Children of the night von Tak-lung (Die Geschichte des Kilian) ================================================================================ Kapitel 18: Tränen ------------------ Kapitel 18 Ich war das, was Sterbliche einen Frühaufsteher nennen würden. So wie ich es morgens liebte die ersten Strahlen der Sonne zu zusehen so liebte ich die letzten Strahlen, welche meine weiße, kalte Haut noch ohne Schäden zu hinter lassen zu spüren durften. Voller Tatendrang erhob ich mich aus meinem Sarg. Ich wollte Spaß haben, irgendwie schien diese Nacht (wie auch alle andren Nächte) wie dazu geschaffen Spaß zu haben, zumindest versprach sie interessant zu werden. Und in welcher Stadt konnte man sich wohl besser Amüsieren als in Paris? Nun es ist sicher nicht sonderlich schwer zu erraten wo ich hinging nehme ich an. Natürlich ging ich zu meiner Christine. Einen Moment die Augen geschlossen, meinen Geist auf den Schwingen der Nacht durch Paris tragen lassend, um sie zu finden. Meine Mächte sind einigermaßen groß, zumindest groß genug um Personen die ich kenne aufzuspüren, und genau das tat ich nun mit Christine. Sie war ziemlich weit von hier, zumindest für einen Sterblichen wäre es weit gewesen. Fast am anderen Ende der Stadt, im Viertel der armen Leute, wie ich es nicht anders erwartet hätte. Ich sah sie förmlich, sie saß da, weinend auf ihrem Bett, ihr Bruder war gegangen ehe sie erwacht war, hatte sie eingesperrt und inzwischen war sie unter ihren Tränen wieder eingeschlafen. Menschen schienen immer so berechenbar, und doch waren sie auch das Gegenteil… Man sollte doch annehmen, dass man jemanden, den man liebt Glücklich machen will, oder? Vielleicht ist dies auch nur meine dumme Meinung als Kind der Nacht, vielleicht verstehe ich von solcherlei einfach nichts, aber ich dachte immer dass er hieße den anderen Glücklich zu machen. Christian schien das anders zu sehen, doch davon habe ich euch schon genug erzählt. Paris empfing mich mit meinen schwarzen Schwingen, wie ich über die Dächer der Häuser sprang, ungesehen. Wie ein Phantom der Nacht. Ja ich genoss es. Wie jede Nacht genoss ich es. Der Wind in meinen Haaren, auf meiner Haut, der Himmel über mir, die Sterblichen und ihr Leben unter mir und ich zu keinem dazu gehörig. Schon veränderte sich der Geruch, das Ambiente. Die hell erleuchteten Avenues wichen dunkeln Gassen, die Prachtvollen Barockbauten zerstörten, oder notdürftig reparierten Bruchbuden, der Duft von Parfüm und Puder dem Gestank von Fäulnis und Abfall. Eine Schande, dass dieser Engel, dem ich gestern begegnen durfte hier leben musste… Ein Engel der nun seine Flügel ausbreiten wollte. Als ich endlich ihr Haus erreichte, sah ich sie schon am Fenster stehen, in die Nacht hinaus blickend. Erst melancholisch, als hätte sie selbst schon aufgegeben aus diesem Käfig zu fliehen. Dann plötzlich entschlossen. Sie öffnete das Fenster. „Avenue Phosphoyer“ bildeten ihre Lippen. Einen Moment zögerte sie, schaute noch einmal hinunter. Sicher, es war nur das zweite Stockwerk und nicht sehr hoch… dennoch… Sie schüttelte den Kopf, warf alle Zweifel von sich. Vorsichtig kletterte sie, auf die Fensterbank. Erst ein Fuß, dann der andere. Weiter auf den Giebel, die Angst runterschluckend. „Avenue Phosphoyer“ wiederholte sie, als wäre es ein Gebet. Ich musste lächeln. Ihr Bruder hatte sie eingesperrt. Und was hatte er erreicht? Dass sie floh, dass sie Fliehen musste. Mit eiserner Entschlossenheit und jedem Schritt bedacht, schließlich wollte sie nicht vom Dach fallen, versuchte sie auf den nächsten Giebel zu kommen. Suchend tasteten ihr Füße nach halt. Gerade als sie dachte sie hätte diesen gefunden, brach ein Ziegel ab. Nichts was ihre Hände fassen könnten, nichts was ihr Füße hätte stützen könnten. Sie fiel. Doch kam sie nicht auf dem harten Boden auf. Sicher hatte ich sie aufgefangen. Ihre Finger krallten sich unweigerlich an meinem Stoff fest, ihr Kopf lag in meinem Hemd, die Augen zugekniffen, als