Kudakeru von Skalli_Otori (I'am broken, when I'm lonesome) ================================================================================ Why?! ----- Es war ein regnerischer Tag. Dunkle Wolken zogen schwerfällig am Himmel entlang, aufgereiht wie graue mattglänzende Perlen auf einer Schnur und das bereits seit Mittag. Vor nichteinmal zwei Stunden hatte Kiku´s Freund mit ihr Schluss gemacht und weil sie unbedingt reden wollte, fuhr sie zur Wohnung ihrer besten Freundin Sora. Als sie jedoch klingelte, öffnete ausgerechnet Sora's älterer Bruder die Tür. "Was machst du denn hier?" nörgelte er, konnte sich ein Grinsen aber nicht verkneifen. Kiku vermied es ihn direkt anzusehen, hielt den Blick auf die Türschwelle gerichtet und räusperte sich. "Ich möchte zu Sora." sagte Kiku leise. Seine blauen Augen blitzten schalkhaft auf. "Ich geb dir 75 Yen und du gehst einfach wieder, okay?" "Samui, bitte..." bat das blonde Mädchen ihn eindringlich. Er seufzte theatralisch und lies sie herein. Höflich wie immer, begrüßte Kiku die Familienmitglieder ihrer Freundin die im Wohnzimmer zusammen fern sahen, ehe sie durch den leicht abgedunkelten Flur zu Sora´s Zimmer eilte. Zaghaft klopfte sie an, bevor sie die Tür ins Zimmer ihrer Freundin öffnete. "Hey!" begrüßte die Dunkelhaarige sie. "Du siehts ja traurig aus. Was ist los?" "Er hat Schluss gemacht." Kiku sah zu Boden. "Was? So ein Mistkerl!" rief Sora ärgerlich. "Wie kam es dazu?" Sora zeigte auf ihre Sitzecke und Kiku lies sich nieder. Langsam fing sie an zu erzählen, bis plötzlich die Tür aufflog und Samui herein gestürzt kam. "Was´n hier los? Heulsusentag?" fragte er und ein gemeines Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. "He, Puppenköpfchen...was´n mit dir los?" Kiku schüttelte den Kopf und sah auf. "Nichts." erwiderte sie und zwang sich zu einem Lächeln. "Mir geht es nicht so gut." Das war für Samui das Stichwort, nun war sie wiedereinmal Opfer seiner derben Sprüche und Späße. Sora wurde allmählich wütend und ihre Augenbraue zuckte verdächtig. "Du fliegst gleich achtkantig raus, du Grobian!" brüllte sie, aber ihr Bruder lies sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Weiter bohrte er in Kiku´s Seele und diese nahm alles, was der junge Mann mit den wuscheligen braunen Haaren und den blauen Augen sagte, wort- und wehrlos zur Kenntnis. Wieso bin ich immer dein Opfer? Wieso kannst du nicht einmal nett zu mir sein? Ich würde mich so darüber freuen. "Also, was ist nun wirklich hier los?" wollte Samui wissen. "Nichts und jetzt mach dich hier weg!" schrie Sora genervt und zerrte an ihrem Bruder, den das aber nicht weiter zu stören schien. "Hast du was geklaut und bist erwischt worden?" Sie schüttelte den Kopf. "Hast du dein Auto geschrottet?" Wieder ein Kopfschütteln. "Arbeit gekündigt?" Kopfschütteln. "Meine Güte, dann kanns doch nur Kinderkram sein." meinte er amüsiert. Kiku sah auf und ihm direkt in die Augen. Obwohl eindeutig Traurigkeit in ihnen zu sehen war, hörte er nicht auf die zierliche Blondine zu ärgern. "Mein Freund hat mit mir Schluss gemacht." erklärte Kiku leise, voraufhin Samui zu lachen begann. "Du? Du hattest nen Freund? War der blind, taub und stumm?" Seine Gehässigkeit schmerzte sie. "Was ist?" "Du bist ein Ekel!" warf ihm Sora vor, runzelte die Stirn und stemmte einen Arm in die Seite. "Muss das denn immer sein?" Wieso sagst du sowas? Und wieso wehre ich mich nicht dagegen? Warum kannst du immer mit mir machen was du willst? Und wieso, finde ich dich sogar jetzt noch wunderbar. Obwohl du mir so wehtust? Wenn du wüsstest, das du der Grund warst. Ich konnte mich dem anderen nicht so