Der Bluterbe (Tanz der Vampire FF) von namenlos (Wie schon der Titel sagt, ne FF zu Tanz der Vampire mit Herbert als Schwerpunkt ^^) ================================================================================ Kapitel 2: Liebe, Trauer und Gedichte ------------------------------------- ~Alles bis zum Ende des Films hab ich jetzt mal in ein abgeschlossenes Kapitel gepackt. Ich freue mich, dass es da draußen noch Leute gibt, die die Geschichte lesen. :) Wie gesagt, ich versuch regelmäßig zu updaten. Weil ich nicht jeden Beistrich einezln hochlade, kann es natürlich auch mal ein, zwei Monate dauern, bis was Neues kommt - dafür kommt dann aber viel.~ Herbert landete langsam am Boden, im kalten Schnee. „Ich werde dich also nie wieder sehen, liebster Alfred.“ Er kauerte sich zusammen und schluchzte. „Wie kannst du mir das antun? Was soll ich ohne dich machen – all die Jahrhunderte – alleine?“ Dass sein Körper mittlerweile schon so kalt war, dass er sich schwer tat, seine Gelenke zu bewegen, das wusste er und es war ihm egal – so egal, dass er vielleicht sogar draußen gesessen wäre, bis die Sonne aufging. Und Herbert schluchzte weiter. „Mein ganzes Leben ist … ist so sinnlos … ohne dich, Alfred. Warum bist du weg?“ Herbert hob den Kopf und starrte mit gläsernen Augen den Sternenhimmel an. „Warum bist du einfach so schnell weg? Was soll ich tun … du bist weg … einfach weg, fort, futsch, nicht mehr da. Ich vermisse dich so, ich liebe dich ja so sehr, das kannst du dir gar nicht vorstellen, das…“ Herbert stockte. Was sah er da am Himmel? „Es ist doch ein Ball. Und wir sind alle eingeladen worden, also komm! Zier dich nicht so und flieg endlich selber!“, hörte er eine leicht wütende Frauenstimme. War das diese Chagal? „Aber ich hab Höhenangst und … und wer weiß, ob ich überhaupt fliegen kann?!“ Herbert sah auf. Das war doch Alfred! Ganz sicher! „Doch, natürlich kannst du fliegen. Alle Vampire können fliegen. Das ist ohne Zweifel. Du weißt ja laut meinen Studien…“ Das musste der Professor sein. Dieser landete auch gerade im Hof – zwar nicht gerade professionell, aber doch irgendwie. „Guten Tag, werter Graf!“, begrüßte der Professor Herbert, „Ich glaube wir sind ja jetzt glücklicherweise auf derselben Seite.“ „Das … äh … freut mich“, antwortete Herbert etwas geistesabwesend. Die Drei kamen zurück - geflogen, also waren sie wohl jetzt Vampire, also musste es wohl so gewesen sein, dass diese Chagal... „Also, diese Chagal hat Sie gebissen?“, erkundigte er sich nun verwirrt, da er irgendwie den Durchblick verloren hatte. „Ja, so ist es!“, bestätigte der Professor, „ich wusste nicht, dass sie schon ein Vampir war. Dann noch einen schönen Abend!“ Langsam stapfte der Professor also ins Schloss. Seltsamer Greis, wirklich seltsam. Da bekämpfte er Vampire für wer-weiß-wie-lang und jetzt, selber als Vampir, wirkte er so ruhig, so gut gelaunt... Herbert beschloss sich nicht weiter den Gedanken an den Professor zu widmen und blickte zu Alfred und Sarah auf. „Ich schleppe dich sicher nicht bis zum Schloss!“, rief Sarah außer Puste. Sie hielt Alfred am Hemdkragen und flog so schnell wie möglich Richtung Schloss, was mit Alfred ziemlich langsam ging. „Also entweder du fliegst allein, oder ich lasse los! Das ist mein voller Ernst!“, warnte sie ihn, doch Alfred bat sie mit den Händen vor den Augen, das bitte nicht zu tun. „Versuch es wenigstens, Alfred!“, bat Sarah ihn. „Ich kann nicht fliegen, nein…“, redete Alfred sich ein. „Doch, alle Vampire können fliegen und selbst wenn du abstürzt, du kannst auch nicht sterben!“, erklärte ihm Sarah, „aber das musst du ja selber besser wissen.“ „Na ja, theoretisch, aber praktisch…“ Doch Sarah hatte ihn bereits losgelassen und flog Richtung Schloss. Alfred, der sich im Fallen befand, schrie anstatt zu fliegen um Hilfe. Blitzschnell flog Herbert auf Alfred zu, um ihn zu „retten“. „Ich trage dich gerne bis zum Schloss“, säuselte Herbert lieblich. Doch Alfred schien nicht gerade begeistert. Verzweifelt versuchte er sich von Herbert zu befreien. „Mon chéri, wir sind in zehn Meter Höhe. Ich habe gedacht, du kannst nicht fliegen?“ Alfred hörte kurz auf sich zu wehren und blickte nach unten. Dann sah er ängstlich zu Herbert und fragte: „Kann ich fliegen?“ Doch der Angesprochene dachte nicht einmal daran, darauf zu antworten. Natürlich konnten alle Vampire fliegen. Aber wozu Alfred unnötigerweise auch noch Selbstvertrauen geben? Also lächelte Herbert nur. Alfred blickte sehr verwirrt. „Ja, aber…“, stotterte Alfred und wusste nicht weiter. Doch dann schien er entschlossen. „Der Professor hat gesagt, dass alle Vampire fliegen können, also lass mich los!!!