To be forgiven von Melora (Zeig mir das Licht) ================================================================================ Kapitel 1: When the truth comes to light... ------------------------------------------- Ein Blick reichte schon, denn man sah den Kummer in seinen Augen, auch wenn der 25-jährige ihn durch ein Lächeln vertuschen wollte. Nicht umsonst kannte sie ihn nun schon 8 Jahre. Sie musste ihn nur ansehen und ihr war klar, was er fühlte, manchmal sogar, was er dachte. Ihr waren einige Dinge zu Ohren gekommen, die sie mit ihm besprechen wollte - eine alte Lagerhalle war dafür perfekt. Ihre beiden Autos standen ganz in der Nähe. An ihres hatte sich der junge Mann gelehnt, sie stand vor ihm und sah ihm in die Augen - so tief, dass er fast Angst bekam. "So, what have you done? Why did the boss want to see you, Cognac?" Ein Seufzen entfuhr ihm, gerne hätte er ihr das erspart, aber wenn sie ihn so ansah, bröckelte seine Mauer, die er sich aufgebaut hatte. Anhand ihres Blickes zu urteilen, machte sie sich Sorgen, das stand fest. "He told me some news about myself... I was shocked..." Cognac war, wie man auf den ersten Augenblick vielleicht vermuten würde, kein Amerikaner, trotzdem sprach er diese Sprache fließend, weil er in Amerika geboren worden war, sogar in derselben Stadt, wie diese Frau. "What has shocked you? Soll das heißen, dass er von deinem Beruf erfahren hat?" Unwillkürlich kam ein ungutes Gefühl in ihr auf, wenn sie daran dachte. Denn Cognac war kein gewöhnlicher Killer, er machte das aus ganz bestimmten Gründen, was ihr imponierte, deswegen liebte sie ihn. Trotz seiner Mitgliedschaft in der Schwarzen Organisation trug er sein Herz am rechten Fleck, genauso wie sie selbst - nein mehr als sie. Auch sie hasste manche Taten, die sie verüben musste, doch er war konsequenter. "He now knows Sêiichî..." Ihre Augen weiteten sich, auch wenn sie das erwartet hatte. Dass er nach einem solchen Gespräch noch lebte, konnte nur heißen, dass er ihn bestraft hatte, oder noch bestrafen würde, denn Sêiichî hatte sich unter falschem Namen in die Organisation eingeschleust, um etwas gegen sie zu unternehmen. "Oh my God, I was sensing it. I'm not really surprised or something like that, but I hoped I was mistaken." Irgendetwas zog sie zu ihm hin, so dass sie sich wenig später ganz nah bei ihm befand. Die innerliche Unruhe verlangte danach, also schmiegte sie sich an ihn. "And now? Which order did he give you? You're not dead. Also muss es etwas Grausames sein, mit dem er dich bestrafen will. Ist es ein Polizist?" Das wäre ja wohl das Schrecklichste, was der Boss von ihm verlangen könnte. Ganz aufgegeben schien er ihn nicht zu haben, dann hätte sie ihn nie mehr wiedersehen können. Ein bedrückter Ausdruck kam auf dem Gesicht des Schwarzhaarigen auf. "Schaust du deswegen so?" Wut beschlich sie, Wut auf ihren eigenen Boss, der nun jemanden bestrafen wollte, den sie von Herzen liebte. Jemand, dem diese Sache mehr als nur zusetzen würde. Seufzend antwortete Sêiichî auf ihre Frage: "Du kennst mich zu gut, Vermouth." "Und was tust du jetzt...?" Sie zitterte, was er durch die Nähe ihrer Körper bemerkte. "Was denkst du denn?" "Ich denke, du willst lieber sterben, als einen deiner Leute zu killen..." Daher kam das Zittern, entstanden aus ihrer Angst, die sie wie eine Hand ergriffen hatte. "Nun ja, ich darf mich selbst entscheiden, ob ich leben oder sterben will... das waren seine Worte..." Ein spöttisches Lachen kam von ihm. ,Wenn der Boss wüsste, wen ich liebe, hätte er mir die Chance nicht gegeben, wie ironisch das doch ist...' "Muss ich nun wirklich Bye-bye zu dir sagen, weil du das nicht ausführen kannst...?" Ihre Umklammerung wurde noch heftiger, was ihn tief in sich sehr berührte. Nun legte auch Cognac seine Arme um die Frau und drückte sie an sich. "Ach, du Dummerchen, ich will doch bei dir bleiben. Also muss ich brav sein... ich will dich nicht alleine zurück lassen... ich schaff das schon, Chris, das verkraftet mein Gewissen schon, schließlich ist es ein Auftrag..." Das war geprahlt, er würde Gewissensbisse haben, das war klar und doch war es kaum zu verhindern. Man würde ihn wahrscheinlich beobachten, immerhin war es ein Test. "Baka..." seufzte sie leise. Für sie nahm er Derartiges in Kauf, auch seine Prinzipien wollte er verletzen, sogar mit Füßen wollte er sie treten. Ihr Kopf lehnte an seiner Schulter, sie kuschelte sich demonstrativ an ihn, was nur Auserwählte wussten, dass sie es tat. Kir... Helios... Carpano - die Freunde der beiden, Leute, denen sie hunderprozentig vertrauten. Sêiichî konnte nicht anders, nahm ihr Kinn und hob es sanft an, bevor er ihr für einen Moment in die Augen sah, die einen traurigen Schimmer zeigten, was ihm fast das Herz zerriss, so dass er sie zu sich heran zog und seine Lippen auf ihre legte. Es war für beide ein ungewohnt zärtlicher Kuss, aber es schien ihm angebracht, ihr so einen Kuss zu schenken. Ihre Hände krallten sich in seine Lederjacke, die er trug. Als er sich löste, schaute er ihr lange in die hellblauen Augen, die warm strahlten, was hieß, dass sie für einen Moment glücklich war, und versank in diesen ein wenig. "Ich weiß doch, meine Süße..." Ein trauriges Lächeln war ihm gegeben, bevor er sie los ließ. "See you soon..." warf er ihr noch zu und hob die Hand. Kaum war er dabei zum Auto zu gehen, schnappte sie sein Handgelenk und zog ihn noch einmal zurück. "Halt!" "Was denn noch?" fragte er verwirrt. Kurz zögerte sie, schloss dann aber geheimnisvoll die Augen. Zu gerne wollte er in diesem Moment ihre Gedanken kennen, die ein süßes Lächeln in ihr Gesicht zauberten. "I love you... don't forget it." Wärme klang in ihrer Stimme mit, es kam wie ein Schlag für ihn, so dass sich seine Augen weiteten. ,Nur, falls du doch gehen solltest, weil du es nicht tun kannst... will ich wenigstens, dass du es weißt und richtig glücklich warst...' Blitzschnell drehte sich der 25-jährige herum, packte sie, wobei er die Blondine gegen ihr Auto presste und ihre Lippen mit seinen versiegelte. Ungestüm, wie er oft mal war, drang er mit seiner Zunge in ihren Mund und überfiel sie regelrecht. Ihr Kuss dauerte Minuten, sie kamen nicht voneinander los und taten es in aller Liebe, auch wenn sie unbeherrscht waren. Diesmal war es einer ihrer heftigsten Küsse, aber doch auf gewisse Weise liebevoll. Nach einiger Zeit löste er sich jedoch wieder, nahm ihr Gesicht in beide Hände, woraufhin er sie anlächelte. Sie spürte die Wärme seiner Hände und sah fast wie hypnotisiert aus. "Ich liebe dich auch", hauchte er, was auch sie lächeln ließ. ,Obwohl ich das schon weiß, finde ich es einfach wundervoll, das von dir zu hören...' Man konnte es ihm eigentlich ansehen, zumindest konnte sie das, wenn sie mit ihm zusammen war. "Mach dir keine Sorgen, denn ich werde heil zu dir zurückkehren, Darling." Sein Lächeln war so wunderschön, er sollte eigentlich immer so lächeln, doch wenn er es tat, dann meistens nur, um seinen Kummer nicht zu zeigen. Er ließ sie los, wobei er ihre Hände noch hielt und ihr einen Handkuss gab. "Bis bald..." Dann wandte er sich um, ging zu seinem Auto und fuhr mit monotonem Blick davon, so dass sie ihm nur nachschauen konnte. ,My heart aches so much, when I think about which feelings you must have now...' Ein trauriger Blick lag nun auch in ihrem sonst so gefassten Gesicht, ihr war zum Heulen zumute, doch sie tat es nicht. Wenn er stark war, konnte sie es auch sein, noch war er nicht gegangen, bisher war er am Leben und sie würde alles für ihn tun... "Ich geh jetzt... Schönen Tag noch..." Der 30-jährige verließ gut gelaunt das Präsidium, denn heute war sein Glückstag. Satô und er sollten ein Liebespaar spielen, um ein paar Verbrecher zu täuschen, die sich auf Paare fixiert hatten. Er würde ihr ungestraft nahe sein können und dann ihr Herz erobern. Takagi war abgemeldet, eindeutig, schließlich hatte sie ein Lächeln gezeigt, was hieß, dass sie nicht so abgeneigt war, seit dieser Trottel einen Fehler gemacht hatte. Er ging zu seinem Auto und bemerkte nicht, wie ein Mann in einem schwarzen Porsche die Augen auf ihm ruhen ließ. Er verfolgte ihn regelrecht mit dem Blick und startete den Motor, als der Inspektor eingestiegen war. Kaum fuhr sein Auto los, tat er es ihm gleich, hielt aber etwas Abstand, damit es nicht so auffiel. Inspektor Shiratori schöpfte keinerlei Verdacht. Der junge Mann in dem schwarzen Gefährt war weitaus gewitzter, er wurde ebenfalls verfolgt, wie er im Rückspiegel sehen konnte. ,Dass ausgerechnet du mich beschatten sollst, ist ja wohl die Höhe, du verdammter Psychopath!' Ein wütendes Knurren kam über den Blauäugigen, der Gins Porsche im Rückspiegel beobachtete. Ausgerechnet der, der seiner Freundin zu nahe gekommen war, sollte ihn, falls er versagen oder sich weigern würde, umlegen. ,Hättest du gerne, nein, das gönne ich dir nicht, du Schwein!' Vodka war ebenfalls als Anhängsel bei dem Mann, genauso wie Kalina, vor welcher Cognac sowieso etwas Angst hatte - die war genauso wenig wie Gin noch ein Mensch, nein Monster waren die. Obwohl diese Frau noch mehr Herz als Gin hatte, die war aber von Natur aus bekloppt und liebte Gin. Das war alles, was an ihr noch menschlich war, ihre Liebe zu einem Psychopathen. ,Alleine würdest du nicht mit mir klarkommen, Gin, deswegen seid ihr zu dritt, ihr feigen Ekelpakete...' Nun konzentrierte sich der 25-jährige wieder auf den Mercedes vor sich, der um eine Ecke bog, so dass er es ihm gleich tat. Bei einem Zeitungsstand hielt der Kriminalist an und stieg aus, weswegen auch der andere ausstieg, er folgte ihm in einem gewissen Sicherheitsabstand, bevor ein Schuss ganz in der Nähe ertönte und beide sofort in besagte Gasse stürmten. Es war eine Falle, das wusste der Schwarzhaarige, anders als Shiratori. Keuchend blieben sie stehen und schauten sich um. Was war das nur für ein Schuss gewesen? "Sie sind Polizist, deswegen tragen Sie eine Waffe", meinte ein für Shiratori unbekannter Mann, so dass er sich zu ihm herumdrehte. "Ja, das stimmt." "Tja..." Sie sahen sich an, der Jüngere schaute ihm dabei in die Augen. "Ist was?" "Ja... etwas ganz Fürchterliches wird hier geschehen", sagte er, wobei er noch zögerte, weil seine Hand nicht wollte, dass er die Waffe auf den Mann richtete. Doch dann zielte man auf Shiratori, welcher geschockt in den Lauf schaute. Blitzschnell schloss der andere die Augen und drückte ab. Er hatte es nicht sehen wollen. Shiratori stöhnte kurz, woraufhin er an der Wand zu Boden glitt und regungslos liegen blieb. ,Es musste sein...' redete sich der Schwarzhaarige ein und drehte sich herum, wo schon Gin stand und ihn mit einem psychopathischen Lächeln beäugte. "Netter Schuss... mitten zwischen die Augen", lobte er ihn, woraufhin Cognac gehässig auflachte. "Tja, das war eben ich", kam angeberisch von Gins Gegenüber, bevor er leicht irre auflachte, so wie es Vermouth immer tat. Er konnte den bösen Killer perfekt spielen, sein Großvater war nicht umsonst Schauspieler. "Ja, ja, bist ein braver Junge, Cognac-chan", machte sich Gin lustig, denn er spielte nur eine Runde mit ihm, stand schließlich auf so etwas. "Ich wusste, du würdest uns nicht enttäuschen!" Der blonde Mann richtete seine Waffe auf Cognac und drückte sofort ab, was der Schwarzhaarige nicht hatte kommen sehen und ins Straucheln gerriet, so dass er auf die Knie fiel, was Gin belustigt beobachtete, denn jetzt stand er über ihm, auch wenn ihre Ränge anderes meinten. "Die war für das Schweigen dem Boss gegenüber!" meinte Gin gemein, bevor man einen Schritt hinter ihm hörte, der definitiv zu einem Frauenschuh gehörte. Cognac konnte sie aus seinen halboffenen Augen sehen und dachte sich für einen Moment, dass sie wirklich böse schaute. Man konnte ihr förmlich ansehen, dass sie Hass verspürte und sich von diesem leiten lassen wollte. ,Nein...' Doch zu spät, sie visierte Gin an. "Und das ist für die Kugel, die du Cognac verpasst hast, du Abschaum!" Die Frau löste einen Schuss aus, der Gin in den Kopf traf, so dass dieser sofort tot umfiel. Cognac stand der Schock ins Gesicht geschrieben - seine Freundin sollte solche Rachefeldzüge am besten ganz sein lassen und schon gar nicht seinetwegen zur Furie werden... Dem Schwarzhaarigen trat Schweiß auf die Stirn, der von seinen Schmerzen herrührte. Vermouth pustete den Rauch, der aus ihrer Waffe kam, weg und lachte gemein auf. "Ich konnte es mir nicht verkneifen, Darling..." Sie beobachtete Sêiichî, wie ihm langsam die Augen zufielen und er nach vorne kippte, weswegen die 31-jährige auf ihn zustürmte und ihn im letzten Augenblick auffing. Ihr Blick, der Genugtuung ausstrahlte, fiel auf ihren Exgeliebten, der aber nie so etwas wie ein Gefühl in ihr hatte wecken können. ,Das tut mir gar nicht Leid, Schandfleck...' "Chris, Kalina, die ist auch da..." Für einen Moment schien sie überrascht über die Worte ihres Freundes zu sein. Statt der Genannten war auf einmal jemand ganz anderes hinter ihnen. Eine dunkelblonde Frau mit Haaren bis zum Kinn, so dass Cognac sie mit großen Augen musterte und in ihre gefährlich glänzenden Augen sah. Chianti war hergekommen, um sich persönlich um diese Schnepfe zu kümmern. Und sie würde genießen, Vermouth sehen zu lassen, wenn sie Cognac tötete. "Weißt du, wie es ist, wenn man denjenigen verliert, den man liebt, Vermouth?" Kaum waren die Worte aus Chiantis Mund gekommen, hatte sie ihre Waffe auf die beiden gerichtet und sie geladen. Es dauerte keine Sekunde, da hatte sich die Blondine erhoben und ebenfalls eine Waffe gezogen. "Dazu musst du erst mal an mir vorbei, um ihm etwas zu tun!" meinte Vermouth und grinste überheblich. "Du möchtest doch, dass ich es sehe, nicht wahr? Wenn du mich jetzt tötest, wird mir das aber entgehen..." Cognac, der jetzt beinahe ohnmächtig am Boden lag, noch seine Waffe in der Hand hatte, richtete diese auf Chianti, woraufhin man ein Knacken hörte und ein Stöhnen folgte, nach welchem Chianti nach hinten umkippte. "Jetzt... Liebling... sind wir quitt." Vermouth drehte sich zu Cognac um, sie seufzte. "Klappe, Baka-chan... Wenn Kalina hier rumrennt, bin ich nicht scharf drauf, noch länger hier zu sein, weil mir die Kugeln schon fast ausgehen..." Wenn diese Frau Gin sah, würde die aber austicken, darauf hatte die Blondine heute keine Lust, also wollte sie mit Cognac das Weite suchen, bevor die Rothaarige hier auftauchen würde, um Ärger zu machen. Sie nahm den Bewusstlosen, legte ihn sich über die Schultern und rannte davon, auch wenn das nicht ihr Stil war... Stunden später lag Sêiichî versorgt in ihrem Bett, um sich auszuruhen. "Jetzt liege ich doch tatsächlich hier rum", stöhnte der Verletzte und verzog leicht das Gesicht, "nun bin ich für nichts gut..." Die Schauspielerin wusste ganz genau, warum er so jammerte, nämlich weil er sie jetzt nicht flachlegen konnte, so war er nun einmal - ein kleiner Süchtiger. "Wer sagt das? Ach doch, du bist für etwas gut...", die Blonde stieg zu ihm ins Bett und kuschelte sich an ihn, "dafür", hauchte sie ihm ins Ohr und sah ihm in die Augen. "Das ist so süß von dir...", meinte der Schwarzhaarige total gerührt, so dass sie stöhnte. "Nenn mich noch einmal süß und ich hau einfach ab..." Ihre Beschwerde belustigte ihn, also strich er mit einer Hand über ihren Hintern, wobei er lächelte. "Dann eben nicht süß, sondern sexy..." "Aha, so schlecht kann es dir ja nicht gehen..." "Boah, doch..." Sein Griff um sie wurde fester, weshalb sie halbwegs an ihn gedrückt wurde. "Pass auf deine Verletzung auf!" Selbst verletzt gab der noch keine Ruhe, was aber total typisch für ihn war, er war ihr verfallen, jedoch stand er damit nicht alleine, wie sie ihm offenbart hatte, also ließ sie sich das Ganze gerne gefallen. "Ruh dich aus, Gin hat mal wieder reife Arbeit geleistet, tze..." Wenn der nicht schon tot wäre, hätte sie ihn wohl noch mal ermordet. Vor lauter Erschöpfung fielen ihm die Augen zu, so schlief er mit ihr im Arm ein, doch da sie noch nicht müde war, beobachtete sie ihn, wie er friedlich schlief. Auch wollte die Frau auf ihn Acht geben, weshalb sie gar nicht erst ans Schlafen dachte. ,Ich wüsste doch zu gerne, wer gepetzt hat...' Ein verträumtes Lächeln lag auf ihrem Gesicht, er war schon ein toller Mann, hatte tiefsinnige Gefühle für gewisse Menschen und war bis auf ein paar Macken total liebenswert, was ironisch dazu war, dass er einfach so Leute umbrachte. ,Er sieht so süß aus, wenn er schläft...' Sie himmelte ihn regelrecht an, doch das konnte im Moment sowieso keiner sehen, also war es okay so. Nachdem sie ihn eine Weile angeschaut hatte, schaute die 31-jährige auf ihre Digitaluhr. ,Schon fünf Uhr? Jetzt liege ich schon seit drei Stunden hier rum und schaue ihn an, ich bin auch irre...' Zufrieden wie sie war, schloss sie die Augen, während ihr Kopf an seiner Schulter lehnte, weshalb auch sie in einen tiefen Schlaf fiel. Gegen zehn Uhr am Morgen wurde die Blondine durch seine sanften Lippen auf ihren geweckt, sie blinzelte verschlafen und öffnete nur ein Auge, um ihn anzusehen. "Was denn?" "Bist du etwa immer noch müde?" Er bekam eine leichte Kopfnuss von ihrer Faust. "Ja, man, ich bin spät eingeschlafen..." "Ach, wann bist du denn eingeschlafen, Darling?" "Etwa um fünf", seufzte sie, wobei sich ein Rotschimmer auf ihre Wangen legte, immerhin hatte sie ihn die ganze Zeit angeschaut. "Putzig, Vermouth, warum wirst du denn rot?" stichelte er sie, wobei sein Strahlen allerdings ironisch wirkte. "Ich bin nicht rot", widersprach sie ihm trotzig und gab ihm erneut eine Kopfnuss. "Und ob. Was hast du denn die ganze Zeit über getan, dass du rot wirst?" "Dich angesehen, du Perverser!" Das war ja wohl echt ungeheuerlich, was er ihr da zu unterstellen versuchte, weshalb ihre Faust ihm noch mal einen leichten Schlag gegen die Stirn beibrachte. "Davon wird man rot? Wohin hast du geschaut, he, du Perverse?" ärgerte er sie, so dass sie schmollte und sich herumdrehte, weshalb er ihren Rücken anstarrte. "Ich schlaf noch eine Runde, tze..." ,Wie ein kleines Mädchen... voll ironisch...' Trotzdem grinste er jetzt vor sich hin und schmiegte sich an sie, weil sie so verdammt betörend roch. Die machte die Männer schon mit ihrem Duft an, von anderen Dingen ganz zu schweigen. Als die Blondine den Anschein erweckte, dass sie wieder eingeschlafen war, öffnete er ihr vorne den Reißverschluss, entfernte das Oberteil und zerrte an ihrer Hose herum, bis auch diese verschwunden war. So, wie sie nun war, in ihren knappen Dessous presste er ihren Körper wieder an sich und döste selbst noch ein wenig. Eine halbe Stunde später wachte sie erneut auf, da sie ein Zittern erfasst hatte. "Ich friere, was hast du da wieder angestellt?" Er konnte es wohl einfach nicht lassen. Sêiichî, der sowieso noch halb wach war, zog die Decke höher und drückte sie enger an sich. "Ich will meine Klamotten wieder." Ein Seufzen von ihr, während sie sich zu ihm herumdrehte und ihm mit gespielter Heulmiene in die Augen blickte. "Ach, bin ich der Dame nicht gut genug zum wärmen?" Sie fing an zu lachen und wäre wahrscheinlich aus dem Bett gefallen, wenn sie nicht hinter ihm gelegen und sich an ihm festgehalten hätte. Er schluckte ihre Worte wohl mal wieder vollkommen, damit konnte man den Mann gut ärgern, weil er alles zu glauben schien, wenn es nur von ihr kam. Das war einerseits gefährlich, denn sie konnte durchaus andere perfekt täuschen und dann benutzen, andererseits war sie aber auch froh darum. Das Lachen stoppte, als sie seinen Blick sah, was ihr wehtat, ihn so zu sehen. Mal wieder war ihr bewusst, was er dachte und fühlte. "Ach, schau doch nicht so." "Ich habe den Kriminalisten wirklich getötet..." Ein Seufzen kam, woraufhin sie über seine Wange fuhr. "Du sagtest doch selbst, dass es ein Auftrag ist und dich keine Schuld trifft, das meintest du doch, oder? Also, denk nicht mehr dran." Sie wollte nicht diesen verletzten Blick sehen müssen, nur weil der Boss ein skrupelloses Arschloch war. "Was wirst du dem Boss sagen, wenn er fragt, wieso du Gin umgebracht hast?" "Die Wahrheit. Er sollte dir nur folgen und schauen, was du treibst, nicht auf dich schießen... wir können alles ja etwas verschlimmern und sagen, er hätte dich umbringen wollen. Nachprüfen kann sowieso keiner, ob er dich töten oder nur verletzen wollte..." Das Spiel hatte sie sich nun mal nicht geben können. "Ich habe Angst, dass er dahintersteigt! Es sieht dir ja nicht ähnlich, Männern zur Hilfe zu eilen, wenn sie dir total egal sind..." "Überlass den nur mir, der ist wie du im Bezug auf mich... Er kann mir nicht lange böse sein, ich brauche ihn nur etwas nett anlächeln und alles ist vergessen..." Cognac schloss die Augen, in seinem Gesicht kam Missfallen auf, sie sah sofort, dass ihm etwas nicht passte. "Lächle besser nicht zu nett, sonst kommt er noch auf Ideen..." Nein, teilen wollte er sie auf keinen Fall und jeder wusste, wie sehr der Boss auf Vermouth, seine Schönheit abfuhr. Es überkam den jungen Mann jedes Mal der Ekel, wenn er daran dachte. Kein Mann außer ihm hatte sie so zu berühren - schon gar nicht so ein alter Sack. In einer Tiefgarage lief schon der Motor eines hellen Porsche, eigentlich hatte es der Mann eilig, wollte gar nicht erst wirklich von jemandem aufgegriffen werden, was aber nicht für Freunde galt. Rena hatte sich hinten rein geschlichen, nachdem sie heimlich hier aufgetaucht war, während er noch etwas geschaut hatte. Gerade als der Schwarzhaarige in sein Auto steigen wollte, konnte er dunkel widerhallende Schritte hören, die sich näherten, also schaltete er den Motor noch einmal ab. "Achtung, da kommt wer", flüsterte er ins Auto, sah dann aber aus der Entfernung schon, dass es sich um einen Mann handelte. Wenigstens keine Frau, die auf ihn abfuhr, er war ungemein erleichtert. Der 25-jährige hatte den um zwei Jahre Älteren gar nicht gesehen, da er den Kopf gesenkt hatte - zu nachdenklich war er. Erst als er ihn hob, sah er Carpano. "Job beendet, Cognac?" fragte er ihn, weshalb man ihm nur ein Seufzen als Antwort gab. "Ja..." "Beschissenen Tag gehabt?" "Beschissener geht's heute echt nicht mehr, aber Morgen ist auch noch ein Tag." Rena lauschte den beiden Männern, die sich unterhielten und schloss die Augen. ,Vermouths kleiner Liebhaber... was den wohl so runtergezogen hat?' "Oje, hast du schlechte Aufträge bekommen?" "Mhm, nicht nur das... ich bin aufgeflogen, Carpano." Oh weiha. Wenn er als Verräter noch lebte, hatte das zu bedeuten, dass... "Lässt er dich etwa Kriminalisten töten, weil du selbst einer bist?" Das sah dem Boss ähnlich, man konnte bei ihm verdammt schnell und tief fallen, wenn man ihn verärgerte. Dann holte er zu seinem finalen Schlag aus. Wenn schon denn schon, war sowieso die Devise dieses Mannes. Er genoss es, Leute vor ihrem Tod noch mal richtig fertig zu machen, bevor er sie ganz abschoss. "Wie schlau du bist... Tja... Wahrscheinlich werde ich keine anderen Aufträge mehr kriegen..." Sêiichî senkte den Blick, er wusste nicht, wie lange er diese Scharade aushalten würde, bis es endgültig zu spät war und er seelisch so fertig sein würde, dass er freiwillig aufgab. Vielleicht wollte der Boss es ja so? "Ist dir klar, Cognac, dass es noch schlimmer kommen könnte, wenn du bei ihr bleibst? Es ist schlimm genug, wie es ist." Der 25-jährige schloss die Augen und hob den Kopf, was ihn wehleidig wirken ließ. "Sie ist aber das Einzige, was mich noch aufrecht erhält, sonst wäre ich längst schon daran kaputtgegangen." Da der Mann ihn schon fast sein gesamtes Leben lang kannte, wusste er, dass Polizistenmorde ja wohl das Schrecklichste für Sêiichî waren, nicht nur, weil er selbst einer war, sondern auch, weil er viele Polizisten kannte und mit ihnen befreundet war. ,Na ja, ich würde ja gerne sagen, scheiß drauf, ich höre ganz auf, aber dann würde man mich umbringen... Es ist schließlich meine Pflicht für alle, die mich mögen, weiterzuleben, also darf ich nicht aufgeben...' Trotzdem beherrschte ihn sein schlechtes Gewissen regelrecht. Er verübte diese Morde schließlich, das war nicht entschuldbar. Sollte allerdings der Boss mal geschnappt werden, konnte man ja wohl keinen von ihnen für die Pläne dieses Mannes verantwortlich machen, wo sie alle nur überleben wollten. Das war zumindest seine Traumvorstellung. Es könnte auch anders kommen und sie würden alle ins Kittchen wandern. Am besten sperrten die ihn dann wenigstens zu Vermouth in die Zelle. "Mir wäre es am liebsten, ich könnte alles vertuschen... unser Vater wäre sicher sehr enttäuscht." Er war zwar nicht Sêiichîs richtiger Vater, aber dieser behandelte ihn wie seinen Sohn - das Schlimmste an dieser Sache war, dass er auch zur Polizei gehörte, das würde wehtun. "Was würde er wohl sagen, wenn Klein-Sêiichîs Geheimnis rauskommt?" verspottete er sich selbst und lachte kurz sarkastisch, denn er machte sich selbst fertig. "Klein-Sêiichî, der immer prahlte: Ich gehe zur Polizei!" Das machte auch Carpano traurig, so dass er die Augen geschlossen hatte und erst einmal schwieg, immerhin war es Sêiichîs Bestimmung, bei der Polizei zu arbeiten, das hatte sich schon gezeigt, als er etwa 11 gewesen war. "Tut mir Leid für dich, Sêiichî, dass es so enden musste, aber du wolltest ja nicht hören. Du musstest ja einsteigen. Dir war doch klar, dass du morden musst... Dass alles so gekommen ist, kann man nicht mehr ändern. Halte dir aber vor Augen, dass diese Morde dich nicht zum schlechten Menschen machen." Er selbst hatte auch Gewissensbisse, obwohl er nie Unschuldige tötete, meistens waren es Leute, die ihm schaden wollten, denn auch er war ein Verräter, der hoffte, die Organisation würde fallen. Im Grunde waren sie schon welche, wenn sie überhaupt an so etwas zu denken wagten. Vermouth sollte bloß nicht den falschen Leuten von ihrem Traum rund um Silverbullet erzählen, das könnte echt böse enden, sie klammerte sich an diese kleine Hoffnung. Irgendwie traurig, wie verzweifelt sie doch waren und sich an jede Chance hängten. Der Boss hatte allerdings so seine Absicherungen, es war nicht leicht, an ihn heran zu kommen. Als Außenstehender eigentlich sogar unmöglich. Man wurde schlichtweg aus dem Weg geräumt, wenn es denn mal eintraf. Die einzigen überlebenden Ermittler mit viel Wissen waren Tatsuji Fujimine und Shuichi Akai, vielleicht noch Conan Edogawa, Heiji Hattori und Kôji Miura. Bis auf Tatsuji, seinen Cousin Conan und Shuichi waren sie jedoch eher harmlos. Kôji hielt sich so weit raus, wie es ging, beziehungsweise, man hielt ihn brav raus, immerhin war er auch Shuichis Cousin, der ihn versuchte zu beschützen. Dass dieser Irre so einen Lichtblick hatte, war ja fast verwunderlich. Womöglich hatte der Typ Langeweile gehabt und deswegen entschlossen, andere zu beschützen, jedenfalls nichts Großartiges. Oder es ging ihm einfach nur um seine Feindschaft mit Gin. Hauptsache er hatte einen Grund, auf den Kerl los zu gehen. Was würde der wohl sagen, wenn er erfuhr, dass sein geliebter Feind nicht mehr unter ihnen weilte? "Tja, ich sollte los, Carpano, wir sehen uns..." Wir sehen uns, sollte man als Versprechen ansehen, er sagte es zurzeit wirklich jedem, egal wem. "Gib auf dich Acht, Cognac..." Aufgrund der Worte drehte sich der Angesprochene mit einem halbherzigen Lächeln noch einmal herum. "Sollte mein Auftrag Ryochi heißen, lasse ich dich's wissen... dann lasse ich mich freiwillig von dir killen, Carpano... Ich erwarte sogar von dir, dass du mich erschießt..." Den Kopf senkend, drehte sich Sêiichî wieder herum, während der Mann hinter ihm einen Moment stockte, bevor er seufzte. Er erwartete das von ihm, der konnte ihn mal sonstwo lecken, es gab immer Mittel und Wege. ,Komiker... Sicher doch...' Rena schaute zu ihm, als er in das Auto stieg und mal wieder total monoton aussah, kein Lächeln oder Derartiges im Gesicht, wieso auch? "Das klingt ja furchtbar, wie kann er denn so was sagen?" "...Tja..." Der Motor wurde gestartet, bevor das Auto aus der kleinen Parklücke und Richtung Ausgang fuhr. Drinnen war es zwar hell, doch keiner konnte die Insassen Dank getönter Scheiben sehen, was gut so war... Das Auto wurde durch Zentralverrieglung verschlossen, woraufhin der Schwarzhaarige über die Straße gehen wollte, als er von hinten festhalten und in die kleine Gasse hinter sich gezerrt wurde. Er drehte sich herum und seufzte. "Was willst du, Chianti?" fragte er sie, ohne sich anmerken zu lassen, dass er sie widerlich fand, was ihn sehr viel Beherrschung kostete. Sie schlang ihre Arme um ihn und küsste ihn, weshalb der Schwarzhaarige sofort abwehrende Laute von sich gab. Gut, Baileys hatte es manchmal auch auf ihn abgesehen, weil sie Vermouth ausstechen wollte, aber die da, das war echt zu viel. Mit einem Ruck löste er sich von der Frau und wischte sich angewidert über den Mund. "Bah, du bist mir zu hässlich, zisch ab!" fauchte er, niemand, den er hasste, hatte ihn derartig zu küssen, schon gar nicht, weil er ihre Feindin liebte, so war es doch, oder nicht? Oder fand die ihn am Ende echt noch scharf? Er war sich bei dieser Person nicht so ganz sicher. Calvados hatte sie ja auch an der Backe gehabt. Der arme Mann, die hatte ihn doch mehr als nur einmal genervt, wobei er wie Cognac auch, nur Augen für Vermouth gehabt hatte. "Ich bin nicht hässlich!" erwiderte die Dunkelblonde und zischte wütend. "Aber wohl nicht so supertoll wie... Vermouth!" Der Name wurde extrem bissig und verhasst ausgesprochen, man konnte ihr anhören, wie gern sie sie hatte. "Allerdings nicht, nicht mal annähert, ihr seid wie Tag und Nacht." Es war zu spät, Cognac fing schallend an zu lachen, obwohl er weniger schöne Menschen nicht absichtlich verletzte, zumindest in den meisten Fällen, bei Chianti machte er allerdings eine Ausnahme, der schadete so etwas nicht, sonst kam die noch auf blöde Gedanken. Alleine bei ihrem Anblick wurde ihm schlecht, dann küsste die ihn auch noch, wie widerlich. "Was ist so toll an der Frau, die andere im Stich lässt, wenn sie sie nicht mehr braucht? Sie würde auch dich alleine lassen, sie denkt im Grunde immer nur an sich selbst, das verwöhnte Weibsstück!" Sie lachte sarkastisch. "Auf mich kann man sich wenigstens verlassen." ,Auf sie kann man sich auch verlassen...' Es stimmte zwar, sie hatte Calvados alleine gelassen, der sich dann selbst erschossen hatte, dafür konnte seine Freundin nichts, wenn er lieber tot sein wollte, als beim FBI zu landen. Sêiichî war schon so oft von ihr gerettet worden, seine Meinung war nicht zu erschüttern, auf Leute, die sie hassten, hörte er sowieso nicht. "Tja, du solltest in den Spiegel schauen, Chianti, wenn du dann nicht drauf kommst, solltest du einen Augenoptiker aufsuchen." Was konnte er schließlich dafür, wenn diese Frau dachte, sie könnte bei einer so schönen Frau wie seine Freundin eine war, mithalten? "Außerdem hat sie einen äußerst scharfen Verstand." Das sollte lediglich heißen, dass sie schlauer als Chianti war, was er ihr nicht ganz klar und deutlich sagte, aber sie musste von selbst drauf kommen. ,Und sie hat mehr Herz als du. Sie sieht Mord nicht als was Gutes an. Dein Beruf sagt ja wohl alles. Du schießt auf alles und jeden, auch aus Langeweile.. Du würdest besser zu Gin passen... Gott, warum habe ich nicht richtig getroffen, als ich abgedrückt hab? Jetzt habe ich diese Scheiße hier... Eine dreckige Scharfschützin, die bei mir landen will... Ich glaub', ich übergeb' mich gleich...' Auf dem Weg nach Hause lauerte ihm eine weitere Person auf, es war anscheinend nicht wirklich Cognacs Tag. Der Schatten fiel um die Ecke, so dass der 25-jährige ihn sah. "Wer ist da schon wieder?" fragte er patzig und in nicht gerade erfreutem Ton, bevor ein weiterer, schwarzhaariger Mann, mit etwas längeren Haaren als er selbst mit seinem Gewehr um die Ecke bog. "Nur ich, sonst keiner." Scheinheilig trat er an den Jüngeren heran, redete vollkommen normal mit ihm, bevor er weit ausholte und das Gewehr in Cognacs Gesicht beförderte, wodurch er nach hinten gegen die Wand geschleudert wurde. Jami konnte total unberechenbar sein, wenn es darauf ankam, so wie gerade eben, in diesem Moment, in dem er seinen besten Freund, den er innerhalb der Organisation je gehabt hatte, mit einem Gewehr verprügelte. "Sag mal, spinnst du?" fragte Cognac entzürnt und wischte sich Blut, das aus seinem Mund getreten war, aus dem Gesicht. "Ich dachte, wir wären Freunde?" Vermouth würde ihn naiv nennen, weil er das nämlich war, wenn er dachte, Jami wäre weiterhin sein Freund, wenn dieser von seinem bösen Verrat erfuhr. "Steck dir deine Freundschaft an den Hut, du verlogene Ratte!" Erneut schlug Jami voller Wut zu, wieder mitten ins Gesicht des anderen, es wirkte, als wollte er damit nicht mehr aufhören. Den sollte keine Frau mehr ansehen können, wenn er mit ihm fertig war. "So geht's Verrätern, na, du Bulle?" So einer konnte doch unmöglich der Freund eines hochgestellten Organisationsmitgliedes sein, der stand doch auf deren Seite, nicht auf seiner. Nicht umsonst hatte Cognac absichtlich den Boss belogen, was seinen Namen anging, das war ein Beweis dafür, dass er die Organisation immer verraten hatte, er hatte alle getäuscht, auch Jami, dieser war schwer enttäuscht von ihm und musste es ihm heimzahlen. Das Gewehr wurde auch in die Magengegend versenkt, wodurch der 25-jährige unter einem leichten Schmerzensstöhnen auf die Knie fiel. Das nutzte Jami gleich wieder aus, um von der Seite zuzuschlagen, so fest, dass Sêiichî zur Seite umgeworfen wurde und jetzt am Boden lag. Er wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand, hustete und kniff ein Auge zu, immerhin hatte Jami ordentlich ausgeteilt. "Du wirst kündigen, sonst werde ich noch andere Geschütze auffahren, Sêiichî Iwamoto!" "Ich spionierte da rum, du Idiot!" Gerade, als Jami die Augen zu Schlitzen verzog und voller Zorn aufknurrte, wurde das Gewehr von hinten geschnappt und er somit davon abgehalten, noch einmal auf den am Boden liegenden, wehrlosen Mann einzuschlagen. "Ich denke, das ist genug, Jami, er hat sein Fett weg!" sprach sie ihn an, so dass er sich halb zu ihr herumdrehte und in ihre hellblauen Augen sah. "Halt dich da raus, Vermouth! Es ist nicht dein Job, Verrätern zu helfen, das würde dich selbst zu einer Verräterin machen, das willst du unserem Boss doch bei seiner Laune nicht wirklich zumuten, oder Herzchen?!" Ein spöttischer Ton kam in seiner Stimme auf, während er ihr mit stechend scharfem Blick in die Augen sah. "Och, das ist nichts dagegen, wie es dir gehen wird, wenn du ihn nicht auf der Stelle zufrieden lässt, verstanden?" Sie redete regelrecht auf ihn ein und warf ihm einen entzürnten Blick zu, den er durchaus zu deuten wusste. "Ach, Schatz, mach dich nicht unglücklich, ich möchte dich nicht am Ende töten müssen, nur weil du zu einem Verräter hältst!" Er riss sich los und wagte es erneut auszuholen, woraufhin sich ein scharfer Schmerz auf seiner Wange ausbreitete, den sie ihm gerade beigebracht hatte. "Du hast nicht das Recht, ihn zu quälen! Denk, was du willst, aber du wirst ihn nicht mehr schlagen! Schau ihn an! Er rührt sich kaum noch! Der Boss will ihn lebendig, nicht tot! Du machst dir Ärger, nicht ich! Ich sorge nur für Ordnung, du alter Ausraster!" Was bildete sich diese blöde Kuh eigentlich ein? Sie kam ihm in die Quere, hielt ihn davon ab, seinen Job zu machen und schlug ihn dann auch noch mit ihrer Beretta, aber sonst ging's der gut? "Ach du Scheiße, du bist ja total auf den fixiert! Seit wann denn so was? Du brauchst doch viele Männer, nicht nur einen, genauso wie ich viele Frauen brauche." Dachte er etwa, dass er eine Frau, wie sie eine war, verstehen konnte? Der Blondine entwich ein gehässiges Lachen. "A secret makes a woman woman, aber das kennst du doch schon, nicht wahr, Trottel? Ich will nicht, dass du deinen besten Freund so quälst, bei dir hackt es ja wohl!" Wieder wurde der Frau bewusst, was sie an Jami verabscheute und wiederum an Cognac so sehr schätzte, Jami war in seiner Zeit in der Organisation herzlos geworden, was Sêiichî erspart geblieben war. Und dafür wollte man ihn jetzt andauernd bestrafen, das war so ungerecht, also musste sie etwas dagegen tun, wenn sie die Möglichkeit hatte. Es wäre besser für ihren Freund gewesen, wenn er herzlos gewesen wäre, denn dann wäre es ihm nicht so schwer gefallen, all diese Morde zu begehen und er würde auch nicht unter seinem schlechten Gewissen leiden. "Wie weich macht dich dieser Kerl, Vermouth? Das bekommt dir nicht, ich warne dich!" Klick. Die Waffe war geladen worden. "Ach nicht? Du nennst mich weich? Soll ich dir zeigen, wie weich ich bin, indem ich dir eine Kugel ins Hirn jage, hm?" Das konnte er gerne haben, sie war sowieso gerade in Stimmung. "Das zeigt nur, wie verrückt du bist! Durchgeknallt! Irre! Und lebensmüde auch noch!" Sie bewegte den Zeigefinger am Abzug. "Forder es besser nicht heraus." "Liebling, das würde nur blutig enden. Sobald du abdrückst, würde ich dich mitnehmen... Du möchtest doch nicht sterben, oder? Was tust du zum Beispiel, wenn hier in der Nähe jemand bloß darauf wartet, dass du einen Fehler machst und sie endlich abdrücken darf?" "Du bluffst, Jami." Cognac schaute mit einem sehr erbärmlichen Blick zu beiden hoch. "Nein, es stimmt, Chianti ist hier... mach jetzt besser keine Dummheiten." "Ach, Chianti, die trifft aus der Entfernung doch nie und nimmer meinen hübschen Kopf." "Sie ist aber ganz in der Nähe, nicht mal 300 Yards entfernt... das bringt die fertig." Cognac schien gerade Angst zu bekommen, sie hingegen hatte sich gut im Griff. "Trotzdem ist jetzt Schluss, Jami!" Vermouth war von Natur aus ein wahres Biest, also verpasste sie Jami einen Schlag ins Genick, woraufhin dieser zu Boden ging. "Dafür kann man mich nicht bestrafen, da würde der Boss austicken!" Sie beugte sich zu Cognac runter und lächelte, auch wenn sie gerade eine verdammte Wut verspürte, wenn sie sich das Resultat von Jamis Attacke so ansah, dann zog die 31-jährige ihren Freund langsam hoch, wobei er zischte. "Hast du schlimme Schmerzen?" "Ich kann's überleben, wenn du das meinst." Ihre Hand fuhr sachte über seine Wange. "Morgen hast du ein paar Feilchen, darauf kannst du wetten, er hat ja richtig zugeschlagen." "Du aber auch... das hättest du bei anderen nicht gedurft." "Tja, Jamis Schwäche heißt nun mal Frauen, er kann sie nicht schlagen... da kann man sich ja mal etwas mehr rausnehmen..." Während die Frau ihn stützte, gingen sie vorwärts. ,Ich wusste doch, dass du es nicht wagen würdest, Chianti. Wie dumm, dass ihr alle Angst haben müsst, dass man euch für so was erledigt. Mir geht's da besser, das ist aber ja auch das Mindeste, was ich erwarten kann, wenn ich ihn etwas gucken lasse.' Allmählich dämmerte es, die Wolken verdeckten die Sonne heute sowieso, es war regnerisch und recht kühl, als die Braunhaarige um die Ecke bog. Sie schaute zum Tokyotower während sie lief und rannte so eine andere Person regelrecht um. "Passen Sie doch auf, verdammt noch mal!" fauchte man die 51-jährige an, so dass diese sich an den Kopf fasste. "Tut mir Leid, das wollte ich... nicht." Sie stockte und blickte in die dunklen Sonnengläser einer damenhaft gekleideten Frau. Sie trug einen Mantel und hohe Stiefel. ,Die sieht ja aus wie...' Ein Seufzen entfuhr der Älteren. "Sind Sie nicht-?" ,Nicht auch noch ein bekloppter Fan, ich will hier weg!' dachte sich die Schauspielerin und verdrehte die Augen, was die andere ja nicht sehen konnte. "I'm nobody, byebye." Mit unfreundlichem Ton in der Stimme ging sie an der Frau vorbei, die sich herumdrehte. ,Sie ist es, zweifellos.' Die Braunhaarige mit dem Namen Jane schloss die Augen und folgte ihr, was der Schauspielerin natürlich nicht unbemerkt blieb, also blieb diese stehen und drehte sich wütend herum. "Wollen Sie mich jetzt verfolgen?" Sie hatte keine Ahnung, dass sie diese Person kannte, hatte sie zu gut verdrängt, außerdem war das Ganze ewig her - hatte in einem anderen Leben stattgefunden. "Wenn es sein muss, eigentlich möchte ich mich nur mit dir unterhalten." Unverschämt war die auch noch. "Ich steh nicht so auf Interviews." Chris winkte ab und drehte den Kopf arrogant weg. "Ach, nicht? Das tut mir aber Leid, ich würde mich dennoch gerne mit dir unterhalten, immerhin bist du die Tochter meiner besten Freundin aus der Elementaryschool." Für den Moment wirkte sie wie ein kleines Mädchen. ,Wie bitte?' Chris beäugte die für sie Fremde argwöhnisch. ,Die kannte Sharon..?' Es war normal geworden, dass sie in der dritten Person von sich selbst dachte. "Und? Meine alte Dame ist aber tot, was also soll das? Ich habe weder Zeit noch Lust, mich mit einer Freundin meiner Mutter zu unterhalten." Sie rückte sich die schwarzen Sonnengläser zurecht und rümpfte die Nase. ,Wie eingebildet kann man sein?' Jane seufzte leicht in sich hinein. "Sharon, lass den Unsinn, ich weiß, dass du dich dahinter verbirgst, also komm wieder runter", zischte die Braunhaarige und blickte sie verärgert an. ,Woher? Woher weiß sie das denn jetzt?' Diese Frau musste sie gut kennen, wenn sie hinter ihre Maskarade schauen konnte, aber wer sie war, war der 31-jährigen noch nicht ganz klar. ,Warum kommen andauernd Leute, die mich kennen... Mir reicht's bald!' Chris beugte sich zu Janes Ohr und flüsterte ihr scheinheilig etwas zu: "Nicht hier, Sweetheart, lass uns das auf meinem Hotelzimmer bereden." Sie wusste nicht, wie sich ihre Freundin gewandelt hatte und ging mit einem Nicken auf das Angebot ein, ohne zu wissen, was diese Frau für Pläne haben könnte. Sie folgte ihr, bis sie beim Haido-Hotel und im zweiten Stock bei einer Suite ankamen, die Chris bewohnte. Der Boss hatte sie dort untergebracht und erlaubte ihr nur sehr selten vor die Tür zu gehen, und wenn dann etwas getarnt. Wenn der wüsste, dass sie schon wieder als Chris draußen rumspazierte, würde er sie bestrafen. Die 31-jährige öffnete mit einem Kartenschlüssel die Tür und bat Jane hinein, noch wusste sie nicht, was sie tun würde, erst wollte sie über die Identität dieser Frau Bescheid wissen. Sie hoffte für sie, dass sie nicht vom FBI oder Derartigem war. Die Frau machte eine Flasche Rotwein auf und füllte ihn in zwei Gläser, woraufhin sie diese auf den Tisch stellte und sich auf die Eckcouch platzierte. "Also, wer bist du?" fragte die Frau freundlicher als vorhin, so dass Jane Tränen in die Augen traten. "Du weißt es nicht? Du erkennst deine beste Freundin nicht?" Sie seufzte. "Aber, du hast allen Grund dazu, es sind so viele Jahre vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Aber ich habe deine Stimme erkannt. Unter Tausenden würde ich sie wiedererkennen, außerdem hat keine Tochter die Stimme ihrer Mutter, das geht einfach nicht, unmöglich." ,Ich habe einen Fehler gemacht... das wird mir jetzt erst bewusst.' Chris setzte ein nettes Lächeln auf, sie konnte gar nicht anders. "Jane, das ist wahr, es ist über 30 Jahre her. Was ich treibe, weißt du ja, aber was hast du gemacht? So weit ich weiß, hast du einen anderen Weg eingeschlagen, sonst wären wir uns sicher begegnet, immerhin wolltest du auch Schauspielerin werden." Janes Lächeln verwandelte sich in Bekümmernis. "Ach, Sharon, bei all dem Ärger, den ich hatte, wäre es ein Wunder, wenn ich doch Schauspielerin geworden wäre, aber nein. So viel Mist ist geschehen, also wollte ich andere vor so etwas bewahren. Ich bin Detektivin geworden. Seit Marcus' Tod ist nichts mehr wie es war. Mein Vater ist ja kurz darauf auch spurlos verschwunden, bisher konnte ich ihn nicht finden." Vermouth bemühte sich, den Schock zu verbergen, den sie erlitten hatte, denn es wurde gerade schockierend. Ihre beste Freundin war Detektivin und wohl ohne es zu bemerken der Organisation auf der Spur. "Meinst du, das bringt etwas? Er ist doch schon Jahre lang verschwunden." "Anders, als die Polizei habe ich die Suche noch nicht aufgeben, selbst wenn man ihn für tot erklärt hat. Ich werde erst aufgeben, wenn ich seinen Leichnam mit eigenen Augen gesehen habe. Du kennst mich doch, oder nicht? Ich gebe niemals auf, so war es immer und das wird auch immer so bleiben, Sharon." Die Angesprochene machte sich Sorgen um ihre alte Freundin, immerhin sollte man niemals ahnungslos gegen die Organisation vorgehen. Das konnte einen schnell das Leben kosten. Die Leute innerhalb dieser Organiation waren schließlich, was ihre Morde anging, sehr gründlich. "Aber, Jane, es ist über 30 Jahre her, seit er verschwand. Das ist, denke ich, vergebene Liebesmühe..." Eigentlich ja nicht, sie hätte ihr so leicht sagen können, wo ihr Vater steckte, aber sie konnte nicht, aus Angst, man würde sie umbringen. Außerdem war sie Detektivin. Solche Leute hatten von Natur aus Abneigungen gegen Verbrecherringe. Bei ihr würde es nicht anders sein. "Aber mal was ganz anderes, was ist geschehen, dass du dich hinter deiner Tochter verstecken musst? Du bist ja eigentlich tot. Erklär mir jedes mikrige Detail, das interessiert mich total. Hattest du Ärger?" Sie wollte ihr, wenn es so war, am liebsten helfen, dafür war sie ja Ermittlerin. Genau das, was Sharon nicht wirklich wollte. Das wusste sie natürlich, anders als ihre Freundin. ,So kommt's wieder raus... Ich habe alles falsch gemacht...' Ein Blick, der nichts anderes als Fluchtgedanken andeutete, erschien auf dem Gesicht der Blondine. "Was ist es, dass du dich dafür schämst, mhm?" Sie erfasste die Schulter ihrer Freundin. ,Ich will dich nicht enttäuschen, deswegen werde ich nur die Hälfte erzählen...' Nun lächelte sie wieder, wobei es erzwungen war. "Erinnerst du dich noch an Keichiro? Dieser Japaner, der bei uns gewohnt hat?" Jane, die gerade ihr Glas genommen und hatte trinken wollen, stellte es zurück auf den Tisch, wobei die rote Flüssigkeit fast überschwappte, da sie es hastig und wutentbrannt tat. "Stellt dir dieser Psychopath noch immer nach?" Ein sarkastisches Lachen kam von Sharon. "Der hört nicht eher auf, bis er ins Gras beißt, glaub mir. Deswegen habe ich mich sterben lassen, verstehst du? Ich habe mich zu Grabe tragen lassen... Chris kann er gar nicht ab, sie ist genau so, wie er eine Frau nicht leiden kann, schon ironisch, was? Das hat mir in den Kram gepasst." "Du bist vor ihm geflohen!" ,Nein, vor mir selbst bin ich geflohen... Ich konnte nicht mehr so weitermachen und musste was ändern. Jetzt bin ich schon wieder so weit... Ich bin doch echt bescheuert. Andauernd will ich mich ändern, jedes Mal, wenn etwas schiefgeht.' In ihren Rollen konnte sie sich vor sich selbst verstecken, weswegen sie gerne mal jemand anderen spielte, das war schon fast zu einem Teufelskreis geworden. Hauptsache weg von den Pflichten rund um diese Organisation. Weg vom Boss, weg von Gin, weg von all dem Bösen, das sie umgab. ,Um mich herum sind andauernd Kriminalisten...' Das war echt deprimierend, anscheinend kannte sie die falschen Leute, da war sie bei Organisationsmitgliedern besser aufgehoben. "Aber dir geht's gut, ja? Bist du ihn los, oder erkennt er dich auch?" Sharon schüttelte den Kopf. "Nein, meine Tochter hatte immer mehr Glück im Leben als ich. Das verdammte Miststück kriegt immer alles, was sie will. Ich lasse es mir gut gehen. Sie hat einen tollen jungen Mann an ihrer Seite, von dem ich mich verwöhnen lassen darf... Ja, mir geht's gut..." Jane zog eine Augenbraue hoch und musterte sie verwirrt. "Wir scheinen beide jüngere Männer vorzuziehen. Meiner ist fast 10 Jahre jünger." "Du hast aber nicht doch geheiratet, oder?" "Doch, ich bin vernünftig geworden, stell dir nur mal vor. Und wie alt ist der Freund deiner Tochter?" Ein Schweißtropfen lief über die Wange der Blondine, während sie die Augen schloss. "Ähm, na jaaaaa, er ist 25 geworden." Sie seufzte. "Na, so krass drauf bin ich dann doch nicht." Die hatte etwas mit einem Mann, der gut als ihr Sohn durchgehen konnte, das war wirklich heftig. "Wieso krass? Chris hatte eine Affäre mit ihm, das muss ich doch ausnutzen." Ein hinterlistiger Blick erschien auf dem Gesicht der gebürtigen Amerikanerin. "Mein Mann starb früh, da kann ich mich ohne schlechtes Gewissen einem anderen Mann hingeben! Sie hat ihn sowieso nicht verdient, die tut dem armen Kerl doch nur weh, da kümmere ich mich lieber um ihn, was er mir zurückgibt, ist ja nicht übel." "Hey, du versautes Etwas, also wirklich." "Wieso versautes Etwas? Würdest du, einen 25-jährigen, der dich anhimmelt, nicht auch sofort vernaschen, wenn er auch noch traumhaft ist? Er hat zwar durchaus ein paar Macken, aber ansonsten kann ich mich darüber nicht beschweren, was wir uns geben, Chris weiß so was eben nicht zu schätzen, er ist eigentlich zu schade für sie. Trotzdem liebt er sie, er hält mich ja für sie." "Das ist aber ein falsches Spiel, denn im Grunde liebt er sie, nicht dich." "Damit muss ich wohl leben, mich lieben eher Psychopathen, ich habe mit so was nur Pech." Der Boss, Chardonnay, Carignan, Gin, Shuichi, die hatten doch alle etwas von ihr gewollt, da war Cognac ein wahrer Segen. Er war das Normalste, seit dem Tod ihres Mannes, das sie in ihrem Leben gehabt hatte. "Na ja, das scheint normal zu sein, zumindest im Showbiz", meinte Jane ruhig, wobei sie ihre Freundin auch etwas beruhigen wollte. "Marcus und du, ihr wart füreinander bestimmt, ich fand es schlimm, was damals passiert ist. Aber eine Frage noch: war das damals Keichiro? Was denkst du? Er hatte es dir ja auch angedroht." Verblüfft blickte die Blonde ihr Gegenüber an. "Mit Sicherheit... Komm aber nicht auf die Idee, ihn zu suchen. Er ist und bleibt gefährlich! Ich komme schon klar. Außerdem war Marcus das erste aber nicht das letzte Mal, dass er so etwas getan hat. Du weißt doch, wie mein Mann starb? Es ging durch alle Medien, dass er an einer Krankheit gestorben ist. Nun, Keichiro kennt Leute, Ärzte, Wissenschaftler, die ihm ein Mittel geben konnten, das meinem sowieso kranken Mann den Rest gegeben hat. Das hat er sogar bei seinem eigenen Bruder gemacht. Beide sind auf die gleiche Weise gestorben. Und das Mittel... das ist nicht nachweisbar, sonst wäre er längst hinter Gitter." Der traurige Klang in in ihrer Stimme sagte aus, dass sie noch immer trauerte, egal wie lange sie auch tot sein mochten. "Und deswegen klammerst du dich an einen 25-jährigen? Einer, der dich nicht liebt?" "Er liebt, was er sieht... das macht mir nichts aus." Oberflächlich waren ja die meisten, außerdem mochte er sie so, wie sie sich ihm gegenüber verhielt, also liebte er auch ein Stück weit sie selbst, immerhin hatte sie ihre Tochter selbst ins Leben gerufen. Sie war zwar um einiges kälter als Sharon, aber in seiner Gegenwart flaute das eigentlich ziemlich ab, er bemerkte ja nicht, dass er es mit einer älteren Frau zu tun hatte. "Außerdem liebt er mich so, wie ich mich ihm gegenüber verhalte. Das reicht schon - er braucht es nicht wissen, das würde ihn nur kränken, ... denke ich." Das Letzte fügte die Frau an, denn hundertprozentig sicher war sie da nicht. "Männer..." Jane seufzte, immerhin hatte sie genau solche Sachen an Männern früher immer gehasst, bis sie mal auf den Geschmack gekommen war. "Wenn er dich gut behandelt, dann... ok, aber sollte er das mal nicht tun, ruf mich." Die blonde Frau musste schmunzeln, als Jane das todernst von sich gab - im Moment hatte sie ihre Freundin zurückgewonnen, die sich genauso wie früher um sie kümmerte, was sie wirklich glücklich machte. Es schien sich rein gar nichts verändert zu haben. Diese Macke von eben hatte sie schließlich immer gehabt. Jane hatte die meisten Jungs vorher schon verjagt, bevor sie überhaupt an Sharon hatten rankommen können, nur Marcus hatte sich nicht abwimmeln lassen. Wer hätte gedacht, dass ihn diese Liebe ihn den Tod treiben würde? "Tut mir ja wirklich Leid, Sweetheart, aber ich habe noch einen wichtigen Termin wahrzunehmen. Du weißt ja, dass ich hier wohne, also kannst du ruhig mal vorbeikommen." Okay, es war wirklich gefährlich, aber sie wollte dieses Risiko eingehen. Jetzt allerdings würde sie sich den Boss wohl geben müssen, ob sie wollte, oder nicht. Es war nicht angebracht, einfach nicht zu erscheinen, wenn er sie sehen wollte, das würde nur Ärger bedeuten. "Na gut, ich fand's schön, dich nach den Jahren wieder gesehen zu haben und ich will mich unbedingt noch ausführlicher mit dir unterhalten, alte Freundin." Jane schloss sie in die Arme und genoss es für einen Moment, ihr so nahe zu sein, bevor sie sich löste. "Geht mir auch so... Bis bald, Jane..." Sie wartete, bis die Frau nach draußen verschwunden war und betrachtete sich dann noch einmal im Spiegel. Die 31-jährige bemerkte, dass ihr Lippenstift verblasst war und zog ihn sorgfältig nach, bevor sie das Hotelzimmer verließ und sich auf den Weg zu ihm machte. Noch bestimmte dieser Mann ihr Leben, dagegen konnte sie wenig tun, er hatte einige Methoden auf Lager, um sie gefügig zu machen... Kapitel 2: Just one night... ---------------------------- Oioioioioi O.o mit so vielen Kommentaren hab ich gar nicht gerechnet... *dropz* Eeher so mit.. 1 oder höchstens 2 Oo so kann man sich irren... komische Welt XD Anscheinend mögt ihr bescheuerte Träume von mir XD Aba okei, ich nehm's dann gerne hin und bedanke mich bei euch XD Ansonsten, lasst euch mal schön schocken... *musste den Traum immerhin auch verdauen* Na ja, er wird noch schlimmer werden XP Na dann... byebye, muss los... Arbeit ruft... u,u *wink* Euer Melotierchen^-^ Es war kurz nach halb Neun am Abend, als sie bei ihm ankam und durch das große Tor ging, wo sie von einem Hausmädchen begrüßt und freundlich hereingebeten wurde. Diese Frau ahnte wohl auch nicht das Geringste. Dass dieser Mann ein Ekel war zum Beispiel. Wieso konnte er alle so gut täuschen? Wieso bemerkte denn niemand, was für ein aalglattes Schwein hinter dieser lieblichen Fassade steckte? Er war zu allen, die nichts wissen sollten, freundlich und schmierte ihnen sogar Honig ums Maul. Bei ihr tat er das auch, allerdings aus anderen Gründen, er versuchte sie dazu zu bringen, dass sie ihn liebte, aber das tat sie nicht, das würde sie nie tun. Dafür war er ein zu herzloses Monster, als dass sie ein Gefühl für ihn empfunden hätte. