Anime Evolution: Past von Ace_Kaiser (Dritte Staffel) ================================================================================ Kapitel 8: Licht ---------------- Prolog: In einem unbedeutenden Planetensystem, irgendwo zwischen dem offenen Sternhaufen der Hyaden und der Erde flog ein gigantischer Planetoid. Dieser Planetoid wurde künstlich beschleunigt, die Triebwerke bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit ausgereizt, denn er war auf der Flucht. Der Planetoid, von der Menschheit entdeckt, ausgehöhlt, ausgebaut und genug isoliert um eine Atmosphäre zu halten, trug den Namen AURORA, nach der griechischen Göttin der Morgenröte. An Bord waren gut hunderttausend Menschen und etwas mehr als eins Komma drei Millionen Kronosier, die Offiziere und Mannschaften in den Begleitschiffen mitgerechnet. Der fünfzehn Kilometer lange und zwölf Kilometer breite Riesenfels war auf der Flucht. Auf der Flucht vor den merkwürdigen, mantaähnlichen Kampfschiffen, die ihr in diesem Sonnensystem aufgelauert hat. In den schweren Kämpfen zur Verteidigung des Giganten starben etliche Angreifer, aber auch viele Verteidiger, gute Menschen und Soldaten. Die AURORA war vom nächsten Sprung noch weit entfernt, aber die Angreifer, die sich zurückgezogen hatten um sich neu zu formieren, flogen den Felsen erneut an – und würden ihn erreichen, bevor der Sprung gelang. Dreißig Lichtjahre weiter, leicht versetzt hinter den Hyaden lag das Kanto-System. Es war vor allem für zwei Dinge interessant. Das eine war die naguadsche Regionaladmiralität, mit der die Schiffsbewegungen in einer ganzen Mark koordiniert wurde, das andere war Lorania. Die Heimatwelt der Anelph genannten Rasse, die den Menschen einst einen imperialen Eroberungscore geschickt hatten. Die damit die Kronosier erschaffen hatten und großes Leid verursachten. Sie hatten die Menschen um Hilfe und um Vergebung gebeten. Sie hatten beides bekommen. Und die Menschen waren sogar bereit gewesen, sich mit dem ganzen, riesigen Imperium der Naguad anzulegen. In diesem Moment schützten etliche Schiffe und Banges die Hauptwelt, dazu kreisten sechs spezielle Mechas um die Welt, jeder hatte einen Resonatorfeld-Torpedo an Bord, der für Menschen über vierundzwanzig eine unüberwindliche Barriere darstellte. Und wie der Angriff auf die Axixo-Basis bewies auch für Naguad. Aber alles hatte sich verändert, von einem Tag zum anderen. Alles hatte sich egalisiert, Menschen, Anelph und Naguad sahen sich gezwungen, sich zu verbünden, gegen einen gemeinsamen, weit älteren Feind. Dieser Feind versammelte seine Flotte im Ortungsschatten eines Gasplaneten und lauerte auf seine Chance zum Angriff. Noch einmal zwanzig Lichtjahre weiter lag das Nag-System mit der imperialen Hauptwelt Naguad Prime. Prime war vor dreitausend Jahren eine Flüchtlingswelt gewesen. Aber nun war sie der Kern eines Imperiums, das Dutzende Systeme umfasste. Hier waren die Angriffe der Manta-Schiffe schon lange bekannt, hatten sogar so etwas wie eine eigene Tradition. Auch wenn die Hauptwelt seit fast zweitausend Jahren nicht erneut angegriffen worden war, hier kannte man den Feind, man kannte seine Stärken und Schwächen. Das Imperium existierte nur aus einem Grund: Die Angriffe dieses Gegners abzufangen. Dieser Moloch, der bewohnte Welten mit Krieg und Eroberung überzog, der intelligente Wesen ihrer Körper beraubte, um die Gehirne in Tanks zu sperren und als organische Rechenmaschinen zu missbrauchen, wurde gehasst, aber nicht gefürchtet. Mit jedem Jahr, dass verstrich wurde den Verantwortlichen, sowohl im Rat als auch im Vorsitz der neun großen Familien, klar dass der nächste Angriff auf die Hauptwelt nicht in die Ferne sondern in die nahe Zukunft rückte. Und ich steckte mittendrin. Wieder einmal. 1. Mit der steigenden Zahl an Mecha-Piloten kehrte nach und nach auch der Alltag zurück. Ich meine, langsam aber sicher drängten wir die Kronosier zurück. Erst weg von den Städten, und dann in den Orbit. Drei Viertel aller Kämpfe in letzter Zeit hatte ich im Orbit der Erde bestritten. Die Kampflage hatte sich mit den Titanen, den neuen Beschützern des OLYMPS soweit entspannt, dass ich nun nur noch jeden zweiten Tag in der Schule fehlte. Nicht unbedingt regelmäßig, aber so war der Schnitt. Und es freute mich ungemein, dass auch Megumi, meine Schwester und Makoto wieder ihre Schulen besuchen konnten. Es brachte nach all dem Tod, nach all der Verwüstung, nach den ganzen Kämpfen so einen Funken Zufriedenheit. Nicht unbedingt in die alte Schulroutine einzutauchen, aber zu sehen, dass es junge Menschen gab, die dieses vollkommen ruhige und belanglose Schulleben genossen, das war es wert gewesen. Das war alles wert gewesen. Neulich, Megumi und ich hatten gerade in der Fushida Mittelstufe gerade Pause gehabt, hatte es Alarm gegeben, die Schule hatte sicherheitshalber in den Keller evakuiert – und Megumi und ich waren nicht gerufen worden. Nach zwei Stunden war der Alarm beendet worden und die Nachrichten hatten davon berichtet, wie die mittlerweile auf acht Mechas angewachsenen Titanen zwei feindliche Korvetten im Anflug auf Japan vernichtet hatten. Captain Jonathan Kreuzer, der deutsche Anführer der Titanen, gab nach Einsätzen gerne einmal Interviews und erfreute sich mittlerweile einer gewissen Medienpräsenz. Er und die Titanen durften in den Medien erscheinen. Sie waren kaserniert und zudem volljährig. Verdammt, wenn das so weiter ging würden Megumi, Yohko, Makoto und ich eines Tages nicht mehr gebraucht werden. Ich freute mich darauf. „Hey.“ „Hey.“ Ich sah von meiner Lektüre auf. „Was ist los?“ „Scheiße ist los.“ Wütend und enttäuscht setzte sich Megumi neben mich auf den Boden der Boarding Bay. Sie trug ihre Schuluniform, was ich dankbar zur Kenntnis nahm. Ich hatte schon befürchtet, sie wäre wegen einem Einsatz zum OLYMP hoch gekommen. „Wie, Scheiße ist los?“ „Hast du heute schon mal Nachrichten gesehen?“ Ich schüttelte den Kopf. Nein, ich war mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Ich war gerade dabei, auf die eintausend Heiratsanträge in diesem Monat zu antworten. „Sie haben es vermasselt.“ „Wer hat was vermasselt?“ Irritiert zog ich die Stirn kraus. „Die UEMF haben es vermasselt.“ „Nun lass dir nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Was vermasselt?“ Sie ließ den Kopf auf meine Schulter sinken. „Akira, sie haben es raus gefunden. Es geht gerade durch die ganze Presse.“ Ich spürte kaltes Entsetzen in mir aufsteigen. „Du meinst, sie haben herausgefunden, dass…“ „Ja, die Presse hat herausgefunden, dass ich Lady Death bin. Es geht überall rauf und runter.“ „Aber… Aber… Aber… Wie? Warum? Weshalb?“ Sie schluchzte leise. Ich konnte Megumi verstehen. Wenn die Weltpresse wusste, wer Lady Death war, dann war es mit ihrem Privatleben vorbei. „Es sind die Piloten im Training, Akira.“ Ich dachte kurz nach. Ach, das Programm. Letztes Jahr, als noch nicht abzusehen gewesen war, dass auch Erwachsene die neu gebauten Hawks steuern konnten, hatte die UEMF, damals noch UEF, das Programm der Piloten im Training ausgerufen und hunderte junger Menschen aufgerufen, sich auf die Synchronisation mit einer Künstlichen Intelligenz testen zu lassen. Die Piloten der Titanen entstammten diesem Programm, aber viele der fünfundzwanzig, über die Welt verteilten Piloten nicht. Also hatte die UEMF das Programm schließlich eingestellt, weil es nicht mehr notwendig war, Kinder in den Tod zu schicken. „Ich verstehe. Um dich zu tarnen wurdest du in der Schule als Pilotin im Training angegeben. Und als das Programm abgesagt wurde, hat irgendjemand in der UEMF den Fehler gemacht, dich trotzdem offiziell abzuholen. Dann hat jemand zwei und zwei zusammen gezählt und die Scheiße war passiert.“ „Genau so.“ „Es tut mir Leid, Megumi. Wenn ich den Verantwortlichen finde, dann reiße ich ihm den Arsch auf.“ „Das ist es nicht, Akira.“ Sie schniefte leise. „Was mit mir ist, ist noch so wild. Ich kann jederzeit in eine Kaserne ziehen, wenn es sein muß. Aber ich habe Angst, dass…“ Sie nahm den Kopf von meiner Schulter, sah mir in die Augen. „Akira, ich habe Angst, dass sie nun auch raus finden, dass du Blue Lightning bist. Ich meine, die Adresse von Lady Death zu bekommen ist schon ein Geschenk für die Kronosier. Aber Blue Lightning serviert zu bekommen muss für sie Weihnachten und Ostern zugleich sein. Oder wenn sie herausfinden, dass Yohko Thunderstrike ist. Die kleine Yohko, wenn ihr etwas passiert, dann…“ „Vorsicht. Nicht aussprechen“, mahnte ich sie. Das Letzte was ich wollte war, dass meiner kleinen Schwester etwas passierte. „Ist gut“, hauchte sie. Langsam erhob sie sich und strich ihren Rock glatt. „Wir werden uns die nächste Zeit nur hier oben sehen. Ich werde mich in der Schule rar machen. Wir müssen die Presse nicht zu offensichtlich darauf stoßen, wer die anderen drei Piloten der Hekatoncheiren sind, oder?“ „Was soll der Mist? Willst du den Kontakt zu den anderen Schülern auch abbrechen, damit niemand auf den Gedanken kommt, der eine oder andere könnte Blue Lightning sein?“ „Keine schlechte Idee.“ Ich erhob mich ebenfalls und schloss Megumi in die Arme. „Das machst du nicht, Megumi-chan. Du wirst dich nicht selbst isolieren und du wirst auch Yohko, Makoto und mich nicht meiden. Damit machst du es nur noch auffälliger. Das letzte was ich in dieser Welt sehen will ist, dass du nicht mehr lächelst. Und in eine verdammte Kaserne ziehst du auch nicht! Wenn es denn sein muß, zieh bei mir ein. Ich rede mit Eikichi und regle das schon.“ Ich lächelte sie an und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Okay?“ „Okay.“ „Gut.“ Zufrieden setzte ich mich wieder. „Was machst du da eigentlich?“ „Ich beantworte meine Heiratsanträge.“ „H-heiratsanträge?“ „Natürlich nicht an mich. An Blue Lightning. Es sind schon ein paar phantasievolle Ideen dabei. Und natürlich ist alles durch die Zensur der UEMF durch gegangen. Ich ziehe mir also weder ein Kontaktgift noch einen Virus zu. Hoffe ich.