Purple Rain von Herzblut (Zwei Fußballer ... ein Drama) ================================================================================ Kapitel 12: Ivan [Fading Warmth] -------------------------------- Das Blaulicht sticht mir in den Augen, als ich die Haustür öffne. Sofort stürmen zwei Sanitäter mit ihren Koffern ins Haus. Zwei weitere Männer sind dabei, eine Trage aus dem Wagen zu holen. Ich rühre mich nicht. Bin nicht mehr in der Lage zu denken. Ich fühle mich, als wäre ich in einem Alptraum gefangen und wache einfach nicht auf. Ein Notarzt tippt mir auf die Schulter. Er will wissen, wo Miro ist. Natürlich. Das Haus ist viel zu groß, um alle Räume abzusuchen. Ich laufe vor. Und schließlich erreichen wir das Schlafzimmer. Ich wage nicht, ans Bett zu treten und bleibe neben der Tür stehen. Draußen vor den Fenstern zieht Nebel vorbei. Es ist kalt. Die Decke wird zurück geschlagen. Beide Ärzte beugen sich über ihn. Aber er rührt sich weiter nicht. Er scheint zu schlafen. Oder? Er bewegt sich immer noch nicht. Sie fassen ihn an. Reden laut mit ihm. Doch er rührt sich nicht. Ich sehe dem grausamen Schauspiel weiter zu. Eine Spritze wird aufgezogen. Was verabreichen sie ihm? Er bekommt dazu noch Sauerstoff. Muss das sein? Mir dämmert, dass es schlimmer sein muss, als ich geahnt hatte. Sie beachten mich nicht. Niemand fragt mich etwas. Warum fragen sie nicht? Warum fragen sie nicht, warum er hier war? Hier bei mir. Warum das Bett noch warm ist von uns beiden. Warum ich sie nicht früher gerufen habe. Warum fragen sie nicht, was ich mit ihm angestellt habe. Warum. Die Trage wird im Eiltempo hereingerollt. Sie reden hektisches Fachchinesisch. Er wird auf die Trage gehoben. Zugedeckt. Wieder wird ihm die Sauerstoffmaske aufgesetzt. Tränen laufen stumm meine Wangen hinab. Meine Augen brennen. Brennen von der langen Nacht. Sie rollen die Trage hinaus. An mir vorbei. Ich sehe in sein Gesicht. Seine Augen sind geschlossen. Mein Herz erträgt diesen Anblick kaum. Ich höre, wie sie das Haus verlassen. Ich stehe da. Geräusche, dann dass Zuknallen der Wagentüren. Der Motor springt an. Kurz darauf herrscht wieder Stille. Ich sinke an der Wand hinab. Starre rüber zum leeren zerwühlten Bett. Ich bin nicht mehr fähig zu denken, doch plötzlich zieht es mich panisch zum Bett. Ich stolpere herüber und taste über das Laken. Vergehende letzte Wärme spüre ich unter meinen Fingern. Seine Wärme. Und sie wird schwächer. Immer schwächer. Ich weine haltlos. Lasse mich von meinem Schmerz überfluten. Nun ist es eh egal. Alles ist egal. Es ist vorbei. Vergangenheit. Zeit vergeht. Kralle mich weiter an dem Laken fest. Doch inzwischen ist es kalt geworden. Und er ist fort. --- Jemand ruft mich. Ich höre meinen Namen. Ist das ein Traum? „Ivan!“ Ich erwache und höre eine vertraute Stimme. Ich schaue mich um. Es ist bereits helllichter Tag draußen. „Jurica?“, nuschle ich. Meine Augen brennen wieder. Oder besser, immer noch. „Ivan!“ Er kommt herein. „Mensch! Deine Haustür steht sperrangelweit offen!“ Ich schaue ihn verdutzt an. Er setzt sich zu mir ans Bett. „Alter, was machst du denn für Sachen?“, fragt er. Es tut so gut ihn zu sehen. Irgendwie tut es gerade so unglaublich gut. „Juri-“, japse ich, „was- was machst du denn hier?“ Er grinst sanft. „Ich bin Sonderbeauftragter von Thomas, und wurde gesandt, um nach dir zu sehen!“ Ich schaue ihn verständnislos an. „Was?“ Er legt seine Hand auf meine Schulter. „Mensch, ich wollte sehen ob alles klar ist bei dir! Das Krankenhaus hat Thomas angefunkt, die meinten, Miro wäre eingeliefert worden und Thomas wollte natürlich wissen, wer den Notarzt gerufen hätte und von wo. Und dann nannten die deine Adresse und Thomas hat mich angerufen und gefragt, ob ich zu dir fahren könnte und nach dem Rechten sehen könnte.