“ Doch Herbert wollte ihn nicht loslassen – er hielt Alfred fest umklammert. Dieser lehnte sich jedoch so von Herbert weg, dass dieser das Gleichgewicht verlor und mit Alfred nach vorne kippte. Irgendwie schaffte es Alfred nun wegzufliegen – Richtung Schloss. Herbert folgte ihm natürlich. Eigentlich hätte er Alfred ja locker einholen müssen, doch dieser flog einfach mit rasender Geschwindigkeit zum Schloss ohne ans Lenken zu denken. Daraus folgte leider, dass er wortwörtlich mit dem Kopf durch die Wand – oder eher durchs Fenster – zu fliegen versuchte und da es Herbert offen gelassen hatte auch nichts zu Bruch kam. (Wäre Alfred ein Mensch gewesen, hätte er sich dabei sicher so einige Knochen gebrochen, aber er war ja nun ein Vampir… zum Glück) Im Ballsaal bremste sich Herbert dann ebenfalls ab, schloss das Fenster und ging auf Alfred-Suche. Dieser war jedoch schon bei Sarah, die ihn ein wenig beruhigte, da Alfred seelisch total fertig war. Herbert seufzte, während sich die meisten umherstehenden Gäste gut amüsierten. Was war denn an dieser Chagal so besonders? Er wäre doch sicher ein genauso guter Liebhaber wie sie… Doch Alfred war da irgendwie anderer Meinung. Warum? Herbert spürte, wie eine Hand sich von hinten auf seine Schulter legte. Schnell drehte er sich um. „Papa!“, freute er sich, „geht’s dir schon besser?“ Breda nickte. „Ich habe mich schon praktisch ganz erholt“, gab er dann als Antwort. „Geht es dir auch schon wieder besser? Du siehst irgendwie traurig aus…“ Herbert sah zu Boden. „Na ja … Alfred hat sich nicht wirklich verändert, er mag noch immer diese Chagal…“ Breda streichelte seinem Sohn über die Schulter. „Liebeskummer geht vorbei, mein Junge. Ist es dir nicht lieber, wenn er da ist, eben nicht dir zugetan, als wenn er fort ist … ganz weit weg, oder gar tot…“ Herbert musste an seine Mutter denken. Sie war ja auch gestorben. „Genieße den heutigen Abend und freue dich, dass Alfred überhaupt da ist. Bedenke, dass du ihn dann ein ganzes Jahr lang nicht mehr siehst … okay?“ Herbert seufzte, nickte aber dann. „Ich werde es versuchen, Papa…“ Die Nacht war wirklich schön. Herbert konnte sogar einmal kurz mit Alfred tanzen. Nur irgendwie war es Herbert ungewohnt so viele Leute um sich zu haben. Und irgendwie wurde es ihm dann ein wenig zu viel Trubel. Außerdem war das Tanzen auch etwas anstrengend und das Fliegen vorher sowieso… Herbert gähnte und streckte sich. Er war in seinem Sarg – es war natürlich Nacht, aber welche? – und Koukol hatte ihm anscheinend den Deckel heruntergenommen. Sein Vater war vermutlich schon irgendwo anders, da sein Sarg leer stand und Breda nicht mehr in der Gruft war. Herbert gähnte noch einmal herzhaft und stieg dann aus dem Sarg. Er trug noch immer sein Gewand für den Ball. Herbert überlegte. Anscheinend war er auf der Feier so müde geworden, dass er eingeschlafen war. Also machte er sich zuerst einmal auf den Weg in sein Zimmer und zog sich um. Irgendwas Bequemes, aber doch Elegantes sollte es sein. Sein Ballgewand war nämlich durch die Tatsache, dass er darin unbeabsichtigt geschlafen hatte, so zerknittert, dass es wirklich nicht mehr schön aussah. Vielleicht konnte Koukol es ihm ein wenig bügeln, vielleicht. Gemächlich schlenderte er durchs Haus, um seinen Vater zu suchen. Nach kurzer Zeit hatte er ihn auch schon gefunden – in der Bibliothek. Aber wer war da bei ihm? Der Professor. Da konnte Alfred doch nicht weit sein, oder? „Ah, Herbert! Da bist du ja, mein Junge! Hast du gut geschlafen?“, fragte Breda, als er seinen Sohn bemerkte. Herbert nickte und kam auf seinen Vater zu. Doch sein Blick galt dem Professor. „Sie bleiben hier?“, wunderte Herbert sich. Der Professor blickte von einem Buch auf. „Ah, der junge Graf von Krolock?“ Herbert musste in wenig lachen. Eigentlich nannte ihn keiner „Graf von Krolock“, das sagten die meisten nur zu seinem Vater. „Ja“, antwortete Herbert, „aber warum sind Sie noch da … ich meine … äh … nicht, dass es mich stören wurde, aber mich würde es halt interessieren…“ „Ach, wissen Sie, da ich ja nun dieselben Interessen wie Ihr Vater vertrete, bleibe ich hier und unterstütze ihn mit meinem Wissen. Außerdem habe ich dann endlich einen Gesprächspartner, der mich versteht“, erklärte er und sah kurz zu Breda, „meine so genannten „Kollegen“ aus Königsberg haben mich für etwas verrückt gehalten…“ „Aha.“ Herbert lächelte. „Und Ihr Assistent, Alfred?“ Der Professor schien nachdenklich. „Ach … äh … Moment, ich bin mir sicher, dass er’s mir gesagt hat…“ Doch dann schien er sich wieder zu erinnern. „Ach ja! Er ist mit Sarah nach Königsberg gezogen.