Finstere Düsternis von Dystopia (Darkest Darkness) ================================================================================ Kapitel 3: Fragen über Fragen ----------------------------- Mariku erwachte. Sein Kopf und seine blinden Augen brannten, ausgedorrt von unzähligen Tränen, welche er zum Verlust seiner Augen und Mariks gleichermaßen vergossen hatte. Nicht das er hätte ahnen können, was wirklich mit Marik passiert war. Er war nur nicht da. Nicht anwesend. Weder in Marikus Gedanken, noch in seinem Herz, aus welchem er seinen Hikari immer am Schwersten hatte vertreiben können. Ein Arzt hatte ihm ein Beruhigungsmittel gegeben, worauf Mariku in einen langen Traum verfallen war, einen Alptraum, um genauer zu sein. Er träumte von Kreuzen, Stacheldraht umwickelten Flügeln und von Schmerz. Großem Schmerz. Dem Schmerz des Alleinseins. Abgelöst von seinem Hikari hatte er niemanden mehr außer sich selbst. Er war allein mit seinen Gedanken, seinen Gefühlen und seinen Ängsten. Vorerst hatte Mariku gedacht, sterben zu müssen. Sterben vor Einsamkeit, vor Furcht, vor Wahnsinn. Doch dann hatte er sein Herz abgeschirmt, wie er es immer tat, in Extremsituationen, um sich selbst zu schützen. Wie taub, ohne Empfindungen oder Zweifel lag er in der Dunkelheit seiner Blindheit gefangen und konzentrierte sich auf die, ihn umgebenden, Geräusche. Das Piepen seines Sinusrhythmus war in all der Zeit leiser geworden, unbeständig, als kämpfe sein Herz dagegen an, Marik als verloren anzusehen. Man hatte ihm einen neuen Tropf angehängt und Mariku fühlte sich an den Keller erinnert, in welchen man ihn bis zu seinem 18. Lebensjahr gesperrt hatte, sobald er, in den Augen der Oberschwester, ungezogen gewesen war. Ein unangenehmer Druck ging von der neuen Infusionsnadel aus und das leise Tropfen der Nährkochsalzlösung brachte Mariku zurück in den stickigen Keller des „Heims für schwere psychische Fälle“. Allein war es dort schlimmer als am Tag. Es war egal, ob es Licht gab oder nicht, jedes Kind graulte es damals davor, allein in den Keller zu gehen. Mit gutem Grund, wie Mariku später herausfand. Sobald man allein einen Fuß auf die verschmierten Kacheln des staubigen Untergrunds gesetzt hatte, zog es einem die Nackenhaare in die Höhe und jedes Herz begann wie wild zu schlagen. Mariku verzog das Gesicht bei dem Gedanken an eine große Spinne, welche ihm unbemerkt unter sein Hemd gekrochen war. Zu diesem Zeitpunkt durfte er sein Hemd noch anbehalten. Genauso wie seine Hose und seine Schuhe. Bakura hatte ihm damals beim Ausziehen helfen und unter strengem Blick der Oberschwester wieder in sein Zimmer verschwinden müssen. Mariku würde nie den mitleidigen Blick des Albinos vergessen, den er aufsetzte, bevor die Tür des Kellers geschlossen wurde. Mariku hatte die Oberschwester gehasst. Ihre Naivität, ihr Aussehen, ihren Geruch. Die Eigenschaft ihrem Mann mehr zu glauben, als verwirrten, geschändeten Kindern, welche nur unter diesen besonderen Eigenschaften in ihr verdammtes Heim gebracht wurden. Unter ihre Aufsicht, ihren Hass. Und ihren Mann. Einem studierten Psychologen, welcher schnell gefallen daran gefunden hatte, Probleme der verstörten Kinder als Verrücktheiten abzutun. Und Mariku im Keller zu besuchen. Immer öfter besuchte er ihn und erzählte seiner Frau lügen über Marikus psychischen Zustand, bis Mariku schließlich für jedes noch so kleine Vergehen von ihr bestraft wurde, solange, bis er es lernen würde, seine Launen unter Kontrolle zu halten. Immer härter wurde die Strafe, immer länger musste er im Keller bleiben und immer weniger durfte er dabei anbehalten, was es dem Teufel in Person immer einfacher machte, sich über Marikus Statur hinwegzusetzen und ihn zu schänden. Er seufzte als er sich an die besorgten Gesichter seiner Freunde erinnerte, die plötzlich immer weniger wurden, bis nur noch Kura, sein Hikari und Marik übrig waren. Seine einzigen Freunde… Sie machten sich damals große Sorgen und versuchten mit ihm zu reden, ihm irgendwie zu helfen. Doch Mariku verhärtete sich zu sehr, wurde brutal und verbittert, starb, bevor er jemals richtig gelebt hatte. Eine Tür wurde geöffnet und Mariku spitze die Ohren. Er bemerkte einen feinen Duft, welcher zu ihm wehte, nichts weiter als eine kurze Brise, aber doch so einprägsam, dass ihm ein kleines Lächeln über das Gesicht huschte. „Ishizu…“ Die Person hielt vor dem Krankenbett an und zog sich geräuschvoll einen Stuhl heran, bevor sie sich seufzend niederließ und Marikus Hand in die ihre nahm. Sanft und voller Führsorge berührte sie seine Haut und Mariku wettete für sich, dass sie sehr traurig dreinschaute. „Es tut mir so leid, Mariku.