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend klopfte sie gegen die Tür des Wohnzimmers, wo er vor dem Kamin saß und ein Glas Wein trank. Als er die Schritte hörte, schaute der Mann auf seine teure Armbanduhr. "Pünktlich auf die Sekunde, Darling!" "Ich enttäusche Sie nicht, Boss." Wie oft hatte sie diesen Satz schon gesagt? Und doch schien er ihr immer noch genug zu misstrauen, um sie einzusperren, wenn ihm danach war. Der Mann erhob sich von seinem Sessel und musterte die junge Frau, die sich fast fühlte, als würde er sie mit seinem Blick ausziehen. "Du siehst hinreißend aus." Da, er tat es schon wieder, er wollte sie um den Finger wickeln. "Das ist immer so!" sagte sie ihm in einem fast schon etwas zu lauten und aufgebrachten Ton. "Ich bin eben von Natur aus wunderschön..." meinte sie noch, um ihr Ego im Raum zu verbreiten. ,Zu schön und zu gut für dich, Mistkerl!' "Ohne den Mantel bist du aber noch viel schöner." Bei seinem Gerede konnte ihr echt schlecht werden, aber sie war es gewohnt, das war nichts Neues mehr. Das zog er seit Jahrzehnten ab. Die Blondine öffnete den Mantel, um nett zu ihn zu sein, woraufhin ein dunkelblaues Kleid zum Vorschein kam. Es war sehr tief geschnitten und zeigte sehr viel von ihren wohlgeformten Brüsten. Er blieb an diesen hängen und schaute ihr daraufhin ins Gesicht - sie hatte die Augen geschlossen und stand völlig ruhig da, er hatte auch nichts anderes von seiner Schönheit erwartet, sie brachte so schnell nichts aus der Ruhe. Er selbst war elegant gekleidet, beinahe schmierig, er protzte eben gerne mit seinem Reichtum, den er durch allerhand Betrügereien aufgebaut hatte. "Du weißt ja, worum es geht, nicht wahr, Vermouth? Was hast du dir dabei gedacht, einen fähigen Mann wie Gin einfach so zu erschießen?" Ja, sie hatte sich schon vor Tagen auf dieses Gespräch vorbereitet und wusste genau, was sie ihrem Boss antworten würde, wie gut, dass er sie da gleich fragte. "Tja, Gin ist übereifrig. Er hat versucht Cognac zu töten, was er ja nicht sollte. Also ging ich zu ihm und versuchte ihn zu stoppen. Dann ging er auf mich los... Ich habe mich nur verteidigt, Boss..." Ihre Stimme klang sehr reuevoll, obwohl sie so etwas wie Reue gar nicht verspürte, nein, eher Freude verspürte sie, wenn sie an Gins Tod dachte. Der Boss nahm einen tiefen Atemzug. "Du weißt doch, wie er ist." "Hätte ich Cognac sterben lassen sollen? Er hätte ihn erschossen. Was nutzt der Kerl denn, wenn er tot ist? Ich wollte nur das Richtige tun. War es falsch, dass ich mich eingemischt habe?" "Nein, Liebling... war es nicht... es sei denn, du hast es getan, weil du etwas für diesen Kriminalist empfindest..." Sein Blick durchbohrte die Schauspielerin fast. "Er ist gar nicht mein Stil, ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, ich könnte was für den übrig haben. Er ist gut zum Benutzen!" Der gefährliche Ausdruck in ihren Augen war deutlich zu sehen, es gefiel ihm, wenn sie ihn so ansah und andere für ihn bearbeitete, obwohl sie im Moment Theater spielte, was ihm verborgen blieb. "Was, wenn ich dir nicht glaube, Schatz? Kannst du mir beweisen, dass du mich nicht hintergehst?" Der Mann nahm ihr Kinn, hob es an, wobei er aber nicht grob war, sondern sanft, wie ihn die meisten gar nicht kannten. Er blickte in ihre hellblauen, wunderschönen Augen und suchte sie nach Gefühlen, Geheimnissen und anderen Dingen, die ihm missfallen könnten, ab. "Wie denn? Wenn Sie jemandem nicht glauben, dann tun Sie es nicht." "Ganz einfach, zeig mir, dass ich der Einzige für dich bin." Ihr Bauch zog sich zusammen, sie verspürte Ekel, weil er keine Chance ausließ, sie dazu zu bringen, auch indem er Derartiges verlangte. Dreist sein konnte er auch, ja. "Manche Männer können es einfach nicht lassen, sie versuchen es mit jedem Trick, wenn sie etwas wollen!" zischte die junge Frau, sie hasste es, wenn man sie bedrohte oder bedrängte, in dem Moment hatte sie sogar Angst und versuchte ihren Kopf aus dieser verdammten Schlinge zu ziehen. Sie hörte sich total empört an, doch seine Hand hielt ihr Kinn noch immer, wobei er sie anlächelte. "Dein Herz hängt woanders, deswegen willst du mich nicht, ist es nicht so?" Um Himmels Willen, was, wenn er sie durchschaute? "Man muss nicht automatisch an einem anderen Mann hängen, wenn man nicht will." Sie versuchte sich von ihm zu lösen, doch er hielt sie fest. "Also hat es dieser kleine Mistkerl doch gewagt." "Unsinn!" meinte sie barsch und ließ all die Widerwehr von sich abperlen, indem sie sich einfach zu ihm nach vorne fallen ließ. Sie hatte Heidenangst, dass er ihn endgültig umbringen könnte, wenn er Anzeichen dafür fand, dass etwas lief. "Er ist doch nur ein kleiner Weiberheld, ein Macho! Er liebt sie alle, wie Jami! Ich spiele gerne die erste und einzige Geige..." "Na also, was also spricht dagegen, Darling? Wir sind ja sogar fast gleich alt, Teuerste..." Ja, was? Eigentlich nur ihre Liebe zu einem anderen, den sie nicht mit so einem Scheusal betrügen wollte. Genau das unterstellte er ihr ja, also musste sie seine Zweifel zerstreuen. ,Nachher werde ich mich sicher dafür hassen, aber wenn es sein muss, muss es sein...' Keine Sekunde später lagen ihre Lippen an seinen, sie spürte seinen Atem, wie er zwischen seinen Lippen hindurchkam und sie dadurch den Alkoholgeschmack deutlich schmecken konnte. ,Hoffentlich verrenne ich mich da nicht und bin nachher total gekränkt...' Seine Hände strichen über ihre Wangen, hinab zu ihren Schultern, welche fast komplett entblößt waren. Sie wanderten an den Seiten in ihr dünnes Kleid und fuhren über ihre Brüste, was ihr einen leichten Schauer über den Rücken jagte. ,Wenn du nicht so ein Arschloch wärst, könntest du wirklich eine Chance haben...', dachte sie sich und schloss einfach die Augen. Zarte Berührungen, denn er liebte ihren Körper mehr noch als alle anderen Qualitäten an ihr. Sie war einfach perfekt für ihn, Traummaße und Dank ihm eine ewige Schönheit, auch in ihrem Alter noch. Er drückte seine Lippen fester auf ihre und drang mit der Zunge langsam zwischen ihre Lippen, wo er keine Zeit damit verlor, sich mit Kleinigkeiten aufzuhalten. Er reizte ihren Gaumen und erregte sie mit seiner Zunge, wie er hoffte. Eher ein wenig widerwillig löste der Mann seine Lippen von ihren und entfernte auch seine Hände aus ihrem Kleid. Er nahm ihre beiden Hände, presste sie zusammen und zog sie dann so mit einer Hand hinter sich her, bis zu seinem Schlafzimmer. In ihrem Unterleib kribbelte es vor Aufregung. Sie war nervös, was verständlich war, schließlich wusste sie nicht, was sie erwarten würde. Trotzdem ließ sie sich nichts davon anmerken, das würde ihn nur noch mehr in Richtung der Annahme treiben, dass sie ihn gar nicht mochte und ihn nur täuschte. Er sollte denken, dass sie alles toll fand, was er tat, so war es geplant. Kaum waren beide im Schlafzimmer verrriegelte der Mann die Tür mehrfach, als hätte er Angst, sie würde sonst davor doch wieder abhauen. Sie gingen zum Bett, wo er sich erst einmal die Krawatte lockerte und das Hemd öffnete, beides segelte zu Boden, er packte ihre Hüften und legte sich schwungvoll mit ihr ins seidene Laken. Sie versanken in einem stürmischen Kuss, während er zwischen ihren Beinen lag und sie spürte, wie er ungeduldig zwischen diesen hin und her rutschte, während der vermischte Geschmack von Zigaretten und Alkhol in ihrem Mund zu schmecken war. Er ließ zum Glück von ihrem Mund ab und machte einen kleinen Abstecher über ihren Hals, den er mit ein paar Küssen und etwas Saugen verwöhnte. Seine linke Hand öffnete den Reißverschluss ihres Kleides, so dass es verrutschte und er sie nur anheben musste, ohne ganz zwischen ihren Beinen zu verschwinden. Geschickt stibitzte er ihr das Kleidungsstück, während sie seinen Gürtel öffnete. Etwas Entgegenkommen konnte ja nicht schaden, wenn es schon sein musste. Seine Hose zog er sich selbst aus und kam dann wieder zu ihr aufs Bett. Sie konnte seine Erregung zwischen ihren Beinen spüren und hoffte, er würde sich beherrschen können. Anscheinend machte ihn ihr Körper genauso geil, wie es bei Sêiichî der Fall war, nur war das bei ihm etwas vollkommen anderes, da konnte sie es genießen, aber nicht bei so einem Abschaum wie ihm hier. Der Boss schaute fast schon gierig auf ihren nun beinahe komplett entblößten Körper hinab. Sie sah so wunderschön aus, ein Traum von einer Frau. Wie ihre Sillhouette verlief... ihr flacher Bauch, ihre so wunderbar geformten Brüste, ihre schlanken Beine, einfach alles an ihrer traumhaften Figur. Er wollte diesen Körper lieben. Seine Hände begannen sich von ihrem Hals nach unten zu arbeiten, er berührte jede Stelle ihres Körpers mit der Handfläche, fuhr darüber. Er gelangte bei ihrem Bauch an, welchen er sanft streichelte. ,Was für'ne Ironie, ich mache dich ja richtig weich...' Langsam glitt er ihren rechten Oberschenkel hinab, dann auch den anderen, während seine Lippen an ihrem Hals zu spielen begannen und sich über ihr Dekolleté küssten. Er saugte hier und da etwas und wagte sich an ihre Brustwarzen heran. Sie wirkten wie die Knospen einer Rose, ja, genau das war sie, eine wunderschöne Rose, mit Dornen und allem drum und dran. Sie würden genauso aufgehen und erblühen, wenn er sie berührte. Seine Zunge strich um sie herum, weshalb sich leichte Röte in ihr Gesicht schlich, allerdings mehr der Scham wegen. Ja, sie schämte sich, dass er sie damit erregen konnte, als noch zusätzlich seine Hand zwischen ihre Beine ging und dort über ihren Slip auf und ab strich. Sie beherrschte sich, kein Stöhnen hören zu lassen und biss sich kurz auf die Lippen. Außerdem wollte sie keinen Gefallen daran finden, das wäre ein wirklicher Betrug ihm gegenüber. Ihm, der zu Hause auf sie wartete... aber sie würde heute wohl definitiv nicht mehr nach Hause zurückkehren können. Sein Finger übte immer mehr Druck auf sie aus, was nicht spurlos an ihr vorüberging, sondern sich als kleiner Fleck auf ihrem Slip zeigte, denn sie wurde feucht, ohne etwas dagegen tun zu können. Als er spürte, dass er dies erreicht hatte, ließ er seine Hand hineinwandern und strich mit der Fingerkuppe neckisch um ihren Kitzler herum, er forderte sie heraus und rieb dann auch etwas fester. Er spürte, wie sie sich unter ihm wandte, da konnte er sich einfach nicht mehr beherrschen und ließ seinen Finger in sie gleiten. Ihr bittersüßer Saft klebte nun an seinem Finger, weshalb er sich hastig nach unten küsste. ,Oh nein, bitte nicht das, da wird mir schlecht...' Vermouth schluckte, kniff die Augen zu und ließ sich das letzte Kleidungsstück entfernen. Sie wollte seine Gier nach mehr nicht sehen, genauso wenig wie sie ihn hören wollte. Gar nichts wahrnehmen wollte sie, still da liegen, wie eine Puppe, doch das würde ihm sicher auffallen, also würde sie auch stöhnen, selbst wenn es ihr nicht gefiel, er sollte denken, als ob. Sein Finger bewegte sich stürmisch rein und raus, so dass auch ihr einmal kurz ein Keuchen entwich. Er tauchte ab und hauchte ihr seinen heißen Atem zwischen die Beine, bevor er mit der Zunge in sie eindrang, was sie erschreckte, weil er es ziemlich ungestüm tat. Jetzt war es aus mit seiner Beherrschung, er wurde hemmungslos und ließ seine Zunge in ihr tanzen, so dass ihre Welt schon etwas Kopf stand. Er nahm viel von ihrer Flüssigkeit mit der Zunge auf, sie schmeckte einfach einzigartig, sie war wahrlich die Beste und endlich gehörte sie ganz ihm. Der Mann packte ihre Beine, drückte sie weit auseinander, bis er sich wieder zwischen diesen befand, dann nagelte er ihre Hände über Kreuz auf dem Kissen fest und drückte sie nieder. Schlecht war ihr durch seine Zungenspiele nur fast geworden, dann drang er hastig in sie ein und begann sofort leidenschaftliche Stöße zu machen, die ihrem Körper sehr gut gefielen. Sie begann zu stöhnen, auch wenn sie sich dafür in Grund und Boden schämte, sich wie eine Schlampe fühlte, aber das hatte sie ja schon des Öfteren getan. Bei Gin hatte sie sich ganz genauso gefühlt. Und benutzt kam sie sich vor. Er stieß so fest in sie, dass sich in ihr gespieltes Stöhnen kleine Schreie schlichen, doch Schmerzen hatte sie nicht, er hatte ja dafür gesorgt, dass es einigermaßen angenehm sein würde, wenn man das so ausdrücken konnte. Nachdem der 25-jährige von Jami verprügelt worden war, hatte sie ihn in eine Suite gebracht, wo er eigentlich auf sie warten sollte. Er lag entspannt im Bett und warf seiner Uhr einen Blick zu. "Wie lange er sie wohl diesmal dort festhält? Hoffentlich geht alles gut..." Ein Seufzen entkam dem Schwarzhaarigen, der sich auf die Seite herumdrehte und den lieblichen Duft ihrer Bettwäsche in die Nase zog. Eindeutig, es war eines ihrer Hotelzimmer, sie hatte zuvor in diesem Bett gelegen, also fühlte er sich wohl an diesem Ort. ,Wieso hat sie eigentlich 2 Zimmer?' Er war naiv genug, nicht zu ahnen, dass das andere Zimmer pausenlos ausspioniert wurde. Genauso wenig ahnte Sêiichî, was gerade geschah, er hatte absolut keine Ahnung, was auch besser so war, so konnte er wenigstens im Moment leicht lächelnd in ihrem Bett liegen und hoffen, dass sie bald wieder bei ihm sein würde. Während er so an seine wunderbare Freundin dachte, konnte man ihm jedes Gefühl ansehen, das er für sie hegte. Seine Gedanken so klar sichtbar, dass es schon gefährlich war, aber im Moment beobachtete ihn keiner, also durfte er es zeigen, wenn auch nur sich selbst. Ihre Hände waren eingeschränkt, er hatte wohl genauso gerne die volle Gewalt über Frauen, wie konnte sie überhaupt daran denken, es würde anders sein? Gewalt hatte er doch schon Jahre lang über sie, über alles, was sie tat. Auch ihren Willen hatte er versucht zu lenken, so wie er gerade ihren Körper lenkte, diesen dazu bringen wollte, es zu genießen. Wenn er ihre Gedanken gekannt hätte, wäre Sêiichî eines grausamen Todes gestorben, denn nur an ihn dachte sie, daran, weshalb es überhaupt zu so etwas gekommen war. Er wartete sicher wie ein treuer Hund in diesem Hotel auf sie und was tat sie, ließ sich von einem anderen durch die Mangel drehen. Sie fühlte sich schon jetzt schmutzig, wollte sich nicht vorstellen müssen, wie es sein würde, ihm in die Augen zu sehen und sich nichts anmerken zu lassen, denn sagen würde sie es ihm niemals. Zwischendurch beobachtete er seinen Fang, ihr Körper wiegte sich im Sturm seiner Stöße, die er in sie machte und ihr Atem ging schnell und keuchend, ein sehr interessanter Anblick, sie außer Atem zu bringen. Er war total fasziniert von dieser Frau, von allem, was sie umgab. Mysterien, Boshaftigkeit, Schönheit, all das hatte sie aufzuweisen. Sie wickelte die meisten um den Finger und benutzte sie, dass sie ihn selbst benutzen würde, darauf kam er nicht, ihn doch nicht, wo er alles für sie tat. Der Sex zwischen ihnen sagte, dass sie es immer gewollt hatte, nur ihre Würde hatte bewahren, interessant hatte sein wollen. Ihre Mauer, die ihn nicht an sie herangelassen hatte, war eingestürzt, jetzt war sie komplett seine, was er jedem sagen würde, ganz besonders gewissen Leuten, die sie fast ansabberten, wenn sie ihren Weg kreuzte. Gewisse kleine Machos, die dachten, sie wären es. Cognac war wie so viele Vermouth, seiner Schönheit verfallen und er würde den Moment genießen, indem er ihm offenbarte, wie klein er im Gegensatz zu ihm war, seine Vermouth stand doch nicht auf kleine Handlanger, sie brauchte etwas Mächtiges, so einen wie ihn, sie waren wie füreinander gemacht. Mit solchen Worten würde er ihm einen kräftigen Hieb ins Herz verpassen, wenn der es wagte, sich in sie zu verlieben, musste er mit solchen Grausamkeiten rechnen. Er erdrückte sie mit seinem Handeln, es fühlte sich an, als würde er ihr Herz zerquetschen, je heftiger er wurde, also fing sie an ihm regelrecht etwas vorzustöhnen, was Schauspiel anging, war sie perfekt, er würde das Echte nicht vom Gespielten unterscheiden können. Sie ging so weit, dass sie den Kopf nach hinten warf und aufschrie, als sei sie gerade gekommen. ,Und jetzt mach, dass du fertig wirst!' Sie schnaufte total geschafft, was alles Absicht war, dabei spürte sie, wie seine Bewegungen eindringlicher wurden und er sich heftig aufstöhnend in ihr ergoss. Ihre Bauchgegend zog sich zusammen. ,Mir wird schlecht... Gott, ist das eklig, das habe ich echt nicht verdient...' Er blickte auf ihren bebenden Körper hinab, der mit leichter Gänsehaut übersäht war, bevor er sanft ihre Lippen küsste. ,Das auch noch...' Es war ein kurzer Kuss, dann sah er ihr in die Augen. "Heute bleibst du bei mir..." Es gefiel der Frau überhaupt nicht, dass er sie wieder hier behalten wollte, immerhin wartete jemand auf sie, doch widersprechen wollte sie ihm aus Vorsicht mal lieber nicht, sonst kam er noch auf die Idee, dass jemand sie erwartete, dann würde er sie ausspionieren und alles herausbekommen. Es war besser, wenn sie ihm die Liebende vorspielte und hier übernachtete, auch wenn es ihr schwer fiel. Kapitel 3: Au revoir... ----------------------- Unter dem Vorwand eines Auftrages hatte man Cognac ins Büro gelockt, wo er gleich darauf dem Boss gegenüber saß. "Also, ich wünsche, dass dieser Mann ohne Aufsehen so schnell es möglich ist, stirbt, hast du das verstanden, Cognac?" "Ja, Boss." Es fiel ihm schwer, diesen einfachen Satz zu sagen, aber davon hing nun mal sein Leben ab. "Ach ja, sag meinem Schätzchen, falls du sie sehen solltest, dass die Nacht gestern wunderschön war und wir das gerne heute Abend wiederholen können." Jami, der in Nähe der Tür stand und quasi Wache schob, hatte die Augen geschlossen und lauschte. Für einen kurzen Moment herrschte Stille. ,Jetzt bloß kein falsches Wort, Cognac und er legt dich auf der Stelle um... So dumm, sich mit ihm anzulegen, ist echt keiner, auch wenn eine tolle Frau mitspielt...' "Ach, Sie war bei Ihnen, Boss?" fragte Cognac scheinheilig, immerhin wusste er, dass sie zu ihm hatte gehen müssen. "Ja, ich weiß, dass du mich beneidest, aber sie gehört mir alleine. Nach der Nacht gestern sowieso, sie hat sich mir hingegeben, das tut sie nur bei Männern, die sie liebt, und dann hat sie nur Augen für diesen einen, ihr anderen seid abgeschrieben." Es war wirklich die Höhe, dass er ihm das unter die Nase rieb, wo er gestern Nacht bis morgens wachgelegen hatte, um auf ihre Rückkehr zu warten. ,Deswegen ist sie nicht gekommen... Ich muss hier ganz schnell raus, bevor ich etwas Dummes tue...' Der Boss hielt sich für den einzigen Mann, der zu Vermouth passte, da irrte er sich aber, dieser Kerl war der Letzte, den sie lieben würde, also konnte sich Cognac das Darauffolgende nicht verkneifen. "Männer, die sie liebt? Diese Frau ist doch gar nicht dazu fähig, einen Mann zu lieben", sagte Cognac in einem mehr als nur gehässigen Ton, der Jami alarmiert die Augen öffnen ließ. ,Das war nicht sehr klug.' "Tja, Männer wie dich vielleicht nicht... Aber so einen tollen Mann wie mich ganz sicher. Ich konnte es richtig spüren, als wir vereint waren, dass sie nur mich liebt. Ihr anderen könnt ja gerne weiterträumen." "Keine Lust, es gibt bessere Frauen", sagte Cognac und blickte in die Augen seines Bosses - eiskalt. Er durfte nicht wissen, dass er sie toll fand, auch wenn er es früher mal ganz offensichtlich gezeigt hatte. "Du meinst, sie lässt dich kalt? Das war früher aber nicht so, oder? Willst du mich etwa verarschen, Cognac?" Jami trat etwas nach vorne. "Vielleicht hat er einfach eine Freundin gefunden?" "Wie auch immer, ich wünsche diesen Mord bis spätestens morgen Mittag, lass dir was einfallen. Und kein Aufsehen... du weißt, was dir dann blüht, oder?" "Natürlich." Dieser Dreckskerl wünschte sich doch, dass er versagte, nur um ihn endlich umbringen zu können. Er gab ihm nicht umsonst nur solche Aufträge, er hatte ihn auf dem Kieker und quälte ihn regelrecht. ,Bis ich aufgebe, was?' Dieses Spiel schien dem Mann zu gefallen. Er stichelte ihn, wollte ihn zu einem Ausraster bringen und verlangte, dass er die eigenen Leute tötete, was kam denn als nächstes? Ach ja, er vergaß es schon, aber körperliche Misshandlungen kamen ja auch noch hinzu. Der Boss hatte das Jami doch wohl erlaubt, dass er so mit ihm umspringen durfte. Trotz allem hatte Jami Stillschweigen bewahrt und Vermouth gedeckt, die doch wohl Cognac liebte, nicht ihren Boss. Nicht umsonst hatte sie sich mehrfach für ihn eingesetzt. ,Wo die Liebe hinfällt... wie du lügen kannst, du kleiner Verräter. Ohne mit der Wimper zu zucken, hast du ihm gesagt, sie wäre nicht dazu fähig, einen Mann zu lieben, dabei weißt du es doch besser, oder nicht?' "Ich pass schon auf, Boss." "Gut, Jami, dann begleite ihn nach draußen, ja?" "Wird gemacht, Boss!" Gab es denn wirklich nie einen Moment, in dem Jami dem Boss widersprach? Dieses Verhalten kotzte Cognac ziemlich an, obwohl man ihm den Gedanken nicht ansehen konnte. Der Mann hatte zugelassen, dass man seine Schwester und seine Eltern tötete, ohne Rache zu verüben, nein, er half den Verantwortlichen. Das hatte Vermouth Cognac offenbart, das konnte dieser einfach nicht verstehen. Hatte er denn nie Rachegefühle? Das wäre nur verständlich gewesen. Sein kleiner Bruder war bei der Polizei... in dem Gespräch eben war es um diesen gegangen, doch Jami hatte nichts gesagt, nicht ein Widerwort. Das war doch furchtbar. Liebte er seinen Bruder denn kein bisschen? War er Pinot so ähnlich? Das konnte nicht sein, dann hätte er sich Jahre lang in ihm getäuscht. Cognac fasste nicht, dass Jami so kalt war, kein Herz mehr besaß, dass er seinem kleinen Bruder nicht half. Wenigstens vorhin hätte Jami es wagen können, oder war der schlichtweg zu feige? Was trieb ihn dazu, so eiskalt auf diesen Auftrag zu reagieren? "Weißt du, was Kazumi Ashida verbrochen hat, dass man ihn erledigen will?" "Er gehört zur Spurensicherung, reicht doch!" Was für eine eiskalte Antwort. "Er ist dein kleiner Bruder, Kenichi!" Nun blickte Cognac in die Waffe des Mannes. "Schweig jetzt, Cognac, du wirst deinen Auftrag ausführen! Niemand kann etwas dagegen tun, ohne draufzugehen! Du willst dich nur vor diesem Auftrag drücken!" "Jami..." versuchte er ihn zu überzeugen, doch dann... Klick, die Waffe war geladen worden. Der Mann mit den etwas längeren Haaren war bereit abzudrücken, also sagte Cognac nichts mehr. ,Du herzloser Bastard! Carpano hatte immer Recht, wenn er meinte, du würdest kein Herz besitzen!' Wie furchtbar das doch war, es einsehen zu müssen, immerhin war Jami mal sein bester Freund gewesen, zumindest innerhalb der Organisation. Kenji Enomotos bester Freund... Das einzig Gute an Jami war stets gewesen, dass er Frauen nicht vergewaltigte, töten konnte er sie schon... Aber das reichte nicht, er gehörte eingesperrt, war doch schließlich nicht mehr normal. Okay, keiner von ihnen war wirklich komplett normal geblieben, aber bei Jami wunderte es ihn nicht mehr, dass er so hoch stand. Cognac hatte sich vor Jahren gefragt, wie ein so guter Mensch einer der Ranghöchsten sein konnte, jetzt wusste er es, so eiskalt wie der war, passte das absolut zu ihm, denn er verriet die Organisation wirklich nie. Perfekt für den Boss. Wahrscheinlich würde er Carpano sofort töten, sobald er erfuhr, dass er seinen kleinen Bruder beschützte, Jami selbst tat es ja nicht, das würde er mit Verrat gleichsetzen. ,Wie leicht es wäre, ihn gegen ihn zu hetzen, man müsste ihm nur Beweise liefern, das macht mir irgendwie Angst... Wenn Teran mal was findet, dann...' Cognac schluckte, er hatte keine Lust auf noch mehr Opfer, schon gar nicht, wenn sie nur dafür sorgten, dass es anderen nicht so wie Akemi Miyano erging. ,Wenn ich Ryochi töten soll, kommen sie sicher dahinter, ich hoffe, das bleibt uns allen erspart...' Carpano sollte ihn doch töten, wenn es so weit war, aber das wäre Beschützerei seinem Bruder gegenüber und ein Verrat. Jami würde sicher nicht zögern. ,Ich hoffe, du zögerst dann auch nicht, Yuichi und verpasst Jami eine Kugel mitten zwischen die Augen, damit er gleich verreckt!' Ja, im Moment ließ sich Cognac von seinem Hass leiten, er hasste Jami dafür, dass er seinen kleinen Bruder sterben lassen würde. ,Der arme Kerl tut mir Leid... Sein Bruder ist ein erbärmliches Schwein, das ihn sterben lassen will, es geht mir einfach nicht in den Kopf. Ob er weiß, wie sein Bruder wirklich geworden ist? Ob sie noch Kontakt haben?' Ein Kleid aus Seide in etwas dunklerem Rot zierte ihren Körper. Es ging um ihre Taille herum im Kreis, wo es ein paar Falten schlug, so dass ihr Rücken frei war, vorne war es zu zwei Teilen nach oben gezogen, so dass der Stoff gerade ihre Brüste verdecken konnte. Beide waren um ihren Hals gebunden, wodurch das Ganze gehalten wurde, damit ihre Brüste nicht herausfielen. Von der Länge her ging es bis zum Boden und gab sonst nichts von ihrem Körper frei, außer ihre Arme, ihren Rücken, ein wenig von ihrem Dekolleté und ihren Seiten. Seit sie in diesem Aufzug das Hotel betreten hatte, musterte der Schwarzhaarige die Frau schon regelrecht und genoss den Anblick, den sie ihm gewährte. Sêiichî wanderte von ihrem Hals bis zu ihren Brüsten und wieder zurück, das ganze Spiel noch einmal. Er konnte sich gar nicht satt sehen. "Du siehst noch schöner aus, als sonst. Wieso denn? Habe ich Geburtstag, oder habe ich Weihnachten vergessen? Was gibt es zu feiern, dass du mich mit einem solchen Anblick verwöhnst?" "Es gibt keinen besonderen Grund", er wurde umarmt und ließ es liebend gerne zu. "Ach nicht? Dann auch noch rot, ich liebe diese Farbe, an dir sowieso. Du trägst sie im Grunde viel zu selten. Du hast das extra für mich angezogen, oder? Das bin ich gar nicht gewohnt." Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, was aber eher Show war. ,Plagt dich ein schlechtes Gewissen?' Ja, diese Frage stellte er sich unwiderruflich. Sie benahm sich argwöhnisch, es war leicht für ihn zu durchschauen, was der Grund war, immerhin hatte der Boss damit förmlich geprahlt. ,Ich hasse dich, du Mistkerl!' Er war nicht böse auf sie, denn wenn das Ganze wirklich stattgefunden hatte, dann war es kein Betrug, sie liebte schließlich ihn. Irgendetwas hatte sie dazu gebracht, freiwillig hatte sie sich niemals auf den Boss eingelassen, etwas hatte danach verlangt. Nur was? Seine Gedanken stimmten ihn traurig, dieser Kerl hatte sie nicht zu solchen Sachen zu zwingen! Ihm war ganz schlecht, wenn er daran dachte, dass sie es getan hatten. Wie sie sich dabei wohl gefühlt hatte? Aber das war dem Boss anscheinend egal. Hauptsache, er durfte ihren wundervollen Körper betatschen, so war es ja immer gewesen. "Tja, gewöhn dich auch besser nicht daran, genieß einfach." Sie löste sich wieder von ihm, er schaute an ihr hinab und linste ihr vorne rein. Eine gesunde Röte breitete sich auf seinen Wangen aus, denn ihm wurde warm, wenn er sie so ansah. Ihre fülligen Brüste spannten das Kleid etwas, so dass sie prall hervorschauten, wenn man nach unten schaute. Er bemühte sich wirklich um Beherrschung, schließlich hatte er heute nicht vor, weiter zu gehen, also beließ er es bei Blicken und einem Lächeln. ,Also irgendwie benimmt er sich heute komisch. Sonst konnte er sich ja auch nicht halten. Wieso habe ich dieses Kleid immer noch an?' "Sag' mal", meinte der 25-jährige dann und fuhr ihr liebevoll durch die vollen Haare, "hat er dich gestern nicht mehr weggelassen? Und wie ist es gelaufen?" Er wollte wissen, was sie ihm auftischen würde, wenn sie ihn schon vor der Wahrheit beschützen wollte, wie gut, dass er sie kannte und nicht total im Dunklen tappte. Nervosität nahm ihren Körper ein, die sie jedoch gut vertuschte, indem sie ihm mutig in die Augen blickte, wobei sie sich an seine Hand auf ihrer einen Wange schmiegte und mit ihrer über seine fuhr. "Ja, ich musste bei ihm bleiben, da war er hartnäckig, mach dir aber keine Sorgen, mir geht es wunderbar." So etwas in der Art hatte er erwartet - dass sie ihn beruhigen würde. ,Wie furchtbar muss es gewesen sein?' Er machte sich jetzt erst recht Sorgen, wenn sie so einen Spruch fallen ließ. Sie hatte ihre Hand regelrecht auf seine gedrückt und sorgte so dafür, dass er ihre Wange weiterhin hielt. Sie mochte diese Berührung, die Zuneigung ausdrücken sollte. ,Ahnt er etwas?' Es kam ihr allmählich so vor, als wenn er ahnte, dass gestern Einiges gelaufen war, er sollte sich nicht mit solchen Gedanken quälen, sie wusste doch, wie verletzbar sie ihn machte. Er reagierte nicht umsonst auf andere Männer ziemlich eifersüchtig, dabei war er der Einzige für sie. Natürlich dachte er daran, dass der Boss sie angefasst haben könnte, wenn sie über Nacht bei ihm blieb, wie könnte er anders denken? Sêiichî hatte durch seinen älteren Bruder Übung darin, seine Gefühle zu verstecken, sonst hätte er vor ihr zu weinen begonnen, wenn er daran dachte, dass jemand sie zwang. Sie war doch schließlich seine Freundin, ihn liebte sie, ein anderer konnte sie gar nicht glücklich machen, auch wenn das sehr eingebildet klingen würde, war es schließlich so. Vielleicht hatte sie sich auch vor dem Boss geekelt und es trotzdem zugelassen, er hatte Mitleid mit ihr, sie war wirklich gestraft mit diesem Kerl, und jetzt hatte er es geschafft, sie in sein Bett zu zerren. Auch musste er seine Wut unterdrücken, er war so wütend, wie schon lange nicht mehr. Er durfte nicht aus Zorn auf den Boss anfangen zu heulen, es war besser, wenn er sie gar nicht erst darauf ansprach. Sie vertuschte es nicht ohne Grund, sie schonte ihn. Er wollte ihr schlechtes Gewissen nicht noch verschlimmern, auch wenn er es gerade nicht wagte, sie nach gestern anzufassen. "Ich könnte uns was kochen, was hältst du davon?" Wie feige war er jetzt? Er wollte sie durch etwas Leckeres davon ablenken und sich einfach mit ihr amüsieren, ohne dass sie im Bett bei einem leidenschaftlichen Liebesspiel enden würden. Wenn er sie weiter so ansah, würde es dazu kommen, weil er sich einfach nicht zusammen nehmen konnte, Lust hatte er nämlich keine. Nicht heute, wo man ihm brutal an den Kopf geworfen hatte, was geschehen war. Der Boss hatte es ihm gesagt, nur um ihn eins reinzuwürgen, das war ihm so klar. ,Du armer Kerl, du hast ja keine Ahnung, wie wichtig ich ihr bin, dann würdest du nicht so prahlen, du bist ein echt armer Wurm. Dein kleiner Handlanger hat ihr Herz erobert, was du über die Jahre hinweg nie geschafft hast... I'm the winner!' Seine Gedanken munterten ihn auf. Er hielt sich vor Augen, dass sie den Boss nicht liebte, dann konnte er besser mit diesem Umstand umgehen. "Drei Polizistenmorde... in fünf Tagen...", ein Seufzen entfuhr dem ermittelnden Detektiv, der sich natürlich so seine Gedanken um diese Verbrechen gemacht hatte. "Jeder wurde mit einer Sig Sauer erschossen..." Warum sein Augenmerk als erstes auf diese Tatsache gefallen war, war eigentlich recht simpel. Er kannte jemanden, der eine solche Waffe benutzte und nie eine andere. Es war sogar dasselbe Modell, was sie durch die Analyse der Kugeln, mit denen die Männer getötet worden waren, herausgefunden hatten. Aber er würde doch niemals Polizisten erschießen, oder? Eigentlich dachte er ihn zu kennen, schließlich waren sie seit dem Kindergarten Freunde. Vielleicht wollte man seinem Freund auch was anhängen, das war ja immerhin möglich, so viele Feinde, wie sich der 25-jährige Polizist gemacht hatte... "Außerdem hatten alle die Spuren einer Organisation aufgenommen... wenn das nicht der Grund ist, weiß ich auch nicht..." meinte der Detektiv noch, der gerade mit seinem Vater mitten in einem Gespräch war, als die Tür aufging. "Hier möchte Sie jemand sprechen, ein junger Mann namens Hiroya Tokorozawa, er sagt, es sei dringend, und dass er zur Polizei von Nagoya gehört." Die junge Frau, die so eben eingetreten war, war niemand anderes als Miwako Satô, die ebenfalls hier als Kriminalistin tätig war. "Ein Kriminalist aus Nagoya? Schicken Sie ihn rein, Satô-san." Die Frau nickte, woraufhin die beiden Männer wieder alleine im Raum zurückgelassen wurden. Jemand klopfte gegen die Tür, so dass man ihn hereinbat. "Entschuldigen Sie, dass ich so plötzlich hier vorbei schneie, aber ich habe da so ein paar Dinge mit Ihnen zu klären." Ryochi warf dem 30-jährigen einen kurzen Seitenblick zu - irgendwoher kannte er ihn, er hatte ihn definitiv schon einmal gesehen, nur wann und wo? "Die wären?" Hiroya schloss kurz die Augen, nur um sich zu sammeln und sie dann wieder zu öffnen. "Es geht um ein paar Freunde meinerseits, die vor kurzem ermordet wurden. Ich habe Hinweise auf den Täter..." Ryochi blickte den anderen interessiert an und hoffte, dass er seinen Verdacht erschüttern würde. "Es war jemand aus einer Verbrecherorganisation, die ich jage..." Okay, das war ja noch harmlos, wer wusste schon, wie viele Killer mit einer Sig Sauer durch die Gegend rannten? "Es handelt sich dabei um einen Kerl, der sich Cognac schimpft... ich kenne seine Taten, habe ihn schließlich lange genug beobachtet. Er benutzt immer eine Sig Sauer P239, eine 6 Millimeter-Waffe. Er mischt dort schon Jahre lang mit. Etwa 8 Jahre schon, damals bin ich ihm das erste Mal begegnet. Er ist mittlerweile schon ein richtiger Profikiller, hinterlässt kaum Spuren, trotzdem weiß ich davon. Eigentlich müsste er es als nächstes dann wohl auf mich abgesehen haben... Das ist nicht alles, Herr Polizeipräsident, dieser Mann ist Ihnen sehr vertraut... früher wollte er Polizist werden, was er wahr gemacht hat. Trotzdem hängt er immer noch in dieser Organisation drin. Erst heute habe ich erfahren, dass er in Osaka sogar den Dienst geschmissen hat. Scheint so, als wenn er sich vom Polizistendasein jetzt verabschiedet hat und lieber welche abmurksen möchte..." Der Detektiv im Alter von 24 hatte einen bitteren Geschmack im Mund, ihm wurde leicht schlecht, dann beiden musste klar sein, dass von Sêiichî die Rede war. ,Ich hab mich nicht geirrt... Leider...' "Wer sind Ihre Freunde denn, Tokorozawa-kun?", wollte der Polizeipräsident ruhig wissen, ohne sich von den Aussagen des Mannes verunsichern zu lassen, auch wenn sie auf Sêiichî passten. Dass der junge Mann Probleme haben musste war Ryochis Vater durchaus schon bewusst. Es war sehr verdächtig gewesen, dass Sêiichî eine Zeit lang spurlos verschwunden gewesen war, ohne in Osaka Bescheid zu sagen. Er hatte nachträglich nur gemeint, er müsste dringend weg und war abgehauen, Heizo Hattori wusste bis heute nicht, weshalb Sêiichî Urlaub gebraucht hatte. "Hayate Machida, Heiichirou und Naoya Kanata und... Hachizo Matsuyama..." Das waren genau die drei Opfer - und noch ein Unbekanntes - von denen Ryo und sein Vater bis vor kurzem noch geredet hatten. "Ich war zu der Zeit jedes Mal außer Gefecht gesetzt... Das haben sie in die Wege geleitet, damit Cognac zuschlagen konnte." "Wie sind Sie denn auf solche Spuren gekommen, mhm?", wollte Ryochi wissen, wobei er das Sie ein klein wenig bissig aussprach, er traute dem Kerl nicht so ganz über den Weg, er kam ihm nicht geheuer vor, geradezu, als hätte er Dreck am Stecken. Irgendetwas an seinem Benehmen missfiel ihm gewaltig. "Das kann schließlich jeder erzählen. Wenn ich Sie wäre, würde ich jetzt Beweise rüber wachsen lassen." Ein etwas gehässig wirkendes Lachen kam über Hiroya. "Sehr witzig! Ich selbst besitze keine Beweise, aber andere. Du möchtest ja wohl nur nicht glauben, dass dein bester Freund so etwas tut, Ryochi Akaja, toller Detektiv bist du. Und du weißt auch ganz genau, von welcher Organisation ich da rede, oder etwa nicht?" "Schon mal was von Rufmord gehört, Tokorozawa? Ohne Beweise so etwas zu behaupten, tut niemals gut, man kann in Teufels Küche kommen, wussten Sie das denn nicht?" "Rufmord? Keineswegs... Meine Schwester hat vor 8 Jahren mitbekommen, wie Sêiichî einen Mann getötet hat. Dabei ist sie sogar verletzt worden. Ich sammele seit über 10 Jahren Informationen über diese Organisation, du weißt wahrscheinlich nicht mal, womit du es zu tun hast. Hör da lieber mal auf jemanden, der mehr weiß, ja?" Anscheinend war der zum Angeben gekommen? Der Detektiv seufzte nur. "Da ist jemand aber sehr abgehoben." "Ich bin nicht abgehoben, ich sage nur, wie es ist. Meine Freundin ist denen zurzeit hilflos ausgeliefert, sobald ich sie alleine lasse. Das ist eigentlich der wirkliche Grund dafür, dass ich hierher gekommen bin. Und ich will, dass man diesen kleinen Verräter schnappt." "Wenn dem so ist, dann wird er wieder zuschlagen." "Tja, nur zu dumm, dass bisher keiner weiß, wann er zuschlagen wird und wen er plant anzugreifen. Es kommen aber ein paar Personen in Frage, die dringend Polizeischutz benötigen. Naru Machida, Yuriko Tokorozawa, meine Schwester, und Kazumi Ashida, der auch hier arbeitet." "Gut, ich kümmere mich darum, wenn Sie mir verraten, wo wir diese Personen finden können." "Meine Schwester ist zu Hause, ich gebe Ihnen die Adresse, dort ist auch meine Freundin, Yuriko gibt gerade auf sie Acht. Sie ist nur durch mich zur Zielscheibe geworden, weil ich sie vor denen gewarnt habe. Außerdem findet einer von denen sie besonders toll, der nennt sich Jami und ist wohl Cognacs Mentor gewesen." Ryochi ließ sich auf einen Stuhl fallen und schloss die Augen, um sich erst einmal wieder zu beruhigen. ,Bestimmt hat der Boss ihm das befohlen, er muss es machen, alles andere glaube ich erst, wenn ich es mit eigenen Augen sehe...' Ein toller Tag war das, sie würden gegen seinen besten Freund ermitteln, der zum Mörder geworden war. Am besten steckte dann noch sein eigener Bruder mit drin, den Hiroya komischerweise nicht erwähnt hatte. Wusste er es nicht? Schonen wollte er ihn ja wohl kaum, es schien eher, als wolle er ihm Vorwürfe machen, weil er so blind gewesen war. "Kazumi ist hier ganz in der Nähe bei einem Mordfall, er arbeitet ja schließlich bei der Spurensicherung... Ich denke, ich fahr da hin, Vater, den Rest überlasse ich dann dir." "Mach das und nimm Miwako am besten mit." "Wieso das denn? Wo steckt Shina eigentlich wieder?" Er wollte lieber seine Frau mitnehmen, statt Miwako, darum würde sich eher Wataru reißen, weil er total verschossen in diese Frau war. "Keine Ahnung, da musst du sie schon auf dem Handy anrufen, wenn du das wissen willst." Ein roter Mazda stand jetzt schon eine Weile in einer Seitenstraße. Direkt daneben ein jung wirkender Mann, der mit einem diabolischen Grinsen auf sein Werk hinabschaute. In der Hand hielt er eine Sig Sauer, mit welcher er so eben einen Mord begangen hatte. Man sah ihn kaum, da es in der Gasse sehr dunkel war. Alles war perfekt, niemand würde hinter den wahren Grund dieser Tat kommen. So, wie es geplant war. Dieser Tokorozawa spielte zwar noch immer mit und konnte ihnen gefährlich werden, aber bisher brauchte man ihn noch. Er sollte eine gewisse Person nur dieses Opfer finden lassen, der würde vielleicht einen Schreck kriegen... Kaum fünfzehn Minuten später war Ryochi fast beim Tatort angekommen, doch ihm fiel etwas ins Auge, das ihn anhalten ließ. Er stieg aus und sah sich das Ganze mal genauer an. Was machte dieser Wagen eigentlich hier in einer kleinen Gasse gegenüber von diesem Hochhaus? Durch das Kennzeichen war dem Detektiv sofort klar, dass das ihr Auto war, also nahm er es unter die Lupe. Der Schlüssel steckte, aber sie war nicht da. Was hatte das denn zu bedeuten? Sie würde doch nie so etwas Dummes tun... Er ging um das Auto herum und stieß gegen etwas, das am Boden lag. Damit hatte er nicht gerechnet und erschrak erst einmal. Sein Mund öffnete sich, als er die hellbraunhaarige Frau blutend am Boden liegen sah. Sie lag in einer Blutlache. "Shina?" Als wenn eine Tote noch Antworten geben könnte, sprach er sie an, man konnte aber auch denken, er würde es selbst nicht fassen können und fragte deswegen. Ryochi wagte im ersten Moment gar nicht, sie anzufassen, überwand sich schließlich aber und drehte sie auf den Rücken herum. Ihm fiel sofort ein riesiger Blutfleck in der Mitte auf. Er hatte fast ihren gesamten Pullover getränkt. Im Hochhaus auf der anderen Seite stand eine andere hellbraunhaarige Frau gegen die Wand des Aufzuges gelehnt da und wartete darauf, dass der Signalton zu hören sein würde. Sie sinnte über Geschehenes und hatte die Augen geschlossen. Pling!. Sie öffnete die Augen und stand jetzt direkt in der Tür. Ahnungslos wartete sie das Öffnen der Türen ab. Sie öffneten sich zu den Seiten, woraufhin sie etwas Schwarzes sah, das sie im ersten Moment gar nicht erkannte. Was war es? Ein Rohr? Ihre Augen weiteten sich und sie erschrak so sehr, dass sie zusammenzuckte. ,Jetzt bin ich dran...' schoss durch ihren Kopf, sie starrte in dieses schwarze Loch und ging einen Schritt rückwärts, doch der Aufzug engte sie ein, sie konnte jetzt nicht weglaufen, auch wenn die 24-jährige es gewollt hätte. Klick! Es war abgedrückt worden und um sie herum wurde es schwarz, noch ehe ihr Körper zu Boden gegangen war. Das hier war ein Befehl gewesen, selbst wenn dieser ihm nicht gefallen hatte... Noch einen kurzen Blick warf er der schönen Frau zu, die nun dalag, kein Leben mehr in sich hatte. Doch dann rannte er davon, auf nimmer Wiedersehen - es war nur ein Mord von Tausenden, nichts Besonderes mehr... Nachdem es an der Tür geklingelt hatte, wurde diese von einem braunhaarigen Mann geöffnet. Ein Schwarzhaariger mit Lederjacke stand in seiner Tür und bekam keinen Ton raus, obwohl er nicht wusste, wieso das so war. "Ja, Sie wünschen?" "Ähm, wird hier ermittelt?" "Wieso interessiert Sie das denn so?" Ein Seufzen entfuhr dem Mann von der Spurensicherung, der hier bis eben noch beschäftigt gewesen war. "Ich bin selbst bei der Polizei, deswegen." "Aha, ich kenne Sie nicht. Arbeiten Sie außerhalb? Haben Sie einen Dienstausweis?" Blöd war der ja nicht, leider hatte er diesen Dienstausweis nicht mehr, weil er gekündigt hatte, es hatte ja sein müssen. Die wollten es so. "Ähm, nein, ich war eher mal bei der Polizei." "Na, dann, auf Wiedersehen." Er wollte Sêiichî die Tür vor der Nase zuschlagen, doch diese wurde durch seine Hand aufgehalten. "Ich will mich aber mal mit Ihnen unterhalten." Jetzt erstrecht, vor allem so, wie der aussah, hatte der junge Mann keine große Lust, ihn zu ermorden. Eigentlich so gut wie gar keine, allerdings war das ihm im Moment strikt untersagt, Mitgefühl zu empfinden. "Wer ist hier zu Tode gekommen?" Kazumi holte tief Luft, immerhin waren es sehr enge Verwandte seinerseits. "Rui Kisara, 39 Jahre alt und meine Cousine, außerdem noch mein Onkel Ryosei Kisara, der 59 ist. Die beiden waren auf Besuch in dieser Stadt und wurden einfach so angefallen." "Tut mir Leid." Sêiichî wusste, was die beiden verbrochen hatten. "Auch wenn Ihnen das jetzt seltsam vorkommen wird, ich interessiere mich für Ihre Beziehung zu Kenichi Ashida." Die Augen des 24-jährigen weiteten sich, denn er war richtig schockiert diesen Namen zu hören und zog sich seine Kappe tiefer. "Das geht Sie doch gar nichts an!", maulte er, als gerade einer der Kommissare, die am Tatort waren, von hinten kam und ihn etwas zur Seite schob. "Hey, Sêiichî, was machst du hier?" "Sie kennen ihn, Takagi?" "Ja, ich kenne ihn, er ist ein enger Freund meines besten Freundes, na ja, lange Geschichte", meinte er zu Kazumi und wandte sich dann wieder seinem Bekannten zu. "Aber was tust du hier, Sêiichî? Suchst du Ryo?" "Nein, Wataru, ich wollte mich eher mal mit dem Mann hier unterhalten, aber ich glaube, er misstraut mir." Der Angesprochene warf Kazumi einen Seitenblick zu. "Ach wirklich?" Er schaute wieder zu Sêiichî und sah ihn verwirrt an. "Wieso willst du dich mit jemandem von der Spurensicherung unterhalten?" "Weil ich seinen Bruder kenne und gerne mit ihm über den Mann geredet hätte. Lässt du uns alleine, Wataru?" "Aha, du bist schon komisch, Sêi-chan, aber tut das, die Spurensicherung ist ja ohnehin fertig. Wir verschwinden sowieso bald. Es muss nur noch alles abgesperrt werden." Weil Kommissar Takagi und der Unbekannte sich wohl sehr gut kannten, entschloss der 24-jährige ihm zu trauen und ehrlich zu sein. "Wissen Sie etwa, wo mein Bruder steckt?" Eigentlich reichte das schon, jetzt wusste Sêiichî nämlich, was ihn am meisten beschäftigt hatte - die Frage, ob sein Bruder etwas wusste. ,So was Unnötiges, nur um mich zu ärgern... so ist es doch, oder nicht?' Mal sehen, wie man ihn löchern konnte. "Tja... kann man meinen." "Was macht er? Wieso ist er verschwunden? Wissen Sie das? Bitte sagen Sie mir, was Sie wissen!" Der junge Mann wurde total verzweifelt, im Gegensatz zu Jami liebte er seinen Bruder, man konnte es ihm ansehen - doch er war so ahnungslos, dass es Sêiichî geradezu im Herzen wehtat. "Er ist Frauenarzt in Shizuoka." Er hatte keinerlei Lust, ihm alles zu sagen, schließlich wollte der Schwarzhaarige nur wissen, was Kazumi wusste. "Aha, und deswegen kommt ein Fremder, um mir das zu sagen. Da ist mehr..." Sein Blick senkte sich, er kniff die Augen zu. "Ich hab's geahnt, die stecken dahinter... wegen ihnen ist er verschwunden... wegen den Mördern unserer Eltern..." Da waren sie, die Gründe; Sêiichî schluckte instinktiv. Kazumi kannte die Organisation und deswegen ließ der Boss ihn jagen - er wollte ihn tot. Hauptsache, er konnte nichts unternehmen. Was aber sollte er jetzt tun? Es war schlimm genug gewesen, diesen Typen loszuwerden, der ihn die ganze Zeit verfolgt hatte. Aber sich vor diesem Auftrag drücken, war nicht wirklich drin, wenn man überleben wollte... ~Überlege dir gut, was du tust, Iwamoto, jeder Fehler kann tödlich enden...~ Der Boss legte es ihm jedes Mal nahe, erfolgreich zu sein, weil man ihn sonst aus dem Weg räumen würde... Und er hatte diese Angst, denn er wollte am Leben bleiben, man brauchte ihn bisher noch auf dieser Welt, immerhin hatte er Freunde und eine Frau, die er liebte, keinen von diesen Menschen sollte ein Mord an ihm selbst treffen. Sêiichî wollte gerade die Tür hinter sich schließen, als der Türknauf geschnappt wurde und ihn so daran hinderte. "Hi..." Er drehte sich zu der Stimme um, die ungewöhnlich leise klang, beinahe traumatisiert. Der Braunhaarige ging erst mal wortlos an Sêiichî vorbei, ohne ihn auch nur anzusehen und machte sich auf den Weg zu Wataru. "Ich brauche deine Hilfe, komm mit, es hat sich etwas Grauenhaftes ereignet..." "Was ist so schrecklich?" "Shina..." Die Stimme des Detektivs klang brüchig und Tränen kamen in seinen Augen auf. "Wo steckt sie?" "Komm!" Er schnappte Watarus Arm und zog diesen einfach hinter sich her. "Chiba, kümmern Sie sich bitte um alles... und nehmen sie Iwamotos Waffe an sich, die wird untersucht..." meinte Ryochi, so dass Sêiichî ihm ins Gesicht sah. "Irgendetwas stimmt nicht." Er schnappte sich den linken Arm seines Freundes und hielt ihm vom Gehen ab. "Was ist los mit dir? Kein Hallo?" Das Hi war nicht an Sêiichî gerichtet gewesen, er hatte demonstrativ seinen Blick gemieden. "Schmoll hier nicht rum, ich hab keine Nerven für deine Kinderreien, verstanden?" So angefaucht worden war der 25-jährige schon ewig nicht mehr, schon gar nicht von Ryochi. Was hatte den denn gebissen? "Was habe ich verbrochen?" Er war erst hier angekommen und hatte keine Tat verübt, über die Ryochi so erzürnt sein konnte, nein, irgendetwas, was ihm unklar war, wurde hier gespielt. "Um das herauszufinden, muss deine Waffe untersucht werden", meinte Ryochi, sah ihn aber noch immer nicht an, jedoch nicht, weil er wütend auf ihn war und ihn verdächtigte, nein, er wollte ihm nicht den Blick in seine Augen zumuten. Vor gut fünf Minuten hatte er seine Frau gefunden - tot. Wie er sich dabei fühlte, konnte man in seinen Augen sehen, weshalb er lieber nicht riskierte, ihn etwas sehen zu lassen. Nicht jetzt... Chiba ging zu Sêiichî hinüber und blieb vor ihm stehen. "Geben Sie mir Ihre Waffe!" "Natürlich, wenn es sein muss..." Sêiichî fasste sich in die Innentasche und reichte seine Waffe an Chiba weiter, der zwar noch nicht wusste, was passiert war, aber nur seinen Job tat. ,Tja, heute wird wohl kein Mord mehr geschehen, Boss...' Auf gewisse Weise war er gehässig und machte sich über sich selbst lustig, immerhin war er ohne seine Waffe nicht sehr gefährlich - andere Leute würden auch ohne eine Waffe auskommen... aber nicht er. Niemals würde er sich mit bloßen Händen an einem Opfer vergreifen, das war doch abartig und zu viel des Guten. Es war schlimm genug, wenn er sie erschoss. Derweil wurde Wataru einfach die Straße entlang gezerrt, bis in die Gasse, wo Shinas Wagen stand. "Da war jemand sehr brutal", murmelte der Detektiv. "Schau es dir genau an und dann sag mir bitte, dass Sêiichî so etwas niemals tun könnte!" "Wovon sprichst du da?" Wataru blickte am Auto vorbei und nach hinten in die Gasse, woraufhin er den Kopf der Frau sah und große Augen bekam. "Oh mein Gott..." Er ging zu Shina hin und kniete sich vor ihr nieder. "Hast du sie alleine gefunden?" "Ja, habe ich... ist doch egal, ob das so ist. Ich will diesen Täter!" Wataru betrachtete sich das Ganze genauer, wobei ihm doch sehr flau im Magen wurde, allerdings gehörten Gefühle nicht in einen Fall, selbst wenn Wataru das nicht so ganz auf die Reihe bekam, genauso wenig wie Ryochi. Sie waren in diesen Fall zu tief verstrickt, als dass sie eiskalt hätten reagieren können. "Wir sollten das jemand anderen machen lassen..." "So ein Unsinn... es ist passiert, das kann keiner mehr ändern, wir können nur diesen Mörder fassen. Willst du nicht, dass er blutet?" "Schon, aber... wie kommst du eigentlich auf Sêiichî? Würde der morden? Wie kommst du bloß auf so etwas?" "Ja, er würde nicht nur, er tut es..." Deswegen hatte er Wataru geholt, damit sie sich kurz darüber unterhalten konnten. "Na toll... so etwas verschweigst du mir? Was soll das?" "Nicht nur ich habe geschwiegen, ich bin mir sicher, dass Kôji auch davon weiß, immerhin sind sie in Osaka enge Kollegen gewesen." Ryochi fasste sich an den Kopf, er glühte und irgendwie hatte er das Gefühl, ihm wurde schwindelig, je länger er die Tote ansah. Es war einfach schrecklich, jemanden, den man über alles liebte, so zu sehen. ,Ich denke, den zerfetze ich mit Worten, wenn ich ihn habe...' "Das sind echt tolle Aussichten. Ein Polizist als Mörder... erklär mir das! Dass ihr immer noch Freunde seid, sagt mir, dass er das nicht einfach so tut." Wataru lebte hinter dem Mond, wie man bemerkte, er bekam rein gar nichts mit. Und seine Schwester hatte wohl auch keine Lust gehabt, ihren Bruder mal aufzuklären, wie es schien, sie wusste nämlich sehr wohl über Cognac Bescheid. "Er hat früher deinen Vater gejagt, das ging so weit, dass dein Vater dachte, er müsse ihn umbringen lassen. Zum Schutz hatte er nun mal eine Waffe, mit 15 hat er angefangen sie einzusetzen, vielleicht hätte ich ihn verpetzen sollen, damit Vater ihn aufhält. Irgendwann hielt er es dann für nötig, Leute zu retten, indem er andere erschoss. Als er dann erfahren hat, dass Chardonnay nicht der einzige Alkohol ist, der frei rumrennt, war er total wild auf den Fall. Ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber er ist dann in der selben Organisation gelandet, wie Keichiro. Neuerdings scheint es, als würde er auch Polizisten töten, irgendwas muss vorgefallen sein. Die Morde an den Kriminalisten, sie wurden alle vom selbem Täter begangen, wie du weißt... Wenn ich nicht total falsch liege, war es Sêiichî. Er würde das aber nicht tun, wenn man ihn nicht dazu zwingen würde... Er benutzt eine Sig Sauer, genauso wie der Täter..." Er deutete auf Shina. "Du hältst es für möglich, dass er es war?" Das konnte Wataru nicht glauben, aber es war wohl so. "Deswegen wolltest du seine Waffe beschlagnahmen", stellte der Kriminalist fest, weswegen Ryochi den Kopf schüttelte. "Er weiß, dass sie meine Frau ist, das würde er nie machen... denke ich zumindest. Trotzdem will ich, dass seine Waffe untersucht wird, dann wissen wir es ganz genau. Bleibt nichts, als zu hoffen, dass die Kugel nicht aus seiner Waffe stammt." "Wenn Kôji so was machen würde, ich wüsste nicht, wie ich darauf reagieren würde. Wir sollten Megure informieren, und auch deinen Vater... auch wenn sie uns den Fall dann vielleicht entziehen, weil wir ihr zu nahe stehen..." Anders als Miwako konnte Wataru mittlerweile mit so etwas umgehen, besser als es sicher bei Ryochi war. Es waren schon einige Freunde draufgegangen, woran sein Vater schuld war. Trotzdem wollte er nicht Miwakos Leiche finden müssen, er würde noch besser auf sie aufpassen, als bisher schon, damit ihm das erspart blieb. "Er würde mir so etwas doch niemals antun können, dann müsste man schon seine Seele austauschen", sagte der Detektiv nachdenklich und schloss die Augen. ,Muss der ein schlechtes Gewissen haben, wenn er seinesgleichen tötet... Hoffentlich stürzt er dadurch nicht komplett ab.' Währenddessen befand sich Sêiichî noch immer bei Kazumi, der jetzt sehr still geworden war - er misstraute ihm jetzt nämlich. ,Ob er auch zu denen gehört, vor denen Hiroya mich gewarnt hat?' Der Mann schloss die Augen und dachte kurz nach. ,Sicher, daher weiß er etwas über meinen Bruder...' Ein seltsames Lächeln lag nun im Gesicht des 24-jährigen, mit welchem er Sêiichî ansah. "Sonst noch etwas? Wieso bist du hier? Du weißt schließlich mehr als ich, warum fragst du mich über meinen Bruder aus? Nenn mir den Grund, aber ganz schnell!" Er war doch kein kleines Kind, was sollte dieser merkwürdige Ton in der Stimme von Jamis Bruder? "Ich wollte wissen, wie viel du weißt... aber ich denke, das, was du weißt, ist schlimm genug." Der 25-jährige drehte den Kopf weg, was dem anderen, jüngeren Mann seltsam vorkam. "Was ist da noch, dass du so etwas sagst?" "Der Mann, den ich kenne, der ist nicht mehr dein Bruder... er ist bösartig!" Ein verachtender Ton herrschte in Sêiichîs Stimme, er konnte sich beim besten Willen nicht mehr beherrschen. "Erzähl mir mal, wie er früher war... bitte, das interessiert mich. So, wie du ihn kennst." "Du magst ihn nicht." Genauso klang es dem 24-jährigen, weshalb er beinahe nachfragen musste und den anderen mit seinem Blick fast durchbohrte. "Sagen wir, er hat sich so sehr verändert, dass ich meine Meinung über ihn sehr schnell geändert habe... Es interessiert mich nur, ob der immer so ein Arschloch war." "Na ja, er war der tollste Bruder von allen, weißt du? Es schockiert mich, dass es jemanden gibt, der ihn nicht mag.. Er war zu allen nett und freundlich und hat uns immer geholfen, wenn wir Probleme hatten... Bis zu seinem Verschwinden." Sêiichî schluckte schwer und stellte sich vor, dass das derselbe Mensch sein sollte. ,Von der Organisation in den Dreck gezogen...' Trotzdem zwang er sich zu einem Lächeln. "Na ja, es ist am Wichtigsten, dass man zu seiner Familie hält." Mehr würde Sêiichî nicht sagen und strahlte Kazumi an, um sich nicht anmerken zu lassen, was er wirklich dachte. Dass Jami seinem Bruder jetzt nicht mehr half und er deswegen auch nicht mehr gut war. Die Organisation hatte ihn zu einem bösen, machtgierigen Menschen erzogen. In einer dunklen Ecke des Haido-Parkes wartete eine junge Frau schon auf den Boten des Bosses, den man ihr ab und zu schickte. Zum Glück schickte der Boss ihr nicht Valpolicella, er wollte eben keine Scherereien haben und wusste, dass die beiden Frauen sich gar nicht vertrugen, außerdem konnte Jami Frauen viel besser um den Finger wickeln. Auch wenn Kir ihn nicht mochte, war sie noch froh, wenn es sich um ihn handelte. Er war nur ein brutales Schwein, wenn es sich um Männer handelte, bei Frauen war er fast zahm. Wenig später war er auch schon da, die Frau saß auf einer Bank, wo sie im leichten Regen auf den Schwarzhaarigen gewartet hatte. "Lass uns ein Stück gehen, Kir-chan", nannte er sie fast schon liebevoll und nahm ihre Hand, die sie ihm sofort wieder entzog. "Du brauchst mich nicht hinter dir her ziehen, ich kann dir auch so folgen." Er sollte sie nicht anfassen, denn sie mochte ihn nicht. "Sei doch nicht immer so verdammt zickig", schon hatte der gut aussehende Mann seinen Arm um sie gelegt. "Wenn du etwas netter zu mir wärst, könnte ich dich ganz schnell zu einer der Ranghöchsten machen, dann könntest du sogar Vermouth schikanieren, wäre das nicht was? Dann könnte Valpolicella dich auch nicht mehr so herablassend behandeln." Er klang hilfsbereit, aber die 29-jährige wusste es besser; er war ein hinterlistiger Mistkerl, genau aus diesem Grund wollte sie seine Hilfe nicht. "Du lernst es nicht, was, Jami? Du bist nicht mein Fall, also versuch's nicht andauernd. Geh zu Vermouth, oder hat die etwa auch keine Lust?" "Hey, ich habe dir ein faires Angebot gemacht!" Etwas verärgert klang der Mann nun doch. "Ich mache mir doch nur Sorgen um dich, Kir. Man schikaniert dich schließlich andauernd, das will ich so schnell wie möglich ändern." Seine Hand lag auf ihrer Schulter und wanderte abwärts, so dass sie diese nahm und sie von sich entfernte, wobei sie einen angewiderten Blick aufgesetzt hatte. "Lass das, fass mich nicht an, klar!?" Was der sich einbildete, echt ungeheuerlich. Er lockte sie mit Ranghöchster, nur um sie etwas anfassen zu können, der war doch total armselig. So etwas hatte sie ja Gott sei Dank nicht nötig. "Ist ja gut... kommen wir zu dem Grund, weswegen ich dich treffen soll, Kir..." Jami holte sich eine Schachtel Zigaretten raus und zündete sich eine der Zigaretten an, woraufhin er Rena den Rauch frech ins Gesicht pustete, um sie zu ärgern. "Folgendes: Es gibt da so eine Reporterin namens Motoko Sôseki... dir vertraut sie sicherlich, du bist eine Kollegin. Dein Job ist wie immer, sie anzulocken, mein Unschuldsengel..." Er erfasste ihr Kinn und schaute ihr mit einem hämisch wirkenden Blick in die Augen. "Du weißt ja, was dir sonst blüht, nicht wahr, Handlangerin?" Sie war doch selbst schuld, immerhin lehnte sie seine Bemühungen ab, dann musste sie mit solchen Aufträgen leben. "Mehr bist du ja nicht, ein kleiner Handlanger, der zu spuren hat, wenn ihm sein Leben lieb ist. Du hast keine Rechte, Kleine, das ist dir doch klar, oder? Ich habe dir angeboten, dir zu helfen... du bist ein undankbares Stück. Selbst schuld, wenn du dann so was machen musst... Du könntest es viel leichter haben, aber du willst ja nicht..." "Was tust du, Jami, wenn ich es nicht tue?" "Dann wird der Boss mir befehlen, dich zu eliminieren. So ein junges, hübsches Ding wie du möchte doch noch nicht so früh abdanken, oder doch? Sag es ruhig!" ,Dann tötest du mich? Ich wusste immer, dass du herzlos bist, Jami!' Sie sagte es ihm nicht, sondern ließ all den Wahnsinn, der in ihr herrschte, an die Oberfläche kommen, so dass sie wenig später total leere Augen und ein fieses Grinsen im Gesicht hatte, als sie ihn ansah. "Wann und wo? Mit wem soll ich zusammen arbeiten?" Jami war zwar oft blind, wenn es um Frauen ging, aber Kir konnte er ansehen, dass dieser Blick gerade eben in ihrer Angst entstanden war. Eigentlich wollte er ihr wirklich gerne helfen, aber wer nicht wollte, der hatte eben schon. ,Wäre echt schade, wenn ich dich töten müsste, Süße... Du bist fast noch schöner, als Vermouth. Der Boss ist einfältig und konzentriert sich nur auf eine, wie dumm von ihm.' "Und jetzt nimm deine Hände weg!", meinte die junge Frau erbost und riss sich los. "Noch heute Abend, kurz nach den Acht-Uhr-Nachrichten. Du wirst dich mit ihr verabreden und sie in diesen Park hier locken. Vom Hochhaus 300 Yards entfernt warten dann deine Partner nur darauf, dass sie freie Sicht auf den Kopf der Dame haben..." "Was, wenn man uns sieht...?" "Sterben alle Zeugen mit ihr..." Kir vermied gerade eben ein Schlucken, die Vorstellung, dass sie jemand sehen könnte, der dann wegen so einem Zufall sein Leben verlor, belastete ihre Seele, genauso wie dieser Auftrag. Es war immer wieder ein widerliches Gefühl Schuld zu haben. "Und wer ist jetzt dieser Kerl?" "Flavis und Carignan... Die beiden werden dort oben warten." "Oh, super! Flavis ist zu verkraften, aber Carignan? Der knallt mich am Ende noch mit ab, weil ihm das Spaß macht." Da kam Stimmung auf, sie freute sich schon jetzt. "Muss es denn Carignan sein?" "Er trifft sein Ziel immer so schön, außerdem passt er auf, dass Flavis keine Dummheiten macht." ,Ach, soll er den umbringen, wenn er etwas falsch macht? Hast du ihn deswegen genommen? Oder kommt das wirklich vom Boss? Nein, das glaube ich nicht, du hast schließlich etwas gegen Flavis und hast ihn mit Sicherheit vorgeschlagen.' Sie schloss die Augen und verzog ihre Lippen zu einem gemeinen Grinsen. "Verstehe, mir kann also gar nichts passieren, weil alle sterben, die etwas erfahren." "Korrekt, du hast es erfasst... du weißt doch, niemand überlebt solches Wissen." "Klar, so wie Shuichi Akai, was?" Etwas derartig Freches hatte sich die Dunkelbraunhaarige nicht verkneifen können. "Ich und Kalina sind an diesem Fall dran, der wird auch nicht mehr lange leben, glaub mir, oder denkst du, der Boss schaut einfach so zu, wie sich das FBI sein Schätzchen krallt? Da kennst du ihn schlecht! Er hat sich das alles schon genau angesehen und uns beide damit beauftragt, wachsam zu sein und gegebenenfalls loszulegen, wenn der Kerl wieder frech wird." ,Ach, da könnt ihr Vermouth ja auch schön begaffen, was? Die wird pausenlos beschattet, ich hab echt noch mal Glück gehabt.' Wenn Jami davon redete, einzuschreiten, musste es ja wohl so sein, wobei Kalina nach dem, was geschehen war, wohl eher Vermouth umbringen würde, bevor das FBI sie überhaupt kriegen konnte - in dem Punkt war sie wie Chianti. Kein Wunder, beide hatten jemanden an diese Frau verloren, wofür sie nur in Gins Fall etwas konnte, Calvados hatte sie schließlich nicht umgebracht, der hatte sich ja selbst sein Lämpchen ausgeblasen. Es war schon bedauerlich, wenn man so viel Freude am Leben hatte, dass man sich selbst einfach so umbrachte, weil man nicht am eigenen Leben hing. Bei ihr war das etwas anderes, sie war beeinflussbar, gerade weil sie noch am Leben hing. Sie hatte keine Lust schon zu gehen. Seit Yuichi in ihr Leben getreten war, sowieso nicht. Kaum eine halbe Stunde später griff Jami Cognac auf und zerrte ihn erst mal von der Polizei weg. "Sag' mal, kann es sein, dass du umgebracht werden willst?", fragte Jami, der allmählich keine Geduld mehr mit dem Jüngeren hatte, doch dieser seufzte bloß und hob die Hände. "Ganz ruhig, ich wollte mich bei deinem Bruder einschmeicheln, damit er mir Vertrauen schenkt, um ihn dann leichter manipulieren zu können, nichts weiter." "Das musste sein, wenn die Polizei da beschäftigt ist?" "Tja, ich soll es ja heute noch tun, also hatte ich keine Zeit zu verlieren, allerdings wird das wohl heute nichts mehr..." Die Augen des 30-jährigen verzogen sich zu Schlitzen. "Was? Bist du komplett übergeschnappt, oder so?" "Die Polizei hat meine Waffe, tut mir Leid, Jami, wirklich, aber so ein Hirnie will mir etwas anhängen, das ich nicht verübt habe, also musste ich der Polizei meine Waffe aushändigen, weil derjenige mit einer Sig Sauer erschossen wurde..." Cognac freute sich schon zu früh, weil er dachte, man würde ihm eine zweite Chance einräumen, wenn er einen guten Grund hatte. "Kein Problem, du wirst eine von mir kriegen, ich hab genug davon... allerdings keine Sig Sauer." Sêiichî freute sich weiter, denn er hatte schon die nächste Ausrede parat. "Ich kann mit deiner Waffe nicht umgehen... Ich bin meine gewohnt, ich habe nie eine andere benutzt." Der wollte ihn wohl verarschen, oder? Jami packte Cognac am Kragen und sah ihm hart in die Augen. "Soll das ein Scherz sein? Du überstrapazierst meine Geduld." "Es ist so, die Möglichkeit, dass ich ihn dann nicht richtig treffe, besteht durchaus... Es ist sogar sehr wahrscheinlich... ich habe eine 6 mm, du hast so eine doch gar nicht parat." "Stell