“ Herbert wurde blass, noch weißer als sein Gesicht normalerweise war. „Mit Sarah?“, fragte er nach. „Ja, wissen Sie, die beiden haben sich recht gern, vielleicht werden sie sogar bald heiraten. Aber ich weiß leider noch nichts Konkretes. Doch wenn ich etwas erfahre, kann ich es Ihnen gerne sagen.“ Der Professor schien recht froh, während Herbert wie zur Salzsäule erstarrt dastand und fast nach hinten gekippt wäre. Dann ließ er noch ein leises „Danke…“ hören und wankte dann möglichst normal wieder aus der Bibliothek. Breda blickte seinem Sohn nach und bemerkte nichts. Als Herbert jedoch draußen war, erklärte Breda: „Ich glaube, meinem Sohn geht es nicht so gut. Ich werde kurz nach ihm sehen. In Ordnung, Abronsius?“ Der Professor nickte. Doch bevor er Breda noch fragen konnte, was mit Herbert denn bloß los war, war dieser schon weg. Schnell eilte der Graf dorthin, wo Herbert sich immer verkroch, wenn er traurig war: In seinem Zimmer, in seinem Himmelbett liegend… Die Tür ging auf. „Bist es du, Papa?“, fragte Herbert mit zittriger Stimme. „Ja“, antwortete Breda und zog seinem Sohn vorsichtig die Decke vom Kopf. Dann nahm er ihn liebevoll in seinen Arm. „Wie geht’s dir?“, fragte Breda. Herbert schüttelte nur den Kopf. „Das geht vorüber, mein Sohn. Du weißt doch noch, als du dich in Joseph verguckt hast. Diese Trauer ist auch vergangen…“ „Du verstehst das nicht, Papa. Ich bin nicht nur ein wenig verliebt, so wie bei Joseph, Alfred hat es mir wirklich zugetan! Ich bin vernarrt in ihn.“ Breda strich seinem Sohn liebevoll über den Kopf. „Was hast du eigentlich noch vor in deinem ewigen Leben?“, wechselte er das Thema, da er wusste, dass Herbert Alfred nie aufgeben würde. Herbert schien nachdenklich. „Weiß nicht… warum fragst du?“, erkundigte er sich dann. „Na ja … weißt du mein Junge…“ Breda wusste irgendwie nicht wie er dieses Thema angehen sollte. „Tja, ich … ich … äh … glaube, dass nicht sonderlich viele Leute so wie du denken.“ „Was meinst du?“ „Ich will dir ja nicht zu nahe treten, Herbert … aber ich glaube nicht, dass es sonderlich viele Männer gibt, die ihresgleichen lieben. Ich glaube nicht, dass du sehr viel Erfolg haben wirst, wenn du…“ Herbert seufzte. „Du willst, dass ich mich in eine Frau verliebe, oder?“, fragte er seinen Vater ohne Umschweife. „Mein Junge, verstehe mich nicht falsch, aber…“ „Papa, mir tut es Leid, aber ich kann das nicht!“, protestierte Herbert sofort, versuchte aber eine normale Stimme zu behalten, „oder soll ich dir sagen, dass du dich in einen Mann verlieben sollst?“ „Nein Herbert. Schau, du bist mein einziger Sohn und ich liebe dich über alles. Ich will dir nicht dein Leben verderben, glaub mir!“, erklärte er und drückte Herbert fest an sich, „egal, was kommt, ich werde dich immer lieben.“ „Danke, Papa…“ „Aber falls der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte, dass du dich versehentlich in eine Frau verliebst, dann wäre mir das noch lieber.“ Herbert musste ein wenig lachen, da sein Vater das so lustig betonte. Dann fuhr Breda fort: „Und weißt du eigentlich, wie wichtig es ist, dass wir einen Nachfolger haben … ich meine, wer soll das Schloss nach dir leiten?“ „Keine Angst Papa, ich lebe ewig!“ „Ja, aber was ist, wenn dir etwas zustoßen sollte…“ „Papa…“ „Außerdem kannst du dir gar nicht vorstellen, wie gerne dein Vater seine Enkelkinder verwöhnt hätte…“ „Wenn du Kinder so gern magst, dann adoptiere dir doch eines.“ „Aber bei denen fließt nicht das Blut unserer Ahnen…“ Herbert seufzte. „Da kann ich wirklich argumentieren, so viel ich will. Du lässt mir keine Ruhe, bis ich mit einer Frau schlafe, oder?“ Breda drehte den Kopf zur Seite. „So würde ich das zwar nicht sehen, aber wie du willst.“ Dann streichelte er Herbert noch einmal zärtlich über die Wange. „Aber wenigstens geht es dir ein bisschen besser…“ Herbert lächelte. Ja wirklich, sein Vater hatte ihn schon ein wenig von Alfred abgelenkt, wenn auch nur ein wenig. Dann erhob sich Breda und ging wieder zurück in die Bibliothek. Herbert saß noch immer zutiefst deprimiert auf seinem Bett. Sein Vater hatte ihn zwar ein wenig getröstet, aber er trauerte Alfred noch immer nach. Warum hatte er den Professor bloß gefragt? Warum war er nur so blöd gewesen? Abronsius konnte natürlich nicht ahnen, dass diese Nachricht sein Herz wie ein Pflock durchbohren würde. „Wenn mein Alfred diese dumme Gans heiratet, dann ... dann...