Die Akte Nora von Die Nudel Oz (Einfach Sommerlager (Schnupperteil)) ================================================================================ Kapitel 1: Einfach Sommerlager ------------------------------ So hatte ich mir das ja nun überhaupt nicht vorgestellt! Mit 16 Jahren noch in ein Sommercamp abgeschoben zu werden war ja schon schlimm genug, aber das auch noch mit dem eigenen Zwillingsbruder! Nein! Das war zu viel für meine kleine Seele! Eine Woche vor dieser Abreise hab ich erst diese wunderbare Überraschung von meiner Mutter überbracht bekommen. Eine Woche!! Glaubt die etwa ich habe meinen Ferienplan einfach so entworfen? Ich saß da einfach so beim Frühstück, dachte mir natürlich nichts böses. Ich überprüfte grade meinen Ferienplan mit meiner Clique und war froh, dass meine ganzen Brüder nicht mit am Tisch saßen, als meine Mutter die Küche betrat. Ich war ja nun leider kein Einzelkind, sondern wurde mit drei Brüdern bestraft. Sebi, Hannes und Jonas. Alle jünger als ich. Ja, sogar mein Zwilling war jünger als ich selbst, auch wenn‘s nur einige Minuten waren. Wir wohnten alle mit unseren Eltern in Cloppenburg in einem Großen Haus mit einem großen Garten. Aber zurück zu meiner Mutter, die in die Küche kam... „Guten Morgen!“, flötete sie fröhlich mit einem Prospekt in der Hand. Ich nickte ihr zu. Sie hatte mich grade aus meinen Gedanken gerissen, wie ich grade mit meinem Schwarm und dem Rest meiner Clique grillend am See saß.„Schau mal!“ Sie hielt mir den Prospekt unter die Nase. „Schön. Ein Sommerlager.“, sagte ich beiläufig, als ich mir das Heftchen an sah. Für meine kleinen Brüder, dachte ich, die waren ja schließlich erst sieben und neun. „Richtig! Und rate mal, wen ich dazu angemeldet habe!“, sagte meine Mutter. "Sebi und Hannes wahrscheinlich.“, murmelte ich meine Vermutung, während ich meine Cornflakes kaute. „Ach was! Die sind doch für drei Wochen bei Oma und Opa in Frankfurt, während Papa und ich in Indien sind.“ „Du meinst ja wohl nicht...“ Mir fielen fast meine Cornflakes aus dem Mund. „Ihr Zwillinge fahrt ins Südseecamp Wietzendorf ins Sommerlager! Du und Jonas!“ „Waaaaas??? Jonas und ich?!?! Zusammen???“ Ich wusste zwar, dass das diskutieren mit meiner Mama nichts nützen würde, aber ich versuchte es trotzdem. „Jaha! Die Überraschung ist mir geglückt, was? Was guckst du denn so, Liebes? Ach... Du dachtest, ich würde meine Teenager-Zwillinge hier ganze drei Wochen alleine lassen?“ Sie verschrenkte die Arme und ich nickte. „Meine Clique und ich wollten aber...“ Es half nichts, ich hatte den Krieg schon längst verloren, bevor er überhaupt begonnen hatte.... Nun stand ich, Nora Zwedchge, zwischen lauter fremden Jugendlichen im alter von 13 bis 18 Jahren mit drei Reisetaschen, einem Rucksack, einem Schlafsack, einer Isomatte und einem Kissen auf dem Parkplatz einer Grundschule und wartete auf den Bus. Ich kannte niemanden. Außer meinem Bruder versteht sich. Obwohl wir zweieiig waren sahen wir uns sehr ähnlich. Wir hatten beide blaue Augen, waren ziemlich groß und schlank und hatten blonde Haare. Um mich optisch jedenfalls etwas von ihm ab zu heben hatte ich es immer bevorzugt lange Haare zu haben. Bis einen Tag vor unserer Abreise. Da hatte Sebi mir meine ganze Mähne zufällig mit einem Feuerzeug abgeflammt! Jetzt waren sie ca. 10 cm lang und standen wild von meinem Kopf ab. Zwei rosa Haarspangen hielten mir die kurzen Strähnen aus dem gesicht. Was mich aber in den letzten Jahren immer mehr von meinem Bruder abgehoben hatte war mein immer größer werdener Busen, der schon jetzt stolze 75 C zeigte. Wo war er überhaupt? Nein! Nicht mein Busen. Der steckte perfekt in Szene gesetzt in meinem sonnengelben Top. Mein Bruder. Wo war Jonas? „Was ist grün, trägt Strapse und steht am Straßenrand?“ Ich hörte ihn einen seiner komischen Witze machen. „Eine Froschtituierte!“ Die Gruppe Jungs, alle ungefähr sein Alter, fingen an zu grölen. Wie witzig, dachte ich und versuchte seinen Blick zu meiden, aber auch er hatte mich gesehen. Er war genauso genervt wie ich, darüber in dieses blöde Sommerlager gehen zu müssen. „Das sind Idioten...“, sagte die Stimme eines Mädchen neben mir. Ich drehte mich zu ihr um. Sie war klein, hatte ihre knallroten Haare zu zwei Zöpfen gebunden, trug ein Haarband, bauchfreies Top (obwohl sie ein kleines Bäuchlein hatte) und eine Skatershorts. Ihre grünen Augen glänzten, als sie „Hi!“ sagte. „Hi.“, grüßte ich sie verwirrt zurück. „Warte erstmal bis wir im Sommerlager sind! Da gibts noch mehr von denen und dann legen die erstmal richtig los!“ Sie sah mich grinsend an. Ich reagierte nicht. „Ich seh schon... Du fährst zum ersten mal mit, was?“, sagte das Mädchen. „Ja! Und ich find‘s Kacke!“ maulte ich trotzig. „Pff! Das sagen sie alle! Ich bin übrigens Wiebke!“ „Ich heiß Nora...“, nuschelte ich wenig begeistert. Die kleine zog eine Augenbraue hoch. Ich schätzte sie auf 13 höchstens 14. Garantiert nicht älter. „Weisst du, ich geh schon seit dem ich klein bin in solche Lager und seit dem ich 12 bin bin ich in diesem.“ „Und wie alt bist du jetzt?“ „14.“ Ich rümpfte die Nase. Hatte ich also richtig geschätzt. „Oh... So eine bist du also. Du, das Alter ist hier egal, glaub mir...“ Sie warf eine Hand nach hinten. „Der blonde da hinten sieht dir übrigens ganz schön ähnlich...“ Sie deutete auf die Gruppe Jungs, in der auch mein Bruder mit dem Kopf aus Watte stand. „Das siehst du von hier??“ „Zwillinge?“, fragte sie und ich nickte. Die Busse kamen. Nach einer Stunde Einräumzeit saßen wir dann alle drin und „freuten“ uns auf diese lange Fahrt, die uns bevor stand. Ich kramte in meinem Rucksack und schrieb meiner besten Freundin Sabrina eine SMS. Nach einer Minute hatte ich auch schon eine Antwort von ihr: Mach dir keine Sorgen! Vielleicht gehen die drei Wochen ja auch ganz schnell vorbei. Sonst springst du in den nächsten Zug und fährst zurück! :-) HDGL Witzig! Blöderweise saß mein Bruder mit im selben Bus. Die Betreuer fingen an durch die Sitzreihen zu gehen. Neben mir schlief Wiebke am Fenster. Die laute Rockmusik, die durch ihre Kopfhörer ging konnte ich klar und deutlich verstehen. Wo war eigentlich mein Disc-Man? Ich konnte es mir denken. Das was ich eigentlich vermeiden wollte sollte schon nach einer viertel Stunde Fahrt einsetzen. Mein Handy piepte: Ich hab Philipp schöne Grüße von dir ausgerichtet. Der ist grad bei mir. Oh, Philipp war der Junge, den ich eigentlich beim zelten am See erobern wollte. Was machte der denn bei meiner besten Freundin? Ich schrieb ihr zurück, stand auf und drängelte mich zur letzten Reihe, wo Jonas saß. Als er mich sah grinste er. Das Piepen meines Handys ignorierte ich kurzerhand, als die anderen Jungs mich interessiert musterten. „Disc-man.“, sagte ich abgehakt. „Ne neue Lagermaus!“, sagte ein schwarz haariger Junge. Ich beachtete ihn nicht. „Jo! Gib mir meinen Disc-man!“ „Du kennst die Kleine?“, fragte ein pummeliger Junge rechts von meinem Bruder. Das was Wiebke schon auf meterweite Entfernung gesehen hatte, sahen diese komischen Typen anscheinend nicht. „Ich bin sicherlich größer als du Mopsi!“, sagte ich grummelig. „Hier!“ Jonas drückte mir meinen Disc-man in die Hand. Sofort drehte ich mich um und ging wieder. Auf dem Weg zurück zu meinem Platz las ich meine SMS: Philipp ist zufällig vorbei gekommen. Wir planen grad ein bisschen... Ich hab jetzt keine Zeit mehr! Viel Spaß! Ich denk an dich! Seltsam... Seeeehr seltsam. Außerdem hatte ich so das Gefühl, dass Jonas sich ganz langsam anfing auf dieses Camp zu freuen. Im Gegensatz zu mir. Die Fahrt war äußerst Langweilig und super stickig! Kein Wunder! Bei einer Außentemperatur von über 30 Grad fühlte man sich in dem Bus wie in einem Toaster. Meine beste Freundin würde morgen mit meiner ganzen Clique an den See fahren... Und mit Philipp! Den konnte ich vergessen! Und meinen Plan ihn zu erobern auch... Beim Zeltlager angekommen musste ich schon ein bisschen staunen: Ein strahlend blauer See und ein riesiger Strand. „Ist cool hier, was?“, fragte wiebke, als wir zusammen aus dem Bus stiegen. Hunderte Jugendliche wuselten über den Platz und schleppten ihre Taschen in die vielen Zelte. Ich dachte an mein ganzes Gepäck... Gab es denn hier keine Kofferträger? „Wiebke!!“ Ein braun haariges Mädchen, ewta so alt wie ich, kam auf sie zu gestürmt und umarmte sie herzlich. „Hey Neele! Du bist ja auch wieder da!