warte sie noch darauf, auf dem Boden aufzukommen. Allmählich lockerte sich der Griff um meine Arme, aber sie sah nicht auf. Ein leises Schluchzen war zu hören. Tränen liefen über das Zauberhafte Gesicht. Was sie gesucht hatte hat nun sie gefunden. All die Furcht, all das Sehnen, all die Angst, all das Glück vereint in einem Geist. Sie musste weinen, sie sehnte sich nichts mehr als sich an meiner Schulter ausweinen zu können. Und wie konnte ich ihr diesen Wunsch abschlagen. „Shhhh“ beruhigte ich sie, strich ihr über das seidene Haar hinunter über die Schultern „ruhig mon étoile. Ich bin ja hier.“ Sie schien mich nicht zu hören, unaufhörlich weinte sie, wie ein Wasserfall rannen die Tränen über ihr Gesicht. Aber allein schon der klang meiner Stimme schien sie zu beruhigen. „Mein Stern, ich nehme dich mit. Keine Angst“ kein Zeichen ob oder dass sie mich gehört hatte, nur ein leises Schluchzen, während ich sie in meine Arme nahm und los rannte. Natürlich schneller als ein Menschliches Auge hätte verfolgen können, doch dieses Kind bekam momentan ohnehin nichts von dieser Welt mit, war momentan gefangen in ihrer Welt der Traurigkeit und Glück. Mein Ziel war mein Haus. Avenue Phosphoyer, zu der sie unbedingt hatte gehen wollen. Am ganzen Leib zitterte sie, schluchzte weinte sie. Wo war ihr Bruder jetzt, ihr Bruder, der sie doch über alles liebte? Interessierte es ihn? Interessierte ihn seine Schwester wirklich? Wäre er dann nicht bei ihr geblieben? Hätte er sie dann nicht am Abend zuvor wenigstens erklären lassen? Wenn er sich interessierte, wenn sie das wichtigste in seinem Leben war, wieso ließ er sie dann alleine in einem dunklen Zimmer? Irgendwann, das hatte ich mir vorgenommen, irgendwann würde ich ihm genau diese Frage stellen, und ich war gespannt auf seine Antwort. Endlich erreichten wir den hohen, von zwei Säulen eingerahmten Eingang meines Hauses. Ohne nach dem Schlüssel zu greifen, einfach mit der Kraft meines Willens ließ ich das Schloss aufspringen, die Tür aufschlagen. Christine war viel zu verstört und aufgewühlt, um zu verstehen was gerade mit ihr geschah. Behutsam trug ich sie durch die Räumlichkeiten in den Salon, legte sie dort auf das Sofa nieder. Erst jetzt blinzelte sie leicht, begann zu realisieren was geschehen war. Meine Hand strich über das glatte, weiche, warme Gesicht „Schht mon étoile. Alles wir gut, ich bin ja hier, mein Stern“ benommen sah sie mich an, ließ mich über das Gesicht streichen, über ihr Haar, über ihre Schulter. Sie schmiegte sich an mich, suchte meine Nähe. Christan hatte das selbst zu verantworten. Wenn er nicht wollte, dass ich sie tröstete, so hätte er da sein müssen, um sie selbst zu trösten. Er hatte sie nicht verdient. Er nahm sie als Selbstverständlichkeit, als Besitz und nicht als das Juwel, welches sie war. „Nun, Prinzessin, warum weint ihr?“ ich strich ihr eine Strähne aus dem wildem Haar, welches nun zerzaust über ihr zarte Gesicht fiel. Trotz der rot unterlaufenden Augen sah sie aus wie ein sanfter Engel. Blass war ihre Haut, blasser als am Abend zu vor, schon jetzt hatte sie etwas von ihrem Strahlen verloren, ihrem Optimismus, ihrer Fröhlichkeit. Doch die Tränen, welche den Schein der Kerze reflektierten leuchteten noch. „Es… es ist schon in Ordnung“ sie versuchte sich ein Lächeln abzuringen, wischte sich schnell die Tränen aus ihrem Gesicht. Ich schüttelte den Kopf. Es war in Ordnung. Oh ja, ich sah wie in Ordnung alles war. Ohne Zögern nahm ich sie in den Arm. „Wenn du’s mir nichts ins Gesicht sagen kannst, dann sehe eben hin. Aber lüg mich nicht an“ Ausgerechnet ich musste das sagen. Ich der nichts anderes tat als sie anzulügen. Und doch war es mein Ernst. Meine Gefühle spielte ich ihr nicht vor, nicht meine Sorge, nicht meine Zuneigung, die mit jedem Moment zu wachsen schienen. Ich spürte wie die Tränen wieder zu fließen begannen „Ich… Christian… ich … ich….