“, schluchzte Herbert mit geballten Fäusten, „dann ... das werde ich nicht aushalten ... dann stelle ich mich so lange in die Sonne, bis die Hitze meinen Verstand raubt und ich verrückt werde. Dann muss ich wenigstens nicht mehr an dich denken, mon chéri, mein Alfred. Ich liebe dich ... auch wenn das niemand akzeptiert ... na ja ... mein Papa sieht’s ja noch ein. Wenn auch nicht erfreut, dass ich, ja ich, sein einziger Sohn schwul bin ... aber das kann niemand ändern ... nicht einmal ich, wenn ich es wollte...“ Fast die ganze Nacht lag oder saß Herbert in seinem Bett und träumte mit offenen Augen, dachte nach und trauerte. Gestern war so viel passiert, er hatte von seiner Mutter erfahren ... nach ... wie lange lebte er schon? So lange ... so viele Jahrhunderte ohne daran zu denken, dass er eine Mutter besaß. Und nach dem Ball war Alfred weg, mit Sarah ... und Herbert war ganz alleine, bis auf seinen Vater und den Professor. Der junge Vampir drehte sich in seinem Bett um und seufzte. Wie gerne hätte er mit Alfred sein Bett geteilt, wenigstens für eine Nacht. Warum war das Leben so ungerecht? Warum nur? Es trat jemand ein. Herbert blieb weiter liegen und dachte nicht einmal daran nachzusehen. Wer sollte es denn sein, außer seinem Vater? „Schläfst du?“, fragte Breda leise. Herbert ließ einen Seufzer hören. „Gut, ich wollte dich nur erinnern, dass es bald Tag wird. Herbert sah wieder nicht auf. Natürlich hatte er seinen Vater gehört, aber er wollte in Ruhe gelassen werden – alleine. „Ich gehe dann. Wir sehen uns in der Gruft, mein Junge“, erklärte Breda, bevor er wieder das Zimmer verließ. Nach seiner Stimme zu urteilen war er besorgt und hatte verstanden, dass sein Sohn alleine gelassen werden wollte. Herbert sinnierte noch kurz, aber wirklich nur kurz, da es bald Tag wurde und da er sich ja noch umziehen musste und heute auch nicht hetzen wollte beim Gehen in die Gruft. Also schlich Herbert über die Gänge nach unten, so langsam, dass ihn bald schon eine Schnecke überholen hätte können. Hier und da blieb er stehen und betrachtete die Bilder seiner Ahnen, obwohl diese ihn eigentlich nie interessiert hatten und es wohl auch nie tun würden. Insgesamt brauchte er eine dreiviertel Stunde bis zur Gruft, wenn er sich beeilt hätte, wäre er sicher schon in einer Minute unten gewesen. Breda war bereits unten. Die Frage, wie es seinem Sohn geht, erübrigte sich, da Herbert schon so deprimiert aussah. Also sagte Breda nichts. Die beiden wechselten kein einziges Wort, doch der Graf wusste, dass es schlecht um seinen Sohn stand – schlechter als je zuvor. Wortlos legte Herbert sich in seinen Sarg. Koukol gab den Deckel drauf und schon kurze Zeit später war Herbert tief und fest eingeschlafen und träumte, oder besser gesagt, er träumte alb. Sein Gehirn hatte die ganzen Ereignisse noch nicht verarbeitet. Und so träumte er, dass Alfred und Sarah heiraten würden und dass sie sogar ein Kind hätten. Herbert selber stellte sich in seinem Albtraum daraufhin nach draußen und wartete auf den Sonnenaufgang. Der Morgen graute, die Sonne war nicht mehr weit. Und als Herbert dann schon den ersten Lichtstahl vernahm ...wachte er auf und stieß sich unsanft den Kopf am Sargdeckel an. In Albträumen wacht man eben immer dann auf, wenn man stirbt. Herbert legte sich wieder hin und seufzte. Hoffentlich war dieser Albtraum nur ein Albtraum und keine Vision... Koukol nahm den Deckel vom Sarg. Dann öffnete er Bredas Sarg. Herbert beeilte sich währenddessen wegzukommen, da er nicht mit seinem Vater über seine Trauer reden wollte. Vor der Bibliothek bremste er sich ein. Warum eigentlich? Das war ihm nicht wirklich klar … aber vielleicht könnte er ja ein gutes Buch lesen … zur Ablenkung. Der Nachteil war nur, dass es da so viele Bücher gab, so viele … welches sollte er da nehmen? Da sah er auch schon den Professor entgegenkommen. „Guten Abend, werter Herr Graf…“, begann der Professor, „kann ich Ihnen helfen?“ Herbert war verwirrt. Es war doch so früh, wie konnte der Professor schon hinüber zur Bibliothek gegangen sein? Doch diese Frage beantwortete sich von selber, da er einen Sarg erblickte. Der Professor hatte anscheinend darauf bestanden, dass sein Sarg in der Bibliothek aufgestellt wurde. „Na ja … ich hätte mir eben gerne die Zeit vertrieben und da dachte ich, dass ein gutes Buch vielleicht das Richtige sei“, erklärte Herbert. Der Professor blickte ihn an. „Ein gutes Buch … hm, das ist sehr weitläufig, was wollen Sie denn lesen?“ Herbert zuckte mit den Schultern. „Na ja … vielleicht irgendwas … Romantisches – so eine wunderbare, tragische Liebesgeschichte.