“ rief Wiebke. Anscheinend kannten sich hier alle. Oder viele jedenfalls. Am Empfangstisch saßen einige Mitarbeiter und verteilten Nummern an die Betreuer der einzelnen Städte und Zelte. Zwei dieser Verteiler waren sicherlich nicht viel älter als ich. „Wir werden jetzt in Familiengruppen aufgeteilt! Immer fünf Teens in ein Zelt. Und dann bekommen wir einen Betreuer.“, klärte Wiebke mich auf. „Aha.“, machte ich kurz. Eine schwarz haarige junge Frau kam zu uns. Sie hatte ein Piercing in ihrer Unterlippe und grinste uns an. Ihr Hellblauer Wickelrock wehte leicht im Wind. Obenherum trug sie nur ein Neckholder-Bikinioberteil. „Hi Wiebke! Du bist mal wieder bei mir.“, sagte sie. Anscheinend war das rothaarige Mädchen sehr bekannt. „Welche Nummer hast du eigentlich?“, fragte Wiebke mich. „Blau 5....“, sagte ich und kramte einen Zetel aus meinem Rucksack. „Ach, das Fräullein Zwedchge! Ich heiße Anja.“ Die Betreuerin reichte mir ihre Hand. Sie war mein Familienoberhaupt. Somit war ich mit Wiebke in einer Gruppe. Unser Zelt war im blauen Sektor. Es gab vier davon. Blau, gelb, rot und grün. Blau und rot waren die Mädchen Zelte und grün und gelb die für die Jungs. Wir waren noch mit drei anderen Mädels in einem Zelt: Caro, ein großes Mädchen mit kurzen braunen Haaren, Susa, mit langen und lockigen schwarzenn Haaren und Katharina, ein kleines Kind, wie ich fand, mit langen braunen Haaren, die eigentlich nur Rini genannt werden wollte. Ich war schon genervt von denen, als ich meinen Schlafplatz herrichtete. Vorallendingen hatte ich ja schon Stunden gebraucht um meine diversen Taschen hier her zu schleppen. Drei Wochen mit diesen Hühnern in einem Zelt. Toll. Vor diesem Zelt stand ein Tisch mit zwei Bänken unter einer Plane. Da würden wir dann also immer als Familie essen, nachdem wir unsere Sachen aus dem Küchenzelt abgeholt hatten. Zum Frühstück und Abendessen mussten wir eine Klappbox mit Brot, Aufschnitt und Tee holen. Mittags wurde man dann als Gruppe aufgerufen und man durfte mit seinem teller zum Küchenzelt dackeln. Um der Kissenschlacht zu entgehen, die im Zeltinneren entbrannte setzte ich mich auf eine der Bänke. Ich atmete tief durch. Was hatte sich meine Mutter sich nur dabei gedacht?? Am Zelt gegenüber stopfte jemand unelegant Gepäck hinein. Er weckte meine Neugier. Anscheinend war das Verbot, welches ich nebenbei sehr unnütz fand, Jungs in den Sektoren zu besuchen nur für Nachts bestimmt. Als er seinen Kopf aus dem Zelt hob sah ich, dass er seine blauen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Er sah zu mir herüber. „Hey Nora!“ Wiebke kam zu mir an den Tisch. „Ja?“, fragte ich patzig. „Was machst du denn hier so alleine?“ Ich drehte mich wieder von ihr weg. Der Kerl war nicht mehr da. Egal. „Komm! Wir gehen uns umschauen!“ Wiebke nahm meinen Arm und zog mich durch das Lager. Ich war erstaunt, so viele Teens auf einem Haufen zu sehen. Hier und da begrüßte Wiebke jemanden. Dann sah ich meinen Bruder. Ich beschloss mich bei ihm zu erkundigen, wie er es fand. Bisher war es mir egal, was er dachte, aber er war nun mal die einzige mir bekannte Person auf diesem Camp. „Alles ok?“, fragte ich. „Was? Ja klar! Bist du krank??“ „Sach mal Watte-Hirn, nur weil ich mal...“ „Hör zu Nora! Das Camp war glaube ich die beste Idee von Mama, die sie je hatte! Ganz ehrlich! Schau dir nur die ganzen Hasen hier an!“ Er deutete um sich herum. Ich schüttelte verständnislos den Kopf. Mir hätte klar sein müssen, dass er nur an das eine dachte! Deswegen ging ich auch zu Wiebke zurück. Das konnte man sich ja nicht länger antun! „Dein Bruder ist bekloppt! Das mit den ‚Hasen‘ kann der hier vergessen.“, grinste sie. „Warum?“, fragte ich überflüssigerweise. „Weil... Weil es eben so ist. Lies dir die Regeln durch.“ Ich fragte gar nicht erst weiter. Da war doch so ein Heft gewesen... Am Abend versammelten wir uns alle auf der großen Rasenfläche vor dem riesigen Gemeinschaftszelt, um die Eröffnungsveranstaltung an zu sehen. Die meisten hatten sich eine Isomatte mitgenommen und hatten sich darauf gelegt. Ich saß auf dem Rasen. Wir wurden ganz groß begrüßt, bekamen einge Dinge erklärt, sangen Lieder, die irgendwie jeder außer mir kannte und alle, außer mir halt eben, hatten Spaß. Und dann, in meiner Langeweile, sah ich ihn, den Kerl aus dem Zelt am Nachmittag. Er beobachtete mich! Wie lange hatte er das denn schon getan? Hatte ich mich in den letzten Minuten irgendwie peinlich benommen? Ach, das konnte mir doch egal sein, oder? Wiebke sah mich mit großen Augen an. Hatte sie mich etwa etwas gefragt? „Ähm... Jaaaaa...“, stotterte ich. „Bist du immer so geistesabwesend?“ „Nö, eigentlich nicht.“, sagte ich den Blick wieder zu dem Kerl gerichtet. „Wusstest du,“ Sie stubbste mich an, „dass in einem Sommerlager immer toooooooootal viele Bezeihungen entstehen?“ „Was soll das denn heißen?!?!“, fragte ich empört. Ich wollte hier niemanden kennenlernen! Ich wollte ja noch nicht mal hier in diesem blöden Camp sein! „Hier gibt es unfreiwillige Hochzeiten, Partnerbörsen... Die wollen halt, dass ihre Teenys glücklich sind. Ob die das auch wollen ist ne andere Sache. Also: Halt die Augen auf! Ach,“ Sie grinste verschmitzt, „das tust du ja schon...“ „Ach, halt doch die Klappe!“, zickte ich sie an. „Ey!“ Sie nahm mich in den Schwitzkasten, so als würden wir uns schon Jahrelang kennen. Das war mir unheimlich. Plötzlich bekam ich eine Papierkugel an den Kopf geworfen. „Was soll das denn????“, grummelte ich. Welcher Vollidiot warf denn hier seinen Müll durch die Gegend? „Und? Wer hat die rote Papierkugel?“, tönte es durch die Lautsprecher. Whaaa! Ich, stellte ich erschrocken fest und versuchte den Knüdel unauffällig verschwinden zu lassen. Aber ich hatte nicht mit Wiebke gerechnet. „Nora!! Hier! Hier!!!! Sie hier!!!“ Sie war aufgesprungen und zeigte wie wild auf mich. „Sei still!“, zischte ich nervös, leider war es wohl oder übel zu spät... „Ah, da vorne bei unserer feurigen Wiebke. Na dann komm doch mal nach vorne.“, sagte der Betreuer Marco, der auf der Bühne als Moderator fungierte. Die Band spielte einen Tusch. „Ich will das nicht.... Ich weiß doch gar nicht worum es geht...“, flüsterte ich. „Ich weiß es auch nicht! Das ist doch das witzige! Jetzt geh schon!“ Wiebke hatte mich überredet. Mit knallroten Kopf stand ich auf und drängelte mich durch die klatschenden, noch sitzenden Teens nach vorne zur Bühne. Marco empfing mich mit einer Umarmung. Oh Gott! Ein völlig Fremder umarmte mich! „Hi! Ich bin Marco! Du??“ „Nora...“, nuschelte ich ins Micro. „Und von wo?“ „Cloppenburg.“ „Nora aus Cloppenburg!!!“, brüllte Marco ins Micro. Die Menge jubelte. „Wie ich an deinem Blauen Armband sehe aus dem blauen Sektor! Sind wir denn noch frei?“ Boah!! Das verschlug mir ja wohl voll die Sprache! Wie dreist! Ich antwortete ihm nicht. Er sah mich an. „Aaaaahh... Das erste mal in einem Sommerlager? Dann ist es ja kein Wunder, dass du auf meine dreiste Frage nicht antwortest.“ Er und die Menge lachten. Ich nickte nur stumm. „Sie ist noch frei, oder?“ „Oh, man! Ja!“ Als ich das sagte grölte die Menge wieder. „Eine potentielle Heiratskandidatin! Jungs haltet euch ran!“ „Neeee!!!“, fauchte ich. Mein Wattekopf-Zwillingsbruder lachte sich tierisch kaputt. „Erzähl uns doch mal ein bisschen von dir!“ „Na gut...“ Ich ließ mich auf dieses Spiel ein und begann zu erzählen. „Also ich bin 16 und komme aus Cloppenburg. Ok... Ich bin die älteste von vier Kindern und wurde leider mit drei jüngeren Brüdern gesegnet,“ Viele Mädchen buhten, „denn ich bin auch älter als mein Zwillingsbruder, was ich immer sehr gerne hervor hebe.“ Jonas verging sein Lachen. Ich begann irgendwie Spaß an der Sache zu finden. Seltsam... „In meiner Freizeit höre ich voll gerne Musik und singe dazu. Dann häng ich halt noch ein bisschen mit meiner Clique rum und mach Fotos. Ich glaub mit meinen Fotos, die ich bisher schon gemacht habe könnte ich ganze Ballsäle tapezieren“ Das war es dann auch schon gewesen. Alle klatschten und ich wuselte zu meinem Platz zurück. Wiebke wartete bereits mit einem Grinsen auf mich. „Und?? War das jetzt soooo schlimm?“, fragte sie mich. Ich schüttelte als Antwort nur den Kopf und sah lieber zu dem Jungen, der mich vorher beobachtet hatte. Er alberte mit einigen Mädchen herum und wurde von einem Betreuer ermahnt. Ha, ha, dachte ich gehässig. Um null Uhr war Nachtruhe. Viel zu früh, wie nicht nur ich fand. Aber wir mussten auch am nächsten Tag schon um spätestens neun Uhr aufstehen!! Auch viel zu früh! Ich war doch im Urlaub und nicht in einem Strafgefangenenlager. Also lagen wir alle um Mitternacht in unserern Schlafsäcken. „Wenn wir uns in den ersten Nächten an die Regeln halten fangen sie an uns zu vertrauen...