Children of the night von Tak-lung (Die Geschichte des Kilian) ================================================================================ Kapitel 5: Geheimnis -------------------- Kapitel 5 Als ich meine Augen aufschlug, lag ich wieder in dem gewohnten weichen Bett in meinem Zimmer, welches ich nun schon bald sieben Jahre bewohnt hatte. Xavier, Xerxes, wie auch immer ich ihn nun nennen sollte, saß neben mir. Noch immer fühlte ich mich kraftlos, jedoch hatte der Schmerz in der Schulter nachgelassen. Hungrig war ich, und durstig. Wenig überrascht sah ich ein Teller Hühnerbrühe mit einem wohltuenden heißen Tee neben mir stehen. Eine betretene Stille entstand, während ich die aufbauende Mahlzeit einnahm. Ich schaute direkt in die entgegengesetzte Richtung zu Xavier, spürte jedoch seinen Blick auf mir ruhen. So mussten Minuten vergangen sein, bevor er das Schweigen brach. „Ich schulde dir Antworten“, sagte er ruhig, höflich, wie jedes Mal, wenn er sprach. Langsam drehte ich mich um, setzte die Tasse auf den Nachttisch vor mir und schaute ihm direkt in seine bezaubernden braunen Augen. „Ja“, sagte ich ernst. „Und zwar eine Menge. Warum hast du mir nicht erzählt, was du bist, als ich gefragte hatte? Warum muss ich es so erfahren? Wer waren diese... Wesen und was wollten sie von dir? Und vor allem: Was habe ich damit zu tun?“ „Ruhig, eine Frage nach der anderen, wir haben genug Zeit.“ Er drückte mich mit einer sanften Gewalt derer ich mich nicht erwehren konnte in die Kissen. „Wie ich sagte…“, fuhr er nun fort und strich mir dabei, wie schon so oft, liebevoll eine blonde Strähne aus dem Gesicht „…schulde ich dir Antworten, und ich begleiche stets meine Schulden.“ War das ein Lächeln auf seinem Gesicht? Nein, nicht wirklich ein Lächeln. Doch obwohl er sein Gesicht nicht verzog, schien es doch eine gewisse Heiterkeit auszudrücken, zugleich jedoch eine tiefe Ernsthaftigkeit, welche ich bisher selten bei ihm gesehen hatte. „Ich bin, wie du nun weißt, ein Kind der Nacht.“ „Ein Vampir“, verbesserte ich ihn vorlaut, wie ich war. Diesmal huschte tatsächlich ein Lächeln über die roten Lippen. „Vampir“, sagte er. „Nun, als ich einer wurde -ein Vampir, wie du sie nennst- gab es dieses Wort noch nicht. Ich wurde als ‚Kind der Nacht’ bezeichnet, und so tue ich es immer noch. Doch wenn es dir lieber ist: Ja, ich bin, was man heute unter einem Vampir versteht.“ Alles ergab einen Sinn! Die Schauermärchen, sie waren also nicht frei erfunden, seine Krankheit, seine nie gekannten Eltern... „Ich habe dir nichts erzählt, weil ich befürchtete, du wärst noch nicht reif genug.“, erklärte er mir. „Doch ich denke, ich habe mich geirrt. Selbst mir kann so etwas passieren und ich hoffe du kannst mir noch einmal verzeihen.“ Das Lächeln war verschwunden und tiefe Sorge stand ihm nun im Gesicht. Ich konnte nicht anders, wie hätte ich meinem rettenden Engel denn auch böse sein können? All mein Gram, meine Wut, mein Unverständnis wich, war vergessen. „Natürlich, doch nun erzähl schon. Du bist ein Vampir? Doch besitzt du ein Spiegelbild! Du hast hier mehr als nur ein Kreuz hängen, was ist mit all den Sagen?