Zorro und Corneja von Mir_Rage (Sister, where are you?) ================================================================================ Kapitel 3: Schatten der Vergangenheit ------------------------------------- Diego hatte sich immer für einen guten Sprinter gehalten, aber dieses Zigeunermädchen wies ihn gnadenlos in die Schranken. Der Abstand zwischen ihnen wurde immer größer. Mit der Ausdauer eines Pferdes jagte das Mädchen die Straße entlang. Das sie ihr Schultertuch verlor, kümmerte sie nicht weiter. „Jetzt warte doch!“ rief er ihr nach. „Ich will doch nur mit dir reden!“ Aber sie schien ihn zu ignorieren. Schließlich verlor er sie hinter einer Wegbiegung. Keuchend blieb er stehen, die Hände auf die Schenkel gestützt. „Verdammt!“ Als er sich wieder aufrichtete fiel ihm ein wo er das Mädchen sicher wieder finden würde. Wenig später stand er wieder vor dem Zirkuszelt. Er hielt Ausschau nach dem Mädchen mit den Zöpfen. Sie saß im Schatten eines Wagens und rangelte mit einem kleinen Welpen, der auf ihrem Schoß saß. „Hallo, kennst du mich noch?“ sprach er sie an. „Ja klar, heute Vormittag, stimmt’ s? Doch ein Horoskop?“ fragte sie lachend. „Nein, aber ich muss etwas wissen. Bei euch lebt doch ein Mädchen mit Namen Loena, oder?“ „Ja natürlich, das ist meine große Schwester!“ nickte die Kleine. „Hast du sie gesehen? Ist sie da?“ „Weiß nicht! Vielleicht ist sie hinten bei Mama! Komm’, ich zeig’ s dir!“ Sie ergriff Diego’ s Hand und zog ihn hinter sich her. Es ging quer zwischen den kleineren Zelten und Wagen hin durch. „Wie heißt du eigentlich?“ „Kiara!“ antwortete die Kleine und lachte. Schließlich kam sie zu einem Wagen mit leuchtend roten Dach und blauen Wänden mit gelben Sternen. „Warte kurz! Ich schau’ mal!“ Kiara verschwand hinter einem Perlenvorhang. Kurz darauf kam sie in Begleitung einer älteren Frau heraus. Die Frau war sicher Ende Vierzig, hatte bereits dicke graue Strähnen im schwarzbraunen lockigen Haar, das ihr lose über die Schultern hing und bis zur Hüfte reichte. Einige Falten im Gesicht ließen sie sehr streng wirken. Misstrauisch beäugte die Zigeunerin Diego von oben bis unten. „Was willst du von meiner Tochter?“ Ihre Stimme war so streng wie ihr Gesicht. „Nicht was sie denken. Ich muss nur mit ihr reden.“ beschwichtigte Diego die Frau, doch die fuhr mit scharfen Stimme fort: „Sie kann nicht reden! Wenn du etwas zu reden hast, dann mit mir!“ „Sind sie... Barbara?“ fragte Diego vorsichtig. Die Frau schnaubte und meinte dann herablassend: „Wenn schon, dann „Seniora Barbara Garíca Alvarez“, Bursche. Und wer bist du?“ „Ich...? Don Diego Vega.“ Die Frau zog erschrocken die Luft ein. „Don Alejandro Vega’s Sohn?“ fragte sie. „Sie kennen also meinen Vater?“ Seniora Barbara schwieg und knurrte dann: „Ja, leider!“ Damit verschwand sie wieder im Wagen. Diego blieb verunsichert stehen. „So habe ich Mama Barbara noch nie erlebt! Normalerweise ist sie zu allen freundlich.“ versuchte Kiara zu erklären. „Aber wenn du mit Loena reden willst, ich hab noch eine Idee wo sie sein könnte.“ Wieder zog sie ihn hinter sich her. Etwas außerhalb der Stadt hatte die Zigeunergruppe ihre Pferde auf eine Wiese gebracht. Pferde aller Couleur tummelten sich hier. Große schlanke, kleine stämmige, kräftige Kaltblüter und rassige Andalusier. „Bei euch gibt es wohl nichts was es nicht gibt!“ rief Diego, als ein leuchtender Schimmel, der ihn entfernt an Viento erinnerte, an den beiden vorbei galoppierte. „Die Pferde sind unser aller Stolz!