Die etwas anderen Schwiegereltern von abgemeldet (Parn begegnet Deedos Eltern) ================================================================================ Kapitel 1: Der qualvolle Weg zum Dorf der Elfen ----------------------------------------------- Parn und Deedo banden die Zügel ihrer Pferde an einen Baum fest, dessen geteilter Stamm seine Krone trug. Sie verließen die Pferde, die sich schnaufend am frischen Gras bedienten. Deedo ging eiligen Schrittes voran und ließ Parn hinter sich fallen, der abwesend die feurige Sonne hinter den dunklen Baumwipfeln verschwinden sah. Viele Wolkenschichten schoben sich über den rot gefärbten Himmel und die letzten warmen, grellen Sonnenstrahlen, die hinter den Bäumen zu ihm rüber drangen, blendeten ihn. Langsam schritt Parn Deedo nach. Er hatte es nicht besonders eilig. Parn sollte nämlich bei Deedos Eltern vorstellig werden und da Deedo sie ohnehin zu ihrer Hochzeit einladen wollte, bot es sich natürlich prima an, Parn überhaupt erst einmal mit ihren Eltern bekannt zu machen. Man konnte sich denken, dass der Ritter nicht äußerst auf dieses Aufeinandertreffen erpicht war. Die nächsten Tage im Dorf der Elfen zu verbringen, bescherte ihm ein mulmiges Gefühl im Bauch. Ständig unter Beobachtung zu sein, immer mit neugierigen Blicken durchbohrt zu werden, wem war das schon angenehm? Er tat das nur Deedo zuliebe. Sie wollte ihre Eltern so gerne bei ihrer Hochzeit dabei haben. Das war verständlich. Parn hätte sich seine Eltern auch gerne dabei gewünscht. Nur waren sie schon gestorben, als er noch ein kleiner Junge war. Ob Deedo sich wohl erhoffte, dass ihre Eltern Parn so wie ihren eigenen Sohn aufnehmen würden, um ihm seine eigenen Eltern teilweise zu ersetzen und ihm über ihren Verlust hinweg zu helfen? Hoffentlich versprach Deedo sich nicht zu viel von ihrer ersten Begegnung. „Parn, wo bleibst du denn?“, drehte sich die Elfe ungeduldig zu ihm um. Parn schritt gemächlich auf sie zu. „Warum diese Eile? Elfen haben doch genügend Zeit!“, seufzte er trübsinnig. Als er Deedo erreichte, schaute sie ihm schmollend ins Gesicht. Parn nahm ihre Wangen und zog sie auseinander, bis sich Deedos Lippen zu einem Lächeln formten. „Das war nicht so gemeint.“, entschuldigte er sich und ließ ihre Wangen los. „Was ist mit dir los?“, fragte Deedo bedrückt. „Du bist die letzten Tage schon so seltsam gewesen. Bist du aufgeregt wegen heute?“ Volle Punktzahl! Parn druckste herum. Er wollte das ja nicht gerade vor Deedo eingestehen. „Na ja… ähm… ein bisschen.“ Er kratzte sich am Hinterkopf. „Wie würdest du dich denn an meiner Stelle fühlen?“ Deedo winkte aufgeregt mit den Fingern auf und ab und hakte sich bei Parn ein. „Oh, ich wäre mit Sicherheit auch total aufgeregt, aber glaub mir, dass bin ich auch so!“, wollte sie Parn ein wenig beruhigen. Ich bin wirklich gespannt, was Mama und Papa zu Parn sagen werden? Hoffentlich verläuft alles gut. „Schließlich erscheine ich dort auch zum ersten Mal mit meinem Verlobten!“ Parn grinste sarkastisch. Oh ja. Und der ist auch noch ein Mensch! „Ojemine, wenn du mich deinen Eltern vorstellen würdest, ginge es mir genauso. Ich wäre unheimlich nervös und hätte riesige Angst, etwas Falsches zu machen oder zu sagen und mich damit total vor ihnen zu blamieren!“ Na großartig, dachte sich Parn. Daran hatte ich bis jetzt noch gar nicht gedacht! „Das ist ja wirklich sehr ermutigend, Deedo! Ich könnte schwören, dass genau so was mir passieren wird!“ „Ach was, mach dich nicht verrückt! Es wird schon alles klappen! Bleib einfach ganz entspannt und denk an mich!“, sagte Deedo in Zuversicht. Aber wenn ich an dich denke, kann ich mich erst recht nicht konzentrieren, das weißt du doch! Deedo sah und lächelte ihren Ritter total verliebt von unten an und näherte sich ihm. Zögerlich und scheu zog sie ihre Arme an. Völlig befangen blickte sie zur Seite hin und schmiegte sich mit Kopf und Händen an das Bruststück seiner Rüstung. Allmählich traute sie sich Parn anzuschauen. Ganz langsam hob sie ihren Kopf und dann ihre Augen. Parns Herz schlug schnell. Sie sah so süß und niedlich aus, wenn sie ihn mit ihren durchdringenden, grünen Augen ansah und ihm dieses bezaubernde Lächeln schenkte, das ihn so in seinen Bann zog… Und ihre goldigen Elfenöhrchen… Parn mochte gar nicht weiter denken. Er war richtig ins Schwärmen geraten. „Parn?“ Parn war so hin und weg, dass er sie schon überhörte. „Äh, ja?“, sagte er schließlich nach längerer Zeit. Deedo kuschelte sich mit dem Gesicht an ihn. „Es wird schon alles gut gehen.“, meinte sie und schloss ihre Augen. Parn legte erst unentschlossen aber dann ganz entschieden die Arme um Deedo und drückte sie fest an sich. Er schmiegte sich mit der Wange an ihr seidiges Haar. Eine Zeit lang verweilten sie so. „Ich hoffe nur, dass mir deine Eltern nicht den Kopf abreißen werden. Einen Menschen haben sie sich bestimmt nicht als Verlobten für dich gewünscht…“ Sie ließen sich los. „Parn! Das werden sie nicht!