“, flüsterte rini. „Genau. Obwohl.... Ich glaub Anja kennt uns zu gut...“, flüsterte Wiebke zurück und gähnte herzhaft. „Du meinst sie kennt dich.“, gab Caro von sich. „Die hat bestimmt Sprengfallen und Stacheldraht um unser Zelt gelegt.“, sagte Susa. „Wie meint ihr das?“, nuschelte ich. „Ab zu den Jungs ins Zelt!“, zischelte Wiebke. „Ich denk, das dürfen wir nicht!“ „Mensch Nora! Glaubst du da hält sich noch jemand dran? Du brauchst echt noch Lagererfahrung...“, jammerte Caro. „Ich sag euch eins! Es wird dieses Jahr sau schwer! Wir sind mega weit von den Jungs weg!“ Susa kuschelte sich in ihr Kissen. „Sag mal, kennt ihr euch eigentlich schon lange?“, fragte ich sie schließlich und war erstaunt von der Antwort der vier Mädchen. „Nein. Na gut so flüchtig vom letzten Jahr. Aber da waren wir nicht in einem Zelt.“ erklärte Wiebke. Und trotzde gingen sie vertraut miteinander um! Das verstand ich echt nicht! „Wir sind jetzt drei Wochen lang eine Familie.“ „MORNING HAS BROKEN....“ Unsanft wurden wir am nächsten Morgen von einem Radio, welches volle Pulle aufgedreht war, geweckt. Anja steckte ihren Kopf ins Zelt. „Aufstehen! Es ist neun Uhr! Bis zehn gibts essen! Freundlicherweise hab ich heute schon mal die Kiste aus dem Küchenzelt geholt! Ist ja euer erster Morgen hier!“ Sie sah schon so wach aus! Ihre schwarzen Haare hatte sie irgendwie zusammen gesteckt, dass sie fast alle raushingen. Ich hingegen war totmüde und kam nur ganz langsam aus meinem Schlafsack. Wiebke schlief ungerührt weiter. „Hey! Wiebke du auch!“, rief Anja. Aber Wiebke schien das nicht zu interessieren. „Na gut!!“ Anja stürmte ins Zelt und schmiss sich auf sie. „Haufen auf Wiebke!“, brüllte Caro, die mit einem mal hell wach war und schmiss sich ebenfalls auf die zwei Mädchen. Susa und Rini taten es ihr gleich. Wiebke quietschte. Ich zog mich langsam an und schlurfte zu den Sanitärenanlagen. Mich traf fast der Schlag! Meterlange Schlangen hatten sich vor den Duschen, Waschbecken und Toiletten gebildet. Ich musste zehn Minuten warten um mich waschen zu können und weitere fünf Minuten für die Toilette. Memo an mich selbst: Früher aufstehen! „Hey Nora!“, grüßte mich ein Mädchen, das ich zuvor noch nie geshen hatte. Das Frühstück verlief halbwegs normal. Wiebkes Haare waren noch total zerstrubbelt und sie schien noch halb zu schlafen. Anscheinend war das die einzige Zeit des Tages wo sie mal die Klappe hielt. Das Brot war etwas trocken... Naja, man kann nicht alles haben... Die ersten drei Tage des Camps vergingen total ereignislos. Außer der abendlichen Gemeinschaftsveranstaltung gab es keine weiteren Treffen. Wir sollten uns erstmal besser kennen lernen! Genau das, was ich doch gar nicht wollte! Von meinen Freunden hatte sich auch noch niemand gemeldet! Ganz toll! Die hatten ihren Spaß, während ich hier versauerte. Ich wollte einfach niemandem näher kommen! Außer den Mädels bei mir im Zelt. Die ließen mir ja gar keine andere Wahl, als mich mit ihnen an zu freunden. Ich war echt froh meinem Bruder nicht so ähnlich zu sein. Der hatte nämlich schon das halbe Lager kennengelernt! „Heute ist das erste Geländespiel!“ Wir saßen grade wieder beim Frühstück. „Das heisst, dass ihr heute in die Gruppen eingeteilt werdet, die für die ganze Lagerzeit dann bestehen bleiben. Also am Ende ist die Gruppe mit den meisten Siegen dann Sommermeister. Aber das kennt ihr ja schon.“, erklärte Anja und biss in ihr Marmeladenbrot. „Jetzt unsere Familiengruppen?“, fragte ich, da ich keinen Bock hatte mich an neue Leute zu gewöhnen. „Nee, nee! Geländespielgruppen. Abends unterhalten wir uns dann über die Erfahrungen, die ihr dort gesammelt habt.“ Ich zuckte bei Anjas Worten zusammen. „Wäscht jemand meinen Teller ab?“ Es war selten, dass Wiebke beim Frühstück sprach. „Ich muss mich noch fertig machen...“ Sie gähnte. Tatsächlich war sie die einzige, die noch im Schlafanzug am Tisch saß. „Nö, selbst schuld!“, sagte Caro hämisch. Ich war dran, die Kiste zurück zu bringen und wollte Wiebkes Teller mitnehmen, als sie diesen über dem Rasen umdrehte und ihr Messer ablutschte. „Sauber...“, sagte sie. Ich schüttelte den Kopf. Als wir alle bereit waren maschierten wir zusammen zum Versammlungspunkt. „Vielleicht kommen wir ja ganz zufällig in eine Gruppe.“, zwinkerte Wiebke mir zu. „Wäre ja schön.“ Waren das wirklich meine Worte gewesen?? Die Namen wurden vorgelesen. Ich war in Gruppe elf. Leider nicht mit Wiebke. Mit niemanden den ich kannte. Schon wieder neue Leute! Ich hatte gar keine gute Laune. Unser Betreuer hieß Sam. Braune Haare, blaue Augen, traumhafter Körper und ein sehr schönes Lächeln... Er führte uns zu einem Familienzelt. Wahrscheinlich wohl seinem. Wir setzten uns an den Tisch und warteten. Worauf warteten wir?? Ich wollte das so schnell wie möglich hinter mich bringen! „Es fehlt noch jemand...“, sagte Sam und er hatte Recht. Wir waren neun und mussten eigentlich zehn sein. „Man... Ich komm ja schon.“, sagte ein Junge hinter uns. „Ach der Herr Knopp muss mal wieder ne Extraeinladung haben! Vielleicht sogar noch mit Widmung und Goldrand euere Hoheit?“ sagte Sam. Es war der junge mit dem Pferdeschwanz! „Wäre echt nicht nötig, aber wenn du darauf bestehst...“, sagte er grinsend und setzte sich mir gegenüber. Sein Tshirt war zerrissen, er trug ein Tuch um den Kopf und seine Handgelenke waren voll mit Armbändern, so dass man das grüne Sektorenband kaum noch sehen konnte. „Hi Nora!“, sagte er und lächelte mich an. Er hatte unglaublich grade Zähne und... Halt! Woher kannte der denn meinen Namen?!? Was sah der mich denn jetzt so an? Oh warum musste ich immer so in meinen Gedanken sein? Hatte er mich etwa etwas gefragt? Sam rettete mich: „So! Wir machen jetzt ne kurze Vorstellungsrunde!“ Jeder von uns stellte sich mit Namen, Alter und Herkunft vor. Bei ihm musste ich mich wirklich konzentrieren, seine Stimme war so... Hypnotisch... „Ok. Ich bin der Alexander aus Emden und bin 17! Nennt mich Lex!“ Was war das denn für einer? Wohl zu viel The Tribe geguckt, dachte ich. Der war ja voll hochnäsig! „Und du bist ne neue Lagerschnecke!“ Er deutete auf mich. „Bist du blöd?“, fragte ich unerschrocken. Da streckte der Typ mir doch tatsächlich die Zunge raus! Er hatte ein Zungenpiercing, auch seine Ohren waren durchstochen. „Lex! Nora! kein Gezicke bitte!“, mahnte Sam. Ok! Ich mochte Lex nicht. Hypnotische Stimme hin oder her. Nee! Den ja mal gar nicht! So ein arrogantes Arsch! Der war bestimmt schon sein ganzes Leben in irgendwelchen Sommerlagern untergeracht. Das gab‘s nicht! Auf seinem Oberarm konnte ich eine Tätowierung erkennen! So einer war der also... Ein Punk! „Ich weiß was du denkst.“, sagte er schließlich und sah mich dabei an. „Geht das schon wieder los... Sei bitte still Lex....“, seufzte Sam, der grade die Spielregeln erklären wollte. Ich zuckte mit den Schultern. „Was für ein Punk, ein Rowdy... Ein Arsch...“ Und grinste mich breit an. Ich antwortete ihm nicht, aber er hatte wirklich genau das getroffen was ich dachte. Sam begann zu erklären und ich verstand kein Wort. Lex schien das irgendwie erkannt zu haben. Unentwegt sah er mich an. Oder bildete ich mir das nur ein? „Sam.“, sagte er und deutete vielsagend auf mich. „Was denn?“, fragte Sam genervt. „Sie versteht kein Wort.“ „Kannst du mich mal in Ruhe lassen??“, platzte es aus mir herraus. „Na toll. Es ist auch jedes Jahr das selbe! Warum muss ich immer dich in meiner Gruppe haben? Machen die Anderen das mit Absicht?“, raunte Sam und erklärte mir noch einmal ganz ruhig die Spielregeln. Irgendwas mit Räubern, dem Wald und Wasserholen. Gut. Da er sah, dass ich noch immer keine Ahnung hatte sagte er mit einem Grinsen: „Ok, ok. Ich seh schon, das wird nichts. Dann bleibst du mit mir im Lager und sortierst alles und so weiter ja?“ Ich nickte. Mir war das nur recht. Was Lex machte verstand ich nicht. Er war so was wie ein Sammler. Eine laute Stadionshupe ertönte und das Spiel begann. Ich saß bei Sam und fing an, dass Puzzelbrett auf zu bauen und an zu malen. Die Anderen suchten die Teile und sammelten Wasser. Für einen Liter Wasser bekamen wir drei Puzzelteile. Gesammelt wurde allerdings mit Fotodosen. „Mach dir bei Lex keine Gedanken. Der ist immer so drauf... Jedes Jahr...“, sagte Sam schließlich. „Warum sollte ich mir denn Gedanken machen?“, fragte ich und angelte mir den blauen Buntstift. „Er ist nun mal... Sehr frech.“ „Pfff!