“ Und so wurde ich aufgeklärt. Die ganze Nacht erzählte er mir von den Legenden, und inwiefern sie Wahrheit oder Fiktion waren. Vampire gab es lange vor dem Christentum. Eine Angst vor dem Kreuz war also nur ein Aberglaube, wenngleich einige der neueren Vampire, welche sich selbst für Diener Satans hielten, ihm anheim fielen. Der Spiegel ist ein Gegenstand, welcher die Seele widerspiegelt, so sagt man, daher der Mythos über der spiegelbildlosen Gestalten. Schwachsinn. Ob Vampire eine Seele hatten, ob irgendwer eine Seele besaß, war zwar eine umstrittene Frage, aber was das Wesen der Seele angeht, so war jedem seine Definition überlassen, daher lässt es sich nicht so einfach abtun, doch haben Vampire durchaus ein Spiegelbild, und Xaviers Ansicht nach haben sie auch eine Seele. Seine Ausführungen diesbezüglich waren höchstinteressant, und ich bin mir nicht sicher, ob ich sie ganz widerzugeben vermag. Vampire waren einst Menschen, hatten eine Seele wie jeder Sterbliche. Was macht nun die Seele aus? Der Zustand des Lebens? Nun, Vampire mochten tot sein, dennoch wandeln sie, haben ein schlagendes Herz, atmen, Blut fließt durch ihre Adern. Alle Eigenschaften, welche die heutige Wissenschaft an Leben stellt, sind erfüllt. Sie haben einen Stoffwechsel, sie vermehren sich (wenn auch etwas unkonventionell), sie bewegen sich und sind reizbar, lediglich das Wachstum ist nicht mehr vorhanden. Warum also keine Seele? Sie denken, wie Menschen denken, fühlen genauso, wenn nicht sogar intensiver, nehmen ihre Umwelt wahr. Ja, sie töten, doch tun Menschen nicht dasselbe? Kriege, Rituale, Morde. Haben all diese Menschen keine Seele, nur weil sie töten? Und letztlich nehmen sie den Tieren das Leben, um selbst zu überleben. Schießen Hasen, züchten Kühe nur, um sie später zu schlachten. Wir essen nun mal kein Steak, sondern Menschen. Das ist es, wofür sie uns verdammen. Sieht man es so, nehme ich an, dass die Kaninchen dieser Welt die gesamte Menschheit für seelenlose Wesen halten, angesichts der Morde an ihren Verwandten. Was war der Anlass zu denken, wir hätten keine Seele? Was ist eine Seele? Ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht sicher. Bis heute weiß ich nicht, ob es so etwas wie eine Seele überhaupt gibt; etwas Unsterbliches, das wiedergeboren wird, oder in den Himmel oder in die Hölle kommt. Ich weiß es nicht, und sicher werde ich es nie erfahren, doch wer weiß... Knoblauch. Mal im Ernst, wer riecht gerne Knoblauch? Ihn als Mensch zu essen, mag unter Umständen, mit der richtigen Zubereitung, eine Gaumenfreude sein, doch jemanden nach einem solchen Festmahl mit reichlich Knoblauch zu küssen, seinen Atem ertragen zu müssen, ist schon Menschen ein Ekel. Vampire haben einen wesentlich ausgeprägteren Geruchssinn. Sicher schätzen wir dieses Nahrungsmittel nicht sonderlich, aber das wir uns ihm, oder jemandem, der es gegessen hat, nicht nähern können, ist ebenfalls ausgemachter Unsinn. Knoblauch ist ein Pflanze wie jede andere auch kein Grund die Flucht zu ergreifen. Und was es nicht alles für Legenden der Sterblichen gibt. Reis auf den Boden streuen, da Vampire angeblich nicht umhin können, alle Körner zu zählen. Beliebt natürlich, der Pflock durchs Herz, oder dass wir uns in Fledermäuse verwandeln könnten, in Gräbern schliefen... nun, Letzteres mochte auf einige, sehr traditionsbewusste, christliche Vampire zutreffen, aber der Rest... nicht wirklich Realität. Was jedoch der Wahrheit entspricht, ist die Sache mit dem Tageslicht. Viele schlafen daher in Särgen. Ein guter, sicherer Schutz vor dem Licht, bequem; und irgendwie hatte es auch etwas, am Abend mit den letzten Sonnenstrahlen aus diesem Bett für Tote zu entsteigen. Xavier freilich schlief nicht in einem. Sein Gemach, welches er mir noch immer nicht zeigte, befand sich im Keller, wo kein Sonnenstrahl einzudringen vermochte. Doch nicht nur Sonnenstrahlen vermögen den Körper eines Vampirs zu zerstören. Auch das Feuer konnte ihn zur ewigen Ruhe betten, vorausgesetzt, man verstreute die Asche im Wind; ein Tropfen Blut, und es bestand die Möglichkeit, ihn wieder umherwandeln zu sehen, wenn dies auch selten geschah. Nicht wenige Vampire wählten schon nach hundert Jahren den Freitod, sprangen