“ Aus ihrer Stimme klang mehr Schmerz, als er erwartet hatte. Gleichzeitig bemerkte er, dass ihr Schmerz nicht ihm, sondern jemand anderem galt. „Was tut dir leid? Nichts muss dir leid tun. Oder hast du mir etwa Säure über die Augen geschüttet?“ Er versuchte zu lächeln. Er hätte gerne gesehen, ob Ishizu dasselbe versuchte. „Wenigstens hast du deinen Sarkasmus nicht verloren.“ Ihre Stimme war angenehm wie ein schöner Herbsttag und Mariku wunderte sich, warum es ihm nicht früher aufgefallen war. Er nahm sich vor öfter mit ihr zu reden. Ihr zuzuhören. „Wenn ich auch noch den verliere, bin ich nicht mehr ich.“ Er wurde leiser. „Ich weis, die frage ist unangebracht, aber…wie sehen meine Augen aus?“ Ishizu zuckte unmerklich zusammen und war für einen kurzen Moment glücklich, das Mariku sie nicht sehen konnte. Er hatte unbewusst verzweifelter und verlorener geklungen, als jemals zuvor. „Sie sind wunderschön. Wie immer.“ Mariku grinste. „Na wenigstens bin ich dann immer noch so sexy wie Ray Charles.“ Ishizu drückte seine Hand und konnte ihm doch nicht zustimmen. Etwas war ihm verloren gegangen. Etwas, das Mariku schon immer Stärke und Kraft gegeben hatte, Charme und die unvergleichliche Fähigkeit Frauen für sich zu gewinnen. Sie hatte sich kurz in Gedanken verloren und erschrak etwas, als Mariku sich keuchend aufrichtete. Es kostete ihm sichtliche Kraft und Ishizu wurde ein wenig verzweifelter. Sie hatte sein Krankenblatt gelesen und wusste, dass sein Zustand, bis auf seine Augen, tadellos war. Mariku hätte aufspringen und sie durch das Krankenzimmer tragen müssen, so wie er es immer tat, wenn er sich freute sie zu sehn. Und das tat er, ungeachtet der Tatsache, dass er es gut versteckte. Warum also diese Kraftlosigkeit? „Rätsel über Rätsel…“, dachte sie laut und vergrub ihr erschöpftes Gesicht in der freien Hand. Mariku schaute starr auf seine Bettdecke und wirkte seltsam irritiert. „Was meinst du?“ Ishizu seufzte. „Mariku, was ist mit dir passiert? Warum bist du hier? Kannst du es mir verraten?“ In ihrer Stimme schwang neben Hilflosigkeit auch echte Neugierde mit und Mariku bewunderte sie für diese Eigenschaft, Trauer mit Wissen zu verdecken. „Ich…weis es nicht mehr. Nicht mehr genau.“ Er versuchte sich zu konzentrieren. „Es war…ein Experiment. Bei Seto…“ Ishizu biss sich auf die Unterlippe. „Er hatte Marik und mich gebeten ein Neues Gerät zu testen. Irgendetwas mit Gedanken und Unterbewusstsein. Er-“ „Ich weis das alles. Aber was passierte danach? Nachdem ihr euch bereitgestellt hattet? Was passierte…“ Ihre Stimme brach ab. „Mit Marik?“ Ishizu sprang auf, drehte Marikus Kopf und sah ihm geradewegs ins Gesicht. „Was passierte mit ihm? Was habt ihr gesehen?“ Mariku schien verwirrt. „Bitte, Mariku, WAS HABT IHR GESEHEN?“ Mariku schaute starr. Seine Augen waren schön aber tot und Ishizu erkannte, dass er ihr nicht würde weiterhelfen können. Sie ließ von ihm ab und setze sich erschöpft auf den Stuhl. Ein Gefühl schüttelte sie und kroch ihr Herz hinauf, während sie ihr Gesicht in Marikus Bettdecke vergrub. Er sah nicht wie Ishizu weinte und doch tastete er nach ihr, bis er ihr zartes Gesicht berühren konnte und ihr ungeschickt ein paar Tränen abwischte. Er beugte sich über sie und strich ihr beruhigend über den Rücken. „Alles wird gut…“ Ishizu bäumte sich auf und fiel Mariku jammernd in die Arme, weinte ausgelassen und drückte sich an die warme Haut des Yamis. Sie zitterte schrecklich und lehnte an Marikus Brust, während er starr und blind über ihre Schulter hinweg sah und sich ernsthaft fragte, was eigentlich passiert war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)