Tage der Vergeltung von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 10: Chapter X --------------------- Lager der Independent Group Sierra Madre / Mexico 09. 48 h 25. Mai Als Mulder und Scully am nächsten Morgen zu der Hütte der Ältesten gingen, wichen ihnen die Dorfbewohner aus, warfen ihnen verstohlene, fast scheue, aber auch misstrauische Blicke zu. Mulder schüttelte den Kopf. „Also erklär mir einer dieses Verhalten! Gestern Nacht hätten sie uns am liebsten hinausgeworfen, und heute...“ Scully hob die Schultern. „Vielleicht wissen die drei mehr.“ Sie klopfte an die Holztür und betrat die Hütte. Es war nur einer der drei Alten anwesend, aber er war nicht allein. Bei ihm stand ein Riese von einem Mann, den Scully hier noch nie zuvor gesehen hatte. Er war muskulös, und sein Gesicht hart und ausdruckslos, als er sich zu ihnen umwandte. Eine lange, hässliche Narbe zog sich über seinen Schädel und entstellte ihn auf grausame Weise. Er warf noch einen Blick auf den Alten und sagte etwas in einer Sprache, die weder Scully noch Mulder verstanden, dann verließ er die Hütte. Scully wich vor ihm zur Seite und warf Mulder einen prüfenden Blick zu. Ihnen war beiden der Schreck aufgefallen, der sich auf den Zügen des Alten breit gemacht hatte, als sie so unvermittelt die Hütte betreten hatten. Und dieser Ausdruck war auch jetzt noch nicht gänzlich aus seinen Augen gewichen, als sie die Tür hinter sich schlossen. „Agent Mulder, Agent Scully! Ich...bin sehr froh, dass sie gekommen sind. Treten sie doch näher.“ Mulder schürzte die Lippen und musterte ihn. „Ich möchte mich auf diesem weg bei ihnen entschuldigen. Es tut mir wirklich leid was gestern nacht geschehen ist. Es war nicht recht! Sie sind hier um uns zu helfen, und wir behandeln sie wie Schwerverbrecher!“ Scully verzog die Mundwinkel. „Nunja, so schlimm ist es ja nicht gewesen. Die Gruppe scheint sich mittlerweile ja wieder beruhigt zu haben und gestern Nacht waren wir alle äußerst gereizt.“ Der Alte hob die Schultern. „Sie müssen das verstehen! Wir wissen alle nicht mehr weiter – sie sind unsere einzige Hoffnung – aber wir können nicht von einem Tag auf den anderen unsere Traditionen und unsere Vorurteile, die weiß Gott falsch sein können, ablegen. Die Gruppe ist verängstigt und gibt allmählich die Hoffnung auf Rettung auf, wenn sie ihr nicht ihr Wissen mitteilen. Einige könnten denken, dass sie uns wirklich nur hintergehen wollen. Die Regierung war doch nie unser Freund gewesen!“ Scully nickte. „Es ist verständlich, dass sie Misstrauen empfinden, aber...“ „Das gibt uns nicht das Recht, unsere Gäste so schändlich zu behandeln. Wir fühlen uns alle sehr schuldig und ich muss mich schämen für den Mann, der Sie angegriffen hat, Agent Mulder. Ich habe immer versucht der Gruppe Respekt zu lehren, aber sie scheinen es nicht zu verstehen.“ Mulder schmunzelte ob dieser theatralischen Rede und winkte ab. „ Das ist Geschichte. Ich hoffe nur, dass wir ab sofort mehr auf ihre Unterstützung zählen können. Scully und ich können nicht alles allein tun, wir brauchen jede helfende Hand. - Wie steht es eigentlich mit der Beisetzung von San?“ Der Alte blickte sie einen Moment mit einem undefinierbaren Blick an, ehe er antwortete. „Ein kleiner Teil von uns ist heute Morgen vor Sonnenaufgang mit ihrem Leichnam zu unserem Friedhof aufgebrochen. Man wird sie dort zu den anderen Gräbern legen.