“, beschwor Deedo ihn mit leichter Fassungslosigkeit in der Stimme. „Sie finden dich mit Sicherheit auf Anhieb sympathisch. Denn ich bin ihre Tochter und du scheinst zu vergessen, dass ich dich sehr gern habe, nein… dass ich dich liebe! Und außerdem… dürfen sie uns gar nicht auseinander bringen…“ Deedo blickte an sich herunter und drückte die Hand auf ihren kleinen Bauchansatz. Sie lächelte glücklich. Parn sah mit sanften Augen zu der Stelle herab. Mit einem Mal umarmte er die Elfe und gab ihr einen Kuss. Er streichelte ihr über den Bauch. Oh ja, bald sah er Vaterfreuden entgegen. Was wohl die Elfen in Deedos Heimatdorf dazu sagen würden? Nicht nur, dass er Deedo heiraten wollte, er hatte ihr sogar auch noch ein Baby gemacht. Oje, er wollte am liebsten umkehren, aber Deedo glücklich zu sehen, zählte mehr. Und das hieß, dass sie ihr Dorf besuchen mussten. Parn konnte sich gut an das letzte Mal erinnern, als er in ihrem Dorf war. Damals war er hierher gekommen um Deedo zurück zu holen, weil Estas sie aus lauter Eifersucht und mit geschickten Intrigen auseinander gebracht hatte. Zum Glück hatte Parn sein Spiel noch rechtzeitig durchschaut und Deedo zurückerobert. Estas hatte ihm damals einreden wollen, dass sie nur aus Mitleid bei Parn bleiben würde, weil er keine Familie mehr hatte, doch Deedo ihr Heimatdorf sehr vermisste und es Parn nur nicht sagte, um ihn nicht zu verletzen. Deedo, wollte Estas, gegen ihren Willen zum Klan zurückbringen. Doch als diese sich standhaft weigerte, schlug er ihr eine Vereinbarung vor: Wenn Parn sie so sehr lieben würde, wie sie vorgab, sollte er ihr folgen. Dann würde Estas sie mit ihm ziehen lassen und wenn nicht, müsse sie ohne Widerrede im Dorf der Elfen bleiben. Natürlich hatte Estas Parn die oben erwähnte Lügengeschichte aufgetischt, so dass Parn dachte, dass Deedo tatsächlich unter Heimweh litt und ihr nicht folgte. Erschwerend kam noch hinzu, dass sie sich bis dahin noch nicht ihre Gefühle gestanden hatten. Aber letztlich war alles gut ausgegangen und Parn hatte seine Deedo wieder und sie ihren Parn. Damals waren Deedos Eltern nicht anwesend gewesen. Was für ein Jammer. Dann hätte Parn sich den Weg heute sparen können. Nur Estas war zu jener Zeit dort. War ja klar. Parn musste sogar noch ein Duell gegen diesen Fiesling gewinnen, damit er Deedo endgültig heim holen durfte. Estas. Wer weiß, was dieser Elf Deedos Eltern schon alles über Parn berichtet hatte? Gewiss nur Schlechtes. Der würde es Parn auf gar keinen einfach machen, einen guten Eindruck bei ihren Eltern zu hinterlassen. Estas wollte Deedo doch am liebsten für sich haben. Langsam sollte er sich mal damit abfinden, dass Deedo zu ihm, Parn, gehört. Und schließlich bekamen sie nun auch bald ihr Baby. Um Himmelswillen! Estas wusste ja, dass Deedo von Parn schwanger ist. Das hatte er im Elfendorf bestimmt schon rumposaunt und das mit der Verlobung sowieso. Parn würde wohl gleich etwas zu hören bekommen, wenn er mit Deedo dort eintraf. Wahrscheinlich musste er seine Tat noch vor so was wie einem Gericht rechtfertigen, das dann über ihn urteilte. Elfen waren manchmal schon eigenartig. Besonders wenn sie unter ihresgleichen lebten. Das war bei Deedo glücklicherweise anders. Na ja, was konnte ihm als Schlimmstes passieren? Seine Seele könnte nur für immer im Wald gefangen bleiben. Aber das würde Deedo niemals zulassen. Er verließ sich da ganz auf ihre Überzeugungskraft. Trotzdem. Er würde immer noch gerne umdrehen. Es ist für Deedo! Es ist für Deedo! Ich mach das nur ihretwegen!, versuchte Parn sich immer wieder einzubläuen. Er raufte sich die Haare. Parn war so in Gedanken, dass er Deedos verwunderten Blick gar nicht wahrnahm. Als er merkte, dass die Elfe ihn anlächelte, tat er so, als wäre nichts gewesen und grinste nur dämlich. Sie waren schon ein ganzes Stück in den Wald hinein gegangen. Er blickte sich aufmerksam um und wollte Deedo damit von dieser peinlichen Szene von vorhin ablenken. Der Wald ohne Wiederkehr war sehr schön. Viel schöner als alle anderen Wälder, die Parn je gesehen hatte. Die Bäume standen immer in Blüte. Kein einziges Blatt lag unten. Auch keine abgeknickten, herab gefallenen Äste, weder noch gefällte oder umgekippte Baumstämme lagen auf dem Grund verstreut. Kein Strauch oder Baum war kahl oder hatte vertrocknete Blätter. Alle Pflanzen waren hier gesund. Das musste wohl an der guten Pflege der Hochelfen liegen, mit der sie ihre Schützlinge umsorgten. Ihnen lag schließlich nichts mehr am Herzen, als das Wohl der Natur, mit all ihren Lebewesen und Geistern. „Du, Deedo, wie ist das denn jetzt eigentlich?“, setzte Parn an und versuchte ein letztes Mal dem unangenehmen Treffen zu entfliehen. „Alle Wesen außer den Elfen altern doch sehr schnell, wenn sie sich im Wald ohne Wiederkehr befinden, oder?“ Deedo nickte. „Ist es dann nicht besser für mich, wenn ich außerhalb auf dich warte? Schließlich will ich nicht als alter Greis mit dir vor den Traualtar treten.“, gab Parn als Grund vor. „Keine Sorge, Parn!“, beruhigte Deedo ihn. „Wenn du in meiner Begleitung bist, kann dir nichts passieren! Außerdem habe ich Estas darum gebeten, dass er die Älteste darum bittet, den Fluch für die paar Tage zu unterbrechen, wo ich mit dir hier bin.“ „Du hast Estas darum gebeten? Gerade Estas…?“, zischte Parn scharfzüngig. „Der wird die Älteste bestimmt nicht gefragt haben! Und falls doch, hat er sie gewiss darum ersucht, den Alterungsprozess des Fluches anzutreiben! Dem wäre doch am liebsten, wenn ich den Wald erst gar nicht wieder lebend verlasse!“ „Parn, nun übertreib doch nicht!“ Deedo konnte es nicht glauben. „Was unterstellst du Estas da nur?“ Parn hob die Schultern. „Für mich ist dieser Elf einfach nur hinterhältig, so wie ein Dunkelelf ungefähr!