“ Stammelte sie brachte jedoch keinen vernünftigen Satz heraus. „Oh man diese dummen Augen“ sie schluchzte leise „Ich bin so froh dass ich bei euch bin“ ihre Arme schlangen sich um meine Taille und sie vergrub ihr Gesicht in meine Schoß. „Ich bin froh bei euch sein zu dürfen, mon étoile“ sagte ich ruhig schob sie nun weg von mir um ihr ins Gesicht sehen zu können „Danke“ brachte sie unter bebenden Lippen hervor „ich… wie… wie kann ich mich je bei revan-„ „Schhh“ meine Finger berührte ihre Lippen und brachte sie zum schweigen. Aus übernatürlich großen Augen, voller Glück, sich in den meinen verlierend sah sie mich an. Die Tränen versiegten „Du brauchst nichts zu sagen“ sagte ich lächelnd und strich ihr erneut übers Gesicht. Ich stand auf, reichte ihr meine Hand „Beruhigt euch erst einmal. Ich werde euch heißes Wasser einlaufen lassen und dann könnt ihr euch im Bad sammeln.“ Sie nickte dankbar. Ja es war das Beste sie jetzt alleine ins Bad gehen zu lassen, ihr Zeit für sich selbst zu geben. Sie war ja noch ganz durcheinander, und diese kleine Annehmlichkeit, diese kleine Erfrischung würde ihr sicher gut tun. Sie nahm meine Hand, versuchte Aufzustehen doch gaben ihr Beine nach, und sie fiel erneut in meinen Arm. Wie nicht anders zu erwarten errötete sie leicht „Verzeiht“ nuschelte sie verlegen. Süß, wie sie so dastand, ich konnte mir ein Lächeln einfach nicht verkneifen als ich sie erneut hoch hob. Erst glaubte ich sie würde wieder protestieren. Doch sie tat es nicht, sie schmiegte lediglich ihren Kopf an meine Schulter und lächelte und schloss die Augen. Ich wurde aus diesem Mädchen einfach nicht schlau… sie war so... anders. Sie akzeptierte Sachen die andere für undenkbar hielten und bedankte sich für Selbstverständlichkeiten… und jetzt lächelte sie. Einfach so… Ich trug sie Treppenstufen hinauf. Wasser war schon vorgeheizt, zumal ich, auch wenn ich es als Vampir natürlich nicht nötig habe, auch gerne dann und wann ein Bad nehme. Ich setzte sie vorsichtig ab, legte ihr ein frisches, weißes Tuch raus und ein Kleid, welches ich schon zu Beginn des Abends heraus gesucht hatte hin. Stumm saß sie auf dem Stuhl auf welchem ich sie abgesetzt hatte, beobachtete mich wie ich ihr die Sachen rauslegte und das warme Wasser in das Basin der Keramikwanne einlaufen ließ. Wartend, geduldig, und einwenig ängstlich. Schließlich war alles bereit, das Wasser mit Rosenöl getränkt, sodass sie sich in einem Traum von einem Schaumbad säubern konnte. Ich drehte mich zu ihr um, sah in diese erwartungsvollen, schüchternen Augen die mich nicht einen Moment verlassen hatten. Meine Hand strich ihr übers Haar „Keine Angst. Ich verschwinde schon nicht“ lachte ich. Christine nickte, lächelte mich in stummen Verständnis und Erleichterung an. Wie es sich für einen Gentillehomme gehört verließ ich anschließend das Badezimmer und ging wieder hinunter in den Salon, lauschte jedoch insgeheim ihren Geräuschen. Wie sie langsam aus dem Kleid schlüpfte, wie sie kurz über dem Wasser stehen blieb und den Duft einmal tief einatmete, wie sie dann schließlich erst mit dem einen, dann mit dem anderen Bein ins Wasser stieg und sich das Wasser ins Gesicht spritzte, sich dann zurücklehnte und die Augen schloss. Doch ich ließ ihr diesen Moment allein, drang nicht in ihre Gedanken ein. Wie ich schon sagte, selbst ich habe meine Prinzipien. Eine Stunde verstrich. Eine Stunde in der Christine ihrer Seele freien Raum lassen konnte, in der sie sich beruhigen und ihre Gedanken ordnen konnte. Sicher hatte sie vieles über das sie nachdenken musste. Vor allen ihr Bruder, der es ihr so schwer machte… Ich unterdessen saß diese Stunde nicht etwa gelangweilt auf meinem Sofa und übte mich in Geduld (Ich gehörte noch nie zu der geduldigsten Sorte) Nein, ich begab ich in die Küche. Sicher, ich benutzte sie nur dann und wann, bei den selten Gelegenheiten bei denen Gäste kamen, was nun lange her war. Aber ich hatte einem der Diener den Tag über den Auftrag gegeben etwas zu essen zu besorgen. Etwas Fleisch, zwiebeln, Kartoffeln des