in die Flammen, um ihrem Schicksal als Unsterbliche zu entgehen. Nur wenige hielten die Ewigkeit aus. Nun, Gott sei Dank, sonst gäbe es bald mehr Vampire, als Beute. Er erzählte und erzählte und ich stellte Fragen, immer mehr, und jemehr er erzählte, umso hingerissener war ich. Hingerissen von der Erkenntnis, dass all dies Realität war, und verängstigt. Doch sollte die Nacht viel zu schnell zu Ende gehen. Geschwind kam die Sonne. Noch nie hatte ich sie mehr verabscheut, als an jenem Abend, da Xavier mich alleine in meinem Zimmer ließ, um in dem Seinigen, fernab von all dem Licht, Ruhe zu finden. Und ich hatte noch nicht einmal die Hälfte aller Fragen gestellt, die mir durch den Geiste gingen . Die Wichtigsten waren bisher unbeantwortet geblieben. Wie war er zu einem Vampir geworden? Wie lange lebte er schon? Wieso nannten diese anderen seltsamen Vampire ihn Xerxes? Woher kannte er sie? Doch musste ich meine Neugier zähmen. Zumindest, bis die verhasste Sonne ihre Bahn gezogen hatte... Ich beobachtete sie durch mein Fenster. Die Morgenröte, welche ihn vertrieben hatte, die wärmenden Strahlen, welche durch das Fenster drangen, welche die scheinbar schlafende Welt mit ihren sanften Küssen zu wecken suchte. Das warme Rot, das blendende Gelb, immer strahlender, je höher sie stieg, und schließlich ein strahlender, weiß-gelber Ball, der die ganze Welt in seine Arme schloss. Ich stand auf, auch wenn es mir nicht leicht fiel. Noch waren meine Wunden nicht gänzlich geheilt. Trotzdem ließ die Tatsache, dass ich shcon wieder aufstehen konnte sehen dass sie erstaunlich schnell verheilten. War es tatsächlich nur einige Stunden her, dass ich entführt worden war? Ich sperrte die Sonne aus, dunkelte das Zimmer ab, schien ihren Anblick schon jetzt nicht mehr ertragen zu können. Renards kam einmal herein, brachte mir neue Brühe zu essen, mit Baguette, anscheinend war er höchst erfreut, mich wohlauf zu sehen. „Ah, Monsieur, seid ihr wieder wach? Ich bin erleichtert.“ Verwirrt sah ich ihn an. Es war also nicht nur eine Nacht her, sondern mehrere... „Wie lange war ich bewusstlos?“ „Fast zwei Wochen, hoher Blutverlust, Gott sei Dank nichts Lebensbedrohliches“, sagte er sichtlich erleichtert. „Und jetzt müsst ihr Nahrung zu Euch nehmen.“ Und das tat ich auch, brav aß ich die Suppe, die er gebracht hatte, auch das Baguette und sonst alles. Die meiste Zeit des Tages lag ich im Bett, schlief, ließ meinen Körper sich regenerieren, damit er bald wieder bei Kräften war, bis zum Abend, damit ich mehr erfahren konnte. Dieses Mal über ihn, Xavier de Lambourt, Xerxes... Und endlich kam ie Nacht, und mit ihr Xavier. Als ich erwachte, war die Nacht schon fortgeschritten. Ich nehme an, er war vorher jagen gewesen. „Wie ich sehe, hast du dich gut erholt“, sagte er in dem ihm eigenen höflichen Ton. Ich nickte. „Bin quasi gänzlich genesen“, antwortete ich. „Und jetzt, erzähl mir mehr über dich.“, forderte ich ihn ohne umschweife auf. Ein Lächeln auf seinen rosigen Lippen, so menschlich, hätte ich nicht gewusst, was er war, ich hätte es nicht geglaubt. Dieses junge, makellose Gesicht eines Achtzehnjährigen, welches mich freundschaftlich ansa. Wir hätten Schulfreunde sein können, Brüder, wenn man uns so da sitzen sah, und doch hatten seine Augen etwas... etwas Undefinierbares. Es waren nicht meine Augen, die eines Kindes, eines Teenagers, wie man es heutzutage nennt, welche noch voll Staunen durch die Welt gehen, die noch nichts gesehen haben, aber dennoch denken, alles zu wissen. Nein, es handelte sich um welterfahrene Augen. Augen, die Vieles kannten, Wüsten, Wälder, Meere, Menschen und Tiere, Kummer und Leid wie auch Freude und Liebe. Augen, so unendlich alt wie die Welt.... Augen, die alleine schon eine ganze Geschichte erzählen konnten, wenn ich ihnen nur besser hätte zuhören können, doch war ich, wie gesagt, ein Jungspund. es reichte mir nicht seinen Blick auf mich einwirken zu lassen, auch wenn er mich verzauberte. „Meine Geschichte also“, sagte Xavier ruhig. Ich nickte, schluckte. „Und was es wirklich heißt, ein Vampir zu sein.