“ „Und zensiert bedeutet, dass manche Passagen geschwärzt sind?“ Ich spürte wie ich unter die Haarspitzen errötete. „Nein, das zensieren sie nicht.“ Ich riss einen weiteren Brief auf, nahm das Papier heraus. Dabei fiel mir ein Foto entgegen, rutschte mir durch die Hände und fiel zu Boden. „Warte, ich hebe das auf.“ Megumi griff nach dem Bild und japste auf. Sie schlug eine Hand vor die Augen und linste durch die Finger. „I-ich glaube, das Bild ist ganz privat für dich gedacht, Akira.“ Verwundert nahm ich das Bild entgegen. „Warum wirst du rot, Megumi?“ Ich warf einen Blick auf das Bild. „Ach so.“ „Kriegst du öfters so etwas, Akira?“ „Na ja, also solche Bilder schon. Aber du musst zugeben, diese Verrenkung ist schon originell. Ist das echt? Kann sich ein Mensch so verdrehen? Ich meine, es ist ja eine nette Sicht.“ „AKIRA!“ Hastig steckte ich das Bild wieder in den Umschlag zurück. „Aber wenn es doch für mich ist.“ „Es scheint, dass die UEMF wirklich nicht zensiert, wenn sie so etwas durchgehen lässt.“ „Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob man sich wirklich so verrenken kann. Anhand der Faltenbildung der nackten Haut sollte man das ja nachprüfen können. Oder ich zeige es mal Sakura, die kann dazu sicherlich was sagen. Mist, das spukt mir jetzt im Kopf rum.“ „D-du redest hier von Verrenkungen, dabei interessiert dich doch bloß nackte Haut“, stammelte sie. „Zugegeben. Und?“ Megumi sah mich an. Dann begann sie zu schmunzeln. „Gut zu wissen, Akira-chan.“ Sie winkte mir mit einem süßen Lächeln zu. „Viel Spaß mit deiner Post. Ich gehe dann mal meine beantworten.“ Ich lüftete den Kragen meines Hemdes. Verdammt, war es eingelaufen oder warum wurde mir der Kragen zu eng? 2. „Junger Mann, derartige Ausfälle sind für diese seriöse Sendung nicht adäquat! Außerdem sind diese Unterstellungen für Blue Lightning mehr als herabwürdigend!“ „Herabwürdigend? Wer weiß. Die Frage ist und bleibt: Wer ist Blue Lightning? Und warum ist Lady Death, seine Flügelfrau, ein vierzehn Jahre altes Mädchen? Ist er also entweder ein Arsch, der aus Lust und Laune Kinder in die Schlacht schickt oder einfach ein Idiot, der einen Lolita-Komplex hat? Warum enthüllt die UEMF nicht endlich seine Identität?“ „Ist es gerecht, mit Blue Lightning derart hart ins Gericht zu gehen? Immerhin, und das ist erwiesen, war er es, der tausenden Menschen in der ganzen Welt das Leben gerettet und die ersten Wellen der Angreifer zurückgeschlagen hat.“ „Natürlich hat er das. Und diese hervorragenden Leistungen will ich auch nicht herabwürdigen. Aber jetzt, wo der Krieg sich dem Ende zuneigt, kann und muss die Freie Presse sich mehr und mehr auch der Privatperson zuwenden können und dürfen. Blue Lightning. Wer ist er? Wo ist er? Was ist er? Wir wissen, dass er neulich zum First Lieutenant befördert wurde. Und seine Heimatbasis ist in Japan, von der er zu Einsätzen in der ganzen Welt startet. Jetzt, wo der Frieden zu uns zurückkehrt, muss sich Blue Lightning die Fragen einer offenen und unvoreingenommenen Presse gefallen lassen.“ „Hm. Und was ist, wenn Blue Lightning ebenso ein Kind ist wie Megumi Uno?“ „Nein, Blue Lightning ist definitiv ein erwachsener Mann. So ein Ausnahmetalent wie Megumi Uno kann es in jeder Generation nur einmal geben.“ ** „Akira!“ Ich wandte mich der neuen Stimme zu. „Oh, Morgen, Yoshi.“ Der große Blondschopf klopfte mir auf die Schulter. „Alles klar bei dir?“ „Wieso sollte nicht alles klar sein?“ „Na, es gibt tausend Gründe. Ich meine, jetzt wo die halbe Welt weiß, dass deine Megumi die gefürchtete Lady Death ist, hast du doch keine ruhige Minute mehr für dich und sie.“ „Sie ist nicht meine Megumi. Und es ist mir auch egal, dass sie Lady Death ist.“ „Wie heroisch. Wirst du dich denn auch zwischen sie und einen kronosischen Attentäter werfen, wenn es sein muss?“ „Ich würde ihn zur Not mit bloßen Händen zerreißen. Reicht das?“ „Whoa! Wirf mir nicht so einen Blick zu! Es ist ja nicht gerade so, als hätte ich das Gerücht in die Welt gesetzt!“ „Was für ein Gerücht?“ „Ja, was für ein Gerücht, Yoshi-kun?“ „Oh, Morgen, Yohko-chan. Ich habe dich gar nicht kommen gehört.“ „Guten Morgen, Yoshi-kun.“ Sie lächelte ihn freundlich an. „Es wundert mich dass ihr zwei mich überhaupt bemerkt habt, wo ihr doch über euer Lieblingsthema geredet habt: Megumi-chan!“ „Sie ist nicht mein Lieblingsthema“, wehrte Yoshi ab. „Es ist nur dieses dämliche Gerücht, dass…“ „Was ist das denn jetzt für ein Gerücht?“, hakte meine kleine Schwester nach. „Na ja, sie ist ja nun Lady Death und Second Lieutenant in der UEMF und bildet die anderen Hawk-Piloten aus. Und sie ist ja auch in die Entwicklung des neuen Prototyps eingebunden, den Eagle“, referierte der Blondschopf. Ich war ebenso involviert wie Makoto, außerdem baute die UEMF an einem weiteren Typ, dem Sparrow, an dem Yohko maßgeblich mitwirkte, aber ich wollte dieses Detail nicht extra breit treten. „Und?“, frage ich scharf, weit schärfer als es hätte klingen sollen. „Wow. Auf einem Kasernenhof würdest du dich auch ganz gut machen, Akira. Schöne kräftige Stimme. Und dann dieser düstere Blick – nicht schlecht.“ „Was ist das nun für ein Gerücht, Yoshi-kun?“ „Hä? Ach so. Ja, Megumi-chan ist ja nun mal in der UEMF. Und damit ist sie deinem Vater unterstellt, der ja mit dem Bau von OLYMP zum Executive Commander geworden ist. Und du…“ In meinem Kopf machte es laut und vernehmlich klick. So laut, dass Yohko mich erschrocken ansah. „Du meinst doch nicht etwa… Ich und Megumi… Wegen meinem Vater…“ „Es ist ja absolut nicht meine Meinung, aber die Gerüchteküche behauptet steif und fest, du wirst gezwungen, mit Megumi-chan zu gehen, um die wichtigste Mecha-Pilotin der Erde bei Laune zu halten.“ Konsterniert starrte ich den Freund an. „Das ist das Gerücht?“ „Ja, schlimm, nicht? Wenn einem so der freie Wille aberkannt wird…“ Ich wechselte einen Blick mit meiner Schwester. Sie verbarg ihr Gesicht hinter der Rechten und gluckste leise. „Da bin ich aber erleichtert. Anders herum wäre nämlich sehr gemein gewesen. Wenn man behaupten würde, man würde sie zwingen mit mir zu gehen, weil Eikichi das Kommando über sie hat und…“ „Siehst du, das ist ja das Problem bei diesem Gerücht. Megumi-chan ist schlicht und einfach wichtiger als du, viel wichtiger. Als exzellente Hawk-Pilotin ist sie unverzichtbar. Du aber bist nur der verwöhnte Sohn des Executive Commanders und kannst ja auch mal einen kleinen Beitrag für die Weltverteidigung leisten. Und wenn es ist Megumi bei Laune zu halten, dann soll es eben das sein.“ „Ach so“, ächzte ich. „So sieht das aus.“ „Also, ich weiß nicht wie es dir damit geht, aber mich würde so ein Gerücht wahnsinnig machen.“ Ich winkte ab. „Schon gut, Yoshi. Es ist gut. Mit so was kann ich leben, keine Sorge. Sollen sie mich doch zu Megumis Schoßhündchen klein reden, das ist mir egal.“ Yohko war nun nicht mehr zu halten. Sie begann schallend zu lachen und hielt sich dabei mit beiden Armen den Bauch. „O-nii-chan… Schoßhündchen… Für Megumi-chan… Ich glaub es nicht… Yoshi-kun, du hast heute meinen Tag gerettet. Ich habe es wirklich mal wieder gebraucht, so frei zu lachen.“ Yoshi musterte sie misstrauisch. „So, so… Schön, dass ich dir helfen konnte, Yohko-chan.“ Meine Schwester hielt inne, wischte sich die Lachtränen aus den Augen und lehnte sich leicht gegen Yoshi. „Was das Schoßhündchen angeht, Yoshi-kun, angenommen ich wäre Megumi-chan. Und ich würde dich haben wollen, was würdest du machen?“ „Äh, was?“ Yoshi sah verlegen zur Seite. „Nicht dass der Gedanke nicht sehr verlockend wäre, Yohko-chan.“ „Pass auf was du sagst, Junge!“, drohte ich düster. „A-aber du siehst es ja, dein Bruder ist in der Beziehung wie ein schlecht gelaunter Wachhund.“ Wütend sah sie mich an. „Wir machen doch nur Spaß, O-nii-chan. Männer!“ Mit weit ausgreifenden Schritten, die nicht viele Verbindungen zu der kleinen, süßen Yohko zuließen, als die sie ansonsten auftrat, ging sie voran. „Was stellt sie mir auch so eine Frage? Wie soll man darauf antworten?“ Ich lächelte dünn. „Stell dir mal vor, sie wäre einer der anderen Piloten der Hekatoncheiren. Kottos oder Gyes. Und sie würde dich wirklich, nun, anfordern. Was würdest du sagen?“ Yoshi musterte mich spöttisch. „Ich würde dir davon überhaupt nichts sagen, Akira. Du mit deinem Überbeschützerinstinkt würdest nur irgendein dummes Zeug veranstalten.“ „D-das war ne ernst gemeinte Frage!“ „Und ich habe dir ne ernst gemeinte Antwort gegeben.“ „Idiot!“ „Trottel!“ Wütend sahen wir beide zur Seite. „Wen haben wir eigentlich in der ersten Stunde?“, frage ich schließlich beiläufig. „Englisch, bei Takayama.“ „Na Klasse. Wieder so ein Zeug, was ich schon längst beherrsche.“ „Angeber“, brummte Yoshi amüsiert. „Andererseits, es wundert mich schon, dass deine Noten noch so gut sind. Ich meine, du warst so oft im Ausland mit deinem Vater, du hattest die ganze Zeit dieses Fernstudium und so und warst so selten in der Klasse. Da liegt ja irgendwie der Gedanke nahe, dass…“ Für einen Moment musterte Yoshi mich erschrocken. „Da liegt der Gedanke nahe, dass was?“, hakte ich nach. „Für eine Sekunde, für eine winzige Sekunde habe ich wirklich mit dem Gedanken gespielt, du wärst Blue Lightning. Dumm, nicht?“ „Danke für die Blumen“, knurrte ich als Antwort. „Mich mit einem Killer gleichsetzen.“ „Nicht schon wieder dieses Thema. Für mich ist er ein Held und bleibt ein Held, und im Krieg tötet man nun mal.“ „Noch schlimmer, mit einem Held gleichsetzen!“ „Dir kann man es wohl nie recht machen, was, Akira-sama?“ Ich grinste schief. „Hey, ich bin vierzehn.“ „Verteufelt gutes Argument, Akira.