Maybe von Avis_Callaina (What could have happened) ================================================================================ Miss You So Bad (oneshot) ------------------------- Fünf endlos lange dauernde Monate waren vergangen, seit dieser schrecklichen Nacht, die Gakoru sein Leben lang verfolgen würde. Es war jene Nacht, in welcher er sich verändert hatte, in welcher er gnadenloser und calculierender wurde. Jene Nacht, in welcher Thairss in seinen Armen gestorben war. Auch wenn Gakoru es nur schwer eingestand, sie fehlte ihm. Ihre verrückte Art, ihr spöttischer Unterton, ihr Ernst, ihre Verträumtheit, ihre zierliche Figur, ja sogar ihr Geruch schienen ihn zu verfolgen, auch wenn sie selbst nicht mehr da war. Sie würde nie wieder bei ihm sein. Er würde nie wieder die Dinge wahrnehmen, die ihn an ihr so fasziniert hatten. Er würde ihr niemals sagen können, dass er sie liebte. Es war viel zu spät. Jede Nacht kehrte Thairss in seine Arme zurück. Jede Nacht stand sie wieder vor ihm, fragte zögernd, wo er seine Wunden herhatte, da sie doch selber mit Shoshin gekämpft hatte. Jede Nacht drehte sie sich erschrocken um, baute die schützende Säule auf, die kurz darauf verpuffen würde. Und jede Nacht wurde sie von den Messern durchbohrt, die sie für ihn abfing. Jede Nacht lag sie regungslos und schlaff auf ihm und riss ihn schweissgebadet aus diesem Albtraum, indem sie scheinbar deutlich seinen Namen rief. Gakoru hatte jede Nacht somit den Hass wieder vor Augen, den er den Menschen gegenüber empfand. Auch wenn er Shoshin in derselben Nacht noch getötet hatte, war sein Hass nicht versiegt. Sein Leben lang wurde er von seinem Umfeld gequält. Von seinen Eltern, von seinem Bruder und jetzt sogar von seiner Geliebten, die einfach so für ihn gestorben war. Diese neue Qual war schlimmer als alles andere jemals zuvor… Seither hatte sich Gakoru nur noch weiter eingekapselt. Er ass nur noch, wenn er kaum noch stehen konnte, er trank nur noch, wenn der Durst ihn fast zu töten drohte und er tötete nur noch jene, die er tot sehen wollte. Seit dieser schrecklichen Nacht vor fünf Monaten war Gakoru nur noch gefürchteter als jemals zuvor. Er tötete nicht mehr wahllos. Er suchte sich seine Opfer präzise aus und jagte sie, bis sie entweder Suizid begannen oder er sie in die Finger bekam, um ihnen ein qualvolles Ende zu bereiten. Gakoru versuchte den Hass zu stillen. Doch mit jedem Mord wurde er noch tiefer. Oder mit jedem Tag, in der er Thairss nicht wiedersah. „…du fehlst mir…“ Die Nacht war kalt. Der Winter war wieder hereingebrochen und Labargos – seine Heimatstadt – war bekannt für die rauen Winter. Die schweren Schritte der Eisenpanzerung waren als dröhnen und knirschen von der ferne bereits zu hören. Um diese Zeit war Labargos für gewöhnlich sehr still. Gakoru hatte nicht vor nach Hause zu gehen. Er wollte seine alten Eltern nicht mehr wieder sehen – was er seit 20 Jahren auch nicht mehr getan hatte. Allgemein würden sie ihn sowieso nicht mehr wieder erkennen. Seine wuscheligen Haare reichten ihm inzwischen fast bis zu den Schultern, sein Blick war verloren und zeugte nur noch von Kälte, seine Statur war die eines starken verbitterten Mannes und sein Gang liess die Strasse auf der er ging erbeben. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen ging er also durch die verschneite Strasse. Die Nacht wirkte durch den Schnee sehr hell. Die Schritte verstummten. Gakoru hob etwas den Kopf und sah unter dem Kapuzenrand auf. Er hatte sein Ziel erreicht: Das kleine Wirtshaus, wo er eine Nacht bleiben würde. Dann würde er an der Küste weiterziehen bis zur Hafenstadt Marmar, um diesen verfluchten Kontinent zu verlassen und vielleicht endlich Frieden zu finden. Er öffnete knarzend die Eingangstür und trat mit schweren Schritten ein. Das Parkett knarzte unter seinem Gewicht. Schnee fiel von seinem Mantel. Er machte sich noch nicht einmal die Mühe die Kapuze runterzuziehen. Vor der Rezeption blieb er erneut stehen. Er sagte kein Wort. Sein Blick reichte aus um unbezahlt ein Zimmer zu bekommen. Man fürchtete seinen Zorn. Wortlos nahm er die Schlüssel und ging in das betreffende Zimmer. Er war müde. In sich versunken schnürte er den Mantel auf und warf ihn achtlos auf einen Stuhl. Daneben stand ein