Au Clair de la Lune von QueenLuna ================================================================================ Kapitel 3: L'invitation ----------------------- Chapitre III L'invitation (Einladung) Herbst 1758 Wieder raschelte es. Und das kam nicht nur von den herum wehenden Blättern, die von draußen gegen die Fenster flogen. Kleine schwarze Tiere bewegten sich durch die Nacht, über die Wipfel des Waldes. Fledermäuse... Juka starrte hinaus durch die Glasscheibe in das bewölkte Dunkel. Bald würden sie hier sein. Hier in diesem Haus, in dem Mana und er seit einem guten halben Jahr lebten. Es war nicht mehr viel Zeit. Juka wandte sich ab und verließ das Zimmer. Vor Manas Tür angelangt, trat er nach kurzem Zögern ein. Die Vorhänge vor dem geöffneten Fenster bewegten sich leicht im Nachtwind. Wie erwartet lag Mana im Bett, schlafend. Bevor Juka sich aufs Bett setzte, schloss er leise die Fenster. Lächelnd betrachtete Juka diesen Engel, der ihm damals ohne Nachfrage gestattet hatte, hier zu bleiben und noch nicht einmal die angebotenen Dienste annahm. Er stellte keine Fragen, nie wohin Juka manchmal so schnell verschwand oder warum er nicht aß. Er blickte ihn einfach immer nur ausdruckslos an, wenn er wieder einmal des Nachts auf der großen Treppe saß, wartend darauf, dass der Größere zurückkäme. Dann stand der Kleinere schweigend auf und ging in sein Zimmer. Es war wie ein Ritual für sie beide. Der Ältere streckte dabei die Hand aus, um Mana vorsichtig eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. Der Schlafende strahlte eine tiefe innere Ruhe aus, die Juka in seinem Inneren berührte. Seufzend stand er auf und sah ein letztes Mal auf die Schönheit im Bett. Sein Blick blieb an dessen hellen Hals hängen. Blut! Mit Mühe riss er sich von diesem verlockenden Anblick los. Nein, es würde nichts bringen. Er hatte es schon einmal versucht, Herr über diesen Hals zu werden. Und genau dafür hasste er sich. Wie war es nur dazu gekommen, dass er fast seinen Schwur gebrochen hätte, wie eine Bestie im puren Blutrausch über einen Unschuldigen hergefallen wäre? Das Einzige, was ihn wiedererweckt hatte, war eine unsichtbare Mauer, die sich genau im richtigen Moment schützend um das Opfer gelegt hatte. Und das war definitiv gut gewesen, denn verziehen hätte er sich nie, wenn der Schwarzhaarige durch ihn gestorben wäre. Oder wenn er durch diese Dummheit sein wahres Gesicht Mana verraten hätte. Juka verließ das Zimmer und ging hinunter in die Eingangshalle. Dort standen sie. Schwarzgekleidete Gestalten, die zu ihm blickten - seine Anhänger. Er ließ seinen Blick über die Runde gleiten, die sich höflich vor ihm verbeugte. Juka trat an ihnen vorbei, ging zielsicher in Richtung des großen Saals hinter der Eingangshalle. Die Anderen folgten ihm durch den Gang, vorbei an der kleinen Küche. Sei betraten den großen Raum, in dessen Mitte ein langer Tisch stand und an dem die ein Dutzend Personen Platz nahmen. Hinter Juka, an einem Ende des Tisches flackerten Kerzen auf und tauchten den Saal in dämmriges Licht. Es hatte wieder begonnen - die Versammlung der Einen. Nach einem Moment des Schweigens stand einer der Versammelten auf und richtete das Wort an Juka. „Juka-Sama… Es gibt neues zu berichten… von Ukashi.“ Er unterbrach sich kurz, bevor er weitersprach. „Wie einige von uns zu erzählen wussten, planen sie vermutlich etwas Großes. Bisher waren es nur einzelne Übergriffe, aber das scheint für ihren Blutdurst nicht mehr zu reichen.“ Juka sah ernst auf. „Das Dorf?“ Der Andere nickte stumm. Dann fragte er: „Was gedenken Sie zu tun?“ „Ich weiß es nicht... Wir werden es kaum verhindern können. Es gibt zu viele.“ Während er sprach, entstand erregtes Gemurmel. Ein Anderer ergriff das Wort. „Aber wir können es doch nicht einfach zulassen! Niemand würde überleben... Sie hassen sie doch!