“ Deedo stemmte die Arme in die Seiten und schüttelte fassungslos den Kopf. Auf diese Weise tadelte sie Parn, aber nicht ernst gemeint. „Was denn? Bei jeder Begegnung mit ihm, hat er versucht, sich zwischen uns zu drängen!“, erinnerte Parn sie. „Ja, ich weiß!“, gab Deedo zu. „Aber zu so was wäre er nicht fähig! Ich kenne ihn dafür viel zu gut! Außerdem glaube ich, dass Estas mittlerweile erkannt hat, dass wir beide zusammengehören.“ Man kann vieles glauben…, dachte Parn skeptisch in seinen Gedanken. „Und ihr zwei scheint euch in letzter Zeit doch auch ganz gut verstanden zu haben! Diesen Eindruck hatte ich zumindest.“ „Das hast du dir nur eingebildet.“, nahm Parn ihr jegliche Hoffnung. „Na ja, aber du wirst doch jetzt nicht umkehren wollen, wo wir schon fast am Ziel sind, oder?“ Deedo sah ihn mit einem herzerweichenden Elfenblick an. „Was? Wir sind schon da?“, fragte Parn entsetzt. „Aber ich sehe das Dorf gar nicht!“ „Dummerchen! Wir müssen auch erst durchs Portal gehen!“, klärte sie ihn neckend auf. Parn blickte sich um. „Aber ein Portal sehe ich auch nirgends!“ „Komisch!“ Deedo drehte sich zum verschwommen, schimmernden Eingang hin. „Damals, als du mich zurück geholt hast, bist du doch auch ins Dorf gelangt. Wie hast du das nur geschafft?“, witzelte sie. Parn sah sich immer noch um. „Na ja, damals war ich so aufgelöst und bin einfach hier herumgeirrt und da muss ich wohl zufällig durch das Portal gelaufen sein!“ Er kratzte sich überlegend am Hinterkopf. „Herrje, ich kann mir bei einem Mal doch auch nicht alle Ecken des Waldes merken!“, stöhnte er verdrießt. Er wandte sich zu Deedo, aber sie war verschwunden. „Äh, Deedo?“, rief Parn verwirrt. Er suchte nach ihr und drehte sich dabei ein paar Mal um die eigene Achse. Doch nirgends war sie zu entdecken. „Hier bin ich!“, ertönte ihre Stimme plötzlich von hinten. Sie streckte ihren Arm durch das unsichtbare und verschwommene Portal hinaus und ergriff Parn am Kragen seines Umhangs. Kraftvoll zog sie den erschrockenen Ritter durch den Eingang hindurch. Es dauerte nicht lange, da hatten sie die ersten riesigen Bäume mit ihren mächtigen Stämmen und kraftvollen Ästen erreicht, welche die Häuser der Elfen trugen. In Parns Bauch rumpelte es. Er blieb stehen. Deedo merkte zunächst gar nicht, dass Parn hinter ihr zurückblieb. In Parn zog sich alles zusammen, so angespannt war er. Oh Gott! Hoffentlich musste er nicht noch bei Deedos Vater um ihre Hand anhalten! Das würde er nicht schaffen, sondern vor lauter Angst und Ehrfurcht nur zusammenbrechen. Ihm blieb nur die Hoffnung, dass dieser Brauch unter den Elfen nicht bekannt war. Es war ja immerhin ein menschlicher Brauch, also standen die Chancen nicht schlecht. Parn betrachtete beeindruckt die Häuser der Waldwesen. Sie waren schön. Es waren Hütten, gefertigt aus Blockbohlen. Sie waren nicht sehr groß, aber auch nicht zu klein, eben genau richtig. Elfen sind in solchen Dingen eh nicht sehr anspruchsvoll. Das entsprach nicht ihrem Charakter. Und außerdem, verbrachten sie die meiste Zeit ohnehin draußen, in der Natur. Parn fand die Häuschen wirklich entzückend. Sie hatten gar keine Türen, nur Vorhänge, genau wie vor ihren Sprossenfenstern. Die Balken der Vordächer hatten überwiegend eine gewellte Form. Was ihm nur auffiel, war, dass es nirgendwo Hängeleitern gab, um hinauf klettern zu können. Natürlich! Das hatten die Elfen auch gar nicht nötig, so elegant und hoch, wie sie springen konnten. Parn beneidete sie darum. Auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass es bei ihm elegant aussah. Dann bemerkte er doch ein Haus, von dem eine Leiter fast bis zum Boden hing. Ob es das Haus von Deedos Eltern war, schoss es Parn sofort durch den Kopf. Dann hatten sie sich ja schon auf seinen Besuch eingestellt und wollten ihn nicht gleich wieder davon jagen? Parn fühlte ein wenig Erleichterung in sich aufsteigen. Vielleicht wird es ja doch nicht so schlimm, wie er die ganze Zeit befürchtete. Da hörte er Deedo auch schon rufen. „Parn! Nun komm schon! Ich bin doch bei dir!“ Parn verzog das Gesicht. Es war ihm etwas peinlich ab. Musste ja nicht jeder gleich wissen, wie sehr er sich vor dem Aufenthalt hier fürchtete und dass er glücklich darüber war, dass Deedo bei ihm ist. Besonders die Elfen sollten das nicht erfahren. Schließlich war er ein tapferer, mutiger Ritter. Parn kam zu ihr und folgte Deedo mit geringem Abstand. Durch die Fenster konnte er keine Menschen-, ups…äh, Elfenseele erhaschen. Erst als sie tiefer ins Dorf rein gingen und dort eine Stelle erreichten, die man mit einem Marktplatz aus den menschlichen Dörfer und Städten vergleichen konnte, ein zentraler Ort halt, trafen sie auf jemanden. Die Bäume säumten einen Kreis und zwischen ihnen konnten sie einige Gestalten ausmachen. Es musste wohl das Begrüßungskomitee sein, dachte Parn bitter. Oh Gott! Auf einmal sackte sein Herz wieder zurück in die Hose. Seine Aufregung stieg wiederkehrend an. Die Figuren traten zwischen den Bäumen hervor. Ein Mann und eine Frau im Vordergrund und dahinter mindestens noch sechs weitere Elfen. Waren das ihre Eltern? Ja, sie mussten es sein. Die beiden sahen nicht viel älter aus, als Deedo selbst. Aber sie wirkten sehr erfahren und weise. Das konnte Parn schon auf dem ersten Blick erkennen. Deedos Mutter trug ein einfaches, langes lachsfarbenes Kleid, das eine Verzierung am Oberteil hatte und die langen Ärmel teilten sich in der Mitte in Puffärmelchen