Kamin, allerdings brannte er nicht. Gakoru betrachtete ihn lange. Er dachte wieder an die Nacht, kurz bevor Thairss starb. Sie hatte klitschnass vor dem Kamin gesessen. Immer wieder hatte sie seine Nähe gesucht, was er ihr nicht gewährt hatte. Wie nachdenklich sie in dieser Nacht gewesen war. Woran sie wohl dachte? Was ihr wohl solche sorgen gemacht hatte, dass sie in sich versunken war? Ihm wurde bewusst, dass er eigentlich gar nicht so viel von ihr wusste. Weder wer ihre Eltern waren, noch ob sie Geschwister hatte, bei wem sie aufgewachsen war, wo sie aufgewachsen war, wie ihre Kindheit verlaufen war, warum sie sich für diesen Beruf entschieden hatte, wer ihr diese Fähigkeiten beigebracht hatte. Sein Gewissen nagte an ihm. Nun gab er ein erstes Geräusch von sich: Ein verbittertes Seufzen. Aus seinen Gedanken gerissen warf er den schweren Hartlederpanzer von sich ab, den er ebenfalls einfach liegen liess und setzte sich auf das Bett. Schnell schob er einen weiteren Gedanken an Thairss beiseite, eh es ihm wieder jene Flüssigkeit in die Augen trieb, die er geschworen hatte nie wieder zu vergiessen. Er wollte nicht schlafen. Er wusste, was er wieder träumen würde. Und er wollte nicht mehr daran erinnert werden, dass er versagt hatte. Oft hatte er sich die Frage gestellt, ob er sie hätte retten können, wenn er einfach bei ihr geblieben wäre, wenn er sie beiseite geworfen hätte oder wenn er sich schützend über sie gelegt hätte, um die Messer mit seinem Panzer abzufangen. „….warum musstest du das tun…“ Gakoru war lange wach gelegen, doch auch er, der grosse Kopfgeldjäger, konnte dem Schlaf nicht entgehen. Und wie jede Nacht träumte er. Doch es war nicht jener Traum, der ihn sonst so quälte. Gakoru stand auf einer nebligen Wiese auf einer Klippe. Er hörte das sanfte rauschen von Wasser. Das Meer um die Klippe herum wirkte grau und blass. Der Nebel war kalt und umspülte seine nackten Knöchel. Er konnte sogar das Gras zwischen seinen Zehen fühlen. Es war so einsam… Als er sich verwundert umsah, wo er jetzt schon wieder gelandet war, entdeckte er einen Kirschbaum, der einsam mitten auf der Wiese stand. Die zarten Blätter wirkten im Nebel genauso blass wie alles andere an diesem Ort. Darunter stand eine Bank, dem Meer zugewidmet. Eine Gestalt sass darauf, in weissen Samt gekleidet mit einer Kapuze. Ihr Rücken zeigte zu ihm. Der Wind spielte etwas mit ihrer Kapuze und erzeugte einen leichten Blätterschauer. „….Gakoru….“ Wer war sie? Vorsichtig ging er auf sie zu, ging um die Bank herum und setzte sich instinktiv neben sie. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen. Die Kapuze verdeckte dieses. „du hast mich einfach allein gelassen.“ Flüsterte die sanfte Stimme dieser Person neben ihm. Gakoru sah sie schweigend an. Sie griff sanft an die Kapuze und zog sie herunter. Ihr blutrotes Haar wehte etwas im Wind. Mit ihren tiefgrünen Augen sah sie Gakoru an und lächelte. „…Thairss….du….“ Er wollte etwas sagen, doch er wusste nicht was. Sie sah ihn fragend an, so wie sie es immer tat, wenn er einfach einen Satz abbrach oder wenn sie ihm nicht folgen konnte. „warum leidest du so?“ fragte sie. Gakoru wendete seinen Blick von ihrer Schönheit ab. Er ertrug sie nicht. „rate mal.“ Er klang schroff. Das wollte er gar nicht. Sie stand auf. Nein, geh nicht weg. Gakoru sah hastig auf. „du irrst dich….“ Sagte Thairss flüsternd und sah ihn immer noch lächelnd an. „ich bin nicht tot.“ Ihre Haare wehten über ihr Gesicht. Gakoru sah sie leidend an. Thairss beugte sich vor und kniff ihm in die Nase. Was sollte das? „du sagtest mal: „wenn du das noch einmal tust, dann bringe ich dich um.