“ „Und wo liegt dieser Friedhof?“ „Bei allem Respekt, Agent Mulder, aber diesen Ort kennt nur unsere Sippe und das soll auch so bleiben. Ich möchte nicht, dass jemand fremdes diesen Ort betritt.“ Scully blinzelte misstrauisch. Ihr war aufgefallen, dass der Alte im Verlauf des Gesprächs immer nervöser geworden war, und mittlerweile war sie sicher, dass er ihnen nicht die Wahrheit sagte. Zumindest nicht die ganze. Mulder unterbrach ihren Gedankenfluss. „Der eigentliche Grund aus dem wir hier sind ist, dass wir fragen wollten, ob wir mit dem Wächter von gestern Nacht sprechen könnten.“ „Selbstverständlich. Seine Hütte ist gleich schräg gegenüber. Gehen sie ruhig, ich bin sicher, er erwartet sie bereits. Er hat mit noch niemandem geredet.“ Der Nachtwächter saß mit starrem Blick auf seinem Bett und schien nicht zu merken, dass Scully und Mulder seine Hütte betraten. Mulder zog sich einen Schemel ans Bett und setzte sich. Er versuchte den Blick des Mannes aufzufangen, als er leise fragte: „Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen stellen, zu dem Mord von gestern Nacht. Aber wenn Sie noch nicht darüber sprechen wollen, können wir noch warten.“ Der Mann erwachte aus seiner Erstarrung, seufzte und schüttelte den Kopf. „Es ist schon in Ordnung. Ich...ich bin nur noch nicht ganz über den Schock hinweg. Wissen Sie, soetwas passiert einem nicht alle Tage.“ Scully musste unwillkürlich grinsen, wurde aber sofort wieder ernst. „Können Sie sich noch an irgendwelche Details erinnern? Zum Beispiel wie der Mörder ausgesehen hat? Ob er irgendetwas auffälliges an sich hatte, was ihn möglicherweise identifizieren könnte? Wir brauchen alles woran sie sich noch erinnern können.“ „Er war der Sohn der Hölle. Seine Gestalt war knorrig – gebeugt und irgendwie auf eine absurde Weise verrenkt. So wie er da über San hockte... Ich habe ihn zwar gesehen, aber...“ Der Nachtwächter hob den Blick und schaute ratlos zwischen Mulder und Scully hin und her. Dann rieb er sich seufzend die Augen. „Es gibt keine Beschreibung für das was er ist. Ich kann mich nur an das erinnern, was mein Geist bereit gewesen war wahrzunehmen. Es war so...man kann es nicht begreifen mit seinem menschlichen Verstand. Selbst das, woran ich mich erinnern kann ist nicht wirklich greifbar. Ich glaube es gesehen zu haben, aber ich kann mir kein richtiges Bild machen. Wenn ich die Augen schließe, sind da nur seine Augen die mich anstarren, und der kalte Hauch des Todes und des Alters den ich spüre. Bitte, ich würde ihnen eine genaue Personenbeschreibung geben, wenn ich es nur könnte.“ Mulder und Scully tauschten einen kurzen Blick, ehe Mulder sich wieder an den Mann wandte: „Was haben sie gefühlt in der Anwesenheit dieses...Höllensohnes?“ Der Mann blickte missmutig vor sich hin. Es schien ihm unbehaglich zu sein, darüber zu sprechen. „Ich...ich hatte wahnsinnige Angst. Es war der Wahnsinn! Als er mich ansah - direkt in meine Augen – da hatte ich das Gefühl, als würde er...“ Er brach ab und sah sich hilflos um. „Dieser Blick war so endgültig gewesen und so eisig. Er hat etwas in mir hinterlassen, eine Gewissheit, dass es nicht vorbei ist. Und diese Gewissheit, dass ich gewusst hatte, dass es passieren würde – dass ich es seit jeher schon gewusst habe.