtigend eine Hand auf den Arm. Treize bemerkte erst jetzt, in was für einer Zwickmühle er sich nun befand. Er hatte gerade laut und deutlich erklärt, dass Zechs für ihn nicht mehr war als ein Untergebener. Bei den durchaus berechtigen Zweifeln, die es für Zechs´ Loyalität gab, konnte Treize nicht mehr länger seinen Beschützer spielen, sonst würde er an Glaubwürdigkeit verlieren oder die Stiftung würde sogar noch Spione auf ihn ansetzen, um nachzuprüfen, ob es nicht doch ein geheimes Verhältnis zwischen ihm und Zechs gab. „Kommen wir zu dem eigentlichen Sinn dieser Sitzung zurück.“, beendete dann Treize das Thema. „Richtig. Ich denke, es steht außer Frage, dass OZ die geforderten Bedingungen nicht einhalten kann.“ Damit meinte Count Gabriel die Freilassung der Widerstandskämpfer. Die anderen Männer nickten. „Das heißt wir überantworten Lieutenant Zechs dem sicheren Tod.“, warf Treize ein. „Ich denke, es ist angebracht zumindest eine Einsatztruppe abzustellen und nach seinem Verbleib zu suchen.“ „Und wozu?“ „Wozu?“, echote Treize. „Ohne den Lieutenant und den Tallgeese, der nur von ihm beherrscht wird, haben wir leider gegen die Gundams überhaupt keine Chance. Ganz zu schweigen von den vielen Kämpfen, die Lieutenant Zechs für uns in den letzten Wochen geschlagen hat. So leid es mir tut, das zu sagen, doch OZ ist auf ihn angewiesen.“ Das gab ihnen zu denken. Doch jetzt spielte Dermail seinen letzten Trumpf aus. „Die neuen Mobile Dolls werden tausendmal besser kämpfen als ein Zechs Merquise. Nein, Treize. Wir sind nicht mehr länger auf Lieutenant Zechs angewiesen.“ Mobile Dolls sollten Zechs ersetzen?! Diese Maschinen mochten besser kämpfen als menschliche Piloten, zweifellos. Doch was blieb dann noch von der Ehre eines Mannes, wenn er nur noch auf einen Knopf drücken musste um eine ganze Armee in Gang zu setzen. Wie sollten die Menschen denn endlich lernen, wie blutig und grausam der Krieg war, wenn nur noch Maschinen kämpften? Dass OZ diesen Weg gehen würde... Nein, das konnte Treize nicht zulassen und wenn die Stiftung nichts für Zechs tun konnte, dann würde er es selbst tun. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass seine Zeit auf der großen Bühne der Weltgeschichte sowieso bald vorbei war. Dies war lediglich der Anfang vom großen finalen Akt. Wenn Zechs tot war, dann würde es nicht lange dauern und die Bluthunde der Stiftung würden auf Treize selbst angesetzt werden, egal welche Verdienste und Erfolge er in der Vergangenheit errungen hatte. Da machte sich Treize keinerlei falsche Illusionen. Wenig später ging Treize in seinem Arbeitszimmer auf und ab, dabei ertappte er sich wie er anfing an seinen Fingernägeln zu kauen. Aber er brauchte einen Plan. Er musste nach Afrika und das am besten unter einem guten Vorwand, so dass nicht gleich auffiel, dass er gegen den Beschluss der Stiftung handelte. „Lady Une?“ Die Tür zu dem Zimmer des Colonels stand offen und so hörte Treize, wie sie ihren Stuhl zurückschob und zu ihm kam. „Ja Sir?“ „Haben Sie sämtliche Buchungen für die Sicherheitskonferenz in Kairo getätigt. Ich will keine bösen Überraschungen erleben, wenn ich dort ankomme. Ich hoffe, Sie konnten die beste Suite im Mena House für mich reservieren.“ „Sir?“ Sie blickte ihn fragend an. „Die Konferenz in Kairo.“, erinnerte er sie sanft. „Ich fliege heute Nachmittag ab. Sollten Sie das vergessen haben?“ „Nein Sir.