dich nicht so an, es sei denn, du willst umgebracht werden, das kannst du haben, meinetwegen sofort!" Cognac nahm ihn eindeutig auf den Arm, der wollte sich bloß drücken, also schlug er ihm mit seiner Handwaffe ins Gesicht, so dass seine Lippe aufplatzte. "Das ist nur der Vorgeschmack dafür, was ich mit dir anstellen würde, wenn du heute diesen Mann nicht umlegst!" Er durfte schließlich auch keine Gnade walten lassen, also hatten auch andere Organisationsmitglieder dieses Recht nicht, fand Jami, der Cognac jetzt noch einmal wütend schüttelte, um ihn zur Vernunft zu bringen. Sêiichî spürte Blut in seinem Mund, so brutal kannte er ihn erst seit ein paar Tagen, früher hatte er ihn nie so erlebt, er schien vernünftig zu sein. Er wischte sich das Blut weg und sah Jami mit einem finsteren Blick an. "Wenn du riskieren willst, dass dein Bruder überlebt und auch noch herausfindet, was du treibst, bitte!" Was zu viel war, war zu viel, also holte Jami erneut aus, so stark, dass der andere mit dem Kopf gegen die Wand schlug und wenig später den Lauf von Jamis Waffe an seiner Stirn spürte. Ein gemeiner, fast schon schadenfreudiger Ausdruck kam im Gesicht des Frauenarztes auf, der seine Waffe geschwind geladen hatte, was man als kurzes Knacken hatte hören können. "Weißt du was? Ich bin es leid, ich werde ihn selbst töten, sicher ist sicher. Ich will nichts riskieren..." "Das überlebst du nicht", versuchte Cognac ihm mit überheblichen Gesichtszügen klar zu machen. "Wenn du mich tötest, wirst du es nicht mehr lange machen, weil mein kleines Biest ein rachsüchtiges Weib ist. Sie wird dich töten. Willst du das?" Wie konnte er es wagen, ihm damit zu drohen? "Etwas abgehoben, was? Wieso sollte sie einen Verräter rächen?" Jami entfuhr ein Lachen, allerdings konnte er sich gut vorstellen, dass ihre Liebe dazu fähig sein konnte, dass sie einen Verrat beging, das wollte er eigentlich nicht. "Entweder du nimmst meine Waffe und erledigst ihn, wie man es dir aufträgt, oder du bist derjenige, der den baldigen Tod erfahren wird... Du solltest brav sein, wenn du denkst, dass sie dich liebt..." Jetzt kam der ihm so, das war ja nicht mehr zu fassen. Der Kerl hätte Psychologe werden sollen, aber seine Frauenliebe war wohl ausschlaggebend für seinen Beruf gewesen, jedenfalls wusste der Kerl, wie man es anstellte. "Willst du echt, dass sie Ärger mit dem Boss bekommt? Ach, ich vergaß, ihr habt nur Sex, nicht wahr? Du liebst sie nicht, du herzloser Egoist!" "Du Ratte!" fauchte Sêiichî, der sich gedemütigt vorkam, ja, wie konnte er es wagen, so über diese Gefühle zu reden? Am liebsten wäre er nun auch ausgerastet und hätte sich mit Jami geprügelt. "Wage es nie wieder, darüber zu urteilen, was ich für irgendwelche Frauen fühle, schon gar nicht für diese eine, verstanden? Du hast schließlich deine Freundin geschwängert und ihr dann das Kind weggenommen, wer ist jetzt herzloser?!" So wütend hatte man ihn schon lange nicht mehr gemacht, er konnte sich nicht beherrschen und ließ alles in Form von Worten heraus, auch was er wirklich von dem Mann hielt. "Die Frau hat dich total verweichlicht..." "Tja, wenn du das nicht verstehst, dann warst du eben nie verliebt, und das wirst du auch nie sein, so wie du drauf bist, du weißt ja gar nicht, was du da verpasst." "Willst du mit mir wetten, ob ich sie haben könnte? Wenn du tot wärst, würde sie sich sofort auf mich stürzen, weil es nichts Besseres für sie gibt. Es gibt wenige, die sich das trauen würden, ihr an die Wäsche zu gehen, komischerweise sind die alle schon tot. Willst du die anderen nachmachen? Netter Tipp am Rande: In jeder Hinsicht brav sein, in deiner Situation sowieso, also trenn dich von ihr, sonst rutscht mir beim Boss mal zufällig was raus." Ja, das sollte eine Art Strafe sein, er würde ihn jetzt nicht erschießen, dafür würde er ihm das Leben versauen, immerhin hatte er die Organisation hintergangen, das war noch eine sehr milde Strafe. "Meinst du, nur weil ich Polizisten töte, kannst du mir eine Frau verbieten, so wie den anderen? Wenn das ein Grund ist, dann schieß doch, vielleicht wolltest du das schon immer... und wir waren nie Freunde." Es deprimierte den 25-jährigen schon seit einiger Zeit nicht mehr, dass er sich so in Jami getäuscht hatte. ,Was erwartest du von mir, dass ich für dich Verrat begehe und alles riskiere? Etwas viel verlangt, dafür, was du getan hast. Du hast mich hintergangen, deinen besten Freund verraten... du hast mich benutzt... das werde ich dir niemals vergeben.' Jami lachte bösartig auf, wobei der traurige Schimmer in seinen Augen Sêiichî nicht verborgen blieb. "Ich werde dich nicht dafür belohnen, dass du mich verarscht hast, Cognac... das büßt du mir... das verspreche ich... Du solltest mich nicht mehr verärgern... Ich bin total in Stimmung, dich brutal umzubringen, glaub mir... Niemand spielt Spielchen mit mir. Nicht ungestraft." Etwas verwundert war er nun doch, immerhin war Jami nur so sauer, weil er sich verraten vorkam. "Ich wusste, wie du reagieren würdest, deswegen konnte ich dich nicht einweihen, tja, du bist eben doch der falsche Freund für mich. Ein Freund sollte niemals einen Freund töten... so viel kann dir diese Organisation nicht bedeuten, Jami..." Sêiichî legte seine Hand um den Lauf der Waffe und drückte sie langsam beiseite. "Wieso tust du alles für die Macht, die dir der Boss gegeben hat?? Dafür verrätst du jeden, das geht zu weit, findest du nicht auch? Du hast dein Herz verloren! In dem Moment, als du ohne mit der Wimper zu zucken hinnahmst, dass man Kazumi töten will, habe ich das bemerkt... Weißt du, wie es ihm geht? Er vermisst seinen großen Bruder und ahnt nicht mal, dass dieser ihn so wenig liebt, dass er ihn sterben lassen würde... Das ist traurig, Jami, so traurig, das glaubst du gar nicht. So einen Freund will ich echt nicht mehr... du kannst mich für meine frechen Worte ja jetzt umlegen, wenn es dich glücklich macht, weil du die Wahrheit nicht verkraftest." Wahrscheinlich goss er Öl ins Feuer, aber diese Ehrlichkeit musste jetzt mal sein. Was Jami von ihm selbst hielt, war ihm ja bekannt. "Ich habe nicht mein Herz verloren, aber du deine Beherrschung, wie es scheint. Sonst warst du ja auch nicht so, oder habe ich dich nie gekannt?" "Wer weiß? Ich würde jedoch nie einen Freund töten, selbst wenn ich dann als Verräter ende..." Auf gewisse Weise beeindruckten die Worte den schwarzhaarigen, 30-jährigen Mann, so viel Mumm wie Cognac hatte er wohl wirklich nicht, das entsprach den Tatsachen, vielleicht liebte Vermouth deswegen Cognac und nicht Jami, möglich war bei der Frau ja alles. "Mut hast du, das muss ich dir lassen. Du stehst bereits mit dem Rücken zur Wand, also solltest du dich etwas zusammenreißen." Komisch, nun war er besänftigt, wieso eigentlich? Jami verstand sich selbst im Moment wahrscheinlich noch weniger als Cognac. Dieser hatte nicht damit gerechnet, es aber gehofft, dass man noch irgendwie an ihn heran kommen konnte, an sein Inneres, deswegen hatte er demonstrativ Dinge gesagt, die ihn selbst wahrscheinlich sehr verletzt hätten, immerhin war Jami ja verletzt darüber, dass man ihn hintergangen hatte, was hieß, dass man ihn verletzen konnte, selbst wenn Sêiichî es gerade teilweise absichtlich getan hatte. Ein harter Tag neigte sich seinem Ende, wobei es durchaus Leute gab, die schon im Bett gelandet waren, weil sie so erschöpft zurück gekommen waren. Der Schwarzhaarige im Bett der Blondine zum Beispiel - er war eingeschlafen und bekam nicht mit, dass sie zurückgekehrt war. Normalerweise war es überhaupt nicht seine Art, gegen Acht Uhr am Abend schon zu schlafen, auch wenn er am Vortag so gut wie nicht geschlafen hatte, neuerdings allerdings war er wohl dauergestresst und abends dementsprechend erledigt. Aus Langeweile hatte er sich einem Buch gewidmet, das auf seinem Oberkörper gelandet war, zusammen mit der Lesebrille, die ihm halb von der Nase gerutscht war, was einfach niedlich aussah. Die Wahrheit war, dass er zuerst eine Flasche Cognac getrunken, danach gelesen hatte, wobei er eingeschlafen war. Er hatte schlichtweg versucht, sich abzulenken, schließlich war sie nicht da gewesen, Sêiichî war vor Langeweile beinahe zugrunde gegangen, nachdem er vorhin von jemandem durch das halbe Verbrecherviertel gejagt worden war. Er hasste ihn wahrscheinlich jetzt noch viel mehr, als er es vorher schon getan hatte. Sein dreckiges Grinsen, als er ihn anvisiert hatte, hatte ihm das verraten - kein Wunder, nach dem, was er getan hatte und noch tun müssen würde. Dieser Mann hatte ja Recht, wenn er ihn jagte, er war ein verabscheuungswürdiges Etwas, das Polizisten ermordete. Bei Gott, er hätte sich längst erschießen lassen, wenn es keine guten Gründe zum Überleben gegeben hätte - er hasste sich mit am meisten. Die junge Frau hatte sich zu ihm aufs Bett gekniet, ihn dabei angeschaut und die Brille von seiner Nase genommen, wodurch sie in sein markantes Gesicht blickte. Durch das Licht sah sie, dass das Make-up, das er von ihr benutzt hatte, verblasst war, so dass die Blessuren von neulich wieder hervorschauten. Ihr Lächeln, das sie bis eben im Gesicht gehabt hatte, verschwand mit einem Mal, als sie es bemerkte, so dass sie ihm nur mit der Hand über die Wange strich und ihn mitleidig musterte. Dem Boss war es nur Recht, wenn Jami ihm das Gesicht ruinieren würde, nur damit Vermouth ihn nicht mehr falsch ansah. Sie war ja dafür bekannt, dass sie auf schöne Männer durchaus abfuhr, der Boss hatte wohl Angst, dass sie einen mal besser finden würde. Warum ließ er dann nicht mal Jami krankenhausreif prügeln? So wie der sich aufführte. Bei welcher Frau hatte der es schließlich nicht versucht? ,Mach mich ruhig an, Jami, damit ich einen Grund habe, auszuholen und dir dasselbe anzutun, das du ihm angetan hast...' Für den Moment lag ein gehässiges Grinsen in ihrem Gesicht, dann allerdings weiteten sich ihre Augen, denn er lächelte im Schlaf - anscheinend hatte er nach langer Zeit mal wieder einen angenehmen Traum. Sie wusste von seinen Albträumen, die ihn nachts heimsuchten, weil er tagsüber meistens töten musste, der Boss hielt ihn mächtig auf Trab - meistens mit mehreren Aufträgen am Tag - wobei es nicht immer Kriminalisten waren, auch Detektive - als nächstes würde Cognac wohl Kinder jagen, wenn er nicht aufpasste. Er durfte alle Menschen töten, die er eigentlich nie hatte töten wollen, Hauptsache es schadete seiner Psyche. Da er Kinder liebte, musste er aufpassen, dass der Boss auch nicht davon erfuhr, denn dann würde er ihn auch kleine, süße Kinder töten lassen, dieser Arsch. Das würde er niemals schaffen, was sein Todesurteil sein würde - davor hatte sie irgendwie Angst. ,Wir müssen noch besser aufpassen, sonst kommt man uns auf die Schliche...' Sêiichî spürte ihren heißen Atem im Gesicht, weil sie sich ihm genähert hatte und kurz davor war, seine Lippen zu kosten, als er seine Augen leicht öffnete und in ihre hellblauen schauen konnte. "Huch, wo kommst du denn her?", fragte er sie verwirrt und zog eine Augenbraue hoch. "Ich komme von der Arbeit, du kannst Fragen stellen." "Deine wirkliche Arbeit, oder der Nebenjob?" Er seufzte, schließlich konnte sich der 25-jährige das sowieso denken, immerhin lag ihre Karriere schon seit längerer Zeit auf Eis - der Boss wollte das eben so. "Frag nicht so was, du weißt das schließlich." Sein Blick wanderte etwas abwärts, da ihm etwas Bestimmtes auffiel. "Was war wieder los? Wieso warst du erst duschen, bevor du mich wecken kamst?" Seine Stimme klang leise und auch kein bisschen fröhlich vielmehr deprimiert und beinahe leer, das tat weh. Zu wissen, wie er sich Sorgen um sie machte, statt um sich selbst. Seine Freundin war nur in ein Handtuch gekleidet, war wohl gerade frisch aus der Dusche gekommen, jedoch waren ihre Haare bereits trocken, darum kümmerte sie sich immer erst, bevor sie herauskam. ,Weil ich voller Blut war?' Keine Antwort wurde ihm gegeben, stattdessen legte sie ihre Lippen auf seine, weil sie das sowieso vorgehabt hatte - er hatte sie nur durch das Öffnen seiner Augen davon abgehalten. ,Danke für die Antwort, so weiß ich auch Bescheid...' Trotz seiner wehleidigen Gedanken schloss er jetzt die Augen und genoss ihren süßen Kuss, solche Küsse waren ohnehin nicht an der Tagesordnung, normalerweise verhielten sie sich anders. Wahrscheinlich war sie selbst total schlecht drauf und brauchte das jetzt. Ihm ging es nicht anders. Seit dem Tag an, an dem er Shiratori hatte töten müssen, war er empfindsamer als sonst und sehnte sich nach solchen Zärtlichkeiten, auch wenn er sie nicht danach fragte, sondern alles hinnahm, wie es kam, er hatte nicht vor sie je um so etwas zu bitten. Das hatte er ja auch nicht nötig, weil Chris den Hang dazu hatte, genau das zu tun, was ihm gerade vorschwebte, damit ersparte sie ihm das Fragen. Sie konnte ihm wohl ansehen, dass es ihm schlecht ging und fing automatisch damit an, sanft zu sein, wofür er ihr dankbar war. "Und, bist du noch zu müde für etwas Spaß?" Ihre Stimme hatte einen leicht stechenden Ton inne, der es ihm eiskalt den Rücken runter laufen ließ. Kapitel 4: Feeling good in the mood ----------------------------------- Wenn man sie kannte, wusste man, dass das gerade eine Anmache gewesen war. „Ich war nie müde, ich war gelangweilt und bin dann über dem öden Buch eingeschlafen“, antwortete er ihr schmollend und schob eine Lippe vor, weshalb sie lachen musste, da er einfach göttlich aussah, wenn er schmollte. „Ach, so ist das.“ Obwohl es leicht danach klang, als würde sie ihm das abkaufen, war es nicht so. ‚Du hast schon wieder Polizisten und was weiß ich noch alles getötet, ich kann es in deinen Augen sehen...’ Der Schmerz stand deutlich in ihnen. „Du, Darling? Du hattest vorhin einen Anruf auf dem Handy, das du nicht mitgenommen hast. Sei mir nicht böse, aber ich war neugierig...“ Das musste er ihr mal sagen und er würde ihr klarmachen, dass er nicht wütend auf sie war, was auch immer diese Nachricht beinhaltet hatte. „Sag nicht, du bist an mein Handy gegangen?“ Das hatte sie ihm schon vor Jahren untersagt, weil das einfach zu gefährlich war – außerdem hatte sie das Handy absichtlich zurückgelassen, falls der Boss sie kontaktieren würde, auch wenn er ihr dafür wieder eine Standpauke halten würde, schlimmer konnte es ja zum Glück nicht kommen. Sie hatte aber nun mal keine Lust heute noch mal bei ihm antanzen zu müssen, heute war er dran und sie würde ihn nicht alleine lassen, mit seinem Kummer nun schon gar nicht. „Nein, nicht rangegangen, ich habe abgewartet, bis derjenige auf die Mailbox geredet hatte und sie dann abgehört.“ „Du bist echt ungeheuerlich... was hast du gehört?“ Wenn es etwas Schlimmes gewesen war, war er echt selbst schuld. „Nur das perverse Gelaber vom Boss, sonst nichts.“ Er schluckte den Ekel schnell runter, während seine Augen ein trauriges Funkeln beinhalteten. „....“ Ihr blieb der Wutanfall im Hals stecken, denn eigentlich wollte sie ihn anschreien, weil er etwas getan hatte, was sie ihm verboten hatte. „Aha, hatte er wieder Wunschträume?“ „Stop the lies, Darling - I know it!“ Sêiichî schloss die Augen, aber trotz seines Bemühens es sich nicht anmerken zu lassen und ruhig zu sprechen, konnte man seinen Hass sehr wohl vernehmen, selbst wenn er sich sehr bremste. „Was willst du wissen?“ „Ich weiß es schon länger, er hat es mir ja förmlich an den Kopf geknallt, ich kann es jetzt aber einfach nicht mehr für mich behalten, ich will nicht, dass du dir irgendwelche Vorwürfe machst, aber ich will wissen, wieso! Wieso hast du da mitgespielt? Du kannst ihn ja nicht mal mehr wirklich leiden. Ich will den Grund dafür erfahren, weshalb er so was gekriegt hat – etwas, das er überhaupt nicht verdient.“ Noch immer war er zu ruhig für diesen Fall. Wie viel steckte er wohl gerade weg, ohne es rauszulassen? Auf andere Männer war er schließlich hochkarätig eifersüchtig – wenn er dann noch davon wusste, wie musste er sich dabei fühlen? Es widerstrebte ihr, ihm zu sagen, was gewesen war, andererseits hatte sie aber auch ihre Gründe. Was würde schlimmer sein, als keinen Grund zu nennen? „Zweifelszerstreuung“, antwortete ihm die Blondine nur in einem leisen Ton – ihr war schlecht, wenn sie daran dachte, wie er sie ausgespielt hatte. Er schlief mit ihr und sagte es dann allen, oder wie sollte sie seine Worte nun deuten? Wenn sie etwas hasste, dann wenn man mit so etwas protzte. Ausgerechnet vor ihm – sollte das heißen, er durchschaute ihn? Das hatte ihr gerade noch gefehlt; schlimmer konnte es ja bald nicht mehr werden. „Und viel gekriegt hat er nicht... Nichts, womit er etwas Besonderes wäre.“ „Ach? Soll mich das jetzt beruhigen? Hat er dich in die Enge getrieben? Was hat er getan, um dich zu beeinflussen? Hat er gefragt, ob du mich liebst?“ Das war diesem Mistkerl durchaus zuzutrauen. Wie gut ihr Freund die Umstände erkannt hatte, es war geradezu beängstigend, wenn er so leicht dahinter kam. „Du bist hoffentlich so kalt wie Eis gewesen, Sêiichî...“ Ein Hauch Sorge war zu hören, den sie in ihren Worten nicht hatte verstecken können. „Er meinte, dass du ihn liebst, da sagte ich nur, dass du keinen Mann lieben kannst, wie es schließlich sein soll. Ob er das geschluckt hat, ist was anderes. Aber er hat versucht, es mir reinzuwürgen, das stimmt. Selbst Jami weiß es. Ich scheine wie ein offenes Buch zu sein, ich mache nur Ärger.“ Dabei hatte er sich echt bemüht, nichts davon durchdringen zu lassen und so zu tun, als wäre sie total uninteressant. „Na ja, sagen wir so, er hat wohl Angst davor, was sein könnte – deswegen sorgt er vor“, ein gemeines Lachen war zu hören, sie machte sich eindeutig über den Mann lustig. „Du weißt doch, die Männer, die nicht auf mich stehen, sind rar, vielleicht war es nur ein Test. Maybe wird er das bei allen Kerlen machen. Da fühlt man sich wie eine billige Nutte, oder so ein Gegenstand zum Angeben.“ Und so einen sollte sie lieben? Im Leben nicht. Dieser verdammte Kerl hatte sie nicht so zu behandeln, so etwas nannte der dann Liebe, darauf konnte seine Freundin sicher gut verzichten. „Nette Masche jemandem alles zu versauen. Wenn der so weitermacht, halten die dich echt alle bald für die allerletzte Nutte.“ „Die Nutte vom Boss, darauf bin ich echt scharf, jaaa. Was soll’s? Hast du dir mein Image innerhalb der Organisation mal genauer angesehen, oder bist du noch immer blind? Jami hat mich neulich mit sich selbst verglichen. Ich würde viele Männer brauchen, so wie er viele Frauen – ekelhaft.“ Was gab es schon noch groß zu verlieren? Alle, die das eben glaubten, sollten es eben glauben, bis jetzt war der Boss nicht der einzige Mann auf Erden, der sie wollte. „Dem geht’s ja wohl zu gut!“ Sêiichî drückte sie an sich, er kannte Jami ja ziemlich gut. Was der abzog, war nicht mehr normal. Der war besessen von allen Frauen und kein Macho mehr, so wie Cognac immer tat. Er fand angeblich ja auch alle toll, wobei er es nicht übertrieb. Jami machte es mit jeder – auch noch ziemlich blauäugig. Jede Frau, die etwas von sich hielt, würde bei dem einen Ekel kriegen. „Lass ihn eben so denken, es macht nichts, wenn mich die Männer meiden, das ist mir sogar recht so, dann rücken die mir nicht unnötig auf die Pelle. Weil mich der Boss so sehr mag, kriechen mir die meisten so oder so in den Arsch, es ist also egal. Wenn ich jemanden benutzen will, muss ich nur meine nette Seite rauslassen und zu Drohungen greifen.“ Das Nette war sehr ironisch betont worden, so dass er wusste, wie sarkastisch es gemeint war. Wer kannte Vermouth schon als nette Frau? Die Leute konnte man an der Hand abzählen. ‚Wie kann man nur der Frau, die man liebt, so was antun? Als nächstes denkt die Presse auch noch so etwas... Das wäre ja wohl das Schlimmste, was der Kerl tun könnte. Sie wird sowieso oft genug mit ihrer Mutter verglichen.’ Auch wenn sie gleichgültig klang, glaubte er ihr kein Wort. Ihr Image war ihr stets sehr wichtig gewesen. Es war ihr nicht egal, was man von ihr hielt, aus dem Grund hatte sie ja eine Rolle geschaffen, also konnte man ihm nicht weismachen, dass es ihr egal sein würde. „Vielleicht ist es nicht sehr beruhigend, aber mir kann keiner etwas einreden. Wenn alle sich abwenden, bin ich immer noch bei dir...“ Es sei denn, der Boss stieg endgültig dahinter und ließ ihn über die Klinge hüpfen, aber dagegen würde er ankämpfen. „Das weiß ich, es hat ja schon mehr als nur eine Person versucht, dir die Augen über mich zu öffnen.“ „Ich sehe vollkommen klar.“ Er hatte nie klarer gesehen, schließlich musste er ihr nur in die Augen sehen; selbst wenn sie noch so kalt aussahen, wusste er, was sie fühlte, in solchen Fällen sowieso. Er kannte sie einfach; sie und ihre Eigenarten. Ihre Haare waren nach vorne gefallen, als er sie zu sich auf die Brust gezogen hatte, so dass er diese jetzt mit einer Hand nach hinten strich und seine Lippen sanft über ihre Schläfe und ihren Hals wandern ließ. Es war bedauerlicher Weise lange her, seit er so etwas ohne Hintergedanken getan hatte. Er wollte ihr nur zeigen, dass er sie trotz allem noch liebte, auch wenn sie ihn – augenscheinlich – betrogen hatte. Auf gewisse Weise musste er ihr dafür noch danken, das würde er aber nicht, das konnte keiner von ihm verlangen. Er hasste es bestimmt genauso sehr, wenn man ihn beschützen musste, wie sie selbst. Trotzdem war noch alles in Ordnung zwischen ihnen, er konnte ihr ja wohl auch schlecht Vorwürfe machen. Es war ja keine Absicht und diente auch nicht dazu, ihm wehzutun, das wäre etwas völlig anderes gewesen. Vor Jahren, als er noch andere Frauen nebenher gehabt hatte und noch nicht alles zwischen ihnen klar gewesen war, hätte sie so etwas tun können, hatte sie aber nicht. Eigentlich war es fast ein kleines Wunder, dass sie es mit so einem Chaot wie ihm die ganze Zeit über ausgehalten hatte. Dafür hatte sie sich eine Belohnung verdient, also war sie jetzt die einzige Frau an seiner Seite. Mehr war im Moment nicht drin, auch wenn sie sich für die Zukunft Freiheit wünschten. Eine wohlige Wärme legte sich auf ihre Haut, auch wenn seine Liebkosungen noch sehr harmlos waren, viel zu harmlos für solche, die von ihm kamen. Seine linke Hand wurde unter das rote Handtuch geschoben, so dass es sich von ihrem Körper löste und nur noch zur Seite fiel. ‚Ich wusste, das würde dir gefallen... Warum habe ich bloß schon wieder so ein schlechtes Gewissen, dass ich nett sein will? Das ist ja lachhaft!’ Sie machte sich über ihre Gefühle lustig, doch ansehen konnte man es ihr nicht. „Du kannst unmöglich so bleiben, das ist ungerecht“, kam in einem durchtriebenen Ton, während ihre Hände provokant über seinen Brustkorb strichen und sich dazu auf machten, die Knöpfe einzeln zu öffnen. Langsam kam seine durchtrainierte Brust zum Vorschein und mit ihr seine gut gebräunte Haut. Sie ließ ihre Hand sanft über diese streicheln, was ihm kurz Gänsehaut bescherte. Unterdessen waren auch seine Hände auf Wanderschaft zu ihrer Seite gegangen, wo er sanft nach oben strich, bis er bei ihren Brüsten ankam und diese umfassen konnte. „Es kommt mir vor, als würde deine Schönheit mich jedes Mal noch ein bisschen mehr überraschen.“ „Das bildest du dir nur ein, Darling, das kann nicht sein, ich werde nicht schöner, bloß älter... Es sei denn, ich würde an mir rumschnippeln lassen – aber etwas Unnatürliches würde dir doch gleich viel weniger gefallen, oder?“ Ihre Augen hatten einen sinnlichen Ausdruck an ihn gesendet, so dass er sie jetzt mit funkelnden Augen seinerseits ansah. „Da hast du Recht, also muss ich es mir ja wohl einbilden.“ ‚Du suchst doch nur etwas, um mich zu umschmeicheln.’ Sie ließ es sich liebend gerne gefallen, denn Chris bestand darauf, umschwärmt zu werden. Seine Finger zogen leichte Kreise um ihre Brustwarzen, dabei küsste er ihre Lippen zärtlich und sie zerrte an seinem Gürtel, welcher mithilfe einiger Handgriffe schnell geöffnet war, genauso wie sein Knopf und der Reißverschluss, woraufhin sie sie ihm runterzog und ihm leicht in die Schulter biss, als sie sich aufsetzte, um sie ihm zu stibitzen. Diesmal, wo er sowieso schon in ihrem Bett gelegen hatte, war sie auf ihm, was selten vorkam. „Oioi“, entfuhr ihm, als er ihre Zunge auf seinem Bauch spürte und bemerkte, wie sie mit dieser seine Muskeln sanft umspielte. Sie ließ diese um seinen Bauchnabel herum kreisen und stupste sie dann frech in diesen hinein, was ihm ein heftiges Kribbeln gab, weshalb er seine Hände in ihren vollen Haaren vergrub und die Augen genussvoll schließen musste. Er wanderte mit diesen ihren blanken Rücken über die Schultern hinab, bis zu ihrem Becken und ihrem Po, wonach er ihre Hüften erreichte. Solche Berührungen waren überhaupt nicht seine Art, normalerweise lief das Ganze sehr viel provokativer ab, doch das störte sie im Moment überhaupt nicht. Ihre Lippen arbeiteten sich wieder nach oben über seinen Brustkorb, zu seinem Hals und dem Nacken, an welchem sie heftig saugte und dann leicht ihre Zähne einsetzte, was ihn kurz zucken und trocken aufstöhnen ließ. Auf dem Weg zu seinem Mund zog eine Hand seine Shorts ein wenig hinab, so dass sie mit dieser hinein verschwinden konnte. Er bäumte sich ziemlich erregt unter ihr auf, verdrehte die Augen und kleine Schweißperlen begannen sich auf seiner Stirn zu bilden, wobei man seinen Atem hören konnte, so laut war er. Trotzdem beherrschte er sich, wollte ihr noch kein richtiges Stöhnen geben, dafür musste sie heute etwas mehr tun, wo sie es sowieso darauf anlegte. Ihre Hand umschloss sein Glied fest und rieb an diesem auf und ab; gekonnt begann sie es zu massieren, bis es steif war und ließ dann mit einem gerissenen Lächeln von diesem ab. Ihre Hand glitt über seinen Bauch nach oben zu seiner Brust, dort vollführte sie einige kreisende Bewegungen und setzte wieder ihre Lippen bei seinem Bauch ein, was es ihm heftig in der Magengegend kribbeln ließ. Von dort verschwand sie urplötzlich schnell abwärts; ihre Lippen wurden an seinem Glied angesetzt. Sie brauchte dafür nur ihren Mund, um sich festzusaugen, was sie auch tat. Erschrocken weiteten sich seine Augen und ein lautes Keuchen kam über seinen Mund. Hastig umfasste er ihre Brüste und spielte mit ihnen, dazu trieb sie ihn einfach; er konnte sie nicht still liegen lassen, wenn sie ihn derartig anmachte. ‚Man, ist das gut... Ich bin so erregt, ich glaub ich platze...’ Nun kam auch ihre Zunge zum Einsatz, während sie sich weiter festsaugte. Sie saugte sich zur Mitte und ließ sie gekonnt um seine Eichel wandern, bevor sie es ganz im Mund aufnahm und auch ihre Hände nach unten wandern ließ. Sie hielt es nun fest und stieß es sich heftig in den Mund - mit dem Ziel, ihn total willenlos und wahnsinnig zu machen. Sêiichî kniff unter heftigem Aufkeuchen die Augen aufeinander und kreiste mit dem Becken, als würden sie es bereits tun. Sie machte ihn so fertig, sicher wusste das Biest, wie gut sich so etwas anfühlte, dabei hatte er nie so etwas von ihr gewollt - es reichte schon, wenn er sie berühren durfte; derartige Handlungen war er an ihr gar nicht gewohnt, noch nie hatte sie sich so eindringlich mit ihm beschäftigt, denn so erregt war er nie gewesen, bevor er richtig loslegte, doch noch nicht genug. Trotz der starken Erregung schien sie noch nicht genug von ihrem Spiel zu haben, ihre Stöße in den eigenen Mund wurden immer schneller und leidenschaftlicher; der Schweiß auf seiner Stirn begann über sein Gesicht zu rinnen. „Chri-su“, er konnte ihren Namen nicht mal mehr ordentlich aussprechen, da ihn sein Atem immer unterbrach, so dass die letzte Silbe auch in Japanisch umgewandelt wurde. Sein Herz hämmerte ihm gegen die Brust, als wolle es ihm aus dieser empor und zu Chris springen. Dass er das toll fand, wollte er nicht unbedingt zugeben, schließlich war er nicht wie alle anderen Männer, die total auf so etwas abfuhren, aber er musste sich selbst eingestehen, dass es verdammt gut war und ihm dabei fast Hören und Sehen verging. Manches Mal kam ein Stöhnen, während er sonst nur sehr laut atmete. Ein Zittern durchfuhr seinen Körper; sie machte ihn total verrückt vor Begierde und Verlangen. ‚Ich kam doch kaum zum Zug... das ist mir noch nie wirklich passiert...’ Irgendwie war ihm das auch unangenehm, wenn es ihm so ging. „Wenn du - mich - spüren - willst - wäre das – ein sehr passender – Zeitpunkt!“, kam von ihm durch mehrere Geräusche und seinem Atem unterbrochen. Es kam dem jungen Man vor, als hätte man seine Worte, die doch recht laut gesagt worden waren, überhört. Der Druck bei seinem Glied war so stark, dass er das Gesicht gequält verzog, was sie nicht davon abhielt, ihn weiter zu reizen – sogar aus purer Absicht. Er sah zu ihr nach unten, hatte die Augen nur halb geöffnet und sah so, wie ihre Haare über seinen Bauch fielen und diesen quasi ein wenig kitzelten, weshalb er kurz auflachen musste. Durch seine Beobachtungen bemerkte Sêiichî, wie genüsslich sie sich um sein Glied kümmerte und dieses immer wieder mit den Lippen und ihrer Zunge neckte. Der Schweiß rann schon in Strömen über sein Gesicht, während er weiter stöhnend auf ihre Stöße reagierte und sie einen leichten Blick nach oben warf, um zu schauen, was er gerade so trieb. ‚Har, har, ich wusste, du würdest es genießen, wenn ich das tue...’ In dem Punkt war er eben doch nur ein Mann. Noch während des nächsten Stöhnens sorgte die Blondine dafür, dass der Druck langsam sein Glied empor stieg, indem sie noch stärker saugte und mit der einen Hand an seinen Hoden spielte, auch wenn sie dies sehr sanft tat, sie quasi streichelte. Ein faszinierter Blick kam in seinem Gesicht auf, weil ihm ihre Spiele keine Chance ließen, weswegen er jetzt doch kurz die Augen zukniff, aber nicht verhindern konnte, dass er in ihrem Mund kam. Sie schob sich sein Glied extrem tief in den Mund und hatte die Augen nun geschlossen. Ihr kam etwas in den Rachen geschossen, was sie einfach runterschluckte. ‚Selbst dabei bist du wunderschön... unglaublich...’, dachte er sich, lächelte verliebt und wurde aufgrund seines überhasteten Kommens ein klein wenig rot; er hatte nicht in ihrem Mund kommen wollen, hatte aber auch nichts dagegen tun können. Sein Atem, der rasend schnell war, ebenso sein Herz, musste erst einmal zu Ruhe kommen, so dass er tief ein- und langsam ausatmete. Nach einiger Zeit fing er sich wieder, so dass er sie fragend musterte, während sie zu ihm hoch kroch und wenig später auf ihm lag, um in sein glückliches Gesicht zu schauen. „Warum hast du das denn jetzt gemacht, mhm?“ Die dümmste Frage aller Zeiten kam von ihm, wobei er total verwirrt und unsicher zu sein schien. „Aus welchem Grund wohl? Aus demselben, aus welchem du süchtig nach gewissen Säften von mir bist“, meinte sie, woraufhin ein belustigtes Lachen von ihr kam und er einfach grinsen musste. „Ah, I understand, let me return the favor.“ Was das zu heißen hatte, wusste die blonde Frau natürlich; sie wäre dämlich, wenn sie ihn nicht lassen würde, also ließ sie sich bereitwillig auf die Seite legen und sich erst einmal mit einem Kuss verwöhnen; dabei umarmte er sie fest und drückte sie an sich. ‚Yes, I knew it from the first time I saw you that I would love you...’ Aus dem Grund hatte er nie aufgegeben, ihm war klar gewesen, dass er sie lieben würde. Wenn er ihren nackten Körper bei seinem spürte und sie dabei küsste, war der Schwarzhaarige schon glücklich, toppen konnte das nur noch, wenn er es fühlen konnte, wie sie kam. Seine Hände gingen auf Wanderschaft, er ließ keine Stelle aus, wobei seine Zunge in ihren Mund eindrang und sie zärtlich verwöhnte. So küssen konnte nur er sie, niemand sonst. Der Boss schon gar nicht, denn ihn liebte sie ja nicht einmal ansatzweise. Dass er es immer wieder schaffte, sie glücklich zu machen, lag damit zusammen, wie sehr sie mittlerweile an ihm hing – ebenso wie er an ihr klammerte. Sein Mund hatte einen einzigartigen Geschmack, fand sie. Mittlerweile hatte Sêiichî genug von dem Kuss; er wollte fortschreiten und leckte ihr mit der Zunge über den Mund bis über ihr Kinn, an ihrem Hals allerdings saugte er zaghaft, nur um irgendwann ihr Dekolleté zu erreichen und dieses zu passieren. Auf dem Weg streichelte er mit einer Hand ihre Hüfte, während die andere sich um ihre rechte Brust kümmerte, dabei schaffte er es mit dem Mund zur Linken. Von ihrer Haut gelangte er zu ihrer Brustwarze, an welcher er sofort liebevoll saugte, um sie schon im Voraus etwas zu erregen, was ihm durch ein leichtes Keuchen und dem Pressen ihres Körpers an seinem nur bestätigt wurde. Ihre Beine wurden um seine Hüften geschlungen und sie rieb ihren Unterkörper an seinem Bauch. Das Saugen wiederholte er an der anderen Brustwarze, während seine Finger sich um die schon versteifte kümmerten. Sein Kopf wanderte daraufhin abwärts und er liebkoste ihren Bauch. Es waren nur hauchende Küsse, aber äußerst reizvoll für sie. Ihre Hände wanderten durch seine Haare, streichelten sie sanft. Er blieb so sanft, auch als er sie zwischen die Beine küsste, was sie empfindlich traf und etwas feucht werden ließ. Bereitwillig machte sie die Beine weiter auseinander, um ihm besseres Herankommen zu ermöglichen, während sie jetzt die Augen schloss und genoss, was er mit ihr machte. Seine Zunge berührte nur flüchtig ihren Kitzler, jedoch wohl stark genug, um sie zusammenzucken zu lassen. Ihre Hände pressten seinen Kopf fest zwischen ihre Beine, weshalb auch seine Lippen fester gegen sie gedrückt wurden; sie war regelrecht gierig darauf. Seine Arme hatte der 25-jährige nach oben ausgestreckt, um ihre Brüste zu erreichen, welche er zusätzlich zu seinem Saugen noch bearbeitete. Vorsichtig begann seine Zunge sich zwischen ihre Schamlippen zu drängen, er spielte mit ihr ein wenig zwischen ihnen, ohne tief hinein zu dringen. Es kostete ihn wirklich Beherrschung, nicht stürmisch mit der Zunge einzudringen und sich zu holen, was er kriegen konnte. Diesmal allerdings wollte er es sehr langsam angehen. Allmählich wurde die Frau ungeduldig und bewegte sich stöhnend unter ihm, er machte seine Sache gut, das konnte man deutlich an ihren geröteten Wangen sehen. Es kribbelte heftig und die Flüssigkeit breitete sich langsam in ihr aus, nur um wenig später zu fließen und bei seiner Zunge anzukommen. Jetzt war es aus mit Beherrschung, er drang mit der Zunge so weit vor, wie es ging und breitete sie in ihr aus, aufgrund dessen warf sie den Kopf in den Nacken und keuchte laut auf. Er saugte sich an ihr fest, so dass die Blondine ihre Augen zukniff und noch lauter stöhnte. Seine Zunge bewegte sich von rechts nach links und umgekehrt, wobei er sie besonders intensiv schmecken konnte, was in seinem Sinn war. Mit der Zeit wurde er immer wilder in seinem Spiel und saugte immer kräftiger, was besonders ihrem Kitzler gefiel. Irgendwann wurde das Kribbeln an diesem so heftig, dass sie sich in seine Haare krallte und ein halbes Schreien hören ließ, weil er sie hatte kommen lassen. Ihr Körper erbebte sofort, was ihm sagte, dass er sein Ziel erreicht hatte, also ging er aus ihr und leckte sich genussvoll über die Lippen, danach schaute er in ihr Gesicht, sie atmete noch immer sehr schnell und war dabei sich wieder einzukriegen. Er kam zu ihr hoch und drückte sie fest zu sich an die Brust. Es war noch nie vorgekommen, dass sie sich ausschließlich oral befriedigt hatten, aber diese Erfahrung wollte er nicht missen müssen, schon gar nicht mit ihr. Durch sie war ihm erst richtig klar geworden, was wahre Liebe war. ‚Jetzt fühle ich mich bedeutend besser...’, dachte sie sich, es gab nicht umsonst einen guten Grund dafür, dass sie heute zum ersten Mal geschluckt hatte. Normalerweise tat sie so etwas nämlich so gut wie nie, es sei denn, sie war total verliebt und wollte die Person gegen nichts auf dieser Welt eintauschen. Beide waren froh, wenn sie dem anderen auf diese Weise zeigen konnten, dass absolut niemand etwas an ihrer Liebe ändern konnte – schon gar nicht so ein irrer Besessener, der sich auch Boss nannte. Kapitel 5: Knocked down ----------------------- Mit dem Besuch hatte keiner gerechnet; sie waren gerade mit sich selbst beschäftigt gewesen, aber derjenige an der Tür war hartnäckig gewesen und demnach hatte man ihm geöffnet, nachdem Yuichi nachschauen gegangen war, wer diese Person denn war. Weil es Sêiichî derweil nicht besonders gut ging, hatte er ihn natürlich nicht vor der Tür stehen lassen. Rena hatte sich während ihr Freund an der Tür gewesen war, ihre Bluse wieder richtig angezogen, die halb offen gewesen war, weil Yuichi seine Hände nicht davon hatte weg lassen können. Leider war er dann in die Küche verschwunden, wo die Tür einen Spalt breit offen stand, so dass Rena hineinlugte und daraufhin Sêiichî gegen den Tisch gelehnt ausmachen konnte – ganz in Schwarz, wahrscheinlich direkt von einem Auftrag gekommen, so sah er aus. „Tja, ich musste da mal weg, mir ist die Decke auf den Kopf gefallen. Wenn sie mich nicht ablenkt, geht’s mir beschissen.“ „Bist du also noch triebgesteuerter, wenn es dir schlecht geht, oder was meinst du?“ Ein Seufzen war zu hören, denn Sêiichî schien für solche Witze im Moment nicht empfänglich zu sein. „Ich denke jedes Mal, wenn wir kurz davor sind, wie es war, als...“ Um nicht die Beherrschung zu verlieren, schloss der 25-jährige die Augen und griff sich an die Stirn, als würde sein Schädel brummen. „Wie was war?“ Musste er das so genau wissen? Einen Moment zögerte der Jüngere, dann entschied er sich allerdings doch zu antworten und sich alles von der Seele zu reden. „Der Boss hat ihr gedroht... Sie soll ihm doch beweisen, dass nichts zwischen uns läuft.“ Ein angewiderter Ton war dem Blauäugigen gegeben. „Den Rest kannst du dir denken, oder...?“ Sêiichî klang, als würde er sich ekeln und hätte deswegen nicht mehr mit ihr ins Bett gehen können, dabei konnte sie dafür eigentlich nur halbwegs etwas, doch so war es nicht, er fand den Gedanken, dass man sie zwang immer noch am schlimmsten. „Er hat sie fies erpresst... Als ich neulich zu einem Gespräch gekommen bin, hat er vor Jami und mir damit geprahlt. Ist das nicht ekelhaft?“ „Er will eigentlich nur, dass du einen Fehler machst, er wartet darauf. An deiner Stelle würde ich auf so was gar nicht erst eingehen, damit zeigst du ihm nur, dass es dir nicht egal ist, was zwischen ihnen war.“ Ob war das richtige Wort war? Man wusste ja nicht, ob der Boss Derartiges erneut versuchen würde. „Das Schlimmste ist, dass sie sich jetzt ganz seltsam verhält, als wenn sie ein schlechtes Gewissen hat – ich bin ihr nicht böse, es macht mich nur traurig, dass er mittlerweile alles dafür tut, um sie zu kriegen. Und kalt sein, das habe ich mit der Zeit gelernt, ich gehe auf seine verdammten Stichelleien nicht ein. Ich weiß, dass sie nichts für ihn übrig hat und sehe es auch nicht als einen Betrug an – dazu hätte ich ohnehin nicht das geringste Recht, wo ich es doch ständig getan habe, auch noch mutwillig. Sie hat es Zweifelszerstreuung genannt... Sie hat das meinetwegen gemacht, ich sollte das schlechte Gewissen haben. Nur, weil ich sie unbedingt gewollt habe, muss sie jetzt solche abartigen Sachen machen... Sie hält mich wohl für einen Schwächling... Sie muss mich ja vor dem Boss beschützen...“ Das kotzte ihn auf gewisse Weise ziemlich an. Sêiichî tat sich selbst Leid; was sollte Yuichi dazu schon sagen? Bevor er überhaupt zu etwas ansetzen konnte, öffnete Rena die Tür und schaute den Jüngeren schockiert an. „Er hat mit ihr...? Die haben...?“ Sie konnte es gar nicht aussprechen, so eklig war das. „Oh man, da kann ich ja froh sein, dass der Boss mich nicht so sehr mag wie sie.“ Yuichi wollte sich das nicht vorstellen, wenn er der Dumme wäre, der den Liebling vom Boss liebte. Die Vorstellung, dass Rena mit ihm zusammen sein müsste, obwohl sie es nicht wollte, gefiel ihm gar nicht. Er wusste, wie Sêiichî sich jetzt fühlte. Durch seine Gedanken wurde Yuichis Gesichtsausdruck einerseits traurig, aber auch auf gewisse Weise ein wenig wütend, was er stark zu unterdrücken versuchte, aber ein Hauch dessen war dennoch sichtbar. Man konnte ihm ansehen, wie abartig er die Spiele des Bosses fand. Wenn er sie hatte überzeugen können, und er sie dermaßen beeinflussen konnte, musste diesem Mann klar sein, dass sie etwas für Cognac übrig hatte, sonst wäre er ja nie auf diese Idee gekommen – Sorge kam noch zu den anderen Gefühlen hinzu; ja, er sorgte sich um Sêiichî. Ein Fehler und er war schnell aus dem Spiel draußen. Wenn er nicht gekonnt seine Gefühle abstellen konnte, würden auch andere darüber Bescheid wissen, einige wussten es sowieso. Vielleicht hatten diese Leute auch ihren Mund aufgemacht und nebenbei beim Boss geschleimt, indem sie Cognac ans Messer lieferten? Man konnte ja nie so genau wissen. Vielleicht wollte er seinen Freund nur noch etwas quälen, bis er ihn ganz in den Wind schoss. Während Yuichi sich weiterhin Gedanken machte, ließ er Sêiichî reden, das würde ihm ganz gut tun. „Tja, Rena, das kannst du auch als Glück ansehen. Wenn der Boss wieder sauer auf sie war, hat er sie zu sich geholt und eingesperrt, da hatte niemand von uns etwas von ihr – außerdem hat er entschieden, dass ihre Karriere Pause macht! Er kontrolliert doch alles, was sie tut. Auch ihr Herz will er kontrollieren, dafür tut er alles. Ich hätte Lust, ihm ins Gesicht zu sagen, dass wir uns lieben, gerade weil er so große Töne spuckt. So wie der sich aufführt... bah. Sie würde ihn lieben und keiner von uns Handlangern hätte eine Chance, sie bräuchte einen so mächtigen Mann, wie ihn!“ Ungewollt wurde Sêiichîs Stimme lauter, unbeherrschter und auch energischer, er regte sich wohl sehr auf. Besser er ließ es hier raus, als direkt vor dem Boss, was die Schlinge um seinen Hals endgültig zuziehen würde. „Und weil das ja nicht schon schlimm genug war, hat er ihr perverses Zeug auf die Mailbox geredet! Man, ist der widerlich, der hält sich für supertoll, nur weil er so superreich ist – das hat der sowieso alles erbeutet!“ Sêiichî lachte sarkastisch auf, wurde jetzt wohl schnippisch. „Nur zu dumm, dass ihre Liebe nicht käuflich ist und sie mittlerweile nichts mehr für materielle Dinge übrig hat und ihr andere Dinge wichtig sind. Sie hat ja ständig mit Reichen zu tun, die sind irgendwie alle gleich bescheuert!“ Seit er ihn und andere abgehobene Personen kannte, konnte er die Reichen gar nicht mehr leiden. Valpolicella und der Boss dachten doch beide gleich. Sie meinten durch Geld alles erreichen zu können, und wenn das nicht funktionierte, dann ließen sie Waffen sprechen. Nachdem Sêiichî wütend gewesen war, dämpfte er den Zorn und seufzte, während er sich mit geschlossenen Augen gegen den Kühlschrank gleiten ließ. „Manchmal denke ich, ich kann das nicht mehr ertragen... kaum zu glauben, dass ich an ihren Gefühlen gezweifelt habe, immerhin nimmt sie alles für mich in Kauf, das soll sie nicht, aber sie ist stur...“ Ein trauriges Lächeln kam in seinem Gesicht auf. „Jetzt kann er sie mit ihren eigenen Gefühlen erpressen, ich bin so blöd, ich hätte nie zulassen dürfen, dass sie sich in mich verliebt – als kaltes Biest ist sie echt besser dran.“ „Mach dich nicht selbst runter – er ist an allem schuld, nicht du!“ meinte Rena, kam auf ihn zu und legte ihre Hand auf seiner Schulter ab, sodass er sie ansah und leicht verwirrt wirkte. „Nett von dir, aber auf gewisse Weise habe ich alles in die Wege geleitet, meinetwegen leidet sie, wisst ihr, was für ein Gefühl das ist?“ Yuichi zog scharf Luft ein, denn ihm war klar, was Sêiichî meinte. Seine Freundin hatte mit seiner Verehrerin ja auch ständig Ärger, wie hätte er das nicht verstehen können? „Ich denke, er weiß das“, sagte Rena bekümmert, die nicht wollte, dass ihr Freund sich an den Attacken dieser Frau auch noch die Schuld gab, aber sie war sicher, dass es so war. „Tut mir Leid, ihr habt es nicht leichter, aber ich heule euch die Ohren voll.“ Man konnte Reue hören, er war nun mal kein Mensch, der anderen solche Dinge sagte, es sei denn, er konnte wirklich nicht mehr alleine damit fertig werden. Nicht umsonst hatte er schon als Kind alles in sich hinein gefressen. „In Liebesdingen vielleicht nicht...“ Rena dachte daran, was man ihm noch alles antat; dass er seinesgleichen ermorden musste, sobald man ihm das auftrug. „Das habe ich mir selbst eingebrockt, also muss ich auch alleine damit klarkommen. Solange sie mich nicht in diesem Mist alleine lässt, wird es schon irgendwie weitergehen.“ ‚Das weiß sie, denke ich’, Yuichi öffnete jetzt seine Augen wieder. Obwohl er Sêiichîs Gesicht bei seinen Erzählungen nicht gesehen hatte, wusste er, wie er dabei wohl ausgesehen hatte, ‚Wahrscheinlich hat sie auch noch Angst davor, dass er dich töten lässt und ist deswegen mit ihm ins Bett...’ So klang das dem 27-jährigen zumindest, nach dem, was Sêiichî ihnen erzählt hatte. „Hast du Angst, sie verlässt dich, oder wieso sprichst du es an?“ fragte Rena bekümmert darüber. „Sie verlässt mich nicht – dazu müsste schon einer von uns sterben.“ „Mal den Teufel doch nicht an die Wand!“ fauchte die Braunhaarige, was ihr gar nicht ähnlich sah, sie konnte solche Aussagen aber nun mal nicht ertragen, schon gar nicht, wenn sie von Leuten kamen, die Yuichi am Herzen lagen. „Was denn? Das ist nur die Wahrheit! Der Tag, an dem der Boss uns trennt, kann nur kommen, indem er einen von uns ermorden lässt, was wohl nicht sie sein würde...“ Jetzt lachte der 25-jährige, obwohl es nicht nett von ihm war, sich darüber lustig zu machen. ‚Das erleichtert mich... Ihr wird in keinem Fall etwas zustoßen – wenn, dann trifft es bloß mich...’ Eine gewisse Schadenfreude war ihm gegeben, er konnte nicht anders, hielt aber den Mund und sagte es nicht, er hatte schließlich genug – fast zu viel - gesagt. Yuichi fand, dass Sêiichî damit sehr leichtfertig umging. „Tu nicht so, als hättest du nicht mehr viel zu verlieren!“ „Was denn? Ich stehe mit einem Bein im Grab! Wenn nichts passiert, bin ich bald ganz draußen! Etwas Realismus schadet nie!“ „Hast du keine Angst davor? Denk daran, dass du sie mit unendlicher Trauer und einem gebrochenen Herzen zurücklassen würdest.“ Rena hatte sich das beim besten Willen nicht verkneifen können. „Also rede nicht so darüber.“ „Was denkst du denn, wieso ich brav mache, was man mir sagt? Selbst wenn es mich zerstören sollte, ich kann nicht aufgeben, solange es Menschen gibt, die mich lieben.“ Ohne diese Menschen wäre er längst tot, weil er sich erschossen hätte. ‚Dafür tust du alles – das ist nett gemeint, aber kommst du wirklich klar?’ Ein Blick in Sêiichîs Gesicht sagte alles, er sah nicht nur erschöpft aus, sondern auch irgendwie mit dem Nerven am Ende, psychisch war er nun wirklich nicht in Ordnung. Das schlechte Gewissen erdrückte ihn – das hatte Carpano schon bemerkt, als er das erste Mal gesagt hatte, dass er aufgeflogen war. Aber selbst wenn Sêiichî es hätte verstecken können, wäre es ihm klar gewesen, schließlich kannte er ihn schon eine beachtliche Zeit. Nach Cognacs Besuch bei seinen Freunden hatte der junge Mann noch etwas anderes zu tun. Auch wenn es ihm nicht gefiel, musste er diesen Auftrag noch immer ausführen. Jami würde wohl irgendwo in der Nähe lungern und aufpassen, dass der Jüngere auch tat, was man von ihm verlangte. ‚Warum ist der Kerl zu feige was zu unternehmen? Jetzt habe ich diese Scheiße und muss sie ausführen... Was bringt dieser Mord der Organisation? Er weiß nicht wirklich viel...’ Mit schlechtem Gewissen öffnete er die Tür zum Hotelzimmer, in dem er sich mit seiner Freundin traf. Sie kam gerade aus dem Schlafzimmer und musterte ihn. „Du bist ja früh zurück... Hattest du nicht noch etwas vor?“ „Ich will nicht, dass Kazumi Ashida mein Gesicht sieht...“ „Aha“, antwortete die Blondine nur, denn ihr war klar, dass Cognac damit meinte, dass sie nachhelfen und sein Gesicht verändern sollte. ‚Tja, Verkleidungen haben so ihre Vorteile, man kann schön unerkannt bleiben und sorgt nicht für unnötige Leichen...’ Ihr kam es aber vor, als würde Sêiichî etwas anderes bezwecken, als einfach nur ungestraft diesen Mord zu begehen. Es war etwas in seinem Gesicht zu erkennen. „Kennst du Kazumi, oder wieso machst du so ein Gesicht, Darling? So warst du bisher noch nie, wenn es darum ging einen Polizist zu töten. Klar, sie erfahren, dass du sie hintergangen hast, aber wieso willst du es diesmal nicht? Kaum einfach so...“ Ihm war klar, dass die Blondine keine Ausflüchte akzeptieren würde, also versuchte er es gar nicht erst. „Ja, ich habe mich mit ihm unterhalten, ich will nicht, dass er an sich zweifeln muss, nur weil er auf mich reingefallen ist. Wie würdest du das finden, wenn dich jemand umbringt, von dem du das nie gedacht hättest? Mir war so, als würde er mich mögen. Ich kann niemanden umbringen, der mich mag... also darf er mich nicht erkennen...“ Kaum hatte Cognac erklärt, was in ihm vorging, hatte die Schauspielerin auch schon eine Idee. Sie war voller Vorfreude, was ihm auch auffiel, trotzdem sagte der junge Mann nichts. Er würde ohnehin keine Antwort bekommen, wenn er sie jetzt fragte, warum sie sich dermaßen freute. ‚Mal sehen, was sie aus mir macht...’ Sêiichî schaute ihr fasziniert dabei zu, wie sie ihm eine Maske herstellte, so war es immer gewesen, wenn die beiden zusammen gearbeitet hatten. Es war schon öfter vorgekommen, dass sie Verkleidungen für ihn gemacht hatte, jedoch mehr für irgendwelche Opfer der Organisation, die sie verschont hatten. Da konnten sie eigentlich ja richtig stolz auf sich sein. ‚Wenn der Boss jemals erfährt, dass ich da mitgemacht habe, wird er ihn bestrafen, weil er nie auf die Idee käme, dass ich das aus freiem Willen getan habe. Er denkt noch immer, dass es mir Spaß macht, Mörderin zu sein. Was für ein Vollidiot. Mich muss man nicht dazu zwingen, Leute zu verschonen, die durch unglückliche Umstände reingeraten sind... Warum kann ich mich nicht darüber freuen, dass ich so davon kommen würde? So sehr liebe ich ihn? Kann doch nicht sein! Ich habe mir vor Jahren geschworen, nie wieder jemanden so zu lieben, dass es wehtun würde, ihn zu verlieren.’ Vermouth betrachtete ihr Werk und grinste vor sich hin. „Mach die Augen zu, Sêiichî.“ Er tat, wie ihm geheißen war und spürte etwas Feuchtes auf seiner Haut, trotzdem wagte er es nicht, seine Augen zu öffnen. Der Schwarzhaarige wusste, dass sie ihm die Maske aufsetzte. „Erschreck nicht, wenn du seine Visage siehst...“ Ja, er würde schockiert sein, denn in seiner Haut zu stecken, würde dem Polizist überhaupt nicht gefallen. Obwohl die Zeit immer wie im Flug verging, wenn er bei ihrer Arbeit zusah, war es ihm ein Rätsel wie zwei ganze Stunden umgehen konnten, als seien es Minuten. „Oha! Wer bin ich? So schlimm?“ Sêiichî konnte sich wahrscheinlich nicht vorstellen, was seine Freundin da genau getan hatte. „Sag bloß, jetzt bin ich Teran?“ „Schlimmer als Teran...“ „Um Himmels Willen... Was für einen Massenmörder hast du aus mir gemacht, Schätzchen?“ Warum spannte die ihn jetzt so auf die Folter? Die Blondine holte einen Spiegel hinter dem Rücken hervor und hielt ihm diesen vors Gesicht. „Bin ich nicht toll? Unverkennbar, wen du darstellen sollst. Jetzt musst du nur noch so richtig dreckig grinsen und mein Werk ist perfekt!“ „Mir wird schlecht, wenn ich dieses Gesicht zu lange sehen muss!“ Etwas aufgebracht schob Sêiichî den Spiegel weg, er wollte wirklich nicht länger als nötig diese Fratze sehen, auch wenn der Schwarzhaarige, den er darstellte, wirklich nicht besonders hässlich war – eher im Gegenteil. „Gomen, Darling, aber um ihn ist es wirklich nicht schade... Oder nicht? So etwas, was du tun sollst, tut er ja ständig. Ihn darf man sehen... geschieht ihm eh mal nicht anders, dem Mistkerl!“ In der Stimme der blonden Frau lag jede Menge Hass und Verachtung, was Sêiichî zu einem leichten Seufzen brachte. „Cool down“, meinte der Schwarzhaarige und streichelte sanft ihre Wange. „Muss das sein, wenn du er bist? Du weißt doch, dass er mich nicht anfassen darf, NEVER!“ Dem 25-jährigen war ein schmollender Ausdruck gegeben. „Schau mich eben nicht an, wenn dir das so zuwider ist, aber ich will trotzdem einen Kuss von dir... So als kleinen Glücksbringer, dass alles glatt läuft und mir nicht irgendwelche Missgeschicke passieren.“ ‚Warum hast du es nicht vorher getan...?’ Chris lächelte den Mann an, bei dem echten hätte sie es nie auf diese Weise getan. „Gut, du bist ja nicht er, aber auch nur deswegen. Dieser Mann wird mich nie wieder küssen...“ Bei dem Gedanken wurde ihr fast schlecht, sie wollte nicht mehr daran denken, dass er sie mal geküsst und sogar angefasst hatte – gegen ihren Willen. „Halt den Mund, Süße...“ Sêiichî zog seine Freundin an sich und küsste sie ungestüm, was typisch für ihn war, außerdem wanderte seine Hand unter ihren Rock und streichelte ihr Bein hinauf. „Bedaure“, meinte die Frau, nachdem sie sich von ihm gelöst hatte, nahm sie seine Hand von sich und hielt diese fest. „Aber das ist zu viel des Guten. Nicht mal Cognac darf das, er schon gar nicht. Wenn du mich anfassen willst, muss du wieder Sêiichî sein, vorher kriegst du nichts...“ Nicht einmal eine einfache Berührung würde er bekommen. Der Verkleidete konnte froh sein, dass die Frau so nett gewesen war, sich wenigstens von ihm küssen zu lassen, solange er nicht er selbst war, mehr wollte Sêiichî auch nicht von ihr verlangen. „Ich versuch mich zu beeilen.“ Nachher, wenn er zurück war, würde er sich mit seiner Freundin trösten, denn es lag klar auf der Hand, dass Sêiichî wie immer deprimiert sein würde, wenn ein weiterer Beamter durch ihn fiel. „Sei nicht hektisch, dann machst du vielleicht Fehler. Auch wenn du sein Gesicht hast, kann alles rauskommen, wenn du nervös bist. Vergiss deine Handschuhe nicht und geh nicht zu nah an das Opfer ran, hörst du?“ Anscheinend wurde seine Freundin panisch, wieso überhaupt? „Noch nie habe ich dumme Fehler gemacht und dadurch für die Polizei brauchbare Spuren hinterlassen...“ Die Frau seufzte. „Es reicht schon, dass du die ganze Zeit deine Dienstwaffe benutzt hast, bist du eigentlich total bescheuert? Schaff dir eine zweite Waffe an! Ryochi hat deine schließlich untersuchen lassen und weiß genau, dass du dieser Mörder bist. Er hat dich laufen lassen. Sei froh, dass nur er das war, jeder andere hätte dir verdammt viel Ärger gemacht.“ Man konnte der Frau anhören, dass sie ziemlich wütend wegen dieser Sache war. „Das hätte nie jemand getan, weil nie jemand auf die Idee gekommen wäre. Er tat es, weil irgendjemand mit einer Sigsauer seine Frau umgebracht hat. Er traut mir wohl jede Menge zu.“ Sêiichî senkte den Kopf. „Außerdem reichen die Beweise nicht aus. Selbst wenn Leute mit meiner Waffe getötet wurden, kann man mir diese Waffe genauso gut abgenommen haben, zumal keine weiteren Spuren gefunden wurden. Nur die Kugeln. Wer sie abgefeuert hat, können die sich nur denken. Gut, Ryochi und sein Vater sind drauf gekommen... aber...“ Ihm wurde jetzt eigentlich erst bewusst, was er da sagte. „Was macht dich so sicher, dass man dir verzeihen wird?“ Immerhin war keinem klar, wie viel die beiden wirklich wussten. „Ryochi hat es ihm sicher erklärt. Wenn ich etwas weiß, dann dass er zu mir halten wird, genauso wie seine Mutter. Sie ist ja schließlich Staatsanwältin.“ Auch wenn Sêiichîs Naivität nicht lustig war, musste Chris jetzt lachen. „Und du denkst, sie wird ihren Job aufs Spiel setzen, um dich zu beschützen? Sei doch nicht so leichtgläubig. Für die Morde, die in letzter Zeit geschehen sind, wirst du jede Menge Ärger bekommen. Denkst du, man verschont dich? Das Beste wird sein, wenn du dann ganz schnell ins Ausland verschwindest.“ „Ich werde nicht weglaufen!“ Angst war nicht immer ein Grund dafür, einfach die Flinte ins Korn zu werfen. „Es kann schon sein, dass ich sitzen muss, aber das werde ich auch schaffen. Die Zeit steht nicht still, sie geht irgendwann um.“ „Du würdest dich an Stelle unseres Bosses hinter Schloss und Riegel begeben? Er sollte bluten, nicht du! Er zwingt dich dazu! Dafür sollte man ihn bestrafen.“ Wahrscheinlich würde es nicht so kommen, wer wusste das schon? „Willst du sagen, es war ein Fehler?...“ „Man wird sagen, dass wir die Wahl zwischen diesem Leben und dem Tod hatten. Da bin ich vollkommen sicher. Bei mir wird das noch etwas schlimmer werden. Man wird mir Beihilfe vorwerfen, so ist das nun einmal. Ich unterstütze dieses Ekel immerhin, ist es nicht so? Wenn sie ihn kriegen, wird er alles tun, um da wieder rauszukommen. Vielleicht schiebt er auch alles mir in die Schuhe. Vielleicht war ich dann die Drahtzieherin, die Frau, die das alles wollte.“ „Was redest du da überhaupt? Wieso sollte der Mistkerl so etwas denn behaupten?“ „Ich stehe ja angeblich auf Reichtum, Macht und bin eine skrupellose Erpresserin, die andere Leute benutzt. Hast du dich noch nie umgehört? Ich bin die Geliebte vom Boss. Meinst du, wenn Zeugen das bestätigen, wird man mir glauben, dass er mich nur benutzt hat? Ach komm, so naiv kannst nicht mal du sein.“ Die Frau hatte sich weggedreht, während ein heftiger Schweißausbruch dafür sorgte, dass sie sich über das Gesicht wischte. „Im Grunde bin ich ihm doch egal, solange er nur über mich verfügen kann, des Weiteren ist nicht eingeplant, dass man ihn mal in die Finger kriegt. Was, wenn er nicht auffindbar ist? Dann sind wir alle Lügner...“ „Pah!“ Sêiichî zeigte einen arroganten Gesichtsausdruck, ging auf sie zu und legte seinen Kopf auf ihre Schulter. „Selbst wenn man dir nicht glaubt, mir wird man sicher glauben, genauso wie Yuichi, er steht ihnen schließlich noch näher, als ich.“ Auch wenn der 27-jährige von zu Hause abgehauen war, um in diese verfluchte Organisation einzutreten, würden seine Eltern ihm Glauben schenken, davon war Sêiichî überzeugt. „Mach dir keine Sorgen um mich. Deine Befürchtungen werden nicht wahr werden – der Boss wird es auch dann nicht schaffen, uns zu trennen.“ „Vielleicht bin ich auch zu pessimistisch, das wird’s sein“, kam aus ihrem Mund, sie klang monoton, doch innerlich ging es ihr nicht besonders gut, auch wenn sie es gut verstecken konnte, war ihm das klar. „Ich muss jetzt los, sonst lasse ich mein Opfer nur unnötig warten – genauso wie Jami...“ „Nicht deines, seines!“ Er sollte nicht sagen, dass das sein Opfer war, ihrer Meinung nach, waren alle Aufträge im Grunde Morde vom Boss, auch wenn er sie nicht begangen hatte. „Du willst ihn schließlich nicht ermorden, das will der Boss, merk dir das!“ „Ist schon gut, ich weiß das selbst.“ Sêiichî ließ sie los und ging zur Tür. „Bis später, mach dich nicht verrückt deswegen.“ Es sah ihr gar nicht ähnlich, sich so viele Sorgen zu machen, oder war ihm das bisher nur noch nicht aufgefallen, dass die Frau es tat? „Bis später.