“, prustete ich. Frech war falsch ausgedrückt... „Allerdings glaube ich, dass du ihn zähmen kannst.“ Er grinste. Sam hatte ein schönes Grinsen. Richtig niedlich. Er bekam so süße Grübchen. „Du hast nämlich einen echt starken Charakter.“ „Meinst du? Ist ja auch kein Wunder bei einem fast reinem Männer Haushalt. Aber der Typ hat eh nicht mehr alle Tassen im Schrank.“ Ich lachte. Sam lachte mit. Wiebke hatte mir erzählt, dass es verboten war, während des Sommerlagers etwas mit Betreuern an zu fangen. Aber wer wollte das schon? Aber war es ein Verbot für uns oder für die Mitarbeiter? Zwei Mädchen kamen mit ihren vollen Fotodosen wieder. „Hier! Die ersten zwei Dosen!“ sagte die eine, deren Name Nina war. Das Wasser war hellblau eingefärbt. Natürlich! Sonst hätte man ja einfach den Eimer unter den Wasserhahn halten können. Ich hielt ihnen den Eimer hin und sie rannten weiter. Kurze Zeit später kamen drei Jungs aus unserer Gruppe zurück und überreichten mir eine Handvoll Nägel. Irgendwie hatte ich das Spiel wohl doch noch nicht so verstanden. Die drei sahen erst sich und dann Sam verzweifelt an. „Ich erklär‘s ihr gleich.“, flüsterte Sam. Ich schüttelte nur verwirrt den Kopf. Die Jungs verschwanden wieder. „So schwer ist das doch nicht.“, sagte er und nahm meine Hände. Seine waren weich und warm. Meine hingegen fielen auf den Gefrierpunkt und ich merkte, wie ich leicht rot wurde. „Ist es dir unangenehm meine Hände zu halten?“ Er sah mich freundlich an. Der war ja fast genau so wie Lex! „Ach was!“, sagte ich. Ich hatte schon so oft die Hände von irgendwelchen Freunden gehalten... In dem Moment kam Lex, völlig aus der Puste, zu uns ans Zelt. „Hey ihr zwei Turteltäubchen. Ich hab da mal ein Teil!“ „Halt die Klappe Lex!“, maulte ich. „Ach.... Zicke!“, maulte er zurück. „Zicke?!?!“ Ich sprang auf und fegte fast das Spielbrett vom Tisch. Wieder streckte er mir die Zunge heraus. Ich atmete tief durch und versuchte möglichst cool zu wirken. „Los! Geh wieder Puzzelteile suchen! Sonst verlieren wir.“ Ich zwinkerte ihm zu. Damit hatte er nicht gerechnet und verlor etwas seine Fassung. Grinsend rannte er wieder los. „Sag ich ja. Vielleicht bist du ja endlich die, die ihn unter Kontrolle bekommt...“, sagte Sam. „Was willste denn damit sagen??“ Mein Ton wurde patzig. Ich räusperte mich und schraubte ein wenig herunter. „Was meinst du?“ „Was ich meine? Jedes Jahr fand er bisher am Anfang ein Mädchen toll. Er hat sich mit denen genau so angelegt wie mit dir, aber die... Die haben sich nur gekränkt gefühlt und haben die Gruppe gewechselt...“ „Dann wäre ich ja nur eine von vielen... Wenn ich denn eine wäre, falls du verstehst.“, versuchte ich mich heraus zu reden. „Nein... Du bist einzigartig.“ Am Abend diskutierten wir vor unserem Familienzelt noch mit Anja über die Erfahrungen, die wir den Tag über gesammelt hatten. „Ich komm mit drei Leuten aus meiner Gruppe nicht klar.“, seufzte Caro. Ich blieb still. Sollte ich etwa von diesem blöden Arsch erzählen? Die anderen würde es ja sicherlich eh nicht interessieren. Ich beschloss mich erstmal zurück zu halten. „Ich bin Sammlerin! Wiedermal. Die Jungs aus meiner Gruppe meinten zwar, ich könnte das nicht, aber die waren irgendwie alle neu. Paula, unsere Gruppenleiterin hatte denen auch schon gesagt, dass sie mich nicht unterschätzen sollten. Fazit: Ich habe ganze drei Puzzelteile mehr als die Jungs gesammelt.“, sagte Rini stolz. Das kleine Mädchen unterschätzten anscheinend viele. „Also ich,“, fing Wiebke an zu erzählen und ich stellte mich auf eine längere Geschichte ein. „Ich bin mit genau dem Typen in einer Gruppe, den ich letztes Jahr geheiratet hatte. Ihr wisst schon dieser pickelige Vollidiot mit der Brille.“ „Peter.“, sagte Susa. „Genau. Nur das aus dem der gut aussehende P.T geworden ist.“ Wiebke legte ihren Kopf auf den Tisch. Jetzt sahen alle mich an. Warum? Anja ergriff das Wort: „Und Nora? Wie war dein erstes Geländespiel?“ Gespannt blickten mich alle an. „Naja... Ganz Ok. Außer, dass ich die Spielregeln nicht so ganz verstanden habe. Ich bin da mit Sam, unserem Gruppenleiter am Zelt geblieben.“ „Sam??“, brüllte Wiebke. „Jaaaaa....“, sagte ich langgezogen. „Hast du ein Schwein!“, seufzte Susa. Ich verstand die Welle nicht, die sie wegen Sam machten. War mir auch egal. Auf jedenfall war ich hundemüde. Obwohl ich nur mit Sam am Tisch gesessen hatte und nur gequatscht hatte. Ich ging ins Zelt um mich schon mal fertig zu machen. Lex ging mir mit seiner hochnäsigen und patzigen Art nicht mehr aus dem Kopf. Als hätte Wiebke es gerochen kroch sie zu mir ins Zelt. „Du bist mit Lex in einer Gruppe.“ „Was? Äh...“, stotterte ich. „Den hast du also beobachtet. Hab ihn gar nicht erkannt. Letztes Jahr hatte er noch kürzere und schwarze Haare.“, erklärte Wiebke. „Schön.“ ,sagte ich und zog mir meinen Schlafanzugpullover über den Kopf. „Er ist ein Vollidiot und im ganzen Lager bekannt.“ Wiebke schmiss sich auf ihre Luftmatratze und öffnete eine Schachtel mit Keksen. Sie warf mir einen an den Kopf und steckte sich selbst einen in den Mund. „Man musch ihn nua tschu nehm wischen...“, nuschelte sie, aber ihre Stimme hörte sich seltsam böse an. „Was muss ich wischen?“ fragte ich ironisch, denn ich hatte sie genau verstanden. Sie schluckte. „Man muss nur wissen wie er drauf ist mein ich.“ „Aaaah...“, machte ich allwissend. „Du weisst aber, dass es verboten ist...“, flüsterte Wiebke. „Hä?“ Ich verstand kein Wort. Wiebke räusperte sich. „Hast du denn nicht das ‚Regelbuch‘ gelesen?“, fragte sie mit gekünstelt hoher Stimme. Nein, ich hatte es noch nicht wirklich gelesen, weil‘s mir egal war. Das Heftchen lag unter meinem Kopfkissen. „Seite drei. Ich lese vor!“ Sie kramte ihr Sommerlagerheftchen hervor. In dieses Heft konnte man auch Fotos reinkleben und Adressen von seinen neuen Freunden reinschreiben. Sie öffnete es und fing an zu lesen: „Sollte unsere Partnerbörse Erfolg haben ist dieses zu beachten: Zügelloses rumgeknutsche ist schön, aber verschiebt das doch bitte auf die anderen drei Wochen eurer Sommerferien. Zu Zweit allein im Zelt? Die anderen wollen doch auch was von euch haben! Ab in die Sonne mit euch!“ Wiebke sah mich an. Da wollte sie also drauf hinaus. „Bist du Wahnsinnig??“, brüllte ich und warf ihr ein Kissen an den kopf. „Was denn?“ Die erste Woche verstrich nur sehr langsam. Wir waren bei dem schönen Wetter oft an dem kristallklaren See, wo wir wilde Wasserschlachten machten, obwohl ich doch eigentlich nur da liegen wollte, um braun zu werden. Ich verstand aber die Spielregeln der einzelnen Gruppenspiele viel leichter, saß aber trotzdem nur mit Sam an unserem Platz und sortierte was das Zeug hielt. Das strengte ja fast noch mehr an, als das ständige sammeln von irgendwelchen Gegenständen. Die Situation mit Lex wurde nicht viel besser. Er war genau so fies zu mir, wie am ersten Tag. Deswegen freute es mich um so mehr, als er bei einem Spiel „leicht“ geschunden zu uns ans Zelt kam... Es ging das Gerücht um, dass die Mitarbeiter die große Wiese hinter dem Wald unter Wasser gesetzt haben sollten. Ich nagelte grade zwei Bretter aneinander, als Sam sich plötzlich ein Prusten kaum unterdrücken konnte. Ich drehte mich um und sah Lex, mehr oder weniger. Er war über und über mit Matsche behäuft und hielt mir ein Brett entgegen. Seine Haare, die jetzt eher eine leberwurstgrüne Färbung hatten, waren offen und berührten leicht seine Schulter. „Spar dir dein Komentar...“, funkelte er mich böse an. „Die Schlammpackung tut dir gut.“, grinste ich. Sam fing lauthals an zu lachen und und schlug sich auf seine Knie. „Witzig, witzig. Zwei Räuber haben sich auf mich gestürzt! Wäre diese blöde Weide nicht so sumpfig gewesen wäre ich auch nicht auf die Fresse geflogen.“, knurrte Lex. „Hauptsache du hast das Brett! Gib!“, forderte ich. „Ach, das Brett ist dir also wichtiger...“ „Ja, natürlich. Wir wollen ja auch gewinnen.“, klärte ich ihn auf, obwohl ich noch gar nicht hätte weiterarbeiten können, da unser Bauplan noch gar nicht vollständig war. „Ey!“, motzte er. „Lass es trocknen. Mit Hammer und Meißel geht es später besser wieder ab.“ Fassungslos starrte Lex mich an. Jetzt streckte ich ihm die Zunge raus. Ha, dachte ich... „Er hat seinen Meister gefunden!“ sagte Wiebke am Abend beim Abendessen. Ich grinste. „Da treibt der fünf Jahre lang hier sein Unwesen... Und dann kommt ganz plötzlich seine Bezwingerin, jemand, der zuvor noch nie auf einem Sommerlager war.“ Anja fing an zu lachen. „Ihr redet ja von ihm, als wäre er ein Tier!“, sagte Rini, die sich grade ein Brot schmierte. „Ist er ja auch!