“ Die Stimme des Nachtwächters war immer leiser geworden und als er weitersprach nicht lauter als ein Flüstern. Dieses Wesen – ich weiß nicht wer oder was es ist, aber wir kennen es alle. Alle die hier auf diesem Plateau leben. Aber wir können es nicht ergreifen, nicht aussprechen. Es ist älter als die älteste Generation. Das alles wurde mir schlagartig in dem Moment bewusst, als er mich ansah. In diesem Bruchteil einer Sekunde. Es ist verrückt, so verrückt, dass ich Angst vor mir selbst habe.“ er sah auf und blickte die Agenten flehentlich an. „Sie müssen uns helfen! Sie müssen einfach!“ Mulder nickte. „Natürlich. Wir werden alles tun was in unserer Macht steht. - Kennen Sie den Weg zu dem Ort, an dem damals, lange vor Ihrer Zeit, eine satanistische Sekte verscharrt worden ist?“ Der Mann schüttelte verstört den Kopf. „Nein. Das wissen nur die Ältesten. Und die verraten den Weg niemals. Nicht einmal dem amtierenden Vorsitzenden.“ Mulder stand auf und ging zur Tür. „Wir danken Ihnen für Ihr Entgegenkommen. Und falls Ihnen noch irgendetwas einfallen sollte...wir sind ständig für Sie ansprechbar.“ Draußen am großen Lagerfeuerplatz warf Mulder seiner Partnerin einen leicht amüsierten Seitenblick zu. „Nun, Scully, was denken Sie?“ Sie überhörte seinen neckischen Unterton und schaute ihn todernst an. „Er steht unter Schock. Man kann ihm nicht glauben. Wahrscheinlich schlägt seine Fantasie Purzelbäume.“ Mulder wiegte den Kopf. „Ich würde nicht alles sofort als Unfug abtun. Wir sollten uns den Ort, an dem die Sekte damals vergraben worden ist, wirklich einmal näher anschauen, denke ich. Schaden kann es nicht und falls sich meine Befürchtungen bewahrheiten sollten, können wir etwas tun.“ „Mulder, Sie haben doch gehört was der Mann gesagt hat. Niemand kennt den Weg dorthin, außer den drei alten Männern. Und ich glaube kaum, dass sie uns den Weg verraten würden.“ „Aber wir müssen dorthin! Ohne zu wissen wie es dort aussieht und ob der Ort mit den Morden in Verbindung steht, kann ich nicht weiter ermitteln.“ Scully sagte nichts dazu. Es kam ihr doch alles recht seltsam vor. Ihr Blick glitt zum Horizont, an dem sich erneut gewaltige Gewitterwolken auftürmten, über ihren Köpfen aber schimmerte der Himmel noch immer in einem satten Azurblau, von dem die Sonne gnadenlos herunterbrannte. Scully schnitt eine Grimasse. Dieses Wetter machte ihr wahrlich zu schaffen. „Mulder, was denken Sie eigentlich über die Kreuze auf unseren Stirnen?“ Er sah sie fragend von der Seite her an. „Also wie ein schlechter Scherz kam mir das nicht vor. Dafür hat Leandres zu seltsam reagiert. Er erschien mir zutiefst erschreckt.“ Sie zögerte und schüttelte dann ratlos den Kopf. „Irgendetwas ist in diesem kleinen Dorf ganz und gar nicht in Ordnung.“ Als ihr Partner noch immer nichts darauf erwiderte, schaute sie auf. Hinter seiner Stirn arbeitete es, dass konnte sie deutlich erkennen, aber er verlor kein Wort über das, worüber er so angestrengt nachdachte. Resigniert blieb sie stehen. „Mulder, das gefällt mir nicht! Ich werde das dumme Gefühl nicht los, dass hier etwas hinter unserem Rücken geschieht. Es kommt mir beinah so vor, als würden die Bewohner etwas vor uns verheimlichen. Und dann dieser Mann den wir in der Hütte der Ältesten angetroffen haben... Er war mir nicht ganz geheuer, fast unheimlich. Ich traue dem Frieden hier nicht ganz.