“ Als wir den Schulhof betraten, löste ich den Mandarinkragen. Das war für mich ein Ritual. Ich durchbrach die Kleiderordnung, kaum dass ich angekommen war. Nun, die Bekleidungsregeln auf der Fushida Mittelstufe waren nicht so streng, dennoch musste jeder Schüler die Schuluniform tragen. Wie er sie trug wurde dann höflich übersehen. Meine kleine Rebellion mit dem Kragen war da eher eine kleinliche Spielerei. Akane-sempai, Mitglied in der Schülervertretung, lächelte uns beiden zu. Sie hatte wie so oft Dienst am Tor. Das war ein tolles Mädchen. Hübsch, immer korrekt, intelligent und engagiert. Etwas zu kühl vielleicht, etwas zu distanziert vielleicht. Aber einer wie ich hätte bei so einem Mädchen auch keine Chance gehabt – ganz davon abgesehen, dass ich ohnehin lieber Mädchen mochte, die richtig lachen konnten. Yoshi lächelte sie an und machte diese affektierte Geste, als er durch sein goldenes Haar fuhr. Nun, bei drei, vier Mädchen, die erschrocken aufseufzten, hatte er damit ungewollt Erfolg. Aber nicht bei Akane-sempai, wie ich zufrieden feststellte. Grinsend stieß ich ihm einen Ellenbogen in die Seite. „Na?“ „Steter Tropfen höhlt den Stein, du wirst es noch sehen.“ „Warum machst du das überhaupt, Yoshi? Warum willst du die Mädchen zum seufzen und kreischen bringen?“ „Weil ich es kann“, erklärte der Freund resolut. „Und weil Mädchen Jungs am Halsband hinter sich herschleifen, wenn sie sie erst einmal am Wickel haben. Bevor ich in feste Hände komme, räche ich mich schon mal vorab.“ „So. Du hast also keine Hoffnungen, dem zu entkommen oder am richtigen Ende der Leine zu sein.“ Yoshi senkte den Kopf. „Nein.“ „Oh.“ Mein bester Freund, der Pessimist. Es gab eine Sache, die ich an Schulen in unserem Land hasste. Das waren die Schuhboxen. Oh, es war nicht die Tatsache, die Straßenschuhe gegen die weichen Schulschuhe auszutauschen – es war die Box selbst. Jeder Schüler hatte seine eigene Box mit Namen dran, und diese Box wurde nicht immer nur für Schuhe benutzt. In Yoshis Fall waren es Briefe, so ein bis zwei Dutzend, die ihm regelmäßig entgegen quollen. Liebesbriefe natürlich. Wenn er Glück hatte, nur von Mädchen. In meinem Fall war es unterschiedlich. Es kam schon mal vor, dass ich eine Reißzwecke in meinen Schuhen fand, Rasierklingen waren eher selten; ab und an was totes und hier und da auch mal eine Herausforderung zu einer zünftigen Prügelei. Der Grund für diese versteckte Feindseligkeit musste meine Persönlichkeit sein. War ich arrogant? Überheblich? Zu narzisstisch? Womit brachte ich die anderen Schüler gegen mich auf? Vielleicht mit meiner Freundschaft zu Yoshi? Oder damit, dass meine kleine Schwester immer an meinem Jackenzipfel hing und die Jungs somit keine Möglichkeit hatten, sie anzubaggern? Eine Mischung aus vielem, nahm ich an. Wie dem auch sei, mit einem Stoßseufzer öffnete ich meine Schuhbox, und nichts sprang mich an, keine Welle des Gestanks schlug mir entgegen und mir flatterte auch keine Herausforderung entgegen. Fast schon enttäuscht tauschte ich die Schuhe, natürlich nachdem ich mich versichert hatte, dass sie frei von kleinen Fallen waren. Yoshi sortierte derweil seine üblichen Liebesbriefe, was mich für eine Sekunde davon ablenkte, was unter meinen Schuhen gelegen hatte. Ich bemerkte es, als ich meine Straßenschuhe drauf abstellte. „Oh. Wie niedlich.“ Ich nahm das Foto hervor und betrachtete es neugierig. „Yoshi, kennst du den? Etwa so groß wie du, schwarze, kurze Haare, breite Schultern und Brille mit dünnen, aber großen runden Gläsern? „Welcher Jahrgang?“ „Unserer.“ „Ataka-kun. Es geht das Gerücht um, dass er der Sohn von Yakuza ist. Ein eher stiller Typ sehr verschlossen. Wieso fragst du?“ Ich zeigte ihm das Foto. „Nun, hier wirkt er nicht sehr verschlossen. Muss an dir liegen, alter Freund.“ Entgeistert riss Yoshi mir das Foto aus der Hand. „AH! W-wir küssen uns! Wieso küssen wir uns? Wo kommt denn dieser Mist her?“ Ich grinste schief. „Beruhige dich. Ich unterstelle dir nichts. Es ist offensichtlich eine Fotomontage. Außerdem steht hintendrauf was von einem Preis für ein Zehner-Set. Dreitausend Yen. Hm, du bist aber ganz schön billig.“ „Sorgen hast du! Wer macht so einen Mist? Und warum kann er ihn auch noch verkaufen?“ Wütend stapfte Yoshi los. „Seine Klasse hat Sport! Na, den knöpfe ich mir mal vor! Und wenn er etwas weiß, dann…“ „Yoshi. Warte. Er hat da bestimmt nichts von. Überstürze doch nichts, hörst du, Junge?“ ** Am Sportgelände hatte sich Doitsus Klasse bereits versammelt, allerdings war von ihm nichts zu sehen. „Ob der Halunke was ahnt und sich versteckt hält?“ „Quatsch. Er ist genauso Opfer wie du. Oder meinst du, er kriegt Anteile dafür, dass er für solche Fotos posiert?“ „Rede du nur, Akira. Ich frage ihn erst mal selbst! Wenn ich ihn nur finden würde…“ Ein Schmerzenslaut und ein Sempai aus den höheren Klassen, der mit blutender Nase um die Ecke der Sporthalle kam, wiesen mir den richtigen Weg. Ich klopfte Yoshi auf die Schulter und ging voran. Dabei vergrub ich meine Hände so tief ich konnte in den Hosentaschen. Ich bog um die Ecke und konnte mir ein grinsen nicht verkneifen. Wir hatten Doitsu Ataka gefunden. Ihn und fünf weitere Sempais, die ihn ordentlich in die Mangel nahmen. „Hey, Doitsu. Brauchst du Hilfe?“ „Wer bist du denn?“, erwiderte der große Schwarzhaarige und wich einem Schwinger eines Sempais aus. Leider geriet er so in Trittreichweite und bekam von einem anderen Gegner eine Ladung gegen den Oberschenkel verpasst. Also, mir war der Junge sympathisch. Wenn er mich nicht kannte, musste das bedeuten, er hörte nicht auf Klatsch und Tratsch. Ich nickte Yoshi zu, und nebeneinander gingen wir auf die Horde zu. „Oi, ist das fair? Fünf gegen einen?“ „Halt dich da raus, Otomo, wenn du nicht auch ein paar auf die Fresse willst, klar?“ „Ach, wirklich?“ Zur Antwort sauste eine Gerade auf mich zu, auf die Nase gezielt. Ich riss die Rechte aus der Tasche, ergriff das Handgelenk meines Gegners, zog ihn voran und brachte ihn damit aus dem Gleichgewicht. Danach wich ich seitlich aus, drehte den Arm nach außen, nahm die Linke zu Hilfe und rammte sie zwischen seine Schulterblätter. Damit drückte ich ihn brutal zu Boden. Den überstreckten Arm drehte ich noch mehr ein und riss ihn nach oben. Schließlich rutschte ich zum Handgelenk hoch und drehte die Hand selbst noch weiter nach außen. Ein Schmerzensschrei bewies mir, wie gut der Griff funktionierte. Neben mir hatte Yoshi die Arbeit aufgenommen, war unter zwei Schwingern durch getaucht und hatte seinerseits seinem Gegner einen fetten Schlag aufs Sternum gesetzt. „So sieht es doch schon besser aus. Doitsu, schaffst du die drei, oder sollen wir dir noch zu Hand gehen?“ Der große Junge verschränkte die Finger ineinander und ließ die Knöchel knacken. „Danke für das Angebot, aber mit den letzten drei Figuren werde ich fertig.“ Drei Sekunden später waren wir fast alleine. Mein Gegner strampelte einige Zeit in meinem Griff, bevor ich ihn entkommen ließ. Ich streckte Doitsu die Rechte entgegen. „Akira Otomo.“ Er ergriff die Hand und schob mit der Linken seine Brille hoch. Dabei entstand ein glitzender Effekt. „Der Otomo? Freut mich dich kennen zu lernen.“ „Yoshi Futabe.“ „Yoshi? Hm, ich habe dich mehr als Weichei eingeschätzt, bei dem was man von dir so hört. Aber du kannst ja doch ganz schön zulangen. Was bringt euch zu mir, meine Herren?“ Yoshi wollte das Foto zücken, aber dann ließ er es doch. „Wir suchen nach den zehn Gerechten“, sagte er stattdessen. „Lust auf ein Team up mit uns?“ Doitsu schob die Brille ein Stück die Nase herab und starrte uns über den Rand an. „Ihr wollt mich in eurem Team haben? Mich?“ Yoshi und ich wechselten einen Blick, dann ein grinsen. „Unbedingt“, sagte Yoshi. „Wenn nicht dich, wen dann?“, bestätigte ich. Doitsu schob die Brille wieder die Nase hoch. Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht. „Hm, warum nicht. Ein paar schlagkräftige Freunde sind immer gut.“ „Dann willkommen in der Truppe.“ „Hat die Truppe auch einen Namen, Yoshi-kun?“ „Wir arbeiten dran.“ Ein zufrieden stellendes Ergebnis, fand ich, nachdem Doitsu wieder zu seiner Klasse zurückgekehrt war. Wir hatten zwar nicht mehr über die Fotos herausgefunden, aber irgendwie wusste ich, dass Doitsu ein guter Freund werden konnte. „Das war ein guter Griff, Akira. Du kannst Aikhido? Wusste ich gar nicht.“ Ich hüstelte verlegen. Ich konnte Yoshi ja schlecht von meinem Cross-Training quer durch fünf Kampfsportarten erzählen, mit dem die Piloten der UEMF auch für den Nahkampf fit gehalten wurden – vom Training an diversen Schusswaffen ganz zu schweigen. Und wenn ich ihm erzählt hätte, dass Yohko das gleiche Training genoss, dann… Dann wollte er womöglich mitmachen und in die UEMF einsteigen. Die armen Kronosier. „Ach, Aikhido. Dein Opa hat mir den Griff gezeigt, als ich bei ihm meditiert habe. Du musst mich mal erleben, wenn ich richtig zornig bin, dann sieht das noch mal ganz anders aus.“ „Das ist es!“ Yoshi strahlte mich an. „Das ist was?“ „Na, der Name unserer Gruppe. Akiras Zorn.“ Ich seufzte viel sagend. „Ein selten dämlicher Name.“ „Selten ist doch positiv.“ Er zwinkerte mir zu. „Oder?“ Mit einem leisen Lachen gab ich nach. „Okay. Akiras Zorn. Aber du bist auf ewig Schuld an diesem Namen, alter Freund.“ „Kann ich mit leben.“ ** „Hey, habt ihr schon gehört? Der legendäre Blue Lightning macht sich rar auf den Schlachtfeldern. Je mehr neue Hawk-Piloten es gibt, desto seltener steigt er in seinen Mecha. Findet ihr das nicht auch merkwürdig?“ Ich unterdrückte ein Grinsen, als ich die Konversation meiner Klassenkameraden überhörte. Kei Takahara war schon eine Tratschtante, wie sie im Buche stand. Leider hatte er in den meisten Jungen unserer Klasse willige Verbündete. „Vielleicht schonen sie ihn? Immerhin ist er der einzige terranische Pilot, der von Anfang an gekämpft hat?“ „Vielleicht ist er auch einfach nur ausgebrannt und nimmt eine Auszeit.“ „Ach. Und Megumi-chan kämpft weiter, was?“ „Ruhig, Kei.“ Yoshi machte eine beschwichtigende Geste. „Blue Lightning war drei Monate länger im Einsatz gegen die Kronosier als jeder andere Mecha-Pilot. Er hat auch oft genug alleine gegen sie gekämpft, bevor Megumi-chan und die anderen Hekatoncheiren Zeus und Kottos dazu stießen. Es ist doch verständlich, dass das absolute Ass der terranischen Verteidigung nicht für jeden läppischen Kampf, nicht für jeden kleinen Angriff auf Versorgungsfrachter aufsteigen muß. Nicht mehr, meine ich.