“ „Ich kenne die Umstände. Aber genauso, wie Ukashi und sein Gefolge die Menschen hassen, verachten sie uns. Sie haben sich abgewandt. Es ist nicht mehr wie früher... Sie haben sich von uns getrennt. Es existiert nur noch eine Mauer zwischen uns. Sie würden nie auf das hören, was wir ihnen zu sagen haben.“ Juka schwieg kurz, ehe er fortfuhr. „Das Einzige, was möglich wäre... Man könnte versuchen die Dörfler zu warnen. Allerdings bezweifle ich stark, dass sie dieser Warnung Folge leisten würden, besonders wenn herauskommt, von wem sie kommt.“ Er lachte kurz und humorlos auf. „Sie würden uns töten, Juka-Sama?“ „Genau, so ist es. Jedenfalls würden sie es versuchen. Außerdem laufen wir Gefahr, Ukashis Häschern in die Arme zu laufen. Es ist ihnen schließlich egal, woher sie ihre Nahrung bekommen... Obwohl sie uns wahrscheinlich nur töten würden, da sie uns nicht aussaugen können.“ Die Worte blieben im Raum stehen. Nach einer Weile stand Juka auf und mit ihm die restlichen Versammelten. Das Treffen war beendet. Jukas Augen folgten die letzten Fledermäuse, die soeben in der Ferne mit der Schwärze der Nacht verschmolzen. Nur noch das weit entfernte Rauschen von Flügeln war zu vernehmen, wobei es auch vom Wald stammen könnte. Ein Räuspern drang an sein Ohr. „Juka-Sama?“ „Ja, Saka?“ Langsam drehte er sich zu dem Kleineren um. „Ich wollte vorhin nicht vor den Anderen fragen, allerdings stellte sich für mich die Frage, was aus...“ Der Andere verstummte. „... was aus demjenigen geworden ist, der es vor einem halben Jahr gewagt hatte, hierher zu kommen?“, vollendete Juka den Satz. „Ja. Es interessiert mich. Denn ich habe einen fremden Geruch in diesem Haus wahrgenommen und wollte die Anderen nicht darauf aufmerksam machen.“ „Danke. Du hast Recht. Dieser Jemand ist noch hier. Aber mehr brauchst du nicht zu wissen“, fügte Juka noch hinzu, als Saka den Mund öffnen wollte, um etwas zu sagen. Ein stummes Nicken folgte. Plötzlich erschall hinter ihnen ein Geräusch. „Juka?“ Erschrocken fuhren beide herum, wobei Sakas Erscheinungsbild kurz verschwamm, dann wieder klar wurde. Am oberen Treppenabsatz stand Mana, lediglich in ein dünnes Schlafgewand gehüllt und blickte auf sie hinab. Der Angesprochene fasste sich schnell, lächelte sanft zu Mana hinauf, obwohl sein Inneres aufgewirbelt war. Wie viel hatte der andere mitbekommen? „Mana, du bist wach…“, stellte er stattdessen fest. „Das Geräusch der Tür hat mich geweckt.“ Dabei sah er zur Eingangstür und schaute dann direkt zu Saka, welcher erschrocken zurückzuckte. Als Juka dem Manas Blick folgte, schluckte er. Was sollte er auf diese stumme Frage antworten? „Das ist... ein Bekannter von mir. Er ist auf Durchreise und wollte uns so eben verlassen.“ Bei diesen Worten ruckte Sakas Kopf in Jukas Richtung, sah ihn überrascht an. Doch schien dies Mana nicht zu interessieren, denn er hatte sich schon zum Gehen gewandt und war um die Ecke zu seinem Zimmer verschwunden. Wenige Augenblicke später fiel die Tür hörbar ins Schloss. „Schlaf gut... Mana“, flüsterte Juka mehr zu sich selbst. Stille senkte sich über die beiden Zurückgelassenen, bis sie irgendwann verdaut hatten, was gerade passiert war. „Was sollte das???!!!“ Saka fuhr zu seinem Herrn herum. „Wieso konnte er mich sehen? Das kann nicht sein! Das kann kein Mensch sein!!!!