“ Herbert hoffte natürlich auf eine Liebesgeschichte zwischen zwei Männern – gab es solche Bücher überhaupt? Oder wird man eher von den Leuten, die die „allgemeine“ Meinung vertreten, massakriert, wenn man so etwas schreibt? Doch er traute sich nicht das dem Professor zu sagen, dass er … na ja. „Kann es auch ein Theaterstück sein?“, erkundigte sich der Professor weiter, „da wüsste ich nämlich etwas Wunderbares. „Ja, gerne.“ Abronsius eilte schnell zu einem Regal. „Ich hoffe, dass Sie es noch nicht gelesen haben … es ist recht bekannt.“ Der Professor kam mit einem dicken Buch zurück und reichte es Herbert. Dieser sah es sich kurz an. „Romeo & Julia…“, las er dann den Titel vor. „Ja, ein berühmtes Werk von Shakespeare. Sie haben sicher schon von diesem genialen Schriftsteller gehört.“ Herbert seufzte innerlich: „Julia… Warum nehmen eigentlich alle an, dass man bei einem romantischen Buch eine Liebesgeschichte zwischen einem Mann und einer Frau wollte?“ „Wenn Sie noch ein wenig Hilfe bei der Wahl eines Buches brauchen, dann können Sie gerne mich fragen.“ Herbert bedankte sich noch einmal bei Abronsius und ging dann gemächlich zu seinem Zimmer, zu seinem Bett um das Buch zu lesen. Dort angekommen legte er sich in sein Bett, wo er ja so gerne die Nacht verbrachte, machte es sich bequem, schlug dann das Buch auf und begann zu lesen – vielleicht war es ja interessanter als sein Titel. Es begann so: „Die angesehensten Familien in Verona waren die reichen Capulet und die reichen Montague. Ein alter Zwist zwischen diesen beiden Familien war zu einer tödlichen Feindschaft herangewachsen…“ Irgendwo in der Mitte des Buches machte er eine kurze Pause. Das Lesen von so schwerer Lektüre war eben anstrengend. Das Buch war durchaus gut geschrieben (bis jetzt jedenfalls) und auch spannend. Leider war es sehr langatmig geschrieben – das hätte Herbert zwar locker ausgehalten, wenn da nicht diese vielen Szenen waren, die zwischen den beiden Liebenden – wie der Titel schon sagte: Romeo und Julia – waren. Da hätte Herbert manchmal gerne das Buch zerrissen. Gemütlich auf dem Bett liegend nahm er sich wieder das Buch und las weiter. Mit was sollte er sich denn sonst seine Zeit vertreiben? Einige Stunden später war das Buch ausgelesen. Herbert bereute es, dass er dieses Buch fertig gelesen hatte. Es gefiel ihm nicht und er wusste auch ganz genau wieso, nur eingestehen wollte er es sich nicht. Herbert blieb liegen und sah durchs Zimmer, da er nicht aufstehen wollte. An der Wand hing noch immer dieser Spiegel – zur „Ganzkörperbetrachtung“. Wozu? Seit seiner Kindheit hatte er sich noch nie in diesem oder einem anderen Spiegel betrachten können. Vielleicht wollte ihn Alfred nicht, weil er schlecht aussah. Breda sagte zwar immer, dass Herbert der schönste und liebste Junge der Welt sei, den er sich nur vorstellen konnte, aber vielleicht war das ja auch nur, weil Herbert sein Sohn war. Vielleicht war er ja wirklich so hässlich, dass Alfred … Alfred … Wegen diesem blöden Spiegel hatte sein Liebling erkannt, dass er ein Vampir war. Herbert hasste dieses gläserne Etwas. Wütend schleuderte er das Buch dagegen, doch der Spiegel ging nicht zu Bruch. Herbert seufzte. Er hatte den Spiegel sowieso nie brauchen können – im Gegenteil, er erinnerte ihn an die Ablehnung von Alfred. Außerdem hätte er ein wenig Glück brauchen können – Scherben bringen ja Glück, aber ein zerbrochener Spiegel bedeutet sieben Jahre Pech – was war denn nun richtig? Herbert deckte sich zu und drehte sich vom Spiegel weg. Dann kauerte er sich zusammen und verfiel wieder in Trauer. Warum konnte sein Alfred ihn nicht leiden? Warum nicht? Geraume Zeit später wachte Herbert wieder auf. Wieder diese Albträume. Am liebsten hätte er diese Chagal umgebracht. Aber dann wäre sein Alfred traurig und würde ihn sicher hassen für diese Tat. Und das wollte Herbert auf keinen Fall. Langsam stand er auf, hob erst einmal das Buch vom Boden auf und ging zum Professor in die Bibliothek, um das Buch zurückzugeben. Dort angekommen legte er das Buch einfach auf den Tisch, da er den Professor nicht fand. Doch als Herbert schon gehen wollte, kam Abronsius auf ihn zu und fragte ihn sofort, wie ihm das Buch gefallen hatte. „Ja, war interessant…“, antwortete Herbert, „wirklich gut geschrieben.“ Der Professor nickte und begann sofort das Buch in den höchsten Tönen zu loben. „Ich werde dann wieder gehen…“, erklärte Herbert, da er nicht sonderlich Interesse an der Lobeshymne hatte. „Wollen Sie nicht noch eine Lektüre lesen?“, erkundigte sich der Professor. Herbert seufzte. „Nein danke“, antwortete er höflich und ging dann wieder zu seinem Zimmer. Doch auf dem Weg dorthin begegnete ihm sein Vater. „Mein Junge!“, freute Breda sich, „ich bin auf dem Weg in die Stadt, magst du mitkommen?