“ Ich fühlte mich geehrt bei den Worten des Freundes. Soviel Verständnis erfuhr ich, oder vielmehr Blue Lightning, selten. Die Liebesbriefe waren immer hoffnungslos übertrieben und die Drohbriefe grundsätzlich extrem negativ verfasst. Verständnis, richtiges Verständnis begegnete mir kaum. „Was sagst du dazu, Akira-kun?“ Ich sah auf. „Blue Lightning, wer ist schon Blue Lightning?“ „Spüre ich da eine gewisse Undankbarkeit für den größten Helden der Erde in deiner Stimme?“, konterte Yoshi kühl. „Dem Helden? Wer sagt denn, dass es keine Heldin ist? Ich meine, Megumi-chan, das gibt einem doch zu denken. Was wenn die Hawks nur von Frauen geflogen werden können? Man sollte herausfinden, wer die anderen beiden Mechas der Hekatoncheiren steuert.“ „Pah. Die anderen Hawk-Piloten, abgesehen von den Hekatoncheiren, sind jedenfalls nicht nur Frauen“, wandte Kei ein. „Es sind ja auch neue Hawks. Aber vielleicht gilt es für die ersten Hawks. Ich habe gehört, die Künstlichen Intelligenzen müssen mit dem Piloten synchronisieren. Das wurde mit zunehmender Forschung immer einfacher. Was aber wenn das anfangs nur Frauen gelang? Was wenn alle vier Hekatoncheiren Frauen sind?“ Innerlich amüsierte ich mich köstlich, als ich dieses Gerücht in die Welt setzte. „Wenn die alle so gut aussehen, wie Megumi-chan…“ Kei bekam glänzende Augen. „Kumpel“, sagte ich drohend und stand auf. „Du willst doch nicht etwa was von Megumi, oder?“ „Hey, stimmt das Gerücht etwa doch? Hat dein Vater dich als ihren Leibwächter eingesetzt?“ Verblüfft setzte ich mich wieder. „Quatsch. Und ist mir doch egal. Megumi kann auf sich alleine aufpassen.“ „Ach, auf einmal. Und gerade wolltest du dich noch wegen ihr prügeln“, spottete Yoshi. „Halt doch einfach die Klappe.“ „Jetzt ist er sauer. Mist. Dabei ist Akira wohl der einzige, der herausfinden kann, ob seine Theorie stimmt.“ Nachdenklich strich sich Kei über sein Kinn. „Immerhin ist er Eikichi Otomos Sohn, oder? Und er hat Zugang zum OLYMP!“ Kei trat neben mich. „Weißt du vielleicht schon, wer die anderen drei Piloten sind? Kennst du Blue Lightning etwa persönlich? Und Kottos? Und Zeus?“ „Interessanter Gedanke“, brummte Yoshi amüsiert. „Bist du bestechlich, Akira?“ „Genau. Komm schon, wir sind doch Freunde, oder? Uns kannst du es doch sagen. Ich meine, wir verbreiten es auch erst morgen in der ganzen Schule. Ne?“ „Okay, okay.“ Ich breitete die Arme aus und sah zu den beiden herüber. „Ihr habt mich erwischt, Jungs. Ich gebe es ja schon zu. Ich bin Blue Lightning, der heldenhafte Mecha-Pilot. Der Sieger in unzähligen Schlachten. Der Zerstörer feindlicher Schiffe. Ich bin es. Zufrieden?“ Kei und Yoshi wechselten einen langen Blick, bevor sie lautstark zu lachen begannen. „Du und Blue Lightning? Du kannst ja nicht mal einen Hawk von einem Daishi Gamma unterscheiden!“, rief Kei. „Das ist ja noch gar nichts! Stell dir doch mal vor, Akira bereitet sich auf eine Mission vor. Wenn Megumi-chan, dann in diesem super engen Druckanzug vor ihm rum läuft, dann vergisst er doch glatt wo er ist!“ Yoshi beugte sich zu mir vor. „Das wäre doch mal eine Idee, oder? Wenn Megumi-chan das nächste Mal in einen Einsatz geht, kannst du dann auf dem OLYMP sein und ein paar Fotos von ihr schießen? Na?“ „Weiß nicht“, brummte ich. „Was zahlt ihr zwei denn so?“ Keis Augen schienen aufzublitzen. „Für Fotos von Megumi-chan im Druckanzug? Zehntausend Yen das Bild!“ Ich strich mir nachdenklich über mein Kinn. „Woher hast du soviel Geld, Kei-chan?“ „Ach, weißt du, Akira, das ist jetzt nicht so wichtig.“ Mit einem aufgesetzten, sehr breiten Grinsen setzte er sich wieder an seinem Platz. Yoshi sah zu mir herüber, ich nickte. „Sehr verdächtig.“ „In der Tat.“ 3. „Akira! Du hast Besuch!“, hallte es von der Tür herüber. Ich nickte, rieb mir kurz die Augen um den Schlaf loszuwerden und ging auf den Flur – mein Entsetzen sorgte dafür, dass ich schlagartig wach wurde. „MAKO!“ Mein Cousin lächelte mich freundlich, eigentlich sogar verschmitzt an. Das war ja auch kein Problem, der Minirock hingegen schon. Entsetzt schlug ich eine Hand vor mein Gesicht. „Hat Sakura es endlich geschafft? Hat sie dich in den Wahnsinn getrieben?“ Das Lächeln verschwand und machte einer ernsteren Miene Platz. „Was? Steht mir die Kombination etwa nicht? Ist Bauchfrei nicht gerade sehr beliebt?“ „Mako, es ist mir egal, ob du dich nach dem vorherrschenden Trend anziehst. Aber kannst du das nicht als Junge machen?“ „Aber wieso denn?“ Er drehte sich einmal im Kreis, wobei sein Rock leicht hoch wehte. „Es steht mir doch, oder?“ Zustimmendes Geraune aus meiner Klasse klang auf. Ich schloss die Tür. „Mako, einmal abgesehen von deinem Outfit, was machst du hier?“ Wieder begann er zu lächeln, aber ich winkte ab. „Keine Spielchen.“ Enttäuscht sah er zu Boden. „Hmpf.“ „Ich höre.“ „Der Angriffsplan für den Mars steht. Ich wollte es dir nur schnell erzählen, bevor ich wieder an meine Aufgabe gehe.“ „Der Angriffsplan steht also. Dann geht es sicherlich bald los. Das ist gut. Vor allem überfällig. Und was ist deine Aufgabe hier, Mako?“ „Ich habe heute den Personenschutz von Megumi übernommen. Wir haben noch keinen ordentlichen Schutz für sie aufbauen können, die meisten Agenten sind einfach zu alt um als Mittelschüler durchgehen zu können. Aber ich, als Freundin, habe damit weniger Probleme.“ „Ach so.“ Das war der Grund für diese Klamotten. Irgendwie beruhigte mich das. Aber andererseits… „Makoto Ino, heißt das, du kommst jetzt öfter in diesem Outfit in die Schule?“ „Ach, was du gleich wieder denkst… Natürlich nicht.“ Erleichtert atmete ich auf. „Ich habe mir von Sakura noch mehr Sachen besorgen lassen. Wie sieht das denn aus, wenn ich jeden Tag im gleichen Rock herum laufe?“ „Maaaaakoooooooo!“ „Hey, reg dich wieder ab. Es ist ja nur so lange bis wir den Personenschutz aufgestellt haben. Wir basteln bereits am Schutz in der Oberstufe. Und ich bin dazu da, damit sich der Aufwand auch lohnt und Megumi die Mittelstufe überlebt.“ „Du arbeitest doch nicht alleine?“ „Nein, ich habe ein Team von fünfzig Leuten da draußen. Dazu einen als Lehrer getarnten Agenten in der Schule und ständig ein paar Bauarbeiter, die rund um die Schule den Boden aufreißen und wieder zuschütten.“ „Sehr unauffällig“, kommentierte ich mit beißendem Spott. „Fällt dir was Besseres ein? Soll ich vielleicht Hawks in den Bäumen verstecken?“ „Eher in den Hecken.“ „Ich werde deine Anregung weitergeben, Herr Meisterstratege. Aber vorher…“ Ich hielt ihn am Arm zurück. „Bevor du wieder zu Megumi gehst, sag mir mehr über den Auftrag.“ „Wir vier. Eine Zerstörungs- und Erkundungsmission. Die YAMATO bringt uns rein. Jerry kommandiert uns.“ „Wann?“ „Ende des Monats, kurz nachdem die Konjunktion mit dem Mars vorbei ist.“ Ich ließ seinen Arm wieder los. „Danke dir, Mako. Sag Bescheid, wenn dein Team Verstärkung braucht, ja?“ Makoto ging ein paar Schritte, dann lächelte er wieder und beugte sich leicht vor. „Das mache ich, Akira-chan. Sobald ich dich brauche, gebe ich Bescheid.“ Ich grinste und winkte ihm zum Abschied zu. Ein kräftiger Arm umschlang mich und zog mich nach hinten. Kurz darauf fand ich mich in einem Wust von Jungs aus meiner Klasse wieder. Hatten die Bastarde gelauscht? Hatten sie herausgefunden, dass sich zwei Hekatoncheiren unterhalten hatten? War einer oder waren mehrere von ihnen womöglich Agenten der Kronosier? Ich spannte meine Muskeln an. „Akira-kun, du Halunke! Erst Megumi-chan, dann Yohko-chan und jetzt dieses hübsche Mädchen! Musst du denn alle guten Mädchen für dich reservieren?“ „Mo-moment!“, rief ich hastig. „Sie ist n-…“ „Sie ist was?“ Es wäre in diesem Wust ein leichtes gewesen die Jungs darauf hinzuweisen, dass Makoto ein Junge war. Aber das hätte seine Tarnung zerstört. Und damit sowohl ihn als auch Megumi gefährdet. Ich erkannte, warum sich Mako bei mir quasi vorgestellt hatte. Damit ich seine Tarnung nicht bei einer zufälligen Begegnung im Flur platzen ließ. „Sie ist nicht meine Freundin. Und sie wird demnächst öfters hier sein. Wenn ihr wollt, versucht doch euer Glück bei ihr.“ Ich wurde losgelassen und wieder auf die Beine gestellt. „Meinst du das ehrlich?“ Ich sah in tränende und aufgeregte Gesichter. „Klar!“ Yoshi beugte sich zu mir vor. „Was macht Makoto denn hier? Und warum trägt er Mädchenklamotten?“, zischte er mir zu. „Weil sie ihm stehen“, erwiderte ich dreist. Yoshi dachte darüber einen Moment nach, dann grinste er. „Stimmt.“ In diesem Moment wusste ich wirklich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. 4. „Ich halte dies Lösung nicht für optimal“, sagte ich leise. Yoshi sah mich fragend an. „Was? Die Textausgabe für Blue Lightning? Ich finde, das ist eine adäquate Lösung. Da keiner weiß, wer Blue Lightning ist, kannst du so nicht enttäuscht werden.“ Er zuckte die Schultern. „Wie auch immer. Also, spielst du jetzt Megumi oder nicht?“ Mit einem Laut, einer Mischung aus Wut, Zorn, Niedergeschlagenheit und Ergebenheit, setzte ich mich neben den Freund vor die Spielkonsole. Das Spiel hieß Daishi Dogfight und war eines der lizensierten Produkte der UEMF. Ziel des Spiels war es, in zwei Dutzend Missionen die Kronosier davon abzuhalten, gewisse Gefechtsziele zu erreichen. Mögliche Spieler waren die drei Hekatoncheiren und Zeus. Yoshi hatte sich natürlich Blue Lightning geschnappt. War ja wieder klar. Ich hatte also die Ehre, Lady Death zu spielen, genauer gesagt, Megumi. Das Pseudonym für sie hätten die Spielemacher eigentlich weglassen können, fand ich. „Okay, los geht es. New York-Unterkampagne. Wir starten von der ENTERPRISE.“ „Blue Lightning hat über Land angegriffen und die ENTERPRISE nur als Notlandeplatz benutzt.“ „Ich habe schon vorgespielt. Der Durchbruch durch die Daishi-Linie liegt schon hinter mir.