“ Obwohl ihr Gesichtsausdruck das genaue Gegenteil aussprach. Treize hatte in der Tat nicht vorgehabt auf der Konferenz teilzunehmen, auch wenn ihn mehrere Nationen darum gebeten hatten. Niemand würde sich also wundern, wenn Treize doch in Kairo auftauchen würde und so lange er auch an einigen Treffen teilnahm und ein oder zwei Reden hielt, würde es auch niemand auffallen, wenn er nebenher noch eine kleine Befreiungsaktion anführte. Nun, so weit der Plan. Fünf Stunden später saß Treize in seinem Flugzeug auf dem Weg nach Ägypten. Lady Une hatte ihm noch auf dem Rollfeld versichert, sie hätte die gewünschte Suit reservieren können. Auch hatte sie ihm einen unscheinbaren braunen Umschlag zugeschoben. Ebenfalls etwas, worum er seine Assistentin gebeten hatte: Ein neues Handy, ein ziviles Handy mit neuer Nummer. Niemand würde ihn so schnell auf diesem Gerät abhören können. Treize glaubte zwar nicht, dass die Stiftung schon so weit ging, aber er war vorsichtig geworden. Noch bevor das Flugzeug abhob, hatte er mit Noin gesprochen. Sie war inzwischen nicht untätig gewesen und hatte tatsächlich eine brauchbare Spur gefunden. Sie hatte ebenfalls schon damit begonnen einen kleinen Trupp aus Soldaten zusammenzustellen, die bereit waren Zechs zu befreien. Treize war erleichtert gewesen zu hören, dass es auch noch andere Menschen gab, die sich um Zechs genau so sorgten wie er. Er hatte Noin noch darum gebeten auch einen Arzt hinzuzuziehen. Im Gegensatz zu ihr wusste Treize, dass Zechs auch auf seine Medikamente angewiesen war und sich sein Zustand schnell verschlechtern konnte, wenn er sich körperlich anstrengte. Lieutenant Lucrezia Noin fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut und mit skeptischem Gesichtsausdruck musterte sie den Eingang zu der stillgelegten Fabrikhalle, die sie als notdürftiges Hauptquartier für ihre Operation nutzten. Hinter ihr standen drei Geländewagen und zehn Soldaten, die allesamt Zechs treu ergeben waren und nicht lange gezögert hatten als Noin sie um ihre Mithilfe bat. Jetzt warteten sie alle nur noch auf seine Exzellenz Treize Khushrenada. Und genau dies war es, was Noin Magenschmerzen bereitete. Natürlich hatte sie seinen Anweisungen Folge geleistet. Sie hatte auch noch eine Ärztin besorgt, aber dass Treize selbst mitkommen wollte, das hielt sie für keine gute Idee. Treize hatte schon lange nicht mehr an der Front gekämpft, geschweige denn eine Befreiungsaktion geleitet. Nicht, dass Noin darin so viel mehr Erfahrung hätte, aber immerhin verbrachte sie die meiste Zeit ihres Dienstes auf dem Schlachtfeld und nicht in Ballsälen oder Opernhäuser. „Sollten wir nicht langsam aufbrechen?“ Noin blickte den jungen Soldaten an, der an ihre Seite getreten war. Benjamin Paschal war ihr in den letzten Tagen eine große Hilfe gewesen. Der Junge konnte erstaunlich gut mit Computern umgehen und damit meinte Noin nicht nur die legale Art und Weise. Durch ihn war sie schnell an Satellitenbilder und die Überwachungsprotokolle der Telefondienste gelangt und hatte so den wahrscheinlichen Aufenthaltsort von Zechs ausfindig machen können. Er war es auch gewesen, der noch schnell einen Arzt hatte herbeischaffen können. Benjamins Mutter war Ärztin und nur innerhalb eines halben Tages in Kairo eingetroffen. Sie saß bereits in einem der Jeeps und fühlte sich auch nicht sonderlich wohl in ihrer Haut. Noin hatte Zechs´ Menschenkenntnis schon immer bewundert und auch dieses Mal hatte sich der blonde Lieutenant einen loyalen Mitstreiter auf seine Seite geholt. Sicher spielte die Tatsache, dass Benjamins Familie ursprünglich aus Sanc stammte da auch eine gewisse Rolle. Doch Noin war sich sicher, Benjamin würde für Zechs sogar sein Leben geben. Aber diesen Einfluss hatte Zechs auf viele Menschen, Noin selbst war ja da keine Ausnahme. Auch sie würde für Zechs alles tun. Hatte sie nicht ihre Karriere bei OZ auf Eis gelegt, damit sie auf Zechs´ Schwester aufpassen konnte? „Wir müssen noch auf Treize warten.