“ Sêiichî verließ nachdenklich das Hotelzimmer und machte sich auf zu den Aufzügen, während sie am Fenster stand und darauf wartete, dass ihr Freund den Ausgang passieren würde. „Irgendwie habe ich ein ziemlich beschissenes Gefühl bei der Sache...“ Chris atmete ein paar Mal ein und aus, um sich wieder zu beruhigen. Es war schon öfter vorgekommen, dass sie ein schlechtes Gefühl hatte und kurz darauf war etwas Schreckliches passiert. „Pass auf dich auf, wenn es sein muss so gut, dass dadurch andere sterben, zögere nicht, das hast du früher ja auch nicht getan.“ Der Grund für ihr schlechtes Gefühl war dieser Killer, den sie anscheinend nicht kannten. Derjenige, der Shina Kudô hatte ermorden können. Sie hatte sich über die Begebenheiten informiert, ohne dass jemand es wusste. Jemand, der diese Detektivin einfach so töten konnte, und dabei genauso gut – nein besser – als Cognac war, hatte vor diesem sehr zu schaden. Warum? Wer war dieser Killer? Oder war es gar eine Frau? Vermouth wusste es nicht, und unwissend sein, hasste die Frau wirklich. Man wusste nicht, was auf einen zukam. Vielleicht hatte seine Freundin Recht mit ihren Sorgen gehabt, denn es ging wirklich etwas schief. ‚Gott will meine Mörderkarriere beenden, deswegen muss ausgerechnet ich jemanden töten, der meinem besten Freund ähnelt...’ Als Cognac versucht hatte, sein Opfer zu erledigen, war ihm dieses entwischt. Er musste den jungen Mann erst wieder finden, der mit einem Motorrad vor ihm hatte fliehen können. Zu Cognacs Glück allerdings verlor das Motorrad Benzin, so dass es einfach war, der Spur zu folgen. Kazumi war so schnell gefahren, dass eine Polizistin ihm nachgefahren war, um ihn anzuhalten. Der Mann hatte sich bis nach Haido durchgekämpft, wurde dort aber von Miwako Satô, die ganz in der Nähe gewesen war, geschnappt. „Das war eine klare Geschwindigkeitsübergrenzung!“ fauchte ihn die junge Frau an. „Satô-san, das ist ein Notfall, ich werde verfolgt“, verteidigte sich der 24-jährige, so dass die Kriminalistin ihn verwirrt ansah. „Ein Notfall? Wie meinen Sie das?“ „Jemand hat versucht, mich zu erschießen!“ Panisch wie der Mann war, erfasste er Miwakos Schultern und rüttelte sie. „Ich hab doch keinem etwas getan! Ich mache nur meine Arbeit! Helfen Sie mir!“ „Ganz ruhig, Ashida-san“, versuchte die Schwarzhaarige den aufgebrachten Mann zu beruhigen und lud ihre Waffe. „Denken Sie, dass er es geschafft hat, Ihnen bis hierher zu folgen?“ „Hoffentlich nicht.“ ‚Hoffentlich doch, dann kann ich ihn mir schnappen’, dachte die Frau und gab dem Mann ein Zeichen, sich ruhig zu verhalten, bevor sie sich im nahegelegenen Wald etwas verschanzten und auf Cognacs Auftauchen warteten. Kaum drei spätere Minuten war es auch schon so weit, man hörte Schritte, weshalb Miwako ihre Waffe fester mit den Händen umklammerte. ‚Komm nur, dich krieg ich!’ Immer lauter werdend konnte man die Schritte hören, bis sie ganz aufhörten. Der Mörder war stehen geblieben und schaute sich genauer um. ‚Wo versteckt er sich?’ Das Motorrad lag am Boden, demnach hatte sich Jamis Bruder entschlossen, zu Fuß den Weg fortzusetzen. Weit gekommen sein konnte er demnach aber nicht. Als Miwako den Schwarzhaarigen, anders als er sie, sah, schnellte sie nach vorne und bedrohte ihn mit ihrer Dienstwaffe. „Keine Bewegung! Ich verhafte Sie, leisten Sie Widerstand, sehe ich mich gezwungen meine Waffe zu gebrauchen!“ Schockiert sah Sêiichî in das Gesicht der Kommissarin, die er heute nicht das erste Mal sah. ‚Ach du Scheiße, muss das denn jetzt auch noch sein? Mein Tag ist wohl noch nicht beschissen genug... was?’ Schweiß breitete sich im Gesicht des Mörders aus, ebenso in ihrem. Miwako konnte nicht glauben, was sie da sah. Der Mann mit der Waffe sah Wataru mehr als nur ähnlich... wie war das nur möglich? Ein Doppelgänger? Sêiichî hatte nicht eingeplant jemandem wie Miwako Satô zu begegnen. Die würde ihn nicht laufen lassen, was hieß, dass er sie ermorden müsste, doch das konnte der Mann nicht. Ein sehr guter Freund seinerseits war schließlich total in diese Frau verliebt. Noch dazu war es nicht sein Auftrag, ihr etwas anzutun, doch das würde es bald sein, wenn er sie heute nicht erschoss. Sobald der Boss erfuhr, dass sie ihn dabei ertappt hatte, wie er einen Polizist hatte ermorden wollen, würde er sofort anordnen, sie umzubringen. Aber was blieb Cognac anderes übrig, wenn er fliehen wollte? Oder sollte er sich etwa ergeben? Das würde der Boss ihm nicht durchgehen lassen. Er befand sich in einer ziemlichen Zwickmühle und wusste nicht, wie er wieder herauskommen sollte. Trotz der Waffe, die auf Miwako zeigte, hatte er nicht vor, abzudrücken. „Waffe runter, aber plötzlich und keine Bewegung! Fordern Sie es nicht heraus!“ Die Kommissarin würde abdrücken, das war Sêiichî wohl bewusst. Jami war ganz in der Nähe und beobachtete das Ganze, aber er hatte nicht vor, einzugreifen. Das konnte ihm keiner zum Vorwurf machen. ‚Irgendwie bin ich froh, dass diese Polizistin aufgetaucht ist... Sie wird Cognac an seinem Erfolg hindern...’ Jami grinste während seiner Worte leicht gehässig vor sich hin. Wenn er nichts tat, war er auch kein Verräter, demnach würde niemand ihm etwas anhaben können. Währenddessen setzte Cognac einen gemeinen, kalten Blick auf, bevor er abdrückte und die Kugel knapp an Miwako vorbei sauste, so dass sich die Frau gezwungen sah, abzudrücken. Doch genau den Moment der Verwirrung nutzte Jami für ein paar Schüsse aus, die die Polizistin inne halten ließen. Somit hatte Cognac Zeit die Straße hinab zu verschwinden, während Miwako ihm nachrannte. ‚Jetzt hat er auch noch einen Komplizen, das hat noch gefehlt!’ Genau das hatte Jami bezweckt. Er wollte, dass man von ihm wusste, wenn auch nur indirekt. Der Mann sprang aus dem 1. Stock eines Abrisshauses, das natürlich nicht mehr bewohnt wurde und setzte sich anschließend in sein Auto, das in der Nähe stand. Es kam um die Ecke und somit fing Jami Cognac ab. „Los, mach schon und steig ein!“ Dass er ihm noch mal den Arsch retten würde, hatte der Jüngere nicht gedacht, ihm blieb aber auch nicht viel Zeit, darüber großartig nachzudenken, also stieg er ein, woraufhin Jami Gas gab und an Miwako vorbei bretterte, die Schlamm abbekam und wieder einen Moment abgelenkt war. Sie holte schnell ihr Handy raus und telefonierte mit Megure, damit sie Verstärkung bekam, weil sie zu Fuß unterwegs gewesen war, immerhin wohnte sie ganz in der Nähe. Eigentlich hatte sie sich mit Wataru in einem Restaurant treffen wollen, doch das fiel ja wohl erst mal ins Wasser. s Der Mann, welcher gerade sowieso in das Restaurant hatte gehen wollen, bemerkte die junge Frau und fragte sich, wieso sie denn so aufgeregt telefonierte, also rannte er zu ihr hin. „Äh, Satô-san, was machen Sie denn hier?“ Verblüfft sah ihn die Frau an und legte auf, da sie ihr Telefonat so weit beendet hatte, dass Megure ihr ein paar Leute schicken konnte. „Ashida-san wurde beinahe umgebracht, der Täter ist geflohen, Verstärkung ist aber schon unterwegs, vielleicht ist es den anderen auch möglich, dass sie den Mann auf dem Weg schon zu fassen kriegen.“ „Aber euch ist nichts weiter passiert? Oder doch?“ Miwako schüttelte den Kopf. „So weit ist alles okay, aber etwas beschäftigt mich da...“ Die Kriminalistin senkte tief den Kopf und ließ Wataru jetzt auch ein wenig fragend schauen. Man konnte ihr ansehen, dass sie angestrengt über etwas nachdachte und keine Antwort fand. „Der Mann... er sah dir sehr ähnlich.“ Im Gesicht des 24-jährigen breitete sich sehr schnell der Schock aus, er sah aus, als wäre er einem Geist begegnet, dann jedoch schloss er seine bis eben geweiteten Augen und senkte den Blick zu Boden. „So, dann kennst du ihn jetzt. Mein Beleid.“ „Wie bitte? Was willst du denn über den Mann wissen? Rede!“ Miwako schnappte sich Watarus Kragen und rüttelte ihn, doch er wich ihrem Blick aus, indem er zur Seite schaute. „Was verschweigst du mir da?“ Miwako war schon ein wenig empört, dass es Dinge in Watarus Leben gab, die ihr einerseits nicht gefielen und andererseits hatte sie gar nicht erst gedacht, dass er schlimme Geheimnisse haben könnte. „Du bist meinem Vater begegnet, der mich seit Jahren sucht und eigentlich umbringen will. Da hattest du richtig Glück, du könntest tot sein, Miwako.“ Zum ersten Mal wagte der Mann sie beim Vornamen zu nennen und schloss sie einfach in seine Arme. „Wie gut, dass er nicht weiß, wer du bist... Trotzdem sieht es ihm nicht ähnlich, eine Polizistin leben zu lassen. Hast du ihn schwer verletzt?“ Jetzt war Miwako noch verwirrter denn je. Was meinte ihr Kollege damit nur? „Wataru, was meinst du damit?“ Ihre Stimme zitterte ein wenig. „Dass er mich hasst, weil ich bei der Polizei bin. Da ist es echt ein Wunder, dass ihr unversehrt seid...“ Die Kriminalistin löste sich von ihrem Kollegen und blickte ihm in die Augen. „Ich denke, du irrst dich. Der Mann, der ihn“, sie zeigte auf Kazumi, „töten wollte, war nicht verhasst auf Polizisten, das hätte ich ihm ansehen können.“ „Das widerum ist noch seltsamer...“ Wataru schüttelte den Kopf. „Er hatte wohl einen sehr guten Tag, und wusste zum Glück nicht, dass du mir nahe stehst...“ Ein bitteres Lächeln war dem Dunkelbraunhaarigen gegeben, er versuchte zu lächeln, um der Frau, die er liebte, nicht zu zeigen, wie mies er sich durch den Hass seines Vaters fühlte. „Ich verstehe wirklich nicht, wieso er euch verschont hat, das ist mir ein Rätsel. Er hat schon früher gerne Polizisten getötet, Megure weiß über ihn Bescheid. Schon seit Jahren versucht man ihn zu schnappen... Er hat vor Jahren einen einzigen Mord in dieser Stadt begangen, aber ich habe aus Angst geschwiegen. Meine Freundin war es... Ja sie... sie hat er vor meinen Augen erschossen... Nur um mir wehzutun... Obwohl ich ihn nicht sehen konnte, weiß ich, dass er dafür verantwortlich war...“ Wataru konnte nicht verhindern, dass er jetzt doch wieder den Kopf senkte und Miwako nicht in die Augen sah. „Bist du deswegen zur Polizei, um diese Ungerechtigkeit endlich zu beenden?“ Die Frau hob sein Kinn an, somit musste der Mann sie ansehen, da sie es auch festhielt, um ihn daran zu hindern, den Kopf wegzudrehen. „Auf gewisse Weise schon, immerhin gibt es viele solche Menschen, ich wollte etwas ändern. Aber verstehst du, Miwako... er weiß nicht, dass ich dich liebe, das hat dir vielleicht das Leben gerettet.“ Erstaunt sah sie ihren Kollegen an. Nur für einen Moment zwar wusste die Frau nicht, was sie dazu sagen sollte, so überrascht hatte man sie. „Und davor hast du Angst, nicht wahr? Ich verspreche dir, dass mich dieser Mann niemals klein kriegen wird. Mich doch nicht. Mach dir keine Gedanken.“ Ihr süßer Baka hatte wohl nicht bemerkt, dass er ihr ein Liebesgeständnis gemacht hatte. Er war eben verpeilt. Trotz seiner Erzählung war ihr danach, zu lächeln. „Du hast Mut, das muss man dir lassen, ich denke, ich mag starke Frauen. Deswegen habe ich mich in dich verliebt.“ Woher wohl dieser Anfall von Ehrlichkeit kam? Er selbst wusste es nicht einmal, es überkam den Dunkelhaarigen einfach. Von weitem konnte man schon die Polizeisirenen hören. „Jetzt wird er von der Polizei gejagt, hoffentlich kriegen dabei unsere Kollegen nichts ab. Wenn es um die Polizei geht, hat er normalerweise nicht im Geringsten ein Herz. Meine Mutter sagt immer, dass er es nicht anders weiß, was durch ein Ereignis in seiner Jugend ausgelöst worden ist. Das ist jetzt über 30 Jahre her, damals wurde meine Tante, seine kleine Schwester von einem Polizisten erschossen, seitdem scheint er die Polizei regelrecht zu hassen. Er kämpft beinahe schon gegen sie. Ich wünschte, ich könnte ihn wachrütteln, aber das hat bisher noch niemand geschafft. Er braucht viel Zeit zum Nachdenken, im Gefängnis wird er die ja haben, wenn er denn irgendwann mal geschappt wird. Die Hoffnung habe ich noch nicht aufgegeben. Ich glaube fest daran, dass er irgendwann gegen die Polizei verliert und deswegen ins Gefängnis wandert.“ „Das ist die richtige Einstellung, dafür hättest du eigentlich eine Belohnung verdient, immerhin ist es schwer, sich einzugestehen, dass der eigene Vater ein verrückter Mörder ist.“ Wataru schloss die Augen und lehnte sich an die Schulter seiner Kollegin. „Wenn er nur ein Mörder wäre... aber er ist so ziemlich das gemeinste Schwein, das ich kenne – oder ich bilde es mir ein. Unsere Familie ist durch ihn zerrissen, aber das interessiert ihn nicht wirklich. Es tut weh, aber man lernt damit zu leben. Manchmal habe ich das Gefühl, unsere Mutter liebt ihn mehr als ihre Kinder. Sie fand ja, wir sollten nicht für das Gesetz arbeiten, und schneidet uns etwas, aber was soll’s? Jeder geht seinen Weg, nicht wahr?“ Es kam der Kriminalistin so vor, als wäre ihr Freund total alleine gelassen worden, so klang es ihr wirklich. Das tat ihr Leid. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich streite auch oft mit meiner Mutter, aber das sind Kleinigkeiten, nicht so wie bei euch.“ „Am besten sagst du gar nichts, wenn du nicht weißt, was. Du musst ja auch nichts sagen. Es ist schon okay. Ich bin nicht ärmer dran, als der Großteil an Menschen, die in so was reingeschlittert sind. Du zum Beispiel hast als kleines Mädchen deinen Vater verloren, das finde ich schlimmer. Mein Vater ist eben nicht normal, nehmen wir es hin.“ Jeder hatte seine Art mit solchen Dingen umzugehen. Sêiichî zum Beispiel lebte schon seit Ewigkeiten alleine, hatte einen missratenen Bruder, der ihn hasste und hing an einer Mörderin, weil er sonst niemanden zu haben schien, der ihn aufrichtig liebte. Wenigstens hatte Wataru noch seine kleine Schwester, die ihn zum Glück auch mochte. „Was heißt eigentlich wir? Wer ist die zweite Person?“ Das interessierte Miwako nun doch. „Die Frau in meinem Leben, was sonst? Meine kleine Schwester. Du brauchst keine Angst haben. Wir wohnen nicht mal zusammen. Sie kommt manchmal am Wochenende, um sauberzumachen, wenn ich wieder nicht dazu gekommen bin. Sie studiert, hat also kaum Zeit, jedenfalls sehe ich sie nicht so besonders oft. Ich vermisse sie schon ein wenig, aber auch das kriege ich hin.“ „Du bist ja einsam“, stellte Miwako fest und drückte ihn fest an sich. „Darf ich das ändern? Darf ich meine Sachen packen und einfach mal eine Weile bei dir bleiben?“ „Ähh...“ Der Angesprochene wurde augenblicklich rot wie eine Tomate und stammelte nur noch vor sich hin. „Na ja... ich weiß nicht... Wieso denn das?“ Solche dummen Fragen konnten wieder nur von ihrem Baka kommen. „Willst du nicht? Du hast vorhin selbst gesagt, dass du mich liebst! Du bist überführt!“ Die junge Frau machte sich einen kleinen Scherz daraus und lachte. „Ja, schon, aber ich will nicht, dass du aus Mitleid zu mir kommst.“ „Du bist echt einmalig, du kriegst nichts mit. Ich kann mir gut vorstellen, dass deine Schwester bei ihrem Freund ist und deswegen so wenig Zeit hat... Weil du ja eh nichts mitkriegst, ist es sowieso leicht, dir etwas vorzumachen.“ „Eh? Was soll das denn jetzt heißen?“ Der Sergeant blickte seine Freundin mit Halbmondaugen an. „Meine Schwester kann nicht so mit Männern! Sie hatte seit Jahren keinen Freund! Und wenn sie einen hätte, würde sie mir das sofort sagen.“ „Sie muss dir ja nicht alles auf die Nase binden, das geht dich ja nichts an. Am Ende denkst du, dass sie noch klein ist. Wie alt ist sie eigentlich?“ „Sie wird 23. Sag jetzt bloß nichts. Ich werde übrigens Anfang nächsten Jahres auch schon 25, wie die Zeit vergeht. Damals waren wir noch Kinder, die typische Kinderprobleme hatten, mit 14 kamen erst die richtigen Probleme. Na ja... Wann hast du Geburtstag?“ Miwako schloss die Augen. „Ich weiß, wann du Geburtstag hast, ich habe meine Quellen.“ „Oioi, jetzt bin ich aber beeindruckt“, meinte Wataru und grinste in sich hinein, „Yumi hat geplaudert?“ „Sie kann den Mund sowieso nicht halten, aber kriege ich jetzt endlich mal eine Antwort? Darf ich nach Dienstschluss bei dir reinschneien, oder ist dir das nicht recht?“ „Mhm...“ Der Kriminalist markierte den nachdenklichen Mann, lächelte dann aber. „Also, eigentlich spricht nichts dagegen. Es ist nur nicht so aufgeräumt.“ „Ojee, bei mir auch nicht, ich bin das also gewohnt. Nichts Schlimmes, wie du siehst. Aber eines will ich noch los werden...“ Die kurzhaarige Frau nahm Watarus Hand und malte ihm mit dem Finger ein Herz darauf, was sogar er verstand. „Traust du dich nicht?“ „Ich hab’s nicht so mit so etwas. Das letzte Mal war irgendwann in der Grundschule.“ Die Frau wurde leicht rot um die Nasenspitze und schaute zu ihm nach oben, um ihre Hände um seinen Nacken zu legen und ihn langsam zu sich zu ziehen. ‚Bitte nur eine Minute... wehe jetzt stört jemand...’ Es war schon oft geschehen, dass sie solche Sachen ausgerechnet dann überkamen, wenn irgendjemand in der Nähe war, der sie dann wieder abhielt. Dieses Mal schienen die beiden Polizisten Glück zu haben, denn als Inspektor Megure mit seiner Gruppe ankam, waren sie bereits in einem Kuss versunken und bemerkten den dickeren Mann nicht einmal. Dieser staunte ein wenig, musste dann aber leicht peinlich berührt seinen Hut tiefer ziehen und lächeln. ‚Ich dachte schon, die kriegen das gar nicht mehr auf die Reihe...’ Und kein Shiratori in der Nähe, der hätte nerven können. Aber dem Mann wäre es sogar recht gewesen, wenn er jetzt die beiden gestört hätte, aber er war ja bereits tot. Megure war sehr erleichtert, dass es den beiden Menschen so gut ging, sie hätten genauso, wie Shiratori diesem Mörder zum Opfer fallen können. Der Inspektor würde alles dafür tun, ihn endlich zu kriegen. Wie krank musste ein Mensch sein, um einen Polizist nach dem anderen töten zu wollen? „Ähähm“, räusperte sich der pummelige Mann jetzt nach einer ganzen Minute, schaute beide aber nicht vorwurfsvoll sondern lächelnd an. „So weit scheint ja alles in Ordnung.“ „Ja, Inspektor, bis auf die Tatsache, dass der Täter noch da draußen rumläuft. Haben Sie schon eine Spur gefunden?“ „Ein paar Einheiten sind unterwegs, keine Sorge. Wenn er sich nicht in Luft auflöst, kriegen wir ihn diesmal.“ Wataru wirkte wieder etwas nachdenklich und reagierte nicht auf Megures Worte, doch der Schein trügte. ‚Das ist seine Spezialität, Inspektor.’ Miwako bemerkte das natürlich und beobachtete ihn von der Seite aus. ‚Er ist total versunken. Er hat tatsächlich Angst, dass es noch mehrere Kriminalisten erwischt.’ Das Handy des Inspektors klingelte, so dass dieser das Gespräch annahm. „Hallo, Herr Inspektor. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass das Fluchtfahrzeug in den Fluss gestürzt ist. Wir befinden uns 3 Meilen von hier entfernt. Entweder sind die beiden Täter tot, oder schlichtweg verschwunden. Soll ich weitere Schritte einleiten lassen?“ „Wieso fragen Sie überhaupt, wenn Ihnen das klar ist?“ Megure seufzte und gab dem Mann Anweisungen, denn ohne schien er nicht klar zu kommen. Zu nachdenklich wie die blonde Frau war – denn sie dachte nur an Sêiichî und ob alles mit ihm in Ordnung war – übersah sie an der Kreuzung ein Auto und prallte mit diesem zusammen. Es schepperte ordentlich, trotzdem war den Insassen nichts allzu Schlimmes passiert. Bis auf die Tatsache, dass der Kopf der Blonden Bekanntschaft mit dem Lenkrad gemacht und sie eine leichte Wunde am Kopf davongetragen hatte. Das Vorderteil des Autos hatte eine Delle, während die andere Fahrerin mit dem Schreck davon gekommen war, ihr Auto war nämlich so gut wie heil, bis auf ein paar Kratzer war nichts geschehen. Panisch stieg die hellbraunhaarige Frau aus und rannte zu der Unfallverursacherin, die bewusstlos auf dem Lenkrad lag. Da man als Fahrerin eigentlich immer Erste-Hilfekennnisse haben musste, wusste die 43-jährige natürlich sofort, was zu tun war. Sie zog die blonde Frau erst einmal aus dem Auto und legte sie beiseite, danach rief sie im Haidokrankenhaus an, um einen Krankenwagen herzubeordern. Erst dann wurde ihr bewusst, mit dem sie da im wahrsten Sinne des Wortes zusammen gestoßen war. ‚Zufälle gibt es... Was macht sie eigentlich immer noch hier?’ Eine amerikanische Schauspielerin, die sich schon seit fast zwei Jahren hier aufhielt, fand Yukiko nun wirklich nicht mehr normal. Irgendetwas hielt diese Frau hier fest – wenn das mal nicht ihr Sohn war, wer denn dann? Vielleicht auch diese Organisation. Die Schauspielerin musste daran denken, immerhin hatte ihr Sohn Shinichi ein wenig aufgeklärt. ‚Das glaube ich immer noch nicht, da stinkt was!’ Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Krankenwagen beim Unfallort eintraf. Man verlud die Blondine in den Wagen und fragte Yukiko, ob sie denn mitkommen wollte, was diese natürlich nicht verneinte. Es war noch nie vorgekommen, dass der Boss bemuttert worden war, aber das hier schlug dem Fass den Boden aus. „Willst du meine Identität gerade untergraben, Jami?!“ Bedrohliches Aufblitzen war den Augen seines Vorgesetzten gegeben, als er dem Angesprochenen seinen Blick zukommen ließ. „Nein, das war freie Meinungsäußerung!“ Der Schwarzhaarige fand, dass er hoch genug stand, um sich das mal erlauben zu können. „Du bist fehl am Platz, wenn du Leute verschonen willst!“ „So?“ Jami wurde schnippisch, biss sich aber auf die Zunge, um nichts Zynisches von sich zu geben. „Er ist keine Gefahr! Das ist vergebene Liebesmühe! Um ein Haar wären ich und Cognac aufgeflogen. Und das nur, um einen Mann zu töten, der uns nichts anhaben kann, weil er nichts weiß. Er hatte keine Ahnung von der Gefahr, jetzt ist er vorgewarnt. Wir sollten Gras darüber wachsen lassen!“ Man hörte die Schuhe einer Frau, die auf dem Boden klapperten, wenig später wurde eine Waffe auf den Hinterkopf des Mörders gerichtet und er hörte das Knacken ebendieser, was ihm sagte, dass sie geladen war. „Halt dich da raus, Valpolicella, das ist eine Sache zwischen dem Boss und mir!“ warf der 30-jährige der Dame zu und war erbost darüber, dass dieses Miststück ihn jetzt auch noch angriff. „Zu viel Mordlust, so wie deine ist nicht immer ratsam!“ Jami schloss ruhig die Augen. „Es ist waghalsig, Cognac alleine auf Polizisten losgehen zu lassen, das endet wahrscheinlich noch im Desaster.“ „Es bleibt, wie es ist. Beim nächsten Versagen unseres Freundes, heißt dein Auftrag, ein direkter Schuss aus der Entfernung in seinen Kopf. Hast du verstanden, Jami? Aber vorher lass ihn die Drecksarbeit machen, damit dieser Spurenfanatiker endlich Geschichte ist. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt...?“ Ein widerspenstiger Blick wurde an den Boss geworfen. „Sie wollen Cognac ja ans Messer liefern! Er soll versagen, deswegen machen Sie es ihm schwer.“ Das passte Jami überhaupt nicht, er hatte nicht wirklich Lust diesem Mann das Lebenslicht auszublasen. ‚Bisher hat er getan, was man ihm sagte. Wieso wollen Sie ihn loswerden? Vertragen Sie es etwa nicht, wenn man Ihnen überlegen ist? Er hat Sie reingelegt – das wird’s sein. Sie ertragen es nicht, wenn man Ihnen etwas vormacht und Sie es nicht erkannt haben.’ Jami wurde jetzt wirklich spöttisch, doch Derartiges sollte man niemals zu diesem Mann sagen – er würde auch ihn dann erschießen, da konnte er noch so hoch stehen. Nichtsdestotrotz hatte Jami diesem Mann seine Position zu verdanken, diese wollte der Mann eigentlich auch behalten, weswegen er viel Ärger einfach schluckte und fast nie den Mund aufmachte, um ihm zu widersprechen. Seine Macht war ihm da wichtiger, als sein verdammter Stolz. „Ich will aber niemanden töten, der treu ist und tut, was man ihm sagt, genauso wenig, wie Leute, die überhaupt nichts getan haben!“ Valpolicella hatte genug von Jamis Spiel und schlug ihn mit ihrer Waffe nieder, so dass der schwarzhaarige Mann zu Boden ging und einen Moment dort liegen blieb, nur um sich dann zu erheben. „Hast du deinen Jähzorn wieder nicht im Griff?“ Jeder andere Mann wäre wahrscheinlich ziemlich ausgerastet, doch nicht er. Seine Schwäche waren nun einmal Frauen, auch diese konnte er nicht einfach schlagen. „Es ist besser, du machst deine Arbeit, Jami, sonst zertrümmere ich dir eines Tages mal den Schädel, weil du nur Unsinn von dir gibst! Was willst du hier, wenn du dich vor deinen Morden drücken willst?“ Wie unschwer zu erkennen war, konnten die beiden sich nicht besonders leiden. Wahrscheinlich war es so, weil sie beide zu viel zu sagen hatten und es nicht abkonnten, wenn der andere ihnen Anweisungen gab. „Ich drücke mich nicht vor meinen Morden, ich bin nur vorsichtig damit, was ich tue.“ „Was für ein Witz. Hörst du dir noch selbst zu? Du ekelst mich an, Jami! Du bist eben nicht vorsichtig – das musst du dir einbilden! Pass nur auf, dass du mal eines Tages nicht schwer krank bist, wenn du so weiter machst.“ Der Boss stöhnte genervt auf. „Wenn ihr Meinungsverschiedenheiten habt, dann verlegt sie nach draußen, ich habe keine Lust auf Kinderreien. Reißt euch mal zusammen, verstanden?!“ Ein harter Ton schwang der Stimme des Älteren mit, so dass Valpolicella sich zurück zog, ebenso wie Jami nun schwieg. „Was dich angeht, Jami. Du tust, was ich sage, oder du hast Probleme. Ist dir das jetzt endlich bewusst?“ „Ja, Boss.“ Es war wirklich besser so, der Schwarzhaarige wollte unnötigen Ärger gerne vermeiden. ‚Na, dann, Cognac. Dir bleibt nichts anderes übrig, als erfolgreich zu sein, sonst haben wir beide ein riesen Problem. Ich habe gedacht, ich kann ihn überzeugen – mehr ist nicht drin. Jetzt bist du auf dich gestellt...’ Jami vertraute in Cognacs Fähigkeiten und seinen Erfahrungsschatz, immerhin hatte er selbst dem Jüngeren Einiges beigebracht, da er sein Mentor gewesen war, und hoffte einfach, dass ihm keine weiteren Fehler passieren würden, zumal es das erste Mal gewesen war, dass er wirklich ein heftiges Problem durch Versagen bekommen hatte. Am schlimmsten war dabei wohl, dass das Opfer noch lebte und ihm begegnet war, obwohl Sêiichî nicht er selbst gewesen war. Ob der Boss wohl wusste, wer dafür gesorgt hatte, dass man ihn nicht erkannte? ‚Es wäre fast ein Witz, wenn er nicht darauf kommt. Das war kein kluger Zug, Vermouth. Das wird sicher noch Ärger geben, weil du ihm geholfen hast. Der Boss denkt sich doch was dabei...’ „Ach noch etwas, Jami“, warf der Boss ein, wobei er gelangweilt auf einen Zeitungsbericht schaute. „Freie Meinungsäußerung ist Luxus bei uns. Bei dir verzichte ich lieber darauf, wenn ich dann etwas von Verschonung zu hören kriege. Du bist Mörder, kein Heiliger – anscheinend hast du das noch nicht bemerkt...?“ Obwohl der 30-jährige aufgrund dieser Aussage wirklich wütend war, sah man es ihm nicht an. „Das will ich auch gar nicht sein.“ Jami glaubte weder an Gott noch daran, dass Heilige, wie der Boss es nannte, ein aufregendes Leben führten, denen musste doch furchtbar öde sein. „Schön, dann will ich so etwas wie heute nicht mehr hören – ich behalte es mir vor, dich zu bestrafen, schließlich mag ich Leute, die mitdenken, aber überlasse diese Sachen mir. Ich mag es nicht, wenn meine Leute den Boss spielen wollen, denn der bin ich, sonst keiner!“ Wie oft wollte dieser Mistkerl das noch betonen? Jami musste wirklich hier raus, bevor er etwas sehr Dummes tat. Am liebsten hätte er ihm ins Gesicht gespuckt. Was der Mann mit Vermouth und Cognac abzog, war doch wirklich unterste Schublade. Nur weil dieser die Wahrheit nicht ertragen konnte, ging er auf einen seiner Leute permanent los und versuchte ihm das Leben zur Hölle zu machen, statt ihn gleich umzubringen, vorher sollte der junge Mann wohl am Boden liegen, damit der Boss besser auf ihn eintreten konnte. Kikuhito Ayugai, ein angesehener Arzt im Haido-Hospital hatte wieder einen Verletzten eingeliefert bekommen, er veranlasste alle möglichen Standartuntersuchungen, um innere Verletzungen der Patientin auszuschließen, vor allem, da sie einem Bekannten sehr am Herzen lag. Er würde diesen noch über ihren Zustand informieren, wenn die Untersuchungen beendet waren. Beim Ultraschall fiel einer Krankenschwester auf, dass sie schwanger war, was sie dem behandelnden Arzt natürlich mitteilte, weil es ihre Pflicht war. Bei der Behandlung mussten bestimmte Regeln eingehalten werden, besonders bei schwangeren Frauen. Im Krankenbericht war „schwanger“ angekreuzt worden. Als der Arzt die Akte aufschlug, traf ihn fast der Schlag. Er verschwand nach draußen in sein Büro und nahm sofort das Telefon zur Hand, um seinen Bekannten darüber zu informieren, was er herausgefunden hatte. Da der Mann gerade in einem wichtigen Gespräch war, nahm seine Sekretärin diesen an. „Nein, der ist im Moment nicht zu sprechen. Möchten Sie, dass ich ihm etwas ausrichte?“ Der 52-jährige am anderen Ende der Leitung verneinte und bestand darauf, mit seinem Bekannten verbunden zu werden. Die Angestellte schaltete ihn auf die Leitung ihres Vorgesetzten um, so dass bei diesem nun das Telefon klingelte, obwohl er nicht hatte gestört werden wollen. Mit etwas brummiger Stimme nahm der Mann schließlich ab. „Moshi Moshi. Mit wem spreche ich?“ „Kikuhito Ayugai hier. Ich habe Informationen, die Sie sicher interessieren“, fing der ältere Herr an zu erzählen, so dass ihm der andere seine gesamte Aufmerksamkeit zukommen ließ. „Chris Vineyard hatte einen Unfall... nichts Tragisches oder Derartiges, aber...“ „Wenn es nichts Tragisches ist, dann veranlassen Sie, dass man sie in unsere medizinische Einrichtung bringt, und belästigen Sie mich nicht wegen solcher Kleinigkeiten!“ Man bemerkte, dass der Chef der Firma, in welcher der 52-jährige Arzt angerufen hatte, nicht besonders guter Laune war. „Aber... das hätte ich ohnehin getan. Hören Sie mir bitte einen Moment zu. Ich wollte Ihnen nur gratulieren, Sie werden Vater. Sie ist schwanger.“ „Ach, wirklich? Dass ich das noch erleben darf – in meinem Alter.“ Nun schien es dem Firmenchef schon besser zu gehen, er war voller Vorfreude. „Im wievielten Monat ist sie denn?“ „Im fünften.“ Schweigen herrschte nun. „Bringen Sie sie mir!“ Unfreundlicher Weise legte der Mann wütend auf. „Dafür werde ich mich ganz gemein rächen, Vermouth! Warte nur ab, bis du dieses Kind das erste Mal im Arm hältst. Du wirst dich wundern. Machen wir eben das Beste aus deinem Seitensprung.“ Was seine Worte zu bedeuten hatten, war eindeutig. Er würde dieses Kind benutzen, um der Frau eins reinzuwürgen und sie noch besser unter Kontrolle zu behalten, als bisher schon. Er wollte nämlich gerne die komplette Kontolle über diese haben. Yukiko, die noch immer im Krankenhaus war und noch keine Auskunft bekommen hatte, hielt eine Schwester an, um diese auszuquetschen. „Vorhin ist doch diese eine Kollegin von mir eingeliefert worden, nicht wahr? Chris Vineyard. Können sie mir sagen, wie es ihr geht? Ist sie schwer verletzt worden?“ „Machen Sie sich keine Sorgen, Fujimine-san“, meinte die Krankenschwester lächelnd, „es ist nur eine leichte Gehirnerschütterung und eine Schürfwunde am Bein. Sie wird schnell wieder gesund sein. Sie hatte noch einmal Glück im Unglück. Ihrem ungeborenen Kind ist nichts passiert.“ Die Schauspielerin war geschockt und öffnete den Mund leicht, obgleich kein Wort aus diesem empor kam. Wer hätte das denn gedacht? Was für ein Leben führte diese Frau jetzt eigentlich? Der 43-jährigen wurde bewusst, dass sie nun rein gar nichts über das Leben ihrer besten Freundin wusste. „Vielen Dank, das hört man gerne. Kann ich dann zu ihr?“ „Natürlich. Zimmer 309. Aber seien Sie bitte leise, sie braucht Ruhe.“ Yukiko nickte und verschwand den Gang hinauf. Als die junge Frau das Zimmer erreichte, fand sie ein leeres vor. „Nanu, was soll das denn?“ Verwirrt blickte sie sich um und schaute ins nächste Zimmer, es konnte ja sein, dass sich die Schwester geirrt hatte, doch dem war nicht so. Nachdem Chris nicht auffindbar war, ging Yukiko zum Informationsstand und sprach eine Schwester an. „Entschuldigen Sie. Ich war in einen Unfall mit Chris Vineyard verwickelt. Ich würde sie gerne besuchen. Mir wurde gesagt, dass sie in Zimmer 309 liegt, aber da ist sie nicht.“ Es kam gerade ein Arzt vorbei, den die Angesprochene anredete. „Entschuldigen Sie, Professor Ayugai. Diese Frau hier ist auf der Suche nach Chris Vineyard. Wo haben Sie sie hingebracht?“ „Die Frau ist auf dem Weg in ein anderes Krankenhaus. Sie will keine Störungen von Fans oder der Presse. Deswegen kann ich Ihnen auch nicht sagen, wohin sie gebracht wurde, tut mir Leid, Miss Yukiko.“ Ein Seufzen entfuhr der Hellbraunhaarigen. ‚Ich hasse dich, Sharon, das ist gemein!’ Sie wollte ihre beste Freundin noch einmal sehen, obwohl sie nun ein anderer Mensch zu sein schien, dann so etwas. „Typisch“, kommentierte die eine Schwester und lachte kurz. „Sie hasst es, wenn man ihr zu nahe kommt.“ Durch solche Umstände verlor die 43-jährige ihre Freundin also wieder aus den Augen, das war wirklich traurig, wo sie ein Zufall wieder vereint hatte. Seit einem Anruf in Washington D.C. war der Rothaarigen klar, das irgendetwas passiert sein musste. Völlig plötzlich hatte man ihm mitgeteilt, dass er dringend nach Japan musste, weil man ihn dort brauchen würde. Bei seinem Beruf kam das oft vor, dennoch waren sie sehr in Eile gewesen, was sie darauf schließen ließ, dass es etwas Großartiges war. Ein schwieriger Fall wahrscheinlich. Das ungute Gefühl hatte sie bereits am Flughafen beschlichen, weswegen sie nur geschwiegen hatte. Er hatte zwar ständig gefragt, was mit ihr los war, doch sie hatte es mit einem Lächeln abgetan. Jetzt in Tokyo konnte man bereits von Nervosität sprechen. „Hat man dir eigentlich nicht verraten, weshalb du sofort hier antanzen musst? Was ist wieder vorgefallen, dass man hier anruft?! Mit wem hast du eigentlich gesprochen?“ Wieso fragte seine Freundin eigentlich jetzt und hatte es nicht in Amerika getan? Das war ihm wirklich ein Rätsel. „Sag mal, hast du mich heimlich beobachtet?“ „Natürlich, du warst im Flugzeug total nachdenklich, bis du einfach eingeschlafen bist. Du weißt nicht, was los ist, oder?“ Die junge Frau an der Seite des Mannes war Watarus Schwester, die einfach verschwunden war. Sie war Studentin und ihre Semesterferien hatten vor kurzem begonnen, da hatte sie einfach Japan verlassen, indem sie nach Amerika geflogen war, um jemanden zu besuchen. Er hatte schon nicht schlecht geschaut, als sie plötzlich vor seiner Tür gestanden hatte. „Willst du mir nicht antworten? Wer hat mit dir telefoniert? Mach kein Geheimnis daraus.“ Das war typisch Riina, sie wollte immer alles ganz genau wissen, so auch in dem Fall. „Ryochi war’s – er war total aufgewühlt, ich frag mich, was dahintersteckt... Hoffentlich ist niemandem etwas zugestoßen...“ Jetzt fühlte sich Riina in ihrem Verdacht erstrecht bestätigt, er dachte schließlich auch in diese Richtung und zog es in Erwägung, dass jemand von ihren Freunden oder Verwandten verletzt oder sogar tot war. „Als ich dein Gesicht sah, dachte ich genau dasselbe. Schon komisch, oder?“ „Klar, ich hab mich gesorgt, weil es so dringend war. Es muss also irgendwas vorgefallen sein, mit dem er nicht so ganz klar kommt. Keine Ahnung, was das sein kann. Ich habe mir im Flugzeug den Kopf zerbrochen, aber wir werden sicher gleich erfahren, was hier los ist.“ Die 22-jährige nickte und legte beruhigend ihre Hand auf seine, auch wenn sie selbst nicht im Geringsten beruhigt war, bis klar war, weshalb sie hatten herkommen müssen. Nach knapp 20 Minuten hatte sein Auto das Präsidium erreicht. Sie gingen einfach hinein und klopften gegen eine Bürotür, in welchem Ryochi gerade mit jemandem telefonierte. Er verhielt sich total untypisch und wurde leicht laut. ‚Der hat angekratzte Nerven – jetzt mache ich mir wirklich Sorgen...’ Tatsuji zog Riina an der Hand hinter sich her und gesellte sich zu Ryochi, auch wenn er ihn noch nicht ansprach, sondern den Worten lauschte, die er sagte. „Das darf ja wohl nicht wahr sein! Machen Sie Ihre Arbeit gefälligst gründlich, davon können weitere Leben abhängen!“ Der Mann legte auf und erblickte die beiden Personen. „Warum hat das solange gedauert? Könnt ihr mir das sagen?“ „Komm erst mal wieder runter auf den Boden!“ meinte Riina und zog eine Augenbraue hoch. „Wir mussten auch noch packen, also bitte.“ „Wie wir? Was hast du in Amerika verloren? Es reicht, dassYukiko so weit weg ist, nicht auch noch du! Du kennst dort doch nur Tatsuji.“ Beide fragten sich allen Ernstes, was in den Detektiv gefahren war. „Was heißt da nur? Reicht das nicht? Außerdem, was ist eigentlich hier los? Warum bist du alleine hier? Wo sind Wataru, Miwako und Chiba? Es ist hier ja richtig leer...“ „Was denkst du, weswegen ich dich angerufen habe? Es gab Ärger, was denn sonst? Ich will euch echt nicht den Tag versauen, ja? Aber, so wie es aussieht, hat Keichiro gerade Kazumi Ashida und Miwako Satô angegriffen.“ Keiner von ihnen war begeistert davon, so etwas zu Ohren zu bekommen, wobei Tatsuji ruhig blieb, anders als seine Freundin. „Das darf ja wohl nicht wahr sein! Wie hat er das denn jetzt wieder gecheckt? Wird Miwako durchkommen...?“ Riina wusste aus Erfahrung, dass ihre und Watarus Freunde quasi schon die Feinde ihres Vaters waren, aufgrund dieser Tatsachen beschlich sie die totale Unruhe, also musste Tatsuji sie an sich drücken. „Sie wird durchkommen, sie hat nichts abbekommen... Das ist zwar seltsam, aber so weit ich weiß, kann Miwako sich sehr gut verteidigen, sie hat dem Mann also sicher Zunder gegeben und er hat es aufgegeben... Dass es Keichiro war, weiß ich, seit Miwako sagte, es sei ein Mann gewesen, der älter als Wataru ist, aber ihm so sehr ähnelt, dass es schon erschreckend ist. Wataru ist jetzt außerdem auch bei ihr, ebenso Inspektor Megure und Chiba. Die beiden kommen gleich hierher, für ein paar Besprechungen. Das kann aber noch ein wenig dauern. Solange will ich dich um etwas bitten, Tatsuji, aber halt dich fest. Nicht, dass du umkippst...“ Ein Seufzen entfuhr dem Detektiv. Der Angesprochene schüttelte den Kopf. „Nichts kann so schlimm sein, dass ich umkippe. Wie kommst du bloß auf so etwas?“ „Sei dir da nicht so sicher. Und lass das auf keinen Fall Riina sehen, die würde mit Sicherheit in Ohnmacht fallen.“ Die rothaarige Frau zeigte Halbmondaugen. „Was soll das heißen? Ich habe auch schon oft Leichen gesehen und noch nie bin ich umgekippt.“ „Das ist aber nichts für Frauen, die nicht diesen Beruf ausüben, bleib du bei deinem Studium, und lass uns unsere Arbeit machen.“ Das interessierte Tatsuji auch, er zog bedrohlich die Augenbrauen zusammen und nahm die Fotos von Ryochi. „Ist das der Grund, weswegen du mich angerufen hast.“ „Kann man so sagen, es ist ein harter Fall, glaub mir. Mal sehen, was du als Profiler dazu sagst. Kôji habe ich – obwohl es mir widerstrebt hat – auch angerufen. Je mehr Leute wir sind, umso besser. Selbst auf die Gefahr hin, dass Shuichi Akai dann hier rumläuft.“ „Tolle Aussichten, Ryochi... Es muss echt schlimm sein, wenn sogar der Mistkerl dir recht ist.“ Tatsuji holte die Fotos heraus, ohne auf den Namen zu achten, der auf der Akte gestanden hatte. Er schaute sich das erste Foto an, auf dem eine hellbraunhaarige Frau abgebildet war. Eine Leiche, wie man sich denken konnte. „Oha, da hat jemand ja richtig gewütet...“ Als er die Frau von vorne sah, traf ihn fast der Schlag. Jetzt war ihm klar, wer die Leiche war. Er war in Amerika, dann passierte so etwas. „Ich hätte lieber hier bleiben sollen...“ „Das konnte keiner ahnen... Ich war ja auch hier und hab geschworen, auf sie aufzupassen. Aber, du kennst sie ja, sie tut meistens, was sie will. An dem Tag wusste ich wieder einmal nicht, wo sie sich aufgehalten hat. Übrigens soll dieser Mord mich treffen. Da war jemand so richtig nett...“ Tatsuji atmete tief ein und aus. Auch beim 3. Durchschauen der Fotos konnte er es noch nicht glauben, dass man Shina wirklich ermordet hatte – überhaupt die Tatsache, dass das jemand fertig gebracht hatte. Der Profiler konnte beim besten Willen nichts auf den Fotos finden, was darauf schließen lassen würde, dass man Ryo hatte treffen wollen. „Würdest du das genauer erläutern? Was bringt dich auf die Idee, dass es für dich bestimmt war?“ „Die Waffe, mit der sie ermordet wurde. Es ist eine Sigsauer. Haargenau dieselbe Waffe, wie Sêiichî eine hat. Man wollte mir weismachen, dass er der Mörder ist. Es muss also auch jemand sein, der Sêiichî hasst. Spontan fällt mir niemand ein...“ Auch wenn es den Anschein machte, als würde Tatsuji sich nur auf die Bilder konzentrieren, war das nicht so, er hatte genau gehört, was Ryochi ihm gesagt hatte. Riina beschlich ein für sie fürchterlicher Verdacht. Anhand von Ryochis Worten konnte es nur jemanden aus der Familie getroffen haben. Wenn man die ganzen Leute eingrenzte und wusste, wer Tatsuji und Ryochi am Herzen lag, blieb irgendwie nur noch eine Person übrig, für sie zumindest. Es gab eine zweite Person, doch von dieser hatte Riina nichts erfahren. „Ist... sagt mal... das ist doch nicht etwa Shina auf den Fotos, oder?“ „Ryochi, willst du mich veräppeln? Dir fällt echt niemand ein, der euch beide hasst?“ Tatsuji war bestürzt über diese Worte. „Nein, will ich nicht. Wir haben so viele Feinde, dass ich mich nicht entscheiden kann.“ Riina wurde, wie es ihr schien, einfach ignoriert, das gefiel ihr nicht. „Danke für die Antwort! Es ist Shina! Was für ein gestörter Mensch muss das sein...?“ Es war nun wirklich nicht einfach, einfach diese Detektivin umzubringen, das hatte ihr Vater oft genug versucht und war gescheitert. „Was sagst du, wenn ich dir sage, dass ich dir sagen kann, wer das mit Sicherheit war?“ Ryochi war überracht darüber, dass Shinas Cousin wohl schon zu einer Lösung gekommen war. „Riina, geh bitte raus, das ist eine Dienstbespechung.“ Auch wenn die Bitte etwas seltsam wirkte, als wollte man ihr etwas Wichtiges verschweigen, war sie Tatsuji nicht böse, er hatte ja Recht. Dienstbesprechungen gingen sie nichts an, immerhin war sie nicht bei der Polizei. „Okay...“ Ihr war unwohl, denn unter normalen Umständen hätte man sie sicher nicht rausgeschickt. ‚Was will er mir verschweigen?’ Sie ging vor die Tür mit diesem Gedanken und wurde nicht mehr los. Je länger sie nachdachte, umso schrecklicher wurde auch wieder der Verdacht. ‚Der schont mich vor etwas... Soll das heißen, dass....?’ Die beiden Männer lehnten sich an den Tisch, während Tatsuji die Fotos wieder in den Umschlag steckte. „Oh mein Gott, Tatsuji, wieso hast du Riina rausgeschickt? Ich habe da so eine Ahnung...“ In dem Moment, als der Profiler das getan hatte, war Ryochi klar, welchen Verdacht der 28-jährige überhaupt hatte. „Tja, weil sie mir in Tränen ausbrechen würde, wenn sie meine Worte hört, auch wenn es mehr eine Vermutung ist. Ich habe die Fotos jetzt lange angesehen, und dieser Mörder hat Shina gequält! Er hat es solange wie möglich rausgezögert, aber gleich zu Anfang dafür gesorgt, dass sie weder Hilfe anfordern, noch von Ort und Stelle wegkommen konnte. Nach dem ersten Treffer lag sie schon am Boden. Die Blutlache, dann das ganze Blut an ihr... Sie lag da ziemlich lange drin. Diesem Mann hat dieser Mord regelechte Freude bereitet. Das Einzige, was mich stutzig macht, ist, dass der Mord nahezu perfekt war. Bisher hat der Trottel immer einen Fehler darin gehabt... Ich glaube fast, dass er Hilfe hatte. Ich bin mir aber nicht sicher, ob man ihm nicht schlichtweg Anweisungen für die Ermordung gegeben hat. Vielleicht hat er sich Ratschläge für den perfekten Mord bei einem anderen geholt. Das wäre ja möglich. Aber alleine – nie und nimmer. Man sieht den Leichen immer an, dass er es war, das ist sogar bei dem Fall so. Du weißt ja, ich bin seinen Leichen nicht zum ersten Mal begegnet, ich weiß, wie sie aussehen. Der Mann ist von Natur aus ein brutales Schwein, das hat er nicht nur bei seinen Morden bewiesen. Sein Profil passt perfekt auf das des Mörders. Für irgendetwas hat er keinen Ausweg mehr gesehen... Also hat er Shina ermordet, um dich zu treffen und dir gleich noch mit Sêiichî wehzutun, damit es richtig sitzt. Ja, was er tut, das macht er gründlich. Es war schon bei Riina und Wataru so...“ Keichiro machte keine halben Sachen. Er hatte schließlich Riinas Freundinnen nie einfach nur ermordet, er hatte sie wenigstens vorher noch ordentlich gequält, so dass sie davon erfuhr und wusste, dass ihr Vater wieder einer Frau Leid zugefügt hatte. Es reichte ihm nicht, sie einfach nur zu erschießen. Oft hatte er Frauen auch zutode geprügelt. „Aber, es interessiert mich eines noch, Ryochi. Was hat dein bester Freund für Probleme mit Keichiro?“ Es war fast schon eine Fangfrage, aber im Grunde stellte sich Tatsuji diese Frage wirklich. Ihm war nicht so ganz klar, wieso Keichiro ausgerechnet Sêiichî als Mörder ausgesucht hatte, immerhin war der ja bei der Polizei. Wäre es nicht einfacher gewesen, den Verdacht auf jemanden zu lenken, der mehr Dreck am Stecken hatte? So was Ähnliches wie Teran vielleicht? „Ach, weißt du, da kann es alle möglichen Gründe geben. Vor allem geht das Gerücht rum, dass Vermouth irgendwas mit einem gewissen Cognac hat. Vielleicht ist das auch an seine Ohren getreten. Er findet die Frau ja ganz toll und will sie für sich. Würde das reichen für Chardonnay? Oder er tat es, weil Sêiichî bei der Polizei war. Du weißt ja, dass Keichiro die Polizei hasst. Also entscheiden kann ich mich da jetzt nicht, aber er kann es wirklich gewesen sein. Cognac kann ihn gar nicht leiden. Sollte Keichiro ihn innerhalb der Organisation getroffen haben, weiß er sowieso, dass er ein Verräter ist. Vielleicht war es auch er, der es beim Boss breit getreten hat. Dem ist alles zuzutrauen, was anderen schadet. Sêiichî wurde ja von ihm schon einmal fast umgebracht. Er kann ihn durchaus wieder erkennen. Dazu kommt, dass er ein Freund von Riina und Wataru ist. Du siehst, da gibt es jede Menge Gründe, damit kann man einen bombadieren.“ Kapitel 6: Under my mask... --------------------------- Es waren jetzt gut 5 Monate vergangen. Sie kamen dem jungen Mann vor wie Jahre – er war erschöpft und konnte nicht mehr. Der 25-jährige fühlte sich alleine gelassen. Kein Lebenszeichen hatte sie von sich gegeben, trotzdem wusste der Schwarzhaarige einfach, dass sie noch lebte. Mit ihrem Verschwinden hatte es etwas anderes auf sich – wahrscheinlich hatte der Boss ihm seine Freundin jetzt endgültig genommen und er würde sie nie wieder sehen. Gerade, als der junge Mann dabei war, erschöpft einzuschlafen, hörte man den Schlüssel im Schloss und er sprang hastig auf. Als wäre nichts gewesen, spazierte die Blondine ins Schlafzimmer, wobei sie seine Anwesenheit demonstrativ ignorierte. „Sag mal, was wird das? Wie wäre es mit einer Erklärung?“ Diesmal war er wirklich stinksauer. Diese Frau konnte doch nicht nach verdammten fünf Monaten hier reinkommen, als sei sie nie weg gewesen. Nicht einmal eine Antwort wurde ihm gegönnt, weshalb Sêiichî auf sie zuging, die sich einen Cognac einschenkte und diesen auf Ex runterkippte. „Kriege ich vielleicht mal eine Antwort?“ „Antworten sind aus – frag mich nicht so blöd!“ Er zuckte deutlich zusammen, als sie ihn so anfuhr, schließlich war er sich keinerlei Schuld bewusst – der 25-jährige hatte ihr nichts getan und wurde ohne Grund angemault, so empfand er das zumindest. „Wo warst du die ganze Zeit?“ „Denk’s dir.“ Das Geräusch der zugeschlagenen Badezimmertür war alles, was man ihm noch zu hören gab. „Großartig...“ Der junge Mann griff sich an den Kopf und fuhr sich über die Stirn, weil ihm diese schmerzte, des Weiteren war er seelisch am Ende – doch die Wut, die er anfangs auf sie gehabt hatte, wich unendlichem Mitleid. Fünf Monate waren, wie er selbst hatte erfahren müssen, eine lange Zeit. Wenn sie wirklich bei dem Boss gewesen war und er sie irgendwo festgehalten hatte, war das sicher eine miese Zeit gewesen. ‚Wer weiß, was er mit ihr angestellt hat?’ Das Schlimmste wusste der Schwarzhaarige ja noch gar nicht, er dachte nur an gewisse sexuelle Interessen seines Bosses. „Warum redest du so mit mir? Was ist passiert?“ In solchen Momenten hasste es der ehemalige Kriminalist wirklich, wenn sie schwieg. Chris öffnete die Tür und lehnte sich in den Rahmen. „Was willst du hören? Dass es toll war?“ Normalerweise wollte die Frau nicht so klingen, wie gerade eben, als würde er sie nerven nämlich. „Ich weiß auch so, dass es scheiße mit ihm war, du musst das nicht genauer erläutern. Und deine Laune kenne ich jetzt ja auch. Dass ich hier beinahe wahnsinnig geworden bin... Kannst du dir das nicht denken? Ich will bloß wissen, ob es dir gut geht.“ ‚Wie sollte es mir gut gehen? Du machst ja wohl Witze.’ Die Frau hielt kurz die Luft an, um nicht wie wild zu schreien anzufangen. „Den Umständen entsprechend ganz gut“, antwortete sie ihm und nahm vorsichtig seine Hand, als sei diese aus einem Material, das bei einer bloßen Berührung zerbrach. „Du weißt doch, dass du kein schlechtes Gewissen haben musst...“ Ein Seufzen kam von dem Schwarzhaarigen, der es sich nicht nehmen ließ, sie nun zu umarmen. „Du bist ja wieder hier...“ ‚Ja, nur ich, sonst nichts, es fehlt was... Nette Strafe hat er sich da ja diesmal ausgedacht...’ Obwohl sich die Schauspielerin vorgenommen hatte, kein Wort darüber zu verlieren, hatte sie das Bedürfnis, ihm mitzuteilen, was die letzten Monate abgelaufen war, doch sie konnte nicht. ‚Du würdest mir noch auf nicht besonders rosige Ideen kommen, wenn du das wüsstest...’ Niemand konnte etwas gegen diese Leere unternehmen, seit man ihr etwas weggenommen hatte und sie damit erpresste. Der Boss wollte etwas, das ihr gehörte, dafür benutzen, um herauszubekommen, wer es wagte, gegen seinen Willen mit ihr zusammen zu sein. Dass Sêiichî noch lebte, musste heißen, dass er eben doch nichts ahnte - zum Glück. Wenn der Boss wüsste, dass er für das Desaster verantwortlich gewesen war, hätte er ihn ohne mit der Wimper zu zucken foltern und anschließend brutal umbringen lassen. „Du darfst dir keine Fehler erlauben – er weiß darüber Bescheid, dass ich jemanden hatte. Das Einzige, was der Scheißkerl nicht weiß, ist, wer es war. Tu mir den Gefallen, und halte mal etwas Abstand. Es wäre möglich, dass er mal nachprüfen lässt, wo ich mich aufhalte. Das wäre ja nichts Neues mehr.“ „Wie hat er es rausbekommen?“ Sêiichîs Worte klangen wie eine Fangfrage, eigentlich war es auch eine, denn sie wusste wirklich nicht, was sie ihm sagen sollte. Weil dieser verdammte Arzt den Mund hatte aufmachen müssen, nur weil sie ihn mal abgewiesen hatte, wusste der Boss um ihr Geheimnis Bescheid. Sie konnte ja schlecht sagen, dass sie schwanger gewesen war, dann würde er sicher noch mehr Fragen stellen, auf die sie ihm keine Antworten geben wollte. „Der Sex war schlecht mit mir“, entschied die blonde Frau zu sagen, selbst wenn das eine glatte Lüge war. „Ich war woanders, das hat er mitbekommen, ich habe unprofessionell gehandelt.“ Herrje, sie war echt verzweifelt, immerhin redete die Blondine gerade in scharfem Ton über etwas, das ein anderer nie hätte sagen dürfen. Es war jedoch besser, wenn ihre Schauspielkünste anscheinend nachließen, als dass er jemals die Wahrheit erfuhr. „So kenne ich dich gar nicht.“ Besorgnis spiegelte sich in seinen Augen wider, der ihr mit der Hand zärtlich über die Wange streichelte, was ihre Beherrschung beinahe auf das Minimum schrumpfte. Nur sehr knapp entging sie einem Heulkrampf. Es machte die Frau einfach unendlich traurig, wenn er sich solche Sorgen machte, er sollte lieber lächeln, als sie so bekümmert ansehen. ‚Lange halte ich das nicht mehr aus’, dachte sich die 31-jährige. In letzter Zeit war alles etwas viel für ihn, also durfte sie ihn nicht zusätzlich belasten, deswegen musste wohl wieder ihre Fassade her – sie würde den ganzen Mist einfach verdrängen. „Bringe ich dich derart aus der Fassung?“ Wie ungläubig er war. „Du bist und bleibst ein Baka!“ Im blöde Fragen-stellen war der Schwarzhaarige ein Meister, wie er immer wieder beweisen musste, genauso wie jetzt. „Ich war in Gedanken eben bei dir, das kann auch mir mal passieren, wenn ich dich lange Zeit nicht sehen kann. Du weißt doch selbst, wie lange fünf Monate sind, nicht wahr?“ Unter ihrer Abwesenheit musste ihr Freund grässlich gelitten haben, er kam ja nicht einmal 2 Wochen ohne sie wirklich aus – das glich glatter Folter. Des Weiteren hatte er im Moment Probleme und war deswegen noch sehr viel anhänglicher, als sowieso schon. Wenn sie an die Umstände und ihre Situation dachte, wünschte sie sich mehr denn je, dass ihr Silverbullet irgendetwas unternehmen könnte, aber auch er war kein Übermensch. Nie würde die Frau wagen, ihn einer direkten Gefahr auszusetzen, ansonsten hätte sie ihm längst etwas verraten, das ihn zum Boss führen konnte – sie hatte schließlich die Mittel dafür. Die Gefahr, dass man ihn umbrachte, war jedoch viel zu groß. Außerdem hatte Yukiko vor kurzem schon ein Kind verloren, noch eines würde diese Frau nicht ertragen können – und Sharon wollte schon gar nicht die Schuld daran haben. ‚What should I do, but not waiting?’ War ihnen überhaupt etwas anderes möglich? Der Boss wollte im Moment Shawn zwar benutzen, um aus ihr irgendwelche Dinge heraus zu bekommen, aber was, wenn dieser Mann seine Meinung schneller änderte, als sie alle darauf gefasst sein würden? Eigentlich konnte er mit seiner Killerin derweil alles anstellen, wenn ihm danach war. Sie würde ohne Widerwehr alles tun, um ihrem Kind zu helfen. Auf seltsame Weise glaubte Sêiichî ihr im Moment nicht. Es steckten andere Dinge dahinter. Obwohl der junge Mann den Hang hatte, ihr alles zu glauben, erkannte er dieses Mal die große Lüge, als wäre sie ihr auf die Stirn geschrieben, er entschied aber, sie nicht darauf anzusprechen, sondern anders zu handeln. ‚Was macht dich zur Lügnerin? Was verschweigst du da?’ Cognac war festentschlossen, es herauszubekommen. Er war ein erfahrener Ermittler, das würde dem Mann helfen, klar zu sehen. Um etwas Wichtiges mit dem Boss persönlich zu besprechen, war Carpano in dessen Firma aufgetaucht und wartete darauf, dass man ihn herein ließ. Man hatte ihm ausdrücklich befohlen, zu warten, trotzdem war er frech genug, einfach reinzugehen. Am liebsten wäre er gleich wieder abgehauen, als er diese rotblonde Hexe sichtete, aber irgendetwas ließ ihn nicht auf dem Absatz kehrt machen. Ein Geräusch nämlich. Etwas total Untypisches für dieses Büro. So etwas hatte er hier noch nie gehört, was nicht hieß, dass er dieses Geräusch nicht kannte. ‚Was macht diese Frau da eigentlich? Die ist doch nicht etwa total billig geworden?’ Es war wirklich unter ihrem Niveau, auf so einen kleinen Hosenscheißer aufzupassen. Sie hasste diese Tätigkeit, aber der Boss hatte ihr den Auftrag erteilt, auf den Kleinen aufzupassen, weil er wichtig war, zumindest waren das seine Worte gewesen. ‚Bah, man sieht, wo der kleine Bengel hingehört, dazu muss man ihm nur in die Augen sehen.’ Das Baby gab gurrende Geräusche von sich und lutschte an seinem Finger, während es zu der Frau mit den grünen Augen schaute, fast ein wenig schüchtern wirkend, da sie ihn mit dem Blick durchbohrte. Ein Wunder, dass das Kind nicht vor Angst zu schreien begann. „Warum schaust du so, Carpano? Willst du ihn mal halten?“ Etwas erschrocken sah der junge Mann die Frau an, die ihn so eben darauf angesprochen hatte. ‚Was will die wieder? Mich zu einem Kind mit ihr überreden, oder wie?’ Er schloss die Augen und schluckte den Ärger irgendwie runter. „Ich will nicht zu dir und das Kind ist mir jetzt auch egal. Noch so ein armes Kind, das jetzt schon dazu gehört, mir kommt’s hoch! Du hast echt keinen Charakter! Da passt du zum Boss!“ Die waren beide gleich schlimm, fand er, denn sie taten alles, um die Organisation so unbesiegbar wie möglich zu gestalten. „Du hast ja schlimme Laune. Wenn man euch Männern mit Kindern kommt, rennt ihr erst mal weg. Bist du auch so, oder kannst du dich dafür begeistern, mir zu helfen?“ Carpano hatte Derartiges schon geahnt. Er wollte auch gar nicht, dass man zu viel Gutes über ihn wusste. Dass er Kinder mochte, hatte er ja schon zu sehr gezeigt. „Was hat das mit meiner Laune zu tun, wenn ich finde, dass man frei entscheiden können soll, ob man dazu gehören will? Wir hätten nicht so viele Verräter in unseren Reihen, wenn der Boss nicht ständig irgendwelche Leute zwingen würde!“ Dass ausgerechnet er Verräter kritisierte, wo er doch selbst einer war, veranlasste ihn zu innerlicher Freude. Sie alle spielten doch ihre Rolle als Bösewichte, sofern sie Verräter waren. Das hatten sie sich quasi selbst beigebracht. „Vielleicht hast du da auch Recht. Wir beide sind nicht solche Leute, wir sind freiwillige Mitglieder der Organisation. Der Junge da, er wurde in die Organisation reingeboren, ich kann auch schon sehen, von wem der ist.“ Valpolicella grinste gemein. „Er wird mal ein verwöhnter, arroganter Bengel werden, wie seine Mutter.“ So wie diese Frau sprach, wollte Carpano jetzt auch wissen, was sie meinte, ging auf die Wiege zu, die überhaupt nicht zu diesem kalt eingerichteten Büro passte und schaute hinein. Im ersten Moment, als er diese hellblauen Augen sah, zog er eine Augenbraue hoch. „Ich kenne mehrere Leute, die solche Augen haben. Aber wenn du von einem verwöhnten, arroganten Bengel redest, meinst du wohl Vermouth, oder?“ Er bezweifelte, dass Rena die Mutter war, deswegen schloss er, dass es ihr Kind war, zumal seine Augen eher einem Japaner glichen, als denen einer Amerikanerin. Außerdem war ihm dann eh klar, wer der Vater des Kindes war. ‚Wetten, der weiß von nichts?’ Wieso sollte er auch? Aber was machte dieses Kind hier beim Boss? Hatte er ihr das Kind etwa weggenommen? Er war dann ja wohl der gleiche Dreckskerl wie immer. „Ja, och die Arme. Sie möchte mal wieder ein Geheimnis aus allem machen, dann landet sie im Krankenhaus, und ein Arzt stellt fest, dass sie schwanger ist. Man hat sofort den Boss informiert. Sie sollte diesem dankbar sein, dass er sie für diesen Verrat nicht gleich getötet hat, aber irgendetwas sagt mir, dass sie es nicht ist. Mhm, sie hat wie immer etwas zu verbergen. Vom Boss selbst ist der Kleine ja mit Sicherheit nicht, sie deckt jemanden.“ „Wundert dich das? Er würde jeden töten, der so etwas wagt, also darf er es nicht wissen.“ „Das kann ihr ja egal sein, es sei denn... sie liebt ihn.“ Carpano gab jetzt ein schallendes Lachen von sich. „Ach was, die will nur attraktiv sein. Du kennst ihre Leier doch. Alles, was geheimnisvoll ist, macht sie begehrenswert. Deswegen schweigt sie, was denn sonst?“ Was für Gedanken hatten sich im Sinn dieser Hexe breit gemacht? „Aus irgendeinem Grund denke ich aber, dass sie den Vater liebt. Sie mag Kinder, das kann ich ihr ansehen. Wieso sollte sie ihr Kind ihm überlassen und das auch noch freiwillig?“ „Vielleicht will sie es einfach loswerden? Es kann ja sein, dass sie einen dummen One-Night-Stand im Vollrausch hatte, das kann man ihr zutrauen, sie ist eben... billig,... wie Baileys.“ Die Frau verschwand kurz nach draußen und kam mit einem Fläschchen wieder. „Ich halte es weiterhin für möglich, dass ihr dieses Kind sehr viel bedeutet. Und der Vater ebenso, also deckt sie ihn. Davon kannst du mich nicht abbringen.