auf. Sie hatte genauso helles blondes Haar wie seine Deedo. Ihr geflochtener Zopf, den sie über der Schulter trug, reichte ihr bis zu den Knien. Nun wusste Parn, von wem Deedo ihre Schönheit hatte. Deedos Vater war ein großer, schmaler und zierlicher Mann. Die Haare trug er vornehm nach hinten gekämmt. Er hatte ein langes pfauenfarbenes Jackett an, dessen Saum sich nochmals dunkel abgrenzte. Das Jackett hatte er an den Armen zurückgeschlagen und seine Halbstiefel an den Füßen waren in der gleichen Farbe. Die restliche Kleidung setzte sich aus einem cremegrünen Farbton zusammen. Deedo und ihre Eltern standen da und blickten sich liebevoll an. Dann endlich fielen sie sich in die Arme. Deedos Ohren sanken vor Freude herab, so wohl fühlte sie sich in diesem Moment. Sie schloss glückselig die Augen und schluchzte etwas. Parn sah wie winzige Tränen an ihren Wimpern hingen. Dieser Anblick erfreute ihn. Er fand es unheimlich schön, Deedo so strahlen zu sehen. Es war richtig beneidenswert. Vater und Mutter drückten ihre kleine Elfe fest an sich. „Deedlit, meine Kleine… Wie wunderschön es ist, dich wieder bei uns zu haben…“, sagte ihre Mutter voller Freude. Auch sie war den Tränen nahe. Es war einfach nur rührend, fand Parn. „Es ist schön, dass du uns mal wieder besuchst! Wir haben dich alle sehr vermisst, Deedlit.“, sprach ihr Vater. Er gab seiner Tochter einen Kuss aufs Haar und streichelte ihr über den Rücken. Deedo hob ihren Kopf an. Sie hatte sich die gesamte Zeit mit dem Gesicht an den Hals ihrer Mutter gelehnt. Aufrecht stellte sie sich zu ihren Eltern hin und lächelte bewegt. Deedo wischte sich die Tränen aus den Augen fort. „Ich freue mich auch, euch wieder zu sehen!“, wimmerte sie. „Ihr habt mir unheimlich gefehlt. Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr!“ Hinter ihren Eltern, streckten die restlichen Elfen neugierig ihre Köpfe vor. Es waren anscheinend ihre Freunde hier aus dem Dorf. Deedo schoss durch die Mitte ihrer Eltern und fiel jeden einzelnen um den Hals. „Amarylia!“, lachte sie. „Ich bin froh dich zu sehen! Geht es dir gut?“ „Ja, es geht mir gut! Toll, dass du wieder hier bist, Deedlit!“, rief ihre Freundin begeistert. „Madoen!“ Deedo fiel dem nächsten Elf um den Hals und lächelte glückstrahlend. „Deedlit! Bist du hübsch geworden! Ich hätte dich ja kaum wieder erkannt!“, sagte er flattierend. „Du musst uns wirklich öfters besuchen, damit mir das nicht noch mal passiert!“ Der Elf kitzelte Deedo mit seinen Fingern am Hals, bis sie vergnügt auflachte und ihr Kinn an die Schulter quetschte. „Madoen, du alter Schmeichler! Du hast dich wirklich kein bisschen verändert!“, stellte sie ironisch fest. „Du kannst wohl nicht damit aufhören, über mich zu frotzeln, was?“ Madoen grinste sie bloß an. Deedo begrüßte die Elfen nacheinander. Parn fühlte, dass er irgendwie immer mehr ins Abseits geriet. Aber das machte ihm nichts. Diese Szene war viel zu ergreifend, als dass er sich dort hineindrängen wollte. Viel lieber schaute er nur zu. Ach, wie gern hätte er das auch für sich gehabt. Eine Familie, die ihn nach langer Zeit, so herzlich in die Arme schließt. Doch seine Eltern waren, wie vorhin schon erwähnt, vor langer Zeit gestorben. Aber bald hatte er ja eine eigene Familie. Ein schönes Gefühl war das. Parn betrachtete wie Deedo sich wieder zurück an ihre Mutter gekuschelt hatte. Sie lag mit dem Kopf an ihrer Brust und Parn konnte sehen, wie ihr dicke Tränen über die Wangen kullerten. Ihr Heimweh musste doch sehr groß gewesen sein, vermutete Parn. Hoffentlich wollte sie nachher nicht ganz im Dorf bleiben! Aber das glaubte Parn nicht. Dafür waren die zwei viel zu sehr ineinander vernarrt. Er hing wohl nur zu sehr seinen Gedanken nach. „Mami…“, flüsterte Deedo. Ihre Mutter strich mit den Daumen über Deedos Wange. „Meine Kleine…“, wisperte sie ebenfalls. Deedo wühlte mit dem Gesicht an der Brust ihrer Mutter herum. Nach einer Weile ließ sie sich wieder in die Arme ihres Vaters sinken. Ihre Freunde sahen ihr dabei ebenso bewegt zu, wie Parn. „Hach, Papa…“, seufzte Deedo. Der Vater kraulte ihr den Kopf und strich mit der anderen Hand über ihre Hüfte. Er gab ihr einen lieben Kuss auf die Stirn. „Sch, mein Liebes. Ist ja gut. Jetzt bist du wieder bei uns.“, sagte er mit beruhigender Stimme. Er fasste ihr mit beiden Händen an die Schultern und drückte sie ein wenig von sich weg, um sie genau betrachten zu können. „In der langen Zeit bist du tatsächlich noch hübscher geworden! Eine wahrhaftige Schönheit! Ebenso wie deine Mutter!“ Deedo lächelte geschmeichelt. Ihr Vater sagte ihr allzu gerne schöne Worte. „Aber sag mal, Kind, bist du irgendwie dicker geworden? Du bist ziemlich rund um die Hüften!“, erkundigte sich ihr Vater verwundert. Deedo war zunächst sprachlos. Sprachlos darüber, so was aus dem Munde ihres Vaters zu hören. Und dann auch noch so unverblümt! Doch dann lächelte sie wieder, schließlich wurde sie nicht ohne Grund dicker. „Na ja, weißt du Papa…“, sie blickte zu ihrem Bauchansatz. „Das liegt daran, dass ich ein Baby bekomme…“ „Ein Baby?!“, wiederholten ihre Eltern und alle Elfen ungläubig. Deedo nickte lächelnd. „Genauer gesagt, erwarten mein Verlobter und ich dieses Baby!