“ „Wieso will er überhaupt mit?“ Noin schüttelte den Kopf und war nahe daran zu erwidern, dass sie das sowieso für eine schlechte Idee hielt. Als plötzlich ein Jeep durch das geöffnete Tor der Halle fuhr. „Das wird er wohl sein.“, Noin rutschte von ihrem Platz auf einem Ölfass und die anderen erhoben sich ebenfalls. Sie alle wussten nicht so recht wie sie Treize begegnen sollten. Als dann dieser auch noch in seiner Paradeuniform aus dem Jeep stieg, konnte Noin nicht anders als ihn zweifelnd anzustarren. Genau das hatte sie befürchtet! Treize würde auffallen wie ein bunter Hund. Alle anderen hatten ihre OZ-Uniformen abgelegt, die waren sowieso für solche Einsätze denkbar ungeeignet, und stattdessen Felduniformen mit Flecktarnmusterung gewählt. Auch die kniehochen Stiefel hatten funktionelleren Schuhen weichen müssen. Treize schien die Blicke der Soldaten zu bemerken. „Zum Umziehen blieb keine Zeit. Der britische Botschafter redete länger als erwartet.“ Er schulterte einen Rucksack und wandte sich an Noin. „Wo kann ich mich umziehen?“ Als Treize dann keine fünf Minuten später wieder zu ihnen stieß, erkannte ihn Noin kaum wieder. Verschwunden war die blau-weiße Uniform, stattdessen trug er wie sie alle Tarnkleidung. Die hellbraunen Haare waren auch nicht mehr streng zurückgekämmt und einige Strähnen mehr fielen ihm in die Stirn, was Treize alles in allem unauffälliger machte. An seinem Gürtel steckte eine Pistole und außerdem hatte er noch ein mittelgroßes Maschinengewehr bei sich, das er gerade fachmännisch überprüfte und durchlud. Er machte einen durch und durch entschlossenen Eindruck und schien zu allem bereit. In der Tat würde Treize nicht davor zurückschrecken die Waffen auch zu gebrauchen um Zechs zurückzuholen. Nicht nur, dass Zechs noch immer nicht wusste, warum diese Männer ihn überhaupt entführt hatten. Auch wusste er nicht, was die Gruppe um seinen alten Freund Luke damit zu tun hatte. Sie hatten ihn in ein kleinen Zelt gesteckt und Wachen vor dem Eingang positioniert. Doch da es in dem kleinen Raum recht schnell stickig geworden war, hatte Zechs die Zeltplane zurückgeschoben und so konnte er jetzt die Geschehnisse im Lager beobachten. Es schien als ob die Truppe sich drei Mobile Suits erbeutet hatte. Dem Anschein nach waren es allerdings keine Modelle von OZ, sondern die älteren Maschinen der Allianz. Die Mechaniker versuchten verzweifelt die Kampfmaschinen zum Laufen zu bringen und Zechs hatte eine geradezu diebische Freude daran zu sehen, wie sie jedes Mal versagten. Er würde wetten, dass er die Leos innerhalb von zehn Minuten in einen kampfbereiten Zustand bringen konnte. Aber dies zeigte nur, dass die Gruppe um Luke und Butcher doch nur Amateure waren. Leider waren Amateure in diesem Geschäft oft gefährlicher als Profis. Bei Anfängern wusste man nie wie sie reagieren würden. Aber noch etwas anderes beschäftigte Zechs. Eine kleine, einfache Rechnung, die sein Leben bedeutete. Er hatte keine Medikamente bei sich und hatte sich bereits vor 80 Stunden das letzte Mal den Wirkstoff gespritzt. Nach 70 Stunden sollte er eigentlich das Depot wieder auffrischen, nach 90 Stunden würden die ersten Probleme auftauchen, zuerst Herzrasen, das war noch nicht lebensgefährlich, aber doch unangenehm. Nach weiteren