“ Die Frau hatte heimlich ein Kind bekommen wollen, so sah es Valpolicella nämlich aus. Selbst Vermouth machte das nicht einfach nur zum Spaß. ‚Ob der Mann irgendwann mal die Augen öffnet und bemerkt, wie sie ihn an der Nase herum führt?’ Man konnte Valpolicella ansehen, dass sie von Vermouth nicht besonders viel hielt, ihrer Meinung nach konnte sie weg. Dann war hier mehr Platz für andere, loyalere Personen. ‚Wenn sie erfährt, dass du ihr Kind angefasst hast, Miststück, wird sie echt wütend sein’, dachte Carpano. Beide Frauen mochten sich nicht besonders. Zu Valpolicellas Pech durfte sie der blonden Killerin nicht wehtun. Alles, was ihre Schönheit beeinträchtigen würde, war ihr vom Boss höchstpersönlich verboten. Mit anderen Worten, Vermouth konnte sich mit Valpolicella anlegen, ohne großen Ärger zu bekommen. Dass sie auch noch Kir beschützte, war Valpolicella ein Dorn im Auge. Aber das war jeder, der mit der Braunhaarigen befreundet war – außer er selbst. Ihn versuchte sie zu beeinflussen und von Kir fern zu halten, ihm die Augen zu öffnen. „Na dann, viel Spaß mit dem Kind, ich komme später wieder.“ Er hatte keine Lust, noch länger bei ihr zu bleiben, er wollte lieber Informationen breittreten, wenn er das über sich brachte. So ganz sicher, ob man das Sêiichî sagen konnte, war er nicht. Yuichi würde in seinem Auto darüber nachdenken. Allerdings könnte den jungen Mann so eine Information auch freuen, genauso wie es ihn zu hirnrissigen Aktivitäten hinreißen könnte. Als Carpano nach draußen verschwunden war, stiegen vier Männer aus dem Aufzug aus, einer von ihnen war der Boss, zusammen mit drei Bodyguards. Der Schwarzhaarige versteckte sich lieber, als sich zu Erkennen zu geben. Dann würde man ihn nur noch einmal ins Büro holen. Als alle vier verschwunden waren, drehte sich Carpano um und ging die Treppe hinab, als der Aufzug sich erneut öffnete. Aus reiner Neugierde drehte er sich noch einmal um. Der junge, schwarzhaarige Mann, der ausgestiegen war, hatte es sehr eilig und ließ seinem Freund keine Zeit dafür, sich zu erkennen zu geben. ‚Meine Güte, hat der Boss ihn herbestellt? Ich habe ein verdammt schlechtes Gefühl bei der Sache.’ Sorge machte sich in dem 27-jährigen breit, der befürchtete, dass Cognac die Beherrschung verlieren könnte, wenn er spitz bekam, zu wem dieses Kind gehörte. Wenn er nicht total misstrauisch war und Chris nicht zutraute, dass sie ihn betrog, würde er es beim ersten Blick in diese unschuldigen Augen bemerken. Andererseits würde der Boss wohl dafür sorgen, dass sich Vater und Sohn begegneten. Wer wusste schon, was der Kerl gerade vor hatte? Vielleicht wollte er einfach über Sêiichî mehr herausbekommen? Wenn sie nicht redete, dann wollte er wohl Cognac dazu bringen. Irgendwie war es leicht zu erraten, was dieses Treffen sollte. Es geschah recht schnell, dass auch der schwarzgekleidete Mann von eben im Büro des Bosses verschwand, nachdem er angeklopft hatte. „Ich bin hier, Boss.“ Nicht gerade sehr freundlich, der Gute, wie immer eben. „Was gibt’s? Ging es diesmal nicht anders?“ „Ich wollte dich sehen, Cognac, weil ich dir jemanden vorstellen will!“ Verwirrt blickte der Angesprochene seinen Boss an, er traute ihm keinen Zentimeter über den Weg, wieso auch? Er quälte ihn seit Monaten auf die grausamste Weise, die Sêiichî sich vorstellen konnte – seelisch. Er zerstörte seinen Selbstwert mit jedem erzwungenen Mord ein bisschen mehr. „Wen denn?“ Der Killer wusste wirklich nicht, was er davon halten sollte. Man bestellte seine Untertanten doch nicht, um ihnen jemanden vorzustellen, oder doch? Ja, stimmte, er sollte sicher mit jemandem zusammen arbeiten. Wahrscheinlich würde Jami verreisen. Mit einem bösen Grinsen hob der Boss den Jungen aus seinem Bettchen und hielt ihn so auf dem Arm, dass sein Killer das Gesicht sehen konnte. „Prächtiger kleiner Junge, oder was sagst du, Cognac? Er ist eines der Kinder, die in der nächsten Generation euch ersetzen werden. Dann, wenn ihr ins Gras gebissen habt.“ Wie verhasst und boshaft man ihm das sagte, als wolle man ihn damit treffen. ‚Jetzt werde ich Kinder töten, ich ahne es... Er weiß, dass ich Kinder mag... Ich will hier raus...’ Trotz seiner Gedanken ließ sich der Schwarzhaarige nichts davon anmerken, wie gedemütigt er sich vorkam. „Komm näher und schau ihn dir genauer an!“ befahl man Cognac, der schwerfällig ein paar Schritte ging. „Haben seine Augen nicht eine sehr schöne Farbe, mhm?“ Was zum Henker wollte der Typ von ihm? Sêiichî seufzte. „Schönes Hellblau, wieso?“ Moment! Hellblau? Wie Chris. Jetzt schaute sich Cognac das Baby genauer an. Nein, der wollte ihm gerade nicht weismachen, dass seine Freundin mit dem Boss heimlich ein Kind hatte, oder? Sêiichî konnte nicht verhindern, dass ihm ein Lachen entfuhr. „Wieso lachst du?“ „Glückwunsch, wirklich! Sie wollen ihren eigenen Sohn zum Killer machen, das ist witzig. Vermouth wird Ihnen das niemals verzeihen, wenn Sie das wagen.“ „Mein Sohn? Nein, es ist nicht mein Sohn! Dass sie die Mama ist, stimmt. Fehlt nur noch Papa, nicht wahr, Cognac?“ Hämisch dreinblickend hielt der Boss Sêiichî das Kind vors Gesicht. Anscheinend konnte man ihm doch seine Gedanken ansehen. „Solange sich Papa nicht bei mir meldet, gehört er mir!“ Besitzergreifend drückte der ältere Mann das Baby an sich, so dass dieses zu schreien begann und die Arme nach seinem richtigen Vater ausstreckte, als wüsste es, dass Sêiichî ebendieser war. Dem 25-jährigen blutete das Herz, als sein Kind so bitterlich weinte, aber er konnte nichts tun. Was brachte es ihm, wenn er jetzt zugab, sein Vater zu sein? Dann würde der Kleine seinen Vater nie wieder sehen – außer vielleicht auf Bildern. ‚Du Ratte ahnst genau, wer der Vater ist, damit willst du mich quälen!’ Sêiichî ermahnte sich immer wieder, keine Gefühle zu zeigen, was ihm immens schwer fiel, je länger er den Jungen anblickte, umso schwerer wurde ihm das Herz und desto schlechter fühlte er sich. ‚Sollte ich je die Möglichkeit haben, du Arschloch, bringe ich dich auf die grausamste Art um, wie ich es jemals getan habe, dafür, dass du ein Kind mit hineinziehst!’ Er war voller Hass, durfte aber weder diesen noch seine Trauer zeigen. ‚Jetzt weiß ich, wieso sie so gelaunt war. Warum bin ich nicht eher darauf gekommen? Ob er das mit ihr genauso abgezogen hat? Wahrscheinlich...’ „Wie Sie meinen, Boss.“ Zum Glück hörte Sêiichî sich gleichgültig an, das war ziemlich harte Arbeit für ihn, so zu klingen, statt zornig und verhasst. Ja, wenn er der Boss wäre, würde er sich selbst wohl auch abkaufen, dass es ihm total egal war. „Ich verstehe nur den Sinn nicht, wieso Sie ihn mir gezeigt haben“, log der 25-jährige und schüttelte den Kopf. „Ich kann nichts dafür, dass Sie die Frau nicht kontrollieren können und sie Ihnen einfach zur Seite hüpft.“ Ups, das war ihm jetzt so rausgerutscht, es stimmte eben. „Aber, lassen Sie mich raten. Sie werden sie mit dem Baby dazu bringen, treu zu sein.“ Cognac grinste dreckig, er spielte schlichtweg seine Rolle als herzloser Mistkerl. „So würde ich das nämlich machen.“ ‚Nicht schlecht, Cognac, lügen hast du gelernt, oder ich verrenne mich in etwas.’ Der Boss kannte die richtige Familie des Mannes jetzt, er wusste einfach alles über ihn – dachte er zumindest. „Übrigens schönen Gruß von Gotano, du sollst ihn mal besuchen kommen.“ Nun war Cognac überrascht, er kannte den Namen Gotano nämlich nicht. „Wer ist das?“ Sicher kam er dem Boss wie ein kleines fragendes Kind vor. „Ein Wissenschaftler, den du sehr gut kennst. Du kennst ihn dein Leben lang.“ Der Mund des Killers öffnete sich, weil es nur einen Wissenschaftler gab, den Sêiichî solange kannte. ‚Ich hab’s geahnt...’ Das war wohl die nächste Schikane. „Er hat ein paar Probleme mit einem Experiment... es ist ein Wunder, dass ich ihn noch dulde. Du solltest ihm gut zusprechen, dass er alles richtig macht, sonst kann es sein, dass es ein Abschied für immer wird!“ ‚Tu das nicht, Boss, droh mir, verdammt noch mal, nicht mit meinem Vater! Das wird dir nicht bekommen!’ Damit hatte der Boss einen Stein ins Rollen gebracht. „Wenn das alles war, würde ich gerne gehen.“ Der Boss holte einen Umschlag hervor und reichte ihn Sêiichî. „Da ist eine Adresse versteckt. Fahr hin und droh ihm! Wie du das tust, ist mir egal. Bring ihn nur brav dazu, dass er weiterarbeitet... Aber töte ihn nicht. Seit Sherrys Ausfall brauche ich ihn dringend.“ Es war lange her, dass Sêiichî sich wirklich so ausgeliefert gefühlt hatte. Was wusste dieser Mann noch alles über ihn? Was wusste der überhaupt nicht? Er hatte schreckliche Angst, dass der Boss auch auf die Akajas kam, oder auf seine Freunde, die er hatte. Vielleicht würde er die alle töten lassen – mittlerweile traute er ihm wirklich alles zu, auch das. Es gab vielleicht keine Gründe dafür, aber wenn er wusste, dass Cognac sich an seinem Liebling vergriffen hatte, dann würde der Boss sich an Cognacs Freunden vergreifen, um sich zu rächen, oder nicht? Das war das Bild, welches Sêiichî von dem Mann hatte. ‚Es wird Zeit, dass etwas geschieht... Zu dumm, dass ich nicht weiß, was man tun kann...’ Zum Plaudern war Sêiichî zu feige, denn er wollte niemanden mit hinein ziehen. Spontan fiel ihm auch niemand ein, dessen Leben er aufs Spiel setzen würde, um diesen Mann zu stürzen. Wahrscheinlich würde er selbst als der schlimmste Verräter, der jemals in der Organisation gesessen hatte, enden. Ihm war bewusst, dass seine Pläne ihn zu einem gewöhnlichen Mörder machten, immerhin wollte er es aus Rache tun. Aber welcher Mann konnte zusehen, wenn man seine Freundin so behandelte? Wenn dieser wirklich liebte, musste er dafür sorgen, dass es ihr immer gut ging. So lief das im Leben gescheiter Männer nun einmal ab. Sie waren nur dafür da, die Frau ihres Lebens glücklich zu machen. Welchen Sinn sollte das Leben sonst haben, außer andere glücklich zu machen? Yuichi beoboachtete Sêiichî und ging ihm anschließend sogar nach – seiner Meinung nach sah sein Freund gemeingefährlich aus. Geradezu, als hätte er verdammt gehässige Gedanken, doch er kam zu spät. Als Cognac seinen Wagen erreichte, hatte er es ziemlich eilig und fuhr Yuichi beinahe über den Haufen. ‚Gehirnzellen durcheinander gebracht...’ dachte er sich und atmete einmal tief durch, nachdem er schnell zur Seite gehuscht war. ‚Kein guter Start, hoffentlich kommt er heil an, so wie der fährt...’ Die Reifen des Porsche quietschten, als dieser um die Ecke fuhr. Man hörte, wie er noch mehr Gas gab und jetzt wohl mit gut 120 Sachen über die Kreuzung fuhr. Die Wut trieb den Mann dazu. Nur mit viel Glück hielt ihn kein Polizist an, es hätte durchaus passieren können, er überschritt das Limit ja um Längen. Während der Fahrt hatte der Schwarzhaarige dermaßen Wut im Bauch, dass sein Gesicht sehr verhasste Züge annahm. „Dich mach ich fertig, egal wie! Du wirst dich nicht mehr über dein Leben freuen, Arschloch!“ fauchte er und bremste scharf, weil er beim Hotel angekommen war. Zur Tarnung setzte er sich eine Kappe und seine Sonnenbrille auf. In der knappen Verkleidung betrat Sêiichî dann das Hotel und klopfte gegen die Tür des Zimmers, das man ihm erlaubt hatte, zu besuchen. Die Tür wurde nicht geöffnet, also tat er es selbst, indem der 25-jährige den Kartenschlüssel für das Zimmer benutzte, den sie ihm extra gegeben hatte. Das hier war der einzige Ort, an dem sie sich treffen konnten. Finsternis herrschte, was ihn nun wirklich nicht wunderte, so war es oft, sie schien die Dunkelheit einfach zu lieben. Als der Schwarzhaarige in den Raum eintrat, konnte man ganz wenig Licht ausmachen, das vom Computer kam. Automatisch schaute Sêiichî zur Seite, wo sie konzentriert vor etwas saß. Er näherte sich der blonden Frau völlig lautlos, trotzdem hatte diese ihn bereits bemerkt. Das, was da auf dem Bildschirm stand, war ihm vollkommen egal. Sêiichî beugte sich leicht vor, so dass die 31-jährige seine Anwesenheit jetzt in Form seiner Wange an ihrer auch spüren konnte. Er hatte die Hände über ihre Schultern fallen lassen und kam so jetzt sehr gut an sie heran. Frech, wie sie ihn kannte, öffneten sie die Knöpfe ihrer Bluse, ohne dass man davon etwas mitbekam, wenn man auf etwas anderes konzentiert war. „Danke für die Frage, Sêiichî. Mir geht’s gut, dir auch?“ fragte die Blondine, schließlich hatte kein Wort seine Lippen verlassen, nicht mal ein Hallo war ihm eingefallen, also wirklich. „Immer gut, wenn ich bei dir bin“, wurde ihr ins Ohr gehaucht, bevor er in dieses seine Zunge stieß und kurz an der Stelle naschte. „Ohne Worte, oder wie meinst du?“ „Wer will schon reden, mhm?“ Zack, schon hatte er sie hochgezogen. ‚Der hat heute ja mal wieder Nerven’, dachte sich die Frau, bevor sie sich in seinen Armen wiederfand. Sêiichî drückte sie eng an sich und fuhr durch ihre Haare nach hinten, wo er über ihren Rücken strich. „Wenn du unbedingt reden willst, gut, mein Tag war mehr als beschissen, jetzt will ich mich etwas amüsieren – da kriegt man den Kopf frei.“ Obwohl es schon so eindeutig war, dass sie es verstehen würde, setzte er dem noch eins drauf. ‚Frechheit, reinkommen und amüsieren wollen – typisch!’ Heute war er wirklich mal wieder extrem frech, man musste ihm nach langer Zeit mal wieder einen Denkzettel verpassen, wie es schien. Deswegen traute er sich auch, gleich, nachdem der 25-jährige aufgetaucht war, ihren Rock nach oben zu schieben – anscheinend kam er so besser an sie heran. Seine Hände streichelten ihre Beine, also ließ sie sich gegen ihn fallen. Ja, sie hatte fies sein wollen, aber nach fünf Monaten Abwesenheit konnte ja auch ihr mal eine Sicherung durchbrennen, so wie jetzt. Ihre Hände hatten sich zu seinem Hemd gekämpft, mit dem sie sich nicht weiter aufhielt und die Knöpfe auseinander riss. ‚Ups, sorry, wenn du mich reizt, musst du damit rechnen!’, dachte sie sich überhaupt nicht reuevoll und grinste fies in sich hinein, als die Frau ihre Zähne kurz in seinen Hals bohrte und mit der Zunge anschließend über seine Halsgrube fuhr. Es schien ihm, als wolle sie sprichwörtlich flachgelegt werden, deswegen setzte sie ja ihre Nägel bei seinem Bauch an und zog sie quer über diesen, was ihn zu einem kleinen Stöhnen brachte. Er war sowieso in Stimmung für wilden Sex, da war es ihm gerade Recht, wenn sie sich so verhielt. „Na, warte, dafür räche ich mich!“ Seine Hände waren ohnehin noch unter ihrem Rock, also packte der Schwarzhaarige sie am Po und hob sie hoch. Sie schlang ihre Beine gierig um seine Taille und küsste ihn heftig auf den Mund, während er mit ihr rückwärts ging und sie gegen die Wand stieß. Sêiichî war ganz gewitzt, zog den Rock noch etwa bis zu ihrem Bauch und schwang sich ihre Beine über die Schultern, daraufhin drückte er die Blondine fest gegen die Wand, so dass er ihre Beine loslassen konnte und sie nicht festhalten musste. „Was jetzt?“ „Vorbereitungen treffen“, lachte der 25-jährige – auch wenn ihm nicht nach Lachen war. Mit Vorbereitungen meinte Sêiichî wohl, ihre Bluse aufzuknöpfen und danach zu Boden zu werfen, ebenso wie ihren BH aufzumachen und ebenfalls fallenzulassen. Kapitel 7: Longing for it ------------------------- Nach einem leidenschaftlichen, heißen Zungenkuss und dem Spüren ihrer Nägel in seinem Nacken, löste er sich von ihrem Mund. Mit seinem eigenen wanderte er über ihren Hals und saugte sich an diesem hinab, wobei dieser sich auch ein wenig gerötet hatte. Seine Freundin beugte wohl schon mal vor, indem sie eine Hand hinab zu seiner Hose gleiten ließ und ihm die Genannte schon einmal öffnete, um ihm Luft zu verschaffen – so wie er drauf war, hatte er das jetzt schon nötig. Seine Zunge, zusammen mit seinen Lippen, machte sich hastig über eine ihrer Brustwarzen her, aber auch Sêiichîs Hände wollten weiterhin Arbeit leisten, weswegen die eine Hand ihren Slip zur Seite zog, damit die Finger seiner Linken provozierend über ihren Kitzler streichen und anschließend vorsichtig in sie eindringen konnten. Eigentlich war er stürmisch, doch das riss ihn nicht dazu hin, grob oder zu heftig zu werden – zumindest noch nicht. Später vielleicht, wenn er sie ausreichend darauf vorbereitet hatte. Trotzdem ging seine Beherrschung flöten, als sein Finger begann zu kleben. Gerade hatten seine Lippen entschlossen zu saugen, da stieß er doch recht ungestüm mit dem Finger in sie und entlockte ihr ein kurzes, trockenes Stöhnen. Irgendwie liebte die blonde Frau es sogar, wenn er so über sie herfiel und ihr keine Chance ließ. Sie fand es ab und zu ganz gut, wenn sie einen Mann hatte, der sich traute, so mit ihr umzuspringen. Die Brustwarzen beider Personen standen erregt aufrecht, aufgrund dessen ließ er sie rückwärts runter, behielt aber ihre Beine oben. „Jetzt drehst du durch, was, Baka?“ Ein sarkastischer Laut entkam ihr, als ihre Welt begann Kopf zu stehen – wortwörtlich. Chris sah ihn von unten und blickte an ihm hoch, der jetzt verkehrt herum war. „Shit“, zischte sie schockiert, als er es doch tatsächlich wagte, mit seiner Zunge zwischen ihren Beinen zu spielen. „Jetzt halt mich bloß fest, oder ich falle um!“ Nach dem Satz begann sie zu stöhnen und spürte sofort, dass ihr etwas schwindelig wurde. „Ich halte dich ja“, hauchte er zwischen ihren Beinen, welche sie fest um ihn schlang und einfach ihre Hände locker ließ. „Dann halt mich mal, zeig mir wie stark du bist.“ Ein sehr diabolischer Ton kam in ihrer Stimme auf, immerhin wollte die Frau es ihm absichtlich schwer machen, indem sie einfach da unten baumelte. Seine Freundin hatte schon ein ordentliches Gewicht, wenn man sie da so an den Beinen festhielt. Aber ihm war das ziemlich egal, solange er das da tun und sie dadurch schmecken konnte. Gier und ungebändigte Lust bestimmte die Bewegungen seiner Zunge, die jetzt tief in sie eindrang, weshalb die Blondine laut stöhnte und voller Wollust ihre Fingernägel in seine Waden rammte – sie nahm eben, was gerade da war. Kurz glaubte sie ihn jammern zu hören, dabei hatte er noch seine Hose an, auch wenn sie mit der Hand in diese hinein gegangen war, um seine blanke Haut zu erwischen. Dadurch, dass die Hose offen war, zog die Frau einfach unten, wobei sie ihm die Shorts gleich halbwegs mit runter zerrte. „Und gleich noch etwas Sport, oder was?“ Mit den Worten hangelte sich die blonde Frau an der Wand hoch, wobei er ihr half, indem Sêiichî ihren Arm nahm, während er ihren Rücken nach oben drückte, so dass sie sich an ihm festhalten konnte. „Heute mal kreativ, he?“ „Man tut, was man kann, wenn man etwas will.“ „Aha, sehr frech!“ „Halt den Mund!“ Um ihr eine Art Maulsperre zu verpassen, drückte der Schwarzhaarige der Blondine den Mund auf die Lippen und saugte bestimmt, während er sich herumdrehte und mit ihr zum Bett marschierte. „Und jetzt kommt das Beste!“ „Das Beste hattest du doch schon, oder nicht?“ Ein wissender Blick lag auf ihrem Gesicht. Der Dunkelhaarige ließ seine Freundin auf das Bett fallen und schaute ihr mit einem hämischen Ausdruck in die Augen. „Für mich vielleicht, für dich nicht... ich weiß ja, worauf es ankommt.“ „Ach, neuerdings kannst du Gedanken lesen?“ Ausgerechnet er, sehr witzig. Er fackelte nicht gerne lange, so war es immer gewesen, deswegen drang der ehemalige Polizist doch sehr hemmungslos in die unter ihm liegende Frau ein, was diese mit einem Stöhnen und einer erneuten Attacke ihrer Nägel bei seinem Rücken erwiderte. Ein erschrockenes Keuchen entkam ihm. „Na, mein Biest, das schreit ja regelrecht nach einer Strafe, oder was denkst du?“ Ihr war total klar, dass Sêiichî sie jetzt nach allen Regeln seiner eigenen Kunst fertig machen wollte. „Ich will auch was dazu bei tragen“, sagte die 31-jährige jetzt in einem gespielten Klein-Kinder-Schmollton. „Mhm?“ Ein raffiniertes Grinsen umspielte ihre Lippen, als sie ihre Füße um seinen Nacken schwang und diesen umklammerte. Er drückte ihre Beine daraufhin nach hinten, so dass nur ihr Rücken auf dem Bett lag. „So finde ich das viel besser, das geht dann so schön.“ Da war Chris vollkommen klar, war ihr blühte. „Ach, von oben, wie?“ Gefährliche Augen blitzten auf und erfassten seine, was für ihn eine Art Ansporn dazu war, mit kräftigen Stößen in sie einzudringen, aufgrund dessen warf sie den Kopf in den Nacken und klammerte ihre Hände ins Laken, während sich allmählich kleine Schweißtropfen auf ihrer Stirn bildeten, die sich den Weg über ihre Wangen bahnten. Er glitt so tief und so schnell in sie, wie es ihm möglich war, dadurch stieß Sêiichî wegen der Position heftig gegen ihren G-Punkt, was ihre Atmung um ein vielfaches schneller machte und sie lauter aufstöhnen ließ. Ein Widerspruch zu seinen heftigen Bewegungen waren seine Hände, die sanft über ihre Beine glitten und sie ab und zu am Bauch berührten, ebenso wie eine seiner Hände ihre linke Brust etwas massierte. Mit dem Körper rutschte die 31-jährige auf dem Laken herum und gab quälende Laute von sich, bis Sêiichî sich für einen erneuten Stellungswechsel entschied. Um die junge Frau etwas im Arm zu halten, drehte er sie ein wenig zur Seite und drang von da aus in sie ein, wobei es jetzt auch möglich war, sie zu küssen, was er sich nicht nehmen ließ. Für ein paar Minuten duellierten sich ihre Zungen ein wenig, wie es in dieser Position möglich war, doch dann drehte er sie ganz herum und richtete sie auf die Beine auf. „Ich weiß, dass du das magst“, kam in einem sehr versaut wirkenden Ton von ihr. „Pff, du doch auch, oder willst du Beschwerde einlegen?“ Auch jetzt umschlossen seine Lippen ihre, da der Schwarzhaarige den Kopf der Blondine etwas zu sich geneigt hatte und berührte ihre beiden Brüste sanft mit den Händen, wobei seine Finger etwas an ihren Brustwarzen spielten, während er von hinten – sanfter als vorher – in sie eindrang und in dieser Position einen Moment verweilte. Die Hände der Frau lagen flach auf dem Bett, auf welchem sie sich abzustützen versuchte. Gleich nach dem Kuss begann er sich zu bewegen, dabei saugte er an ihrem Nacken und bescherte ihr damit heiße und prickelnde Gefühle. Er hörte ihr Stöhnen und beugte sich absichtlich weiter vor, um es noch deutlicher zu können, während auch ihm langsam der Atem zu fehlen schien, weswegen ab und zu leicht jammernde Laute von ihm kamen – er würde wohl froh sein, wenn er endlich kam und sich erholen konnte, vielleicht war auch das der Grund, dass er so einen schnellen Rhythmus wählte, der sie kaum einen Moment verschnaufen ließ, oder war es etwas ganz anderes? Vielleicht auch die Sehnsucht, die sie beide 5 Monate lang hatten verspüren müssen. Fast war ihr Glück perfekt, leider nur fast. Der wichtigste Bestandteil einer glücklichen Liebe fehlte ihm. Ein Kind. Es war zwar vorhanden, aber es war, als hätte man ihnen dieses grausam entrissen. Wegen des Gedankens kamen Tränen in seinen Augen auf, die auf ihre Schulter hinab fielen, doch sie dachte nicht an Tränen, nein, sie empfand es als seinen Schweiß, der sich über sein Gesicht gekämpft hatte, bis zu seinem ersten Schluchzen zumindest. Da wurde ihr bewusst, dass etwas nicht stimmte, etwas, das er mit seiner Art Sex versucht hatte zu vertuschen. Seine Hände bei ihren Brüsten wurden von ihren umfasst, sie hielt beide fest gegen ihren Körper gedrückt, dann setzte sie sich rückwärts auf ihn, der von hinten in sie eindrang, dabei ließ die Blondine ihren Kopf gegen seine Schulter fallen. Die Gelegenheit war schier günstig, also legte sie ihre Lippen an seinen Hals und liebkoste ihn, bevor ihre Hände sich etwas in seine krallten, weil sie etwas explosionsartig einholte und ihre Kraft schwinden ließ. Sêiichî drückte ihren Körper ganz eng an sich und blieb tief in ihr, als auch er ziemlich schnell und überraschend kam und spürte, wie sich ihre Säfte ineinander vermischten. Kurz darauf atmete er in kurzen Abständen tief ein und aus. „Was hast du wieder?“ wollte seine Freundin besorgt wissen. „Reicht es nicht mehr, wenn wir zusammen sind? Hast du an ihn gedacht, wie er es mir besorgt?“ Bah, warum musste sie so etwas Bescheuertes fragen? Sie fand sich ja selbst widerlich dabei. „Nein, ich hab nur an meinen Sohn denken müssen, der verzweifelt nach seinem Vater gegriffen hat, ihn aber nicht erreichen konnte...“ Woher wusste er denn das wieder? Nicht etwa...? Wut kroch in ihr hoch, wenn die junge Frau daran dachte. Nicht, dass sie den Boss nicht schon vorher dafür gehasst hätte, wie er mit ihrem Freund umsprang, aber jetzt tat sie es noch bei weitem mehr, immerhin konnte nur er Sêiichî etwas verraten haben. ‚Du verdammter alter Sack, dich bring ich um!’ „Er heißt Shawn...“ Obwohl man ihr nicht die bösen Gedanken anhören konnte, waren sie vorhanden, das wusste er genauso gut, wie sie selbst. „So?“ Sêiichî drehte die Frau zu sich herum und blickte in ihre wunderschönen Augen. „Er hat die Farbe deiner Augen.“ Vielleicht sollte sein Lächeln ihr Stärke vermitteln, obwohl er im Moment sich eher schwach und machtlos fühlte. „Er nimmt Shawn als Pfand an sich, bis ich dich ans Messer liefere, ist er nicht ein netter Mann?“ Vor Sarkasmus strotzend klang ihre Stimme, verbannt war das Verletzte aus dieser, auch wenn er es in ihren Augen sehen konnte. „Er sagte, solange sich Papa nicht meldet, würde er ihm gehören. Ich bin voller Wut hierher gekommen und wollte mich ablenken. Wenn es einen Weg gibt, ihn da raus zu holen, dann werde ich ihn finden und beschreiten. Niemand benutzt unser Kind, denn das geht zu weit! Soll er eben mich benutzen, das ist mit mittlerweile ziemlich egal, aber kein Kind!“ Der machte ihn wirklich wütend, anscheinend wollte der Boss schnell abdanken, oder wieso machte er sich so viele Feinde? Oder er tat es nur, um seine Macht dann zu beweisen, wenn es so weit war. Ja, er spielte doch bloß mit ihnen, machte sie wütend, nur um sie alle dann umbringen zu lassen. Wehe, man wagte sich aufzulehnen. „Er wird ihm nichts antun, also komm mir nur nicht auf dumme Ideen. Ich will nicht eines Tages alleine dasitzen und Shawn sagen müssen, dass sein Vater ein Held war, der früh gestorben ist.“ Diese Vorstellung grauste wohl jede Mutter, da konnte sie noch so stark sein. „Es ist wirklich eine Schande, wenn Leute, wie wir, ein Kind in die Welt setzen, wir sind verrückt. Wir sind zu schlecht für ein Kind – keine geeigneten Eltern. Was habe ich mir nur dabei gedacht?“ „Das darfst du nicht sagen, Darling.“ Sêiichî drückte sie fest an sich, auch ihm tat es weh, wenn sie so redete. „Was denn? Stimmt es nicht? Wir bringen diesem Kind das Verderben. Super Eltern sind wir.“ Vielleicht hatte sie weiter davon geträumt, dass alles irgendwann ein Ende nahm und deswegen gedacht, es würde schon gut gehen. Eigentlich war geplant gewesen, wenn sie mal ein Kind bekam, dass sie dann spurlos verschwand, das Kind bekam, es bei seiner Großmutter abgab und dann wiederkehrte, als sei nichts geschehen, doch dieser verdammte Arzt hatte ihr alles kaputt gemacht. Kapitel 8: Showdown ------------------- Am nächsten Tag ging Sêiichî durch die Stadt Tokyos, wo eine Gruppe Jugendliche gerade von der Schule kam. Nur ein Mädchen war alleine unterwegs, ein weiteres rief der Schülerin nach. Erstere hatte einen kleinen Jungen mit Brille bei sich. Aus purer Absicht ging der schwarz gekleidete Mann dicht hinter dem Jungen und seiner wie eine ältere Schwester wirkenden Freundin hinterher. Es war eigentlich für Anfang Frühling recht kühl und frisch, deswegen trugen die meisten noch eine Jacke, genauso wie der Schwarzhaarige, der auch eine Sonnenbrille aufgesetzt hatte. Es stimmte, im Moment war er Cognac, der Schrecken einiger Menschen, die ihn nur als Mörder kannten. Ein gehässiges Lächeln kam in seinem Gesicht auf, als der 25-jährige sein Handy rausholte und gemach eine Nummer eintippte. Conan war sowieso ein wenig nachdenklich, während Sonoko mit ihrer lauten, nervigen Stimme mit Ran erzählte. Die Straße passierten kaum Autos, aufgrund dieser Tatsache hörte der Grundschüler das Piepen von Sêiichîs Handy hinter sich. Die Töne erklangen laut genug, damit sie als eine Melodie zu erkennen waren. ‚Nani?’ Verwirrt wandte Conan sich um und schaute geradewegs in das Gesicht eines Mannes ganz in Schwarz, spätestens jetzt hatte er keinerlei Zweifel mehr daran, dass er richtig gehört hatte. Dieser Kerl da hatte soeben auf seinem Handy Nanatsu no ko in Form von Nummern getippt – er gehörte zu der Schwarzen Organisation und hatte gerade Kontakt mit seinem Boss aufgenommen. ‚Na dann, du Schnüffler, zeig mir, was du drauf hast’, dachte sich der 25-jährige und grinste, während er den Weg auf die Straße einschlug, diese überquerte und extra langsam auf seinen Wagen zuschritt, damit dem Jungen genug Zeit blieb. Dieser fackelte nicht lange und rannte Cognac sprichwörtlich über den Haufen. „Pass doch auf, du Rotzbengel!“, warf dieser ihm in einem empörten, wütenden Ton zu und hatte in dem Augenblick keinerlei Emotion inne. „Entschuldigen Sie“, sagte Conan, der wie immer einem kleinen Kind gleich klang. „Das nächste Mal kommst du vielleicht nicht so glimpflich davon, immerhin geht man an einer Ampel über die Straße, merk dir das mal, Kröte!“ „Haaaai!“ Der Junge strahlte den Mann an, der sich halb wegdrehte und schaltete blitzschnell. Sêiichî wusste natürlich, was dieses Kind sicher getan hatte, tat aber so, als wenn ihm das nicht aufgefallen wäre und setzte seinen Weg fort. ‚Man, du solltest Taschendieb werden, Kleiner.’ Sêiichî stieg in seinen Wagen ein und wartete noch einen Moment, bis er losfuhr. Der Sender befand sich in seiner Jackentasche, das wusste er einfach, als er hinein griff, wurde seine Annahme bestätigt. Conan schaute, während er die Straße entlang ging, zu dem pechschwarzen Porsche Carrera GT hinüber, der nun langsam begann sich fortzubewegen. Nur seine Augen waren auf den Mann gerichtet, sein Kopf hingegen zeigte in die Richtung, in welche er ging. ‚Wie er wohl heißt?’ fragte sich der Braunhaarige schon jetzt, er war sicher, dass der Mann einen Codenamen trug, schließlich war er komplett schwarz in Lederklamotten gekleidet. „Du, Ran-neechan? Ich geh dann zum Professor ein neues Spiel ausprobieren!“ rief Conan der 19-jährigen zu und wandte sich um. „Warte! Willst du nicht erst nach Hause etwas essen?“ „Ich habe gar keinen Hunger und esse dann dort, ja? Mach dir keine Gedanken.“ Schon begann das Kind zu rennen, während Ran nur seufzte. „Das macht er mir in letzter Zeit etwas zu oft. Er sollte mit diesen ewigen Computerspielen aufhören. Das macht auf die Dauer blöd.“ Normalerweise machte man erst seine Hausaufgaben, dann konnte man spielen, aber der Junge machte ja, was er wollte. „Lass ihn eben, Ran, wir gehen heute ins Stadion!“ Ihre Freundin nahm Ran am Arm und zog sie hinter sich her. Am heutigen Tag würde ein wichtiger Kampf im Stadion stattfinden – da wollte das hellbraunhaarige Mädchen unbedingt dabei sein. Der Junge drückte den Knopf seiner Spezialbrille, so dass diese ihm den Standort des Senders anzeigte, den er dem Mann in Schwarz verpasst hatte und holte sein Ohrringhandy aus der Tasche, um den Professor anzurufen. „Hakase? Es ist etwas Unerwartetes passiert! Ich bin auf dem Heimweg Nanatsu no ko begegnet. Ein Typ Mitte zwanzig, der ganz in Schwarz gekleidet ist, ist gerade auf dem Weg nach Haido-City, ich bin in der Nähe der Teitan-Schule, holen Sie mich so schnell es möglich ist ab. Ich will ihm folgen!“ „Schon wieder ein Zufall, Shinichi?“ fragte der Professor ihn skeptisch und seufzte. Beim letzten Zufall wären Kogorô und sein Freund Shinichi beinahe draufgegangen. Ihm gefiel gar nicht, dass der Junge schon wieder so jemanden verfolgen wollte. „Ich will etwas über ihn herausfinden, vielleicht haben wir ja Glück.“ „Oder ganz viel Pech, so wie letztes Mal. Es wäre gesünder, wenn wir diesmal die Polizei mit hinzuziehen.“ „Nein! Nicht die Polizei, erst wenn wir hieb- und stichfeste Beweise haben, können wir die Polizei informieren, alles andere ist zu gefährlich. Ich weiß ja noch nicht mal, was dieser Mann plant. Wenn wir das wissen, können wir auch darauf reagieren.“ ‚Oder draufgehen, Shinichi.’ Trotzdem gab sich der Professor mit einem Seufzen geschlagen. Besser, er holte Shinichi ab, statt diesen alleine zu lassen. Wenn der Junge sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er es auch alleine durch, wenn man ihm nicht half. Er würde sich vielleicht ein Taxi nehmen und auf die Weise diesem Kerl folgen – Agasa wusste ja nicht einmal, um was für eine Person es sich da handelte. Besser, man rechnete mit allem, was schlimm war. „Meine Sigsauer wird es schon bringen, hehe.“ Sêiichî lachte absichtlich etwas psychopathisch, damit Conan es hören konnte, er klang wie ein Irrer. Der Junge versuchte seine Ruhe zu behalten, jedenfalls schien der Mörder seine Waffe irgendwie zu vergöttern. Er wollte gerade darüber nachdenken, als ihn ein Regentropfen auf die Nase traf. „Das auch noch, Aprilwetter im März... das hat mir gerade noch gefehlt.“ Noch ehe Agasa mit seinem gelben Käfer die Teitan-Schule erreichte, hielt ein silberner Mercedes neben dem Jungen. Der Mann, welcher am Steuer saß, ließ die Scheibe runter und sprach ihn gleich an. „Hey, solltest du dich nicht auf den Weg machen? Was hockst du hier so frustriert rum, Conan-kun?“ Etwas erschrocken sah der Junge auf. „Ryochi?“ Seine Stimme klang zum einen Teil traurig, zum anderen erfreut. „Wieso fragst du denn, das weißt du doch.“ „Was machst du hier? Ich hab was anderes vor, als Kinderhausaufgaben zu machen, das kann ich ganz spät abends genauso gut.“ Wenn ein kleines Kind schon verbittert sein konnte, hatte meistens die Schwarze Organisation die Finger mit im Spiel. Gut, der Junge war bereits 19 Jahre alt und hatte sein Pseudo-Leben satt, trotzdem sollte man in diesem Alter nicht schon depressiv werden. „Steig ein, Conan, ich fahr dich. Wohin willst du?“ „Nach Haido-City, in die Innenstadt, wie es scheint...“ Ryochi sah natürlich die Brille, und dass Conan damit jemanden zurückverfolgte. Er würde auf den Jungen an Shinas Stelle aufpassen und auch seine Waffe benutzen, wenn man ihm zu nahe kommen wollte. „Okay, dann drück auf die Tube“, mit dem Satz war Conan quasi reingesprungen und schnallte sich an. ‚Wen er wohl beschattet?’ Hoffentlich war es nicht Teran, oder so ein Irrer. Das hätte ihn wirklich noch gefehlt, fand Ryochi zumindest. Der Detektiv gab Gas und fuhr geradewegs Richtung Haido. „Warum muss es jetzt schon wieder regnen? Beim letzten Mal ist mir das auch passiert. Der Regen hat den Empfang gestört. Beeil dich also, bevor es richtig anfängt!“ Es schien dem 25-jährigen, als wenn Conan es sehr darauf abgesehen hatte, diesen Mann heute zu stellen, dabei vergaß er hoffentlich nicht die Gefahr, die von diesen Leuten ausging. „Wohin wolltest du überhaupt, Ryo?“ „Ich habe etwas herausbekommen. Der Vater eines Freundes wohnt in Tottori, dahin wollte ich. Nach Tottori. Ich wollte die Lage checken und nachschauen, was der Mann da so treibt. Er ist Wissenschaftler und hat sich vor irgendetwas versteckt. Ich denke, er ist vor der Schwarzen Organisation abgehauen – den Grund kenne ich aber nicht. Ich versuche ihn herauszufinden.“ „Dann ist er wohl ein Verräter“, erwiderte Conan in einem bedrückten Ton. „Ich denke schon seit langer Zeit nicht mehr, dass man die Wahl hat, wenn man dazu gehört, es sei denn, man hasst das Leben und will abtreten.“ „Wieso sagst du das, Conan?“ „Weil es stimmt. Jeder, der quer schießt, hat nicht viel vom Leben zu erwarten. Es sind einfach zu viele, die auf der Seite dieser Organisation stehen. Die Außenseiter haben es schwer, verstehst du, was ich meine? Es gibt Menschen, die Angst vor dem Tod haben, besonders, wenn er oft grauenvoll verübt wird. Und um sich zu retten, tun sie dann alles. Ich denke, der Boss weiß genau, wie er mit seinen Leuten umgehen muss, um sie zu erziehen. Wenn man Leute wie Chris Vineyard dazu bringt, dann jeden.“ Ryochi hielt bei einer roten Ampel an und wartete, bis sie grün wurde, während er Conan aufmerksam zuhörte. „Die hast du also auch kennen gelernt. Man sagt zwar, sie ist dem Boss hörig, aber ob das wirklich korrekt ist, da bin ich mir nicht so sicher. Dem Kerl ist wohl nicht bewusst, dass sie ihn bescheißt.“ „So? Tut sie das also?“ Conan entfuhr ein gehässiges Lachen. „Das tut mir gar nicht Leid, das hat er verdient, wenn er sich von einer schönen Frau blenden lässt. Ich würde ihn so was von auslachen, wenn ausgerechnet sie dabei hilft, ihn zur Strecke zu bringen.“ „Ich denke, das würde sie sich niemals trauen – sie ist schon lange dabei, er kennt seine Leute, das heißt, dass er auch sie gut kennt, und genau weiß, wie er bei ihr Schaden anrichten kann. Ich will dich ja nicht erschrecken, Shinichi, aber es gefällt mir nicht, dass deine Mutter so weit weg ist. Ich hoffe, Yûsaku passt gut auf sie auf.“ Conan warf Ryochi einen verblüfften Blick zu. „Ich wusste gar nicht, dass du so viel weißt.“ „Ein sehr guter Freund, der mit ihr in Kontakt steht, hat es mir geflüstert, es ist nichts Besonderes, Conan, wirklich. Er kennt Vermouth seit Jahren. Glaub mir, wenn ich sage, dass er sehr viel mehr über sie weiß, als du bisher.“ „Jemand, der noch mehr weiß?“ Conan wurde leicht nachdenklich. Was war das bloß für ein Mann? Wieso kannte Ryochi so jemanden? „Ich dachte, die redet nicht gerne? Oder hat der Typ sie ausspioniert? Ist er Detektiv?“ „Nein, er ist ihr Liebhaber.“ Ein Seufzen entging dem Detektiv, man hörte sofort, dass Ryochi nicht begeistert davon war. „Und Mitglied in der Schwarzen Organisation, in der es eine Todsünde ist, Chris Vineyard auch nur interessiert anzusehen. Tut man es zu offensichtlich, kann man sehr schnell und tief fallen.“ „Was willst du damit sagen?“ Es war für Conan offensichtlich, dass Ryochi um diesen Mann, der angeblich etwas mit Vermouth hatte, besorgt war. Aber wieso denn? Was war so gefährlich daran, sich ihr zu nähern? Dem Jungen war bewusst, dass sie nur dann tötete, wenn es sein musste. Was steckte dahinter? „Der Boss steht ziemlich auf sie und erlaubt das seinen Untertanen nicht. Das ist alles, nichts Großartiges also. Mein Freund steht allerdings auf Gefahren und geht auch diese ein. Er hat den Verstand verloren, seit er einmal von einem Organisationsmitglied fast getötet worden ist.“ „Das wundert mich irgendwie nicht. Sie ist Schauspielerin und bei den Männern sehr beliebt. Es wundert mich nicht, dass er auf so eine Frau besonders abfährt.“ Ryochi seufzte leise. „Sêiichî sieht ziemlich gut aus, er könnte wohl jede haben, wenn er es richtig anstellt, aber er will wieder nur das, was man ihm verboten hat. Er ist eben ein Spinner.“ Es war ihm bis heute schleierhaft, wieso Sêiichî sich so an Chris gehängt hatte. Was hatte diese Frau mit ihm angestellt, dass er nur noch sie wollte – er, der elende Macho. Beide waren nun in Haido angekommen, allerdings hatte dieses Organisationsmitglied wohl nicht vor, dort schon seine Fahrt zu unterbrechen. Es ging weiter bis nach Shizuoka, erst dort hielt Sêiichî an und plante schon seine nächste Schandtat, allerdings war ihm total unklar, dass sein allerbester Freund jetzt bei Conan war. Man hörte erneut das Tippen einer Melodie, allerdings war es diesmal eine andere. Sêiichî war noch immer hinter dem Steuer und bereitete sich auf seine Showeinlage vor. Der junge Mann hatte nicht etwa jemanden angerufen, nein, er tat nur so als ob. „Hey, ich bin’s, Cognac, ich bin jetzt bei der Firma, wir treffen uns dann beim Boss, bis später, man sieht sich.“ Augenscheinlich war aufgelegt worden. Ryochis Augen waren größer geworden, was Conan nicht unbemerkt blieb. Der 25-jährige hatte den boshaften Ton in Sêiichîs Stimme vernehmen können, und wenn er ihn nicht gekannt hätte, dann wäre auch er auf das Schlechte in ihm hineingefallen. „Was ist los? Sag nicht... du kennst seine Stimme?“ Conan wurde hektisch und redete energisch auf Shinas Verlobten ein. „Wer ist er? Sag es mir, das will ich wissen!“ Es schien dem Mann, als wenn man ihn nicht eher in Ruhe lassen würde, bis er die Wahrheit gesagt hatte. Dann jedoch wurde ihm etwas noch viel Wichtigeres klar. „Weißt du, was fünf Kilometer von hier ist? Dort muss sich der Boss gerade befinden...“ Conan brach der Schweiß aus, er war total nervös und aufgebracht. So nah an seinem Ziel war der Junge noch nie gewesen. Im nächsten Moment kam ein entschlossener, fast schon besessen und boshaft wirkender Blick auf seinem Gesicht auf. „Na, was ist, Ryo?“ „Er ist mein bester Freund... Allerdings sieht es ihm nicht ähnlich, dass er sich beschnüffeln lässt, er weiß sicher längst Bescheid...“ Weil Ryo das sowieso dachte, hielt er an, und tat überhaupt nicht das, was Conan von ihm wollte. „Was soll das? Willst du nicht, dass man sie alle ausfindig macht?“ „Denk nach... Wenn jemand rausfindet, dass er dir Beweise zugespielt hat, kann ich Adiós sagen. Dann bringt man ihn um. Ihm geht es sowieso dreckig. Er hat in Osaka als Leiter der Abteilung für Mordfälle gearbeitet, bis er auf einmal gekündigt hat. Ich kenne den Grund nicht, aber aufgrund der Tatsache, dass er etwas tut, was er unter normalen Umständen nie getan hätte, denke ich, dass man ihn dazu gedrängt hat. Stell dir mal vor, Kleiner. Ein Gesetzeshüter als Mörder an den eigenen Leuten. Er ist Polizist aus Bestimmung, ich kenne ihn nämlich schon, seit ich ein Kind war. Er gehört zu den Guten. Und wann tun die Guten so etwas...?“ „Interessiert dich nur, dass man ihn umbringen könnte, oder auch das, was er da tut?“ Der kleine Shinichi schüttelte den Kopf, anscheinend verstand er das nicht wirklich. „Wenn du Freunde hättest, die auf dich Acht geben und die ihr Leben für dich aufs Spiel setzen, würdest du das auch so sehen.“ Anhand der Worte wusste Conan, dass Ryochi einfach nur meinte, dass Sêiichî viel für ihn riskierte, auch wenn er es nur andeutete, war dem Jungen das klar. „So jemanden kenne ich, Ryo-kun, glaub mir. Sie ist eine intelligente, hübsche Frau, die sich nichts gefallen lässt. Sie hat ihre Art Regeln, trotzdem kann ich ihr ihren Mordwahn nicht vergeben. Mörder sind nun einmal Mörder. Mag ja sein, dass sie Sherry töten sollte und es ein Auftrag war, aber sie hat von sich aus entschieden, auch anderen zu schaden. In dem Moment hörte ihr Auftrag für mich auf.“ „Zeugenbeseitigung ist selbstverständlich, Conan. Wer es nicht tut, ist ein Verräter. Du glaubst nicht, wie hart der Boss in dem Fall durchgreift. Okay, Vermouth, die meinst du ja sicher, kann sich viel erlauben, aber denkst du, dass der Boss die einzige Gefahr für Verräter ist? Es gibt Menschen, die würden sie erschießen, egal, wer sie ist. Das muss ich dir aber nicht sagen, oder?“ Nicht, dass der Detektiv die Taten dieser Mörderin gut heißen wollte, er wollte nur diesen Jungen aufklären, bevor er die ganzen Mitglieder der Organisation verdammte, nur weil sie dazu gehörten. Einige litten dort furchtbar, man durfte sie nicht in einen Topf schmeißen. „Man hat Freunde und Feinde in dieser Organisation. Je nachdem, auf welcher Seite man steht, hat man vom einen mehr, vom anderen weniger. Cognac zum Beispiel kann mit Feinden um sich werfen, genauso wie Vermouth, das liegt daran, dass sie beide zu sehr darauf aus sind, zu tun, wozu sie Lust haben. Es kam schon mehr als einmal vor, dass aufgeflogen ist, dass sie Verräter sind... Was denkst du, tun die mit solchen Leuten?“ Das war etwas, was Ryochi todsicher wusste. Leute, die ihnen schaden wollten, wurden zu Fall gebracht, das war die Regel innerhalb der Organisation und wirklich jeder hielt sich daran, wenn er damit sein eigenes Leben und auch das von anderen retten konnte. Es herrschte Stille im Auto des Mörders, bis dieser eine SMS bekam, die sein Handy piepsen ließ. ~Läuft alles, wie geplant. Wir treffen uns in 20 Minuten am Schrein. Komm nicht zu spät, Cognac!~ Der Angesprochene seufzte vor sich hin. „Ich Glückspils, der beste Auftrag von allen...“ Er lachte krank auf, so klang es, doch waren in seinen Augen Tränen. Was Jami nicht konnte, sollte er verrichten, so war es nun einmal. Jami war seelisch zu schwach, um sein eigenes Fleisch und Blut zu töten, also befahl er Cognac es zu tun, wenn dieser überleben wollte... Sêiichî war bewusst, dass er kaum eine Wahl hatte. Jami suchte doch nur nach einem Grund für seine Rache, so und nicht anders empfand der junge Mann seine Situation. Er stieg aus, mit dem Wissen, dass Conan ihm den Sender gegeben hatte, er wollte im Grunde nur, dass er seine Tätigkeiten nach verfolgte. So weit war er nun schon, so weit, dass er sich auf einen Erwachsenen im Kinderkörper verlassen wollte – aber das tat seine Freundin ja schließlich auch seit Jahren. Sie hoffte und hoffte, war bisher aber immer enttäuscht worden. Ryochi blickte zu Conan. „Das war Cognac, nicht Sêiichî.“ Verwirrt zog nun der Junge eine Augenbraue hoch. „Bitte was war das?“ Der 9-jährige hatte den älteren Detektiven schon verstanden, wollte nur noch mal nachgehakt haben. „Cognac, seine Rolle.“ Ryochi entschied sich, wieder loszufahren, sie hatten jetzt was vor, das hatte er soeben festgelegt. „Aus irgendeinem Grund will er wohl, dass du schlecht über ihn denkst. Was hat er bloß vor?“ Ryochi wirkte etwas nachdenklich, was Conan nicht entging, allerdings wusste auch er nicht, was sich dieser Mann dabei denken sollte, ihm etwas vorzumachen, damit schadete er sich selbst, oder etwa nicht? ‚Vielleicht will er... Kann es sein, dass er will, dass ich hinter ihm herjagte? Will er geschnappt werden? Soll all das Grausame heute enden?’ Der kleine Detektiv war sich vollkommen sicher, denn Ryochi musste seinen besten Freund jawohl kennen. Und wenn er sagte, Cognac spielte ihnen etwas vor, dann hatte er da mit Sicherheit Recht. „Er ist unglücklich in der Organisation, nicht wahr?“ Die Stimme des Jungen klang ungewöhnlich einfühlsam, so wie er als Shinichi nur sehr selten geklungen hatte – normalerweise spielte auch er seine Rolle, als unbarmherziger, grausamer Detektiv, der auf seine kalte Weise die Wahrheit fand. Während der Gegenverkehr an ihnen vorbei rauschte, betrachtete Conan Ryochi, er blickte die ganze Zeit geradeaus. Entschlossen wirkte der junge Mann. Das Lenkrad hatte er fest mit den Händen ergriffen, als würde die Gefahr bestehen, dass er es aus Versehen losließ. In der Zwischenzeit war Kazumi beim Schrein angekommen, wo seine Freundin auf ihn wartete. Er hatte sie ein wenig warten lassen müssen, da ihn sein Job dazu gezwungen hatte, also war er noch bei einem Blumenladen vorbeigefahren, um ein paar schöne Blumen für sie mitzubringen. Sie war um diese Uhrzeit sicher vor dem Feuer, um zu beten. Der alte Schrein gehörte ihrem Vater schon seit einer halben Ewigkeit und hatte auch zum Besitz dessen Eltern gezählt. „Saki-san?“ rief er, konnte aber nirgendwo jemanden entdecken. Er öffnete die Schiebetür zu dem Platz, wo sie so oft betete, dabei hatte sie ein tolles Leben und musste sich überhaupt keine Sorgen machen. Komischerweise war das Feuer entzündet, aber absolut niemand da, nicht mal der Priester. Er wandte sich wieder ab und suchte weiter im Inneren des Tempels. Ein Raum, in dem viel Gerümpel zu finden war, war das letzte, was er noch nicht abgesucht hatte. Kazumi öffnete auch diese Tür und stolperte über etwas, das am Boden lag. Der 24-jährige blickte nach unten in die Finsternis, durch die er nichts erkennen konnte. Zur Seite fassend, suchte er nach dem Lichtschalter für den Raum, doch auch als er ihn gedrückt hatte, sprang das Licht nicht an. Er dachte die Tür etwas weiter aufzumachen, so dass die Dunkelheit vom Licht draußen aufgefressen wurde und man ganz langsam sah, wie der Schatten verschwand. Der Boden wurde leicht sichtbar und mit ihm die Beine einer Frau. Je mehr er von dieser Person sah, umso blasser wurde der Polizist. Kaum bei ihrem Oberkörper angekommen, stieß er die Tür nun richtig auf. Nun war alles von ihr sichtbar. Über ihr hing ein Zettel, der gegen einen Pappkarton geklebt worden war. ~Das blutrote Kleid fand ich an dir immer am besten, ich konnte mich nicht beherrschen. Blutrot – ja – das passt zu dir, Bloodangel.~ Unterdessen war jemand an den Polizisten herangetreten, er beobachtete seinen Zustand – dem 24-jährigen sah man den Schock an, sein Körper zitterte und kein Wort brachte er heraus. Der Mörder brauchte ihn nicht von vorne zu sehen, außerdem war er ihm sehr vertraut. Die Tür ging zu, was der Polizist nicht verhindern konnte, es wurde schlagartig wieder dunkel hier drin. „Wer ist da?“ Der Mörder, ganz sicher der Mörder, deswegen zückte nun auch der junge Polizist seine Waffe. „Ach, Kleiner, denkst du wirklich, dass du das kannst?“ Die Stimme drang an Kazumis Ohren. Sein Bruder war hier... Aber das würde ja bedeuten, dass er... Nein, unmöglich, das konnte doch gar nicht sein. Dieser Iwamoto hatte zwar gesagt, er würde sich im eigenen Bruder total täuschen... Aber ein Mörder? „Warum hast du das getan? Was hattest du bitte gegen sie? ANTWORTE!“ Wut herrschte in ihm, am liebsten hätte er einfach wild um sich geschossen, auch wenn er riskiert hätte, selbst zu Schaden zu kommen. „Soll man Verräter nicht so behandeln, Kazu-chan?“ Spätestens jetzt wurde jegliche Hoffnung, dass es sich nicht um seinen Bruder handelte, zerstört. „Hast du Vater nicht zugehört, Kenichi? TÖTEN ist was Böses.“ „Klingst wie so ein kleiner Junge, Kazu-chan. Dabei willst du doch auf mich schießen, nicht wahr, Polizist?“ Er war sein Bruder, aber ja, er wollte am liebsten schießen, da hatte er wohl Recht, doch hatte der junge Mann genügend Selbstbeherrschung, sich dadurch nicht unglücklich zu machen. „Nein.“ „Deine Kleine ist eigentlich meine Frau, hat sie dir davon erzählt?“ Kenichi lachte, er war fest davon überzeugt, dass Vespolina, dieses kleine Drecksstück, ihn genauso beschissen hatte, wie vorher schon Retsina. Kazumi schwieg, er konnte nicht glauben, was sein Bruder ihm da auftischte. „Selbst, wenn es so wäre, nennst du das einen triftigen Grund, jemanden so zuzurichten?“ Seine Stimme klang verletzt, die Wut war wie verflogen. „Hast du es noch nicht gerafft, Kleiner? Dein Bruder hat mit deiner Kleinen gevögelt... Und das so gut wie täglich. Gut, in letzter Zeit haben die Nächte abgenommen. Als ich rausfand, dass sie einen Polizisten liebt, ging’s mit mir durch. Ich habe dieses rote Kleid an ihr gesehen, das sie FÜR DICH trug, statt für mich, also habe ich mich zusammen mit ihr hier eingesperrt und ihr Kugeln zum Fressen gegeben. Frauen, wie sie, die ihre Männer betrügen, haben es nicht mehr anders verdient. Ihr kleines schmutziges Geheimnis, das sie mit mir hatte, das hat sie dir verschwiegen. Du bist auf eine Mörderin hereingefallen, kleiner Bruder. Du bist ein schlechter Polizist, deswegen wirst du auch nicht weit kommen... Ich kenne einen Polizisten, der dir haushoch überlegen ist. Du hast nur eine Chance... Töte den Polizisten, um zu überleben. Ansonsten wird er dich ermorden.“ „Du bist krank, Kenichi, lass dir helfen.“ Was redete sein Bruder da überhaupt für einen Bockmist zusammen? „Krank? Ich bin nicht krank. SIE war nur dumm. Am dümmsten war von ihr, mich mit einem Polizisten zu betrügen... Und dann noch mit so einem Waschlappen wie dir. Ist ja widerlich, da verliere ich jeden Respekt vor einer Frau.“ Na ja, fast. Vermouth war einem Krimispinner zum Opfer gefallen. Dass sie jetzt verweichlichte, das musste er verhindern und wenn er sie mit Gewalt von Cognac trennen musste, der sie zu beeinflussen schien. Sie hatte nicht gewusst, dass sie mit einem Kriminalisten ins Bett ging, immerhin hatte er so ziemlich jedem was vorgemacht. „Weißt du überhaupt, was du da redest?“ Obwohl er nicht in die Augen seines Bruders sehen konnte und noch nicht einmal dessen Gesicht sah, war er ihm so nah und dann sagte er solche gemeinen Sachen. „Männer, die wie du flennen, sind Waschlappen und schwach. Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr geweint!“ Dass er sich selbst etwas vormachte, war ihm vielleicht bewusst, aber sein Bruder würde es glauben. Jami gab ihm einen Schubs, weshalb er sich wenig später bei der Toten befand, in ihrem Blut – er konnte es riechen, was doch einen sehr großen Ekel in dem Polizisten aufkommen ließ. „So wirst du enden, so und nicht anders, wenn dieser Polizist dich besiegt...“ Es war sein Ziel, den eigenen Bruder zu verängstigen, er selbst wusste von sich selbst, was verängstigte Leute in ihrer Angst anrichten konnten... Sêiichî brauchte mal eine Herausforderung. Er war nicht kalt genug, ebenso wenig wie sein kleiner Bruder. Sie waren beide verweichlicht. Sêiichî durch eine gut aussehende Frau und Kazumi durch sein Umfeld. ‚Polizisten, bah, meinetwegen könnt ihr euch gegenseitig abknallen, das wäre die einfachste Lösung...’ Am liebsten wollte Jami zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, aber auch war er interessiert daran, wer von den beiden wohl stärker und schneller sein würde. Tief in sich bewunderte er jedoch seinen Bruder, weil er ein großes Herz hatte und auch zulassen konnte, es zu zeigen, er war eben nicht so ein erbärmlicher Feigling, wie er selbst. Selbst Cognac hatte mehr Mut, als Jami, er hätte niemals gewagt, sich zu widersetzen. Seine Macht hatte ihm immer dazu verholfen, dass die Frauen ihn mochten, doch gab es da auch Ausnahmen, das hätte den Schwarzhaarigen eigentlich ja aufrütteln müssen. Alles war nur dem äußeren Schein nach so hilfreich. Seine Macht, vor dessen Verlust Jami solche Angst hatte, hatte ihm nicht jede Frau verfallen lassen. Vermouth brauchte ihn nicht, sie hatte den Boss, bei ihr konnte er noch verstehen, dass er nicht gut genug war, aber frech genug, um mit Cognac fremdzugehen, war sie trotzdem. Es tat weh. Warum zog sie einen von weiter unten bloß vor? Dass er einfach ein abscheuliches Etwas war, das hatte Jami noch gar nicht wirklich wahr genommen. Selbst Saki, die ihn mal sehr geliebt hatte, war ihm weggelaufen... Und Kir wollte gar nicht erst etwas mit ihm zu tun haben, sie wollte nur so weit weg von ihm sein, wie möglich. Die waren doch alle nicht ganz dicht. Nur bei einer Frau hatte er etwas Dankbarkeit gespürt, obwohl er sich da wohl ziemlich etwas vormachte. Sie war die Tochter von Polizisten gewesen, umso schöner fand er es, sie auf seiner Seite zu wissen... (ROFL ja klar XD und bei der erstbesten Gelegenheit verrät sie dich XD) Ja, dankbar sollten sie ihm sein, so dankbar, bis sie ihm zum Opfer fielen, bis er sie für sich hatte, er wollte sie alle für sich, deswegen war er so übel mit anderen Männern umgesprungen. Woran er auch nicht vorhatte, irgendwelche Änderungen vorzunehmen. Viele Frauen hassten Jami nur aus diesem Grund. Ihre Freunde wurden von ihm terrorisiert. Warum hätten sie ihn dafür lieben sollen, dass er denen wehtat, die sie liebten? „Im Übrigen, Kazu-chan, während du gegen einen unserer Leute eifrig am ermitteln warst, habe ich sie getötet. Wir waren wie immer sehr gut, nicht wahr? Du musst dich eigentlich sehr gelangweilt haben, weil so wenig Spuren vorhanden waren, was? Natürlich haben wir absichtlich so einen Ort gewählt, wo ihr lange am Spuren suchen wärt, es war alles ein abgekartetes Spiel, du siehst, wir sind die Sieger, die Polizisten fallen uns zum Opfer. Diese Rolle gefällt mir, die Rolle als Sieger. Wie ist es, zu verlieren? Das kenne ich so leider gar nicht.“ „Du nennst Polizisten Verlierer? Die Polizei wird niemals gegen das Böse verlieren, keiner von uns gibt auf.“ „Das sagst du, nachdem ich dich durch deine Süße als Verlierer dastehen lasse? Nur zu, lauf zu deinen Kollegen und sag’ ihnen, was dein böser Bruder getan hat, aber sei dir im Klaren, durch Mord kann man alles erreichen. Man wird mich nicht kriegen. Und bevor du es schaffen kannst, wird mein Freund, der Polizist war, dich alt aussehen lassen. Ich habe dir doch gesagt, dass du nur durch einen Mord an ihm überleben kannst... Das war mein voller Ernst.“ „Und jetzt soll ich dir für diesen hilfreichen Tipp auch noch danken, oder was?“ kam frech von Kazumi, ihm war einfach danach, es war das, was ihm in den Sinn kam. Er redete oft einfach so drauf los, was nicht immer gesund war. Als Ermittler, wie Miwako und Wataru es waren, durfte man das nicht, bei der Spurensicherung musste man jedoch noch mehr schweigen. Er war in seiner Arbeit präzise, das war auch besser so für ihn, als den Ermittler zu spielen, das hatte eher seiner Schwester gelegen, sie war immerhin Detektivin gewesen. „Unsere Schwester wollte dich retten, hast du das schon vergessen? Willst du, dass sie sich von oben herab die größten Vorwürfe machen muss, nur weil du dich mit den Bösen abgibst?“ Nun war Kazumi wütend, das konnte man an seiner Stimme hören, man vernahm deutlich die Wut, die sich in ihm breit gemacht hatte, aber all das war von Jami geplant. „Sie hat sich töten lassen. Wer sich töten lässt, der ist schwach.“ Jami lächelte ihm direkt ins Gesicht, als er sich zu ihm beugte, so dass man die hellen Augen aufleuchten sehen konnte. „Und ich sehe es schon vor mir, du landest tot am Boden, weil du auch so ein Schwächling bist. Glaub’ bloß nicht, dass ich dir helfe, da musst du selbst raus finden. Mein Vater hat deinen Tod schon beschlossen. Wir werden wieder gewinnen.“ Mehr konnte Jami jawohl nicht tun, er konnte ihm nur sagen, dass er sterben würde, wenn er nicht seine Waffe benutzte, die er besaß. Er war ein netter Kerl, nicht wahr? Kenichi belog sich eben gerne selbst. In dem Moment erkannte Kazumi, dass Kenichi nicht mehr sein Bruder war. Er war jemand anderes Sohn geworden, ihr gemeinsamer Vater war schließlich schon seit langer Zeit tot. Er versuchte sich zu erheben, während ein paar Tränen zu Boden tropfen, doch deren Aufprall hörte man, auch wenn er sich bemühte, dabei keine Geräusche zu machen, er wollte nicht, dass man ihn so sah, zumindest nicht er. „Mein Bruder wäre niemals zu so etwas fähig gewesen. Und dann noch aus gekränkter Eitelkeit. Und du bist kein Gewinner, du bist der Verlierer! Leute, die keine andere Möglichkeit als Mord sehen, sind keine Gewinner, das ist pure Einbildung!“ Jami knurrte kurz auf, er bemerkte Kazumis Hand, die ihn von sich schob und dann das Licht die Dunkelheit erneut verschlang, da sein Bruder die Tür aufgerissen hatte und verschwunden war. Der Jüngere wusste von diesen Leuten, die sich seinen Bruder damals geschnappt hatten, genauso gut war ihm klar, dass derjenige, der mal sein Bruder gewesen war, sterben würde, wenn die Polizei sich um den Fall kümmerte. Das ließ nur einen Schluss zu, er durfte nicht seine Kollegen alarmieren, als hätte er Saki niemals gefunden. Er als Polizist - er war mit Leib und Seele einer – konnte aber doch nicht zusehen, wie ein Mord unaufgeklärt blieb... Sich selbst davon abzuhalten, war alles andere als einfach... Er wäre der Untergang seiner Leute oder der seines Bruders. Wenn sein Bruder nicht seine Kollegen auf die Polizei hetzen würde, würde man ihn umbringen. Beide Möglichkeiten fand Kazumi alles andere als berauschend. Und er war sicher, dass Jami ihn beobachtete und mitbekommen würde, wenn er irgendwem Informationen zukommen lassen würde. Sêiichî hatte sich noch etwas Zeit gelassen, ohne zu ahnen, dass Jami in der Zwischenzeit einfach so die Freundin seines Bruders ermordet hatte. Jetzt erst kam er beim Schrein an, wo er schon vor fast einer viertel Stunde hätte sein sollen. Sein Kollege Jami kam ihm entgegen und sah ihm erst einmal mit kalten Blick in die Augen. „Wo warst du? Mein Bruder müsste dir entgegen gekommen sein... Geh ihm nach!