hingeben, wie ich es bei dir könnte, wenn du mich haben wölltest. Kiku schwieg weiter. Samui nutzte die Zeit um sich weiter über sie lustig zu machen, um noch tiefer in ihrer Seele zu bohren. "Was denn nun? War er nun taub, blind und stumm? Ansonsten kann er dich doch nicht ausgehalten haben. Ha, das ist es, deswegen hat er Schluss gemacht!" Samui lachte und seine kleine Schwester boxte ihm in die Seite. "Mistkerl! Warum sagst du sowas?" schnauzte sie ihn an und zerrte ungeduldig an dem Arm des Brünetten. Er sollte endlich aus ihrem Zimmer verschwinden und die beiden Mädchen in Ruhe lassen. Samui jedoch lachte immer noch. Laut und höhnisch. Der Schalk leuchtete in seinen Augen, er wurde gerade erst warm. Kiku sah erneut auf und suchte Augenkontakt mit ihm. Warum? Wieso? Warum bist du so? Was habe ich dir getan? Was er sagte tat weh. Immer wenn er sich über sie lustig machte, tat es ihr weh. Manchmal gab es Tage an denen verstand sich die Blonde gut mit ihm, an anderen war sie für ihn nichts weiter als die komische, nervige Freundin seiner Schwester. Und er hatte es sich zur Aufgabe gemacht sie zu Ärgern. Kiku hatte diese Rolle, in die er sie gezwängt hatte, widerstandslos übernommen. Sie erlaubte ihm, das er sich an ihr auslies. Nie sagte Kiku etwas wie 'Hör auf.' oder 'Lass mich in Ruhe.' Sie sass nur da, lächelte und konterte hin und wieder mit einem Spruch. Manchmal hatten sie viel zu lachen. Und Samui rangelte auch ganz gern mal mit ihr. Sie hielt mehr aus als der Rest, der immer gleich anfing zu jammern. Das mochte er an der Jüngern und ihren Humor. Allerdings wusste sie das nicht und er bemerkte es nicht. "Gut, das er sich von dir getrennt hat, sonst wird er noch so komisch wie du." Samui lachte erneut und Kiku wurde sein unfaires Gehabe zum ersten Mal zuviel. Neben bitteren Tränen, fühlte sie noch etwas anderes in sich brodeln, das danach verlangte endlich an die Oberfläche zu dürfen. Die Blonde stand wortlos auf und nahm ihre Sachen. Während Sora ihren großen Bruder boxte, verlies Kiku beinahe ungesehen das Zimmer. "Kiku!" hörte sie Sora noch rufen, aber ihr Entschluss stand fest. "Lass sie doch gehen." meinte ihr Bruder kichernd, fuhr sich kurz übers Haar und sein Lachen drang bis auf den Flur. Es schallte und dröhnte in den Ohren der Blonden. Kiku eilte zur Tür, zog ihre Schuhe an und öffnete ohne Zögern die Haustür. "Die geht ja echt." meinte Samui sichtlich verwirrt und das Lachen blieb ihm im Hals stecken. "Siehste, du bist ein Mistkerl." knurrte Sora angefressen. Samui lies von seiner Schwester ab und rannte in den Flur. Gerade noch sah er wie Kiku die Tür schloss. An der Haustür angekommen, riss er sie auf und trat in den abgedunkelten Flur. "Komm schon, was ist denn mit dir los? Wieso zickst du so rum?" fragte er und seufzte theatralisch. Kiku stand an der untersten Treppe im Hausflur. Es machte sie wütend. Er machte sie wütend. "Was los ist? Was das soll?" schrie sie und drehte sich auf dem Absatz zu ihm um. "Wie kannst du so gemein sein?" Ja, wieso bist du so? Ich habe, seit ich dich das erste mal gesehen habe, alles dafür getan dir zu gefallen. Sogar blonde Haare habe ich ausprobiert - und du? Du hast mich nur als komische Freundin deiner Schwester gesehen. Nie hast du zugehört. Immer hast du mich lächerlich gemacht. Und wenn ich mal etwas gesagt habe, hast du geschmollt. Und ich - Ich hab mich schuldig gefühlt. Es hat mir leid getan, obwohl ich nur versucht habe mich zu wehren. Du konntest machen mit mir was du wolltest. Ich hätte dir alles gegeben. Und nun? Warum kannst du nicht einmal nett sein? Wieso kannst du mich nicht einmal trösten? Kiku