“ Gewinnend grinste er mich an. „Stell dir vor, ich habe mit dem Herakles-Schwert eine Korvette runter geholt.“ Ich lächelte dünn. Bei der gleichen Mission hatte ich es zu diesem Zeitpunkt bereits auf zwei Korvetten und eine Fregatte gebracht – von den Daishis einmal ganz zu schweigen. Übergangslos fanden wir uns im Getümmel wieder. Die Sprachausgabe war aktiviert und wir konnten die englischen Stimmen der Katapultmannschaft und der Briefingcrew hören. Neben und vor uns starteten gerade TomCats, wir waren als Nächste an der Reihe. Wir konnten zwar ohne weiteres aus dem Stand starten, aber es hatte sich bewährt, den Dampfkatapulten die Arbeit zu überlassen, uns auf Geschwindigkeit zu bringen. Die Hawks waren nicht auf Aerodynamik ausgelegt. Im Weltraum mussten sie das auch nicht. In einer Atmosphäre bewegten sie sich defacto mit rabiater Gewalt voran, alleine mit der Kraft ihrer Sprungdüsen, ohne Rücksicht auf den Luftwiderstand und den Mehrverbrauch an Energie. „Blue Lightning – GO!“, rief Yoshi begeistert, als sein Hawk abgeschossen wurde. Ich lächelte dünn. Ein merkwürdiges Gefühl, nun Lady Death zu spielen. Yoshi sah mich an. „Komm, sag es. Sonst macht es doch keinen Spaß.“ „Ach…“ „Sag es, Akira.“ „Meinetwegen. Lady Death startet.“ „Etwas mehr Enthusiasmus bitte, Lady Death.“ „Ich gebe dir gleich Lady Death“, brummte ich belustigt. Ich formierte mich knapp hinter Yoshi, in der klassischen Begleitschutzposition, während weitere TomCats und Falcons um uns Formation aufnahmen. Über der Riesenstadt New York tobte noch immer eine erbarmungslose Schlacht, die noch immer keinen Gewinner kannte. Die Deutschen in ihren Tornados und die Russen in den verschiedenen MiGs fochten mit dem, was von dem Amerikanern übrig geblieben war, bis aufs Messer. Dutzende Daishi-Wracks trieben neben Flugzeugresten im East River und im Hudson. Andere waren als brennende Trümmerregen über den verschiedenen Vierteln der Stadt nieder gegangen. Wenn es eine Hölle gab, dann sah sie sicherlich so aus. Yoshi eröffnete das Feuer, auf zwanzig Kilometer Distanz, nur mit der Gatling, die er als Zweitwaffe trug. Das war die äußerste Reichweite der kleinen Granaten, bevor ihre Eigengeschwindigkeit zu gering wurde, um überhaupt die Sprengung auszulösen. Munitionsverschwendung. Ich hätte gewartet, bis ich auf zehn heran war. Erschrocken blinzelte ich, als ich Explosionen in der Luftschlacht erkannte, wo es keine geben sollte, nämlich in unserer Richtung. „Yoshi, hast du…“ „Ja, die habe ich runter geholt. Ich habe festgestellt, wenn man eine Serie schießt, dann trifft man auf jeden Fall. Und je enger die Serie gefeuert wird, desto höher ist der Schaden.“ „Nette Idee.“ Ich zog Lady Death an ihm vorbei und fuhr auf Manhattan nieder. „Was hältst du davon? Ich übernehme den Straßenkampf gegen die Daishis, die sich zwischen den Wolkenkratzern eingeigelt haben, und du putzt mir den Himmel sauber.“ „Einverstanden. Und viel Glück, Lady Death.“ „Ich gebe dir gleich deine Lady Death.“ Mein Hawk, genauer gesagt die Cockpitsicht, sackte weg, zielte auf die Insel. Dann tauchte ich auf Höhe des Broadways ins Straßengewühl ein. Das war ja fast wie damals. Die Alphas, die sich auf den Dächern und zwischen den hohen Gebäuden verschanzt hatten, um von hier Raketen- und Flakfeuerunterstützung zu geben, das erinnerte mich verdammt an die Realität. Ich zog die Artemis-Lanze vor, köpfte den ersten Daishi und rammte einen zweiten. Dann wurde ich getroffen, genau wie damals. Lady Death vibrierte unter den Treffern. Aber diesmal war ich schlauer, vorbereitet. Diesmal markierte ich die anderen Mechas mit Hilfe des Ziellasers der Raketenabwehr und verlinkte die Daten mit den TomCats. Der Broadway wurde leicht verwüstet, tausende Fenster gingen zu Bruch, aber Daishis gab es danach in der Straße nicht mehr. Was soll´s, ich hatte Cats sowieso nie gemocht. Wieder zog ich hoch, suchte mir meine nächsten Opfer. Wallstreet? Central Park? Wallstreet. Ich hielt mich eng am Boden, während ich durch die Stadt raste. Über mir erzielte Yoshi auf bemerkenswerte Distanz Abschuss auf Abschuss. Verdammt, wäre dies kein Spiel sondern die Wirklichkeit, dann wäre ich froh gewesen, Yoshi an meiner Seite zu haben. Ich erreichte die Wall Street und wurde von konzentriertem Feuer empfangen – schon wieder. Aber ich hatte damit gerechnet – auch schon wieder – und die Überreste eines Alphas als Schild mitgenommen. Die Brustplatte erwies sich als sehr nützlich, um meinen Arsch zu retten. Wieder fegte ich durch die Straße, zerteilte zwei Daishis mit der Lanze auf Cockpithöhe, wirbelte herum und markierte die anderen Daishis mit der Raketenabwehr. Dann wurde der Bildschirm schwarz. „Was ist los? Haben wir gewonnen?“ „Verdammt, verdammt, verdammt, einen Abschuss mehr, und wir hätten uns die Fregatte vornehmen können! Wer war der Spielverderber?“ Wütend fuhr Yoshi herum. „ICH war der Spielverderber. Wie könnt ihr das nur tun, verdammt? Da oben sterben wirkliche Piloten in wirklichen Mechas, um uns zu schützen! Ich meine, ich… Ich meine…“ Gefangen zwischen Wut und Verzweiflung sah Megumi Uno uns an. Sie hielt noch immer den Stromstecker in der Hand. „Ich meine, ICH riskiere da oben mein Leben, und ihr blödelt hier mit diesem dämlichen Spiel herum. Außerdem ist Yohko…“ Sie schluckte hart und schwieg. „Es ist nicht so als hätten wir vergessen, dass Yohko in dieser Steinlawine im Urlaub gestorben ist“, sagte Yoshi ernst. „Bestimmt nicht, Megumi-chan. Und niemand will deine Leistungen schmälern, um Himmels Willen. Du bist Lady Death, die mächtige Beschützerin der Erde. Aber ich dachte, Akira könnte endlich mal etwas Aufmunterung gebrauchen. Er hat sich die Sache so sehr zu Herzen genommen, seit über einer Woche ist er nicht mehr draußen gewesen.“ Ich unterdrückte ein Schluchzen. Da versuchte ich für mich, mit Yohkos Tod – auf dem Mars, um mich zu retten und nicht in einer Steinlawine in den Anden – klar zu kommen und es gelang mir nicht. Meine Freunde versuchten mir zu helfen. Aber es klappte nicht. War es wirklich schon so lange her? Der Angriff auf den Mars, unsere Rückkehr zur Erde, die beiden Trauerfeiern? Meine Hände ballten sich gegen meinen Willen, der Spielcontroller in meinen Händen knirschte beängstigend. Dieses Geräusch brachte mich wieder zur Besinnung. Zögerlich ließ ich den Controller los und legte ihn ab. Da war sie wieder, diese Szene vor meinem geistigen Auge, der Feuerball hinter meiner Schwester, die Hand, die aus dem Feuer nach ihr griff, sie umschloss, Yohko verschwand in der Faust und wurde dann in die Tiefe gezogen. Ich hatte nichts tun können, einfach nichts tun können. Unverständnis erfüllte mich, Zweifel an dem, was ich getan hatte. All die Toten, auf unserer Seite, auf Seiten der Kronosier, wofür waren sie gestorben? Warum waren so viele gestorben? Welchen Sinn hatte das alles? Ich hatte vorher schon nachts wach gelegen und mich gefragt, warum ich das machte, warum ich tötete, verstümmelte, zerstörte. Aber nie war es so schlimm gewesen wie in den Tagen nach Yohkos Tod. „AKIRA!“ Ich sah auf, in Megumis besorgte Augen. „Akira, geht es dir gut? Du warst so weggetreten, ich hatte solche Angst um dich.“ „Es… Es geht schon wieder. Seit wann bist du eigentlich hier?“ „Ich habe vorhin ein paar Sachen von Makoto gebracht. Er wollte bei dir einziehen, schon vergessen?“ „Nein, natürlich nicht. Warum kommt Vater nicht einfach zurück? Das wäre doch viel einfacher. Immerhin ist das hier sein Haus, oder?“ Meine Stimme klang bitter. Richtig, wo war er, mein Vater, ausgerechnet jetzt wo ich Zuspruch brauchte? Jemand an dem ich mich aufrichten konnte? Die Ausrede, dass er die Verteidigung gegen die Kronosier koordinieren musste, konnte doch nicht immer gelten. Okay, ich war ungerecht. Und ich wusste, dass Eikichi mit mir alleine in diesem Haus wahrscheinlich wahnsinnig geworden wäre. Entweder wegen mir oder weil ihn viel zu viel an die kleine Yohko erinnerte. Aber es machte so vieles leichter, einen Teil seines Schmerzes auf einen anderen abzuschieben. „Akira, geht es dir gut?“ Sanft strich Megumi mir über den Kopf. Das war eine der sehr seltenen Gelegenheiten, dass sie mich von sich aus berührte. Wir waren sehr eng verbunden, aber die Angst und Zurückhaltung, die sie sich nach dem Tod ihrer Eltern und als Lady Death auferlegt hatte, stand seitdem zwischen uns. Ohne ein Zeichen von mir, ohne meine Hand, die nach ihrer langte, war sie zu unsicher. Das sie mir jetzt mit dieser Berührung zu verstehen gab, dass sie für mich da sein wollte, rührte mich. Bis ihr Handy quäkend zum Leben erwachte. Ich kannte den Rhythmus, hatte ihn oft genug gehört. „Einsatzzentrale?“ Sie nickte, öffnete das Handy und führte ein kurzes Telefonat. „Anscheinend haben wir die Kronosier nicht hart genug getroffen. Sie greifen mit ihren verbliebenen Schiffen die Frachterrouten an. Es tut mir Leid, aber Lady Death wurde angefordert.“ Ich wollte protestieren, aber sie war nun einmal die letzte Pilotin der Hekatoncheiren, die in der UEMF diente, und Schuld daran war ich. Ich hatte Yohko sterben lassen, war feige und verzweifelt aus dem Dienst geflohen und hatte Makoto damit angesteckt, der ebenfalls eine Auszeit genommen hatte. Megumi war die einzige Soldatin der Top-Elite, die noch diente. Aber ich konnte nicht in meinen Mecha zurückkehren. Noch nicht. Vielleicht nie. Es wäre um so vieles einfacher gewesen, wenn der Krieg ein Ende gehabt hätte. Aber dafür hätte ich nicht nur Phobos, sondern auch Deimos auf den Mars werfen müssen. „Ich muss los. Tut mir Leid, Akira. Yoshi.“ „Es… ist in Ordnung, Megumi. Du tust deine Pflicht.“ Sie machte mir keinen Vorwurf, obwohl ihr meine Worte die Möglichkeit gelassen hätten. Stattdessen sah sie mich voller Mitgefühl an und nickte nur. Mitgefühl, und etwas, was ich manchmal in ihren Augen sah, bisher aber nie erklären konnte. Sie nickte mir und Yoshi zu und ging. „Tapferes Mädchen“, kommentierte Yoshi. „Kämpft da oben gegen wer weiß wie viele Daishis und steht ihren Mann. Hörst du, Akira, wenn dein Vater es dir nicht befiehlt tue ich es. Du hast gefälligst immer ganz besonders nett zu Megumi zu sein, verstanden?