zehn Stunden, vielleicht auch schon nach fünf, hätte jede noch so geringe Belastung tödliche Folgen und würde ein gefährliches Kammerflimmern hervorrufen. Das bedeutete, das ihm gerade mal noch 24 Stunden blieben. Eine verdammt knappe Zeit, vor allem da sich Zechs sicher war, dass OZ offiziell keine Befreiungsaktion starten würde. Gnädigerweise hatte man ihm auch einen Schreibblock und Bleistift gegeben. Vielleicht weil man erwartete, dass er einen Abschiedsbrief oder so etwas in der Art schrieb. Doch stattdessen versuchte sich Zechs in ein paar Zahlenrätseln, so vertreib er sich auch auf langwierigen Konferenzen oft die Zeit. Gestern hatte er sogar eine Skizze des Mobile Suits angefertigt und war mit dem Ergebnis ganz zufrieden gewesen. Vielleicht sollte er, wenn er denn einmal Zeit dafür hatte, sich mehr seinen künstlerischen Fähigkeiten widmen. Jemand trat vor den Zelteingang, wechselte ein paar Worte mit den Wachen und kam dann zu Zechs in dessen Gefängnis. Der war etwas überrascht als er aus dem Augenwinkel erkannte, wer ihn geruhte zu besuchen. Sah aber nicht einmal von dem Rätsel auf, das er gerade lösen wollte. „Luke, was kann ich für dich tun?“ „Zechs, das...“ Luke setzte sich neben ihn auf den Boden. „Ich will nur sagen...“ „Deine Entschuldigung kannst du dir sparen. Erkläre mir warum.“, forderte Zechs. Luke lachte gepresst. „Ich wollte mich gar nicht entschuldigen.“ Jetzt sah Zechs doch auf. „Was soll das heißen?“ „Du hast lange genug für diese Verbrecher gekämpft. Es wurde Zeit, dass du aus dem Einfluss von diesem Treize und den anderen Snobs befreit wurdest.“ „Ach wirklich?“ Wenn Luke nur wüsste, wie kurz Zechs vor seiner Entlassung stand. Mehr noch, wenn die Romefeller Stiftung noch weiter nachforschte, dann konnte er sogar vor dem Kriegsgericht landen, dann wäre seine Karriere beim Militär sowieso schnell Geschichte. „Wir haben dir eine neue Chance gegeben. Offiziell wirst du als vermisst gelten und kannst dann für uns kämpfen.“ Zechs konnte nicht glauben, was er da gehört hatte. „War das der Plan?“, vergewisserte er sich zur Vorsicht. „Mehr oder weniger, ja. Butcher hatte dann noch die Idee, dass wir uns zusammenschließen sollten und noch ein paar unserer Freunde aus dem Gefängnis freikommen. Aber Butcher und seine Gruppe hätten kein Problem damit dich tatsächlich umzubringen. Also solltest du tun, was ich dir sage.“ Da konnte Zechs nur den Kopf schütteln. Er stand auf und warf den Schreibblock auf die durchgelegene Pritsche, die ihm als Bett diente. „Was gibt dir und deinen Leuten das Recht über mich zu urteilen? Was gibt euch das Recht zu sagen für wen ich kämpfen soll?“ „Du bist ein...“ „Untersteh dich diesen Namen in den Mund zu nehmen.“ Zechs näherte sich dem anderen Mann, bis jener an dem Pfosten gelehnt stand, der den Mittelpunkt des Zeltes bildete. „Egal ob du mein Freund warst oder nicht. Ein Wort weiter und ich bringe dich um.“ Diese Worte waren so ruhig und kalt ausgesprochen, da erstarrte selbst Luke und musterte Zechs fragend. „Das heißt, du wirst nicht für uns kämpfen.“ „Ich denke, ich habe mich klar genug ausgedrückt.“ Luke erhob sich und ging zum Ausgang. „Dann kann ich nichts für dich tun.“ „Ich möchte es nochmals betonen.“, wandte sich Treize an die kleine Gruppe von Männern und Frauen vor ihm, die sich in der kleinen Halle kurz vor Sonnenaufgang getroffen hatten. „Wir sind ein kleines Privatunternehmen.“ Die Wortwahl ließ Noin an seiner Seite schmunzeln. „Das heißt: Keine Uniformen, keine Ränge und keine Verpflichtungen. Wer noch aussteigen will, der soll es jetzt tun.