“ „Warum willst du in die Stadt?“ Breda grinste. „Mein Magen knurrt“, sagte er dann noch immer mit einem Lächeln. Herbert musste ebenfalls lächeln. „Geht’s dir besser?“, fragte Breda, da Herbert schon wieder recht fröhlich aussah. Der Angesprochene schüttelte den Kopf und sein Blick sah wieder traurig aus. „Ach komm, wir suchen uns ein schönes Opfer und beim Trinken kommst du auf andere Gedanken!“, schlug Breda immer noch ziemlich fröhlich vor. „Nein danke.“ „Aber Herbert – Liebling, du hast seit Tagen nichts getrunken!“ Herbert antwortete nichts. „Jetzt komm doch! Willst du denn nicht wieder einmal ein bisschen Blut saugen – süßes köstliches Blut…“ Herbert lächelte. Ein bisschen Blut wäre sicherlich nicht schlecht… „Na gut, ich gehe nur noch das Buch hinauftragen.“ „Ich warte auf dich im Hof, ja?“ „Ja!“ Schnell eilte Herbert nach oben, legte das Buch auf sein Bett, holte seinen Mantel aus dem Kleiderschrank und ging dann in den Hof zu seinem Vater. „Willst du mit der Kutsche ins Dorf fahren oder fliegen?“, fragte Breda. Herbert dachte kurz nach und antwortete schließlich: „Fliegen. Ich glaube, ich muss mich wieder einmal ein bisschen bewegen!“ „In Ordnung.“ Breda steckte sich, breitete seine gewaltigen schwarzen Flügel aus und hob ab. Herbert tat es seinem Vater gleich und die beiden flogen gemütlich ins Dorf. „Was für einen Gusto hast du?“, fragte Breda seinen Sohn. Herbert zuckte mit den Schultern. „Egal. Was du magst, Papa.“ „Also ich hätte Lust auf … hm … mir ist es eigentlich auch egal, halt den Ersten, der uns über den Weg läuft.“ Herbert blickte zu seinem Vater und bemerkte dann: „Aber keine solchen dreckigen Bauerntölpel, pfui!“ Breda grinste. „Wie mein Junge es will… Gibt’s denn spezielle Wünsche?“ „Nein, schauen wir halt einfach, ob uns was Leckeres über den Weg läuft…“ Die beiden setzten zur Landung an. Die Straßen waren wie ausgestorben – es war ja auch Nacht. Gemütlich schlenderten sie durch die Dunkelheit auf der Suche nach etwas Essbarem. Breda stoppte. Durch ein Fenster blickte er in ein Haus. „Was ist?“, fragte Herbert. „Schauen wir mal da rein?“, erkundigte sich Breda bei seinem Sohn, „da duftet es so gut … nach einem leckeren Menschen.“ Herbert lächelte. „Na gut…“ Also verwandelten sich die beiden schnell in Fledermäuse und suchten das Haus nach einem Eingang ab. Da kam ihnen ein gekipptes Fensters gerade recht. Da passten sie als Fledermäuse gerade noch durch. Breda hatte zwar kleine Schwierigkeiten, aber er schaffte es doch. Im selben Zimmer war wirklich ein Mensch. Eine junge Dame so um die 20 – genau im richtigen Alter um gebissen zu werden. Schnell aber leise verwandelte Breda sich und verbarg sich in der Dunkelheit, doch als Herbert zur Verwandlung ansetzen wollte, wachte die Frau auf und sah sich um. Breda blieb sicherheitshalber versteckt, da er annahm, dass die Dame schreien würde, wenn sie ihn sehen würde und hoffte, dass sein Sohn jetzt bloß nichts Falsches machen würde. Herbert flatterte nervös herum und beschloss dann, dass er verkehrt herum an der Decke (so wie Fledermäuse eben schlafen) wohl am wenigsten auffallen würde. Die Frau setzte sich auf und blickte umher. Sie zündete sich eine Kerze an, da sie nichts sah. Breda sah nicht hin, doch Herbert war gezwungen das grelle Licht zu ertragen, konnte sich nicht halten und stürzte somit ab. Die Frau bemerkte ihn und hielt die Kerze nahe hin, da sie nichts im Dunklen sah. Herbert wand sich am Fußboden vor Schmerzen, Breda überlegte schon einzuschreiten, doch die Frau blies die Kerze aus und nahm Herbert in den Arm und flüsterte ihm zu: „Oh du Kleines, da hast du nix verloren. Ich bring dich rauf zum Dachboden, da kannst du leben…“ Liebevoll drückte sie ihn gegen ihre Brust und wollte ihn schon zum Dachboden tragen. Tierliebe in Ehre, aber das wollte Herbert sich jetzt wirklich nicht gefallen lassen, mal abgesehen davon, dass es sehr unangenehm war. Also verwandelte er sich – egal ob sie jetzt schreien würde, oder nicht. Die Dame fiel nach hinten auf den Boden und blickte zu Herbert hoch. „Ist das jetzt ein Traum, oder…?“, fragte sie erstaunt. Herbert half ihr auf und erklärte dann freundlich: „Nein, das ist Ihr größter Albtraum…“ Sie sagte gar nichts und blickte ihn perplex an. Herbert kam auf sie zu, hielt ihr mit seiner linken Hand den Mund zu und mit seiner rechten Hand die Arme der jungen Dame weg. Schnell biss er sie und saugte genüsslich ihr Blut. Breda kam nun auch hinzu und begann an der anderen Halsseite ebenfalls ihr Blut auszusaugen. Herbert merkte, dass aus ihrem Hals nicht mehr viel Blut herauskam, biss er ihr in die Hand – in die Pulsadern – und trank da weiter. Breda suchte sich nun ebenfalls eine neue Stelle am Körper, um mehr von ihrem Blut zu bekommen. Nach nur wenigen Minuten war sie schon komplett ausgesaugt. Also legte Breda sie wieder vorsichtig auf ihr Bett und dann stiegen die beiden durchs Fenster wieder nach draußen – von innen konnte man es ja öffnen. Draußen spazierten die beiden noch durch die Nacht. „War dieses Opfer nicht besonders schön?