“, brüllte Susa und alle fingen an zu lachen. Rini schien das gar nicht zu gefallen. Sie verzog das Gesicht zu einer beleidigten Miene. „Ihr seid voll blöd!“, schniefte sie. Ich verstand sofort, hielt aber meine Klappe, im Gegensatz zu Wiebke: „Du bist in ihn verknallt!“, rief sie quer über den Platz. Sofort wurde Rini knallrot. Wiebke hatte genau so viel Feingefühl wie ein Stück Toast ohne Rinde. „Das... Das stimmt gar nicht...“, stotterte sie verlegen. „Und warum wirst du dann so rot?“, fragte Caro. „Rini! Der Typ wird schon 18! Du bist grade mal 13!“, mahnte Susa. „Grade mal 13... Das ist doch egal...“, seufzte Rini und biss in ihr Brot. „Ooooh ooohhh... Dann hat Nora also Konkurenz...“ Wiebke kniff mir in die Seite. „Waaaaaas?? Ey lass mich bloß in Ruhe!“, motzte ich. In diese Sache wollte ich gar nicht erst mit reingezogen werden. „Hey sie wird auch rot!“ „Das stimmt überhaupt nicht!“, sagte ich mit den Händen vor dem Gesicht. In dem Moment klingelte mein Handy und rettete mich aus dieser beschissenen Situation. „Kein Handy beim Abendessen.“, sagte Anja mit vollem Mund. Flehend sah ich sie an und nahm ab. „Ja Hallooooo?“ „Bon Soir mein Schatz!“, sagte meine Mutter am anderen Ende. Vielleicht war ihr in den letzten Tagen noch nicht aufgefallen, dass in Indien indisch und nicht französich gesprochen wurde. Ganz abgesehen davon, dass ich kein französisch verstand... Obwohl ich es in der Schule hatte. „Hi Mama! Wie ist Indien??“ „Traumhaft! Es ist einfach Wunderschön! Wir waren schon an diesem großem Fluss, wo diese ganzen Pilger immer hingehen. Ach wie heisst der noch... Gaa.... Geee.... Du weisst schon was ich meine!“ Nein das wusste ich nicht. Da ich aber wusste, wie auschweifend meine Mum werden konnte, wenn ich das zu gab sagte ich: „Klar, klar.“ „Und wir waren bei einer Trauerfeier! Man! Da wird echt gefeiert! Und wie gefällt dir das Lager?“, schwenkte sie das Thema um. Ich verzog mich ins Zelt, damit ich halbwegs ungestört war. „Najaaaaaaa....“, sagte ich lang gezogen. „So schlecht isses nicht, oder?“ „Es ist ganz okay...“ „Und Kerle? Ich kenn dich doch mein Töchterchen.“ „Mama!“ „Ja was denn? Wann bringt mir meine Älteste endlich einen Schwiegersohn mit ins Haus? Wir sind ja so wenige Männer...“ „Ach so ist das! Du schickst mich in dieses Camp nur wegen den Typen!“ Ich hatte meine Mutter also durchschaut. „Ach was! Paperlapapp! Gib mir mal deinen Bruder! Der geht nicht an sein Handy!“, lenkte meine Ma ab. „Mama! Der wohnt auf der anderen Seite des Lagers!“ „Ja und? Dann lauf halt bitte hin! Ich ruf in fünf Minuten zurück. Hab dich ganz doll lieb! Schöne grüße auch von Papa! Bis dann.“ „Ha... Halt...“ Sie hatte aufgelegt. Ich hatte also fünf Minuten Zeit meinen Bruder zu erreichen. Meine Mutter war nämlich in Sachen anrufen überpünktlich, was natürlich niemand von uns geerbt hatte. Ich stürmte aus dem Zelt. „Wo willst du denn hin??“, brüllte Wiebke mir nach, ich reagierte jedoch nicht auf sie. Grün zwölf, da musste ich hin. Ich hatte es immer vermieden diesen Sektor zu betreten, aber jetzt musste ich es leider. Völlig aus der Puste kam ich beim Familienzelt meines Bruders an. Da Abendessen war, war ich das einzige Mädchen im ganzen Sektor und wurde total angestarrt von allen Seiten. „Ey! Wir essen grade!“, fuhr mich der schwarzhaarige Junge aus dem Bus an. „Henning! Halt die Klappe!“ Ich atmete auf, es war Sam. „Hi Sam!“, sagte ich erfreut. „Was können wir für dich tun?“, fragte er. Mein Bruder versteckte sich hinter seiner Hand. Ich hatte nicht gewusst, dass Sam Jo‘s Gruppenleiter war. Das brachte mich ein wenig aus dem Konzept. Das hatte er nie erwähnt. Ich starrte die kleine Gruppe verwirrt an. „Jaaaaaa?“, hakte Sam nach. Ich gewann meine Fassung wieder. „Jo, Telefon!“, sagte ich und warf ihm mein Handy zu. „Was willst du??“ Er sah auf das Display und genau in dem Moment fing es an zu klingeln. „Sag ich ja...“, triumphierte ich und ging einige Meter vom Zelt weg. Bei solchen Strohköpfen wollte ich nicht sein. Nachher färbte das noch ab! Wie konnte Sam das nur aushalten? Ich hockte mich auf den Rasen. Sam lächelte mich von weitem an un winkte mir zu. Ich tat das selbe. „Wem lächeln wir denn da zu?“ Neben mir ließ sich jemand ins Gras sinken. „Lex....“, sagte ich wenig erfreut. „Ach, Sam...“, sagte er so, als hätte er alles durchschaut. „Is‘n Süßer was?“ sagte Lex grinsend. „Du haluzinierst!!“, sagte ich genervt. „Guck mal, ich bin wieder sauber!“, sagte er stolz, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich musterte ihn. Seine blauen Haare waren noch nass, aber zu einem Zopf gebunden. Wie immer trug er eine zerrissene Shorts, sein Oberkörper war frei. Ein Schauer überlief meinen Rücken. Seine braun- grünen Augen strahlten „Schön.“, sagte ich. „Was machst du denn hier bei uns im Sektor? Sam besuchen?“ „Nein. Ich hab meinem Bruder das Handy gebracht.“, erklärte ich trocken und setzte ein: „Ist dir nicht kalt?“ nach. „Nö. Dein Bruder?? Stimmt! Der Blonde da hinten sieht dir wirklich ähnlich.“ „Boah! Vielen Dank für dieses Kompliment!“, grummelte ich. Ich wollte aufstehen, aber er hielt mich am Arm fest. „Griffel weg!!“, fauchte ich. „Hey, hey! Was bist‘n so gereizt?? Ist ja voll unnormal. Okay... bei dir...“ Er lächelte. Sein Lächeln ließ mich wieder einiges vergessen und ich lächelte leicht zurück. In diesem Moment tauchte ein Schatten über mir auf. Ich sah nach oben. „Nochmal schöne Grüße von Ma.“, sagte mein Bruder gezwungen. „Danke.“ „Auch an deinen Freund...“ Mein Bruder begann hämisch zu grinsen. „Was?!?“ Mit einem Satz war ich auf den Beinen. „Schöne Grüße an Lex.“, wiederholte sich Jonas. „Oh, vielen Dank!“, bedankte Lex sich. „Was hast du Mama erzählt???“, brüllte ich so laut, dass mich fast jeder anstarrte. „Nichts...“, sagte Jonas scheinheilig. „Du Arschkeks!“ Wütend riss ich mein Handy an mich und verschwand, ohne die zwei Jungs noch einmal an zu sehen. So was blödes! Mein Freund! Ich konnte nicht glauben, was Jo erzählt hatte. Lex interessierte mich doch gar kein bisschen! Als ich bei unserem Zelt wieder angekommen war erwartete Wiebke mich bereits. Sie saß auf einer der Bänke und versuchte sich ihre Haare zu flechten. „Ich hab deinen Kram mit abgewaschen. Wo wolltest du denn so schnell hin?“ „Zu meinem Bruder...“ „Ahaaaaa, ganz zufällig...“ „Meine Ma war am Telefon!“ „Das sagt alles!“ Sie grinste Ich fragte gar nicht erst warum, sondern begab mich ins Zelt. Das ich auch immer so blamiert werden musste... Drinnen warteten die anderen schon auf uns. Wiebke schloss die Zelttür hinter uns, auch wenn das nicht sehr viel bringen würde. „Heute Abend ist Mitarbeitertreffen. Die beste Gelegenheit, um durch‘s Lager zu stromern.“, flüsterte sie. „Muss das sein?“, fragte Rini. „Ich finds cool.“, flüsterte Susa. „Aber wir könnten aus dem Lager fliegen!“ Rini‘s Stimme klang angespannt. Ich musste irgendwie komisch geguckt haben, denn Wiebke schüttelte den Kopf. „Vergiss es Nora! Du bleibst schön im Lager!“ Warum hatte es mir denn nicht früher gesagt, dass ich auch aus dem Lager fliegen konnte? Jetzt war es zu spät. „Rini, du bist doch sonst nicht so vorsichtig. Was ist los?“, fragte Caro. „Nichts. Gar nichts. Nur... Das mich... ALLE HIER FÜR EIN KLEINES KIND HALTEN!!!“, brüllte sie los. Ich überlegte. Rini war 13, Wiebke 14, Caro auch 14 und Susa und ich 16. Sie war zwar die jüngste von uns aber hielten wir sie deswegen für uns ein kleines Kind? „Das stimmt nicht. Ich bin auch nur ein Jahr älter als du.“, sagte Caro bestimmt ruhig. „Doch! Ihr sagt ich bin zu jung für Lex, ihr sagt, ...“ Tränen liefen über ihr Gesicht. Betroffen sahen wir uns gegenseitig an. „Aber Rini... Denk dran, was geschehen ist... Du weisst wie er ist...“ Susa strich ihr über den Rücken. Was war denn geschehen?? Egal! Jetzt ergriff ich das Wort: „Hör mal zu Rini. Wir sagen nicht, dass du zu jung bist, sondern, dass er zu alt ist.“ „Ge...“ Wiebkes Worte erstickten bei meinem Gesichtsausdruck. Rini starrte mich mit roten Augen an. „Du bist so ein süßes und hübsches Mädchen! Er ist ein Vollidiot! Und Wiebke wollte sich vorhin beim Abendessen auch anders ausdrücken, aber sie hat nun mak die Feinfühligkeit eines Betonklotzes!“ „Stimmt! Hey Moment!“, sagte Wiebke und kratzte sich verwirrt am kopf, aber keiner beachtete sie. „Du... du willst ihn doch nur selbst!“, rief Rini erbost. „Das stimmt doch gar nicht!“ „Natürlich nicht...“, murmelte Wiebke. „Es gibt doch noch so viele Jungs. Ähm... Du kennst doch Kay-Kay aus Bremen. Ich weiß zufällig, dass er dich ganz niedlich findet.