““ Sie imitierte seine donnernde Stimme und lachte frech. Ihr spöttelnder Unterton war nicht zu überhören. Sie beugte sich weiter zu ihm runter, bis sie direkt neben seinem Ohr war. Er nahm ihren zarten Geruch wahr. „komm und fang mich…“ Gakoru schreckte hoch. Die Worte klangen noch in seinem Ohr, als hätte er sie wirklich gehört. Für einen Moment fühlte er sogar noch den schwachen Schmerz an seiner Nasenspitze. Er griff daran und sah verwirrt durch den Raum. Was für ein seltsamer Traum. Gakoru schüttelte den Kopf und wolle sich hinlegen, als sein Blick an der Kommode haften blieb. Der Revolver lag darauf. Genau jener, den er Thairss gegeben hatte, kurz bevor sie gestorben war. Sie hatte ihn in den Trümmern des Gasthofes verloren. Vor lauter Schmerz hatte er nicht versucht wieder an diese Waffe heranzukommen. Jetzt lag sie direkt neben ihm. Schnell sah er sich um. Die Tür war noch verriegelt und auch die Fenster waren zu. Irritiert nahm er die Waffe in die Hand und strich mit den Fingern darüber. Sie war warm. Eine Woche verging. Immerwieder träumte er von Thairss, die ihn bat, nach ihr zu suchen. Er glaubte nicht an Übersinnliches. Doch je mehr er sich Marmar näherte, desto intensiver wurden die Träume und desto mehr drängte sie ihn nach ihr zu suchen. In der letzten Nacht, kurz bevor er Marmar erreichte, träumte er nicht mehr von ihr. Er träumte gar nichts. Ob sie aufgegeben hatte? Es war nun helllichter Tag. Marmars Klima war deutlich milder als in Labargos. Die Sonne schien und die Temperatur war ganz angenehm. Marmar war wie immer komplett überfüllt. Es war schwer an den Hafen selbst zu kommen. Aber Gakoru war das egal. Die Menschen um ihn herum hatten ihn noch nie gekümmert. Warum ausgerechnet jetzt? Etwas zog an seinem Mantel. Gakoru wandte sich leicht um und sah unter der Kapuze hindurch zu dem kleinen Mädchen, das sich gerade an seiner Seitentasche festgeklammert hatte. Er sagte nichts. Sein Blick schüchterte Erwachsene ein, die kleine würde schreiend davonrennen. Aber sie tat es nicht. „sie…?“ fragte es mit leicht ansteigender Stimme. „ich soll ihnen etwas sagen.“ Gakoru starrte das Kind immer noch an. Er antwortete nicht. Er wartete. „eine Frau meinte, dass ihrer Waffe etwas fehlt.“ „was sollte das sein?“ fragte Gakoru genervt. Bestimmt eine Händlerin die so Leute anwarb. Die Marmarier waren seltsam. Das entschied Gakoru in dieser einen Sekunde. Das Kind kramte in seiner Tasche und reichte ihm die winzige, pummlige Faust. Gakoru öffnete neugierig die Handfläche um besagtes „fehlendes“ Stück zu nehmen. Das Kind liess es in seine Handfläche fallen. Es war klein und leicht warm. Gakoru betrachtete es, indem er die Hand etwas anhob, aus dem Blickfeld der kleinen. Es war eine Spezialpatrone. Jene eine Patrone, die er für Koragon aufgehoben hatte und die als einzige Patrone in dem Revolver geladen war. Schnell zog er den Revolver und liess die Trommel aufschnappen. Tatsächlich. Sie war leer. „wo hast du das…?“ Das Kind war verschwunden. Verwirrt sah er auf und in die Menge. Seine Augen flitzten im Schatten der Kapuze hin und her. Stand da wer? Wurde er beobachtet? Wer versuchte ihn auf diese Weise zu quälen? Seine Augen fixierten eine Person in dunkler Kutte. Die Kapuze war auch bei dieser Person tief ins Gesicht gezogen. Aber er spürte den Blick auf sich. Ruckartig riss er seine Kapuze herunter und starrte hasserfüllt und wütend diese Person an. „HEY!“ Seine Stimme donnerte. Die Masse um ihn herum wurde sofort mucksmäuschenstill. Manche rannten davon, andere wichen weg. Es war Gakoru. DER Gakoru. Was er wohl wollte? Würde er jemanden töten? Die Angst ergriff fühlbar die Menge und lud die Luft mit einer unangenehmen Spannung. Gakoru konnte das Knistern regelrecht fühlen. Die Person rührte sich nicht. Sie hob etwas den Kopf wobei das Weisse ihrer Augen aufblitzte und man ihr Grinsen sah. Er starrte sie an. Dann riss sein Geduldsfaden. Er liess niemanden so mit ihm spielen. Blitzschnell lud er den Revolver durch und zielte. Ein erschrockenes Raunen ging durch die Menge. Sie wichen sogar etwas zurück. „Gakoru, Gakoru, Gakoru…“ die zierlichen Hände der Person griffen die Kapuze und zogen sie langsam über die weichen blutroten Haare. Die zarten Wellen flossen augenblicklich über den elfischen Mantel. Eine kleine Narbe zog sich an ihrem Haaransatz über ihre Kopfhaut, wurde aber fast vollständig von ihren Haaren verdeckt. Thairss lächelte. „jedes Mal wenn wir uns treffen, hältst du mir dieses Ding ins Gesicht ^^ irgendwann drückst du noch ab.“ Gakoru stand da, seine Augen weit aufgerissen, sein Arm vor schreck zitternd. Sie stand da. Sie stand da direkt vor ihm. Direkt….vor seinem Lauf! Wachgerissen riss er die Waffe nach unten rannte mit zwei Sätzen auf sie zu und schloss sie fest in die Arme – so sehr, als würde er sie niemals wieder loslassen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)