kamen die Tränen. Eine nach der anderen, rollten ihr über die Wangen, bis daraus ein silbern schimmernder Strom wurde. "Mein Gott, mach doch kein Drama draus." meinte er und rollte beinahe schon genervt mit den Augen, während er sich sichtlich gelangweilt an die Wand lehnte. Sogar jetzt noch bin ich dir egal. Fast eineinhalb Jahre kenne ich dich schon. Und es hat sich nichts geändert. Ich weiß soviel von dir und du...weißt nichts über mich...nicht wahr... "Sag mir nur, warum du immer so gemein bist?" bat Kiku ihn unter Tränen und versuchte sie mit den Handflächen von ihren Wangen zu wischen. "Wieso nicht? Wie soll man sonst zu dir sein, Nervensäge? Nett geht ja wohl kaum." Und wieder grinste er so unverschämt. So wie er es immer tat, wenn er wusste das er gewonnen hatte. "Wir kennen uns schon so lange. Hast du mich in der Zeit nicht einmal...lieb gehabt?" fragte sie. Vorsichtig, ganz vorsichtig öffnete sie ihm ihr Herz. "Ich?" Samui´s Augen wurden groß. Nach sekundenlanger Stille, fing er an gellend zu lachen. Es hallte im Hausflur und in Kiku´s Ohren. "Das ist ja köstlich." Wieder stieg die Wut in ihr hoch. Für kleine, winzige Momente fing sie an Samui zu hassen. Gerade eben hatte er ihr das Herz endgültig gebrochen. Wie konnte er sie nur auslachen, wo sie grade so verletzlich war. "Samui!" schrie Kiku scharf. Er verstummte schlagartig, so etwas war er von ihr nicht gewohnt. "Wieso lachst du? Weißt du wie weh das tut, wenn du mich auslachst?" Sie kam ein paar Stufen hoch, auf ihrer Stirn waren ein paar kleine Zornesfalten entstanden. "Ich kenne dich seit eineinhalb Jahren. Am ersten Tag, als ich dich sah, wurde mir abends vor dem einschlafen etwas klar. All die Zeit hat es Bestand gehabt. Gegen alles was du gesagt und getan hast." Sie kam noch ein paar Stufen weiter hoch und auf ihn zu. "Man lacht nicht über die Gefühle anderer." Ich hab mich immer hübsch gemacht bevor ich her kam. In der Hoffnung dich anzutreffen. Wenn du nicht da warst, war ich traurig und manchmal war ich es...wenn du da warst. Wieso erfüllte sich mein Traum nicht? Bin ich nicht hübsch genug? Nicht schlank genug? Nicht humorvoll oder abenteuerlustig genug? Was ist es Samui? "Ich kenne dich schon so lange, ich weiß soviel von dir. Du hast mir nie zugehört! Du weißt nichts von mir. Du hast immer nur anderen hinterhergesehen. Wieso?" fragte sie wütend. "Was? Was redest du?" Samui war sichtlich verwirrt, stieß sich von der Wand ab und verschränkte ablehnend die Arme vor dem Körper. "Warum sollte ich dir zuhören Nervensäge? Und wem sollte ich sonst nachsehen, dir?" "Ich hätte es mir gewünscht." entgegnete Kiku und überraschte Samui damit. "Aber nun ist es Zeit der Realität ins Auge zu sehen." Die Blonde sah ihn mit ihren tränengefüllten grünen Augen an. "Sag mir nur eins...Samui...wie ist mein Name." Er grinste. Obwohl ihm in diesem Moment eigentlich gar nicht danach war. Es schien mittlerweile schon fast automatisch zu funktionieren. "Öhm...Momoko? Miku? Hikari?!" Sie sah ihn traurig an. Ihr Gesichtausdruck hatte wieder etwas sanfteres. Sie wirkte im Dämmerlicht des Treppenhauses unnatürlich blass und ihre Augen glänzten matt. Die Traurigkeit frass sie von Innen heraus auf. Schleichend. Quälend Langsam. Das Wissen, aus ihrem Traum aufwachen zu müssen, war unaussprechlich grausam. "Vor eineinhalb Jahren, traf ich einen jungen Mann." begann das Mädchen leise und Samui musste sich sehr zusammen reißen um ihr nicht ins Wort zu fallen. Ihm lag bereits eine dumme Erwiderung auf den Lippen. "Mit braunen Haaren, die wie Seide sind und blauen Augen so strahlend wie das Meer. Obwohl er mich manchmal