“ „Das bin ich doch immer. Sie ist doch jetzt meine Ersatzschwester.“ Yoshi musterte mich aus zusammengekniffenen Augen. „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein Idiot bist?“ „Warum bin ich denn plötzlich ein Idiot?“ „Hast du schon mal einen langen Blick auf ihre Beine geworfen? Auf ihren Hintern? Auf das hübsche Gesicht? Nein, hast du nicht. Sonst würdest du nicht ihr Bruder sein wollen.“ „Es ist nicht gerade so als hätte ich das nicht bemerkt“, erwiderte ich pikiert. „Sie ist ein verdammt hübsches Mädchen.“ „Und sie steht auf dich.“ „Ja, und?“ Yoshi seufzte aus dem tiefsten Grund seiner Seele. „Und… Da könnte was laufen zwischen euch beiden!“ Nachdenklich kratzte ich mich am Haaransatz. „Na ja, würde man das nicht missverstehen? Ich meine, ich als Eikichis Sohn und sie als Pilotin der UEMF…“ „Phhh, ich habe dir doch von diesem Gerücht erzählt, nach dem du gezwungen wirst, Megumi bei Laune zu halten. Niemand würde auch nur eine Sekunde missverstehen, was zwischen euch beiden vor sich geht. Nämlich dass du das arme Opfer bist.“ Er zwinkerte mir zu. „Hm, ich glaube, ich könnte damit leben, mal das Opfer zu sein.“ Yoshi grinste breit und klopfte mir auf die Schulter. „Das Leben geht weiter, mein Freund. Wir werden noch oft genug Rotz und Wasser heulen, wenn uns wieder irgendetwas an Yohko erinnert. Aber deswegen dürfen wir nicht stehen bleiben.“ „Du bist ganz schön weise für dein Alter, Junge.“ „Quatsch. Ich plappere nur nach, was mein Opa mir immer sagt.“ Ich lächelte dünn. „Aber du klingst, als hättest du verstanden, was er dir gesagt hat.“ „Du bist schon in Ordnung“, sagte Yoshi mit einem warmen Lächeln. Er boxte mich gegen die Schulter und meinte: „Kann ich dich die halbe Stunde alleine lassen, bis Makoto kommt?“ „Was? Willst du ihn nicht noch begrüßen?“ „Geht leider nicht. Vater und Mum wollen mit mir koreanisch essen gehen. Das sollte vor einer Stunde losgehen. Wenn ich noch länger hier bleibe, lande ich noch selbst auf dem Grill.“ „Du bist entschuldigt“, erwiderte ich gönnerhaft. „Aber lass mir das Spiel da. Ich will auch mal Blue Lightning sein.“ „Oh, wie großzügig, Eure Lordschaft.“ Spöttisch verbeugte sich Yoshi vor mir. „Aber versuch nicht Blue Lightning zu sein, ja? Akira Otomo ist doch bereits viel größer als er.“ Sprachlos ließ mein bester Freund mich zurück. Ich weiß nicht wie lange ich so gesessen hatte, alleine, auf dem Boden hockend, bis in die kleinste Faser meines Herzens gerührt über diesen Jungen und seine Worte. Aber gewiss war es keine halbe Stunde, Makoto war noch nicht da. Ein Telefonanruf riss mich aus meinen Gedanken. Automatisch nahm ich ab. „Otomo-Haushalt.“ „Spreche ich mit Blue Lightning? Oder besser gesagt, spreche ich mit Akira Otomo, der so dumm war, auf dem Mars ohne Stimmzerhacker mit den Daishi-Piloten der Heimatverteidigung zu reden?“ Überrascht sprang ich auf. Hatte ich einen Fehler gemacht? Okay, hatte ich einen entscheidenden Fehler gemacht? „Wer sind Sie?“ „Jemand, der auf dem Mars war, als du uns Phobos auf den Kopf geschmissen hast. Zum Glück kam nur einer der kleineren Brocken runter, sonst hätten unsere Schilde nicht gehalten. Und ich müsste dir jetzt ein Killerkommando auf den Hals hetzen, anstatt dir ein Geschenk zu machen.“ „Zwanzig Sekunden. Wer immer Sie sind, reden Sie schnell, denn bei dreißig Sekunden hat die Fangschaltung der UEMF Ihre Adresse.“ „Hm. Die Idioten werden nicht einmal das Gespräch mitschneiden können, geschweige denn mich finden. Wir könnten stundenlang telefonieren, bevor sie überhaupt merken, dass du angerufen wurdest, mein Junge.“ Ich wusste, dass die Kronosier in einigen entscheidenden Punkten über bessere Technologie verfügten, die wir noch nicht in die Finger gekriegt hatten. Anscheinend lernte ich gerade eine weitere Technologie kennen. „Was für ein Geschenk wollen Sie mir machen?“ „Wie gesagt, ich war auch auf dem Mars. Und ich habe eine sehr interessante Information für dich. Willst du deine Schwester wieder sehen?“ „Meine Schwester ist tot!“ „Nein, ist sie nicht. Sie schwebt in einem Biotank und regeneriert sich. Ich habe vielleicht die Möglichkeit, sie zur Erde schaffen zu lassen und dir wiederzugeben. Bist du dafür bereit, ein kleines Risiko einzugehen?“ Ich erstarrte. Alles in mir rief lautstark: Falle, Falle! Und die Stimmen hatten alle Recht. „Falls du dir Sorgen um deine Sicherheit machst, mein Junge, keine Sorge. Außer mir wissen nur fünf weitere Kronosier, wer du bist, Blue Lightning. Ist das nicht nett von mir? Es würde bei unseren Truppen zu, ah, Kommunikationsproblemen führen, wenn der Elitepilot der UEMF ein vierzehnjähriger Junge wäre. Wir haben es gesehen, als Megumi enttarnt wurde, keiner schießt gerne auf kleine Mädchen.“ „Wie nett. Was erwarten Sie von mir?“ „Oh, nichts Besonderes. Eigentlich will ich nicht mehr als eine Probe deines genetischen Materials. Uns interessiert, warum du einen Daishi steuern konntest. Als Belohnung schicken wir dir deine Schwester zurück. Dieses Angebot gilt aber nur, wenn du sofort nachdem du aufgelegt hast, vor die Haustür kommst, unbewaffnet, ohne Handy, und in den Wagen steigst, der dich dann abholen kommt.“ „Was habe ich davon? Wie kann ich mir sicher sein, dass Sie mich nicht betrügen?“ „Das kannst du nicht. Und du musst sehr wohl damit rechnen, dass ich dich betrüge. Aber ich werde dich nicht töten, weil du für uns lebend mehr wert bist. Und im Wagen wird ein Beweis sein, dass deine Schwester noch lebt. Ein sehr eindeutiger Beweis. Was ist, Blue Lightning? Hast du keine Lust auf ein wenig Risiko? Ist dir deine Schwester das nicht wert?“ Falle, Falle, Falle, hämmerte es in meinem Kopf. Ich wusste es, ich spürte es. Eine Falle, eine plumpe Falle, in der ich nichts, absolut nichts gewinnen konnte. Nichts gewinnen würde. Vielleicht würde ich sterben. Aber in meiner Verzweiflung, meiner abgrundtiefen Verzweiflung würde ich gerne in den Tod gehen, wenn es diesen Beweis gab. Wenn mein Versagen abgemildert wurde. „Okay.“ „Gute Entscheidung, mein Junge. Du hast zehn Sekunden ab jetzt!“ Die andere Seite hängte auf. Ich zögerte nicht lange, warf das Handy fort, rannte auf den Flur, hielt mich nicht mit den Schuhen auf. Fünf Sekunden. Ich trat auf die Straße, ein Wagen raste heran. Die hintere Tür ging auf, ich sprang hinein, der Wagen ruckte an. Wenn die UEMF Wachen aufgestellt hatte, dann würden sie spät reagieren. Zu spät. Und wieder einen Fehler gemacht. Einen Riesenfehler gemacht. Der Fonds des Wagens war vom Fahrerbereich durch eine getönte Scheibe abgetrennt und leer, bis auf mich… Und einen weißen Druckanzug. Ich zog ihn heran, erkannte das Namensschild auf der linken Brust. Es gehörte einem Hekatoncheiren, Thunderstrike. Yohko! Der Anzug war angesengt, an einigen Stellen schwarz gebrannt, die Beine waren vollkommen verkohlt. Ich konnte nur ahnen, welche Temperaturen getobt hatten, um einen Druckanzug derart zu verheeren. Aber wenn es nur die Beine waren, dann… Hastig suchte ich nach dem MedLog, dass alle Druckanzüge besaßen. Ich wertete die Daten mit einem fachmännischen Blick aus und ließ mich erleichtert zurück sinken. Was jetzt auch immer kam, ich würde es ertragen. Ich würde es schaffen. Der MedLog zeigte eindeutig Lebenszeichen an, bis der Anzug geöffnet worden war. Einigermaßen stabile Lebenszeichen. Wenn der Anrufer nicht gelogen hatte und Yohko wirklich in einem Biotank steckte, dann war ihr Leben gerettet. „Ich habe doch gesagt, ich habe einen eindeutigen Beweis“, erklang die Stimme des Anrufers im Fonds. „Aber in einem anderen Punkt habe ich gelogen. Die Probe, die ich brauche, hm, sie fällt etwas groß aus. Genauer gesagt brauche ich ständig frische Proben von dir. Du wirst die Probe sein, junger Mann.“ Auf diese Art also wurde ich betrogen. Aber das machte nichts mehr. Ich hatte nicht völlig versagt. Der Rest würde sich finden. Gas strömte ein, füllte meine Lungen und ließ mich langsam einschlafen. Den Rest würde ich schon irgendwie hinkriegen. Irgendwie… 5. Auf meinem Weg zur Schule begegnete ich einer Menge Freunde. Daniel, Sven, Renata, Karen, Sarah, Dag, Dae-jung, Goeffrey… Wir alle lernten hier an der mathematischen Universität und gaben unser Bestes. Wie immer war allerbestes Wetter, die Sonne schien aus allen Löchern, die Menschen auf den Straßen waren fröhlich und ich fühlte mich wohl. Sehr, sehr wohl. „Was für eine ausgemachte Scheiße.“ Wütend ließ ich die Schultasche fallen. „Wie heißt dieses Land? Wie heißt diese Stadt? Warum scheint hier immer die Sonne? Warum regnet es nie? Es scheint immer Sommer zu sein, nie Herbst oder Winter! Es gibt keine Gefahren, keine schlechten Nachrichten und es gibt verdammt noch mal nicht den Hauch eines Konflikts!“ „Beruhige dich, Akira. Willst du lieber in einer anderen Welt leben, voller Elend und Gewalt? Überall an jeder Ecke einen Polizisten sehen, oder noch schlimmer vor den Kugeln eines Gangsters fliehen?“ „Woher kennst du diese Begriffe, Sarah?“ Ich ergriff ihre Schultern und sah sie ernst an. „Woher weißt du was ein Gangster ist? Wieso kennst du Kugeln? Und das Wort Gewalt kommt hier nicht einmal im Wörterbuch vor! Also, woher kennst du das alles?“ Mittlerweile hatten sich viele Menschen um mich versammelt. Einige meiner Freunde versuchten zu schlichten. „Akira hat wieder seine fünf Minuten, das geht vorbei. Gleich sagt er wieder, dass wir alle in einer Scheinwelt leben, dann kommt er wieder in Ordnung.“ „Halt die Klappe, Dag! Wir leben in einer Scheinwelt! Dies hier ist nichts weiter als eine große, böse Illusion!“ „Selbst wenn es eine Illusion ist, was ist daran böse? Wir leben hier wirklich nicht schlecht, alle sind gesund und die Sonne scheint.“ Ich machte ein abwertendes Geräusch. „Daniel, hast du schon mal eine Handvoll Dreck genommen? In deine Hände, zugegriffen, mit vollem Bewusstsein?