“, sagte sie und drehte sich gleichzeitig zu Parn um. Kapitel 2: Ein kleines, gedeihendes Problemchen und befremdete Sitten --------------------------------------------------------------------- Oh nein! Jetzt war es soweit! Parn wollte nicht. Er würde sich doch nur wieder dämlich anstellen! Konnten sie nicht einfach weiter reden, ohne ihn zu beachten? Deedo lächelte ihn zuversichtlich an. Schnell war sie bei ihm und packte ihn am Arm. Parn ließ sich, steif wie ein Stock, hinterher ziehen. Er konnte vor Nervosität kaum atmen. Sein Herz pochte so laut und raste so schnell, dass er seine Gedanken gar nicht mehr hören konnte. Er konnte sowieso keinen einzig klaren Gedanken mehr fassen. Es war sicher, dass er gleich nur noch dummes Zeug drauf losreden würde. Deedo gab sich Mühe, ihn zu beruhigen. Immer wieder lächelte sie ihn an, um ihm Mut zu machen und streichelte seinen Arm. Aber alles half nichts. ‚Du brauchst keine Angst zu haben’, las Parn aus ihrem Blick. Die hatte er aber. Und wie! Er brach mit jedem Schritt, den er tat, mehr in Schweiß aus. Parn riss beim Gehen seine Beine völlig verkrampft und steif hinauf und sein Rücken hatte eine ebenso starre und unbewegliche Haltung. Deedo blieb mit ihm direkt vor ihren Eltern stehen. Sie servierte ihn auf dem Präsentierteller. Ihr Vater sah Parn rigoros und ungerührt an. Ihre Mutter bedachte ihn mit einem verwunderten und rätselhaften Blick. Parn bekam das kalte Grausen. Er wusste nicht, welche Haltung er einnehmen sollte. Sollte er einfach steif wie ein Stock dastehen, oder locker sein? Nein, wenn er sich zu locker darstellte, machte das einen schludrigen Eindruck. Und zudem war er dafür gar nicht gelassen genug. Schweißperlen liefen ihm von der Stirn über die Schläfe entlang. Und was war mit dem Blick? Sollte Parn sich demütig am Kopf kratzen und ab und an verlegen zu ihnen aufblicken, um ihnen so seine Ehrerbietung zu erweisen? Oder sollte er Deedos Eltern geradewegs anblicken? Ganz furchtlos und ihnen demonstrieren, dass er ein mutiger, stolzer Mann ist? Doch war das nicht etwas zu hochmütig und würde das die Würde ihrer Eltern verletzen? Parn war immerhin ein Edelmann und da musste man sich zu benehmen wissen. Er versuchte den Eltern einfach ohne Umwege in die Augen zu sehen, ganz diskret, abgesehen davon, sie dabei irgendwie herabzusetzen. Doch sein Blick war alles andere als entspannt, sondern wirkte eher wie gelähmt. Parn hatte das Bedürfnis zu gähnen, so müde war er. Aber das passte ja jetzt ganz und gar nicht. Sie waren schon seit Tagen von Valis hierher unterwegs und sind heut morgen bereits zeitig aufgebrochen. Er bemühte sich Deedos Eltern unverblümt anzusehen, aber am liebsten wollte er sich abwenden. Doch das ging nicht! Wenn er bei jeder unangenehmen Sache gleich davon rannte, was für eine Memme war er denn dann? Parn war doch ein starker Ritter und mit seinem standhaften Blick wollte er den Eltern unter Beweis stellen, dass er ihre Tochter überall, zu jeder Zeit und egal vor wen beschützen konnte. Auch wenn dieser Blick alles von ihm abverlangte. Oh ja, das wollte er ihnen mitteilen. Parn spürte einen Kloß ihm Hals. Wenn sie jetzt von ihm verlangten zu sprechen, würde wohl nur ein Fiepen ertönen. Sein Gesicht war klatschnass. Hoffentlich fing er jetzt nicht noch zu zittern an. Und schon bemerkte er, wie seine Knie zu schlottern begannen. Es war Gott sei dank nur ganz leicht. Parn wünschte sich nur, dass die anderen nichts merkten. Deedo! Um Himmelswillen, sag doch was! Ich kann nicht sprechen! Jetzt jedenfalls noch nicht! Parn wusste auch gar nicht, was er sagen sollte. Ach, sie hätten das zu Hause mal gemeinsam durchspielen sollen! Das hätte gewiss alles vereinfacht. Deedo fuhr mit einer anhimmelnden Stimme fort, die einen kleinen Einblick darin gewährte, wie sehr ihr Herz für Parn schlug. „Papa, Mama, ich möchte euch Parn vorstellen! Mein zukünftiger Mann und der Vater meines Kindes!“, hauchte sie bezaubert. „Ich habe ihn kennen gelernt, als ich hinausgezogen bin, um die Welt der Menschen zu entdecken.“ Deedos Vater schob unerwartet eine Augenbraue hoch. Dann ist sie bei ihren Erkundigungen aber schnell fündig geworden. Oh, vielen Dank, freute sich Parn. Deedo hatte angefangen zu sprechen. Doch Parn blinzelte aufgeregt, denn irgendwas stimmte mit ihrem Vater nicht! Und auch die Mutter verhielt sich seltsam. Sie hakte sich bei ihrem Mann ein und streckte neugierig den Kopf zu Parn vor und begutachtete ihn prüfend. Dem Ritter kam es so vor, als würde sie an ihm schnuppern. „Er ist ein ganz wunderbarer Mann!“, gelobte die Elfe schwärmerisch. „Das könnt ihr mir glauben!“ Sie lachte niedlich auf und schaute ihren Liebsten verträumt an. Deedo kuschelte sich mit dem Kopf an seinen Arm und ließ die anderen erkennen, wie wohl sie sich bei Parn fühlte. Die Elfen begannen aufgeregt untereinander zu tuscheln. „Aber das ist ja ein Mensch!“, hörte Parn eine abwertend über ihn sagen. „Deedlit will die Ehe mit einem menschlichen Mann eingehen? Wie unvernünftig!“ „Und diesen Menschen zieht sie Estas vor? Jetzt verstehe ich, warum er die letzte Zeit so deprimiert ist!“, bekundete Deedos Freundin Amarylia. „Was heißt denn hier ‚armer Estas’? Mich hätte sie genauso gut haben können!“, erklärte Madoen mit schalkhaften Unterton in der Stimme. Deedo blickte Parn während des ganzen Getuschel weiterhin vollkommen verträumt an. Sie wollte diese unangenehmen Dinge einfach überhören. Parns Blick wurde weich und er strahlte Deedo genauso rührend an, wie sie ihn. Was gaben sie schon auf die dummen Kommentare der anderen? Die waren geradezu überflüssig! Sie hatten keine Ahnung von den tiefen Gefühlen, die Deedo und Parn füreinander hegten. „Ich habe euch ja vorgewarnt, dass sie mit einer Überraschung nach Hause zurückkehren würde!