“ Er macht eine kurze Pause. „Ich glaube, er wollte nicht gleich selbst bei dir auf der Matte stehen. Er dachte, das käme nicht gut, und deshalb hat er mich gebeten.“ Tränen laufen schon wieder meine Wangen hinab. Ich bin so froh, dass Juri hier ist. Ich bringe kein Wort heraus. Und schließlich beendet er wieder das Schweigen, als er merkt, dass ich keine Worte rausbekomme. „Nun sag endlich! Was zur Hölle ist eigentlich passiert!“ Wir gehen in die Küche. Er macht Kaffee. Ich sacke am Tisch nieder und beobachte ihn geistesabwesend. „Und? Erzähl endlich!“ sagt er und setzt sich mir gegenüber. Ich starre auf die Tischdecke. Seufze. Ich weiß kaum wo ich anfangen soll. Doch ich würde ihm alles erzählen. Ich musste. Ich musste endlich darüber sprechen. Und ich vertraute ihm voll und ganz. „Du weißt doch eh längst bescheid.“, murmele ich. „Natürlich. Aber ich will alles wissen. Alles und ganz genau! Also sag’s mir endlich. Vor mir brauchst du nichts geheim halten!“ Ich überlege. „Also- ich weiß auch nicht, wie alles so weit kommen konnte- aber irgendwie hat sich da etwas zwischen uns entwickelt in den letzten Wochen-“ „Du meinst bei DIR. Miro hat doch schon lange Gefühle für dich.“ „WAS?“, ich starre ihn an. „Mein Gott, du wusstest also wirklich nichts davon?“ „Nein! Woher-“ „Ich bin ja nicht blind. Außerdem kenne ich dich gut und ihn auch. Ich habe euch beobachtet. Wie sich euer Verhältnis verändert hat. Wie er sich dir gegenüber verändert hat. Da konnte man eins und eins zusammenzählen.“ „Aber- aber dann- haben die anderen vielleicht auch-“ „Ach quatsch. Die ahnen von nix! Sind doch alles Blindfische in solchen Sachen. Keine Bange! Erzähl weiter!“ Ich räuspere mich. „Naja, auf jeden Fall fing er vor ein paar Tagen an zu husten. Ich dachte, er hätte ne Erkältung oder so was, aber dann habe ich gesehen, dass er Blut hustet. Blut! Ich wollte ihn gestern vor dem Spiel zur Rede stellen, hatte aber keine Gelegenheit mehr dazu, weil wir aufs Feld mussten.“ Ich mache eine Pause und Juri gießt Kaffee ein. „Er sah gestern schon so schlecht aus. Ein Wunder, dass ihn Thomas nicht gleich beiseite genommen hat.“, meint er dabei und setzt sich wieder. Ich wärme mir die Hände an der Tasse. Mir ist immer noch kalt. „hm. Auf jeden Fall ging es ihm immer schlechter und Thomas meinte dann, ich solle mit ihm rein gehen. Ins Becken aufwärmen. Wir wären eh nicht mehr eingewechselt worden.“ Juri nickt. „Habe ich mitbekommen, ich saß ja daneben.“ „Jedenfalls haben wir uns erst aufgewärmt und sind dann zu mir gefahren. Patricia ist ja nicht da. Und ich hab ihn ins Bett verfrachtet.“ Wir nippen an unseren Kaffees. „Und dann ging es ihm noch schlechter. Ich wusste nicht mehr was ich machen sollte. Ich hatte Panik und wollte den Notarzt rufen, doch er wollte es nicht. Er sagte, er wolle nur noch diese Nacht bei mir sein-“ „Ihr habt-?“ „NEIN! Natürlich nicht. Es ging ihm viel zu schlecht. Daran habe ich auch gar nicht gedacht in dem Moment. Er hat einfach bei mir gelegen…“ Ich grübele. Juri schweigt. Ich nippe wieder an meinem Kaffee. „Dann muss er gewusst haben, dass es ernst ist.“ Ich blicke auf. „Sicher. Er wusste, dass ihr euch für eine längere Zeit nicht mehr wieder sehen würdet.“ Mein Herz wird wieder schwerer. Ich sehe Miros Augen vor mir. Den Blick, mit dem er mich gestern Abend angesehen hatte. „Hey, er wird schon wieder!“ sagt er schließlich aufmunternd. Doch ich weiß nicht. Ich weiß nicht. Mein Gefühl sagt mir etwas anderes. Nichts Gutes. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)