weiteren allerlei Gemüse wie auch Gewürze und natürlich Wein. Es musste Sterblichen sonst doch ziemlich seltsam erscheinen, eine Küche ohne jegliches Essen oder trinken vor zu finden. Wie es schien hatte ich genau richtig gehandelt, denn ansonsten hätte ich meinem Engel nichts zu Essen anbieten können, was wahrlich eine Schande gewesen wäre. Und sicher hatte sie Hunger, nach diesem langen Tag, eingesperrt in ihrem Zimmer ohne einen Bissen zwischen die Zähne zu kriegen. Es mag seltsam erscheinen zu hören, dass ein Vampir, der ja selber nichts isst (nur trinkt) kocht. Sicher, ich habe noch nie wirklich kochen gelernt, doch ich habe schon einige Male zu gesehen und ein Vampir hat ein sehrt gutes Gedächtnis. Des Weiteren hilft der verbesserte Geruchssinn ungemein. Was Sterbliche schmecken rieche ich, und so denke ich kann ich von mir durch aus behaupten ein… zumindest passabler Koch zu sein, wobei ich natürlich an die Ehrlichkeit meiner Koster appelliere, denn ich habe freilich nie eine Messerspitze meiner Speisen essen können. Es war kein Pompöses Mahl, dazu fehlten einfach die Zutaten und Gewürze. Dennoch war der Duft der nun aus der Küche kam mehr als nur verführerisch. Wie lange war es her dass ich eine Soße, oder auch nur eine Suppe gekostet hatte? Wie lange war es her, dass ich mich in Heißhunger über einen Braten hergemacht hatte? Wie hat das überhaupt geschmeckt? Ich schloss die Augen, versuchte mich daran zu erinnern, an die Speisen die ich bei Xavier gegessen hatte, an das Trinken, an die Desserts… doch es wollte nicht zurückkommen. Ich hatte solange nicht daran gedacht, dass die Erinnerung kaum mehr als ein Schatten war. Ich wusste, dass es da war, doch es war nichts Handfestes, nichts greifbares… War es denn so wichtig dass ich mich erinnerte? Nein. Eigentlich nicht. Ich hatte mein unsterbliches Leben, ich hatte das Blut und im vergleich zu diesem war jeder Festschmaus eher so, als esse man Asche. Fad, völlig ohne Geschmack. Warum also sich versuchen daran zu erinnern, wo mir das Blut doch so ein großes Geschenk gemacht hat. Ich hatte soviel gewonnen durch mein Leben als Kind der Nacht. Nie könnte ein Mensch die Welt so sehen, nie so erleben wie ich es jede Nacht tat. Nie würde ein Mensch die ganze Sinnlosigkeit seines Daseins erfassen können. So wertvoll war das Leben in ihren Augen, dabei bedeutete es im Endeffekt nichts. Niemand der noch um die Opfer der Völkerwanderung im alten Griechenland weint, keine Träne die über die toten der Kriege der Römer vergossen wird. Menschen konnten so naiv sein, was das Leben und den Tod betraf. Aber waren Vampire nicht auf ihre Art genauso? Masten sich an zu sagen sie würden Ewigkeiten überdauern und bringen sich dann nach zwei-dreihundert Jahren um, weil ihr Leben keinen Sinn machte. Nur, dass Vampire die Zeit haben es einzusehen. Hatte mein Leben einen Sinn? Nun bessere Gegenfrage: Machte es Sinn sich darüber Gedanken zu machen? Ich lebte jetzt. Ich dachte momentan eigentlich nicht daran mich doch einen Sonnenaufgang an zucken noch auf ein Grillfest zu gehen in dem ich die Hauptspeise darstellte. Das Leben ist zu kurz um sich über so etwas Gedanken zu machen, und wenn ich das mit meinen inzwischen 500 Jahren sage, so glaubt mir, dass ihr Sterblichen die ihr diese Zeilen lest gar nicht erst Versuchen solltet hinter das Geheimnis dieser Frage zu kommen. 42. Nehmt diese Antwort und seid Glücklich damit. (Anm. d. Autors: 42 ist die antwort auf alles, nur die Frage ist unergründet. Siehe: „Per Anhalter durch die Galaxis“ + eine Auswahl anderer Bücher). Man lebt oder man lebt nicht und wenn man sein Leben damit verschwendet darin einen Sinn zu suchen, nun dann wird der Sinn sicherlich nicht erfüllt und man lebt niemals wirklich. Also meine lieben Leser: LEBT, das ist es was ich damit sagen wollte. Doch zurück zu meinen fenomenalen Kochkünsten, die schließlich einwenig Braten zusammen mit Kartoffeln und eine Waldpilzsoße zustande brachten. Ein