“, erklang plötzlich eine Stimme. Unverzüglich schossen die Blicke aller zu einem Baum hoch. Estas lehnte locker mit dem Rücken gegen den Stamm, aufrecht stehend auf einem der Äste. Er winkelte sein rechtes Bein an und drückte den Fuß gegen den Stamm. Anschließend schlug er die Arme übereinander und schloss herablassend seine Augen, während er den Kopf nach unten neigte. So stand dieser Angeber da. Oh Gott, Parn konnte ihn nicht ausstehen. Seine Brust schnürte sich vor aufsteigender Wut zusammen. Aus seinen Händen wurden verkrampfte Fäuste. Parns Blick verweilte grimmig auf Estas und er spürte wie seine Lippe in wiederkehrenden Abständen zuckte. Es wurde schlimmer, als Estas ihn herabwürdigend aus den Augenwinkeln ansah. Estas machte sich einen Spaß daraus, Parn zu reizen. Wenn er vor Deedos Eltern ausflippen würde, wäre das sein Gnadenstoß. Deedo blickte abwechselnd zu den beiden hin. Sie seufzte hoffnungslos. Sie konnte nur dafür beten, dass die zwei nicht aufeinander losgingen. Das hätte noch gefehlt. Deedo bangte darum, dass sich Parn nicht zu sehr von Estas provozieren ließ. „Estas?!“, riefen ihre Freunde. Dieser hüpfte vom Ast und lehnte sich in gleicher Haltung unten an den Stamm zurück. Nun wollen wir doch mal abwarten, was passiert! Er sah Parn herausfordernd an und lächelte gemein. Die Elfen begannen erneut zu tuscheln. Deedos Vater machte sich so seine Gedanken. Soso! Das ist also derjenige, den sich Deedlit zum Mann wünscht?! Ein großer und kräftiger Bursche ist er ja, das lässt sich nicht abstreiten. Und diese Kleidung, die er trägt, eine Rüstung! Dann ist er offenbar ein Ritter. Also einer von der Sorte Mensch, die es liebt, durch ihre Hände Blut zu vergießen! Aber es muss scheinbar im Sinne der Gerechtigkeit geschehen. Einen Menschen, den es aus purem Vergnügen danach gelüstet, Leben zu nehmen, hätte sie sich wohl kaum ausgesucht! Dann hätte sie sich aber stark verändert…. „Also, du bist Parn, ja?“, begann Deedos Vater. „Estas hat uns schon davon berichtet, dass Deedlit dich mit hierher ins Dorf bringen würde. Aber das mit dem Baby muss er, wie es scheint, vergessen haben!“ Er drehte sich nach Estas um. „Och, ich wollte nur nicht zu viel von der Entrüstung vorwegnehmen!“, begründete der Elf scheinheilig. Ihr Vater blickte Parn wieder an. Der erschrak und seine Augen quollen riesig hervor. Parn schluckte nervös. Er straffte den Körper, der ohnehin schon viel zu steif war. Seine Arme drückte er krampfhaft gegen die Seiten. „Hm, ich weiß ja, dass Menschen im Gegensatz zu uns noch sehr unterentwickelt sind, aber sprechen können sie doch, oder Deedlit?“, wunderte sich ihr Vater spöttisch. Peinlich, peinlich! „Hä, hä…“, lächelte Deedo beschämt. Ihr Vater streckte Parn die Hand zur Begrüßung hin. „So begrüßt man sich doch unter den Menschen, nicht wahr?“ Zitternd hob Parn die Hand. Stell dich nicht so an, bleib locker und sei nicht so verkrampft! Er ist doch sehr nett zu dir! Dann musste er plötzlich würgen. Parn schnellte noch mit der Hand zu seinem Mund, um ihn zu verschließen. Doch er konnte sein Erbrochenes nicht mehr aufhalten und es schlabberte runter auf die Hand von Deedos Vater. „WAAAH!! IIIIEEEHH!!“ kreischten die Elfen wild durcheinander. Sie hielten sich alle geschockt die Hand vors Gesicht und Parn schwankte bis er schließlich rückwärts zu Boden krachte. „Parn!!“, rief Deedo angsterfüllt. Sie packte ihn bei den Schultern, während Parn nach vorn gebeugt zwischen seinen Beinen erbrach. Man hörte ein ständiges Würgen von ihm. „Parn, oje… ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie besorgt nach. Parn nickte, übergab sich aber dennoch weiter. „Tut… tut mir…Leid…“, brachte er zwischen dem Würgen heraus. Deedo legte sich mit ihrem Gesicht auf seine Schulter. Ihre Haare schmiegten sich an Parns Hals und sie strich ihm mit der Hand tröstend über den Kopf. „Ist schon gut, du kannst doch nichts dafür.“ Wieder hörten sie die Elfen aufgebracht tuscheln. „Das ist ja unglaublich!“, rief eine bestürzt. „Ja, ungeheuerlich peinlich für ihn!“, fügte Amarylia hinzu. „Wie widerlich! Dass er ihm einfach auf die Hand erbricht!“, sagte Madoen angeekelt. „So was gehört sich nicht! Menschen haben einfach kein Benehmen!“, verhöhnte Parn ein anderer. „Wie Deedlit sich nur aus so was einlassen kann!“, meinte eine voller Unverständnis. „Da hat sie doch was viel Besseres verdient!“ „Und ob!“, stimmte ihr die eine von gerade zu. „Ich wusste ja gar nicht, dass sie sich unter Menschen auf diese Art begrüßen?“, mischte sich Deedos Vater wieder ein. „Ist das die übliche Sitte? Wenn ja, darf ich vielleicht anmerken, dass es sehr unhöflich wirkt, wenn man jemanden gleich seine ganzen Körperflüssigkeiten entgegenbringt!“ Er beachtete Parn und Deedo gar nicht während des Sprechens. Ihr Vater sah zu seiner Hand, die er eifrig schüttelte, um sie vom Erbrochenen zu befreien. Er war sehr beherrscht und versuchte den Eindruck zu vermitteln, als habe ihm das alles nicht viel ausgemacht. „Möglicherweise hat er ja was Falsches gegessen und ihm ist deswegen übel geworden. Vielleicht will er sich ja ein wenig hinlegen?