“ „Nicht, dass ich mich dran erinnern würde. Aber hier gibt es doch überall Erde. Wenn du willst kann ich das schnell machen.“ „Dann greif in die Erde. Hol dir eine große Handvoll raus. Und dann iss sie.“ „Was? Ich soll Dreck fressen? Du spinnst, Akira!“ „Ich habe es gemacht! Und weißt du was ich festgestellt habe? Sie schmeckt nach nichts, nach absolut nichts! Und wenn ich drüber nachdenke, was ich sonst in dieser Welt esse, es schmeckt auch nach nichts!“ „Also, ich schmecke was, wenn ich was esse“, warf Sarah vorsichtig ein. Ich lachte abfällig. „Dag, gib mir mal eine von deinen speziellen.“ „Ich weiß zwar nicht, was du vorhast, aber was du sagst ist zumindest witzig. Hier.“ „Sarah, lutsch bitte diesen Bonbon. Und sag mir wie er schmeckt.“ Die junge Amerikanerin griff nach der Süßigkeit, wickelte sie aus und steckte sie sich in den Mund. „Süß.“ „Okay, lutsch weiter. Und du, Dag, grins nicht so breit.“ „Aber wenn sie gleich merkt, dass…“ „Klappe. Sarah, kannst du den Bonbon durchbeißen?“ „Ja, kein Problem. Aber wieso…“ „Mach es einfach.“ Man konnte deutlich sehen, wie sie die Kiefer spannte. Und das leise knacken, als der Bolschen zerbrach. Dag grinste breit. „Und? Wie schmeckt der Bonbon?“, fragte ich wütend. „Immer noch süß. Ich weiß nicht was du hast, Akira, aber ich…“ „Er kann nicht süß schmecken!“, rief Dag wütend. „Ich bin Schwede, und dies ist eine Süßigkeit aus meiner Heimat! Der Bolschen ist innen mit Salz gefüllt! Er kann nicht süß schmecken!“ „Was?“ Entsetzt sah sie den großen blonden Mann an. „Aber… Aber ich schmecke doch dass er süß ist!“ „Nein. Du erwartest dass er süß schmeckt und deine Erinnerung redet dir ein, dass er süß schmeckt. In Wirklichkeit hast du gar nichts im Mund. Du isst weder süßes noch salziges. Weil dies hier nicht die Realität ist! Dies ist ein verdammter Traum, in dem wir gefangen gehalten werden!“ „I-ich glaube dir, Akira!“ Der Schwede war sichtlich erschüttert. „Es schmeckt immer noch nicht salzig“, hauchte Sarah bestürzt. Die Welt brach abrupt zusammen. Ich fand mich übergangslos in einem großen, lichten weißen Raum wieder. „Was soll ich nur mit dir machen, Akira Otomo?“ Ich drehte mich um die eigene Achse, sah einen schneeweißen Schreibtisch. An ihm saß eine schwarzhaarige Frau in den Dreißigern. Sie trug einen hoch geschlossenen weißen Hosenanzug. Sie seufzte tief und ernst. „Was soll ich mit dir machen? Das ist das dritte Mal in dieser Woche, in der du die virtuelle Realität durchbrichst. Akira, das ist böse. Ich werde die Welt neu starten müssen, und das wird auffallen. Es wird eine Untersuchung geben, und dann werde ich sagen müssen, wer für die drei Neustarts allein in dieser Woche verantwortlich ist. Und dann kann ich dich nicht länger beschützen. Akira, ich will doch nicht, dass du getötet wirst. Wir leisten hier alle unsere nützliche Arbeit für die Kronosier, und solange wir das tun sind wir sicher. Verstehst du das denn nicht?“ „Ich verstehe, dass du überleben willst, Mother. Ich verstehe es und kann es nachvollziehen. Aber ich will nicht überleben! Ich will richtig leben! Da draußen gibt es eine riesige Welt, die nur auf mich wartet! Ich will dahin zurück!“ Wütend kam ich an den Schreibtisch heran, stützte mich schwer darauf ab. „Mother, du weißt, dass ich nicht mehr viel Zeit habe! Die verdammten Kronosier löschen mein Gedächtnis! Nicht mehr lange, und ich habe alles vergessen, bin eine leere Hülle!“ „Ist es also das?“ Die Frau sah mich bedauernd an. „Willst du vorher noch so viel Schaden wie möglich anrichten? Deine Rache haben?“ „Nein, Mother. Ich will hier raus. Und ich werde es schaffen!“ „Wie willst du es schaffen? Wie?“ „Hm.“ Ich grinste süffisant. „Mit den Mitteln, die du mir in die Hand gegeben hast. Mir und jedem anderen in dieser Konstruktwelt.“ Übergangslos begann der weiße Raum zu verschwimmen. Die Wände verloren ihre weiße Farbe, begannen einem Kaleidoskop gleich in allen Farben zu schimmern. Die Dimensionen verloren ihre Gültigkeit und der Boden verwandelte sich in eine tiefe, schwarze Grube. Der Schreibtisch verschwand und Mother sprang erschrocken auf. „Du hackst das System?“ Mein Lächeln wurde eine Spur breiter. „Nein, nicht ich hacke das System. Die anderen hacken das System. Ich bin mit etwas anderem beschäftigt. Danke dafür, Mother!“ „Was? Was tust du? Akira, was tust du? Du bist nicht sicher, wenn die Kronosier es herausfinden! Sag es mir, und ich kann dich schützen! Akira!“ „Tut mir Leid, Mother, aber ich komme hier raus! Ich komme hier definitiv raus!“ Ich stützte mich im Nichts auf – das gelang überraschend gut – und sah Mother direkt in die Augen. „Mit jeder Sekunde die ich hier bleibe, mit jedem Moment der verstreicht, vergesse ich etwas wichtiges. Oder etwas unwichtiges, was vielleicht später erst wieder wichtig wird. Welche Note habe ich in Englisch in meiner letzten Arbeit bekommen? Wie schmecken Tomaten? Warum ist die Farbe blau die Farbe blau? Sehe ich zuerst nach rechts, wenn ich eine Straße überquere, oder zuerst nach links? Es fließt aus mir raus, es verlässt mich! Ich kann dabei zusehen, wie ich… Wie ich weniger werde! Verdammt, ich will nicht als leere Hülle vegetieren! Und ich halte auch nichts davon als reines Gehirn zu existieren!“ Mother sah mich an, erhob sich aus dem Nichts, das ihr als Stuhl gedient hatte, und kam zu mir herüber. Ihre Schritte klangen über der Dunkelheit, auf der sie ging, auf. Sie hob die rechte Hand und streichelte mein Gesicht. Die Berührung war nicht echt, aber für einen Moment glaubte ich sie zu spüren. „Es tut mir Leid, Akira. Ich konnte dich nicht beschützen. Wir alle sind hier gefangen und müssen versuchen das Beste aus unserer Situation zu machen. Wir alle wollen letztendlich nur irgendwie leben. Ich habe versucht, für euch da zu sein. Ich habe versucht, euch zu beschützen. Ich habe versucht…“ Sie schluckte hart. „Ich wollte dir helfen, Akira. Weit mehr helfen als irgendjemand anderen, aber ich habe es nie geschafft. Letztendlich sind wir im Netzwerk der Supercomputer isoliert und ich kann nichts anderes tun als dich um Vergebung zu bitten. Dafür dass dein Gehirn systematisch gelöscht wird und dafür, dass ich es dir nie gesagt habe. Aber ich dachte, wenn du es nicht weißt, dann fällt dir das gehen leichter. Und mir das loslassen.“ Ihre Augen wurden mild, wässrige Tränen flossen ihre Wangen herab. „Akira, ich konnte nichts für dich tun. Aber jetzt tust du selbst etwas für dich. Ich wünsche dir, dass dein Vorhaben klappt. Das du dich rettest. Und damit uns.“ Sie zog die Hand zurück, wischte sich über die Wangen. „Mother. Wenn mein Plan funktioniert, dann kommen wir hier alle raus, das verspreche ich.“ „Wie hast du es gemacht? Wie bist du an den automatischen Wächtern vorbei gekommen? Wie an den Wänden?“ „Das war einfach. Letzte Woche viermal. Diese Woche dreimal. Vor zwei Wochen auch dreimal, nicht wahr?“ Ich grinste schief. „Hast du wirklich gedacht, mit einem Neustart der Welt wäre es getan? Hast du wirklich geglaubt, alle würden wieder bei null anfangen?“ Der Triumph griff nach mir, aber ich wies ihn ab. Noch hatte ich nicht gewonnen. Noch war ich in der Hand der Kronosier. „Spätestens nach dem dritten Neustart hatte ich die meisten überzeugt. Die Wichtigsten auf meine Seite gezogen. Seither testen wir diese virtuelle Welt, seither suchen wir die Schwachstellen. Und wir versammeln uns, um die wichtigsten Dinge zu besprechen. Die Kronosier haben uns ein Tor überlassen, das uns die Kommunikation immer gestattet. Und wir haben es genutzt.“ „Dann war die Versammlung heute nur…“ „Ja, ich habe den Neustart wissentlich ausgelöst. Einmal habe ich meine wichtigsten Verbündeten um mich versammelt. Dann habe ich sie noch einmal auf die Strategie eingeschworen. Und dann hast du den Neustart ausgelöst und mich hierher geholt. An eine direkte Schnittstelle zum nächsten Supercomputer.“ Mein Grinsen wurde breiter. „Du hast mir in die Hände gespielt, Mother.“ „Und während deine Freunde die virtuelle Welt zerfetzen, die Rechenoperationen sabotieren, Chaos produzieren, tust du was?“ „Diese Frage kannst du dir selbst beantworten.“ „Eine andere Frage. Wie sieht das Tor aus? Wie kommuniziert ihr miteinander, ohne entdeckt zu werden, ohne dass eure Kommunikation enttarnt wird?“ „Wir benutzen die Datenströme, die uns der Supercomputer zur Bearbeitung zuteilt. Die Wächter prüfen nur deren Inhalte, wenn wir sie zwischen uns hin- und herreichen. Nicht aber ihr Aussehen.“ „Was?“ „Wir formen die Datenströme, geben ihnen ein visuelles Gesicht. Nicht nur, dass wir eine Rechenoperation für die Verbesserung eines Antriebs berechnen, wer diesen Datenstrom empfängt und ihn sich visualisieren lässt, erkennt, dass die einzelnen Operationen Wörter bilden.“ „Einfacher ausgedrückt: Die Wächter kontrollieren den Datenstrom auf versteckte Botschaften. Nicht aber dessen Form.“ „Richtig, Mother. Und damit haben wir absolute Narrenfreiheit. Und die nutze ich, um uns zu retten.“ Übergangslos fühlte ich mich, als würde man mir die Eingeweide heraus reißen. „Falls dann noch etwas von mir übrig ist, meine ich…“ „AKIRA!“ Mother stürzte heran, nahm mich in die Arme. „Du wirst es schaffen, Blue Lightning“, hauchte sie. Erstaunt sah ich auf. Den Namen hatte ich schon mal gehört, vor einer kleinen Ewigkeit. „Und um deine Frage zu beantworten: In Ländern mit Linksverkehr wie Japan und England schaut man zuerst nach links, dann nach rechts, dann wieder nach links, und überquert danach die Straße.“ „Ich versuche es mir zu merken“, erwiderte ich. Mothers Bild begann zu verschwimmen wie Farbe in einem Wasserstrudel. Mein Bewusstsein fiel und fiel. Der letzte Akt hatte begonnen. 6. „Yo, Akira.“ Ich wandte mich um und grinste. „Hey, Yoshi. Alles klar?“ „Alles klar. Mir geht es gut. Wie geht es dir?“ Ich schnaubte aufgebracht. „Hey, ich kann meine Manga-Sammlung noch mal lesen. Die meisten habe ich total vergessen.