wunderbares, schlichtes Essen wie Christine es kannte. Nicht Kaviar oder Coque au vin oder derlei. Warum sollte ich ihr so etwas vorsetzen? Es hätte so aussehen müssen, als wolle ich ihr zeigen wie viel reicher und gehobener ich war. Nein, ich bevorzugte hier das schlichtere Essen, welches ihr wahrscheinlich ohnehin lieber war (ja, ja, es könnte auch daran liegen, dass ich nicht die nötigen Zutaten hatte. Vielleicht auch, dass ich nicht so viel Zeit hatte, und dass ich kein erfahrener 5 Sterne Koch bin) Plätschern von oben verriet mir, dass sie nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Nach dem ich also den Tisch hergerichtet hatte -schlicht, wie das essen, einfach weiße Teller auf einer bordeauxroten Tischdecke, dazu schmale Kristallglasgläser und Silberbesteck, etwas anderes hatte nicht und ich bezweifelte, dass Christine lieber mit den Händen gegessen hätte- begab ich mich in die Halle welche alle Räumlichkeiten, wie auch das obere und untere Stockwerk miteinander verbunden, legte die Hände auf die Tasten des großen schwarzen Flügels, hielt einen Moment inne. Sicher er war beeindruckend, jedoch nicht sonderlich teuer. Die Ganztontasten waren aus Zedernholz und schwarz, lediglich die Halbtontasten weiß wie es bei alten Klavieren zu sein pflegte. Damals galt es noch als vornehme, wenn es andersherum war, zumal dann die weißen Tasten aus Elfenbein waren, was wiederum sehr teuer war. Dieses Prachtexemplar gehörte also unter den Flügeln zu der gewöhnlichen Sorte. Aber das änderte nichts an dem wunderbaren Klang. Ich verstand nie warum man denn nun unbedingt Elfenbein für die Tasten nehmen musste. Sicher, es sah nett aus, aber ich bevorzugte doch immer die schlichteren Modelle, das schwarz gefiel mir immer recht gut. Langsam begann ich zu spielen, ein leiser Auftakt, zwei Takte nur eine Stimme, dann die zweite Hand hinzuführend, welche wiederum eine andere Melodie Spielte. Die Augen hatte ich wie meistens wenn ich spielte, geschlossen. Wie liebte ich es Piano zu spielen, als hätten meine Hände ein Eigenleben, ohne über die Bewegungen nachdenken zu müssen flogen die Finger über die Tasten, spielten eines von Mozarts Sonetten die ich so verehrte, und ich lauschte den Klängen. Musik hat für mich eine ganz spezielle Faszination, die sich schwer in Worte fassen lässt. Musik ist Kunst. Musik ist dazu da Gefühle auszudrücken, dazu da die Herzen zu bewegen. Es ist nichts über das man lange nachdenken sollte, man muss es fühlen, und ich fühlte es, wie es über meine Fingerspitzen durch meinen ganzen Körper floss. Musik hat nichts mit Mathematik, mit Wissenschaft oder der gleichen zu tun. Sicher, man musste den Takt zählen, man musste als Komponist abstände der Noten berücksichtigen, man musste berücksichtigen in welcher Tonart es gespielt wird, wie die obere und untere Stimme zusammen passten. Sicher. All dies war nötig um ein Stück zu schreiben. Aber die Musik entstand doch erst beim spielen. Niemals wurde auf dieser Erde das gleiche Stück zweimal gehört. Ein anderer Musiker, eine andere Interpretation, ein anderes Gefühl, eine anderer Anschlag. Es mochten Kleinigkeiten sein, die ein Sterblicher nicht direkt wahrnahm, doch irgendwo merkte doch jeder den Unterschied, ob nun bewusst, oder unbewusst. Kein Mensch kann zweimal das gleiche Stück spielen, nur das Selbe. Halb hüpfend, halb gehend und im Takt der Musik hin und herschwenkend kam sie an den Treppenabsatz. Ich öffnete die Augen, als ich ihre Füße auf dem Holzboden hörte. Schön sah sie aus in dem Kleid, das ich für sie zurechtgelegt hatte. Kaum zu vergleichen mit dem schmutzigen und einfachen Gewand, welches sie zuvor, Tag ein Tag aus hatte tragen müssen. Erst jetzt konnte man wirklich sehen wie zart sie war, wie ein Engel der gerade weg vom Himmel herunter gefallen war. „Das war wunderbar Monsieur! Ihr seid wirklich in vielerlei talentiert! Theater, Musik… Ich bin wirklich beeindruckt“ sie lächelte mir freudig entgegen, von den