schlecht behandelt hat, gibt es auch Momente die sehr schön waren und die ich nicht missen will. Sein Gesicht sehe ich immer dann vor mir, wenn ich alleine bin und die drückende Einsamkeit fühle. Ich bin gern bei ihm, und ich wünschte er würde das fühlen. Ich wünschte er...wäre mein geworden. Aber das ist Wunschdenken. Nicht wahr, Samui?" Ihr Blick glitt von der Treppe ab und hinauf zu dem Brünetten, der sie irrtiert musterte. "Kiku..." Sie sah ihn an, lächelte milde und stieg die Stufen hinab bis zur Eingangstür des Wohnhauses. Es regnete noch immer so stark, wie zu dem Zeitpunkt ihres Auftauchens bei Sora. Langsam öffnete die junge Frau die Eingangstür und zog sie ins Innere hinein. Augenblicklich fing der stürmische, kalte Wind an, mit ihren blonden Haaren zu spielen. Eine blasse Laterne erhellte den Eingang. Kiku sah sich nocheinmal zu ihm um. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht und sie wischte sich ein weiteres Mal mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. "Samui." rief sie ihm zu. Ihr Lächeln wurde wärmer. "Ich liebe dich." Dann drehte sie sich um und ging, wohlwissend das Samui ihr lediglich hilflos hinterher sah. Er war völlig sprachlos und unfähig in diesem Moment etwas zu unternehmen. Der Brünette stand einfach nur da, reglos und starrte auf die sich langsam schließende Tür. ********************************************************************************* Am nächsten Morgen weckte Sora ihren Bruder mit, wie er fand, unnötiger Grausamkeit. Er sah dabei nicht die Tränen in den Augen der Jüngeren. "Was ist?" murrte Samui müde und versuchte sich die Bettdecke über den Kopf zu ziehen. "Kiku hatte einen Unfall letzte Nacht." entgegnete sie mit bebender Stimme und rüttelte erneut an ihrem Bruder. "Was?!" Sofort war der Brünette hell wach und sass kerzengerade im Bett. Sora wich erschrocken ein Stück zurück, ehe sie mit zitternden Lippen zu sprechen begann. "Sie ist tot." Die Jüngere schlug sich die Hände vor´s Gesicht und lief schluchzend aus seinem Zimmer. Samui bleib allein in seinem Zimmer zurück. Starr und reglos auf seinem Bett sitzend, fühlte er sich erneut wie in der letzten Nacht. So sprachlos und unfähig irgendetwas zu unternehmen. Er wollte weinen, konnte es aber nicht. Sie war tot. Das wollte bei ihm einfach nicht ankommen. Er begriff es nicht. Wollte es nicht begreifen. »"Ich liebe dich."« Sie drehte sich um und ging. Er hatte ihr Lächeln noch vor Augen. Ihre grünen strahlenden Augen. Gestern Abend, als sie ihm das sagte, war sie so schön wie nie zuvor und nie könnte sie schöner werden. Samui sah auf das Bild neben seinem Bett, seine kleine Schwester hatte es zum Glück nicht bemerkt. "Ich hätte es dir sagen sollen. Ich hätte den Moment nutzen müssen und es dir sagen sollen. Ich war ein Idiot." Er griff danach und lies seine Finger darüber fahren. "Vergib mir..." Eine Träne fiel auf das Glas, ran daran herunter und es sah aus, als ob Kiku an seiner statt weinen würde. "Es tut mir so leid." ********************************************************************************* An ihrem Grab stand Samui allein, alle anderen waren bereits gegangen. Der Wind zerrte an ihm, doch ignorierte der junge Mann das. Er legte einen Strauß nieder aus Herbstzeitlosen, Katanienblüten, Blaustern, Salbei und einer einzelnen roten Rose. Alle hatten eine bestimmte Bedeutung und zusammen ergaben sie das, was er ihr zu Lebzeiten nicht mehr hatte sagen können. Samui hockte sich hin und strich über den kalten Stein. "Ich liebe dich auch." flüsterte er leise und Tränen bedeckten sein Gesicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)