“, half Caro mir aus der Situation. „Kay-Kay?“, schluchzte Rini. „Ja.“ „Aber der ist doch schon 15.“, seufzte Rini. „Ja und Lex ist 17!!“, warf Wiebke ein. „Wiebke halt doch bitte Llappe ja?“, knurrte ich. Rini wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und nickte leicht. „Ihr habt Recht! Wo flitzen wir heute nacht hin?“ „Das ist die Rini die wir mögen! Das woll‘n wir hören!“, rief wiebke mit erhobener Faust. „Heute Nacht wenn‘s dunkel ist... Hauen wir ab! Halb eins nachts...“, flüsterte Susa. Wir hatten alles genau geplant. Nur in welches Zelt wir wollten stand noch nicht fest. Wahrscheinlich das erstbeste, was uns in den Weg kam. So lagen wir um Punkt null Uhr in unseren Zelt. Natürlich in Schlafklamotten. „Anja ist weg....“, flüsterte Caro, die ihren Kopf aus dem Zelt gesteckt hatte. „Gut... Warten wir noch zehn Minuten...“, sagte Rini. Zehn Minuten später fingen wir leise an uns umzuziehen. Grade als ich mein Oberteil ausgezogen hatte und im BH da saß wurde die Zelttür aufgerissen. Susa unterdrückte einen Schrei, wir anderen erstarrten. Der Jemand sprang ins Zelt. „Oh-Mein-Gott.“, sagte ich abgehackt, das Oberteil in meiner Hand. „Ups.“, sagte Lex, der erstarrt auf meinen Oberkörper glotzte. „RAUS!!!“, brüllte ich. Wie von der Tarantel gestochen warfen sich alle, inklusive Lex auf mich. „Bist du wohl still!“, zischte Wiebke. „Wir kriegen doch auch einen drauf, wenn er hier ist!“, fauchte Caro. „Genau! Ich hab außerdem gar nichts gesehen!“, beteuerte Lex. „Geht von mir runter!“, gurgelte ich gequetscht. „Nur wenn du still bist!“, flüsterte Rini. Langsam bewegten sich alle von mir runter. „Guck mich nicht so an!!“, fuhr ich Lex an. „Mach ich doch gar nicht! Außerdem hab ich schon viele Mädchen im Bikini gesehen. Das sieht doch alles gleich aus.“, flüsterte Lex. „Gleich?? Also sie hat mehr als ich!“, sagte Caro und piekte mir in den Busen. „Halloooooo??? Könnt ihr euch über was anderes unterhalten, als über meinen Busen?“, patzte ich die anderen an. „Ich find‘s ganz interassant.“, sagte Wiebke. Ich zog mir etwas über und sah Lex fragend an. Er interpretierte das natürlich völlig falsch. „Ja! Zieh‘s am besten wieder aus.“, sagte er. Die anderen fingen an zu lachen. „Das mein ich nicht! Was machst du hier?“ „Heute ist Mitarbeitertreffen. Die anderen aus meinem Zelt sind auch los, wir mussten uns aber trennen und so... Außerdem wolltet ihr ja wohl auch los, oder seh ich das falsch?“ „Uuuuhh ertappt!“, grinste Wiebke. „Wiebke! Du hier? In diesem Zelt!“ „Welch Zufall was?“ Ich verstand kein Wort. War aber wahrscheinlich auch besser so. Ich drehte mich um und wollte jetzt schlafen. Aber mich ließ keiner. Wiebke hatte sich mit dem Rücken zu Lex gesetzt und zog sich ihre Schuhe an. Was war zwischen denen vorgefallen? Irgendwie interessierte mich das doch. Aber ich ließ mir nichts anmerken und versuchte zu schlafen. Mir war die Lust vergangen weg zu gehen. Aber die anderen zogen sich weiter an. Ich richtete mich wieder auf. „Sach mal was tut ihr da??“, fragte ich leise. „Wo nach sieht es denn aus?“, flüsterte Susa, die sich ebenfalls ihre Schuhe anzog. „Wollt ihr mich hier alleine lassen??“ „Ja. Lex ist doch bei dir.“, erklärte Caro. „Ne!!“ Das fand ich gar nicht toll. „Ich komm mit!“, sagte ich entschlossen und schälte mich wieder aus meinem Schlafsack. Lex starrte mich an. „Was denn?“, fragte ich genervt. „Nischts, nischts...“, sagte er und grinste mich schlemisch an. Caro steckte iheren Kopf aus dem Zelt und teilte uns mit, dass die Luft rein sei. Nacheinander schlüpften wir aus dem zelt und huschten von einem zum anderen. Zwischendurch begegneten uns andere, die sich ebenfalls vorgenommen hatten rumzustromern. Plötzlich sahen wir den Schein einer Taschenlampe. „Scheiße! Wir müssen uns trennen!“, zischte Wiebke und sprintete los. Irgendjemand griff nach meiner Hand und zog mich mit sich. Ich erkannte sofort, dass es nicht die Hand eines Mädchens war. Es war Lex, der mich hinter ein Zelt zog. „Lass mich los du Idiot!“, fauchte ich. „Hey, Hey! Ich hab dir grad den Arsch gerettet.“, flüsterte Lex und sah zu der Stelle, wo der Taschenlampenschein her kam. „Ich will zurück. Mir ist kalt.“, meckerte ich. „Halt die Klappe, oder wir werden erwischt.“ „Ich sag ich wollte auf‘s Klo.“ „Und ich??“, fragte Lex. „Mir doch egal...“ „Außerdem sind die Klo‘s in der anderen Richtung.“, klärte Lex mich auf. „Du in die Richtung,“ Ich zeigte nach links, „und ich in die Richtung.“ Ich zeigte nach Rechts und rannte los. Natürlich rannte ich genau in die Arme eines Mitarbeiters. Ich hätte auf Lex hören sollen, ich Idiot! Ich sah nach oben und erkannte die schönen blauen Augen von Sam. „Was machst du denn hier?“, fragte er streng. „Ich... Ääääh... Pipi.“, faselte ich. „So weit von deinem Zelt weg?“ „Jaaaaaaa?“ „Du...“ Ich unterbrach Sam „Ist das spät! Ich muss Heia machen! Bis morgen!“ Auch Sam ließ ich alleine stehen, obwohl das vielleicht falsch war. Schnellen Schrittes ging ich zu meinem Zelt zurück. Ein Glück, ich war alleine.. Keine Einschlafprobleme, nichts... Ich legte mich in meinen Schlafsack und schlief sofort ein... Ende der zweiten Woche war dann auch die Partnerbörse. Das Event, auf das alle, außer mir gewartet hatten. Besonders die Mitarbeiter waren gespannt, was sich ergeben würde. Gut, die dachten sich sowieso schon ihren eigenen Teil. Vor dem Gemeinschaftsversammlungszelt stand ein riesiger Briefkasten, in den man Briefe für die Personen einschmeißen konnte, die man vielleicht interessant fand. Sechs Liebesengel liefen dann durch das Lager und verteilten diese Briefe, denn nur sie hatten die Liste, welche Nummer zu welchem Zelt gehörte. Ja Nummer. Jeder, auch die Mitarbeiter, trug eine zwei- bis dreistellige Nummer. Die Briefe konnte man natürlich den Engeln auch persönlich geben. Ich saß gelangweilt bei uns am Zelt, als ein Liebesengel auf mich zu kam. „Hi! Ich hab hier zwei Briefe für die 231, einen für die 189 und fünf... Ja fünf für die 145.“, sagte sie. „Jo, ich bin die 231...“, sagte ich. Sie übergab mir die zwei Briefe. Die anderen warf sie in den Briefkasten. Die 145 war Wiebke und die 189 war Rini. Ich vermutete, dass der Brief für sie von diesem Kay-Kay stammte. Ich entfaltete meine Briefe. Der erste war, in einer hübschen sauberen Schrift geschrieben, die mir etwas bekannt vor kam: Hi 231! Wär schön, wenn mein blonder Engel mir mal schreiben würde! Deine 99 Gut wer war denn nun die 99?? Ich schreibe doch nicht irgendwem! Nachher wäre das so ein kleiner Zwölfjähriger! Ich entfaltete den zweiten Brief und sah nur ein einziges Gekrakel vor mir. Er war von der 233: Allerliebste 231! Oooooooooh!!! Wir haben ja fast die selbe nummer!!! Das ist doch ein Zeichen! Es ist uns vorbestimmt! Schreib zurück! 233 Und wer war das? Ich setzte mich gleich dran, um den beiden zurück zu schreiben. Ich schrieb beiden die gleiche Frage: Wer bist du denn? Ich drückte die Briefe einem Liebesengel in die Hand, der Zufällig an unserem zelt vorbei kam und fing an zu warten. In meinem Bauch kribbelte es. Machte mir das Spiel etwa Spaß?? Dann kam Wiebke und riss mich aus meinen Gedanken. „Hab ich Post??“, quiekte sie. „Ja fünf Briefe.“, antwortete ich langgezogen. „Cool! Ich hoffe es ist jemand interessantes!“ Sie fummelte am Briefkasten herum. „Warum sitzt du hier eigentlich?“, fragte sie als sie den ersten Brief las. „Ich?“ „Sitzt denn hier noch jemand? Ja du Nora. Och ne...“ Sie legte den ersten Brief zu Seite. „Sollte ich etwa rumlaufen?“ „Ja, um Typen zu schreiben! Hey toll!“ Über den zweiten Brief freute sie sich mehr, als über den ersten. „Oh! Du hast ja auch schon zwei Briefe!“, sagte sie, als sie meine zwei Briefe vor mir sah. „Ja...“ Zehn Minuten später kam ein Liebesengel. „231? Hier zwei Briefe.“ Sie überreichte mir die zwei Briefe. Rini kam zu uns und wühlte ihren Brief aus dem Kasten Sie wurde rot und verzog sich ins Zelt. Wiebke starrte mich neugierig an. „Und??“, fragte sie. Ich las als erstes den der Nummer 99: Du hast das Spiel ja schon wieder nicht begriffen. Du sollst rumgehen und es selbst rausfinden! Such mich doch! „Ich weiß wer das ist!“, grinste Wiebke. „Und wer??“ Ich entfaltete den zweiten Brief und las: Such mich! Glaubst du ich verrate dir das?? Arsch hoch und los! Tut dir gut! „Boah!! Sag mir bloß wer die 233 ist! Und die 99 auch!!“, fauchte ich wiebke an. „Ääääähm... Nein. Such selbst.