“, fragte Breda seinen Sohn, während er zum Himmel starrte und langsam neben Herbert schlenderte. „Mal abgesehen von den Problemen am Anfang … gut war sie, aber sie hätte sicher bedeutend besser geschmeckt, wenn sie sich vorher noch einmal gewaschen hätte“, erklärte Herbert grinsend. „Ja, das wäre sicher nicht schlecht gewesen“, begann Breda, „aber eigentlich habe ich meine Frage anders gemeint.“ „Wie denn?“, erkundigte Herbert sich, während er verzweifelt versuchte den Rest vom Blut unter seinen Fingernägeln herauszubekommen. „Na ob sie dir gefallen hat…“, antwortete Breda und sah zu seinem Sohn, doch er erntete nur einen fragenden Blick. Breda seufzte: „Der Satz war doch jetzt wirklich klar, oder?“ Herbert verneinte und putzte noch immer seine Nägel. Dann erläuterte er, warum er es nicht verstanden hatte: „Du hast mir nicht gesagt, ob du ihren Charakter oder ihr Aussehen meinst… Und wann eigentlich … ich meine als sie lebte oder als sie tot war? Außerdem…“ „Ach … Herbert…“, unterbrach Breda verzweifelt. „Was habe ich jetzt schon wieder getan?“, erkundigte sich Herbert ein wenig wütend. „Liebling, mit dir kann man einfach nicht über Frauen reden…“, klagte Breda. „Vielleicht liegt es ja daran, dass wir noch nie über Frauen geredet haben?!“, verteidigte der Angesprochene sich wütend und lautstark. Breda schwieg und blickte zu Boden. Eine Weile war es still, doch dann entschuldigte Herbert sich. „Tut mir Leid, Papa. Habe ich dich zu laut angeschrien?“ Breda blickte zu seinem Sohn und sagte nichts. „Ich wollte das nicht“, schwor Herbert. Ein Lächeln bildete sich auf dem blassen Gesicht seines Vaters. „Du weißt doch dass ich dich liebe egal was passiert. Und weißt du, ich bin so froh, dass ich dich habe – genauso wie du bist. Manche Kinder hätten sich nie entschuldigt für so etwas. „Danke…“, kam es leise von Herbert, „aber ich würde gerne mit dir über eine Frau reden.“ „Ach nein Liebling, mir macht es schon nicht viel, wenn du…“, winkte Breda ab. „Das war Ernst gemeint…“, widersprach Herbert. „Wie?“, fragte sein Vater verwirrt, „das ist jetzt ein Scherz, oder?“ Der Angesprochene schüttelte den Kopf. „Über wen?“, erkundigte Breda sich interessiert. Herbert blickte etwas traurig zu seinem Vater. „Sag schon…“, bat der ältere Vampir. „Äh … sollten wir nicht zurückfliegen?“, wollte Herbert wissen. Breda überlegte kurz und stimmte dann zu: „Stimmt, aber nur wenn du mir sagst, wen du meinst.“ „Ja, gut…“, bemerkte Herbert nur, schaute sich kurz um, breitete seine Flügel aus und hob langsam ab. Sein Vater tat dasselbe und sah erwartungsvoll zu seinem Sohn. „Also?“ Herbert überlegte kurz. „Na ja … ich meine … du willst ja immer, dass ich eine Frau finde und dann mit ihr ein Kind habe.“ Herbert legte eine kurze Pause ein. „Weißt du, ich habe mich gefragt, wo meine Mutter ist…“ Breda erschrak sichtlich und war für einen Moment so geistesabwesend, dass er fast abgestürzt wäre. „Ich … ich habe gedacht, dass ich dein Gedächtnis davon befreit habe… Dieses schreckliche Erlebnis…“ Herbert schüttelte den Kopf. „Ich habe mitbekommen, wie du zu meiner Mama, wie du zu ihrem Grab geredet hast und da…“, erklärte Herbert zitternd. „Ich … ich glaube wir reden zu Hause weiter, okay?“, schlug Breda vor und nahm seinen Sohn in den Arm. Herbert nickte. „Ja…“ ~Ich bin langsam mitm updaten, ich gebs ja zu ... Ach ja: Ich habe nichts gegen Romeo & Julia, ich denk mir nur Herbert würds wohl nicht so mögen.~ Schweigend flogen die beiden nach Hause, keiner sagte auch nur ein Wort. Als sie dann im Hof gelandet waren, fragte Breda seinen Sohn: „Wo willst du über sie reden, Herbert?“ Der Angesprochene warf nur einen viel sagenden Blick zum Friedhof hinüber. „Okay…“, hauchte Breda, nahm seinen Sohn – eine Hand bei dessen Schulter, eine in den Kniekehlen – und trug ihn langsam zum Grab seiner Mutter. Breda bewegte sich wirklich sehr langsam dorthin – nicht, dass es ihm schwer gefallen wäre Herbert zu tragen, als Vampir hat man ja unendlich viel Kraft – nein, er wollte nur irgendwie selbst nicht noch einmal zu seiner verstorbenen Geliebten sehen. Es hatte ihn schon so viel Überwindungskraft gekostet überhaupt jemals nach ihrem Tod dorthin zu gehen, aber mit Herbert war das irgendwie noch schwieriger… Vorsichtig setzte er Herbert ab. Dann ließ er sich neben ihm nieder. Für einige Sekunden blickten beide nur auf den Grabstein. Elisabeth… „Das heißt, Mama ist jetzt da unter der Erde?