“ „Sir...“, begann einer der Männer. „Treize.“, berichtigte Treize ihn sofort. „Ähm, gut. Also Treize.“ So ganz wohl fühlte sich der Soldat nicht in seiner Haut seine Exzellenz zu duzen. „Wir tun dies hier nicht für OZ oder so. Auch nicht für Sie... ähm dich.“ „Danke für die Offenheit.“ „Wir tun es für Lieutenant Merquise. Wir alle hier haben ihm viel zu verdanken. Mir hat er es ermöglicht in Luxemburg stationiert zu bleiben, bei meiner Familie. John hat er eine Stelle an der Akademie verschafft und Amanda hätte ihren Dienst quittieren müssen, wenn Lieutenant Merquise nicht die Dienstaufsichtsbehörde angelogen hätte.“ „Ich war schwanger.“, erklärte die rothaarige Frau mit einem stolzen Lächeln. „Zechs hat die Papiere gefälscht, so dass ich weiterhin meinen Sold bekam und es nicht auffiel, dass ich in den letzten zwei Monaten der Schwangerschaft daheim geblieben bin. Außerdem waren er und Lucrezia die Paten des Kindes.“ Treize sah Noin an und diese lächelte entschuldigend. Anscheinend war der Haufen, den Zechs im Laufe der letzten Jahre um sich gescharrt hatte, eine mehr als nur loyale Gruppe. Es schien so als ob sie alle zu einer Familie gehören würden. „Wir geht es dem kleinen Eric eigentlich?“, wollte Noin wissen. „Gut. Ich konnte ihn bei meiner Mutter lassen.“ „Eric?“, schaltete sich Treize ein. „Das war Zechs´ Vorschlag.“ Amanda errötete. „Dachte ich mir schon.“ Treize sah die fragenden Gesichter der anderen. „Das ist sein zweiter Vorname.“, erklärte er dann. „Ist es nicht sein dritter?“ Noin runzelte die Stirn. Wie so oft vergaß Treize, dass Noin auch über Zechs´ Vergangenheit und seine wahre Identität Bescheid wusste. „Nein, sein dritter Vorname ist Heinrich.“ „Stimmt, du hast Recht.“ „Heinrich?“ Amanda war sichtlich erfreut darüber, dass die Wahl auf den zweiten Vornamen gefallen war. „Ja, grauenhaft.“, stimmte Treize zu. „Doch zurück zum Geschäft. Ich schlage folgendes vor...“ Treize blickte wieder auf seine Uhr. Dort lief unbarmherzig der Countdown. Es waren noch fünf Stunden, dann lief das Ultimatum aus. Noin lag neben ihm auf dem kleinen Plateau und beobachtete das Lager der Terroristen mit ihrem Feldstecher. „Ich sehe nichts.“ Sie übergab Treize das Gerät und der machte sich selbst ein Bild von der Lage. Noin hatte Recht, es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass diese Männer einen wichtigen Gefangenen in ihrer Gewalt hatten: Keine Wachen, kein auffälliges Verhalten. In der Tat schien es eher so als ob das Lager abgebrochen wurde. „Er ist nicht mehr dort.“ So sehr sich Treize auch gegen diese Feststellung sträubte, alles sprach dafür. „Womöglich wollen sie auch nicht das Risiko eines Angriffes eingehen und brechen deshalb auf.“ „Aber wenn Zechs nicht mehr hier ist...“ „... dann haben wir keinerlei Anhaltspunkte.“, vollendete Treize den Satz und rutschte ein paar Meter nach hinten in den Schatten. „Wir sind zu wenig um es mit diesem ganzen Haufen aufnehmen zu können.“ Noin blickte wieder durch ihren Feldstecher. „Verflucht.“ „Es findet sich eine Möglichkeit.“ Treize wusste nicht, ob er dies sagte um Noin oder um sich selbst zu beruhigen. Denn Tatsache war, lange konnten sie nicht mehr warten. Doch eine knappe Viertelstunde später fuhr ein Jeep mit zwei Personen aus dem Lager in Richtung Süden. Treize wusste, dass er jetzt alles auf eine Karte setzen musste und gratulierte sich in Gedanken für die Idee zwei der Männer auf einen Wachposten an genau der Wüstenstraße zu postieren, die der Jeep passieren musste. Noin war mehr als skeptisch gegenüber Treizes Vorschlag, aber auch sie sah ein, dass dies wohl die einzige Möglichkeit war, den gegenwärtigen Aufenthaltsort von Zechs zu erfahren. „Amanda?