“ Genervt stand ich auf und ging als erstes zum Gemeinschaftszelt. Dort warf ich zwei Briefe in den Briefkasten und lief weiter. Schon nach fünf minuten sah ich die 233. Dachte ich... „Ey!!! Du!! Was schreibst du mir für bekloppte Briefe?!?!“, brüllte ich ihn quer über den Platz an. Fassungslos starrte er in meine Richtung. „Ich... Ich hab dir doch gar nicht geschrieben...“, sagte der blonde Junge schüchtern. „Hast du wohl und zwar... Oh...“ Ich sah auf sein Schild. „Du bist ja gar nicht die 233... Du bist die 133... Sorry!“, entschuldigte ich mich 1000 Mal. Wie Peinlich! Ich lief weiter. „Hey! Hey! 231! Warte! Nora!“ Hinter mir kam Anja, verkleidet als Liebesengel angerannt. Auf ihrem Rücken hingen zwei riesige Flügel und in ihren Haaren steckte ein silberener Sternenkranz. Ein weißes langes Kleid ließ sie eher an Sailor Moon alias Prinzessin Serenity erinnern... „Ich hab da zwei Briefe für dich.“ „Oh danke.“ Ich las sie sofort, damit ich Anja gleich meine Antwort mitgeben konnte. 99: Soll ich winken wenn ich dich sehe? Als Antwort schrieb ich: Ja 233: Ich hab dich gesehen! Bewegt sie sich doch raus! Wow! Ich sah mich mich um. Niemand da, der mir jetzt so bekannt vor kam. Meine Antwort war: Wer bist du Blödmann?? „Bitte schön!“ Ich gab Anja die Briefe und lief weiter. Später fiel mir dann ein, dass ich Anja nur hätte folgen müssen, um die zwei unbekannten zu finden. Aber da kam dann wieder durch, dass ich doch blond war. Ich sah in den Himmel. Kein Wölkchen zu sehen. Wenn der Himmel so klar bleiben würde, dachte ich mir, könnte ich mir ja eigentlich mal den Sonnenaufgang am See anschauen. Während ich so mit dem Kopf nach oben lief spürte ich aufeinmal einen dumpfen Schlag und ich fiel rückwerts auf den Rasen. Ich war gegen jemanden gelaufen. „Auaaaaa...“ Mein Hintern schmerzte. „Sorry!“ Mir wurde eine helfende Hand angeboten. Ich nahm an und starrte in Sam‘s Gesicht und auf die Nummer 99... „Hi!“ Er winkte mir lachend zu. „Du! Mir hätte es klar sein müssen, als du das mit dem Spiel geschrieben hast.“ Ich seufzte. „Dann kann der andere ja nur von Lex sein, wenn ich es recht und logisch bedenke.“ „Aber du hast es doch jetzt verstanden, oder?“ Sam grinste immer noch. Ich nickte lächelnd. „Na klar! Ich bin ja auch der beste Erklärer!“, sagte er triumphierend. „Ach Sam!!“ Ich umarmte ihn. Wich aber dann erschrocken zurück. Hoppsa! Mitarbeiter! Nein, nein, nein Nora! Verstört ging ich zu unserem Zelt zurück. Sollte die 233 wirklich Lex sein, dann war es mir egal. Aber mir ging sein blödes Lächeln nicht mehr aus dem Kopf. Bei unserem Zelt saßen nur Susa und Caro. Die beiden hatten einen Haufen Briefe vor sich ausgebreitet und langweilten sich. „Hast du auch Briefe?“, fragte Caro an mich gerichtet. „Ja... Aber nur von Sam, der mir versucht hat das Spiel zu erklären und wahrscheinlich von Lex... Aber da bin ich mir nicht so sicher...“ „Von Lex??“, fragten beide gleichzeitig. „Ich weiß nicht genau...“, sagte ich. „Wenn der Brief von der Nummer 233 war, dann liegst du da ganz richtig.“, sagte Wiebke, die auch zu uns ans Zelt kam. Ich wusste es... „Was hat er denn geschrieben??“, fragte Susa neugierig. „Nichts besonderes... Mist eben.“ Ich setzte mich auf die Bank und legte meinen Kopf auf den Tisch. „Wo ist Rini eigentlich?“, fragte ich in meine Arme hinein. „Kein Plan.“ Ich war verwundert, dass Susa mich verstanden hatte. „Ich will mir morgen Früh den Sonnenaufgang am See anschauen, kommt ihr mit?“, fragte ich und sah wieder zum Himmel. „Um fünf Uhr Morgens aufstehen? Tickst du noch ganz richtig??“, fragte Caro entsetzt. „Warum nicht?“ Ich zuckte mit den Schulter und erschrak tierisch, als Wiebke plötzlich aufsprang. „Ooooh! Ich muss noch jemanden schreiben!!!“ rief sie laut und an mich gerichtet: „Wo würdest du dich denn hinlegen?“ „Äääääh... Zu dieser Uhr...“, sagte ich verwirrt. Dann rannte Wiebke los und wir sahen ihr verdattert hinterher. „Die will mit?? DIE??“, fragte Caro. „Die hat was anderes vor...“, sagte Susa und stopfte ihre Briefe in ihre Umhängetasche. Ich sah noch immer in die Richtung, in die das rothaarige Mädchen verschwunden war... Merkwürdig... Sehr Merkwürdig... Die Abendveranstaltung fand an diesem Abend in dem riesigen Gemeinschaftszelt statt. Wiebke und ich saßen auf einer Bank ziemlich weit vorne. Ich sah Sam am Rand stehen. Er winkte mir zu. Ich winkte zurück. Das Abendprogramm begann. Es wurde viel über die Partnerbörse geredet, Fotos gezeigt und einige, in Anführungszeichen, neu entstandene Paare oder Freundschaften. Wir staunten nicht schlecht, als wir ein Foto von Rini und Kay-Kay sahen, auf dem sie Händchen hielten. „Süß...“, flüsterte Wiebke. Dann ging es erst richtig los. Die Hochzeiten fingen an. Ich konnte mich vor lachen kaum halten, als ich sah, wie sich einige Erfolglos gegen die Vermählung wehrten. Schon lange hatte ich nicht mehr so doll gelacht. Ich sah in Sam‘s Richtung. Er unterhielt sich mit der Moderatorin. Als sie wieder auf die Bühne ging grinste er mich feist an. Ich ahnte schlimmstes... „Und jetzt...“, begann Marco auf der Bühne. „Ich bitte noch mal unsere Nora nach vorne! Unsere neue Braut!!“ Die Menge jubelte. Wiebke fing lauthals an zu lachen. Da ich wusste, dass es Hoffnungslos war, sich dagegen zu wehren, stand ich auf und ging zu ihm. „Und wie gefällts dir hier so nach zwei Wochen?“ „Ganz ok...“ Im Inneren wusste ich schon längst, wer mein Partner sein würde. „Du bist doch sicherlich gespannt, wer dein Ehemann sein wird, oder?“ Nein war ich nicht, aber ich sagte: „Jaaaaa...“ Zwar sehr gekünstelt, aber anscheinend nahm man es mir ab. „Lex!!“, brüllte Marco. Sam war so ein Verräter... Ich zwang mir ein Lächeln auf. Lex schlurfte der Bühne entgegen und stellte sich neben mich. Er grinste, was mir natürlich gar nicht passte. „Ein süßes Paar!“, quiekte die Moderatorin Linda. „Sehr süß...“, grummelte ich ironisch. Wir bekamen zwei Kupferringe, die wir uns Gegenseitig anstecken mussten. Ich zitterte, als Lex mich mit seinen weichen Händen berührte. Warum? Alle lachten, so wie ich noch zuvor gelacht hatte, da wir beide wohl sehr blöde Gesichter gemacht hatten. Dann kam der entscheidene Satz: „Willst du Lex zu deinem Lager-Ehemann nehmen?“ Ich atmete tief durch: „Jaaaaaaa...“ „Und du Lex, willst du...“ Marco wurde unterbrochen. „Ja man! Mach!“ „Somit seid ihr Mann und Frau!“ Alle jubelten. Alle, außer mir... Am nächsten Morgen klingelte um halb fünf Uhr morgens mein Handywecker. Ich war blitzschnell hellwach und drückte sofort auf Stop. Neben mir dreht Wiebke sich schnaufend um und erzählte mir etwas von fliegen Schokokeksen. So leise wie möglich zog ich mich an. Als ich meinen Kopf aus dem Zelt steckte war es noch richtig dunkel und ein frischer Wind wehte mir ins Gesicht. Keine Wolken. Sehr schön. Ich schlich mich durch das Zeltlager und hörte überall das gleichmäßige Schnarchen. Der See schimmerte dunkelblau und niemand war zu sehen. Ich zog meine Schuhe aus und steckte einen Fuß ins Wasser. Es war auch jetzt lauwarm. Ich ließ mich in den Sand sinken und starrte in den Himmel. Am Horizont konnte ich das leichte rosa bereits erkennen. Es war so ruhig... Na fast jedenfalls. Ich hörte Schritte näher kommen und richtete mich auf. Ich traute meinen Augen nicht. Es war Lex. Still ließ er sich neben mich sinken. Ich rutschte ein Stück zur Seite. „Was willst du denn hier?“ ,fragte ich nach einigen Minuten des Schweigens. „Das gleiche wie du.“, sagte er und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Woher weisst denn DU was ich hier heute morgen möchte?“ „Tja. Geheimnis.“ Er gähnte herzhaft. War er etwa nur wegen dem Sonnenaufgang so früh aufgestanden? Oder wegen mir? Nein, nein. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Wiebke... Diese kleine Verräterin...“, murmelte ich. „Wie bitte?“, fragte er und gähnte noch einmal. „Gar nichts. Bist du noch müde?“ Ich zog die Beine an und sah auf die andere Seite des Sees. Lex anzusehen vermied ich gekonnt. „Ja. Bin ja schließlich nur wegen dir so früh wach.“ Ich verschluckte mich beinahe an meiner eigenen Spucke. Hatte er das grade wirklich gesagt? Ich verfiel in ein peinliches Schweigen. Das war zu viel für mich. „War ein Scherz!“, sagte er, als er sah, dass es mir irgendwie zu schaffen machte. „Witzbold...“, maulte ich. Die Sonne ging auf. Was die anderen wohl denken würden, wenn die uns hier zusammen sähen? Ich und dieser Schwachkopf! Wir saßen bestimmt eine Stunde stumm neben einander. Ich sah ihn kurz an. Es sah aus, als müsste er sich wirklich konzentrieren, um nicht einzuschlafen. Deswegen stand ich auch auf und ging auf das Wasser zu. „Wo willst du hin?