“, fragte Herbert traurig. „Nein mein Junge, da ist sie nicht…“, antwortete Breda. „Was? Wo ist sie?“ „Ihr Körper liegt im Dorf. Dort habe sie offiziell begraben lassen.“ Herbert blickte verwundert zu seinem Vater. „Nicht hier?“, erkundigte er sich sicherheitshalber nochmals. „Nein, weißt du, sie hätte das sicher so gewollt, wie es jetzt ist.“ „Warum? Wollte sie nicht bei uns sein?“ „Nein, aber…“ Breda machte eine kurze Pause. „Weißt du, ich habe es auch nie verstanden, aber deine Mama war so, wie sie war.“ Herbert schien total verwirrt. „Wie?“ „Katholisch und Christin eben…“, antwortete Breda einfach. „Was heißt das – katholisch und Christin?“, fragte Herbert, während sein Blick immer noch dem Grabstein galt. Breda überlegte kurz. „Deine Mama hat es mir sicher hundertmal erklärt, aber so richtig verstanden habe ich es nicht.“ „Dann erzähl halt was du glaubst oder was du noch sicher weißt…“, bat Herbert und schmiegte sich an Breda an. „Also, sie hat gesagt, dass sie an Gott glaubt und dass sie das wichtig findet, dass man das tut…“ „An welchen Gott hat sie geglaubt?“, fragte Herbert interessiert. Breda schien ratlos. „Sie hat immer gesagt, dass es nur einen Gott gibt…“ Herbert gab gleich seinen Kommentar dazu ab: „Von wegen: Über die Jahrhunderte haben die Menschen tausende Götter erfunden…“ Breda nickte und sagte dann: „Das weiß ich“, begann er, „und jetzt weißt du auch, warum ich das nicht verstanden habe…“ Herbert bejahte. Dann blickte er wieder zu Breda. „Und was hat sie davon gehabt?“ Der Angesprochene war verwirrt. „Was?“ „Na was hat ihr das gebracht … dass sie katholisch ist, an Gott geglaubt hat und so…“, erklärte Herbert. „Ich habe keine Ahnung“, musste Breda eingestehen, „aber wenn du Mama ganz lieb hast, dann kannst du das akzeptieren ohne zu fragen.“ „Ja?“, wunderte Herbert sich. Breda lächelte: „Sie ist doch noch immer bei uns…“ „Wo?“, wollte Herbert interessiert wissen. Das Lächeln zierte Bredas Gesicht noch immer: „In dir, du bist schließlich ihr Kind … ihr einziger Sohn, den sie ganz lieb gehabt hat und jetzt noch immer, auch wenn du sie nicht mehr sehen kannst.“ Herbert war erstaunt. „Das hätte ich nie gedacht, dass Mama noch da ist … aber es ist toll.“ Nach kurzem Überlegen kuschelte er sich an seinen Vater und sagte: „Dann sind wir ja doch irgendwie noch eine Familie, oder?“ Breda nickte, drückte Herbert sanft an sich und strich ihm über sein seidiges Haar. Diese wunderschön seidigen zarten Haare – wie Elisabeth – ja, genau so… Breda lächelte. Wie schön war es doch seinen Liebling in Armen zu halten. Herbert erhob sich langsam. „Weißt du Papa, ich glaube ich bin froh, dass ich das Ganze … das mit Mama erfahren habe.“ Sein Vater stand ebenfalls auf, sagte dazu aber nichts. Irgendwie wusste Herbert auch nicht so recht, was er sagen sollte. „Äh … ist noch irgendwas, was ich wissen sollte, oder so?“ Er legte eine kurze Pause ein. „Weil sonst würde ich gerne in mein Zimmer gehen und das Buch lesen, das mir der Professor gegeben hat…“ Breda lächelte. „Nein, mein Junge … geh ruhig, wenn du willst…“ Also machte Herbert sich auf den Weg nach oben zu seinem Zimmer. Dort angekommen, wollte er jedoch nicht mehr lesen, irgendwie war ihm die Lust vergangen. Dennoch setzte er sich auf sein Bett und beschloss ein wenig in dem Buch herumzublättern. Doch als er bei seinem Durchblättern am Schluss auf die Worte „Und so lebten sie glücklich und zufrieden…“ stieß, hätte das Buch fast seinen Weg durchs Fenster angetreten. Warum konnte sein Leben nicht ein ganz normaler Roman mit so einem Ende sein? „Na ja … vielleicht ergibt sich ja im Laufe von meinem Leben so ein Ende, vielleicht, aber höchstwahrscheinlich nicht“, dachte er wieder einmal deprimiert. Alfred war weg und das machte ihm nun schon so lange zu schaffen. Moment … eigentlich war Alfred noch da, nur halt in Königsberg, aber da war er ja noch – wenn auch etwas weit weg… „Ich könnte ihm ja einmal schreiben…“, überlegte Herbert. Auch wenn diese Idee nicht gerade die Beste war, war er hellauf darüber begeistert. Also kramte er schnell einige Blätter Pergament, Feder und ein Tintenfass aus einer Schublade und begann nachzudenken, was er ihm schreiben sollte. Einen Brief? Ein Gedicht? Oder einfach drauflos schreiben? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)