“, sprach Treize in sein Headset und wartete auf das vertraute Klicken, das signalisierte, das Amanda sich in den Kanal zuschaltete. „Ja?“ „In Kürze kommt ein Jeep bei euch vorbei. Ein Modell wie es die Allianz benutzt, olivfarben lackiert, mit zwei Personen.“ „Und?“ „Ich will, dass du sie aufhältst. Wie gut warst du beim Scharfschützentraining?“ Mehr musste Treize nicht sagen, denn Amanda stieß einen leisen Pfiff aus. „Ich hab so etwas schon lange nicht mehr gemacht, aber sollte ich hinkriegen.“ „Gut. Noin und ich kommen jetzt zu euch.“ Als Treize und Noin zu den anderen stießen, waren die beiden Insassen des Jeeps aus dem Wagen gezogen wurden und saßen im Schatten einer kleinen Felsformation. Sie waren unverletzt, aber verständlicherweise etwas verwirrt. Die übrigen Soldaten hielten sich im Hintergrund als Noin die beiden anfing zu befragen. Doch wie erwartet stellen sie sich dumm und schwiegen beharrlich. Treize hatte wie die anderen einen schwarzen Schal um sein Gesicht gewunden, der alles unterhalb den Augen verdeckte. Die Terroristen mussten ja nicht wissen, wer sie waren. Doch Treize ging das alles viel zu lang. Noin würde keine Resultate erzielen, wenn sie diese Taktik weiter verfolgte. Und mit jeder Sekunde, die verstrich, würde es Zechs schlechter ergehen. Ganz zu schweigen davon, dass die Terroristen ihn womöglich in weniger als fünf Stunden erschießen würden. Schließlich trat er nach vorn und schob Noin zur Seite, baute sich vor den beiden sitzenden Gestalten auf, die ihn höhnisch anlächelten. ‚Euch wird Grinsen bald vergehen.‘, dachte er. „Wo ist Zechs?“, fragte er noch einmal frei heraus. Natürlich keine Antwort. Worum Treize beinahe froh war, denn nur zu gerne wollte er diesen Menschen Schmerzen zufügen, einfach weil sie es sich erdreistet hatten seinen Geliebten zu entführen und in Lebensgefahr zu bringen. Er zog seine Pistole, ließ das Magazine herausfallen, kontrollierte es, setzte es wieder ein, entsicherte die Waffe und lud durch. „Wo ist er?“, fragte er noch einmal. Die Blicke der Zwei wurden schon etwas unruhiger. Auch die Soldaten und Noin bewegten sich voller Anspannung. Sie wussten nicht, was Treize vorhatte. „Gut... dann nicht.“ Ohne noch eine weitere Sekunde abzuwarten, wandte er sich dem Mann zu seiner Linken zu und schoss. Die Kugel schrammte knapp am Bein vorbei und bohrte sich in den felsigen Boden. „Also nochmal... Wo habt ihr ihn hingebracht?“ „Glaubt nicht, dass uns das einschüchtert. Ihr Typen von OZ habt doch keinen Mumm in den Knochen.“ Der Rechte spuckte aus, sein Kamerad schien das Ganze nicht so cool zu sehen und rutschte unruhig hin und her. Treize zog den Schal von seinem Gesicht und es war Genugtuung zu sehen, wie die Terroristen erstarrten. Natürlich erkannten sie ihn und sie erkannten wohl auch die Mine eines Mannes, der zu allem entschlossen war. Ohne Vorwarnung feuerte Treize nochmals, dieses Mal gezielter und der Schuss verfehlte sein Ziel nicht. Der Schrei des Mannes war ohrenbetäubend, geradezu hysterisch als er sein eigenes Blut sah, das aus der Wunde am Bein schoss. Treize hatte es nicht beabsichtigt, doch er hatte wohl eine der großen Arterien getroffen. Auch gut, das würde es verkürzen. Die Ärztin sprang nach vorne um sich die Wunde anzusehen, doch Treize zog sie zurück. Er hätte keine Probleme damit den Mann verbluten zu lassen. „Wo ist er?