“ Er sprang ebenfalls auf und folgte mir. Als ich ihn ansah grinste er feist. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er auf mich zurannte und mich schubbste. Im letzten Moment packte ich seinen Arm und wir fielen mit eine lauten Platsch ins Wasser. „Du Idiot!“, fauchte ich, aber als ich seine langen nassen Zotteln sah fing ich an zu lachen. „Was hälst du mich denn fest!“, fragte Lex und fing auch an zu lachen. Da saßen wir nun beide in voller Montur im Wasser und sahen uns den Sonnenaufgang an. Er berührte leicht meine Hand, aber ich zog sie erschrocken zurück und sprang wieder auf. Ich sah auf meine Armbanduhr. Es war bereits halb acht. „Wenn wir unauffällig zurück wollen, sollten wir jetzt los gehen...“, sagte ich leise. Irgendetwas war mir peinlich. Vielleicht war es ja, weil ich ein weißes T-Shirt anhatte, das langsam durchsichtig wurde. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und wartete, dass er endlich aufstehen würde. Aber er ließ sich Minuten lang Zeit und als wir endlich los gingen war es eine viertel Stunde später. Tropfend liefen wir zurück. „Wie findste eigentlich Sam?“, fragte Lex mich nach einigen Metern. „Wie bitte? Er ist ein Mitarbeiter. Wie soll ich ihn finden? Nett.“, sagte ich empört. „Und wenn er kein Mitarbeiter wäre?“ „Nett!“ „Und wenn...“ „Lex! Ich finde ihn nur nett!!“, brüllte ich. „Und mich?“ Auf diese Frage war ich ja nun gar nicht vorbereitet. Ich hustete und musste überlegen. „Schau mal ein Eichhörnchen!“, rief ich zur Ablenkung, als ein kleines Braunes Tier über die Straße lief. „Das ist ein York Shire Terrier...“, sagte Lex und fing an zu lachen. „Ach die Viecher sehen doch alle gleich aus.“ Wir kamen an unserem Zeltplatz an und fingen an sehr leise zu sein. Niemand sollte uns hören. Auf Indianerfüßen schlichen wir am Gemeinschaftszelt vorbei und dann an der Gemeinschaftswiese, wo uns plötzlich alle Mitarbeiter anstarrten. Geschockt blieben wir stehen und wichen stumpf auseinader. Ein morgendliches Mitarbeitertreffen von dem wir keine Ahnung hatten. „Aha...“, sagte Anja stumpf. Als sie dann auch noch sahen, dass wir nass waren grinsten alle um so mehr. Ohne ein weiteres Wort rannten wir jeder in unser Zelt. Beim Frühstück sah Anja mich ganz seltsam an... Was die sich nur dachte?? Auf jedenfall das Falsche! Oder nicht? Später am Tag verdunkelte der Himmel sich sehr stark und Wolken zogen auf. Sollte es tatsächlich noch regnen? An den letzten Tagen? Ich fand das gar nicht witzig. Lex und ich gingen uns aus dem Weg. War wohl auch besser so. Sahen die Mädels aus meinem Zelt mich etwa auch so komisch an, oder kam mir das nur so vor? Am Nächsten Tag zog doch wirklich ein mächtiges Unwetter auf. Es regnete so stark, dass wir unsere Zelte schon mit Sandsäcken schützen mussten, damit wir nicht untergingen. Den ganzen Tag über saßen wir im Zelt, spielten Mau Mau oder Uno und fingen schon bald an uns zu langweilen. Es hörte gar nicht mehr auf zu regnen. Zu allem Überfluss war ich auch noch dran mit Essenskiste holen... Das Geländespiel fiel aus. Wir hätten auch eher mit Paddelboten durch das Camp schwimmen müssen. Es wurde schon sehr früh dunkel und wir mussten schon fast unsere Taschenlampen anmachen. „Ist das ein Scheißwetter...“, maulte Wiebke und öffnete ihre zweite Packung Kekse an diesem Tag. Sie hatte ihren Malblock vor sich ausgebreitet und versuchte auf dem unebenen Boden ein vernünftiges Bild hin zu bekommen. „Ich muss Pipi, aber ich mag nicht rausgehen.“, sagte ich mit einem Blick auf meine Uhr. Es war halb neun. „Sieht aber aus als wird‘s weniger!“, prustete Caro, die von draußen reinkam. „Ey! Tropf nicht alles voll!“, quiekte Rini, die sich schützend auf ihr Harry Potter Buch warf. Das Prasseln auf dem Zeltdach wurde jedoch nur noch stärker. Ich ließ den Kopf hängen und unterdrückte den immer stärker werdenen Druck. Dieses Rauschen vom Regen machte alles aber nur noch Schlimmer. Warum musste man eigentlich immer zwanghaft an Wasserfälle denken, wenn man auf Toilette musste?!? Die Sanitärenanlagen waren viel zu weit weg. Jedenfalls bei Regen. Ich müsste also sehr schnell rennen. Jedenfalls gab es kein Gewitter. Ich hasste Gewitter! Und Lex! Das sagte ich auf jedenfall immer... „Toll...“, maulte ich nach einigen weiteren Stunden des Regens, „Es ist jetzt schon nach der Ruhe Zeit und ich muss immer noch!“ Ich sah auf meine Uhr. „Ein Uhr Nachts! Ich halte schon seit fast... Fünf Stunden durch!“ „Dann geh!“ motzte Susa. Das tat ich dann auch endlich. Ich flitzte über den Platz. Die Matsche spritzte mir an den Beinen hoch, denn ich trug nur ein leichtes Nachthemd, da im Zelt zur Zeit immer so eine Bullenhitze war. Der Regen strömte nur so auf mich nieder. Als ich die Toilette erreicht hatte war ich bis auf die Haut nass und aus der Puste. Die Sanitärenanlagen waren menschenleer. Wer traute sich bei so einem Sauwetter denn auch schon raus? Und dann auch noch mitten in der Nacht! Nur ich Idiot natürlich. Die anderen hatten sich wahrscheinlich Schläuche legen lassen. Als ich so auf dem Klo saß gab es plötzlich einen lauten Knall. Es gewitterte und der Strom fiel aus. „Aaaaaah!!“, schrie ich laut, aber niemand hörte mich natürlich. Vorsichtig verließ ich das Klo und tastete mich zum Waschbecken. Ein Blitz erhellte alles. Wieder schrie ich auf. War da jemand?? Ich bekam panische Angst und rannte aus dem Klohaus. Der Regen war heftiger geworden und eiskalt. Da er in meinen Augen brannte sah ich nicht, wo ich hinrannte. Es blitzte und gleich darauf donnerte es wieder. Ich kreischte los, stolperte und fiel in hohem Bogen auf den Boden. Die Steine rissen mir meine Knie auf, der Regen brannte wie Feuer in meinen aufgeschürften Hellenbogen, Händen und meinen Knien. „Au scheiße...“ Es war stockduster. Angst schnürte mir die Kehle zu. Ich konnte einfach nicht um Hilfe rufen. Es ging nicht und es hätte mich niemand gehört. Schniefend saß ich auf dem Boden. „Nora!“, hörte ich eine Stimme. „Ich wusste doch, dass ich dich um Ko gehört hatte!! Los komm!“ Es war Lex. Ich war noch nie so froh gewesen ihn zu sehen wie in dem Moment. Er war genau so klatschnass wie ich und beugte sich zu mir herunter. „Ich kann nicht...“, schluchzte ich. Wieder blitzte es und ich sah, dass wir noch sehr nahe am Klohaus waren. „Komm! Nur zum Klo zurück!“, sagte er und half mir hoch. Mich stützend humpelten wir zu den Anlagen zurück. Mir war es egal wohin. Hauptsache nicht mehr allein, hauptsache nicht mehr im Regen. Ich setzte mich auf den Deckel eines Klos und wartete. Lex holte einige Papierhandtücher und tupfte vorsichtig mein Knie ab. „Aua...“, jaulte ich mit Schmerzverzogenem Gesicht. „Stell dich nicht so an.“, murmelte er. Ich konnte seine Miene nicht erkennen, es war viel zu dunkel. „Wie kommt es, dass du zur selben Zeit zufällig am selben Ort bist?“, fragte ich. „Glaub mir, diesmal war es wirklich zufällig.“, sagte er und drückte auf mein Knie. „Aua! Spinnst du? Aaaaah!“, schrie ich, als wieder donnerte. „Du hast wohl Angst vor Gewitter, was?“ „Überhaupt nicht...“, sagte ich ironisch und musste niesen. „Gesundheit. Was läufst du auch in so einem Nachthemdchen durch den Regen?“ „Lass mich doch...“, murrte ich und sah an die Decke. Wir fielen beide in ein peinliches Schweigen. Bis ich dann irgendwann: „Wir dürfen hier gar nicht alleine sein...“, sagte und mich selbst fragte warum. „Warum? Hier ist weit und breit keine Zeltwand zu sehen.“ Er sah sich suchend um. „Du hast Recht.“, sagte ich und bekam eine Gänsehaut. War es, weil es schweinekalt war oder, weil Lex mich plötzlich in den Arm nahm... Auf dem klo... „Du bist ja voll kalt...“, stellte er fest „Liegt wohl am Nachthemd...“, raunzte ich. „Ich würde dich ja gerne wärmen, aber ich bin selbst klatschnass.“ „Ausreden...“, sagte ich, entzog mich seiner Umarmung und stand auf. Leider schmerzte mein Bein so sehr, dass es weg knickte und ich wieder in Lex‘s Armen lag. „Ups...“, hauchte ich. „Du bist und bleibst ein kleiner Trottel...“ Er strich mir eine meiner kurzen Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Aber...“ Und dann... Ganz ohne Vorwarnung... Hehehe... wenn ihr wissen wollt wie es weiter geht, dann müsst ihr euch mein Buch kaufen, wnn es endlich erscheint... Ich sag euch, wenn ihr jetzt denkt die kommen zusammen, dann könntete ihr recht haben, aber glaubt man nicht, dass das so einfach ist.. immerhin besteht das buch aus 6 teilen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)