“ Der Angesprochene drehte sich herum. Ihm war Kazumi nicht begegnet... „Was hast du mit ihm gemacht? Sag’ bloß, du hast ihn getroffen...“ Nun schwieg Jami, er würde doch Cognac nicht sagen, dass er seinem Bruder geraten hatte, ihn zu erschießen, das würde dieser schon noch früh genug merken, wenn Kazumi sich zu wehren begann... Tja, WENN. Dass Jami nichts dazu sagte, verriet Cognac, dass er verdammt gemein gewesen sein musste. „Denk an deinen Auftrag“, sagte Jami während sein Kollege sich herumdrehte, „Cognac.“ Noch kurz hielt der 25-jährige inne, als er ihn hörte, ging dann aber seines Weges. Seine Schritte wurden schneller, bis er fast rannte. Er musste ihn finden, nach so einem Treffen mit Jami ging es dem 24-jährigen sicherlich schlecht, dabei wusste er nichts von dem Mord an Saki. Es war schlimm genug, wenn Jami seinen Bruder getroffen hatte... Ihm war klar, dass er ihm nur nachlaufen sollte, um ihn dann umzubringen. ‚Gott will meine Mörderkarriere beenden, deswegen muss ich ausgerechnet jemanden töten, der meinem besten Freund ähnelt...’ Schon jetzt war ihm bewusst, wie schwer ihm dieser Auftrag fallen würde und schon fiel, er würde es doch im Leben nicht schaffen, abzudrücken, auch wollte sein innerer Schweinehund das gar nicht. In Nähe der S-Bahn-Station konnte Sêiichî ihn dann allerdings entdecken. Er stand direkt am Bahnsteig, wohl wollte der junge Mann in einen Zug flüchten... Sollte das heißen, Jami hatte ihm nun wirklich gedroht? Wenig später kam auch schon der Zug angefahren, er würde nach Yokohama fahren, wie man auf dem großen Schild sehen konnte. Die S-Bahn hatte schon eine recht hohe Geschwindigkeit, nicht umsonst stand Kazumi ganz vorne, die S-Bahn würde an ihm vorbei fahren und erst am Ende der Station zum Stehen kommen... Wieso hatte er sich nicht mehr ans Ende gestellt? Sêiichî ging auf ihn zu, er würde zu dem jungen Mann ganz nett sein und freundlich lächeln, um ihn auf zu muntern. Der Zug kam immer näher, er sah noch, wie Kazumi näher an den Bahnsteig heran ging, etwas zu nahe. Ein junger Mann ganz in der Nähe meinte noch: „Sie sollten etwas vom Bahnsteig weggehen, so was ist gefährlich.“ Derjenige meinte es nur gut, doch wurde er von Kazumi weggeschoben. „Lassen Sie mich bloß damit in Ruhe! Kümmern Sie sich um sich selbst!“ Seufzend wandte sich der junge Mann um, so nett angefaucht hatte man ihn wirklich lange nicht mehr, also kümmerte er sich um sich selbst, aufdringliche Leute konnte er ja selbst nicht sonderlich leiden. Der Zug war schon fast an ihnen vorbei, als Kazumi noch näher heran ging, sein Fuß war schon halb über dem Bahnsteig Richtung der Gleise, was Sêiichî schockiert beobachtete, dann sprang der Braunhaarige runter. Dieser Zug, Kazumi direkt vor ihm, Sêiichî hatte schneller einen Satz nach vorne gemacht, als man hatte schauen können. Die Sekunden zählend, stand Kazumi auf den Gleisen, er schloss die Augen – gleich war alles vorbei und seine Kollegen zusammen mit seinem Bruder gerettet... Doch genau in dem Moment, als der 24-jährige dies dachte, wurde er mit Schwung nach vorne befördert, er spürte nur, wie etwas ihn mit Gewalt umwarf und er am Boden landete, hinter den Gleisen, die dieser Zug befuhr. Der Zugführer versuchte zwar rechtzeitig anzuhalten, doch war der junge Mann dermaßen plötzlich auf die Gleise gesprungen, dass er es nicht geschafft hatte und nun hinter den beiden Männern durchfuhr. Man hörte das Quietschen des Zuges vermehrt, doch erst auf der Hälfte der Fahrbahn kam das Gefährt ansatzweise zum Stehen. Nachdem dieser Jami Sêiichî an seinen Auftrag erinnert hatte, wusste Ryochi, dass keine Zeit zu verlieren war – er gab Gas und raste wenig später ziemlich, was normalerweise nicht so seine Art war. Da er aber für die Polizei arbeitete, durfte er sich das ruhig einmal rausnehmen, Ärger riskierte er damit nicht. In einem Notfall durfte jeder Polizist so schnell fahren, wie es ihm lieb war. Er kannte sein Auto in und auswendig und wusste schnell zu reagieren. Conan sah auch nicht aus, als wenn er Angst vor Ryochis Fahrstil hatte, er war so einiges von seiner Mutter und Shina gewohnt, es machte ihm nichts aus, wenn jemand schnell fuhr. Seine Mutter pflegte noch krasser vorzugehen. Er war viel mehr beunruhigt über das, was sie herausgefunden hatten. Durch den Sender hatten sie auch die kleinsten Geräusche vernommen, auch Sêiichîs Schritte, die immer schneller geworden waren, so dass ihnen klar war, er rannte Jamis Bruder nach. Ja, sein Bruder... Wie grausam war das denn? Ryochi dachte, während er fuhr, darüber nach, dass Jami wohl Cognac aufgetragen hatte, den eigenen Bruder zu töten. Dieser Mensch war wirklich abscheulich, das war mit ein Grund dafür, dass er noch schneller fuhr. Sêiichî würde wissentlich doch niemals den Bruder seines Bekannten töten können, oder irrte er sich? Was würde er wohl jetzt tun? War das der ganze Plan seines Freundes? Wollte er, dass man ihn davon abhielt? Conan drückte sich den Ohrstöpsel regelrecht ins Ohr und lauschte jedem noch so mickrigen Geräusch, deswegen blieb ihm auch nicht verborgen, was am S-Bahnhof geschah, er hörte den Zug und wenig später ein Geräusch, das klang, als wäre etwas zu Boden gefallen, wie ein Sack, ja genau, so hörte es sich an. Das Geräusch des Zuges wurde sehr laut, man konnte nichts anderes mehr hören, dann das Quietschen, das vom Bremsen herrührte. Die hektischen Stimmen, die wenig später vernehmbar waren, ließen Conan stutzig nach vorne auf die Straße schauen. Irgendetwas war geschehen. „Er muss am S-Bahnhof sein... Ich habe Zuggeräusche gehört“, gab er Ryochi zu verstehen, welcher noch etwas mehr Gas gab, er holte alles aus seinem Auto raus, was es hergab. Der Junge nahm die Stöpsel weg und ließ so auch Ryochi mit anhören, was dort los war. Der Detektiv lauschte und seufzte dann. „In was ist er nun schon wieder verwickelt worden?“ ~Oh mein Gott, das kann kein Zufall sein, der Mann ist vor den Zug gesprungen! Er wollte sich das Leben nehmen! Wie schrecklich!~ Ryochi konnte die Stimmen der Menschen hören, die wild durcheinander redeten. ~Er hat sich bestimmt was getan... Vielleicht ist er tot?~ ~Der Zug ist direkt auf ihn zugefahren...~ ~Oh Gott, ich glaub’s nicht, ich wollte doch zu einem Termin... Vielleicht sperren sie jetzt die Bahn?~ Ryochi seufzte. Na, wenn die sonst keine Probleme hatten? ~Da war ein Onkel, er ist ebenfalls vor den Zug gesprungen... Wahrscheinlich, um den anderen zu retten... So viel Mut möchte ich haben, wenn ich groß bin...~ Man hörte ein Kind reden. ~Einen Arzt, wie brauchen einen Arzt! Vielleicht lebt noch einer von den beiden?~ Endlich mal jemand mit etwas Verstand, der Detektiv trat trotzdem auf das Gaspedal, als würde sein Leben davon abhängen. Er war sicher, dass derjenige, den die Kleine Onkel nannte, Sêiichî gewesen war, das würde zu ihm passen und es würde auch das Geräusch erklären, das sogar er gehört hatte. Sein Freund war schon immer so gewesen, schon als kleines Kind. Vielleicht weil er Yuichi so bewundert hatte, der anderen immer hatte helfen müssen. Am Ort des Geschehens kehrte allmählich ein wenig Ruhe ein. Ein Schaffner beruhigte die Leute, indem er sagte, dass beide unverletzt waren. Sêiichî rappelte sich nun neben dem Zug wieder auf und zog auch gleich den jungen Mann mit hoch. „So was ist echt unverantwortlich! Bist du verrückt? Wie kann man sich bloß vor einen Zug werfen!? Nicht nur, dass hier Leute sind, die das alles gesehen haben, hast du an den Mann gedacht, der gerade frontal auf dich zugefahren ist? So viel Egoismus auf einen Schlag, das ist doch nicht zu glauben!“ schimpfte er mit dem Mann. Selbstmörder konnte er nicht leiden, schon gar nicht welche, die andere in solche Sachen mit hineinzogen... Wenn sie es schon tun mussten, dann sollten sie in irgendeinem Zimmer eine Überdosis Tabletten zu sich nehmen – alleine, ohne irgendwen mit hineinzuziehen... Kazumi zitterte, er hatte überlebt und bekam nun von diesem Polizisten den Kopf gewaschen. Er wusste eigentlich, dass dieser Recht hatte, deswegen wandte er auch den Blick zur Seite, um ihn nicht ansehen zu müssen. Sêiichî nahm seinen Arm und zog ihn mit sich, auf die andere Seite, wo er mit ihm hochkletterte und ihn dann auch mit durch die Unterführung zerrte. „Was hat dich da bloß geritten?“ „Nichts, ich bin gestolpert“, leugnete Kazumi seinen versuchten Selbstmord. Er wollte diesem Mann nicht sagen müssen, was geschehen war und ihn dann auch noch mit reinziehen. Gut, er wollte nicht darüber reden, aber er hatte doch genau gesehen, dass er absichtlich gesprungen war. „Wem willst du das erzählen? Ich habe dich springen sehen“, seufzte Sêiichî und kam in dem Moment auf der anderen Seite an, wo die Passanten ihn besorgt ansahen. „Haben Sie sich wehgetan?“ wollte eine junge Frau wissen, so dass der junge Mann nur den Kopf schüttelte und im Moment wirklich stolz auf sich war. Wenigstens diese Sache hatte er verhindert, es war ein guter Anfang, all das zu büßen, was er anderen hatte antun müssen... Dass Jami ihm gefolgt war, sah er nun, er stand da und warf ihm so einen Blick zu, als wolle er sagen: Lock ihn weg und dann leg los! Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, dass er ihn kannte, und das, was er tun sollte. Alles, was sich gerade in ihm abspielte, versuchte er zu verschleiern. Vor allem ruhig bleiben musste er. „Kazu-mi“, meinte Sêiichî ganz leise, ohne ihn anzusehen, man sah kaum die Bewegungen seiner Lippen. „Ich soll...“ Jami kam auf ihn zu, als würde er sogar auf die Entfernung sehen, was er im Begriff war zu sagen. Der Angesprochene brauchte nicht den gesamten Satz, um zu verstehen. „Nicht hier...“ Seufzend schloss Sêiichî die Augen. So war das, nicht einmal wehren wollte sich der Polizist, sondern sich einfach so ergeben? Was sollte er denn nur tun? Fest stand, er würde Kazumi nichts tun. Jetzt, da er ihn gerettet hatte, wie würde er sich am Ende fühlen? Gott wollte eben einfach nicht, dass er so weitermachte, er wollte alles beenden. Deswegen musste dieses Opfer ja Ryochi ähneln, es war alles so vorherbestimmt. Er konnte niemandem etwas antun, der ihm ähnelte. Und tief in sich war er dankbar dafür, dass er nicht eiskalt war, so wie Jami. Na ja, obwohl, wäre er wirklich eiskalt gewesen, hätte er nicht Cognac für die Drecksarbeit gebraucht... Nur da er seinen Bruder nicht töten konnte, weil er Angst davor hatte, es zu tun, musste Cognac herhalten, aber nein, er würde es nicht tun... Schlimmer noch, er spielte mit dem Gedanken, Kazumi bei der Flucht zu helfen. „Lauf weg, ich bitte dich... Ansonsten wäre ich dazu gezwungen, dich zu beschützen... Er würde mich töten“, flüsterte Sêiichî zu dem jungen Mann. Nicht, dass er Angst hatte, er griff nur nach jedem rettenden Strohhalm, der greifbar war. Irrtum ausgeschlossen, das war der Polizist, den er selbst erschießen sollte. Sein Bruder konnte ihn mal kreuzweise. Nie im Leben würde er diesem Mann in irgendeiner Form wehtun, immerhin hatte er eben erst sein Leben für ihn aufs Spiel gesetzt. So war es also. Dieser Jami drohte Sêiichî umzubringen, wenn er seinen Bruder nicht erledigte, das durfte jawohl nicht wahr sein. Was war dieser Kerl nur für ein feiger Mistkerl? Aber das war typisch Organisationsmitglied... Es vergingen fast fünf Minuten als sie am S-Bahnhof vorbei kamen und dem Signal des Senders folgten. Mittlerweile hatten Cognac und Kazumi den S-Bahnhof hinter sich gelassen und waren in einem verlassenen Viertel angekommen, wo einige Laternen kaputt waren. Den Teil seines Auftrages hielt er ein, doch hatte der 25-jährige nicht vor, ihn komplett auszuführen. Jami beobachtete ihn, obwohl er ihn nicht sah, wusste er das. „Was hast du jetzt vor, Iwamoto? Was willst du tun?“ fragte der 24-jährige, bekam jedoch keine Antwort, wie sie ihm gefiel... „Beschützer spielen... So wie früher.“ Er holte seine Pistole hervor und lud sie. Alles in seiner Macht stehende wollte er tun, er bettelte förmlich um Vergebung. Es gab keinen andere Ausweg. Gott würde ihm vergeben, solange er nur Menschen beschützte... „Du... Du willst doch nicht etwa meinem Bruder was antun?“ Sêiichî sagte erst einmal nichts auf die Worte hin, sondern schwieg, die Waffe umfasste er fester mit seiner Hand. „Ich werde ihm erstmal ins Gewissen reden.“ Vielleicht war er dumm – wer würde schon Jami reinreden wollen und damit Risken eingehen? Andere würden ihn einfach erschießen... Beziehungsweise es versuchen... Es gab kaum einen, der mit Jami das Bedürfnis haben würde, zu reden, ihn umzustimmen, wenn er entschieden hatte, jemanden zu töten. Jeder wusste, dass Jami es nicht mochte, wenn man begann ihm reinzureden, da wurde er meistens ziemlich ungemütlich, schlimmstenfalls muckte man kurz auf und war wenig später dann tot, trotzdem wollte Sêiichî dieses Risiko eingehen – andere hatten gleich geschossen, was aber auch keine Garantie zu überleben war. Jami hatte nun seinen Blick auf Cognac gerichtet, ihre Augen trafen aufeinander – ein jeder fest entschlossen, das bemerkte auch Jami jetzt. Sein kleiner Cognac wollte sich mit ihm duellieren? ‚Du willst dich mir widersetzen, ja? Das wagst du?’ Man hatte ihm prophezeit, dass es so enden würde – immer wieder hatte Flavis zu ihm gemeint: Irgendwann werden dich deine eigenen, so genannten Freunde bekämpfen, mit allem, was du ihnen so beigebracht hast. Die angespannte Luft konnte man auf die Distanz hin förmlich spüren, für Kazumi war das jedenfalls so. Man sah ihnen an, was sie planten, beziehungsweise man sah es bei seinem Bruder. Diesen überhebliche Blick, den er Cognac zuwarf. „Kenichi, schau mich nicht so an, ich habe nicht vor auf meinen Mentor zu schießen...“ Um sein Gegenüber von voreiligen Schlüssen wieder abzubringen, sagte er diese Worte und versuchte ihn damit tatsächlich ein wenig zu besänftigen. „Du schaust in die falsche Richtung, Cognac, dein Feind, er steht hinter dir... Zeig ihm, wer von euch der bessere Polizist ist.“ „Polizisten morden in der Regel nicht... Ich werde deinen Bruder nicht erschießen, das kannst du vergessen... Mach es doch selbst.“ „Du hättest ihn unter den Zug kommen lassen sollen, wenn du ihn schon nicht abknallen willst, wieso hast du sein Schicksal verändert? Du bist selbst schuld, dass du ihn selbst wirst töten müssen. In deiner Lage würde ich es besser nicht wagen, sich zu widersetzen! Wenn du ihn jetzt nicht augenblicklich von seinem Elendsleben erlöst, erlöse ich dich von deinem!“ „Armer Jami, bist du so schwach, dass du es nur auf diese Weise schaffst? Denk nur schön daran, du wirst ihn am Ende selbst töten müssen, wenn ich mich widersetzt habe. Du kannst mir nicht mit dem Tod drohen und mich so dazu bringen, ihm etwas anzutun, weil ich nämlich nicht solch große Angst vor meinem Abtreten habe, wie du.“ Dieser kleine Feigling, er hatte keinen Respekt vor ihm, so wie ihn andere hatten, nur weil er schnell mit der Waffe und dem Gewehr war. Wie Cognac ihn beleidigte... Er war außer sich vor lauter Wut. Jami konnte sich kaum noch beherrschen, aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann bewunderte er Cognac dafür, dass er es gewagt hatte, seine Meinung zu sagen. Er selbst tat das schon seit Jahren nicht mehr. In der Organisation interessierte es niemanden, was man dachte, es sei denn, man hatte gute Pläne, die durfte man dann auch als einer der Ranghöchsten loswerden – und man durfte morden, das Ermorden von Menschen war fast immer etwas Gutes, das hatte der Boss ihm früh eingetrichtert. Töte alle, die eine Gefahr sind! Töte alle, die gegen dich sind! Töte alle, die gegen mich sind! Töte alle, die unsere Pläne gefährden! Aber wage es niemals Vermouth etwas anzutun, was auch immer sie tut... Ja, seine Prioritäten – Vermouth war wichtig, der Rest war egal, den konnte man leicht ersetzen. Der Boss hatte seine eigene Art und Weise mit dieser Frau umzuspringen, er wusste immer, was zu tun war, wenn sie mal wieder etwas getan hatte, was ihm missfallen hatte. Kapitel 9: A never ending nightmare ----------------------------------- Conan und Ryochi waren nicht mehr weit, als sie das Widerhallen von zwei Schüssen unmittelbar zur gleichen Zeit hörten. An einer Kreuzung hätte der 24-jährige scharf bremsen müssen, da die Ampel auf Rot gesprungen war, doch gab er extra noch mehr Gas und überquerte die Straße dennoch. Jami erinnerte sich noch genau daran, was ein anderes Mitglied der Organisation mal gewagt hatte. Er hatte nicht erst angekündigt, sich widersetzen zu wollen, sondern gleich richtig zugelangt. Chardonel hatte gewagt, auf Jami zu schießen, der sich selbst dazu gezwungen sah – obwohl er es ohnehin getan hätte – ihn umzubringen. Der Schuss des Älteren hatte zwar gesessen, allerdings hatte er damit nicht verhindern können, dass der Kleine ihm noch einmal Schmerzen zufügte. Es war das härteste Gefecht gewesen, das er jemals gehabt hatte. Damals hatte Jami nur einen Gedanken gehabt: Werde ich büßen? Bringt es mich um? Zum Glück war jemand vor Ort gewesen, der es gut mit ihm gemeint hatte, indem er dieses übereifrige Kind mit einem direkten Schuss in den Kopf erledigt hatte. Der Junge hatte dahin gezielt, wo auch Jami Schwierigkeiten bekam. Cognac hatte gerade nur auf seine Hand geschossen. Seine Hand... So ein Dummkopf. Wie konnte er denn nur auf seine Hand schießen? Es tat zwar weh, aber bei weitem nicht so sehr wie vor einem Jahr. Vielleicht war Cognac einfach nicht so gut wie Kenjiro... Und hatte deswegen nur seine Hand getroffen... Trotzdem hatte der Ältere ihn nicht getötet, nein, er hatte ihn verschont – der Schuss war nicht mal ansatzweise in Herznähe gegangen. „Tze, Cognac, hast du nicht den Mumm dazu?“ Hatte er nicht den Mumm dazu, seinen Mentor und besten Freund zu erschießen? „Du kannst mich nicht töten, das hast du eben bewiesen.“ „Mit Mumm hat das wenig zu tun – ich will es nicht tun, also werde ich es auch nicht tun. Du willst doch eigentlich auch nicht, dass dein Bruder stirbt, nicht, Jami?“ Es war Beeinflussung höchsten Grades. „Ist ganz einfach! Das könnte sogar ein kleines Kind! Einfach Nein sagen!“ „Du bist für die Organisation nicht mehr tragbar, du Polizistenschwein!“ Jetzt war endgültig alles zu spät – Jami zielte ziemlich genau in die Mitte und drückte nicht nur einmal ab. Man dachte, wenn man die Schüsse hörte, dass er gar nicht mehr aufhören würde zu schießen. Noch ehe der Mörder damit begonnen hatte, war Ryochi schon klar gewesen, dass es passieren würde, dass sie es nicht verhindern konnten. ~Du bist für die Organisation nicht mehr tragbar, Polizistenschwein.~ In dem Moment war auch klar, dass dieser Kerl von Sêiichîs Doppelleben gewusst hatte... So schnell konnte Jami gar nicht reagieren, da hatte auch schon die erste Kugel seine Waffe verlassen. Doch das, womit er gar nicht rechnete, war dadurch auch nicht mehr zu verhindern. Die erste Kugel hatte die Person getroffen, die direkt vor ihm gewesen war, als er abdrückte. Sein Blick sagte, dass es ihm nicht passte, für welche Wende gerade gesorgt worden war. Noch ehe Sêiichî von der ersten Kugel hätte getroffen werden können, war sein Bruder, der von Cognac beschützt worden war, vor ihn gestürmt und hatte sie abgefangen. Direkt in Brustmitte hatte sie ihn getroffen. Tödlich... Absolut tödlich, das wusste Jami. Und wofür das alles? Für Cognac, einen Polizisten. Das war auch der Grund dafür, weshalb er wie versessen weiter abdrückte und gar nicht mehr aufhören wollte. Da hielten sie wohl zusammen, was? Polizei blieb eben Polizei und Mörder blieben Mörder... Jamis Kugeln beförderten Kazumi in Sêiichîs Arme, wo er benommen liegen blieb. Sein Herz machte nur noch ein paar Mal ein Geräusch: Bumm, Bumm. Sêiichî erkundigte sich gleich darauf nach seinem Zustand, er fasste an seine Brust, weshalb Blut an seiner einen Hand hängen blieb. Die offnen Augen schloss er dem Polizisten, als er bemerkte, wie sein Herz wie der Motor einer alten Maschine den Geist aufgab. „Bist du nun glücklich, Kenichi?!“ Sêiichîs Stimme raunte den Älteren an, der nicht reagierte, dann aber mit einem Lächeln zu ihm hinging. „Du hast mich aufgeweckt, jetzt wird sich alles ändern.“ Mit verwirrt wirkendem Ausdruck im Gesicht sah er in Jamis Augen. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. „Dein Schatz kommt“, erwiderte er noch und blickte zur Seite, damit es auch der andere tat. Wie erwartet, sah Sêiichî auch zur Seite und entdeckte dort eine blonde Frau. Da es aber so dunkel war, konnte er sie gar nicht richtig erkennen – sie sah allerdings wie Vermouth aus. „Warum sprichst du das so an, Jami?“ Etwas war im Busch, doch konnte Cognac gerade nicht wirklich feststellen, was der Grund dafür war. Jami griff nach Cognacs Waffe und versuchte sie ihm zu entreißen, wobei er darauf achtete, dass der Jüngere nicht die Möglichkeit hatte, ihn zu treffen, falls er zum Abdrücken kommen würde. „Wusstest du, dass er ein kleiner dreckiger Verräter ist, Vermouth? Er hat einen Bullen beschützt, der wiederum ihn vor mir beschützt hat, lustig, nicht wahr?“ Oh Gott, für diese Ansage würde Vermouth Jami wahrscheinlich jeden Moment ermorden. Er wusste doch, was sie über den Mann dachte – dass man ihn töten musste, sobald man wirklich als Verräter aufgeflogen war... Und es kam auch so, wie er gedacht hatte, sie richtete ihre Waffe auf Jami... Es war dunkel, Cognac sah sie nicht richtig, die Gelegenheit war dermaßen günstig, dass die Blondine keine Zeit verlor. Sie drückte ab und traf ihr Ziel... Conans Augen wurden groß, er war doch sehr überrascht darüber, was geschehen war, während Ryochi sich Schweiß von der Stirn wischte und erleichtert seufzte, da Cognac in Ordnung zu sein schien. Der Junge hatte deutlich vernommen, wie dieser Jami von Vermouth gesprochen hatte, sie war also am Tatort und würde jetzt wohl den Typen erschießen. Da ging er jede Wette ein, Ryochi hatte ihm schließlich verraten, dass Cognac ihr Geliebter war... Cognac wehrte sich strickt dagegen, sich von Jami entwaffnen zu lassen und riss an der Waffe. „Du Gestörter, lass los!“ Mit der Linken verpasste er seinem Kollegen einen Schlag ins Genick, der sich gewaschen hatte und wandte seinen Blick Vermouth zu. Gerade wollte er sie zur Vernunft bringen, da bemerkte er, dass sie gar nicht auf Jami zielte, sondern... Ein Schuss folgte, er spürte, wie sich die Kugel in seine Bauchgegend kämpfte, er erhaschte ihren wahnsinnigen Blick. Ihm war sofort klar, dass es unmöglich seine Freundin war, also richtete er seine Waffe auf sie. Ein Schusswechsel entbrannte, in dem keiner von beiden verschont wurde. Sowohl alle Kugeln ihrerseits, als auch seine eine Kugel trafen ihr Ziel. Ihr Ziel war Cognac selbst, sein Ziel war die falsche Vermouth zu töten, weil sie sonst ihn umbringen würde... Von Jami erzählt zu bekommen, dass jemand ein Verräter war, das war wie eine Erlaubnis, denjenigen zu ermorden. Deswegen hatte Baileys auch einfach so gewagt, auf ihn zu schießen. Wie lange hatte sie nur davon träumen dürfen, diesem Cognac sehr wehzutun und damit Vermouth gleich mit? Dass Cognac niemals Vermouth töten würde, war ihr bewusst. Sie hatte sich böse verkalkuliert und Cognacs Gefühle dieser Frau gegenüber total unterschätzt. Die meisten Männer standen doch einfach nur auf die eiskalte Hexe, weil sie attraktiv war, aber dass dieser Kerl – noch dazu so ein kranker Fremdgänger - sie wirklich lieben könnte und noch dazu nicht nur ihr nettes Aussehen, war ihr entgangen. Damit, dass Cognac Vermouth nicht zutraute, ihn zu töten, darauf war Baileys nicht gefasst, sie hatte immer gedacht, seine Gefühle seien nur von oberflächlicher Natur. Dass er auf sie schoss, verriet ihr nämlich, dass er durchaus in der Lage war, sie zu durchschauen. Cognac hatte allerdings abgedrückt, was für sie ausschloss, dass er auf ihr Theater hereingefallen war. Auf die Richtige hätte er ja niemals schießen können. DAS hatte sie durchschaut. Noch mehr Schüsse, allmählich war die Situation mehr als nur bedrohlich. Man hörte Sêiichî keuchen, was hieß, dass auch er etwas abgekommen haben musste. Die Verzweiflung wuchs in dem 24-jährigen Mann. „Ganz ruhig“, meinte Conan, der nun einmal die Ruhe in Person war. „Tut mir Leid, Shinichi-kun, ich kann da beim besten Willen nicht ruhig bleiben...“ Die Reifen quietschten, da der junge Mann um die Ecke bog ohne zu bremsen. Jami musste derweil grinsen. Cognac hatte gewonnen. „Glückwunsch, kurz vor deinem Tod hast du nun noch jemanden ermordet, wirklich atemberaubend, dabei weißt du genau, dass du trotzdem sterben wirst.“ Er richtete seine Waffe auf Sêiichî als Polizeisirenen ihn alarmierten. Wer um alles in der Welt hatte...? Sein Bruder war es nicht gewesen, das hätte er bemerkt. Jetzt ging alles nur noch ums Flüchten. Aber vorher wollte er noch Sêiichî den Rest geben, damit er nicht auf den blöden Gedanken kam, etwas zu verraten. Gut, er wollte, aber irgendwie... Jami konnte nicht abdrücken. Zu schlimm war gewesen, was er getan hatte. Er selbst war es gewesen, er hatte seinen Bruder ums Leben gebracht. Sêiichî beobachtete ihn, mit seinen Verletzungen, die er hatte, seine Sicht verschwamm immer mehr, er konnte kaum noch den Blick auf Jami gerichtet halten, sah ihn kaum noch, nur verschwommen. Trotzdem gab er auf jede Bewegung Acht. Ihm war es, als würde er seinen ehemaligen Freund gleich einfach erschießen müssen, um sich das Leben zu retten, doch dann drehte sich Jami um. „Das überlebst du nicht, ich kann dich nicht retten, Cognac, ich habe dich wirklich gemocht – warst ein guter Kerl...“ Dann lief er davon, ohne noch einmal abgedrückt zu haben – Ersatzmunition hatte er immer bei sich. Sêiichî fühlte sich schwach. Der Sender... Dieser Junge, er hatte wohl alles mit angehört... Mit einem gehässigen Lächeln verließ ihn nun endgültig alle Kraft und er fiel einfach nach vorne und zu Boden, wo sein Kopf hart aufschlug. Ryochi bremste, als sie endlich diesen verfluchten Tatort erreicht hatten, er machte die Tür auf, sprang raus und warf sie hinter sich wieder zu, bevor er zu rennen begann. Conan hatte während der Fahrt schon mal für einen Krankenwagen gesorgt. Wo die Polizeisirenen so plötzlich herkamen, war ihm ein Rätsel. Sie rannten durch die Straße und fanden den verletzten Sêiichî und den toten Mann von der Spurensicherung an einer Straßenlaterne, wo Sêiichî auf Kazumi lag – bewusstlos hoffentlich nur. Er verlor Blut, wie beide deutlich erkennen konnten, aber zu atmen schien er, wie Ryochi feststellte. Die Krankenwagen-Sirenen schienen die Rettung zu sein. Wie gut, dass sie schon vorgesorgt hatten, Sêiichî brauchte ganz dringend eine Notversorgung. Ryos Gefühlswelt war total zerrissen. Er war wirklich stolz auf ihn, er hatte alles getan, um sich zu widersetzen und seinen Dickkopf durchgesetzt und das sollte dann das Ende sein? Das glaubte er nicht. Er konnte doch gar nicht so einfach sterben – nicht durch so einen größenwahnsinnigen Feigling... Alles mit angehört hatte er – Conan verstand nicht, dass er so machtlos gewesen war, es nicht hatte verhindern können, dass man Ryochis Freund so übel zurichtete. Und das Schlimmste daran ihn so zu sehen war, dass es ihn an Akemi erinnerte. ~Diese Mistkerle werden mich jedenfalls nie wieder benutzen!~ durchforsteten die letzten Worte Akemis die Sinne des kleinen Superdetektivs. Er wusste genauso, wie Akemi, dass man ihn benutzt hatte, er hatte die Sache beenden wollen – so grausam war diese Organisation. Leute mit eigenem Willen hatten dort nichts verloren, sie waren in Lebensgefahr. Bei näherem Betrachten des Verletzten stellte Ryochi fest, dass man seinem Freund eine Überlebenschance gegeben hatte, eine winzig kleine. Einerseits wollte dieser Mistkerl Sêiichî töten, irgendwas in ihm hatte ihn wohl aber davon abgehalten, es richtig zu machen. „Er hat echt Glück gehabt... Wenn er das überlebt, dann nur, weil der Mörder unfähig war, ihn richtig kalt zu machen. Zwar wollte er ihn nicht verschonen, war aber auch nicht in der Lage, ihm den Gnadenstoß mit einem Schuss zu geben. Und Baileys...“ Conan stutzte, als Ryochi den Namen Baileys gebrauchte, er schaute zur Seite, zu der Frau, die ihm bisher entgangen war. „Baileys also, ja? Lass mich raten... Eine Schauspielerin, die wusste, dass Cognac Vermouth liebt und ihn deswegen ermorden wollte?“ Man ließ Ryochi nicht ausreden, er seufzte nicht nur deswegen, sondern auch, weil der Kleine den Nagel auf den Kopf traf. „Baileys sollte die Drecksarbeit machen, das, worauf dieser Jami keine Lust hatte. Er konnte ihn nicht selbst töten, wie es scheint, deswegen hat er der IRREN wohl auch gesagt, er sei ein Verräter.“ Diese Frau musste sich doch ziemlich gefreut haben, als sie das gehört hatte. Das war die direkte Erlaubnis zum Morden. Verrätern gebührte diese Behandlung – so würde auch Gin die Sache sehen, wie die meisten anderen, die die Organisation liebten, auch. „Baileys ist nicht gegen ihn angekommen, dabei weiß ich genau, dass sie ihn gerne getötet hätte, schon alleine, um Vermouth zu verletzen. Sie mag die Psychotour. Auf körperliches Leid hat sie es nicht mehr so abgesehen, weil sie einsehen musste, dass sie ihr unterlegen ist. Deswegen greift sie so gerne Leute an, die dieser Frau nahe stehen... Hat mir Shina mal erzählt.“ Conan verzog angewidert das Gesicht. „Ein Glück, dass Cognac sie erschossen hat. Ich unterlasse es mal, zu fragen, wieso er das nicht eher getan hat, wo er Vermouth ja liebt.“ Der Junge tippte darauf, dass Ryochis Freund sehr gutmütig war – was hatte der Kerl bitte in dieser Organisation zu suchen? Das war ihm mehr als nur suspekt. So, wie Conan die Sache sah, handelte es sich hier nur um Notwehr und nichts anderes. Mord war zwar grundsätzlich schlecht, aber selbst Polizisten durften ihn verüben, wenn es darum ging sich selbst und andere zu beschützen. Verbrecher, die dachten, sie durften Polizisten töten, mussten damit rechnen, erschossen zu werden. So etwas passierte schnell, auch wenn die Polizei es immer zu verhindern versuchte. Sêiichî hatte demnach als Polizist und nicht als Mörder gehandelt. „Diese Leute sind gestraft für’s Leben“, sagte Conan laut, ohne es zu registrieren - er dachte es nur, sagte es dann aber ungewollt. „Wohl wahr, das war er aber schon immer“, erwiderte Ryochi, womit er ja nicht log. „Sein Bruder hasste ihn, seine Mutter hat ihn terrorisiert, sein Vater wollte ihn zu Dingen zwingen, die er nicht mochte, die er fast schon gehasst hat. Er ist dann immer zu uns geflüchtet... Sein Bruder hat ihm seine Freunde auf den Hals gehetzt, die – oh Wunder – so gut wie alle zur Organisation gestoßen sind...“ Der Krankenwagen hielt ganz in der Nähe und die Sanitäter kamen mit einer Trage an, um den Verletzten einzusammeln. Einer von ihnen meinte, als ein Schuss zu hören war: „Ich glaube, wir kriegen heute viel zu tun.“ Conan blickte zur Seite, Richtung finstere Nacht, hier war ja wirklich kaum Licht. Wer hier rumlief, hatte sie nicht mehr alle. Die Schüsse kamen aus der Richtung, aus welcher die Polizeisirenen gekommen waren. Tat dieser Irre es wirklich? Legte er sich mit der Polizei an? So nach dem Motto: Ich bringe euch alle um, um zu überleben? „Oh man, hoffentlich erschießt die Polizei ihn, bevor sie auf weniger Polizisten reduziert wird... Ich glaube, dass er sich nicht gerne von der Polizei fangen lässt, vorher bringt er sie alle um...“ Am liebsten wollte er diesen Jami stoppen, aber das wäre wahrscheinlich Selbstmord gewesen. „Kein schöner Zeitgenosse – plötzlich erscheint mir Vermouth wie so ein blondes Engelchen, wie ironisch...“ Conan konnte sich diese Worte einfach nicht verkneifen. Sie war schließlich nicht auf jeden los, der ihr im Weg war, was dieser Jami wohl nun tun würde. Und er war mit Schuld, er hatte sich von denen zum Knirps verjüngen lassen, er konnte wenig gegen so einen Killer ausrichten, der würde sich gewiss nicht von einem kleinen Kind betäuben lassen... Man bekam es mit der Angst zu tun, wenn man die Schüsse hörte. Es war so furchtbar hier zu stehen und die Schüsse zu hören – tief in sich waren sie der Hoffnung verfallen. Sie hofften, dass die Schüsse nicht irgendwelche Polizisten trafen. Ein geübter Schütze wie Jami würde aber mit Sicherheit treffen. Kurz gesagt, sie hofften auf Wunder. Hektisch atmend stand er da – tot waren sie – alle tot. Er hatte wie ein Wilder um sich geschossen und alles eliminiert, was ihm in die Quere gekommen war. Keiner konnte ihn aufhalten. Übrig war nun nur noch diese kleine Ratte, die ihn verraten hatte. Aber auch ihn wurde er nicht verschonen – er würde ihm das Leben rauben, dafür, dass er ihn verraten hatte, dann noch an die Polizei. Da war ihm egal, wer er war. Einsperren und kurzen Prozess machen – das war es, was ihm vorschwebte... Als er ihn ganz in der Nähe ausfindig gemacht hatte, grinste er versessen vor sich hin. Nun war er wahrscheinlich noch furchtbar stolz auf sich, dass er DAS getan hatte. Warum es so viele Polizisten gewesen waren, ließ ihn nur auf einen Schluss kommen: Man hatte gewusst, um welchen raffinierten Mörder es sich handelte, er hatte ja allerhand zu tun gehabt, sie alle zu erledigen, schade nur, dass einer von ihnen nicht gekommen war. Wo war er? Versteckte er sich? Jami war sicher, dass er wusste, dass er selbst es war. Der Polizist war nicht dumm, und Jami war einer der Mörder, die dieser mit am besten kannte. Nur er konnte dafür gesorgt haben, dass diese Horde Polizisten ihm hier förmlich auflauerte… Vorsichtig wie eine Hyäne und so leise wie auf ironischen Engelsfüßen schlich sich Jami an die Person heran, die noch nichts davon ahnte. Das einzige, was der junge Mann wohl spürte, war der Schlag ins Genick, der ihn förmlich von den Socken riss und ihn zu Boden gehen ließ. Jami hatte fest zugeschlagen. „Hast du verdient! Ich kann’s nicht ausstehen, wenn man mich an Bullen verpfeift, und dann noch an meinen Lieblingsbullen!“ Er schaute mit vor Wut glänzenden Augen auf ihn nieder. Nachdem er all diese Polizisten getötet hatte, machte einer mehr auch nichts mehr… Es war dunkel. Das schmerzhafte Pochen im Kopf ließ den Schwarzhaarigen schließlich das Bewusstsein wieder erlangen. Es war dunkel und nass, es regnete… Sein Arm hing oben, man hatte ihn aufgehängt, ja so konnte man das nennen, aber bevor er wirklich registrierte, was mit ihm geschehen war, schaute er sich orientierungslos um. Auf die Ferne konnte er wenig entdecken, es war zu dunkel und seine Augen waren trübe. Sein Handgelenk tat höllisch weh, als wäre es gebrochen, so in etwa fühlte sich so etwas an, das wusste er. Und sein Kopf machte den Anschein ein Ballon zu sein. „Scheiße, wo bin ich? Ich hab ein ungutes Gefühl dabei…“ Woher das ungute Gefühl kam, war deutlich. Er hatte einen Anruf getätigt und damit etwas Furchtbares getan. Für wen genau diese Tat so furchtbar gewesen war – man wusste es nicht. Dass er sich hier irgendwo befand, an einem Ort, den er nicht kannte, dann noch mit irgendetwas festgebunden, das war ein ganz schlechtes Omen. Jami hatte überlebt, wenn er etwas wusste, dann das. Und wo war Hiroya jetzt…? Er hatte ihm doch in dem Telefonat die Alarmstufe Rot mitgeteilt… Aus einer Ecke heraus hörte er Lachen, ein düsteres Lachen, das sein Herz fast gefrieren ließ. Das war er, und ob er das war. Die Furcht, die sich in seinen Knochen festsetzte, ließ ihn an den Fesseln zerren, es waren keine Schnüre, nein, etwas sehr Hartes hatte sein Handgelenk umschlossen, er versuchte mit der anderen Hand ranzukommen, wodurch er sich erst einmal verrenkte. „Versuch’s gar nicht erst, die Polizei arbeitet nicht umsonst mit den Dingern!“ Die Stimme drang in einem hämischen Ton an seine Ohren und er hielt in seinen Bewegungen erst einmal inne. „Wo… Wo zum Teufel hast du die Handschellen her?“ „Das weißt du nicht? Musst du dumm sein!“ Der Schatten trat an ihn heran, je näher er kam, umso deutlicher war sein Gesicht sichtbar, sogar so gut, dass er seine türkis farbenen Augen aufleuchten sehen konnte, die ihn so grausam ansahen, dass ihm das Blut in den Adern zu gefrieren drohte… „Das sind natürlich die Handschellen von Polizisten… Sie gehörten einem meiner letzten Opfer, das ich getötet habe, ich habe sie danach an mich genommen… Sehr nützlich muss ich sagen, besonders gut geeignet, um Idioten zu fesseln, und sie wehrlos zu machen!“ Das einzige, was ihm nur einfiel war: Scheiße! An etwas anderes konnte er nicht denken, es war eine Scheißsituation. Wer wollte schon mit Jami alleine sein und noch dazu von ihm gefesselt? Jami sah die Panik, die förmlich in seinem Opfer aufgekeimt war, was es ihm noch größeren Spaß machen ließ, mit seiner Waffe auszuholen und direkt in seinem Gesicht zu versenken, gleich darauf trat er ihm so fest in die untere Gegend, dass der Jüngere laut aufkeuchte und mit dem Kopf nach vorne ging, es war eine automatische Reaktion. Er hatte ihn mitten in die Weichteile getroffen – und er war leider ein Kerl, es tat furchtbar weh, das sollte es wohl auch „Das war schon mal für die Aktion früher, erinnerst dich doch, ne? Für gewisse Weiber!“ Wenn das alles war, dann war es lächerlich, diese paar Schläge, die ihm fast die Luft raubten. Doch das war es nicht, niemals, das würde dem Kerl nicht ähnlich sehen. „Nenn… nenn sie kein Weib…“ Sein Atem raste und Jamis Gesichtsausdruck wich Verwunderung. „Was?“ Jami war entsetzt, wie konnte er es wagen? „Du bist gefesselt, also riskier nicht so’n großes Mundwerk! Ich weiß, dass du gerne besser wärst als ich, so wie viele, aber darüber lache ich.“ „Ja, du bist supertoll, weil du eine Waffe hast…“ Eben besagte Waffe wurde ihm gegen die Brust gedrückt. „War eine dumme Idee, Hiroya zu informieren, damit hast du dich selbst verraten und dir dein Grab geschaufelt. Du weißt, was ich tun werde, oder?“ Das Zittern, er sah es förmlich, sein Spielzeug zitterte beim Gedanken daran, was er mit ihm tun könnte, was Jami aber nicht verwunderte, er kannte sich selbst gut genug, immerhin steckte er in diesem Körper. „Du bist dumm, Hiroya ist nicht hier, weil er sich einen Dreck um dich schert, du warst ihm nur eine kleine Hilfe in seiner Jagd auf mich. Hast du gedacht, er würde dich beschützen?“ Zum Verwundern des Jüngeren nahm Jami seine Waffe wieder von der Brust seines Opfers. „Nur ein Anfänger würde auch noch die Anrufliste im Handy lassen, es war ganz einfach raus zu finden, dass du das warst. Hast ja schön brav im Präsidium angerufen…“ Er ging einen Schritt rückwärts und besah ihn, wie er sich mit einer Hand den Magen hielt. „Und Dummheit wird in jeder Regel bestraft, deswegen werde ich dich jetzt sehr sanft anfassen, ich werde dich so sanft sterben lassen, wie du es dir nicht vorstellen kannst.“ Wie Jami überhaupt auf die Idee gekommen war, dass er der Anrufer gewesen war – er hatte wahrscheinlich überall Leute und er war so eine unscheinbare Person, niemand würde ihn verdächtigen, dass er Dreck am Stecken hätte, aber so dumm, ihn zu unterschätzen, war Jami dann wohl doch nicht gewesen… Er hatte nicht das Gefühl, dass man ihm ansah, dass er etwas gegen den Killer hatte. Gut, in der Vergangenheit waren sie unschön aneinander geraten, aber dass Jami dachte, er könnte mit Hiroya gemeinsame Sache machen… Jami rechnete eigentlich schon damit, aber im nächsten Moment flog ihm das jämmerlichste Geschrei entgegen, das er jemals von einem Mann bekommen hatte – dabei war er doch sonst immer so vorlaut, jetzt wo er ihn gefesselt hatte und er keine Chance gegen ihn hatte, war sein Mundwerk nur noch halb so groß – wie gern hätte er dies alles gerade mit Hiroya getan – ihn zu überlisten war aber nicht so einfach, er war kein Schwächling, ja alles andere als das. Das sollte aber nicht heißen, dass dieser hier ein Schwächling war, auch wenn er in seinen Augen wie einer aussah. Wäre er einer, hätte er ihn wohl kaum so gefesselt, um leichtes Spiel zu haben… Als ihm das Geschrei lästig wurde und seine Ohren zu schmerzen begannen, fauchte er ihm entgegen, dass er endlich sein verdammtes Maul halten solle. Dieses andauernde um Hilfe bitten, es machte ihn schier wahnsinnig, auch wenn er es genoss, ihm Angst eingejagt zu haben, so war das zu viel des Guten. Wahrscheinlich dachte er, dass noch irgendeiner überlebt hatte und ihn hören könnte, oder vielleicht hoffte er wirklich, dass Hiroya hierher kam, um ihm den Arsch zu retten. Die Angst und Panik in ihm, sie vervielfachte sich jedes Mal, als Jami ihn auslachte, ja nun lachte er, es war einfach toll der Stärkere zu sein. Es wurde erst ruhiger, als er ihm seine Hand auf den Mund presste. „Verdammt, bist du ein Schreihals, wie hält man’s bloß mit so einem aus? Das Schreien bringt dir nichts…“ Er sah in seine Augen, war ihm so nah, dass sie fast Körperkontakt hatten. Die Hand des Jüngeren fasste nach seiner und versuchte sie von sich zu lösen, er hatte wahre Panik, seine Hand zitterte und er kam sich auf einmal vor, als würde er jeden Moment ohnmächtig werden, als wenn er nun zusammen klappen wollte, sein Körper keine Kraft mehr dafür aufbringen konnte, diese Hand zu lösen. Er nahm die Hand vom Mund des Mannes, fasste in seine eigene Jackentasche und zog das Handy raus, das er ihm vorhin entnommen hatte. „Vielleicht sollte ich mir einen Spaß erlauben, wird vielleicht ganz lustig…“ Während nun wieder die Hilfeschreie ertönten, scrollte Jami im Handy seines Opfers und fand schließlich den passenden Eintrag. „Jetzt halt endlich die Klappe!“ Er erfasste vorne seine Haare und haute ihn mit dem Hinterkopf gegen das Eisengitter, an welches er ihn gekettet hatte – der junge Mann verstummte und atmete so laut, dass man denken könnte, er wäre ein alter Mann. „Mhm… was schreiben wir ihr…?“ Jami machte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck und tippte mit einem gemeinen Grinsen ein paar Worte in das Handy. „Weißt du, was ich tue, wenn du noch ein einziges Mal schreist? Ich schreibe deiner Freundin, dass ich dich umgelegt habe, was würdest du dazu sagen? Ach, stimmt ja, kriegst’e gar nicht mehr mit.“ „Ich… ich habe gar keine…“ „Schlappschwanz“, machte sich Jami lustig und steckte das Handy weg. „Nur ein Loser würde die Frau, die er vor mir beschützt hat, nicht flachlegen… Aber ich denke, wir haben genug geplaudert…“ Der Ältere drehte einmal die Waffe um sich selbst und richtete sie ihm entgegen. ‚Ich seh dir an, wie du die Sekunden zählst, deine Augen sprechen Bände… Wie kannst du es nur wagen, ausgerechnet Hiroya anzurufen? Ausgerechnet den!’ Der Hass und Zorn loderten wie Flammen in Jamis Augen auf, er hasste alle, die mit Hiroya gut auskamen und es dann auch noch wagten, ihn an den Polizisten zu verpfeifen, dafür gab es keine Entschuldigung. Dass der Mörder ihn bei der erstbesten Gelegenheit erschießen würde, stand für ihn fest und all das Schreien hatte nichts gebracht, sein Hals kratzte, er hatte so sehr geschrieen wie noch nie und doch bohrte sich nach und nach Kugel für Kugel in seine Haut und löste unvorstellbare Schmerzen in ihm aus. Schmerzen, die Jami ihm zufügte, er war nun wirklich nicht scharf darauf gewesen, es mit ihm zu tun zu kriegen, aber er hatte irgendwo auch nicht einfach so zusehen können. Schon am Bahnhof, wo er mit ihr gewesen war, hatte er ihn entdeckt und gleich gemerkt, dass er etwas ausheckte… Das war nun die Quittung, immer wieder kehrende und sich verschlimmernde Schmerzen, aber das allerschlimmste sah er noch gar nicht kommen. Natürlich wusste er, wen Jami gemeint hatte, als er von seiner Freundin sprach. Er kannte sie – leider, und er blieb stumm. Nun atmete auch Jami ziemlich heftig, es waren drei Schüsse gefallen und er wusste, sie würden tödlich sein – wenn er das wollte, dann waren sie es, jedoch nicht im ersten Moment. Wenn jemand ihn schon an Hiroya verriet, sollte er richtig leiden. Mit einem freundlichen Grinsen ging er auf ihn zu, löste die Handschelle des Mannes, der förmlich mit dem Kopf nach unten hing und schlussfolglich einfach zu Boden fiel. Als er ihn so betrachtete, kam ein Grinsen in seinem Gesicht auf. „Du kannst mich nicht aufhalten, auch wenn du das dachtest, niemand wird das können“, versprach er ihm, das Blut hörte er in den Ohren rauschen und ihm war furchtbar schlecht, nicht nur vor Angst, sondern auch vor Ekel. „Ich kann dich vielleicht nicht aufhalten, ja…“ kam nun ganz leise von der daliegenden Person, „aber wenn Hiroya das rauskriegt, wird er dich auseinander nehmen, da gehe ich jede Wette ein…“ Ein Husten war zu hören und man hörte an der Stimmlage, wie weh es tat, die Kugeln, die ihn nun getroffen hatten. „Gut, dann möchte ich deine schönen Träume nicht stören, du wirst sie für immer träumen.“ Man hörte, wie etwas Hartes zu Boden fiel und dort liegen blieb, natürlich sah nur Jami, was es gewesen war. Ein abfälliges Geräusch von sich gebend, drehte er sich herum. Die Tür fiel, Jami hatte nicht vor, hier zu übernachten, es hatte Spaß gemacht, aber noch mehr von dem Gerede und er würde wahrscheinlich niemals hier wegkommen. Er hatte 10 Polizisten auf dem Gewissen und einen Plan, den er jetzt noch in die Tat umsetzen musste, das ging nicht, wenn er bei ihm blieb… Ein Handypiepen war zu hören, sie saß auf einer Bank mit zwei Bechern Eis, die nun längst zerlaufen waren. „Na warte, wenn du wieder kommst, kannst du aber was erleben!“ schnauzte sie vor sich hin und hörte die Geräusche, die ihr Handy machte und holte es deswegen aus ihrer Tasche. Ihre Augen wurden kleiner und sie sah aus, als würde sie das Handy gleich zu Boden werfen, als sie die SMS öffnete. ~Na, wie geht’s meiner Lieblingssängerin? Ich denke, du solltest deinen Freund vom Boden abkratzen, er liegt in der alten Firma… Leider, leider wird er nie mehr für dich singen können, denn seine Luft habe ich ihm bereits genommen, aber sein Herz, das schlägt NOCH für dich…~ Auf den ersten Blick war es wie ein Scherz, der nicht witzig war, und sie brauchte einen Moment, bevor sie überhaupt verstand, was er meinte. Manchmal machte er wirklich dumme Witze, aber es war keiner – nein, derjenige, der das geschrieben hatte, war nicht er. Sie sprang von der Bank auf, auf welcher sie gesessen hatte. „Verdammt, hast du Jami denn immer noch nicht gefasst“, war ihr erster Gedanke, den sie laut aussprach und wenig später losrannte. Noch ehe sie die dicht befahrene Straße überquert hatte und dabei beinahe von Autos erfasst worden war, rief sie ihren Bruder an. Sie wusste nicht, ob es nicht vielleicht eine Falle war… Egal, sie legte auf. Etwas anderes war ihr in dem Moment wichtiger, nämlich einen Krankenwagen rufen, auch wenn Jami ihr wahrscheinlich nur Angst einzujagen versuchte. So etwas war schließlich keine Seltenheit. Dass er sie so gut kannte, machte ihr allerdings große Angst, er wusste genau, wie er sie in den Griff bekam… Sie hätte alles getan, damit ihren Freunden nichts passierte. Das Handy vibrierte und der 29-jährige holte es raus, allerdings klingelte es nur einmal, was ihn an sich schon stutzig machte. Wollte die ihn jetzt ärgern, oder was? „Es war eine gesunde Idee, sich da rauszuhalten… Woher wusstest du eigentlich, dass es gefährlich werden würde?“ Die Person, die mit ihm sprach, war einer seiner engsten Vertrauten, dass Hiroya ihm nicht antwortete, hieß nur wieder, er hörte ihm nicht zu. „War aber auch ziemlich feige.“ „Ach, halt die Klappe, wer hat dich gefragt…?“ Er konnte sich dieses Gefühl nicht erklären, aber irgendetwas in ihm sagte, dass es noch nicht vorbei war. Dass es schon wieder regnete, war mit ein Grund, immerhin hatten sie noch nicht einmal April. „Ich weiß, dass du ihn gerne kriegen würdest, aber er hat zu viele Leute im Rücken… Und den Boss auf seiner Seite, also sei vernünftig.“ „Halt die Stellung“, nachdem Hiroya das gesagt hatte, stieg er ins Auto und ließ seinen Kollegen einfach so im Regen stehen. „Ey was… Was wird das denn?“ Es war dunkel in dem Gebäude und wenn sie ehrlich war, war es verdammt gruselig, zumal es sich um eine Firma handelte, die bald abgerissen werden würde. Sie zuckte bei jedem noch so kleinen Geräusch zusammen, schlich sich aber mit wackeligen Beinen immer weiter voran, bis zum kaputten Aufzug, wo sie das Gefühl hatte, Geister guckten sie neugierig an. Sie hatte nicht das Gefühl, alleine hier zu sein, irgendjemand – wahrscheinlich Jami – beobachtete sie dabei, wie sie vor Angst sich beinahe in die Hose machte, weil er sie so erschreckte. Obwohl sie sich bemühte, es nicht zu zeigen, sah man, dass sie gehörig die Hosen voll hatte. „Hätte doch meinen Bruder anrufen sollen…“ Der Boden war morsch und knackte vor sich hin, als sie darüber lief, sie hatte geradezu Angst davor, er würde nachgeben und sie im Erdgeschoss landen. Ganz in der Nähe hörte sie Geräusche, sie hörten sich an wie heftiges Schnaufen von einem Tier, das ließ es der jungen Frau alles, nur nicht wohler werden. Das Knarren der Tür war zu hören, als sie sie langsam aufschob und in den Raum hinein lugte. Es stank. Und sie kannte diesen Geruch. Kurz überlegte sie, die Tür einfach wieder zuzumachen und nicht reinzusehen, so wie es da stank, hatte jemand für Leichen gesorgt, sie wusste schon, warum sie keine Polizistin sein wollte, sie fürchtete sich einfach viel zu sehr. Aber die Neugierde war größer, als ihre Angst, also ging sie hinein. Es war ruhiger geworden, wahrscheinlich hatte sie es sich nur eingebildet, dass sie etwas gehört hatte. Als sie dann aber weiter in den Raum hinein ging, sah sie, dass es sich nicht um Einbildung gehandelt hatte und Jamis SMS auch kein blöder Scherz gewesen war. Wie zur Salzsäule erstarrt, blieb sie stehen – einen Moment brauchend, um das Unfassbare zu verarbeiten. In diesem Moment fragte sie sich, was Katori in dieser Situation getan hätte. Sie bewunderte ihre Kollegin sehr, sie war eine der wenigen Frauen, die sie wirklich mochte und sogar ein bisschen bewunderte. Sie war so eine starke Frau und schien nie Angst zu haben. Aber was wäre, wenn sie Yuichi hier gefunden hätte? Ihr Herz rutschte ihr förmlich in die Hose und die Panik überkam sie wie ein Eimer eiskaltes Wasser. Es war ein ganz schlimmer Albtraum und sie würde nachher aufwachen – er würde sie wahrscheinlich auslachen. Und so haarsträubend es war, sie fragte sich, WARUM? Jami war grausam, das war eine Sache, aber er beging nie unnötige Morde… und in ihren Augen war dieser Anschlag mehr als nur unnötig. Ihren Bruder zu ermorden, dafür hätte es Gründe gegeben, aber dafür? „…Ich… Ich hab einen Krankenwagen gerufen…“ Sie stolperte mehr auf ihn zu und landete schneller auf den Knien, als man schauen konnte, während sie energisch mit ihm sprach. „Ich lass dich nicht sterben, das lasse ich niemals zu… Hörst du mich?!“ Sie sah ganz eindeutig, dass er nicht tot war, seine Brust hob und senkte sich, seine Atmung erklang laut und angestrengt wie nach einem Dauerlauf, der seine Lunge überstrapaziert hatte. „Was… machst du… hier?“ Seine Stimme hatte noch nie so leise und schwach geklungen. Das war sie nicht gewohnt. Dass er ab und zu sanft mit ihr sprach, das war normal, aber diesmal war es nicht sanft, es war fast lautlos. „Warum bist du hier?“ fragte sie ihn, ein klein wenig anklagend, es sah ihr aber nicht so aus, als wenn er ihr darauf antworten wollte, also hob sie seinen Kopf auf ihren Schoß. „…Krankenwagen, huh?“ Als sie ihm durchs Gesicht fuhr, spürte sie, wie er glühte, sein Gesicht war im wahrsten Sinne des Wortes nass. „Alles dreht sich…“ Die Augen wurden ihm schwer, er sah nur diese hübsche junge Frau, die sich immer wieder und wieder im Kreis drehte, er konnte sie kaum erkennen, doch kannte er ihre Stimme und wusste wer sie war. „Sie sind gleich da.“ Bemühend, ihre Stimme ruhig zu halten und nicht aufgeregt zu klingen, in ihrer Angst, die sie in diesem Moment um ihn hatte, brach ihr der Schweiß aus, er lief ihr über das jugendlich wirkende Gesicht und ihre Hände zitterten merkbar. All das hatte sie schon einmal erlebt… Sein Körper fühlte sich an, als hätte man ihm sämtliche Energie entzogen, seine zitternde Hand lag auf dem dreckigen Boden, er schaffte es kaum seine Finger zu bewegen, war total gefangen in seinem Körper. So schnell konnte es gehen. Eben noch ganz oben und endlos glücklich und nun ganz unten, das war das Gefühl, welches er hatte. Es fehlte ihm sogar die Kraft, um ihre zarte Hand zu umfassen, als sie diese auf seine legte. Warum musste sie nun hier sein? Es war so schon schlimm genug, sie hatte oft erzählt, wie es für sie war, wenn sie Menschen sterben sah – es war nicht das erste Mal in ihrem Leben, dass man ihr so etwas Grausames angetan hatte. Einen kleinen Blick riskierte sie auf die Uhr – es war schon so spät, sie hatte doch genaue Anweisungen gegeben, wo sie sich befanden, sie müssten längst hier sein… „Ich… Es tut mir.. wirklich Leid… Ich hätte.. gewünscht, dass dieser Tag schöner endet. Mir wäre es im Moment am liebsten“, er musste husten, „hät gewünscht dich nie getroffen…“ Die Worte klangen wie falsches Japanisch, als wenn er nicht mehr klar denken könne. „Er wird schön enden, bitte glaub mir“, in ihren Augen begann es nun zu brennen, sie hatte das Gefühl, genau zu wissen, was er mit seinen Worten sagen wollte und er drückte sich nie klar aus. Nie würde er sagen, dass er sterben würde, aber genau das meinte er mit seinem Gesagten. Und sie wünschte sich nur, dass sie so stark wäre, wie Katori. Würde sie weinen? Vielleicht unterschätzte sie die Liebe. Wie könnte eine liebende Frau, dabei zusehen, wie der Mann starb, den sie über alles liebte? Das wäre Kaltherzigkeit. „Ich will… dich nicht… verlassen…“ Davor hatte er in diesem Moment am meisten Angst, und angesichts der Tatsache, dass er nicht alleine war, fühlte er sich umso schlechter. Ein Teil seines Daseins freute sich, dass sie hier war, der andere war entsetzt darüber, dass sie nun schon wieder jemanden sterben sehen sollte. „Und ich will nicht, dass du… mich so siehst…“ Es brach ihm das Herz, er wollte das alles nicht, doch fühlte er sich unfähig, sich dagegen zu wehren, dass es doch geschah. Jeder Atemzug strengte ihn mehr an. Es war immer schwerer überhaupt Luft zu bekommen, er fühlte sich, als hätte man ihn unter etwas Schwerem begraben und er könnte nicht mehr aufstehen. „D-Das… w-weiß ich…“ stammelte sie daher, ihre Stimme geschüttelt von Schluchzern, die sie nicht vor ihm verbergen konnte. „Bitte wein nicht…“ Was sagte man in einer solchen Situation, in der einem einfach die Luft fehlte, und in der es einfach nichts Richtiges gab. „Das mag ich nicht.“ Dass er es sagte, machte es nicht besser, es riss sie nur mehr zu den Tränen hin. „Ich muss aber… weinen…“ In ihrer Brust schmerzte es, ihn so zu sehen, wie er so mit sich kämpfte, mit jedem Wort, das er sagte, wurde es schrecklicher. „Ich bin immer bei dir…“ Es war nun fast still, seine Atmung, sie konnte sie fast nicht mehr hören. Verzweifelt war kein Ausdruck, alles in ihr rebellierte dagegen. Nein, gleich würden sie da sein… Obwohl sie daran glauben wollte, eine gewisse Hoffnungslosigkeit machte sich in ihr breit, was sie nun dazu hin riss, sein Gesicht noch sanfter zu streicheln, wie bei einem kleinen Kind. „Das weiß ich, und mein Herz wird immer nur für dich schlagen… bis zu meinem letzten Atemzug…“ Sie hatte keine Macht darüber, das wusste sie. Wenn nicht gleich jemand kam, würde er hier auf ihrem Schoß einschlafen, sie wusste es ganz genau, so würde es kommen. „Würde es dich glücklich machen… wenn ich dir sage… dass du die Frau bist, von der ich nachts träume?“ Er hatte lange mit sich gerungen, ob er diesen Satz wirklich von sich geben sollte, ob es sie ein bisschen tröstete? Wahrscheinlich nicht. „Was…?“ In ihrem Gesicht spiegelte sich Unglauben wider, selbst er würde mit so etwas keine Scherze machen. „Und wieso… sagst du… das… jetzt?“ Es war schlimmer noch, als sie gedacht hatte. Musste er im Sterben liegen, um so etwas zu sagen? „Ich hab nichts zu verlieren…“ Ihre Augen wurden groß und eine Träne rollte über ihre Wange. „Baka!“ Sie kniff die Augen zu. Er war wirklich ein Idiot, wie konnte man nur so schwer von Begriff sein? „Hättest du mir das doch nur eher gesagt, hast du wirklich gedacht, dass ich deine Gefühle nicht erwidern würde? Ich gebe dir einen Grund zum überleben.