“, fragte sich Deedos Mutter und suchte nach einem Grund für Parns Übelkeit. Parn war ganz blass im Gesicht. Er fühlte sich benommen. Zum Glück war es jetzt vorbei und er musste nicht mehr würgen. Mit der Hand wischte er sich über den Mund und streifte mit dem Handrücken über seine schweißbedeckte Stirn. Dann stützte er sich mit den Händen auf den Boden und versuchte seinen Atem wieder zu beruhigen. Plötzlich brach Estas in höhnisches Gelächter aus. „Ha, ha, ha! Hat er vielleicht eins deiner Pilzgerichte gegessen und du hast die normalen Pilze mal wieder nicht von den giftigen unterscheiden können, Deedlit? Möglicherweise willst du ja insgeheim doch nicht mit diesem Ritter zusammen sein, wenn du ihn schon beinahe umbringst!“, grinste Estas gehässig. „Wie könnt ihr nur?!“, brach es blindwütig aus Deedo heraus. „Nichts ist mir lieber als mit Parn zusammen zu sein! Er ist für mich das Kostbarste auf der Welt!“ Alle fuhren zusammen, als Deedo sich aufrecht hinkniete und sie wutentbrannt anschrie. So hatten sie die Elfe noch nie erlebt. So garstig! „Ich liebe ihn über alles!“, fuhr Deedo leidenschaftlich fort. Parn errötete. Er konnte kaum glauben, wie offenkundig sie darüber sprach. Und das zu ihren Eltern und engsten Freunden. „Wäre ich sonst mit ihm hierher gekommen, um ihn euch vorzustellen? Aber wenn ich es mir im nachhinein überlege, war es vermutlich die falsche Entscheidung, so gemein und unfair, wie ihr Parn behandelt! Ihr solltet euch schämen!“, warf sie jedem von ihnen vor. Die Elfen blickten sich erstaunt und mit offenen Mündern an. „Stellt euch doch nur mal vor, ich wäre in seiner Lage und er würde mich seinen Eltern vorstellen! Würdet ihr mir dasselbe wünschen, dass sie sich genauso fies und unfreundlich verhalten, wie ihr es gerade tut?“, schimpfte Deedo und versuchte ihnen ins Gewissen zu reden. „Nein.“, gab Amarylia reumütig zu. „Niemals.“, stimmte Madoen ihr gleichermaßen schuldbewusst zu. „Bestimmt nicht!“, schloss sich ihnen eine weitere Elfe an. „Mir würde so etwas nie passieren!“, behauptete Estas großkotzig. Er lehnte eingebildet und mit geschlossenen Augen weiterhin an dem Baumstamm. „Weil es mir nie einfallen würde, Gefühle für einen Menschen zu entwickeln!“, verkündete er und wollte Deedo damit zeigen, wie falsch eine Liebe zu einem Menschen ist. Deedo blickte Estas grimmig durch ihre Augenschlitze an. „Grrr, Estas!!“, grollte sie und bleckte die Zähne. Du bist noch so dumm, Estas! Man kann nicht bestimmen, wann man Gefühle für jemanden entwickelt! Es geschieht einfach und dabei ist es egal, ob es sich um Menschen oder Elfen handelt! Sie blickte liebevoll auf Parn nieder, der wiederum schutzbedürftig zu ihr aufsah. „Er ist doch nur unheimlich aufgeregt… und nervös.“, erklärte Deedo voller Mitgefühl für ihn. „Deshalb ist ihm auch schlecht geworden. Das könnt ihr ihm doch nicht vorwerfen! Parn ist so tapfer und ist meinen Vorschlag trotzdem eingegangen, euch hier zu besuchen, obwohl er genau wusste, dass die Elfen meist bloß mit Abneigung auf Menschen reagieren.“ „Wenn er doch weiß, wie sehr wir den Kontakt zu Menschen ablehnen, hätte er doch gar nicht hierher kommen brauchen.“, entgegnete Estas. „Dann wäre uns dieser jämmerliche Anblick erspart geblieben.“, zog er über den armen Ritter her. Deedo bedachte Estas bissigen Kommentar nur mit einem abschätzigen Blick. Das er so was nötig hatte… Parn blickte den Elfen griesgrämig an und verfiel sogleich in böswillige Gedanken. Was willst du eigentlich, du langweiliger Bolzen?! Auf deine provozierenden Äußerungen gebe ich nichts! Kein Wunder, dass Deedo sich nicht für dich entschieden hat. Sieh dich doch mal an! Hier gleicht ein Elf dem anderen! Da musste sie sich ja zwangsläufig nach Abwechslung umschauen… und die hat sie dann nun mal in mir gefunden! Und wenn dir daran was nicht passt, ist es mir auch egal! Du kannst uns niemals auseinander bringen! „Denk doch was du willst, Estas!“, blockte Deedo seine Worte ab. „Ich weiß, dass Parn es nur meinetwegen gemacht hat, weil er mir nicht weh tun wollte!“ Sie sah zu ihren Füßen und errötete. „Daran könnt ihr sehen, wie sehr er mich liebt!“ Die Elfen sahen ausweichend durch die Gegend. Die meisten schauten zum Boden. Irgendwie hatten sie ein schlechtes Gewissen. Nur Estas zog genervt die Augen hoch. Er befand sich doch im Recht. „Aber was mir wirklich wehtut, ist, dass ihr euch gar nicht darüber freut, dass ich ein Baby bekomme…“, sagte sie schmerzerfüllt. Deedo senkte den Kopf und Tränen füllten ihre Augen. „Ihr habt nicht ein einziges Wort dazu gesagt!“ Sie legte ihre Hände eng an ihre Brust, als wollte sie sich selbst Halt geben und sich trösten. Parn blickte mitfühlend zu ihr auf. „Deedo…“, hauchte er. Augenblicke später hatte der Ritter das Gesicht seiner Elfe mit den Händen umfasst. Ihre Stirnen drückten gegeneinander. Parn sah Deedo tief und durchdringend in ihre dunkelgrünen Augen. Mit den Daumen trocknete er ihre Tränen. Ich wusste es, ich wusste es! Mir war gleich klar, dass sie es so aufnehmen würden. Sie wollen nicht, dass ihre Tochter ein Halbelfenkind zur Welt bringt! Das ist doch eine Schande für sie. Ich habe es geahnt! Wie konnten wir nur davon ausgehen, dass sie Verständnis dafür hätten und sich mit uns freuen würden? Parn blickte direkt in ihre feuchten Augen, die ihn widerspiegelten. „Ist schon gut, Deedo.“, sagte er barmherzig. Das Wichtigste ist, dass wir uns auf das Baby freuen! Alles andere ist dabei egal.