“ Er klang schon fast hysterisch. Beruhigend hob der Größere die Hand, letztendlich hatte sich der Jüngere dann wieder vom Schock erholt. „Saka. Genau das ist einer der Gründe, warum ich hierbleibe und mit ihm zusammenwohne, denn das Haus gehört ihm. Diese Macht Sachen geschehen zu lassen, die wir erwarten - es ist schon faszinierend. Wir haben ihn beide nicht kommen spüren…“ Saka schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich werde jetzt besser gehen, Juka-Sama, bevor die Anderen Verdacht schöpfen. Ich glaube, das wäre wirklich nicht gut…. Und ich werde schweigen“, fügte er leicht lächelnd hinzu, bevor er sich zum Gehen wandte. „Gut… das habe ich auch nicht anders erwartet. Ach und Saka…?“ „Ja, Juka-Sama?“ „Haltet euch in nächster Zeit bereit. Schließlich wissen wir nicht genau, ob unsere Befürchtungen eintreten.“ Einen Wimpernschlag später war der Jüngere verschwunden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Dumpfe Schläge hallten in der Eingangshalle wider. Mana warf sich schnell einen Mantel drüber, bevor er die Treppe hinuntereilte, um die Eingangstür aufzuschließen. Er blickte in ein grimmiges, bärtiges Gesicht. „Sie wünschen?“ Der Mann sah ihn an und rang sich ein schiefes Lächeln ab. „Wir kenn‘ uns noch nicht…“ Er wartete auf eine Bestätigung, aber als diese nicht kam, fuhr er fort. „Wir warn schon einige Male hier, aber jedes Mal schein‘ Sie nicht da gewesen zu sein, denn immer hat Ihr… äh… Mitbewohner geöffnet.“ „Das kann schon sein…“ Desinteresse schwang in der Stimme des Schwarzhaarigen mit. Plötzlich wurde ihm eine Hand entgegengehalten, die Mana nur verständnislos musterte. „Schön Sie kennen zulernen.“ Mana sah ihn weiter nur ausdruckslos, machte keine Anstalten die Hand anzunehmen, woraufhin der Ältere sie wieder sinken ließ. „Was wollen Sie? Ich habe wenig Zeit.“ Während der Herr des Hauses sprach, gewahrte er eine sachte Bewegung aus den Augenwinkeln. Allerdings schenkte er ihr keine weitere Beachtung. Der Dörfler versuchte derweilen einen Blick ins Innere des Hauses zu werfen, aber aufgrund Manas kalten Blick, der auf ihn ruhte, schnell inne. Ein Stottern folgte. „Wir…das Dorf…nein…im Dorf…“ Der Bärtige seufzte schließlich und holte noch einmal Luft, um endlich sein eigentliches Anliegen vortragen zu können und das in ordentlicher Form. „Also, im Dorf wird in zwei Tagen n Fest stattfindn und wir würdn uns freun, wenn Sie komm‘ würdn und – “ „Ich werde es mir überlegen“, unterbrach Mana die Rede wenig höflich und schloss die Tür, ohne auf weitere Erklärungen zu warten. Er hatte Kopfschmerzen von dieser nervigen Kratzstimme des Bärtigen bekommen und der kalte Schweißgeruch hing ihm noch in der Nase. Widerlich. Er wandte sich zur Treppe um, wo, wie erwartet, Juka lässig am Geländer lehnte. Überrascht war Mana nicht, dass Juka erneut einfach so aus dem Nichts aufgetaucht war. Mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt, wie laut los der Andere sein konnte. „Was wollte er?“ Mana trat auf den Größeren zu, bevor er antwortete: „Es gibt bald ein Fest im Dorf…“ „Und? Willst du hingehen?“ Mana zögerte und blickte Juka in die Augen. „Ich weiß nicht…“ Ein Schmerz durchzuckte urplötzlich Manas Kopf und er zog scharf die Luft ein. „Was ist?“ Jukas besorgte Stimme streifte ganz nah sein Ohr, genau wie dessen Hand über seine Wange strich. „Lass das! Ich habe Kopfschmerzen“, fuhr ihn der Kleinere an, was allerdings nur von einem Lächeln quittiert wurde. „Siehst du… ein Grund mehr, dort nicht hinzugehen. Außerdem würde es dir nicht bekommen. Es ist etwas… sagen wir … barbarisch, wie sie die Schweine schlachten. Sie brüllen rum und lassen sich gehen. Glaub mir, es würde dir nicht gefallen.“ Mana machte sich von ihm los und ging langsam die Treppe hoch. „Mag sein… Ich werde mich eine Weile hinlegen. Weck mich heute Abend.“ Mit diesen Worten war er um die Ecke verschwunden. Juka seufzte. Irgendetwas beunruhigte ihn und das war auch der Grund gewesen, warum er nicht wollte, dass Mana dorthin ging. Etwas würde geschehen, schon sehr bald. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)