“, fügte ich hinzu. „Soll ich es dir zeigen?“ Er beugte sich über mich, das braune glatte Haar fiel nach vorne, seine ebenso braunen, ja, beinahe schwarzen Augen direkt vor mir, der rote Mund dem Meinigen gegenüber, ich konnte seine Zähne sehen, diese weißen, blitzenden Fangzähne, wie ich sie heute selber trage. Ein Engel, ein Engel mit Fangzähnen, und doch unwiderstehlich. „Ja“, sagte ich. „Zeig es mir.“ Er strich mir durch das blonde Haar, löste den Zopf, den ich mir gemacht hatte, so das nun meine Locken in all ihrer Pracht über meine Schulter hingen. Ich spürte seine weißen, kalten Finger, wie sie mir liebevoll durchs Haar strichen. Mein Herzschlag beschleunigte sich, so nah war ich ihm noch nie gewesen. Vielleicht war es auch einfach nur sein Zauber, der Zauber eines Vampirs, so wie es meinen Opfern geht, wenn ich mich ihnen nähere, sie berühre. Ich schloss meine Augen, und spürte schließlich seinen Atem an meinem Hals, bevor er mir zum ersten Mal seinen unsterblichen Kuss gab. Wie es war, von einem Vampir gebissen zu werden - wie schon zu oft in meinen Erzählungen fehlen mir einfach die Worte, doch werde ich mein Möglichstes tun, um es in etwa realistisch wiederzugeben. Der Geist der beiden Geschöpfe verschmilzt für die Dauer des Kusses, der Vampir spürt die Gedanken, Hoffnungen und Träume des Menschen, und der Mensch ... er verfällt in eine Art Ekstase, auch mir erging es nicht anders. Alles war mit einem Schlag unwichtig, meine Neugier vergessen, ich hörte meine Herzschlag, seinen; ein unendlicher Strom, der mich durchfloss, eine Melodie, mein Puls. Ich spürte ihn, und doch schien er nicht mehr bei mir zu sein, und Leidenschaft, Glück in seiner Perfektion, schien mich zu durchfluten. Und was ich sah, in diesen zehn Sekunden, in diesem einen Schluck, den er tat. Einen Jungen, braunes Haar, vielleicht vier Jahre alt, trotzig gegen einen Tempel gelehnt, sehnsüchtig nach draußen blickend, das Wasser und die Schiffe voller Fernweh ansehend. Das Gesicht einer Frau, schwarzes, lockiges Haar, ein markantes, jedoch unendlich schönes Gesicht, weiße Zähne, die aufblitzten, ein Meer aus Flammen, Schreie, ohrenbetäubende Schreie und dann Stille, die mich umschloss. Und dann nur noch mein unregelmäßiger Atem. Ich blinzelte verwirrt, sah mich um. Ich lag zu meiner Überraschung immer noch in meinem Federbett, Xavier war nicht mehr über mich gebeugt. Seine dunkle Silhouette stand am Fenster, das Gesicht von mir abgewandt. Ich schwitzte, mein Herz schien zu zerbersten, und doch fühlte ich mich seltsam schlapp und kraftlos. Unbewusst strich ich mir über mein Gesicht, strich den Schweiß weg. „Was...?“ „Meine Geschichte also“, sagte er erneut und wandte sich wieder mir zu, erfasst von dem Licht des Mondes, welches direkt durch mein Fenster schien, und wie so oft musste ich bei seinem Anblick an einen Engel denken, das Leuchten seiner Augen, eine Statue, die regungslos dastand, die nichts Menschliches an sich hatte, kalt wie Stein in unveränderlicher Schönheit. Nur die Kleidung und die Haare verrieten, was sich hinter diesem Abbild einer Säule verbarg. „Ich stamme aus Griechenland, und wie du, las ich dich fand trug ich damals noch einen anderen Namen. Xerxes...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)