verflossenen Tränen war keine Spur mehr. Dar Lied fand sein Ende, und mit der letzten Note erhob ich mich. „Erlaubt mir dies zu sagen: Ihr seht wunderschön aus, Mademoiselle“ Sie errötete wie schon so oft, hob das Kleid einwenig an und schaute an sich herunter “I-ich weiß nicht...es ist so ungewohnt… und ich bin mir nicht sicher ob ich es richtig zusammen gebunden haben, so viele Schnüre“ sie schaute wieder auf, drehte sich einmal um sich selber, so das der Rock von der Luft erfasst und einwenig hoch getragen wurde „Aber es gefällt mir sehr Monsieur, vielen Dank“ „Ihr braucht euch nicht zu bedanken, es ist schon lange her, dass ich solch bezaubernde Gesellschaft wie die eurige habe genießen dürfen. Außerdem hört doch bitte auf mich immer Monsieur zu nennen. Kilian reicht völlig. Wenn ich mich nicht irre habt ihr sicher Hunger, wenn ihr mit mir zu dinieren wünscht?“ Manch ein junger Vampir hätte dieses Angebot für fahrlässig gehalten, schließlich aßen Vampire nichts, im Gegensatz zu Sterblichen, doch würde es manch eine Vampir verwundern wie wenig Menschen bemerkten, ein nicht ausgetrunkenes Glas Wein, ein nicht angerührter Teller, wenn der Vampir sein Handwerk gut verstand so viel dies nicht weiter auf. Die Augen des Sterblichen sollten nicht auf den Speisen seines Gegenübers sondern in dessen Augen, auf dessen Lippen ruhen, nicht auf das Drumherum achtend, sondern auf ihn, und gleichzeitig durften sie nicht bemerken was ihnen dort den Abend versüßte. Es war kaum zu glauben, so schwierig hörte es sich an, und doch war es so einfach... “Aber nur, wenn ihr mich nicht mehr ‚Mademoiselle’ nennt, sonder Christine“ erwiderte sie lachend, nahm den Arm den ich ihr angeboten hatte um sie in den Speisesaal zu begleiten und hüpfte kaum merklich bei jedem Schritt. Was fällt einem dabei auf? Nun Beim Theater, war sie glücklich, als sie bei mir war. Als dann ihr Bruder kam war sie eher geschockt und erschrocken, schließlich hatte sie sich bis eben die Augen ausgeheult, doch nun, bei mir zu Gast lachte sie wieder. Und es war kein aufgesetztes Lachen, das spürte ich. Nein sie fühlte sich einfach wohl und geborgen, ihr Lachen kam aus dem Herzen heraus. Wieder dieser Gedanke. Christian hatte sie nicht verdient. Er konnte ihr nicht geben was sie brauchte um ihr Licht zu behalten… Der Speisesaal. Manch einer mag sich unter meinem Speisesaal nun einen pompösen langen Raum mit einer riesigen Tafel vorstellen, zwei Teller darauf, einen an dem einen, den anderen am andern Ende, soweit von einander entfernt, dass man ein Telefon bräuchte um mit einander zu reden. Es tut mir leid diejenigen zu enttäuschen die davon ausgegangen waren, ich bevorzugte von jeher einfachere Speisesäle. Ein mittelgroßer runder Tisch, die Wände weiß mit einigen selbst gezeichneten Kohlebildern von verschiedensten Städten und Landschaften die ich besucht hatte, freilich bei Nacht wie sich von selbst versteht. Der Boden war Holz vertäfelt, jedoch mit einem dunkelblauen Teppich versehen, an einer Ecke ein Kamin, welcher jedoch momentan nicht brannte. Es war Sommer und auch so warm genug. Wie es sich für eine Gentillehomme gehörte rückte ich den Stuhl für Christine zurecht, sodass sie sich einfach hinsetzen konnte. Fasziniert sah se sich in dem Raum um, fast wie beim Theater, die Augen weit geöffnet vor Begeisterung. „Das sind schöne Bilder, habt ihr die gemalt? Sie sind alle bei Nacht, da sieht man die vielen Lichter der Städte viel schöner“ Ihr Blick glitt einmal durch den Raum von einem Bild zum nächsten und blieb schließlich auf dem Gedeckteten Tisch hängen. Fasziniert strich sie einmal über das geschliffene Glas, schnippt probeweise dagegen und hörte dem klaren reinen Klang zu. Offensichtlich war sie begeistert von dem was sie sah. Milde lächelnd, mich an ihrer kindlichen Freunde labend setzte ich mich gegen über von ihr auf meinen Platz. „Bon apetite“ Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. „Ja guten Appetit“, erwiderte