“, fragte Treize noch einmal und sah dem noch unversehrten Mann in die Augen. Der hatte jetzt wohl endgültig begriffen, dass es seiner Exzellenz ernst war und stand auch unter Schock bei dem Anblick der schnell größer werdenden Blutlache. Fünf Minuten später breitete Treize die Karte auf der Motorhaube eines Jeeps auf und suchte nach dem Ort, den ihm der Mann genannt hatte. Noin hielt sich an seiner Seite und warf ihm immer wieder einen schockierten Blick zu, ebenso wie die übrigen Männer. Treize verstand sie, war er ja über sich selbst am meisten erschrocken. Die Sorge um Zechs hatte ihn zu einem kalten Monster werden lassen, der sich einen Dreck um die Genfer Konvention und Menschenrechte scherte. Eigentlich Dinge, denen er bei seinen Gefechten immer oberste Priorität zugestanden hatte. Hatte er selbst doch immer gefordert, dass nicht allein der Sieg zählte, sondern auch die Moral mit der die kämpfenden Parteien aufeinander trafen. Er wartete noch weitere fünf Minuten bis Doktor Paschal dem Verletzten einen Druckverband angelegt hatte. Sie bestand darauf, dass die beiden Männer mitgenommen wurden. Die kleine Frau schob trotzig ihr Kinn nach vorne und Treize, der jede weitere Verzögerung vermeiden wollte, gab nach. Die Zeit war knapp. Sie mussten sich beeilen. Zechs wusste, dass er nur noch wenige Minuten waren, dann würden sie kommen. Oder aber sein Herz hörte schon vorher auf zu schlagen. Immer häufiger geriet es außer Takt oder setzte für einen Schlag aus. Zumindest kam es ihm so vor. Für gewöhnlich erstarrte Zechs dann zu einer sprichwörtlichen Salzsäule und zählte die Sekunden, bis er wieder das vertraute Pochen unter seiner Brust spürte. Die Abstände wurden immer kürzer in denen sein Herz den gewohnten Rhythmus verließ. Er lag auf dem sandigen Boden der Grabkammer, in die sie ihn gebracht hatten, und starrte zur Decke. Dort sah er auf die Überreste einer alten ägyptischen Malerei. Er hatte einmal davon gelesen, dass die Ägypter glaubten ein jeder müsste sich vor der Göttin Maat verantworten, wenn er gestorben war. Das Herz des Toten wurde gewogen und war es schwer als die Feder der Gerechtigkeit, so wurde es von einem Ungeheuer verschlungen. Unwillkürlich fragte sich Zechs, wie diese letzte Prüfung wohl bei seinen Taten aussehen würde. Luke hatte recht gehabt, als er Zechs vorgeworfen hatte für Verbrecher und Mörder zu kämpfen. Das stimmte, doch Zechs hatte es aus Beweggründen getan, die aus einem edleren Motiv herrührten. Ach, was machte er sich vor: Das sogenannte edlere Motiv war Rache gewesen und daran war nichts Edles. Nein, wenn er sich vor dem letzten Gericht verteidigen musste, dann sollte ihm ein besseres Grund einfallen. Aber die Wahrheit war, dass dies genau der Grund war. War es wirklich nur Rache gewesen?, fragte er sich selbst und schloss die Augen. Nein, er hatte auch gekämpft um einen Traum zu verwirklichen. Einen Traum vom Frieden, den schon sein Vater geträumt hatte und Heero Yuy, der wortgewaltige Pazifist von den Kolonien... und Treizes Traum. Ja, vielleicht würde das zu Gunsten von Zechs angerechnet werden, dass er gekämpft hatte aus Liebe zu einem Menschen. Auch, wenn das paradox klang. Mit einem verzweifelten Atemzug holte er Luft. Es war wieder passiert und er verkrampfte sich. ‚Eins... zwei... drei... vier... fünf...‘ Wieder versuchte er Luft zu holen, er presste die Hand auf sein Herz. Da sah er einen Schatten, der den Eingang zur Kammer verdunkelte. „Zu spät.“, murmelte Zechs noch bevor er die Augen schloss. Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)