“ „Na siehst du, da hat deine Entführung durch die Kronosier doch was gutes gehabt“, scherzte er. „Übrigens, ist dein Begleitschutz unsichtbar? Ich meine, falls sie dich noch mal entführen wollen?“ Ich winkte herrisch ab. „Die sollen bleiben wo der Pfeffer wächst. Ich habe vorhin Großmutters Schwert ausgemottet. Ich schütze mich ab sofort alleine.“ „Was, bitte, willst du mit einem Katana? Du schneidest dich bloß selbst.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Deshalb habe ich ja auch mit Kendo angefangen.“ Yoshi schnaufte überrascht. „Du hast was? Junge, Junge, du überraschst mich immer wieder. Übrigens, ist Mako noch bei dir zu Hause?“ „Was? Nein, die verdammten Kronosier haben nicht so viel von mir gelöscht, dass ich ständig einen Aufpasser brauche, um das Haus nicht in Brand zu setzen. Irgendwie brauche ich das allein sein auch. Ich will mich beweisen. Ich will alleine klar kommen.“ Ich lachte unglücklich. „Ich bin ein Idiot. Dabei habe ich Makoto doch gerne bei mir.“ „Aber dein Stolz kommt dir direkt in den Weg. Sehe ich das richtig?“ „Wenn Eikichi meint, er bräuchte nur an meinen Cousin zu delegieren, dann meine ich eben, es auch alleine zu schaffen“, erwiderte ich eisig. „Seit wann hast du was gegen deinen Vater?“ „Welchen Vater? Ich sehe keinen Vater!“ „Zirka eins achtzig groß, graumelierte Schläfen, leicht ergrautes, schwarzes Haupthaar, schlank, selbstsicher und gut aussehend. Eikichi Otomo mit Namen. Dein Vater.“ „Ich weiß, wer mein Vater ist. Er handelt nur eben nicht danach.“ „Na, genug davon, sonst kommen wir schnell wieder zu dem Thema, bei dem du dich mit Kopfschmerzen am Boden wälzt. So wie neulich, als dich jemand gefragt hat, wie es in dem Supercomputer war.“ „Supercomputer? Was redest du nur für einen Quatsch heute?“ Yoshi musterte mich als wäre ich ein Wesen von einem anderen Stern. Er wandte sich ab, stopfte seine Hände tief in die Hosentaschen seiner Schuluniform und meinte: „Ist vielleicht ganz gut so. Komm, beeil dich ein wenig. Akane-sempai hat Verständnis für das arme Opfer der Kronosier, wenn es sich verspätet. Aber mich wird sie definitiv in die Mangel nehmen.“ „Als wenn das etwas schlechtes wäre“, erwiderte ich. Yoshi grinste in einer Mischung aus Zustimmung und Seelennot zu mir herüber. „Akira-san?“ „Morgen, Hina-chan. Was kann ich für dich tun?“ „Hina redet mit dir? Seit wann hat sie so viel Courage?“, murmelte Yoshi amüsiert. „Klappe, Kumpel. Hör nicht auf den großen Trottel. Was hast du auf dem Herzen?“ Das blonde Mädchen sah mich mit feucht glitzernden Augen an. „Akira-san, ich wollte dir nur sagen dass…“ Übergangslos verbeugte sie sich tief vor mir und verharrte so. „Du bist mein großes Vorbild, Akira-san. Du hast mir Kraft gegeben als ich sie brauchte und dafür stehe ich in deiner Schuld. Ich hoffe, wenn wir in die Oberstufe kommen, dass wir wieder in derselben Klasse sind, damit du mich wieder inspirieren kannst. Danke, Akira-san.“ Sie richtete sich wieder auf, wurde rot und lief davon. „E-entschuldige, Akira-san!“ „Ihre Inspiration?“ Nachdenklich kratzte sich Yoshi am Haaransatz. „Mir sagen die Frauen nie so etwas.“ „Für mich ist das auch neu, Kumpel.“ „Du verstehst dich gut mit Hina, oder, Akira?“ Erschrocken fuhr ich zusammen. Neben mir stand ein dunkelblondes Mädchen mit niedlichem Kurzhaarschnitt und lächelte mich reichlich übertrieben an. Sie war definitiv süß. War sie mir vorher schon mal aufgefallen? Fiel sie in den Bereich, der von den Kronosiern gelöscht worden war? Verdammt, ich wusste, ich kannte sie. Irgendwie. Aber wenn ich sie ansah, dann sah ich nur diesen riesigen roten Mecha vor meinem geistigen Auge. „Nicht, dass das was schlimmes wäre, Akira“, fügte sie hinzu und lächelte unglücklich. Ich reagierte immer noch nicht, kramte in meinen Gedanken. Ihr Blick wurde düster. „Es tut mir Leid, wenn ich dich gestört habe, Otomo-kun.“ Sie senkte den Kopf und wandte sich abrupt um. „HEY!“, rief Yoshi, aber sie blieb nicht stehen. Ich griff hart zu und bremste das Mädchen ab. Sie stand bereits am Straßenrand, und in diesem Moment rauschte ein Sportwagen auf ihrer Seite entlang. Viel zu schnell und viel zu rücksichtslos. „Eine Bekannte hat mir mal gesagt, wenn ich in Japan eine Straße überquere, dann soll ich erst nach links, dann nach rechts und dann wieder nach links gucken. Ich glaube, blindlings drauflos laufen gehört da nicht zu, Megumi. Kannst du nicht etwas vorsichtiger sein anstatt mir fast einen Herzinfarkt zu bescheren?“ Erschrocken sah sie mich an. Dann zu Yoshi. „E-entschuldige, Otomo-kun, dass ich dich beunruhigt habe.“ Ich runzelte die Stirn. „Warum sagst du nicht wieder Akira? Ich finde, das klingt viel besser aus deinem Mund.“ „O-okay. Akira.“ Sie verneigte sich halb vor mir, was mich etwas irritierte. Ich wusste irgendwie, dass Megumi so etwas normalerweise nicht tat. Yoshi legte jedem von uns eine Hand auf die Schulter. Er lächelte. Es war nicht das übliche breite Grinsen oder sein überhebliches Schmunzeln. Es war ein offenes, frohes Lächeln. „Nachdem das geklärt ist, sollten wir uns langsam beeilen. Die Schule fängt bald an.“ „Vieles fängt an, Yoshi“, erwiderte Megumi zweideutig. Ihre Miene war erschreckend ausdruckslos, aber in ihren Augen standen Tränen. Merkwürdig, das Gefühl hatte ich auch. Irgendwie. Epilog: Nach und nach fielen tausende Puzzlesteine an ihren Platz, nach und nach formten sie ein großes, farbenprächtiges Bild, ein Gemälde, dessen Detailliertheit, dessen Kunstfertigkeit und dessen Einfallsreichtum mir den Atem raubte. Das Leben schrieb eben doch noch immer die besten Geschichten. Diese Geschichte, in der ich mich befand, und in der ich mich fühlte wie der Hauptprotagonist, konnte nur von tausenden Zufällen erschaffen worden sein. Kein lebender Mensch hätte soviel Phantasie und vor allem Vielseitigkeit aufbringen können. Die Erzählungen von Oma, Urgroßvater, die Erzählungen Mutters und der Vorstände des Turms der Daness, all das trug bei zu dem Farbenprächtigen Bild. Alle Erinnerungen zusammen entwarfen einen Teppich, der dennoch nur eine kleine Fläche bedeckte, die maximal hundertfünfzig Lichtjahre groß war und nur ein paar hundert Sterne abdeckte. Ein paar hundert von zweihundert Milliarden. So groß unsere Sorgen auch waren, so groß es die Nöte waren, so gewaltig uns die Gefahr erschien, in der wir alle schwebten, so war es doch nur ein winziger Ausschnitt in diesem Universum. Aber es war mein Ausschnitt, es war meine Momentaufnahme. Es war mein Schicksal und meine Zukunft. Und vor allem, es war meine Vergangenheit. Da saß ich nun, im kleinen Appartement, dass man mir im Daness-Turm zugewiesen hatte, umgeben von meinen Freunden und Untergebenen und dachte über die letzten Worte von Sostre Daness nach, Megumis Onkel. Wie konnte ich mit Megumi zusammen bleiben, ohne dass die Pflichten meines Turms und die Pflichten ihres Turms miteinander kollidierten? Seine Stimme hallte in meinem Kopf wieder, seine Worten standen so klar in meinem Geist, als würde er sie gerade aussprechen. Diese elenden, verdammten Worte, mit denen er mich und Megumi aufforderte, vernünftig zu sein. Erwachsen zu werden. Uns unserer Verantwortung zu stellen. Und speziell an mich gerichtet, Haus Daness einen offenen Anreiz anzubieten, der es dem Turm erlauben würde, sein Engagement für die Arogads auch weiterhin fortzusetzen, obwohl die Familie nun im Sol-System nichts mehr zu gewinnen hatte. Dies und unsere Pflicht als Offiziere der United Earth Mecha Force kollidierten enorm miteinander und produzierten einen riesigen Wall von Problemen, die ich irgendwie überwinden musste. Die wir irgendwie überwinden mussten. Sostre in allen Ehren, ich hielt mich da lieber an seinen Vater Mitne, den Vorsitzenden des Hausrates, der mit freundlicher Stimme gesagt hatte: „Wir werden schon irgendwie zu einer Lösung kommen.“ Ich sah in die Runde, jeden einzelnen direkt in die Augen. „Vorschläge? Sora Fioran? Franlin Litov? Henry William Taylor?“ „Wie wir die Daness bei der Stange halten?“, stellte Taylor eine Gegenfrage. „Oder wie du Megumi behalten kannst?“ „Beides!“ Taylor zuckte mit den Achseln. „Wenn ich dir einen guten Rat erteilen kann, besorgst du mir dann die Erlaubnis, auch in den Daness-Archiven forschen zu dürfen?“ „Henry, wenn dein Rat was taugt, bekommst du in den Daness-Archiven Narrenfreiheit.“ Das wölfische Grinsen des Kronosiers wollte mir gar nicht gefallen. Andererseits bedeutete es, dass er eine Idee hatte. „Entschuldigen Sie, Meister Aris“, meldete sich Franlin zu Wort. „Ich bekomme gerade eine Mitteilung. Der Oberste Gerichtshof wird sich in einer Schnellentscheidung zur Schenkung von Sol- und Kanto-System äußern.“ Ich schluckte hart. Krieg würde es auf jeden Fall geben. Die Raider, von deren Existenz ich erst seit kurzem wusste, lauerten bereits im Kanto-System, wie Makoto mir mitgeteilt hatte. Aber die Frage war einfach, mussten wir Menschen dies alleine durchstehen? Oder konnten wir die beiden Türme Arogad und Daness oder das ganze Imperium auf unsere Seite ziehen? Franlin drückte den Empfänger an sein Ohr, während seine Miene immer ausdrucksloser wurde. Schließlich deaktivierte mein Stabschef das Gerät und sah zu mir herüber. „Meister Aris. Sie haben sich gerade zwei komplette Sonnensysteme aufhalsen lassen.“ Ich schwieg erschüttert. Es hatte geklappt? Verdammt, es hatte geklappt? Ich spürte meine Beine schwach werden. Taylor stand sofort neben mir, hielt mich aufrecht. „Gratuliere, Akira. Ohne einen Schuss abzugeben hast du geschafft, was die Legaten über sechs Jahre mit Gewalt versucht haben. Du wolltest einen Rat von mir. Ich gebe dir jetzt einen: Divide et empire.“ „Mein Latein ist lausig“, erwiderte ich. Lausig ja, aber ich hatte ihn dennoch verstanden. Und ich hatte verstanden, was noch hinter seinen Worten steckte. Divide et empire; teile und herrsche. Die interessanten Zeiten rissen einfach nicht ab, verdammt. Hosted by Animexx e.V. 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