“ Mulder war stehen geblieben und sah sie aufmerksam an. Seine Augen glitzerten. „Seltsam, nicht? In einem Moment sieht es so aus, als seien sie kooperativ und hilfsbereit. Doch im nächsten errichten sie eine Mauer des Schweigens. Ehrlich gesagt weiß ich nicht wie es weiter gehen soll. Sie erwarten von uns, dass wir ihnen helfen, aber sie denken nicht mal im Traum daran uns dabei zu unterstützen. Es sieht fast so aus, als hielten sie es für ein Ding der Unmöglichkeit.“ Er hielt inne und blickte auf, als ein Mann zu ihnen trat. Es war der Schwarzhaarige, der Mulder und Scully gestern zu den Tatorten begleitet hatte. Er musterte die Agenten lange und ein schwaches Lächeln umspielte seine schmalen Lippen. „Sie wollen also zu den Ruinen?“ Scully blinzelte misstrauisch, sein Lächeln wirkte auf sie bedrohlich und besaß etwas haifischähnlches. Seine Augen lagen weit auseinander und waren von einem tiefen, blutigen Rot gerändert, was die tiefe Schwärze von ihnen noch unterstrich. Scully konnte kein Spiegelbild in ihnen erkennen und sie hatte das Gefühl, als würden sie sich auf eine absurde Weise ausdehnen und jegliches Licht absorbieren. Sie musste sich gewaltsam von diesem Anblick losreißen. Ihr fiel ein Sprichwort ein, das besagte, dass die Augen eines Menschen die Fenster zu dessen Seele seien. Wenn dies so war, so blickten diese aus einem leeren Raum. Auch Mulder blieb skeptisch. „Es würde uns in unseren Ermittlungen möglicherweise ein gutes Stück voranbringen. Wieso...“ Der Mann unterbrach ihn. „Wenn sie wollen, kann ich sie dorthin bringen. Vielleicht hat man ihnen ja schon von mir erzählt. Mein Name ist Lucàr. Ich bin der beste Pfadfinder in diesem Dorf den sie finden können.“ Er reichte ihnen die Hand. Zögernd erwiderten Mulder und Scully die Geste. „Nach dem Ärger gestern Nacht habe ich über Ihre Worte nachgedacht, Agent Mulder. Ich wünsche mir wirklich, dass dieser Fall gelöst wird, und zwar schnellstmöglich. Und ich wäre stolz, wenn ich ihnen dabei behilflich sein könnte.“ Mulder sah Scully flüchtig von der Seite her an. „Schön und gut, aber uns wurde gesagt, dass niemand außer den drei Ältesten den Weg dorthin kennt und dass sie es nicht dulden, sollten Fremde dorthin gelangen.“ Lucàr grinste verlegen. „Das ist richtig und eigentlich sollte es auch so sein, aber... Sie waren doch auch einmal jung und grade wenn einem so sehr verboten wird etwas nicht zu tun, macht man es erst recht. Oder nicht? Also bin ich losgezogen, um diesen Ort zu finden. Es war wahrhaftig nicht einfach, aber mit einiger Mühe wurde ich schließlich doch noch fündig. Es wäre für mich wirklich kein Problem sie dort hin zu bringen, wenn sie es für ihre Ermittlungen so dringend benötigen.“ Scully kannte Mulders Antwort auch ohne ihn ansehen zu müssen und willigte ein. Sie musste. Denn wenn sie es nicht tat, würde Mulder allein gehen. „Wann können wir aufbrechen?“ Lucàr hob die Schultern. „Von mir aus sofort. Es ist nicht sehr weit von hier. Ungefähr die selbe Strecke wie gestern.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)