“ Ihre Hände zogen ihn ganz vorsichtig höher, bis zu ihrer Brust, wo sie ihm ihre Lippen aufdrückte. Der Geschmack von Blut hatte etwas bittersüßes, es war nicht der schönste Kuss, den sie jemals mit jemandem geteilt hatte, er hatte so etwas tragisches und sie spürte tief in sich, dass es das letzte Mal war. Sie küsste ihn nicht aus Mitleid, sie küsste ihn, um ihm diesen kleinen, winzigen Grund zum Überleben zu geben, und ein Stück weit wollte sie auch, dass er sein Glück fand. Einen Grund zum Überleben? Den hatte er längst. Aber es war süß von ihr, immerhin musste es doch furchtbar sein, mit dem ganzen Blut, das er in seinem eigenen Mund verspürte, ihn dann noch zu küssen. Um nicht zu sagen, es war mit Sicherheit absolut widerlich, doch verzog sie nicht die Miene und küsste ihn – recht lange, und er glaubte, dass sie ihn auch ein bisschen Luft zum Atmen gab. Doch dann, als die Schmerzen nachließen, wurde er endlich erlöst… Er spürte nichts mehr, außer pures Glück und auch Zufriedenheit in sich, auch wenn es sehr egoistisch war im Endeffekt so zu fühlen und sie mit ihrem Leid alleine zu lassen. In dem Moment, als sich seine Augen für immer schlossen, war es wie das Glück gefunden zu haben. Als er aufgehört hatte zu atmen und ihre Hand über sein verklebtes Hemd strich, sich auf sein Herz drückte, küsste sie ihn noch immer, löste sich allerdings erst, als sie spürte, dass es nicht mehr schlug, auch fühlte sie seinen Atem nicht mehr. Ihm in sein zufrieden schlafendes Gesicht sehend, kehrten die elenden Tränen zu ihr zurück und flossen nun in Strömen über ihr Gesicht. Sie vergrub es in seinem Blut verschmierten Hemd und man hörte nur noch die stummen Tränen der Verzweiflung… Kapitel 10: SOS --------------- Was brachte es ihr Jami zu bestrafen? Das würde ihn auch nicht wieder lebendig machen, also ließ sie Jami ziehen, ohne auf irgendwelche Mordgedanken zu kommen, die ihn betrafen... Nein, anderes kam in ihrem Sinn auf. Dieses Leben, wenn man es so nennen konnte, hatte sie satt. Es hatte etwas von da sein, aber auch nicht. Sie fühlte sich schon seit langem nicht mehr vollständig, oder gar glücklich. Nur für einen Moment hatte man ihr das gegönnt, und sie war ihm dankbar, dass er seinen Mund aufgemacht hatte – zwar im letzten Moment, aber so kam es ihr wenigstens nicht ganz so schrecklich vor. Natürlich war es eine Tragödie, die sie durchlebte – sie hatte schließlich die letzten Jahre so etwas wie Liebe nicht erfahren, aus purer Angst, Außenstehende mit hinein zu ziehen. Innerhalb dieser Organisation gab es nicht wirklich normale Männer und sie mochte eigentlich nichts mehr, als Männer, die ein weiches Herz hatten. Leider waren diese stets auf eine gewisse Weise oft enttäuscht worden, aber sie hatten sie auch immer verstanden – wie sie sich fühlte nach einem Dutzend enttäuschter Liebeleien. Die meisten waren einfach nur gute Freunde, mit denen sie sich gut verstand, aber diese so genannten Freunde waren ihr heilig. Und keinem von ihnen sollte etwas zustoßen. Aber ohne Freunde, das war kein Leben, sie hatte sich so oft gesagt, es wäre besser, wenn sie niemanden zu nah an sich ranließ – das hatte sie auch die ganze Zeit gelebt, nun stellte sie fest, dass es rein gar nichts gebracht hatte. Sie hatte trotzdem nicht einen weiteren Toten verhindern können. Und Jami lachte nun bestimmt wieder über sie, er lachte über alle, die auch nur ansatzweise ein Herz besaßen, er lachte im Grunde doch sogar über Kir, obwohl er sie angeblich so sehr verehrte, dass er sie wahrscheinlich auf der Stelle geheiratet hätte. Es herrschte Stille und es war sehr dunkel, ihre Tränen waren daher ein einziges Zucken ihres Körpers, den Geräuschen zufolge weinte sie bitterlich. Es war niemand in der Nähe, der ihr hätte Trost spenden können. Sie wünschte, nicht mehr hier zu sein, es war so schrecklich. Wie konnte man ihr so was auch noch antun? Jami gab sich wohl ordentliche Mühe, dass sie verzweifelte und unglücklich war – kein Wunder, er hasste ja die Polizei und sie gehörte auf gewisse Weise eben einfach zu dieser. Ihre Eltern, ihre Geschwister, alle waren sie Polizisten. Ihre Familie zu zerstören hatte ihm ja auch große Freude bereitet, oder? Irgendwann würde er dann auch noch ihren Bruder, der ihr als einziger geblieben war, ermorden, sie traute ihm alles zu, er schien sie abgrundtief zu hassen, weil sie ihn abgewiesen hatte. Sie fühlte sich wie erfroren in einem tiefen Abgrund, aus welchem es kein Entrinnen gab. Kimiko wollte nicht mehr so leben, es war alles so aussichtslos. Wahrscheinlich würde alles erst enden, wenn Jami alle ihre Freunde und ihren Bruder ermordet hatte, ja, dann war er vielleicht zufrieden. Warum konnte er nicht unter den Toten sein, die innerhalb der Organisation stets fielen? Warum überlebte er alles? Wieso hatte dieser Mensch so viel Macht? Die 22-jährige hatte sich mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, als ihr fast direkt vor den Füßen etwas auffiel, womit sie nun gar nicht rechnete. Man konnte sie kaum sehen, aber sie hatte das Glück den Gegendstand zu entdecken. Er war voller Blut, was sie aber nicht davon abhalten konnte, danach zu greifen. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie so etwas in den Händen hielt, sie hatte Waffen immer gehasst, aber das musste wohl die Tatwaffe sein. Sie wusste nicht, was sie damit anrichtete, als sie diese Waffe an sich nahm, ihr Verstand war fast komplett ausgeschaltet. Sie hatte jemanden verloren und freute sich über die Waffe, ja, sie freute sich sehr über sie, sie kam wie gerufen… Gott wollte jetzt sicher, dass sie es beendete, dass sie aufhörte, sich zu quälen. Vielleicht wollte er sie auch wieder vereinen, an einem Ort, wo sie weniger Pech haben würden, als hier… Das Handy rausholend, tippte sie eine für ihre Verhältnisse lange SMS an eine sehr gute Freundin, die ihr oft zugehört hatte, sie wollte sie nicht im Unklaren lassen, auch wenn es wehtat, andere zu verletzen. Sie hatte IHN ja nicht verloren, sie hatte noch eine Zukunft, sie hoffte es wirklich für ihre Freundin, dass es ihr nicht genauso ergehen würde. I don't wanna hear the bad news when I was a little girl In front of the mirror I couldn't understand a thing There were tears falling down my cheeks no matter How much, I washed my face, I couldn't wash my soul. I should have hold on to him tight I wanted to hold him back so he wouldn't leave A frozen rose that has lost it's love Only the memories of you dye her into red Stays there waiting to melt away The petals scatter like glass tears I really I'll forgive you if you're afraid of me I wanna be hold so tight that I can't breath Save me from my loneliness If it was possible I shouldn't have meet you Hiroya umgriff seine Waffe fester, er wollte auf alles gefasst sein, das musste er schließlich, wenn er nicht einmal hinterrücks von jemandem erschossen werden wollte. Auf seinem Weg begegnete er Jamis Opfern, er konnte kaum hinsehen, es war schrecklich, wieso hatte er sich von Juro überreden lassen, sich nicht in diese Sache einzumischen? Weil sie gefährlich war? Katori war gerade bei einer Freundin, als ihr Handy vibrierte und sie es rausholte, um zu gucken, wer ihr geschrieben hatte. Es konnte ja sein, dass jemand sie dringend brauchte, das kam nun wirklich nicht selten vor, dass jemand von ihnen in Gefahr schwebte. Und heute war in der Stadt jedenfalls der Teufel los, man sah es in den Nachrichten, was vorgefallen war. Sie hoffte ja, dass sich jemand meldete, mit guten Nachrichten. Von Sêiichî wusste sie, was mit Yuichi passiert war, sie war sogar schon im Krankenhaus aufgetaucht, wo Rena sie allerdings nicht haben wollte, sie würde nur alle noch verrückter machen, hatte sie gesagt. Cencibel solle sich um sie kümmern… Wieso mussten sich eigentlich immer alle um sie kümmern? Sie wollte wissen, wie es Yuichi ging und zwar als erste, aber keiner wollte ihr etwas sagen, alle schwiegen sie. Als Katori dann aber Kimis Nachricht las, wurde sie bleich, Shannen guckte sie schief an und fragte sie dann, ob es ihr gut ging. „Ich will… jetzt nicht reden…“ Ohne sich aufhalten zu lassen, nahm sie sich ihre Jacke und verschwand aus dem Haus raus, natürlich lief ihr Shannen nach, die den Auftrag hatte, auf sie Acht zu geben. „Keine Angst, ich fahr nicht zu Yuichi, außerdem bin ich sehr wohl in der Lage, auf mich selbst Acht zu geben! Du hältst mich jedenfalls nicht auf!“ Sie war ins Auto gestiegen und davon gebrettert, als sei der Teufel hinter ihr her. Und obwohl es verboten war, telefonierte sie im Auto, oder zumindest versuchte sie es. In der SMS hatte gestanden, dass alles vorbei war, dass Jami ihr den liebsten Menschen nun auch noch weggenommen hatte, dass es kein Zurück gab, und sie keinen Ausweg mehr aus dieser Situation fand, da sie schon viel zu tief mit drin hing. Sie dankte ihr für ihre Freundschaft und dass sie die ganze Zeit über für sie da gewesen war… Und doch konnte ihn niemand ersetzen. Sie solle nicht traurig darüber sein, sie würde ihren Frieden nun endlich finden… Wie konnte sie denn nur daran denken? Katori wusste natürlich, dass sie immer Angst davor gehabt hatte, dass man zu viel über sie herausfand, vor allem Jami, dass er dann die richtigen Leute angriff, um ihr zu schaden, da sie aufgemuckt hatte und nun war dieser Fall also eingetreten. Was hatte den Mistkerl geritten? Wieso hatte er IHN nicht wenigstens zufrieden lassen können? Katori wusste schon seit langem, dass SIE ihn liebte. Warum ausgerechnet er? Die Blondine kannte Kimiko gut genug, dass sie fähig war, sich etwas anzutun, wenn man ihr zu viel zumutete. Man hatte schließlich schon einmal einen Mann ihretwegen getötet, sie konnte sich nicht vorstellen, dass es diesmal anders war… Wie gut, dass sie eine Anlage im Auto installiert hatte, die es ihr ermöglichte, Kimikos Handy aufzuspüren, so landete sie recht schnell bei der alten Firma. Schon als sie aus dem Auto ausstieg, kam ihr heftigster Wind entgegen – ein sehr schlechtes Omen und dann sah sie Hiroya vor dem Gebäude stehen, wie er nach oben guckte und wohl irgendwie so aussah, als würde er die schrecklichsten Dinge ahnen. Wusste er etwa auch davon? Hatte sie ihm ebenfalls geschrieben? Katori stürmte auf ihn zu, er hörte es natürlich und richtete erst einmal seine Waffe auf sie, guckte sie verwirrt an und ließ sie dann sinken. „Was, du? Wo kommst du denn her?“ „Kimi hat mir geschrieben, sie ist da drin, beeil dich!“ Katori schnappte ihn am Handgelenk und zerrte ihn förmlich hinter sich her. „Jami ist hier… nicht wahr? Irgendwas ist passiert! Du siehst aus, als wenn du ziemlich Panik hättest!“ „Sie hat vor sich das Leben zu nehmen, sie hat die Schnauze voll von Jami! Er hat ihren Freund umgebracht!“ Hiroyas Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig, man sah ihm den Schock an, er hatte das Gefühl, als würden sich ihm die Eingeweiden zusammenziehen, er ließ sich nur noch hinterher schleifen, selbstständig rennen, tat er nicht mehr wirklich… Es war nicht seine Art so zu reagieren, aber gerade war ihm furchtbar schlecht, so erging es ihm sehr selten. Vor knapp einer Stunde hatte er doch noch mit ihm telefoniert – wegen Jami. In ihm kam ziemliche Wut auf. Dieser Mistkerl, ihm war natürlich klar, weshalb er ihn überhaupt angefasst hatte – er war ihm nun wirklich nicht gefährlich, vielleicht konnte er ziemlich großkotzig sein und hatte sich mal mit ihm angelegt, aber das war kaum ein Grund, wegen dem Jami Menschen tötete. Nein, er wusste ganz sicher, dass man ihn gewarnt hatte, deswegen hatte er… Sie suchten die Firma ab, fanden aber erst im oberen Geschoss vorm letzten Zimmer erste Anhaltspunkte. Blut, es war eindeutig Blut auf dem Boden, die Tür stand weit offen und dann sahen sie das ganze Spektakel. In Katoris Körper fuhr ein Zittern. Sie hatte es wirklich getan. Wie konnte sie nur? Warum hatte sie nicht gewartet? Hiroya hielt Katori fest, die auf sie zustürmen wollte, in ihren Augen die Tränen der Verzweiflung. „Du dummes Mädchen!“ „Ja haste Recht… Sie ist dumm… Zumindest wenn es um ihn geht. Und Jami wusste das…“ Hiroya nahm ein Taschentuch und nahm die Waffe an sich, die am Boden lag. „Das ist nämlich seine Waffe, sie hat sich mit seiner Waffe erschossen. Diese Mistkröte hat ihn ermordet und die Waffe hier gelassen, damit sie sich das Leben nehmen KANN! Ich könnte kotzen! Der lernt mich kennen!“ Während Katori noch immer weinte, traten auch in Hiroyas Augen Tränen, er schaute weg, er konnte sich das gerade nicht mehr ansehen. Aber auch war der Mann voller Wut und Hass auf diesen Kerl, denn dieser hatte seine Freundin getötet, seine eigene Geliebte ebenfalls und Hiroyas zwei Geschwister. Nicht einmal vor seinen Eltern hatte er Halt gemacht… Man hatte ihn um Hilfe gebeten, wie konnte er ahnen, dass es so enden würde? Nicht nur, dass dieser Mistkerl seine Schwester in den Wahnsinn getrieben hatte, er hatte auch noch eine Horde Rettungs-Sanitäter einfach so ermordet, um erfolgreich zu sein, kaum zu glauben, wie weit sein ehemaliger Freund für seinen Erfolg ging. Er war ein erbärmlicher, kleiner Idiot, der keine andere Möglichkeit sah, als weiter erfolgreich zu sein, da man ihn ansonsten abschoss. Hiroya wusste, wie die Regeln innerhalb der Organisation waren, entweder taugte man etwas, oder man wurde vom Boss entlassen, was einem Todesurteil gleichkam. Katori, die den ersten Schock, dass sie Tränen in seinen Augen gesehen hatte, versuchte zu überwinden, bekam den nächsten, als sie Hiroya beobachtete, dessen Blick voller Selbsthass zu sein schien. „Ich dachte, dass es besser ist, wenn Jami denkt, dass ich und meine Schwester uns nicht mehr verstehen, dass wir uns hassen… Aber - das hat ihn nicht abgehalten. Nun hat er auch sie getötet - er hat sie alle getötet.“ Hiroya drehte sich herum, ging zum Fenster und schaute hinaus. „So ein feiges Schwein, warum hat er nicht versucht, MICH zu erledigen? Das wäre ihm wohl zu viel Arbeit gewesen!“ Er schlug mit den Fäusten auf die Fensterbank und war mehr als nur wuterfüllt. Katori schloss die Augen, so hatte sie ihn noch nicht erlebt, aber sie glaubte ihm. „Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Sie hat versucht ihn da rauszuhalten und auf ihr eigenes Glück verzichtet, nun ist er trotzdem tot. Den Gedanken zu versagen, ertrug sie nicht… Nicht schon wieder. Ich glaube, sie hätte sich lieber umbringen lassen, als dass jemand anderem etwas geschieht.“ „Und ich denke, dass sie einfach nur zu viel Angst hatte, dass es noch schlimmer kommen kann, und noch andere zu Schaden kommen, so war sie… Es hilft uns leider nicht, zu jammern. Jami wird jedenfalls nicht so weitermachen, den schnappe ich mir und dann büßt er für alle Taten, die er verbrochen hat. Ihn zu töten, das wäre zu billig, nein, ich hoffe, er überlebt, dann wird er erleben, was es heißt einsam zu sein. Diese Mistkröte hat davon doch keine Ahnung, er will immer nur, dass alles ihm alleine gehört und verlieren konnte er schon früher nicht.“ Hiroya erinnerte sich noch sehr genau, als sie noch Kinder gewesen waren. Immer, wenn Hiroya in Spielen gewonnen hatte, war Kenichi auf seine Sachen losgegangen und hatte etwas kaputt gemacht. Sie waren sehr lange eng befreundet gewesen, aber so einen Freund, auf den konnte man jawohl verzichten. Er würde auch niemals vergessen, als er sich versucht hatte, wieder in ihre Familie zu schleichen und dafür Yuriko benutzt hatte, die damals nicht wusste, dass Kenichi zu diesen Verbrechern übergelaufen war, das hatte ihr Vater der jungen Frau erfolgreich verschwiegen. Der Gipfel war ja gewesen, als sie gesagt hatte, er wolle sie heiraten und eine Familie mit ihr gründen. Er hatte lange dabei zugesehen, und erst dann erfahren, dass Kenichi diesen Verbrechern angehörte und einer ihrer besten geworden war. Er verbot ihm seine Schwester zu sehen und versprach ihm, er würde seine Killer-Karriere beenden. Jami sah das bis heute noch als Angriff und konnte ihm nie vergeben. Das Lustigste war gewesen, als er ihn um Hilfe gebeten hatte. Dachte der wirklich, dass er Verbrechern helfen würde?? Noch lachhafter wäre aber, wenn er es ernst gemeint hätte und seine Schwester Yuriko zu allem Überfluss geliebt hätte… Er hatte sie nicht verdient, das hatte er nie, und nun hatte er sie auch noch selbst getötet. Wenn das seine Liebe war, dann sollte man sich ernsthaft mal überlegen, ob man ihn nicht in einer Psychiatrie unterbringen sollte… Jedenfalls hatte der Gute einen ordentlichen Dachschaden, dass er zu denen gehörte, hatte ihn also niemals wirklich gewundert. Und das obwohl sie beide aus Polizei-Familien kamen und man Kenichis Eltern und seine Schwester getötet hatte, unterwarf er sich noch immer diesem Schwein, das in der Organisation das meiste Sagen hatte, er war ja so ein Feigling. Niemals hätte ER sich dem Mann unterworfen, der seine Familie zerstört hatte… Katori stand da und blickte zu Boden, im Raum stank es erbärmlich, doch diesen Geruch war sie schon seit langem gewöhnt. Dass Jami herzlos war, war nun bewiesen. Es war wirklich eine Schande, dass er frei herum lief und sich frei aussuchen konnte, wen er als nächstes erschoss. Er tat, was ihm beliebte und der Boss schaute seelenruhig dabei zu, solange es nicht Vermouth, Valpolicella oder Carpano traf. Ihr war übel beim Gedanken, dass er Menschen, die ihnen nichts Böses getan hatten, einfach so fertig machte. In Kimikos Fall konnte man das sehen, wie man wollte, er hatte sie manipuliert und sie damit wahnsinnig gemacht, und sie hatte Jami jawohl nun wirklich nichts Schlimmes getan. Sie hatte ihn nicht verraten. Vielleicht hatte sie ihn nicht sonderlich gemocht und hasste seine Nähe, aber sie hatte nichts Verräterisches getan, es war also ein vollkommen unsinniges Unterfangen. „Hiroya, es gibt sicher eine Lösung, Jami zu stürzen, ich denke schon sehr lange darüber nach, wie man es anstellen könnte. Und nicht nur ich denke darüber nach, einige von uns überlegen, ihn zu überlisten, die meisten trauen sich nur nicht. Kaum zu glauben, dass er so ein Feigling sein soll, wenn er anderen so viel Angst einjagt.“ Hiroya musste lachen, er fand es wirklich absurd sich das zu fragen. „Schau doch, wie feige er war“, er zeigte auf die beiden Personen, die am Boden lagen. Kimikos Kopf war auf den bluten Körper ihres Freundes gefallen, sie lagen da, als wenn sie sich gefunden hätten, im letzten Augenblick und es würde mit dem Teufel zugehen, wenn sie es nicht gewusst hätte, sogar er selbst hatte davon gewusst, dass er sie geliebt hatte, das sah ja ein Blinder. „Guck doch nur, er hat Handschellen benutzt, gegen eine unbewaffnete Person, das sagt jawohl alles darüber aus, wie feige er ist. Nur mit einer Waffe fühlt er sich stark, dann kommt er sich unbesiegbar vor. Aber auch ihm wird mal ein Fehler passieren, ich möchte dann derjenige sein, der ihn diesen Fehler bitter bereuen lässt. Alleine dafür, dass er sogar so weit geht, jemanden zu töten, dass er Sanitäter, die seiner Rettung dienten, erschießt. Es war ihm wohl sehr daran gelegen, ihren Freund zu töten, dafür hat er jawohl alles getan. Warum ist er bloß so ein entsetzlicher Feigling? Ich würde mich sehr freuen, wenn er mich mal direkt angreift… Aber er flüchtet lieber vor mir.“ „Ich verstehe dich sehr gut, wirklich. Aber sich darüber aufzuregen, wird dir auch nichts nutzen. Wenn du willst, helfe ich dir, Jami zu kriegen.“ Er wollte ihn nicht ermorden, er hätte allen Grund dazu gehabt, aber seine Polizistenehre war ihm wohl noch mehr wert, zum Glück. „Aber ich wollte dir noch was anderes sagen! Wusstest du, dass unser Boss sich wahnsinnig für dich interessiert? Jami findet es gar nicht prickelnd, er kocht vor Wut. Vielleicht ist das ja sein schwacher Punkt, wo man ihn angreifen kann…“ Hiroya konnte immer noch nicht glauben, dass eine Frau, die wie ein Engel wirkte, zu diesen Leuten gehören konnte, wahrscheinlich war auch sie unter Druck gesetzt worden, ganz genauso wie seine Schwester. Nur welchen Grund es wohl bei ihr gehabt hatte? Das hätte ihn schon interessiert. Noch nie hatte er ansatzweise daran gedacht, mit einem Organisationsmitglied zusammen zu arbeiten, aber sie hatte einen guten Kern… „Ich weiß deine Hilfe zu schätzen, sei aber vorsichtig, dass du dein eigenes Leben damit nicht riskierst, ich bin ein Einzelkämpfer und habe mich damit bisher IMMER behauptet…“ Ja, wahrscheinlich war er einer, aber es war ungesund auf Dauer gegen die Organisation im Alleingang vorzugehen. Und Hiroya machte gerade eine sehr schlechte Phase durch. Seine Freundin und seine Familie waren ermordet worden, auch wenn er es nicht zeigen wollte, er litt schrecklich darunter, das machte ihn schwächer als sonst. Es war wie ein Schutzschild um ihn herum, das langsam aber sicher verschwand. „Aber…“ „Ich muss alleine klarkommen! Ich bin mit schuld daran, dass meine Schwester tot ist, ich hätte nach seinem Anruf gleich herkommen müssen, ich hätte das Schlimmste verhindern können. Er wäre nun noch am leben und sie hätte keinen Grund sich umzubringen… Sie wären beide noch hier. Ich bin so verdammt dumm, ich habe die Lage unterschätzt. Ich dachte doch nie im Leben, dass Jami ihn hier einsperren, fesseln und sogar erschießen würde!“ Der Mann zitterte am ganzen Leib, seine Hand legte er an die Stirn, er schwitzte und doch war ihm furchtbar kalt. Er wusste auch nicht, woher es kam, dass er Vertrauen zu dieser Person gefasst hatte. „Jeder macht mal einen Fehler, aber mache nicht den, dass du dich auf dich alleine verlässt, das kann schwer ins Auge gehen, spätestens, wenn der Boss sich überlegt, dich richtig anzugreifen. Er hat sich bisher noch nicht die Mühe gemacht, seine besten Leute auf dich anzusetzen, sei dir dem im Klaren! Ihm ist nicht daran gelegen, dich zu töten… Er hat sich nie Mühe gegeben, dass du verschwindest…“ „Er muss mich für harmlos halten!“ „Das wohl eher weniger…“ Er hatte den Punkt noch nicht wirklich verstanden, was sie ihm mitteilen wollte, sie warnte ihn und er dachte, dass der Boss ihn für harmlos hielt. „Er würde dich viel lieber einfangen, die Gelegenheit hatte er allerdings noch nie! Stattdessen macht er es bei kleinen Kindern, die sich nicht wehren können!“ Hiroya schwieg, er wusste nur zu genau, dass der Boss kleine Kinder liebte – ganz besonders um sie zu Killern zu machen, so wie Kenichi früher, er hatte ihn immerhin schon mit 12 zu sich genommen. Aber nicht nur bei ihm hatte er das versucht… Die Erinnerungen kamen zu ihm zurück, auch ihn hatte man als Kind versucht zu entführen. Er hatte jedoch Glück im Unglück gehabt. Es würde mit dem Teufel zugehen, wenn das damals nicht ebenfalls die Organisation gewesen wäre… Der Zufall wäre zu groß, das konnte sich Hiroya einfach nicht vorstellen. „Und besonders mögen tut er Kinder von Polizei-Familien… Ich weiß Bescheid, den Akajas hat er schließlich auch einen künftigen Polizisten genommen. Er wäre sicher einer geworden, ganz sicher.“ Katori wunderte sich ein wenig, dass Kimikos Bruder nun Yuichi ansprach. „Wäre möglich, jedenfalls kein Killer. Aber glaub mir, nicht alle Kinder, denen das widerfahren ist, sind wie Jami. Der Sohn der Akajas tut alles dafür, um die Organisation zu stürzen, genauso wie sein Freund Sêiichî. Sie sind nur darauf aus, ihre Chance zu ergreifen, wie ich. Du siehst, du bist nicht alleine im Kampf gegen die Organisation.“ „Es tut gut, das zu hören. Ich dachte nicht, dass es so viele wagen, sich zu wehren. Vielleicht habe ich mich ein wenig verkalkuliert, ich kenne Sêiichî nämlich und habe nur Böses von ihm gedacht, vor allem weil…“ Man sah an ihren Augen, dass sie wissen wollte, was er im Begriff war zu sagen, obwohl Katori sich denken konnte, dass Hiroya auf Vermouth ansprach. „Weil er eine Frau wie Vermouth liebt? Tja, er hat eine kleine Macke, die Gefahr zieht ihn an, aber sie scheint ihn zu lieben, genauso wie er sie. Ich zweifle manchmal an seinem Verstand, diese Frau kann, wenn sie will, ganz schön bösartig sein.“ „Oh ja…“ Hiroya hatte es oft erlebt - wenn sie ausrastete, passierte oft etwas Schlimmes, auch auf ihn hatte sie mehr als einmal geschossen, in der Hoffnung, ihn mal tödlich zu erwischen. Der Japaner schaute die Amerikanerin fasziniert an, nicht umsonst war sie für ihre Freizügigkeit bekannt. Deswegen trug sie ja auch eine Lederjacke und einen –rock, der ihr knapp über die Oberschenkel reichte. Die Jacke war offen und die Frau trug nicht mehr als einen weißen BH darunter, auch wenn es für diese Jahreszeit vielleicht etwas frisch für Derartiges war. „Irgendwann wirst du dich noch mal erkälten, Chris“, seine Worte sollten nicht den Anschein machen, dass es ihm nicht gefiel, was die blonde Schönheit zeigte – nein, er war wirklich um ihre Gesundheit besorgt. „So schnell bekomme ich keine Erkältung, Kenichi.“ „Gut – wie du meinst, aber sag’ nicht, dass ich dich nicht gewarnt hätte“, antwortete der Schwarzhaarige und änderte sogleich das Thema. „Aber, was mich viel eher interessiert: Was machst du denn hier? Solltest du nicht bei deinem verletzten Cognac sein?“ „Ich hab’s nicht mehr ausgehalten...“ Ihre Augen funkelten arglistig unter ihrem Pony hervor, der ihr im Gesicht lag, immerhin hatte sie den Kopf ein wenig gesenkt. „Was meinst du?“ „Tust du nur so, oder bist du tatsächlich so einfältig?“ Man hörte ein Lachen von der blonden Frau, während die Absätze ihrer Stiefel, in der Lagerhalle widerhallten. „Schau mich an, dann schau dich hier um... We are alone now...“ Jemand, der Frauen liebte, so wie Jami, konnte dem Charme einer professionellen Schauspielerin natürlich nicht widerstehen, weswegen ihm halb die Augen zufielen, als hätte man ihn hypnotisiert. Sein Blick bewunderte zuerst noch einmal ihren Hals, dann ihr Dekolleté, danach ging er abwärts – in dem Moment wurde ihm heiß, noch dazu kam sie ihm immer näher und stand wenig später direkt vor ihm. Vermouth legte ihre Arme um ihn und presste seinen Körper an ihren, während sie in seine türkisfarbenen Augen blickte und ihn mit ihrem verführerischsten Augenaufschlag betörte. „Soll das ein Angebot sein?“ „Greif zu, heute bin ich spendabel!“ Mit einer gehörigen Portion provozierender Worte rieb sie kurz ihre Brüste an seinem Oberkörper, bevor ihr Bein zwischen seinen Beinen auf und ab strich. „Weißt du, Jami... Eigentlich liebe ich ja nur dich... Ich wollte es nur nie zugeben.“ Seine eine Hand wurde gegen ihre Hüfte gelegt, bevor er aufwärts strich bis zur Hinterseite ihres Slips, in welchen er kurzerhand seine Finger wandern ließ. Ihre Lippen lagen daraufhin auf seinen und sie spielte ein wenig, bevor sie in seine Jackentasche griff und ihm erst mal seine Pistole entwendete. Doch das reichte der Schauspielerin noch nicht, sie griff in ihre eigene Tasche, während seine Hand gegen ihre Brüste drückte. Eine Welle des Ekels durchforstete ihren Körper, als seine beiden Hände ihren Körper zu berühren wagten, in dem Moment löste sie ihre Lippen. „Ich habe gelogen, Jami.“ Etwas Eiskaltes bohrte sich in den Rücken des Schwarzhaarigen und ließ ihn seine Augen weit aufreißen. Die ihren ruhten eiskalt auf seinen und blickten ihn erbarmungslos an. „Cognac liegt im Koma... das ist deine Schuld!“, nun fauchte die Blondine und ihre Augen hatten ein gemeines Funkeln, wobei auch ein Hauch Trauer darin steckte. Mit einem heftigen Stoß beförderte die Frau den Mann von sich, so dass er gegen die Mauer donnerte und langsam an dieser hinabglitt. Dabei blieb das Blut an der Mauer haften. „Ich wollte es nicht – ich wollte ihm doch nicht derartig schaden, ehrlich“, verteidigte sich der Frauenarzt und stöhnte kurz auf. Das Messer, welches sie benutzt hatte, hatte ihn böse gegen einen Knochen getroffen. „Du Feigling – du suchst ja nach Ausflüchten. In erster Linie hast du nur Acht gegeben, dass dir nichts passiert. Ob du deinen Freund dabei verletzen musst, war dir scheißegal, solange du nur lebst, Ratte! Dachtest du echt, dass ich so einen Scheißkerl, wie dich, lieben würde?...“ Chris konnte nicht anders, während sie spottete, entfuhr ihr ein wahnsinniges Lachen. „Zu dumm, dass genau das eintreten wird, das du so fürchtest...“ Schadenfroh blickte sie auf den blutenden Jami hinab, der am Boden saß. „Du willst mich echt töten?... Die kleine Wunde wird mich so schnell nicht töten, ich schaffe es ins Krankenhaus. Du hast ja nicht gezielt zugestochen...“ „Absicht, Jami...“ Gehässig, wie sie war, tätschelte sie seine Wange, denn bevor der Killer sterben durfte, sollte er noch ein wenig leiden und über sich nachdenken können. „Mach dir nichts draus. Jeder kriegt irgendwann seine gerechte Strafe... Du wirst verbluten, noch ehe du das Krankenhaus erreicht, glaub’ mir.“ „Du bist - naiv...“ Sein hektischer Atem war in kurzen Abständen zu vernehmen. „Nein, schlauer als du...“ Vermouth schnellte zurück und packte die Tür, sie hielt diese mit beiden Händen auf. Mit den Worten hatte sie die Türen einfach in der Mitte zusammengeführt und abgeriegelt, bevor Jami überhaupt registrierte, was die Frau getan hatte. Es dauerte einen Moment, bis er sich aufrappelte und mit den Fäusten gegen die Türen zu hämmern begann. „Mach keinen Scheiß! Lass mich hier raus!“ brüllte der Mann voller Panik. In seinem Gesicht breitete sich schnell sehr viel Schweiß aus und ihm wurde heiß-kalt. „Du kannst mich hier doch nicht verrecken lassen!“ Er war verzweifelt, doch alles, was er zu hören bekam, war spöttisches Lachen. „Das hätte ich tun sollen, als du es das erste Mal gewagt hast, ihn zu schlagen!“ „Es tut mir furchtbar Leid! Ich wollte das alles wirklich nicht! Ich bereue furchtbar, was geschehen ist, lass uns dafür den Boss töten – er wollte alles schließlich so!“ Die Verzweiflung ging mittlerweile so weit, dass Jami alles versuchte, nur um sein Ziel zu erreichen – Vermouth erweichen. „Ich glaube dir kein Wort! Für wie dämlich hältst du mich? Du würdest es nie wagen, dem Boss zu schaden, du kleiner Schisser! Jetzt ist Sense! Good-bye!“ Sie ignorierte nun sein Schreien. ‚Tut mir Leid, Strafe muss sein! Ich lasse so etwas nicht mehr geschehen!’ Eigentlich waren Morde aus Rache immer falsch, doch ihre Art von Gerechtigkeit hatte sich mit der Zeit einfach in ihrem Kopf festgesetzt. Um den Mann, den sie liebte, zu beschützen, hätte sie alles getan, sich auch umbringen lassen. Wenn sie dafür einen der Ranghöchsten ermorden musste, damit es ihm besser ging, dann musste es eben sein. Was wäre es schließlich für eine Gerechtigkeit, wenn Sêiichî durch ihre Feigheit sterben würde? Das würde sie nicht ertragen. Früher hatte sie so etwas nicht über sich gebracht, doch damit war Schluss, seit sie ihr altes Leben begraben hatte. Benommen blickte der Schwarzhaarige zur Seite. Alles war weg, kein Fetzen seiner Erinnerung an den Tag davor war noch vorhanden. Sêiichî blickte zum Fenster, es regnete. Regen machte ihn immer so melancholisch. Sêiichî fragte sich, wo sie war, das war im Moment alles, was ihn zu interessieren schien, zumal der Boss sie ihm immer wieder wegnehmen konnte, also hätte er sie viel lieber bei sich gehabt, was ihm nun mal die Zuversicht gab, dass er sie nicht gerade an den größten Mistkerl aller Zeiten verlor und er wieder... Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, total übel, er durfte nicht daran denken, was die beiden getan hatten. Seit er aufgewacht war, starrte er ständig zur Seite auf sein Handy, das hier eigentlich verboten war, er wartete darauf, dass sie sich meldete, doch dieser Fall war bisher nicht eingetreten. Als das Handy dann zu vibrieren begann – ja, er hatte den Ton abgeschaltet – griff er sofort nach diesem, wobei er einen stechenden Schmerz in der Seite spürte, die bei seinem Gefecht besonders viel abbekommen hatte. Doch die Schmerzen steckte er relativ schnell wegen der in ihm aufkommenden Freude weg. Allerdings wich ihm das Lächeln aus dem Gesicht. Jami rief ihn an – wieso tat er das? Was wollte er? Sêiichî war nicht sicher, ob er jetzt mit ihm reden wollte und legte das Handy zurück, doch dann hielt er es nicht mehr aus und nahm ab. „Was ist los?“ Erschöpft klang er, aber im nächsten Moment gab er einen erschrockenen Laut von sich, da Jami verzweifelt vor sich hin brabbelte. „Cognac, du musst mir helfen, deine Hexe will mich umbringen, die hat mich niedergestochen, ich sitze hier fest...“ Es war einfach zu erklären, weshalb Jami ausgerechnet Cognac anrief, der angeblich im Koma lag. Er hatte Vermouth nicht das Geringste geglaubt, diese Irre suchte doch nur nach einem Grund für sich selbst, um ihn zu töten. Ihr Freund war Polizist. Wenn Jami schon einen Abgang machte, wollte er es ihm wenigstens gesagt haben. Wäre Sêiichî nicht ans Telefon gegangen, hätte er ihm alles auf die Mailbox geredet. Dass er sterben würde, nein, das glaubte Jami nicht. Die Tür wurde geöffnet, die Frau in dieser betrachtete den Mann mit dem Handy argwöhnisch. Seit wann war er denn...? Und wieso hatte er ein Handy? Die Dinger waren hier verboten und er schien zu telefonieren, dabei wurde sein Herzschlag abgehört. Also wirklich... Aber sein Blick, als er sie entdeckte hatte, irgendetwas war nicht in Ordnung. Was für ein Gespräch war das bitte? Kapitel 11: No other way out ---------------------------- Seitdem waren fast zwei Wochen vergangen. Cognac war heil aus dem Krankenhaus raus gekommen, was aber nicht hieß, dass man ihn verschonen würde. Es machte nur sehr viel mehr Spaß, wenn er nicht halbtot im Krankenhaus lag, wo es ein leichtes gewesen wäre, ihn zu töten. Und er würde ja sowieso wiederkommen. Mörder trieb es immer wieder an ihren Ort zurück. Aber nicht nur das – er hatte Freunde. Leute, für die er sein Leben opfern würde. Und er hatte das Druckmittel. Mal sehen, was dem Mann wirklich wichtig war. Vermouth hatte er zu einem Auftrag geschickt – schön weit weg, auch wenn es nicht Amerika war, das Land war ihm dann zu weit weg gewesen. Sein Jami war tot, die beste Laune hatte der Boss wahrlich nicht – nun war es sein Ziel, einen anderen Mann zu Jamis Schatten zu machen, er brauchte so einen Mann, auch wenn er Valpolicella hat, und wer hätte ihm da mehr Freude bereitet, als ER? Wenn er es richtig anstellte, dann würde er alles für ihn tun, so war sein Plan. Und Cognac würde er dafür benutzen, um sein Ziel zu erreichen... Es war sehr ironisch, dass Cognac sich nun als Gast bei dem Boss befand, er hatte eigentlich gedacht, dass man ihn im Krankenhaus, wenn er schwach war, gleich erledigte, doch hatte er leben dürfen. Eindeutig war etwas im Busch, das spürte Sêiichî förmlich. Der Boss hatte ihm den Rücken zugedreht, nicht mal sein Gesicht gönnte ihm der Mann. „Du hast sicher schon davon gehört, nicht wahr, Cognac? Jami ist tot... Und Vermouth hat mich betrogen... Weißt du, wie ich mich fühle?“ Betrogen hatte sie ihn – betrügen konnte man nur Leute, mit denen man zusammen war, sie war nicht mit ihm zusammen, aber das durfte Sêiichî dem Mann ja nicht sagen, dann kam er niemals lebend hier raus... Aber was sollte dieses Gerede? War das ein armseliger Versuch, sein Mitgefühl zu erlangen? „Dieses Kind ist wie ein Albtraum für mich, Cognac... Am liebsten würde ich diesem Balg den Hals umdrehen.“ Für einen Moment weiteten sich die Augen des 25-jährigen, er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, immerhin war ihm bewusst, dass es nicht nur Vermouths Kind, sondern auch seines war. „Dafür kann dieser Junge doch überhaupt nichts... Sie ist eben so, machen Sie sich nichts daraus.“ „Willst du mich gerade verarschen, Cognac?!“ Hastig hatte der Drehstuhl des älteren Mannes sich zu Cognac herumgedreht und man hörte den Schlag der Faust auf den Schreibtisch. „Das sagst ausgerechnet du? Du bemitleidest mich?!“ Die Wut war nicht zu überhören und auch nicht zu übersehen, der Boss fauchte wie ein wilder Tiger, oder wie ein Löwe, der sein Weibchen vor Eindringlingen in sein Reich beschützte. „Denkst du, ich weiß nicht längst, wer der Mistkerl war?!“ „Davon gehe ich aus...“ Nur nichts anmerken lassen, dass man Angst hatte, Angst vor der Wahrheit, die ans Tageslicht kam. Doch sah der Boss sie, er musste nur in Cognacs Augen sehen, selbst wenn er Kontaktlinsen trug. „Du hast immer noch nicht verstanden, Kleiner... Denkst du wirklich, ich bin dumm?“ Ein Albtraum, es war ein Albtraum – er hatte immer gedacht, man würde ihm einen grauenvollen Tod bescheren, wenn jemals herauskommen sollte, dass er mit dem Liebling vom Boss zusammen war. Und er wusste es, der Boss wusste es todsicher, so wie er ihn angrinste. Gleich würde etwas Schlimmes kommen – nicht der Tod oder so etwas, nein irgendetwas, was viel schlimmer war. „Ich habe dein Kind, Cognac und ich sehe an deinen unschuldigen, blauen Augen, dass es dir sehr viel ausmachen würde, wenn ich es erwürge, oder mit einem Messer verunstalte...“ Ein Spiel war es, das der Boss mit seinem Untertan spielte, es war seine Art ihm zu drohen. „Aber das muss ja nicht sein...“ Hinterhältig blickte er in die Augen des Mannes, dem der Schweiß nicht nur im Gesicht ausbrach, sondern auch im Nacken- und Rückenbereich, er wusste es, sein Killer hatte Angst bekommen – er kannte ihn... „Ach, muss es nicht? Welche grausame Tat darf ich begehen, um Sie davon abzuhalten?“ „Ein Detektiv – seine kleine Freundin ist schon außer Gefecht – man muss sie nur noch holen. Du jedoch darfst ihrem Freund das Licht ausblasen... Es ist ganz freiwillig, Cognac, du musst nicht.“ Nur mit der Konsequenz, dass Shawn etwas Schreckliches zustoßen würde, wenn er es nicht tat... „Wer ist es?“ Wenn er einen Detektiven töten sollte, dann konnte es nur einer sein, es war eine Person, die ihm viel bedeutete, nun sollte er sich zwischen seinem Sohn und ihm entscheiden. „Das weißt du nicht? Ich kann es nicht glauben...“ Der Boss lachte laut auf, lachte über Cognacs Naivität, welche reine Neugierde war, natürlich wusste der ehemalige Polizist, dass der Boss sich eine bestimmte Person herausgepickt hatte. „Ich gehe davon aus, Valpolicella, dass Carpano seinen Bruder rettet und uns Cognac vom Leib hält, wenn er es wagt, ihn anzurühren... Damit schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Cognac ist Geschichte und Carpano machen wir ein bisschen böse... Wütend mag ich ihn am liebsten. Und dann, wenn die Zeit reif ist, machen wir ihn zum Versager, dann dreht der Gute durch und endet wie Jami... Und er wäre dein Partner, der Plan gefällt dir, nicht wahr?“ Er grinste durchtrieben, natürlich wusste der Boss, dass sich Valpolicella über Carpano als ihren Partner mehr als freuen würde. „Und wir finden sicher auch eine Lösung für das Problem Kir...“ Eine Lösung für Valpolicella war gemeint, sie misstraute Kir derbst. Nicht nur, weil sie Carpano anscheinend nachstieg, sondern auch, weil sie ihrer Meinung nach Dreck am Stecken hatte. In den Nachrichten kam ein Bericht über einen Arzt namens Kikuhito Ayugai, der in einem Hospital als bester Arzt galt, er war eines grausamen Todes gestorben – mit einem Messer hatte man dem Mann die Halsschlagader aufgeschlitzt, bevor er auf dem Asphalt verblutet war. Er hatte einen großen Fehler begangen, hatte die falsche Person verraten und musste nun dafür büßen, wie er das Leben desjenigen und von anderen versaut hatte. Als Ryochi Sêiichî davon erzählt hatte, war der 25-jährige leichenblass geworden; der Detektiv fürchtete, dass er den Grund für den Mord und wohl auch den Täter, oder mehr die Täterin, kannte... Und doch schwieg er und sagte nichts dazu. Der Grund war Sêiichî selbst, so viel war auch Ryo klar, sein Freund war regelrecht geschockt. „Der gehörte hinzu“, stellte Ryochi fest, sagte es laut, um Sêiichî zu zeigen, dass er nicht dämlich war. Er animierte Sêiichî damit, eine Stellungnahme abzulegen, aber auch nur, weil es nicht stimmte. „Nein, ein Freund von ihm, ein sehr enger Freund und Bekannter, du verstehst... Der lässt ja auch seine Leute killen, Freund hin oder her...“ Der 24-jährige schüttelte den Kopf. „Ich weiß es längst, ich weiß, dass er es war, der heraus gefunden hat, was deine Freundin versucht hat, zu vertuschen“, flüsterte Ryochi seinem Freund zu, er zog ihn von den anderen Polizisten weg, Wataru und Miwako waren nicht da, ansonsten waren hier nur Polizisten, die sich einfach so einmischen wollten, unter anderem auch Hiroya Tokorozawa, wenn das nicht Ärger bedeutete, dann wusste er auch nicht. Er hatte nicht gerade die beste Laune, aber die hatte er nie wirklich... „Warum meidest du den Typen eigentlich so?“ wollte Sêiichî von seinem besten Freund wissen, ohne ihn dabei anzusehen, nein, er blickte zu Hiroya, der komischerweise noch nicht auf die Idee gekommen war, Sêiichî zu beschimpfen, anders gesagt, er ignorierte ihn förmlich, das war nicht mehr normal, anscheinend hatte er Besseres zu tun, als den Exfreund seiner kleinen Schwester zu ärgern und das, obwohl er wusste, dass er Cognac war. „Ich meide ihn nicht, ich tue so, als wäre er nicht da und beobachte ihn heimlich... Ich will nicht den Eindruck machen, dass ich ihm misstraue... Schon seit längerem habe ich das Gefühl, dass er ziemlichen Dreck am Stecken hat... Ein normaler Ermittler, das ist er nie und nimmer... Er benimmt sich fast so wie du, als wenn er was zu verbergen hat... Wenn es nicht so absurd wäre, würde ich sagen, der gehört zu euch.“ „Das kann’ste knicken“, lachte Sêiichî, „er verachtet mich zutiefst für mein Doppelleben. Er selbst bekämpft diese Leute seit Jahren mit allen Mitteln, die ihm gegeben sind. Man wollte ihn zwingen einzusteigen, der Boss hatte eine Zeit lang großes Interesse... Hat nur leider nicht so geklappt... Lass uns ins Auto!“ Sêiichî war es nun, der seinen Freund mit zog und mit ihm ins Auto stieg, da er sich beobachtete fühlte, allerdings nicht von Hiroya. Als sie dann so saßen, machte er absichtlich das Radio an. So fiel es außen stehenden noch schwerer etwas zu hören. „Also, was willst du mir heimlich erzählen, Sêiichî?“ Normalerweise nannte er ihn bei seinem Spitznamen Sêi-chan, doch im Moment schien ihm das nicht so passend zu sein, seinen Freund bedrückte etwas, das spürte man, als dann sein heißer Atem in Form eines Stöhnens aus dem Mund des Schwarzhaarigen kam, noch extremer. „Weißt du... Ich hätte Jami töten sollen, statt Mitleid mit ihm zu haben und ihn in Schutz zu nehmen... Dass er Verräter oder Leute, die ihm in die Quere kommen, skrupellos ermordet, das wusste ich schließlich. Aber ich bin nicht besser, ich mache es nicht anders... Seit Jahren nicht... Hiroya hingegen, er hat noch niemals jemanden erschossen, wie mir bekannt ist, trotzdem bekämpft er uns mit allen Mitteln, er zögert nicht und hat bisher immer gewonnen... Aber mit Jami, mit dem hatte er massiv Probleme, sie hätten sich am liebsten gegenseitig zerfleischt. Hiroya hat mal etwas Schreckliches erlebt und hasst seitdem Musiker, seine Schwester demnach auch. Als man ihm drohte, ihr wehzutun, hat er blöd gelacht... Ich hätte ihn erwürgen können, Jami fand das anscheinend sehr lustig. Hiroya hat einfach so zugesehen, wie man seine Schwester in die Sache hineinzog. Außer seiner Freundin war da nur seine Familie, die er hätte beschützen müssen. Sein Vater und seine Mutter... Die sind alle tot. Er tut mir Leid, Ryo...“ Das war typisch für seinen Freund, er hatte manchmal zuviel Mitgefühl. Ob Hiroya das wirklich verdient hatte? Ryochi wusste nicht so wirklich. „Yuichi kann ihn kein Stück leiden, er findet, dass er ziemlich abgehoben ist und sich für den Gott hält, der mal die Organisation stürzt. Er denkt nur an sich, hat er zu mir mal gemeint. Und dass er wie dieser Jami ist, aber nur ein Pseudoheld ist.“ Ein Pseudoheld - Sêiichî schüttelte mit dem Kopf, seiner Meinung war er das nicht nur zum Schein. „Er ist eine Ratte... Jami hat er einfach so Mord verüben lassen. Dieser Vollidiot hat zugelassen, dass die Polizei ins offene Messer läuft. Du weißt doch, in der Nacht, in der er dich töten lassen wollte, hat irgendwer die Polizei gerufen... Hiroya wusste genau, dass es Jami ist und doch hat er nichts unternommen, um seine Kollegen vor dem Tod zu bewahren. Sie waren zu zehnt... Keiner von denen lebt noch, Hiroya ist nicht mitgefahren... Mir kam es vor, als wenn er Jami damit auch noch einen Gefallen getan hätte. Und so einer hetzt über Stars, weil die sind ja alle schlecht, ich glaube, jetzt wird mir schlecht. So ein aalglatter Mistkerl. Nein, den kann ich nicht bedauern, er hat nicht mal seine Schwester beschützt. Solche Brüder sind doch echt eine Schande, und nun widersprich mir bloß nicht, du weißt genau, dass ich Recht habe.“ Nun wagte Sêiichî nicht zu widersprechen, immerhin hatte sein Freund das nicht nur so daher gesagt. Dass er anders über Hiroya dachte und sich sicher war, er hätte seiner Schwester geholfen, wenn er gekonnt hätte, das musste er ja nicht an den Mann bringen. Man würde ihm ohnehin nicht glauben. „Ich frage mich, wer es war, der Jami an die Polizei verpfiffen hat, er hatte ja ganz schön zu kämpfen, hat man mir gesagt, er wäre nicht unverletzt aus der Sache gekommen... Nun ja, jetzt ist er tot, jedoch habe ich das Schlimmste nicht verhindern können. Hätte ich ihn an dem Tag doch nur erschossen, dann...“ Die Polizisten würden noch leben. Der Gedanke schmerzte ihn wirklich, und das nur, weil er Jami als seinen Freund angesehen hatte, trotz allem. „Es war ein Gemetzel wie im Krieg, Sêiichî...“ Ryochi hatte das Blutbad gesehen. Jami hatte wie ein Soldat gehandelt, einfach alle abknallen, die im Weg waren... „Er hat sich bedroht gefühlt“, erwiderte Sêiichî leise und mit gesenktem Blick. „Das soll jetzt keine Verteidigung sein oder so etwas, nur eine Aussage, okay?“ Er wollte hier bestimmt keinen Mörder verteidigen. „Ich könnte echt kotzen“, meinte Ryochi, es war eigentlich gar nicht seine Art, solche Äußerungen zu machen. „Tokorozawa regt mich echt auf! Ihm stirbt die Familie und die Freundin weg und was tut er? Es juckt ihn nicht im Geringsten... Der Kerl kann doch unmöglich ein Herz besitzen.“ ‚Oder ein sehr verschlossenes, Ryo. Du kannst unmöglich denken, dass es ihm total egal ist, dass alle tot sind... Jetzt ist er wirklich alleine, weil er immer dachte, er käme alleine klar.’ Das Zimmer befand sich im 100. Stock eines gigantischen Hochhauses. Der Mann, welcher die größte Macht in der Firma hatte, war gerade bei einem wichtigen Meeting, er hatte auch eine Frau mit rotblonden Haaren bei sich, die elegant gekleidet wie sie war, sehr gut zu ihm passte. Sein Liebling war in einen Fall verwickelt und war gerade verhindert, also musste er sich mit ihrer Anwesenheit zufrieden geben. Sie hatte sein höchstes Vertrauen und sah auch noch dementsprechend gut aus, dass er sie mitgenommen hatte. Cencibel musste arbeiten, Baileys sollte das Kind zu ihr bringen, damit sie auf dieses aufpasste. Sie war gerade auf dem Weg in die Tiefgarage, als sie Geräusche hörte und mit dem Kind, das in einem Babykorb, den die Frau trug, lag. Eigentlich war um diese Uhrzeit hier unten nichts los, die meisten hier beschäftigen Leute waren ihrer Arbeit nachgegangen und die Mittagspause war längst vorüber. Leute wie sie hatten hier eigentlich nicht sehr viel verloren. Sie war auch nur gekommen, weil man ihr aufgetragen hatte, das Kind zu Cencibel zu bringen. Am liebsten hätte sie dem armen, hilflosen Würmchen seinen hübschen Hals umgedreht, alleine der Gedanke daran, wer er war, ließ sie vor Hass zittern... Sie hätte das Baby sofort an sich gerissen, wenn es dem Boss nicht so wichtig gewesen wäre. Und sie mochte den Gedanken daran, dass dieses Kind eine Killerin wie Vermouth weich machte, so dass sie sich alles gefallen ließ. Der Boss sollte sie nur ordentlich quälen, ja, das gefiel ihr und hielt sie davon ab, den Mann zu verraten, der ihr so viel Verantwortung aufgetragen hatte. Natürlich war ihr klar, dass er Valpolicella nicht behelligen wollte, da sie Wichtigeres zu tun hatte, als auf sein Kind aufpassen zu lassen. „Du verdammter Bengel siehst aus wie dein Vater, wie dieser Versager! Dass sie dich bekommen hat, wird ihn in ziemliche Schwierigkeiten bringen, so ähnlich wie du ihm siehst. Wenn sie nicht so von ihren Gefühlen geleitet wäre, wäre sie so vernünftig gewesen, abzutreiben. So eine dumme Frau, aber das war sie immer...“ Schon jetzt, da er Haare hatte, sah dieses Kind Cognac mehr als ähnlich, er hatte dieselbe Nase, seine Gesichtszüge waren ähnlich, man sah es einfach, dass es unmöglich das Kind ihres Arbeitgebers war. Baileys grinste teuflisch. Diese Frau würde bitter bereuen, sich darauf eingelassen zu haben. Man würde nicht nur sie erpressen, man würde ihrem kleinen Freund das Herz brechen, er war bei weitem nicht so robust, wie er anderen Glauben machte, das wusste die Schwarzhaarige einfach. Sie freute sich schon darauf, diese beiden leiden zu sehen. Ihn hasste sie, da er derjenige war, der sie immer wegen dieser Frau abwies und diese so abgöttisch liebte, dass er sich sogar mit Plavac angelegt hatte, um ihn zu stoppen – beziehungsweise Plavacs Gespielin, die niemand geringeres als Baileys selbst war. Mit dem Mundwerk war er eindeutig am besten und mit der Waffe. Seelisch war er sehr schwach, fand sie. Am besten konnte man ihm wehtun, indem man denen Schmerzen zufügte, die er liebte. Jemanden auf Carpano zu hetzen, war eines von den Dingen, die Cognac sehr zusetzten, deswegen hatte Baileys ihren Neffen auch darum gebeten, dem Mann etwas das Leben zu erschweren, was Teran natürlich äußerste Freude machte, solche Dinge vorzubereiten. Deswegen war er so frech gewesen, Freunde von Cognac beim Boss anzuschwärzen. So war der Mann auch erst auf die Idee gekommen, diesen Akaja anzugreifen. Und er würde Cognac selbst auf ihn losgehen lassen, da konnte man nur vor sich hingrinsen. Sie fand den Plan jedenfalls sehr interessant. Es war jedoch am besten, ihr nicht zu begegnen, wenn sie alleine mit dem Kind war, der Irren war zuzutrauen, dass sie sich das Kind schnappte und dann verschwand. Da Vermouth aber gerade zu tun hatte, sah sich Baileys auf der sicheren Seite... (sehr großer Fehler >D) Wohl hatte sich die Schauspielerin geirrt, da war doch kein Geräusch, sie hatte es sich anscheinend nur eingebildet, also ging sie weiter ihres Weges bis zu ihrem bescheidenen Auto. Das war es wirklich, recht klein für eine prominente Frau, was nur darauf schließen ließ, dass sie bei weitem nicht so gefragt war, wie ihre Kollegin Chris Vineyard. Bei diesem angekommen, schloss sie mit der linken Hand die Fahrertür auf und klappte den Sitz nach vorne, um den Korb hinten abzustellen. Endlich hatte Baileys den Korb aus den Händen gegeben, es wurde Zeit... Man sah und hörte sie nicht, als sie sich auf die Frau mit den schwarzen, langen Haaren zu schlich und ihr schließlich von hinten einen Schlag direkt auf die Schläfe verpasste, der die Japanerin niederstreckte. Sie fiel in ihr eigenes Auto hinein mit dem Kopf voran, ihr rechter Arm hing auf den Boden hinab, während ihr rechter auf dem Sitz gelandet war. An der Schläfe bildete sich sofort ein Blutrinnsal. Die Frau mit den blau-grünen Augen war schockiert von sich selbst, dass sie so fest hatte zuschlagen können, das wurde bestimmt eine Gehirnerschütterung. Es war auch gar nicht so ihre Art, Leute so aus dem Hinterhalt anzugreifen, aber da sie das Kind schon mit solch gierigen Blicken bestaunt hatte, war ihr jedes Mittel recht, um es zu befreien... Über Baileys Kopf hinweg hob sie den Korb hoch und schaute hinein – er schlief und bekam von allem nichts mit. Der Junge hatte wirklich einen außerordentlich tiefen Schlaf, er schien auch selten wirklich zu schreien, das erzählte der Boss jedenfalls jedem, was für einen braven Jungen er da ja hatte. Und so stolz war er – was spielte sich bloß in seinem Kopf ab? Er wusste doch, dass es nicht sein Kind war und ihn seine ach so tolle Gefährtin mit einem anderen betrogen hatte. Und dann hatte sie auch noch gewagt, ein Kind von einem anderen zu bekommen. Dass er das Kind liebte, war ausgeschlossen. Die Blondine mit den langen, glatten Haaren lächelte nun jedoch, er sah so niedlich aus, wie er da so mit dem Kopf zur Seite lag und ganz friedlich war. Vor lauter Träumereien bemerkte sie erst gar nicht, dass Baileys sich bewegte, erst als sie sie stöhnen hörte, sah die Sängerin erschrocken zur Seite und stellte den Korb ab, die Waffe, die sie hatte, hielt sie fest umklammert, Baileys nun den Rücken zuzudrehen, während sie aufwachte, das kam überhaupt nicht in die Tüte. Es gehörte zu ihren Hobbies, einfach so Leute von hinten zu erschießen, sie war eine sehr feige Person, anders als die Blonde. Die Schwarzhaarige hielt sich die Schläfe und sah Blut in dem Moment, in dem sie ihre Hand von dieser wegnahm. Mit einem Blick zur Seite entdeckte sie diese Frau, die man aus den Schlagzeilen kannte, jedoch war es keine negative Publicity, wie man sie von Baileys und Vermouth sonst kannte. „Was zum Teufel willst du? Willst du Ärger, mein Kind?!“ Der Angesprochenen war schlecht, ihr Blick war eiskalt, als sie ihre Waffe auf Baileys richtete, die ihre eigene noch nicht einmal hatte ziehen können. „Ich bin nicht dein Kind, sag das doch zu Mistelle, aber nicht zu mir, Miststück!“ warf sie ihr verärgert entgegen, nahm den Babykorb an sich und ging langsam rückwärts. „Du bist doch das Miststück, das dem Boss nicht gehorcht! Pass auf, was du da sagst! Valpolicella kann dich ohnehin nicht leiden...“ Es war indirekt eine Drohung und Baileys blickte der Jüngeren mit einem wahnsinnigen Gesichtsausdruck in die Augen. „Sei lieber froh, dass du noch am Leben bist, statt so große Töne zu spucken, du hast keinen Einfluss auf Valpolicellas Entscheidungen, das hat, wenn überhaupt der Boss und auch Carpano. Du stehst zu weit unten, um mit entscheiden zu dürfen, Herzchen, also sei vorsichtig. So was kann ins Auge gehen“, gab die Blondine zurück, die weiterhin rückwärts ging. Ja, es war schon wie ein Geschenk sie leben zu lassen – die Frau war einfach nur boshaft. Es gab weniges, was ihr etwas bedeutete, aber es schien da so einen Mann zu geben, den Vermouth mal angebaggert hatte, seitdem war sie noch schlimmer. Ihr das Kind überlassen, das konnte sie nicht, dafür war sie zu gerecht. Baileys würde den armen Jungen mit Sicherheit quälen... Aber das war bei weitem nicht der einzige Grund für ihre Tat. Verrat beging sie nicht zum ersten Mal, doch war dieser hier direkt gegen den Boss – also eine Todsünde für Organisationsmitglieder, aber es stellte auch klar, auf welcher Seite die 27-jährige stand. Heute sollte etwas ganz Furchtbares passieren, jedenfalls plante der Boss etwas, wovon sie erfahren hatte. Sie musste irgendwie Cognac erreichen, ihn finden oder Derartiges, damit er wusste, dass sie das Kind hatte. Dann konnte man vieles vermeiden, hoffte sie. Er musste doch schrecklich verzweifelt sein mit diesem Auftrag. Sie glaubte nicht, dass Cognac jemals seinem besten Freund verletzen oder gar töten könnte, aber sie wollte ihn von Verzweiflungstaten abhalten... Sich hinter den nächsten Autos bewegend, konnte sich die Frau endlich herumdrehen, um zu ihrem Auto zu laufen, allzu lange wollte sie sich hier nicht aufhalten, wenn man sie dabei erwischte, war das nicht sehr von Vorteil. Eigentlich hätte sie Baileys auch töten müssen, um sie vom Reden abzuhalten, doch war sie nicht so sehr mit Macht versehen, dass man ihr alles glaubte. Und sich mit jemandem wie Cencibel anlegen, würde sie ohnehin nicht, diese Frau würde sich Baileys sicher zur Brust nehmen, wenn sie ihrem Schützling etwas antat, das wusste diese natürlich. Also war es unnötig, sie gleich zu erschießen. Dazu musste sie ihr schon noch bessere Gründe liefern... Auf halber Länge hörte sie jemanden schnell atmen und sah zur Seite. Es war dunkel in der Ecke, da die Autos vor allem zu dicht aneinander standen und das wenige Licht auffraßen. War ihr jemand gefolgt? Hatte sie jemand gesehen, der es wagen würde, sie zu verraten? Als sie dann aber diese Frau erblickte und ihren gequälten Gesichtsausdruck ging ihr Blick langsam tiefer. Sie erblickte Blut, das sich über der Kleidung dieser Person verteilt hatte. Ihr Anblick rüttelte Erinnerungen von vor einem Monat in der Frau wach. Das ganze Blut, das sie gesehen hatte, als sie zu spät dort aufgetaucht war... Ihre Augen weiteten sich augenblicklich. In der Dunkelheit sah das Gesicht der Frau gerade so wie sie aus, ihre blonden Haare sah man kaum, man konnte nur Locken sehen, so wie ihre Freundin sie an diesem Tag gehabt hatte... Den Schockmoment überwunden, bemerkte sie auch, dass es Vermouth war, die hier im Dunklen mit Blut befleckt begegnet war – die 27-jährige schüttelte kurz den Kopf, um die Gedanken loszuwerden. „Shawn...?“ Es war lediglich ein Krächzen, bevor die blonde Schauspielerin verdächtig schwankte. „Ja, dein Zustand sagt mir, dass an dir irgendjemand klebt. Unter anderen Umständen würde ich dich mitnehmen, aber ich habe ein Kind bei mir, eine Flucht habe ich nicht eingeplant...“ Sie wandte den Kopf etwas zur Seite – nicht hinsehen und auch nicht dem Mitleid verfallen. Wer auch immer schon wieder gewagt hatte, auf Vermouth zu schießen, war kein Organisationsmitglied. Es gab nicht sonderlich viele, die so etwas wagten. „Ich nehme den Jungen mit, an deiner Seite hätte er es im Moment nicht so gut, da gibst du mir doch Recht, oder? Außerdem werde ich verhindern, dass Sêiichî Unfug macht! Wenn es sein muss, halte ich ihn höchstpersönlich davon ab.“ Vermouth stutzte, als die 27-jährige flüsterte – es war noch jemand hier – das schlussfolgerte sie daraus, aber wieso nannte sie ihn Sêiichî? Kannten sie sich besser? Und wieso interessierte sie sich so sehr für sein Wohl? „War oder ist da irgendwas zwischen euch?“ Die Frage strotzte gerade nur so vor Eifersucht, das hatte sie durchaus mal verdient, immerhin war der Großteil scharf auf sie, weil sie es herausforderte. Wenn sie bei Sêiichî Angst haben musste, dass er sie verließ, dann hatte sie einfach Pech gehabt. „Und das trotz des Kindes... Nur mal zu deiner Information, Vermouth, du verlierst Blut, du solltest dich nicht von so etwas wie Eifersucht aufhalten lassen. Schon gar nicht, wenn eine wütende, fast unverletzte Baileys hier herum streunert.“ Es war lächerlich, Sêiichî war ein Baka, der immer wieder zu dieser einen Frau zurückkehren würde, und diese misstraute ihm, was aber auch nachvollziehbar war... Er hatte wohl einiges angerichtet mit seiner elenden Fremdgeherei. Aber anders wäre es Vermouth wohl auch zu öde gewesen, sie wollte ihn erziehen, das lag für sie klar auf der Hand. Wieso sonst hätte sich eine Frau wie sie Jahre lang einfach betrügen lassen? Es hatte ihr doch gefallen, mit Strafen um sich zu werfen und ihn immer wieder in diesen Teufelskreis hineinzutreiben. Ja, es war etwas zwischen ihnen gewesen, aber das musste man ihr nicht gleich auf die Nase binden. Sie musste nicht wissen, wie sehr sie ihn damals gequält hatte und dass er sich bei einer anderen ein paar Zärtlichkeiten abgeholt hatte, was sie nicht gewillt gewesen war, zu geben. Der Sarkasmus in der Stimme ihres Gegenübers ließ Vermouth zunächst ein klein wenig wütend werden, doch musste sie zugeben, dass Eifersucht gerade nur hinderlich war. Dass man sie gewarnt hatte, war ihr klar, auch wenn es etwas versteckt gekommen war. Wenn Baileys sie so sah, roch sie noch eine Chance, das wollte man wenn möglich verhindern. „Arigatou.