“ erklärte Kiara und hob suchend den Kopf „Aha wusste ich’ s doch! Dahinten ist Leona, bei Brìos ihrem Pferd. Da geht sie immer hin, wenn sie Streit mit Mama hat.“ Tatsächlich stand die Gesuchte neben einem herrlichen Palomino Hengst. Seine hellen Hufe scharrten im Staub, der leuchtend weißgelbe Schweif zischte hin und her. Leona hatte sich an seinen Hals gelehnt und streichelte ihn gedankenversunken. „Loena! He Loena!“ Kiara lief fröhlich auf sie zu. Leona wandte ihnen den Kopf zu und zuckte sofort wieder zusammen. Bestimmt wäre sie wieder davon gerannt, doch Kiara hatte sich bereits lachend an sie gehängt und plapperte munter drauflos. „Was ist denn los mit dir?“ fragte die Kleine verwundert, als sich Loena aus ihrem Griff herauswand. „Ich glaube sie hat Angst. Das musst du aber nicht. Ich will nur mit dir reden, Loena. Ehrlich!“ versuchte Diego sie zu beruhigen. In ihren Augen lag immer noch Panik und Furcht. „Ich weiß zwar nicht was mein Vater mit deiner Mutter zu tun hatte, aber ihre Reaktionen lässt auf keine guten Erinnerungen schließen.“ „Allerdings!“ antwortete Diego eine andere Stimme. Hinter ihm war ein junger Bursche etwa in seinem Alter auf getaucht und musterte ihn argwöhnisch. Diego hatte ihn erst bemerkt als er sprach, was bedeutete das er über eine exzel-lente Körperbeherrschung verfügte. Nur wenige konnten sich so einfach an ihn heran schleichen. „Nico, du bist’ s! Wo hast du solange gesteckt?“ rief Kiara dem Fremden zu. Diego fiel auf, das Kiara und er beinahe identische Gesichtszüge und dieselben tiefschwarzen Haare hatten. Die beiden waren auf jeden Fall Bruder und Schwester, Leona hingegen kam deutlich mehr nach ihrer Mutter. Jedoch war sie die einzige mit blauen Augen. Seniora Barbara, Kiara und ihr Bruder Nico hatten feurig- braune. Seltsam! „Ich musste arbeiten, Nena. Was will der von Loena?“ Nico war augenscheinlich genauso misstrauisch wie seine Mutter. Statt Kiara antwortet Loena, indem sie in die Hände klatschte und dann ein paar seltsame Handzeichen machte. Anscheinend beruhigten diese Nico, denn der junge Mann nickte nur kurz und kehrte Diego den Rücken zu. „Was ist los, Große?“ wollte Kiara wissen und Loena gab ihr ebenfalls Hand-zeichen. „Ich soll gehen? Aber warum?“ Ein strenger Blick, ein energisches Kopfdeuten und Kiara wusste, dass sie sich trollen musste. Schmollend zog sie eine Schnute und gesellte sich zu ihrem Bruder, der begonnen hatten einen Fuchs-farbenen zu striegeln. Leona sah ihr nach dann drehte sie sich zu Diego. Unsicher sahen sich die beiden an. „Du musst dir keine Vorwürfe wegen vorhin machen, Leona. Das war nicht deine Schuld. Mein Vater ist nur erschrocken. Es stimmt schon, du siehst deiner Mutter ähnlich.“ begann Diego langsam. Eigentlich wusste er gar nicht was er zu ihr sagen sollte. Er hatte bis zu heutigen Tag nie etwas von der Bekanntschaft seines Vaters gewusst. Was sollte er also sagen? „Bitte, versteh mich nicht falsch. Aber weißt du warum deine Mutter so schlecht auf meinen Vater zu sprechen ist?“ Leona nickte und seufzte dann. Es war der erste Laut den sie bisher von sich gegeben hatte, wahrscheinlich auch ihr einziger. Sie zog ihr schwarzes Hand-buch aus der Tasche und begann zu schreiben. Als sie den Stift senkte, verhar-rte sie noch einen Augenblick. Ihre Augen ruhten auf Diego, so als suche sie etwas in ihm. Verlegen versuchte er ihr aufmunternd zu zulächeln. Schließlich atmete Leona tief ein und drehte langsam die Seite... „Aiiii! Kommt schnell! Soldaten reißen unser Zelt ein!“ Ein Zigeunerjunge kam lautrufend auf die Wiese gestürmt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)