sie Fröhlich und stach mit der Gabel ins Fleisch „Wow das Fleisch ist super…. Ich meine… es ist wirklich delikat“ verbesserte sie sich schnell. Ich lachte leise „Kein Grund gezwungen höflich zu sprechen. Ich muss gestehen, dass sich das bei mir vielleicht im laufe der Zeit so ergeben hat, aber ihr habt wirklich keinen Grund du all diesen unnötigen Höflichkeitsfloskeln“ Sie schüttelte sofort den Kopf „Nein Monsi… Kilian. Ihr begegnet mir mit soviel Respekt und Höflichkeit wie auch Freundlichkeit, wie ich sie kaum jemals erhalten habe. Es ist also das mindeste, dass ich mich euch gegenüber genauso verhalte.“ „Hauptsache, ihr verstellt euch nicht und seid ihr selbst“ Ein weiteres Lächeln huschte über das jugendliche Gesicht „Ja“ sie nickte leicht, so dass ihre Haare ein wenig nach vorne vielen und sie sie wieder nach hinten schieben musste. „Ihr habt meine Frage noch gar nicht beantwortet. Sind diese Bilder von euch?“ Sie stach erneut ins das Fleisch und begann zu schneiden, wobei sie mir jedoch vorher noch einen kurzen fragenden Blick zu warf. „Einige sind tatsächlich von mir. Ich empfinde Nachtportraits ebenfalls als sehr passend, die Farben wirken ganz anders, es liegt ein gewisse ruhe in den Bildern, tagsüber hingegen Hektik, welche ich nur im geringem Maße schätze.“ Ganz abgesehen davon, dass ich diese Städte bei Tage nie hatte sehen dürfen und sie wohl auch nie sehen würde. Wozu auch? Waren die Lichter der Stadt nicht auch so bezaubernd? Musste man einen blauen Himmel haben um sich an den Gebäuden zu erfreuen? Nein, im Gegenteil, bei Nacht erst konnten sie ihre wahre mystische Pracht offenbaren. Die Sonne löscht doch alle Freuden der Nacht aus, wie die schönen Sterne, so die süßen Melodien und Harmonien der Fantasie, und die stärksten Gefühle der Vergangenheit und Zukunft. Die Nacht hatte etwas Zauberisches, was kein Tag hatte; so etwas grenzenloses, Inniges, Seliges. Das Mechanische der Zeitlichkeit, das einen spannt und festhält, weicht so sanft zurück, und man schwimmt und schwebt, ohne Anstoß, auf Momente im ewigen Leben, so zumindest sah ich meine Ewigkeit. Warum sollte ich dem Tage hinterher trauern wie es nicht wenige Vampire taten, war die Nacht doch von solch unendlicher Schönheit gezeichnet... „Hektik wird auf Dauer zu anstrengend...Doch gibt es sie in der Nacht ebenso wie am Tage....wissen Sie, Monsieur, am liebsten habe ich die Zeit in der die Sonne unter- oder aufgeht und einen neuen Tag ankündigt. Zu diesen Zeiten scheint einem alles wunderbar friedlich und die Sorgen des Alltags erscheinen einem unwichtig und klein...“ offenbar etwas erschrocken darüber was sie sagte senkte sie den Kopf. Es hatte mich nur milde überrascht aus ihrem Munde solche Worte zu vernehmen. Irgendwie passten sie zu ihr, sie warme Sonne welche anfing ihr Licht zu verteilen um den Menschen einen neuen Tag ein zu läuten, und die Sonne welche sich hinterm Horizont verbarg, um den Menschen die Ruhe der Nacht zu geben. Doch was taten die Menschen? Sie missachteten diesen Trost, diesen Schutz und machten die Nacht zum Tage, mit all ihren Lampen und Lichtern, ihren Bällen und Theatern. Nun für Vampire war dies Freilich nur gut, nicht wie zu Zeiten des Mittelalters wo sich kaum ein Mensch nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Hause getraut hatte.... „Da habt ihr Recht“ stimmte ich zu, ermutigte sie einwenig nicht immer gleich wieder leiser zu werden. Sie hatte so viele spannende Gedanken, sie mochte keine gute Ausbildung genossen haben, doch das hieß beileibe nicht, dass sie Dumm war, im Gegenteil. Christine zeichnete sich durch eine sehr schnelle Auffassungsgabe aus, und viele ihrer Ideen und Gedanken, wie dieser, waren schön, waren es Wert laus ausgesprochen zu werden. zu „Kaum einer schenkt heute solcherlei noch Beachtung. Zeit ist ein kostbares Gut in dieser Welt und niemand will es verschwenden, da gehen die Schönheiten dieser Welt fast verloren“ Lächelnd beobachtete ich Christine, wie