Zorro und Corneja von Mir_Rage (Sister, where are you?) ================================================================================ Kapitel 12: Erinnerungen ------------------------ Der eigenartige Mann stand vor der verlassen Wagenburg der Zigeuner. Aufmerksam hielt er Aus-schau nach möglichen Wachposten, dann schlich er sich näher und verschwand in den Wagen von Seniora Barbara. Lautes Gekrächze begrüßte ihn. „Ruhig, Pepito. Ich lass dich ja gleich aus dem Käfig. Hör’ mit dem lauten Gekrächze auf. Willst du, das uns die Soldaten erwischen.“ >Nicht da...ist nicht da...Urkunde...nicht da< krächzte die kleine Dohle und schlug aufgeregt mit den Flügeln. Endlich öffnete sich die Käfigtür und der schwarze Vogel flatterte auf die Schulter seines Befreiers. Der strich beruhigend über das weiche Gefieder. „Na du, haben sie dich wenigstens in Ruhe gelassen, mein Frecher!“ Urkunde...Urkunde...wo ist... verfluchte Urkunde< wiederholte der sprachbegabte Vogel. Rigoletto legte die Stirn in Falten. « Mit Urkunde kann doch nur... Natürlich, dahinter sind diese verfluchten Mistkerle her. Ich hätte es mir denken können.» fluchte Rigoletto innerlich. Der mysteriöse Fremde war niemand anderes als die verkleidete Leona. Sie hatte die Perücke, die sie üblicherweise über ihren blonden Haaren trug, abgenommen und ihre dunkle Hautfarbe mit etwas Mehl aufgehellt. Da sie ihre Stimme problemlos verstellen konnte, nahm ihr jeder den etwas schrägen und leicht hochnäsigen Rigoletto ab. So hatte sie schon oft problemlos herumschnüffeln können. « Wo kann Mutter diese verfluchte Urkunde nur versteckt haben? Wenn ich sie nicht finde, dann findet das Militär sie und mein einziger Trumpf ist dahin!» Leona stöberte in den Körben und Schachteln, die es in dem Wohnwagen zu Hauff gab. Aber die Urkunde war unauffindbar. Das Mädchen versuchte sich zu erinnern, wo ihrer Mutter sonst immer ihre wichtigen Dinge verwahrte, aber ihr wollte nichts einfallen. Da fiel ihr Blick auf Pepito, der mit dem Schnabel auf eine Holzdiele in der Wand pickte. Sie nahm den Vogel auf die Hand und tastete das Brett ab. Es fühlte sich lose an. Sollte etwa dahinter... Es war verräterisch still auf der Hacienda. Loena und ihre Halbgeschwister hatten sich immer noch zurückgezogen. Don Vega versuchte sich mit Arbeit abzulenken. Und Maria hantierten in der Küche. Doch auch ihre sonst gute Laune war getrübt. Daher empfing sie die beiden Heimkehrer äußerst frostig. „Da seid ihr Rumteiber ja wieder!“ fauchte sie und donnerte den Teig auf den Tisch. Mürrisch knete sie ihn durch und würdigte Diego und Bernard keines weiteren Blickes. „Was machen wir jetzt?“ fragte Bernard leise. „Abwarten!“ antwortete Diego ruhig. Sie verschwanden in seinem Zimmer. „Und niemand hat Verdacht geschöpft, Corneja?“ fragte Nico „Wofür hältst du mich? Natürlich nicht! Es war schon beinahe zu leicht. Hier deine Sachen, ich hoffe ich habe nichts vergessen!“ Leise um Kiara nicht zu wecken, packte Leona ihre Verkleidungen aus. Nico und sie trugen als „Krähengeschwister“ ähnliche Kleidung. Eine fast schwarze Lederhose, ein weites Hemd mit einer blutroten Schärpe, hohe Stiefel mit einem metallenen Absatz und einen breiten, reichverzierten Gürtel, an dem ihre Waffen baumelten. Leona besaß einen herrlichen Säbel, mit schmaler Klinge und aufwendig bearbeiteten Griff, der ihr optimal in der Hand lag. Außerdem trug sie immer eine Reihe kleiner Wurfdolche bei sich, welche die Form von Federn hatten. Zuletzt kam noch ihr Wurfseil mit einem Haken, dass Leona auch wie eine Peitsche führen konnte. Nico dagegen hatte es zur Angewohnheit gemacht, mit zwei armlangen Messern zu kämpfen, ganz in der Tradition der Zigeuner. Beide hatten noch allerlei weitere tödliche Überraschungen in den Ärmelfalten und den Stiefeln versteckt. Zum Schluss kamen noch ein weiter, schwarzer Hut mit einer roten Feder, ein schwarzer Umhang und ebenso schwarzer Handschuhe. Und natürlich die feuerrote Maske. Während Nico sich anschickte in seine Verkleidung zu schlüpfen, stand Leona untätig am Fenster und sah hinaus. Gedankenverloren spielte sie mit ihren schulterlangen Locken. „Was ist los? Hast du was?“ „Nichts! Nur Erinnerungen. Traurige Erinnerungen. Ich musste an Papa denken. Er hat mir immer gesagt, ich soll stets aufpassen das Mutters Wut nie überhand nimmt. Und irgendwie... denkst du, ich habe den richtigen Zeitpunkt verpasst um einzugreifen?“ Nico seufzte, dann hob er den Kopf und trat vor seine Stiefschwester. „Wir wussten doch beide, das deine Mutter irgendetwas im Schilde führte als wir in die neue Welt aufbrachen. Nur zu diesem Zeitpunkt hätten wir es abwenden können. Aber unsere Trauer hat uns beide gelähmt. Also, hör auf dir Vorwürfe deswegen zu machen! Was vergangen, ist Vergangenheit!“ Leona schwieg. Zu viele Dinge gingen ihr durch den Kopf. Allen voran das Bild! Das grauenhafte Bild des Exekutierplatzes in Granada. Sie hatte sich Nico’ s Warnungen zum Trotz in die Kaserne geschlichen und stand ihrem Ziehvater in seiner letzten Stunde bei. Und kaum hatten die Soldaten die Gewehre abgesetzt, ließ sie Pepito laut kreischend über den Hof fliegen. „Wisset das euch meine Rache eines Tages ereilen wird, egal wo ihr euch verkriechen werdet. Hört den Fluch der Corneja! Tot allen die Unschuldige meucheln und die Gerechtigkeit mit Füssen treten. Euer jüngster Tag wird kommen und ich werde euer Scharfrichter sein! Hört den Fluch der Corneja!“ So hatte sie damals vom Wachturm geschrieen, entfesselt vor Zorn und Trauer. Jene Worte hallten jetzt in ihrem Kopf wieder. Würde sie heute ihren Schwur erneuern müssen? Leona wand sich vom Fenster ab. „Ich muss noch mal weg!“ sagte sie kurz angebunden, dabei streifte sie ihre Perücke über. Im Spiegel sah ihr nun wieder das Zigeunermädchen entgegen. „Wohin?“ „Meine Sache!“ Damit schloss sie die Tür. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)