“ Er neigte den Kopf auf Seite um sie um ihre Zustimmung zu bitten. Deedo nickte lächelnd und brach dann noch mehr in Tränen aus. Sie warf sich schluchzend an Parns Brust. „Ach, Parn…", seufzte sie. Der schloss sie fest in seine Arme und streichelte ihr lindernd den Rücken. Die Elfen und auch Deedos Eltern schienen besonders berührt von diesem Anblick zu sein. Einige von ihnen, darunter auch Deedos Mutter, wischten sich die Tränen fort. Ihre Mutter ergriff als erste das Wort. „Aber Deedlit, Kind, natürlich freuen wir uns darüber, dass du ein Baby erwartest! Jeder Nachwuchs ist in unserem Klan herzlichst willkommen.“, beteuerte sie mit warmen Tonfall. Deedo errötete vor Glück und blickte zu ihr. „Wirklich?! Ist das tatsächlich wahr?“, fragte sie ungläubig. „Selbstverständlich ist es das!“, lächelte ihre Mutter. „Glaubst du etwa, mich würde es nicht glücklich machen, Großmutter zu werden? Dieses Kind wird etwas ganz Besonderes werden!“, sagte sie schon voller Stolz. „Ja, schon allein deswegen, weil seine Ohren nur halb so lang sein werden, wie die von normalen Elfen!“, scherzte ihr Vater bewusst verletzend. Deedos Augen wurden riesig vor Entsetzen. Ihre Mutter verurteilte den Vater mit einem bösen Blick. Er räusperte sich entschuldigend. „Nein, es wird etwas Besonderes sein! Das steht fest!“, erleichterte er sein schlechtes Gewissen. „Schon allein deswegen, weil es das Baby von unserer entzückenden Deedlit sein wird!“, beglaubigte er ihr. Deedo lachte erleichtert und fröhlich auf. All die unschönen Kommentare waren wie weggeblasen. Überglücklich schoss sie auf ihre Eltern zu und fiel diesen um den Hals. Parn hatte sie nun ganz vergessen. Etwas irritiert von Deedos plötzlichem auf und davon, kippte er fast ins Gras. Auf den Unterarmen konnte er sich jedoch noch soeben abfangen. Auch er war froh und beruhigt, dass Deedos Eltern ihre Meinung wegen dem Kind geändert hatten und ein Halbelfenbaby akzeptierten. Das war gewiss nicht leicht für sie. Er hörte Deedos Freunde tuscheln. „Hoffentlich lässt sie uns das Baby auch mal zum Aufpassen hier!“, wünschte sich Amarylia. „Es wird bestimmt total niedlich sein!“, meinte Madoen. „Oh ja! Ich möchte es zu gerne mal spazieren tragen, oder es füttern!“, sagte eine andere begeistert. „Was meint ihr, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird?“, fragte einer in die Runde. „Oh, ich bin mal gespannt, welchen Namen sie aussuchen werden!“ Eine weiter hob verkündend den Arm hoch. „Ich werde ihm einen kleinen Plüschbären machen!“ Während die Elfen begeistert darüber diskutierten, wer welchen Part beim Babysitten übernehmen wollte, schaute Estas nur grimmig zu ihnen herüber. So hatte er sich’s aber nicht vorgestellt. Warum waren denn auf einmal alle so hingerissen davon, dass Deedlit ein Baby von diesem Menschen erwartete? Hatten sie vergessen, dass der Vater ein Sterblicher ist? Er würde das reine Blut der Hochelfen verunglimpfen und dieses neue Leben weniger wertvoll machen. „Und zur Hochzeit werdet ihr auch kommen, ja?“, hörte er Deedlit fragen. Ihre Eltern lächelten und antworteten im Einklang. „Aber gewiss!“ „Ich werde es mir doch nicht entgehen lassen, wenn meine kleine Deedlit heiratet!“, sagte ihre Mutter. Parn hatte sich unterdessen wieder aufrecht hingestellt, klopfte seine Kleidung sauber und entfernte nebenbei die großen Falten aus Ärmeln und Hosenbeinen. Deedo drückte ihre Eltern nochmals an sich. „Ich kann euch gar nicht sagen, wie schön es ist, das von euch zu hören!“ Sie schaute durch die Mitte, zwischen den Köpfen ihrer Eltern zu ihren Freunden herüber. „Ihr seid natürlich auch alle herzlich dazu eingeladen!“, rief sie ihnen mit überschwänglicher Freude zu. „Wartet, ich verteil gleich die Einladungskarten!“ Schnell drückte Deedo eine davon ihren Eltern in die Hände. Dann hüpfte sie von einem zum anderen ihrer Freunde. Die brachen in Jubelschreie aus, als sich Deedo zu Estas begab. „Juchhu!“, sangen sie alle. Die Elfen sprangen erregt hoch und klatschten sich abwechselnd in die Hände. Ein paar drückten sogar die vor Aufregung angespannten Fäuste gegen ihre Oberkörper, um ihre große Freude darüber auszudrücken. Madoen ging dabei selbst in eine Siegespose. „Yeah!! Das wird bestimmt ein spitzen Fest“, rief er begeistert. „Ja, und wir lernen dann endlich mal die Welt der Menschen besser kennen!“, freute sich Amarylia auf den kleinen kulturellen Ausflug. Deedo übergab Estas mit einem herzlichen Lächeln die Einladung. Sie nahm dabei seine Hand, legte das Papier hinein und drückte seine Finger zusammen, damit er es nicht verlor. Dann verschwand sie wieder ohne was zu sagen. Estas hob die Hand und starrte die Einladung kurz an. Es war ein schön gestaltetes Papier mit vielen edlen Verzierungen. In der Mitte standen die Namen von Deedo und Parn in einem eleganten Schriftzug. Weiter darunter, in kleinerer Schrift, wann und wo die Trauung vollzogen werden sollte. Estas hörte Madoen zu sich rüber rufen. „Du kommst doch auch mit, nicht wahr, Estas?“ Estas antwortete nicht. Stattdessen zerquetschte er das Papier mit seinen Fingern und bleckte angewidert die Zähne. Mit der freien Hand schob er verärgert sein Cap tiefer ins Gesicht und drehte es auf Seite, als wolle er nichts davon hören. Sie alle sollten mal nicht so tun, als sei Parn der perfekte Schwiegersohn! Er war ein Mensch – ein Bastard! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)