sie seine Essen genüsslich verzehrte. Mir freilich war es gleich, ob sie nun die Manieren einer Adeligen oder nicht an den Tisch legte, im Gegenteil, hätte sie sich dermaßen verstellt wäre sie nicht mehr sie selbst gewesen, doch gare dieses Mittelmass zwischen Mademoiselle und einfachem Straßenmädchen schien zu passen. In die Gosse gehörte sie nicht, so viel stand fest. Zu feingliedrig ihr Körper, zu schwach die kleinen zierlichen Finger, zu gutmütig das Gemüt, ohne ihren Bruder wäre sie sicher schon längst gestorben oder verrückt geworden. Menschen wie sie wurden von keiner Gesellschaftsgruppe wirklich anerkannt, Eigenwille, der Blick für Schönes, Freigebigkeit und Dankbarkeit war etwas, das nur all zu schnell ausgenutzt und zerstört wurde... Christine war ein Mensch den ich noch nicht ganz hatte durchschauen können, ich war mir noch nicht einmal hundertprozentig sicher wie diese Nacht enden würde und gerade das machte ihren Reiz aus. Ob sie sich nun von mir abwenden würde oder bei mir bliebe, sie war eine Rarität in dieser Welt, ein Rarität, welche ich nicht allzu schnell zerstören wollte. Oder sollte er lieber warten bis sie von ihrem Umfeld zerstört wurde? Nein, das würde ich ebenso wenig zu lassen. Ich wollte sehen wie sich aus dem Käfig der Klassen befreite, die Flügel ausbreitete und schwebte, doch konnte ich dann noch neben ihr fliegen? Ich konnte sie beobachten, oder flog sie dann so hoch, dass kein Auge sie mehr erblicken konnte? “Da habt ihr wohl recht. Dabei würde es so viele schöne Dinge geben...und die Leute regen sich auf wie schlecht die Welt doch ist.“, meinte sie schließlich nach dem sie einen weiteren Bissen hinuntergeschluckt hatte, sah kurz zu mir, ehe sie die Hand vorsichtig nach dem Glas Wein ausstreckte, es nahm und es etwas unsicher mit ihren zarten Finger schwenkte und genoss den fruchtig-herben Geruch der ihr in die Nase stieg. Gerade als ich antworten wollte wurden wir unterbrochen. Ein Geräusch von draußen, der leichte unterdruckte Aufschrei eines Sterblichen und schließlich das fallen eines Körpers. Christine zuckte unwillkürlich zusammen, das Glas in ihrer Hand zersprang, Splitter schnitten in das zarte Fleisch und rot, rot wie der Wein der sich nun auf dem Teppich verteilte, rann das Blut über ihren Handrücken. Ein beißender Geruch der in meine Nase stieg, der mich beflügelte, der mein Wesen offenbaren wollte, den ich jedoch unter Kontrolle hatte. „Ich… Es tut mir unglaublich leid“ sie wollte sich nach dem zu Bodengefallenen Scherben bücken, doch ich hielt sie fest, hatte eine weißes Taschentuch gezogen und band es um die blutende Hand „Ich braucht euch wirklich nicht zu entschuldigen“ „A-aber“ wollte sie entgegnen doch ich unterbrach sie „Lasst die Scherben nur liegen, man wird sich darum kümmern, und glaubt mir es ist nicht das erste Glas, welches in diesem Hause zu Bruch geht, macht euch deswegen nur kein Vorwürfe“ Schließlich gab sie nach und nickte, auch wenn sie immer noch ein Schuldbewussten Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte Ich seufzte leicht. Trotz allem konnte ich natürlich die Ursache dieses Malheurs einfach auf sich beruhen lassen, wenn ich nicht nach draußen ging und nach sah so würde Christine es tun. Ich erhob mich also „Ich werde eben nachsehen was draußen geschehen ist. Sicher wird es nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, wenn ihr solange warten würdet.“ Sie nickte nur etwas verunsichert und spähte aus dem Fenster, was jedoch nicht viel helfen wollte. Man konnte sich sicher über Schicksal streiten, aber das immer in solchen Situationen ein dritter Störenfried hinzukam grenzte an ein Wunder, es war wie ein ungeschriebenes gesetzt welcher die Natur des Menschen folgte und welche besagte: Du sollst stören die, die zu zweit sind, was natürlich Humbug war, jedoch zauberte dieser absurde, fast Menschliche Gedanke ein Lächeln auf mein blasses Gesicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)