“ Belustigt sah die Frau mit den glatten Haaren zu ihr – Vermouth musste wirklich verdammt verzweifelt sein, wenn sie schon jedem dankte, der sie mal nicht hasste und sie ans Messer liefern wollte. „Es gibt nichts zu danken“, erwiderte die junge Frau und drehte der älteren den Rücken zu, woraufhin sie mit dem Babykorb in ihrem Auto verschwand, auch wenn es hieß, sie hier zu lassen, wie sie ihr ja mitgeteilt hatte. Es war also in dem Sinn keine Hilfe, also gab es auch nichts zu danken. Wenig später hörte man das Klappern von Schuhen, jemand versuchte dem wegfahrenden Auto zu folgen, was niemand anderes als Baileys war. Doch Vermouths Gehirn war von der Verletzung zu vernebelt, um dahinter zu kommen, weshalb sie dem Auto folgte, sie war kurz davor, umzukippen, was sie natürlich nicht würde, sie hatte viel Durchhaltevermögen, das sie sich mit der Zeit angeeignet hatte, nachdem sie so oft mit dem FBI zu tun gehabt hatte. Flüchten war wichtiger als vor Schwäche einfach umzukippen. Sie war ganz ruhig und machte sich nicht bemerkbar. Im Moment war es ihr wirklich lieber, wenn ihre Feindin anderen Tätigkeiten nachging, als auf sie loszugehen. Was man diesmal wohl Sêiichî aufgetragen hatte, dass jemand wie Cinzano davon redete ihn von Dummheiten abzuhalten? Und sie selbst war hier, wusste ja nicht einmal, was gespielt wurde. Es war eine ganz bittere Erkenntnis, etwas nicht zu wissen, was vielleicht im Begriff war zu geschehen... Der Himmel war ganz dunkel geworden – irgendwie passte das sehr gut zur Stimmung des Schwarzhaarigen. Er hatte seinem Kollegen Carpano längst Bescheid gegeben, dass er auch ja hier auftauchen würde. Und er würde es durchziehen, so, wie er es schon vor langer Zeit geplant hatte. Sêiichî hoffte nur, dass Yuichi ihn diesbezüglich nicht enttäuschte, sonst ging es ihnen wohl allen beiden an den Kragen. Der dunkelgraue Himmel und der triste Friedhof, auf dem sie den Pfad zu einem Grab beschritten, es passte so gut zusammen. Da Sêiichî sehr gläubig war, hatte er sich erst geweigert, auf einem Friedhof zu morden, aber da er sowieso abgehalten werden wollte, musste er das jawohl auch gar nicht. Darum war er froh, egal was mit ihm passieren würde. Wenigstens würde er so nicht seinen Gott verraten, der ihn stets begleitet hatte. Sêiichî glaubte so sehr an ihn, dass er glaubte, von ihm geführt worden zu sein – dass alles von Gott ausgegangen war. Das Leben war eine einzige Prüfung, das stimmte sogar. Derjenige, der das gesagt hatte, war im Recht. Für Sêiichî war es das immer gewesen. Ein Test, wie viel er ertrug, ohne selbst in die bösen Abgründe des Teufels abzurutschen. Und sein Herz, ohne zu brechen oder schlichtweg zu erkalten. Bisher hatte er es immer geschafft, gegen das Böse anzukämpfen, es war immer da, auch jetzt. Es begleitete ihn, wie der Schatten das Licht. Heute, am 10. Februar, der Tag, an dem er bei einem guten Freund sein sollte, wollte der Boss ihm das schlimmste antun, was man ihm wohl antun konnte – einen Freund töten. Es war sein Kindheitsfreund – jemanden, mit dem er als kleiner Knirps schon durch dick und dünn gegangen war. Er saß in der Falle, er war die Maus, die den Speck gefressen hatte und nun eigentlich besser um sein Leben rennen sollte. Sie wussten alles über ihn, einfach alles schienen sie zu wissen, woher das war ihm nicht wichtig, weil es ihn vielleicht in die Rachsucht getrieben hätte – er wollte es gar nicht wissen – es gab ohnehin keinen Weg zurück. Er, der einst zur Polizei gehört hatte, musste spuren, sonst war sein Leben für diesen Mistkerl nämlich rein gar nichts mehr wert, auch wenn es hieß, benutzt zu werden. Die Glocken hatten für ihn eigentlich schon geläutet, sein Tod war entschieden. Ein Fehler, ein falsches Wort reichten wahrscheinlich schon, damit man ihn endgültig umbrachte. Sêiichî kniete sich vor das Grab, auf dem mit schwungvoller Schrift ein Satz stand, der mit Liebe Schwester... begann. Ihm standen jetzt schon beinahe Tränen in den Augen. Es war nicht Yurikos Grab, auch wenn sie fast zur gleichen Zeit begraben worden war, es war das Grab von Hiroyas kleiner Schwester, die Sêiichî nun hier besuchte, da er die Beerdigung nicht mitbekommen hatte. Zu der Zeit war er außer Gefecht gewesen. „Weißt du... Der Satz klingt für dich vielleicht total ironisch, aber ich denke, das war sein Ernst.“ Ryochi zog tief Luft in die Lunge, als Sêiichî das sagte. „Meinst du, ja? Ich hingegen denke einfach nur, dass du immer versuchst das Gute in den Menschen zu sehen, selbst wenn es offensichtlich ist, dass sie schlecht sind. Ich denke nämlich, dass der Satz nur auf ihrem Grab steht, damit Hiroya gut dasteht. Das gehört sich eben für einen Bruder. Dass er sie überhaupt hat beerdigen lassen, ist ein großes Wunder. Dass er dafür Kosten in Kauf nimmt, er hat sie immer gemieden und sie schlecht gemacht... Wenn man ihn versuchte zu belehren, war sie immer eine Versagerin, und der selbe Kerl lässt auf ihr Grab schreiben: Liebe Schwester, du bist viel zu früh von uns gegangen. Mögest du in Frieden ruhen...“ „Du solltest ihn nicht so verurteilen, er muss sehr einsam sein. Erst wird seine ältere Schwester ermordet, dann seine Freundin, und weil das ja noch nicht reichte, gleich noch im Anschluss seine Eltern und seine kleine Schwester. Denkst du, das ist ihm total egal gewesen? Das bezweifel ich doch sehr stark. Er ist mir sehr ähnlich, Ryo. Wenn er eiskalt ist, das ist das Selbstschutz.“ Sêiichî war heute wohl besonders sensibel, oder wie hatte Ryochi das zu verstehen? Er konnte Hiroya nichts Gutes abgewinnen, seit damals in Kyoto seine Freundin ermordet worden war, hatte er sein Herz an diese Organisation verloren. Sêiichî dachte ja auch, dass sein Halbbruder Takeshi Gutes in sich trug – das konnte Ryochi nicht mehr so ganz nachvollziehen, selbst wenn es Sêiichîs Bruder war. Wo sah er da bitte etwas Gutes an diesem Monstrum, das Frauen vergewaltigte und skrupellos eine Gruppe Leute auf den jüngeren Bruder hetzte, weil es so viel Spaß machte, ihn zu quälen. Ryochi zweifelte sogar an dem Verstand des Mannes. Er war einfach krank im kopf. „Ein anständiger Bruder hätte sich anders verhalten, er war so drauf aus, seine Yuriko zu beschützen, dass Kimiko auf der Strecke blieb, deswegen war sie immer alleine. Er hätte sie davon abhalten können, aber er war nie da, er hatte immer nur seine Organisation im Kopf, er ist besessen. Alles, was für ihn zählt, ist der Erfolg. Ich weiß nicht, ob ihm bewusst ist, was er dadurch verloren hat... Er war bei meinem Vater an diesem Tag... Er wollte doch wirklich, dass wir auf seine Schwester und seine Freundin etwas Acht geben. Und dann hat er noch gesagt...“ Ryochi senkte seinen Blick, er wollte eigentlich nicht daran denken, aber er erinnerte sich noch ganz genau. „Er kam ursprünglich her, um uns aufzuklären, dass du Polizisten ermordest. Er hat uns Tipps gegeben und meinte wohl, dass wir als Gegenleistung auch etwas für ihn tun... Er war so widerlich arrogant, ein richtiger Kotzbrocken, er meinte tatsächlich, dich besser zu kennen, als ich. Er meinte, eines Tages wirst du auch auf mich deine Waffe richten...“ Sêiichî stand mit dem Rücken zu Ryochi – als er diese Worte hörte, musste er lachen. Nur sehr schwer verkniff er sich zu sagen, dass Hiroya damit jawohl den Nagel auf den Kopf getroffen hatte – es stimmte, er würde seine Waffe auf Ryochi richten, deswegen sollte dieser besser nicht so daher reden. „Scherzkeks, wieso lachst du jetzt?“ Ryo verstand es erst nicht, das dunkle Lachen gefiel ihm gar nicht, Sêiichî veralberte sich doch sicher wieder und sah sich als schlechter Mensch an. „Er ist der Auffassung, dass du zu den Bösen gehörst, warum lachst du dann? Weil du dich veralbern willst?“ „Nein, weil er anscheinend die Zukunft voraussehen konnte, vielleicht hat er sich deswegen so viele Leute schnappen können und kam ständig damit durch... Er wusste auch, dass man auf seine Schwester losgehen wird... Er wusste, dass ich eines Tages Polizisten töten würde... Und er wusste, dass ich dich mit einer Waffe bedrohen werde.“ Der ehemalige Polizist holte seine neue Waffe hervor, drehte sich mit dieser herum und richtete sie auf seinen besten Freund. „Ja, ich wollte Kimiko besuchen. Ja, ich wollte nicht alleine herkommen, weil ich mich so geschämt habe... Aber ich habe dich heute mit hierher genommen. Hier soll heute ein Detektiv ermordet werden. Das hat der Boss so beschlossen... Weißt du, Ryo, der Boss hat bemerkt, dass ich Shawns Vater bin – er erpresst mich mit dem Kind. Er will dem armen Jungen Schmerzen zufügen, wenn ich es nicht tue. Sei nicht böse auf mich, ich mache es kurz und schmerzlos.“ Ryo hatte ein bitteres, aber doch unbeeindrucktes Lächeln im Gesicht, als er in die Waffe blickte. Es war nicht das erste Mal, dass man ihn so bedrohte und er glaubte Sêiichî kein Wort. Er hatte gerade versprochen, es kurz und schmerzlos zu machen. Allerdings, es würde schmerzlos sein, weil er nämlich nicht abdrücken konnte, das wusste er. Wem wollte er was vormachen? Wollte er ihn vielleicht wütend machen, so dass er selbst zur Waffe griff? Der Kerl war echt ein unbezahlbarer Baka. Nichts konnte ihn dazu bringen, seine Waffe gegen ihn einzusetzen. Angst, so etwas verspürte er gerade ebenfalls nicht, er war ganz ruhig – es war schließlich Sêiichî, sein bester Freund. Er war ein treuer Freund, der seine Leute niemals verraten würde, eher brachte er sich selbst um, als das zu tun. „Du hast als ihr Gefährte versagt, was? Du dachtest doch immer, du hältst bei ihren schauspielerischen Künsten mit, Sêiichî Iwamoto. Er will dich fertig machen, weil er weiß, dass du mit der Frau zusammen bist, die er sein Eigentum nennt. Er weiß, dass du labil bist.“ Nur ganz leise sagte Ryochi es und wollte näher an Sêiichî heran gehen, doch dieser erhob drohend die Waffe, „Noch nicht, wenn ich das nämlich schaffe, schaffe ich alles... Carpanos Freundin tut auch alles für ihren Erfolg. Wieso also nicht ich?“ Er hatte schließlich auch einen Plan, der scheitern würde, wenn er versagte. Aber es war zu spät, sein Plan war ihm nicht so viel wert, dass er zulassen würde, dass Ryochi etwas passierte. Unauffällig schaute Sêiichî auf die Uhr, ihm lief die Zeit davon – man erwartete von ihm diesen Schuss. „Bist du nervös?“ stichelte Ryochi ihn, er wollte ihn gerne besser kennen, als der Rest und Recht haben, das würde er ihm auch beweisen. „Worauf wartest du? Du hast doch keine Zeit, nicht wahr?“ Auf was wartete Sêiichî, dass er doch seine Waffe zog und sich ordentlich wehrte, oder auf was? In seinem Ohr hörte er die Worte, die wie eine Drohung klangen und Sêiichî gerade wahnsinnige Angst machten. ~Schieß endlich, oder der Boss kümmert sich erst so richtig um dein Kind, hast du gehört? Hast du gehört? Und jetzt bring den Kerl um, Cognac! SOFORT! Oder er dreht ihm den Hals um, er bricht ihm das Genick, das willst du doch nicht, oder doch? Kannst du gerne haben!~ Die Stimme klang wahnsinnig, geradezu davon besessen, dass der Boss es tat, er würde diesem auch sagen, dass Cognac zauderte. Das bekam Shawn garantiert nicht. Der Schweiß breitete sich in Sêiichîs Gesicht aus. Je länger er wartete, umso zahlreicher wurde das Feuchte in seinem Gesicht, das allmählich über seine Wangen rann. Es war der pure Angstschweiß. ~COGNAC!~ Sein geschrieeer Name ließ ihn zusammen zucken. In dem Moment fiel ein Schuss, der einige Vögel aufschreckte und aufgeregt davon fliegen ließ. Der Schuss war völlig ungewollt gewesen und ließ Sêiichî tödlich blass anlaufen. Man hätte meinen können, er kippte jeden Moment um. Wer war das gewesen? War er nun endlich gekommen? Kapitel 12: Mistakes... ----------------------- Er sah in Ryochis Gesicht, dieser war bei weitem nicht so blass, wie Sêiichî gerade, er hielt sich mit der rechten Hand den linken Arm, den er gebeugt unterhalb seiner Brust abgelegt hatte und unter einem Schmerzenskeuchen auf die Knie ging. Sein Atem ging keuchend und seine Brust hob und senkte sich, was sein angestrengtes, schwerfälliges Atmen andeutete. Sêiichî war schockiert diesem Vorgang, wie Ryochi an Kraft verlor, beiwohnen zu müssen. Das war er gewesen, er hatte abgedrückt, auf Ryochi geschossen, das war wirklich unverzeihlich. „Na gut, vielleicht hatte er Recht“, gab Ryochi zu, während er mit einem zugekniffenen Auge in Sêiichîs Gesicht blickte. Natürlich wusste er, dass Sêiichî nicht mit voller Absicht geschossen hatte, er war erschrocken wegen der Stimme, die ihn so voller Wut angebrüllt und ihm gedroht hatte. Und er sah auch, wie seinen Freund die Angst befallen hatte, er war so blass, als hätte ihn die Kugel getroffen und nicht Ryochi. Ein Wunder, dass Sêiichî nicht zusammenbrach vor lauter Schreck, den er gerade erlitten hatte. Der Schuss hatte den Schwarzhaarigen, der den Friedhof betreten hatte, zutiefst beunruhigt. Was war denn bitte nun schon wieder geschehen? Sêiichî hatte ihn kontaktiert, er war eigentlich schneller hier, als man es haben wollte. Obwohl es eigentlich eine Falle war. Ein abgekartetes Spiel, dass ihm sagte, Cognac würde auf seinen Bruder losgehen, das wusste Carpano. Da mussten sie schon früher aufstehen, um ihn auszuspielen. Der Plan seines Bosses war, dass er wütig wie er werden konnte, wenn es um seinen Bruder ging, losstürmte, Cognac daran hinderte, Ryochi umzubringen und ihn anschließend erschoss. Ja, das hätte dem Boss so in den Kram gepasst. Vielleicht hoffte er sogar, dass Cognac Erfolg hatte und Carpano dann so richtig durchdrehte... Das war dem Scheißkerl zuzutrauen. Aber dieser Schuss, hier stimmte etwas nicht... Hatte jemand die Geduld verloren, oder was war passiert? Er bezweifelte, dass der Schuss von Sêiichî gekommen war. Sêiichîs Augen waren leer, aus seiner Waffe stieg Rauch empor, was bewies, dass er abgedrückt haben musste und dann war da sein Bruder, der sich den Magen hielt... Unglaublich. Sollte das heißen, Sêiichî hatte wirklich geschossen? Carpano traute seinen eigenen Augen nicht, doch schien es die Realität zu sein... Er wollte ihn also wirklich dazu bringen, dass er ihn eiskalt erschoss, um seinen Bruder zu retten. Hatte er ihn deswegen verletzt? Das konnte er nicht glauben, es konnte nicht den Tatsachen entsprechen. So etwas konnte sein Freund doch nicht, immerhin handelte es sich um Ryo, der für Sêiichî wie ein Bruder war. Man hörte Lachen aus dem Hinterhalt. Anscheinend war es mehr als nur lustig für denjenigen, dass Sêiichî sich dazu hatte bringen lassen. Wut loderte in dem Killer auf, als er dieses Lachen hörte, das mit jedem Ton schriller wurde. Aus den Augenwinkeln entdeckte Ryochi gerade Yuichi und seinen verhassten Gesichtsausdruck. So kannte er ihn nicht, mit einer solchen Mimik. Auch sein Bruder hatte eine Waffe in seiner Hand, die anscheinend sogar geladen war, und seines Blickes nach zu urteilen, würde er sie benutzen. Hoffentlich jedoch nicht gegen Sêiichî, der gerade vor ihm stand, als hätte er ihm eine schwere Verletzung beigebracht. Er hatte sich auf die Knie fallen lassen und hielt sich die Magengegend... Aber doch nur, um dem Kerl, der Sêiichî wie ein Hund bewachte, vorzuspielen, dass Sêiichî ihn getroffen hatte. Und da Yuichi etwas weiter weg war, könnte er annehmen, Sêiichî hätte wirklich... Nur waren ihm die Hände gebunden, er konnte seinen Bruder nicht aufklären, er konnte nur hoffen, dass nichts Schreckliches passieren würde. Er beobachtete Yuichi genaustens und sah wie er seine Waffe in ihre Richtung schwang. Mit einem Satz war Ryochi aufgesprungen und versperrte Carpano gänzlich die Sicht. Er war vor Sêiichî zu sehen, den er damit abschirmte. Etwas anderes fiel ihm in dem Moment nicht ein, es war die Panik, die ihn in diesem Moment ergriff, da er Yuichis wirkliches Opfer nicht sah, dieses war hinter Ryochi, der hinten leider keine Augen hatte. Und dann geschah es, es wurde abgedrückt, jedoch nicht von Carpano, da ihm sein eigener Bruder in die Quere gekommen war. Das war es, was ihm zum Verhängnis wurde. Ryo spürte noch den Luftzug der Kugel, die direkt an seinem Arm vorbeischoss. Dass sie auf seinen Bruder abgefeuert wurde, war ihm da auch bewusst. Dieser war ihm direkt gegenüber – er konnte alles sehen. Wie Yuichi beide Kugeln trafen – es verlief wie in Zeitlupe. Als wenn jemand dafür sorgte, dass Ryochi auch ja nichts davon entging. Er zuckte am ganzen Körper zusammen. Und nicht nur das bekam er mit. Er hörte auch wie Sêiichî hinter ihm etwas schrie, er donnerte es dem Kerl gerade zu entgegen. „Was hast du getan? Du verdammtes Schwein!“ Die Worte reichten schon. Wenn Sêiichî so etwas schrie in einer solchen Lautstärke, ging es mit seiner Beherrschung zuende... Ryo musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass er ihn erschoss. Zweimal hörte man leise das Klacken der Waffe, er tat es einfach so, ohne viel Mühe. Aber Ryochi hatte keine Zeit sich darum zu kümmern, dass Sêiichî Rache verübte, er stürzte vorwärts zu seinem Bruder, der in diesem Moment zu Boden ging. Von den beiden Kugeln getroffen, fiel sein Kopf zu Boden. Er blutete am Kopf, das sah man auch auf die Entfernung. So schnell es ihm möglich war, rannte er auf ihn zu und ließ sich direkt vor ihm auf die Knie fallen. Als erstes fasste Ryochi seinem Bruder an die Halsschlagader, wo er nicht gleich einen Puls ausmachte, was ihm einen gehörigen Schrecken versetzte. Doch dann spürte er ein Pochen, das erleichterte ihn im ersten Moment ungemein. Sêiichî, der wie apathisch auf Ryochi und Yuichi zuging, hatte die Arme gerade schlaff am Körper hinabhängen. ‚Er hat ihm fast die Birne weggeknallt... Was war das? Warum hat er das getan? War das seine Art Notwehr, oder wie?’ Auch Sêiichî hatte für einen kleinen Moment gedacht, dass Carpano ihn anvisierte. Er hatte ihn ja auch darum gebeten, das zu tun, doch stattdessen hatte sein Freund den Typen, der im Hinterhalt Druck gemacht hatte, erschießen wollen. Ryochi war also ganz umsonst vor Sêiichî, um diesen zu beschützen, stattdessen hatte er wohl Carpano am Schuss gehindert. „So ein Vollidiot, da hat er noch die Gelegenheit und trifft ihn nicht richtig! Wenn er ihn doch nur etwas weiter in der Mitte getroffen hätte – so eine blöde Kopfverletzung bringt ihn garantiert nicht um... Wenn ich ihn so vor mir hätte, ich hätte ihn bestimmt getroffen, man muss eben alles selbst machen.“ Der Braunhaarige war frustriert und murmelte das mit nachdenklichem Blick vor sich hin. Wie Cognac gerade gewesen war, so gefährlich, da hatte er, da er nun alleine war, lieber den Rückzug angetreten. Die drei waren, wenn sie sich gegenseitig beschützten, kein Zuckerschlecken. Man hatte jeden gegen sich und konnte sich ja immer nur auf einen von ihnen konzentrieren. Jedoch wären immer zwei von ihnen gleichzeitig da, um diese Person abzuschmirmen. Da gab es keine Aussicht auf Erfolg. Aber es war ja zum Glück noch nicht vorbei. Er hatte dafür gesorgt, dass der Boss Cognacs Schwächen kannte, das erfreute ihn einfach, so sehr, dass er anfangen musste zu lachen. Na gut, Pinot war vielleicht tot, aber er war ohnehin nicht so ein fähiger Killer, wie er selbst es war. Er rechnete nicht damit, dass man ihm gefolgt war und ihn beschattete. Das gehörte zu den Haupttätigkeiten der jungen Frau. Sie hörte ihn also reden. „Das nächste Mal, Carpano, bin ich es, der auf deinen Kopf zielt. Man muss alles selbst machen... Ich bin eben besser als der Rest. Ihr seid alles Versager. Nicht einmal Anweisungen von mir könnt ihr befolgen und für einen Erfolg sorgen...“ Er seufzte tief und ging um die Ecke, wo ihm plötzlich jemand im Weg stand. „Hey, pass doch auf, wo du hinläufst!“ Teran musterte die 29-jährige, die ihn ansah, als hätte sie die Kälte gepachtet. „Was ist? Ist etwas besonders faszinierend an mir?“ machte er sich darüber lustig, dass ihr Blick ihn gefangen hatte. Seine Hand war ganz unten und er rechnete mit nichts Schlimmen, immerhin war es Kir, doch weit gefehlt... Die Braunhaarige hatte Terans Worte genau gehört und auch verstanden, was er meinte. Er hatte Pinot befohlen, Carpano umzubringen, wenn er auftauchte. Wie er sich aufplusterte, das machte sie wahnsinnig wütend, aber das Fass lief erst über, als er sie angrinste und ihrem Gesicht zu nahe kam. Er hatte vor sie zu küssen, also schubste sie ihn von sich. „Lass diesen Unsinn!“ „Wie fein du dich ausdrückst, Kir! Dir kauft deine Show keiner ab... Ich am allerwenigstens. Schau dich an, Püppchen! Du bist keine Killerin, du tust bloß so. Das habe ich längst bemerkt, du bist eben nicht Vermouth. Die kann vielleicht dreckig reden, aber du... Du kannst das nicht. Ich kenne dein Geheimnis, also sei ein bisschen nett zu mir, immerhin hast du keinen Jami mehr...“ Von welchem Geheimnis gerade die Rede war, sie konnte nur mutmaßen. Aber wie er redete, als wenn er wusste, dass sie auf der gerechten Seite war. Kir gab ein kleines Lachen von sich und sah ihm grinsend ins Gesicht. „Du kennst mein Geheimnis? Welches soll das sein?“ „Eigentlich hast du zwei Geheimnisse, Schätzchen...“ Er drehte sich halb von ihr weg und schielte zu ihr, das Grinsen blieb in seinem Gesicht. „Yuichis Geliebte und... Eine Verräterin... Du bist noch schlimmer als Yuichi und Sêiichî im Duett, ist es nicht so...?“ Kir zeigte keine Gesichtsregung, sondern richtete ihre Waffe auf Teran. „Ich bin beeindruckt, Engelchen.“ Er machte sich über sie lustig und packte sie am Arm, was ihr überhaupt nicht gefiel, also nahm sie die Waffe ein wenig höher. „Lass mich los, oder du betrachtest die Radieschen von unten, Teran!“ bedrohte sie ihn, doch er nahm sie nicht ernst. „Wenn ich will, schaffe ich alles... Dann hast du die längste Zeit mit Carpano gevögelt, es sei denn, du stehst auf Sex mit Leichen!“ Sie drückte ab, es war genug. In dem Moment brannte ihr die Sicherung durch. Ihr Herz klopfte wie wild und ihre Atmung glich der einer alten Frau. Schockiert von sich selbst wich sie zurück. Teran lag am Boden, noch ehe sie ihre Tat wirklich realisiert hatte. Sie hatte sich provozieren lassen – man hatte ihr doch beigebracht, immer Ruhe zu bewahren und was tat sie? Flippte aus. Spätestens jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr sie die Zeit in der Organisation bereits verändert hatte. Sie wurde mehr und mehr wie sie. Das machte ihr Angst, sie wollte nicht so werden. Doch verdrängte sie den Gedanken, sie musste nach Yuichi schauen. Man hatte wieder auf ihn geschossen. Kir wollte es mit eigenen Augen sehen, wie schlimm es diesmal wieder war... Ohne sich lange am Tatort aufzuhalten, verschwand die Braunhaarige durch eine Seitengasse, die sie direkt zum Friedhof führte. Sie nahm den Weg direkt zum hinteren Teil des Friedhofes, sie musste eine Weile an diesem entlang gehen, das ermöglichte ihr jedoch auch, etwas zu sehen, ohne dass man sie selbst sah. Die Beleuchtung war hier schon immer sehr schlecht gewesen. Man sah mehr von außerhalb, als vom Friedhof aus selbst. Bei Nacht sollte man den Friedhof besser meiden, die Ecken waren zu heimtückisch und die Dunkelheit zu ausgeprägt, das schreckte die Braunhaarige aber schon seit längerem nicht mehr ab – sie befand sich inmitten von ihnen. Da war ein Friedhof ihr kleinstes Problem, wie man vorhin gesehen hatte. Sêiichî hatte es endlich zu den beiden geschafft, wie Kir sehen konnte, sie sah jedoch wenig, da der Schwarzhaarige den Großteil an Sicht versperrte. Es war kalt, wie üblich im Winter, die ganze Zeit tropfte schon ein bisschen Wasser vom Himmel, in kleinen Abständen hörte es jedoch wieder auf. Ein Tropfen traf sie an der Schläfe, so dass sie zuckte – er war eisig kalt. Doch dann streifte sie etwas, was sich einfach nicht wie Regen anfühlte, nein mehr flauschig. Sie breitete die Hand aus und man konnte eine Schneeflocke in ihre Hand segeln sehen. Es wollte noch einmal schneien? Kalt genug war es ja, sie trug einen dicken Wintermantel. Aber darüber freuen konnte sie sich gerade nicht sehr, da man kurz darauf hinter ihr laute Sirenen hörte. Es waren keine Polizeisirenen wegen der Sache, die hier hatte passieren sollen – es war ein Krankenwagen, wie sie deutlich erkannte – und mit jedem Ertönen dieser Sirene, konnte sie es besser hören, er war in diese Richtung unterwegs... Sie blickte noch einmal zur Seite, wo sie Sêiichîs Rücken sehen konnte, sie sah genauer hin, was sich als schwer erwies, da es so dunkel war, doch dann sah sie der Länge nach ein Bein am Boden – es lag jemand an diesem. Diese Erkenntnis ließ sie besorgt die Gittertür zum Friedhof öffnen und auf beide zurennen. Der Boden war feucht und quietschte schon ein wenig unter ihren Füßen. Als Kir näher kam, erkannte sie zu ihrem Schrecken, dass es nicht Ryochi war, der da am Boden lag, nein, es war er, was sie befürchtet hatte. Es war nicht nett von ihr zu hoffen, dass es ein anderer war, aber in dem Moment, als sie das Bein am Boden gesehen hatte, hatte sie es getan. „Was ist hier los?“ fragte sie in die Stille hinein. Wieso waren sie so still? Vor lauter Sorge total wütig schob sie Sêiichî zur Seite und drängte sich vorbei, wobei sie mit dem Blick sofort die Kopfverletzung erhaschte. Erschrocken drehte sich Sêiichî herum, in der einen Hand hatte er ein Handy, in der anderen seine Waffe. „Was machst du denn hier, Kir?“ Er wollte sie noch daran hindern, sich Yuichi anzusehen, aber sie war sehr schnell gewesen und versuchte ihn auch jetzt noch wegzudrücken, doch war sie bei weitem nicht so eine Emanze wie seine eigene Freundin, die Sêiichî vielleicht mit Gewalt von sich hätte lösen können. Er hielt Kir nämlich von hinten fest und verhinderte, dass sie Yuichis Körper zu nahe kam. „Lass ihn, er hat eine Kopfverletzung, solche Leute darf man nicht bewegen, das weißt du doch.“ Sie wollte auf Teufel komm raus zu ihrem Verlobten, weshalb sie sich vehement gegen Sêiichî zur Wehr setzte, während ihr Tränen in die Augen stiegen und sie fortlaufend Yuichis Namen vor sich hin sagte. Ryochi hatte einen traurigen Gesichtsausdruck, er war ganz apathisch, denn er gab sich die Schuld daran, dass dieser Unfall überhaupt erst passiert war. Auch ihm hatte man gleich gesagt, er solle Yuichi besser nicht anfassen, sondern das den Sanitätern überlassen. „Jetzt zappel nicht so rum! Der Krankenwagen ist auf dem Weg, hörst du denn nicht? Man hört ihn schon, er wird gleich da sein, dann werden sich professionelle Kräfte um ihn kümmern. Wir sagen, dass du zu ihm gehörst und schon werden sie dich mitnehmen.“ „Oh Gott, Yuichi... Bitte steh doch auf.“ Sie wusste nicht mehr, was sie da redete, ihr war klar, dass er nicht einfach so aufstehen würde... „Es ist meine Schuld“, meinte Ryochi, „ich bin immer ein Klotz am Bein, auch dieses Mal. Wenn ich nicht so dumm gewesen wäre, zu denken, dass er seine Waffe auf Sêiichî gerichtet hat, dann wäre das niemals passiert.“ Kir verstand den 24-jährigen nicht. Was redete er da bloß? Sollte das heißen, er hatte auf seinen Bruder geschossen, oder wie meinte er das? „So ein Unsinn, er hätte niemals auf Cognac geschossen...“ Auch der Genannte senkte den Kopf – er hatte ebenfalls gedacht, dass der Schuss auf ihn abgefeuert worden wäre, stattdessen hatte Yuichi nur versucht, Sêiichîs Bruder zu entwaffnen, der durch Ryochi die perfekte Gelegenheit gehabt hatte, auf den 27-jährigen zu schießen. Eine gute Gelegenheit hatte er noch nie gehabt, jetzt war er tot, das konnte Sêiichî immer noch nicht fassen. Er selbst hatte es getan, dabei hatte er immer gewollt, dass man seinen Bruder zufrieden ließ, damit er diesen irgendwann wieder ins Gefängnis bringen konnte... Seinen eigenen Vorsatz hatte er gebrochen. Er konnte Ryochi, der voller Schuldgefühle war, verstehen, aber auch wollte er ihn beruhigen. „Quatsch, ist doch nicht deine Schuld, red dir das nicht ein! Du hattest gerade mal eine Sekunde, um darauf zu reagieren, dass seine Waffe auf mich gezeigt hat...“ Sein Verstand war den Bach runter gegangen, als er gesehen hatte, dass Yuichi am Kopf blutete, sein erster Gedanke war nämlich gewesen, dass es ihn erwischt hatte. Ein Moment, in dem ihn die Rachsucht befallen hatte – es schien ihm, als sei er als Mörder sehr viel besser dran, wie als Polizist. „Er ist aber mein Bruder, ich sollte wissen, dass er so etwas niemals tun würde.“ „Und ich habe so gehofft, dass er es tut.“ Sêiichî musste einfach seufzen, sein Plan war fehl geschlagen, er wusste nicht, was er jetzt noch tun sollte. Es gab wohl keinen Weg zum Erfolg, den er mal eben beschreiten konnte, außer den Freitod zu wählen. „Jetzt müsste ich Ryo töten, um Shawn zu beschützen. Ob er ihn wohl in Ruhe ließe, wenn ich nicht mehr da bin...?“ Kaum hatte der Schwarzhaarige die Worte von sich gegeben, konnte sich Kir von ihm lösen, da er sich nicht mehr allzu viel Mühe gab, sie festzuhalten, denn sie hatte sich mittlerweile beruhigt. Allerdings riss sie sich nicht los, um zu Yuichi zu stürmen, sondern um ihm mit der Hand doch recht kräftig für ihre Verhältnisse ins Gesicht zu schlagen. Ihre flache Hand brachte ihm einen ziehenden Schmerz auf der Stelle bei, so dass er mit seiner eigenen Hand über seine Wange fuhr, die gleich darauf zu brennen begann. Es war das Einzige, was ihm in den Sinn kam, irgendwo runterspringen, hart aufschlagen und einfach nicht mehr da sein. Sollte es irgendwer in Zukunft schaffen, diese Organisation zu zerstören, Ryochi oder Yuichi würden sich bestimmt gern um Shawn kümmern, oder nicht? „Bist du vollkommen bescheuert? Du hast nicht das Recht, dich umzubringen! Nicht als Vater und Freund! Hast du vielleicht mal daran gedacht, dass Yuichi sich sehr um dich sorgt und ohne zu zögern sein Leben für dich auf Spiel setzt? Und da willst du ihn noch zum Versager machen?! Und hast du an deinen Sohn gedacht, der seinen Vater niemals kennen lernen würde? Es gibt genug elternlose Kinder auf dieser Welt! Denk doch nur mal an diese Polizistin, Yuriko Tokorozawa! Sie hat eine Tochter! Das arme Mädchen hat nur noch ihren Onkel, der sich aus Kindern nicht das Geringste macht, aber selbst er würde sich niemals das Leben nehmen! Er hat so viel verloren, also tu nicht so, als wenn es keinen anderen Weg gäbe! Er wird niemals aufgeben, egal, was geschieht... Du benimmst dich wie ein Vollidiot!“ Kir kannte man so nicht, aber Cognac machte sie gerade ganz schön rasend. Wenn Katori das hören würde, wie er sprach, auch sie dachte darüber nach, etwas gegen den Boss zu unternehmen, weil sie Yuichis und auch Sêiichîs Trübsinn nicht ertrug. Sie wusste, wie sehr beide litten. Yuichi litt, weil Sêiichî litt, also litt auch Katori, zumal sie niemand war, der wenig zu verlieren hatte. Vor nicht all zu langer Zeit hatte sich schon einmal jemand, der mit ihr befreundet gewesen war, einfach so umgebracht, weil sie dachte, tiefer ging es nicht mehr, und da wollte Sêiichî ihnen allen auch noch so etwas antun? Sie verstand es nicht, wie er das auch noch aussprechen konnte... Es war wie ein Schlag mitten ins Gesicht, als wäre man nicht mehr wichtig... Auch wenn er diesbezüglich nur von seinen Gefühlen für den eigenen Sohn geleitet wurde, so musste er doch auch an sie denken... Schreiend kannte man die sanfte Frau nicht, trotzdem war sie gerade doch sehr laut geworden, fast schon brüllte sie Sêiichî an, sie war zornig, das verstand er, er selbst wäre es wahrscheinlich auch. Ryochi seufzte tief, noch jemand, der Hiroya anscheinend nicht so wie er, nicht leiden konnte. Vielleicht wäre es besser für Sêiichîs Wohlbefinden, wenn er etwas mehr wie Hiroya wäre, aber der Gedanke gefiel ihm trotzdem nicht sonderlich. „Bitte vergleiche ihn nicht mit Hiroya, er ist eben nicht so herzlos. Er bringt sich schon nicht um, aber wenigstens hat er schon erkannt, dass der Boss ihn nur quälen will, deswegen will er auf ein kleines Kind losgehen... Aber denkst du eigentlich, Sêiichî, dass es etwas ändern würde, wenn du mir etwas antun könntest? Glaubst du, dass er dann deinen Sohn zufrieden lässt? Du kannst nicht so naiv sein. Er würde etwas Neues finden...“ „Du baust mich auf, Ryo, egal, was ich tue, es wird ihm zum Verhängnis, solange ich lebe. Es tut mir Leid, Kir, aber dass er es rausbekommt, war nicht eingeplant, ich habe mich wirklich bemüht, eiskalt zu sein, ich frage mich wirklich, woher er es wissen konnte...“ Kir schloss die Augen, sie wollte auch gar nicht schreien, doch die Wut blieb vorhanden. Wenn sie ehrlich war, sie wusste nicht so recht, was sie für Shawn hätte tun können, außer ihn entführen. Allerdings passte Valpolicella auf den Jungen auf, sich ihr zu stellen, davor hatte sie Angst, sie war einfach zu schwach, um es mit ihr aufzunehmen, das würde selbst Katori nicht wagen, auch wenn sie ebenfalls daran gedacht hatte, Shawn einfach zu kidnappen... Sêiichî hätte sich gerne von Yuichi töten lassen, damit alles ein Ende nahm, das war sein Plan gewesen und beinahe hatten sie geglaubt, genauso würde es kommen. „Du bist aber nicht das einzige Problem, nichts für Ungut, Cognac“, meinte Ryochi, um ihm klarzumachen, dass er nicht alleine der Grund dafür war, dass der Boss Shawn so sehr mochte. „Vermouth ist auch eines, du hast einen ganz großen Fehler gemacht, weil du bei ihr nicht mehr denken kannst... Ausgerechnet mit ihr musst du ein Kind haben. Selbst wenn du tot bist, Sêiichî, er wird Shawn weiter für seine Zwecke benutzen, und zwar, um sein Schätzchen unter Kontrolle zu halten. Wir alle wissen, dass sie drauf anspringt, wenn man ihr damit droht, dem Kind wehzutun. Tja, wer weiß, vielleicht würde sie den nötigen Mut finden, den Scheißkerl einfach zu ermorden, wenn sie daran denken muss, dass er in die Wege geleitet hat, dich umzubringen... Vielleicht würde es aber auch ewig so weitergehen. Dumm nur, dass du ihr dann nicht mal beistehen könntest, wenn du einfach so abtrittst, nicht wahr, Sêiichî? Damit würdest du deine heißgeliebte Vermouth einfach im Stich lassen. Sich seiner Verantwortung zu entziehen, fandest du doch immer total daneben. Du hast immer gesagt, du bleibst bei der Frau, die ein Kind von dir bekommt...“ Er wollte Sêiichî an sein Versprechen sich selbst gegenüber erinnern. Er musste das bis zum Schluss durchstehen, immerhin hatte er es jawohl so gewollt. Da konnte sein Freund sich eigentlich ja noch glücklich schätzen, ihm war nicht nur sein Kind geblieben, die Frau, die er liebte, war immerhin am Leben. Kir sah es dem Detektiv an, was er dachte und zog Sêiichi sehr dicht an sich heran, da Ryo auch gerade den Blick tief gesenkt hatte, konnte sie ihm unbemerkt etwas zuflüstern. „Denk vor allem an Ryochi, er hat die Frau, die er liebt, bereits verloren. Er kann keinen Selbstmörder als Freund gebrauchen. Es ist schon schlimm genug gekommen, findest du nicht auch. Er braucht alles andere, als Leute, die ihm einfach so sterben. Fühlst du dich nicht schuldig, wenn du ihm so etwas auch noch antun willst, statt ihm zu helfen?“ Die Worte rüttelten ihn wach, holten ihn zurück in die Wirklichkeit. Er hatte Selbstmörder doch immer als schwach empfunden, war er denn wirklich schon so geschwächt, dass er keinen anderen Ausweg sah? Und dann piepte sein Handy, das er erst angemacht hatte, als er den Krankenwagen hatte rufen müssen. Absichtlich hatte er unerreichbar sein wollen, es war eine SMS, die er von einer Freundin bekam. Die Worte, die sie schrieb, erstaunten ihn nicht nur, sie waren eine Wendung. Kapitel 13: The show must go on ------------------------------- ~Wo steckst du, Sêiichî? Ich habe Neuigkeiten... Der Boss war in einem Meeting und Baileys sollte Shawn zu Cencibel bringen, ich habe ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht und ihn mitgenommen...~ Sie wusste wohl, dass diese Worte reichten, mehr musste sie nicht sagen, ihn nicht mal um etwas bitten. Er fasste es nicht, dass es am Ende so einfach sein sollte. Shawn musste schnell hier weg, das entschied er über Vermouths Kopf hinweg. Er würde sie nicht fragen, ob sie einverstanden war, egal wie sauer oder enttäuscht sie wohl von ihm sein könnte. War es denn nicht auch in ihrem Sinn, wenn es ihrem Sohn gut ging und er nichts mit diesem ganzen Organisationskram zu tun hatte? Wenig später stürmten auch schon Sanitäter auf den Friedhof, sie legten den Verletzten auf eine Trage und trugen ihm zum Krankenwagen, weshalb die drei Personen ihnen folgten. Kir war schneller hinter ihnen her, als man schauen konnte. Sie hielt einen der Sanitäter kurz am Arm fest und sah diesen mit einem erweichenden Blick an. Der andere, der mit der Trage half, meinte gerade den Mund aufzumachen, was den restlichen nicht so sonderlich gefiel. „Wenigstens ist dieser Mörder diesmal verschwunden. Ich dachte schon, mit uns geht es diesmal auch zuende, ich wollte schon streiken.“ „Sei doch ruhig!“ ermahnte man den jüngeren Mann, weshalb er zusammen zuckte. Erst etwas später bemerkte der Älteste, dass ihn jemand am Arm festhielt. „Gehören Sie zu der Person?“ fragte er, was sie mit einem Nicken erwiderte. „Wollen Sie mitfahren?“ „Ja, will ich.“ Sêiichî hatte genau gehört, was der Jüngere gesagt hatte, er wirkte wirklich sehr jung. „Können Sie das bitte mal genauer erläutern? Wieso sollte es mit Ihnen zuende gehen?“ Das hatte ihnen gerade noch gefehlt, jemand, der Fragen stellte, jedoch dachte der Jüngste, dass er zumindest mal antworten konnte. „Neulich hatte die Polizei sehr viel wegen eines Serientäters zu tun, es gab massig Tote und sehr viele Verletzte, die später im Krankenhaus eingeliefert wurden. Der Täter hat keinen verschont, wie es schien. Aber seine letzte Tat war ihm wohl besonders viel wert... Diese Sängerin war darin verwickelt, sie soll heulend angerufen haben, weil der Täter jemanden niedergeschossen hatte. Die Rede war von einem Lungen- und einem Magenschuss. Der Typ hatte zwar ordentlich Blut verloren, doch wäre nicht diese schreckliche Sache passiert, dann hätte er bestimmt überleben können. Dieser Täter hat nämlich verhindert, dass unsere Sanitäter am Tatort Hilfe leisten konnten, der Irre hat alle erschossen... Das war für einige ein Schreck... Als der nächste Einsatzwagen dort eintraf, waren alle tot, und die Sängerin hatte sich selbst erschossen...“ Sêiichî hatte nichts darauf erwidert, er wusste, was gemeint war. Jami hatte also nicht nur Polizisten ermordet, sondern auch Sanitäter und das als Arzt. Er war zwar nur Frauenarzt gewesen, aber das war schon als Vergehen schlimm genug. Dass es ihm so wichtig gewesen war, und er selbst so etwas in Kauf nahm. Es handelte sich immerhin um Leute, die nicht direkt mit der Organisation zu tun gehabt hatten. Er konnte nicht verstehen, wie Jami in dieser Nacht so hatte durchdrehen können, und er selbst war schwer verletzt gewesen, noch immer setzte es ihm sehr zu, dass er nichts hatte ausrichten können. Immer wieder dachte er daran, dass er ihn nur hätte umbringen müssen. Die Chance gehabt, hatte er schließlich. Dass er ihm vertraut hatte, war sein Schwachpunkt gewesen, es wäre für Sêiichî sehr leicht möglich gewesen, Jami zu töten, gerade weil er ihm vertraut hatte, hatte er ihm nicht zugetraut, dass er ihm etwas antun würde – zu Recht. Wäre er voll da gewesen, hätte er Jami wohl aufhalten können? Er hatte immer einen positiven Einfluss auf den Mann gehabt, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, in dem er sich als Verräter entpuppt hatte... „Das... Das tut mir echt Leid um Ihre Leute“, äußerte sich Sêiichî. „Ich möchte nicht mitfahren, ich komme nach, mein Auto ist ganz in der Nähe.“ Er brauchte einen Moment für sich und nahm Ryochi am Arm. „Nehmen Sie ihn an meiner Stelle mit, er ist sein Bruder, er hat mehr das Recht, mitzufahren.“ Das hieß für Ryochi, dass er Sêiichî nicht kontrollieren konnte, der Plan missfiel ihm, also lehnte er mit einem Abwinken ab. „In Krankenwägen wird mir schlecht, ich fahre mit meinem Freund hier. Rena passt mir schon gut auf meinen Bruder auf, nicht wahr?“ Die junge Frau nickte, sie hatte gleich Yuichis Hand in ihre genommen, das schien auch keinen zu stören, sie musste es tun, auch wenn sie anhand der Verletzung wusste, dass er bestimmt nicht auf dem Weg sterben würde. Er hatte sehr viel Glück gehabt, etwas weiter in die Mitte und sie hätte ihn wahrscheinlich schon bei ihrer Ankunft nicht mehr lebend aufgefunden... Sêiichî hatte gewusst, dass ihm etwas verschwiegen worden war. Dass die Sängerin seine Exfreundin war, war mit ein Grund dafür. Sie hatten wohl ganz genau gewusst, dass er sich die Schuld daran geben würde. Wie so oft hatte man ihn bloß geschont, wann wollten sie damit wohl aufhören? Keiner hatte auch nur im Entferntesten mit Details rausgerückt. Als die Türen geschlossen waren und der Krankenwagen losfuhr, stöhnte er genervt auf. „Wie nett, dass ich die Umstände von Fremden erfahren muss.“ „Du kannst gerne noch mehr Details haben!“ meinte Ryochi aufgebracht, da Sêiichî jetzt wohl wie ein Kind schmollen wollte. „Du willst alles wissen, gut! Hiroya Tokorozawa bekam einen Anruf von einem jungen Mann, der ihn auf Jami aufmerksam machte! Dein ach so toller Held hat nicht, weil er gegen Jami ermittelt hat, erfahren, dass er etwas vorhatte, nein, das hat ihm ein anderer sagen müssen, er durfte auch brav den Kopf hinhalten. Statt, dass er sich darum gekümmert hätte, hat er die Polizei losgeschickt. Er hätte vielleicht Hiroyas Schutz gebraucht. Aber der hat schön zugesehen, so ein Feigling... Und als er dann zum Tatort gerufen wurde, war der Kerl tot und seine Schwester ebenfalls... Den hättest du sehen sollen, ich könnte schreien vor Wut. Er hat eiskalt in dem Fall ermittelt und sich so benommen, als wäre sie eine Fremde. Wie er sagte, sie hat es nicht verkraftet, ich hätte ihn schlagen können. Und dann war er wieder so arrogant. Sie hatte irgendwie ein X an die Wand geschmiert, und zwar mit dem Blut, das an ihr klebte. Er war der Meinung, man muss es englisch aussprechen, es würde EX bedeuten. Und der Täter sei ihr Exfreund. Er wusste, dass es sich um Jami handelt, das hat er jedoch nicht gesagt. Er wollte sich bloß aufspielen...“ Wenn er sich selbst um alles gekümmert hätte, dann hätte er die ganzen Toten bestimmt verhindern können... Aber dann hätte er sich ja mit Jami anlegen müssen, richtig? Mit der Verletzung, die er zu der Zeit gehabt hatte, hätte er dabei sicher sein Leben verloren. „Du denkst, er hat nichts dafür getan, um sie zu retten? Was, wenn er es gar nicht wusste? Ich mag es nicht, wie du über ihn redest.“ „Und du willst immer alles schön reden, da ist aber nichts Schönes dran.“ Ryochi hatte schlichtweg etwas dagegen, seine Geschwister im Stich zu lassen, nur weil sie etwas getan hatten, das einem missfallen hatte, das war, als wenn er Yuichi dafür verurteilen würde, dass er ein Mörder war. „Ich will nicht alles schön reden, ich gebe den Leuten immer eine Chance. Und ich muss zugeben, ich mag ihn auf irgendeine groteske Art und Weise, weil er uns versucht zu stoppen. Ich will es so, ich will gestoppt werden, verstehst du das denn nicht? Ich kann ihm nicht böse sein, dass er mich hart anpackt. Chris war immer sehr viel mehr aufgebracht, wenn er das getan hat, ich war nie böse auf ihn. Wir haben es verdient, dass man uns so behandelt, ich ganz besonders, nachdem ich mehrere Polizisten eiskalt erschossen habe.“ Er seufzte. „Hiroya erschießt keine Menschen, er schießt sie an, da ist er mir ziemlich voraus. Bei mir hat es selten gereicht, jemanden anzuschießen.“ „Er gehört ja auch nicht zu euch... Ihr müsst es tun. Wenn ihr auffliegt, habt ihr ziemliche Probleme, das ist ein völlig anderes Paar Schuhe. Und, ob du es glaubst oder nicht, ist mir egal, aber meiner Meinung nach hat er getötet... Er hat vielleicht nicht seine Waffe auf diejenigen gerichtet, aber in dem Moment, als er die Polizisten schutz- und ahnungslos gegen Jami losgeschickt hat, hat er die alle in den Tod getrieben. Ich finde das viel schlimmer. Er hat seine Kollegen sterben lassen, geht das in deinen Kopf denn nicht rein? Würdest du so etwas denn jemals tun? Würdest du wissentlich deine Polizeikollegen in den Tod schicken, statt selbst zu gehen? Ach komm, Sêiichî, das glaube ich nicht, auch wenn du welche ermordet hast, das waren Aufträge, um dich zu piesacken, natürlich lässt du dich schön darauf ein. Du lässt dich vom Boss verletzen. Hör endlich auf damit. Mach dich nicht fertig, nur weil er die Zügel in der Hand hat.“ Unterdessen hatte sich Wataru keine freie Minute gegönnt und unentwegt an einem Fall gesessen, der ihm alles abverlangte. Es kostete ihn schon den Schlaf, zu wissen, dass ein mutmaßlicher Killer in dieser Stadt sein Unwesen trieb. Er hätte nie damit gerechnet, dass er wieder zurückkehren würde. Damit hatte er jedoch weit gefehlt und musste sich eingestehen, dass er sich zu früh gefreut hatte. Man durfte sich nie sicher fühlen, dann wurde man leichtsinnig. So wie seine Schwester, die seit Tagen verschwunden war und ihm nicht einmal eine Nachricht hinterlassen hatte, was er einfach nur frech und dreist fand. Er war doch ihr großer Bruder, der stets ein Auge auf sie haben musste. Sie hatte keinen Mann und manchmal glaubte er sogar, dass sie Männer im Grunde sogar hasste. Er war sehr blauäugig in diesen Dingen und behandelte sie auch wie ein kleines Mädchen, was bei einer 23-jährigen aber nicht sehr passend war. Draußen brachten Laternen ein wenig Licht ins Dunkel, obwohl man die zwei Personen kaum sehen konnte, es waren eindeutig ein Mann und eine Frau. Die Dame zerrte den ausgelieferten Mann gnadenlos hinter sich her. „Jetzt komm endlich! Er wird dich schon nicht fressen! Wenn doch bin ja ich noch da…“ Sie sagte es in einem amüsierten Ton, denn er wusste ganz genau, was sie hier plante. Zum Leidwesen von seiner Wenigkeit ihren Bruder ärgern wollen und schockieren mit Dingen, die noch kaum ein anderer wusste. Sie hatte ihm lange in den Ohren gelegen, doch mit ihr zu kommen, wenn sie schon ihrem Bruder sagte, sie sei wieder da… Dann wollte sie ihn auch gleich mit anschleppen und ihrem armen älteren Bruder die Socken ausziehen mit ihren Berichten aus dem fernen Land, das sie vor kurzem übereilt besucht hatte, ohne ihm auch nur bescheid zu sagen. Sie wusste, dass das sehr gemein gewesen war und würde sich auch entschuldigen, aber wenn sie nicht zu derartig Drastischem greifen würde, dann hörte Wataru nie auf, sie wie ein kleines Kind zu behandeln. Sie hatten den Wohnblock erreicht, wo helles Licht brannte. „Ich stelle mich nicht an, aber man soll schlafende Hunde nicht wecken. Dein Bruder hat gerade genug zu tun, da sollte er nicht auch noch von seiner kleinen Schwester geärgert werden.“ „Du willst nur nicht zugeben, dass dir Täter weit weniger ausmachen als ein harmloser Bruder. Er ist nicht gemeingefährlich, also muss man auch keine Angst vor ihm haben. Er wird höchstens maulen, mehr nicht.“ Sie verspürte diebische Freude, ihrem Bruder diese Neuigkeiten zu übermitteln. Sie hatte das strahlendste Lächeln aller Zeiten in ihrem Gesicht, als sie so voller Wonne die Klingel betätigte. Es blieb einen Moment still, erst nach einem Moment ertönte eine Stimme aus dem Inneren der Wohnung. „Einen Moment! Ich komme! Ich flitze!“ Es war keine Männerstimme, wie Riina sofort erkannte und deswegen Tatsuji reichlich verwirrt ansah, dessen Arm sie ergriffen hatte, damit Wataru auch ja sehen kannte, dass sie an ihm hing… Die Tür ging schwungvoll auf und in ihr stand eine kurzhaarige Frau, die eine Schürze trug und wohl gerade kochte, jedenfalls trat Essensgeruch in die beiden Nasen, woraufhin sie die Kommissarin fast nicht erkannt hätten. Keiner von beiden hatte sie je mit einer Schürze gesehen, aber sie war wohl zu Besuch bei Wataru und Tatsuji konnte sich ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen, weil Riina so unbezahlbar verdattert dreinsah, wie es sonst nur Wataru konnte. Man merkte ganz eindeutig, zu welcher Familie sie gehörte. „Was wird hier denn gespielt?“ Mit den Worten war Riina einen Schritt in die Wohnung gegangen und sah Miwako an, als sei sie ein Dieb. Wohl war sie nur wenig anders als ihr Bruder, der bestimmt ähnlich reagieren würde bei dem, was seine Schwester ihm heute zu sagen haben würde. „Ich koche, das wird gespielt!“ Miwako hatte eine Seelenruhe und sie strahlte die Rothaarige mit einem glücklichen Lächeln an, weil es ihr die größte Freude bereitete, Wataru zu bemuttern, wogegen er auch heute nichts einzuwenden hatte. Er saß am Computer und zermaderte sich seit Stunden das Gehirn, obwohl sie lange Dienstschluss hatten. Sie wollte nett sein und hoffte ihn mit dem Duft des Essens dann doch von der Elektronik weglocken zu können. „Und wieso? Es ist ein Restaurant um die Ecke!“ konterte Riina und meinte eher, dass des späten Abends eine Frau in der Wohnung ihres Bruders war, was sie jetzt auch schockierte. Anscheinend war sie nicht die einzige Person mit Geheimnissen. „Aber Riina, sei doch nicht so! Offensichtlich ist sie Watarus Freundin! Du kannst sie doch nicht so anfauchen“, flüsterte Tatsuji Riina zu und lächelte dann in Richtung Miwako. „Hallo, Miwako, schön dich zu sehen. Das ist ja sehr lieb von dir, dass du für Wataru kochst!“ Er war wesentlich netter als Riina, die ihn jetzt auch böse anschaute. „Mach es ihr doch nicht so einfach! Kennst du die Person etwa genauer?“ „Natürlich, sie ist eine Kollegin von deinem Bruder. Ich hatte schon des Öfteren das Vergnügen.“ „Anscheinend weißt du mehr als ich, mhm? Mhm?“ Er fühlte sich ertappt, lächelte dann aber besänftigend. „Dafür kann ich nichts. Bestimmt wird Wataru sie dir auch gleich vorstellen. Und jetzt sei lieb.“ Leicht schmollend war sie schon, aber aufgrund seiner Worte beruhigte sie sich recht schnell wieder und sie traten in die Wohnung. Miwako schien weniger garstig zu sein, obwohl man sie ziemlich angefaucht hatte. „Tatsuji, ist das etwa Watarus Schwester?“ Sie lächelte, weil er ihr bisher nur von der Kleinen erzählt hatte. ‚Ganz schön kratzbürstig…’ „Ja, das ist sie. Wie sie leibt und lebt.“ Es war ihm ein freches Grinsen gegeben und Riinas Gesicht zierte das schönste Schmollgesicht, was er sich vorstellen konnte. „Er arbeitet noch immer… Ich denke, ich werde ihn dann wohl von der Kiste wegzerren müssen, jetzt wo ihr hier seid. Das Essen ist auch bald fertig. Ihr bleibt doch und esst mit oder? Ich würde mich freuen und Wataru sicherlich auch.“ „Das werden wir noch sehen, inwiefern mein Bruder sich freut, wo er sich offensichtlich eine Dame eingeladen hat. Bestimmt wollte er die traute Zweisamkeit mit ihr genießen.“ „Also, Riina, wirklich“, sagte Tatsuji tadelnd, weil sie noch immer ein bisschen biestig war, er das aber schon kannte, obwohl er ihr natürlich nie wirklich böse sein konnte, immerhin war sie zu ihm meistens lieb. „Wataruuuu?“ Wie sie seinen Namen betonte, es klang einfach süß und lieblich, aber Riina schien eher schockiert davon zu sein, wie sie seinen Namen doch in einem niedlichen Klang rief. Es war ihr suspekt, aber auch wenn sie ein Biest sein konnte, wenn sie seinen Bruder glücklich machte, würde sie sich am ende doch für ihn freuen. Es kam nur sehr überraschend. Ihr Bruder war alles, nur kein Frauenheld. Man musste sich also wirklich wundern, wie das hier zustande gekommen war. Miwako riss die Schiebetür auf und platzte hinein. „Tatsuji ist da und er hat noch jemanden mitgebracht. Das Essen ist auch gleich fertig. Ich habe beide natürlich zum Bleiben eingeladen.“ Wataru drehte den Kopf zu seiner Freundin und wirkte verwirrt. „Tatsuji? Aber er kommt doch nie einfach so zu mir.“ Das ließ ihn alles stehen und liegen lassen. Er stand auf und sprintete zur Tür, als ginge es um Leben oder Tod. Sofort wollte der junge Mann von diesem Agenten wissen, ob er eine neue Spur hatte, bezüglich seinen Vater und deswegen hier aufschlug, doch dazu kam es nicht, weil er in der Tür stehen blieb, als er die rothaarige Dame erblickte, die an Tatsujis Arm hing, dabei lächelte sie ihn mit einem leicht raffinierten Lächeln an. „Um Gottes Willen Riina!“ Er seufzte einmal erleichtert, er war mehr als nur froh, dass Tatsuji sie zu ihm brachte. „Wo hast du sie aufgelesen? Ich hatte mir tierische Sorgen über ihren Verbleib gemacht, nachdem sie einfach so verschwunden war.“ Keine einfache Frage für den braunhaarigen Älteren, der eigentlich den Auftrag hatte, Riina das Reden zu überlassen. Aber er wollte Wataru auch nicht vor Sorge Tode sterben lassen, indem er nun schwieg. „Ich habe sie nirgendwo aufgelesen. Es ist überhaupt nichts schlimmes mit ihr passiert, außer dass der Sturkopf sich in einen Flieger gesetzt hat, um mich überraschend in Amerika zu besuchen. Sie dachte in ihrer Freizeit eine kleine Reise zu machen und hat leider versäumt, dir das zu sagen.“ „Ich fasse es nicht… Und was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, Imōtochan? Wie kannst du deinem älteren Bruder nur solche Sorgen bereiten? Du kannst doch nicht einfach so davon laufen. Vor allem gerade jetzt nichts.“ Ihr besorgter Bruder seufzte leicht, denn er wollte nicht, dass sie ihrem gemeinsamen Vater in die Arme lief, nur wegen so einer Leichtfertigkeit. „Es kann doch alles Mögliche passieren.“ „Nun übertreib doch nicht so. Das kann es in Japan auch und ich kann ja schließlich nicht in meiner Wohnung versauern, nur weil das Leben eben Gefahren mit sich bringt. Außerdem war ich kaum 3 Tage weg, aber es waren 3 sehr turbulente Tage, die ich sehr genossen habe. Vielleicht solltest du dich darüber freuen, wenn ich meine Ferien genieße. Ich habe den Flug lastminute gebucht und hätte den Flieger beinahe verpasst, da blieb kaum Zeit, denn ich wollte Tatsuji so gern sehen. Ich hatte ja nicht einmal Zeit, ihm den Besuch anzukündigen.“ „Da macht man sich Sorgen und wird gleich mit solchen fadenscheinigen Entschuldigungen abgespeist. Wenigstens DU hättest dich melden können, dass Riina bei dir ist! Dann wäre ich vor Angst nicht fast gestorben.“ Nichtsdestotrotz war Wataru sehr erleichtert, dass sie zu Tatsuji gegangen war, der hatte wenigstens die nötigen Mittel, um seine Schwester vor Unheil zu bewahren. Sie hätte auch sonst wo in der Weltgeschichte herumreisen können, wo keiner auf sie aufpasste. „Aber so etwas machst du mir nie wieder, verstanden?“ Riinas heiterer Gesichtsausdruck erstarb bei dieser Ansage. „Jetzt schalte mal einen Gang runter, Wataru. Du bist doch nicht mein Vormund. Ich bin erwachsen genug für eine Reise, findest du nicht? Genauso wie ich erwachsen genug bin, um jemanden, den ich so sehr vermisst habe, wie sonst nichts in der Welt, einfach so überfallen, indem ich vor seiner Tür stehe. Schimpfe doch nicht so mit ihm. Er ist davon ausgegangen, dass du es wusstest, deswegen hat er nichts gesagt. Er hätte dich sofort informiert, wenn ich ihm gesagt hätte, dass du nichts weißt.“ Sie lächelte entschuldigend und wollte ihren Freund in Schutz nehmen. „Sie wird immer frecher. Aber ich hoffe doch ganz stark, dass meine Schwester nicht mit dir im gleichen Bett geschlafen hat, oder?“ Damit brachte er Tatsuji ziemlich in die Bredouille, aber er war schon mit schlimmeren Kalibern klargekommen, als dass er vor Wataru jetzt kuschen wollte. „Ich muss dich leider enttäuschen, genau das ist passiert.“ Er stand dazu, dass er zu dieser Sache dann auch noch Ja gesagt hatte. Sie wusste allerdings, worauf sie sich einließ. Eine gewisse Art Raffinesse musste man der rothaarigen Frau zugestehen. Sie machte keine halben Sachen, wenn sie ihn schon so aus heiterem Himmel besuchte, musste sie ihm auch gleich in der Tür in die Arme zu springen. Der Rotschopf lächelte unschuldig, obwohl das nicht so ganz passen wollte. „Bestimmt bist du nun erschüttert, was deine kleine Schwester nicht alles fertigbringt, wenn sie jemanden vermisst. Es kommt auch noch dicker. Du darfst mir nicht böse sein. Wenn Menschen unsterblich verliebt in jemanden sind, richtet sich alles nach Gefühlen und nicht nach Verstand. Ich wollte keine Zeit vergeuden und habe den erstbesten Flug genommen, was ich finden konnte. Um gnadenlos in seine Arme zu segeln, nachdem wir uns fast einen Monat nicht mehr gesehen haben. Du hättest sein schockiertes Gesicht sehen sollen, als ich vor seiner Tür stand… Er hat bestimmt genauso dämlich aus der Wäsche geschaut, wie du gerade. Mit meinem Besuch hat er nicht gerechnet, aber nachdem er den Schock überwunden hatte, freute er sich. Vielleicht solltest du dich auch freuen… Deine Schwester hat ihm nach ihrer Ankunft nämlich dann auch noch ihre Liebe gestanden und ihre tiefsten Sehnsüchte mit ihm geteilt.“ Tatsuji hustete, weil er schon fand, dass sie dick auftrug und er es am Ende doch wieder ausbaden musste, weil er der Mann war, der in Watarus Augen seine Schwester abzuweisen hatte, weil sie ja so klein war… „Also naja, viel entgegen setzen konnte ich da wirklich nicht. Sie arbeitete mit schlagenden Argumenten.“ Es war ein kleines Grinsen in seinem Gesicht, denn genauer verdeutlichen wollte er es wirklich nicht, was sie mit ihm angestellt hatte. Es gab Dinge, die Wataru gar nicht so genau wissen musste, denn dann war er wirklich schockiert. „Wie bitte? Du kannst meine Schwester doch nicht so ausnutzen, nur weil sie gerade eine ihrer Launen hat!“ feuerte Wataru dem jungen Mann entgegen, als die neugierige Miwako aus der Ecke dann doch ihren Senf dazu geben musste. „Oh, sei nicht so ein Grieskram. Freu dich doch für deine kleine Schwester, dass sie keinen Korb bekommen hat. An ihrer Stelle würde ich es genauso machen. Du hast gesagt, sie wird 23, da kannst du sie doch nicht so bemuttern. Außerdem ist Tatsuji der vertrauenswürdigste Mann, den ich kenne. Das hat Shina auch immer gesagt.“ Wataru wusste das im Grunde selbst, aber bei ihrer Vergangenheit musste er doch auf seine kleine Schwester aufpassen. Dabei musste er froh sein, dass Tatsuji niemand war, den ihr Vater einfach so umbringen könnte. „Mich mit so etwas so zu überfallen… Ich bin echt maßlos enttäuscht. Ich wusste bis heute nicht einmal, dass du einen Mann ernsthaft lieben könntest.“ Tatsuji war ein gestandener Mann und so viele Jahre älter als sie, dass Wataru schon etwas entsetzt war. „Ich dachte, du hättest Angst vor denen.“ „Ach weißt du, Wataru. Ich wüsste nicht, weshalb ich Angst vor ihm haben sollte. Wir kennen uns fast ein ganzes Leben.“ In ihrem Gesicht kam jetzt eine schüchterne Röte auf und sie stammelte den Rest ein bisschen. „Ich wollte… ich hatte vor… Also ehrlich gesagt, habe ich ihm kaum eine Wahl gelassen. Ich bin ihm um den Hals gefallen, habe mich von ihm in der Tür in den starken Armen halten lassen und hätte ein Nein sowieso nicht akzeptiert. Verteufle ihn nicht, nur weil er auf so eine Attacke nicht gefasst war und es ihm am Ende auch noch gefallen hat.“ Sie war tierisch rot nun geworden und tippte mit den Fingerkuppen aneinander. „Außerdem, wie könnte ich denn der Versuchung eines Mannes widerstehen, dem ich meine Gefühle gestand, der mich so herzerwärmend anlächelte, weil er wohl all die Jahre gehofft hat, dass ich jene Worte zu ihm sage. Nicht?“ Sie hatte den Kopf zu Tatsuji gedreht und wollte ihn wohl endgültig verlegen machen. Aber er lächelte, obwohl sie etwas weit ausholte und sie es durchaus bei einem wir sind zusammen belassen könnte. „Wataru, ich kann dir versichern, dass ich deine Schwester zu rein gar nichts gedrängt habe. Die Initiative hat sie ergriffen und ich habe im Grunde nur darauf reagiert. Ich weiß, dass man liebevoll mit deiner Schwester umgehen muss und ich kann wagen zu behaupten, dass ich sie gut genug kenne, um dir auch zu versichern, dass sie glücklich ist.“ Seine Hand legte sich auf Riinas Schulter, die gerade nur verteufelt ehrlich zu ihrem Bruder war, so wenig diesem das gefiel, er würde wohl damit leben müssen, weil eins der Dinge, die sie beide mehr als gut wussten, war, dass Riina ihren Sturkopf gegenüber jedem gnadenlos durchsetzen konnte. Dabei bekam man entweder blaue Flecken, oder man nahm es einfach hin und blieb unversehrt. Jedenfalls wenn man es symbolisch sah. Seine Worte klangen so schön und entsprachen der Wahrheit, da konnte sie nicht mehr anders, als den Kopf seitlich an seine Schulter zu drücken und weil er den Arm dann wegnahm, um diesen um sie zu legen, presste sich ihr Kopf schon ein bisschen an seine Brust. Ihre Arme schlangen sich um seine Brust und hielten sich an ihm fest. Bei ihm fühlte sie sich wohl behütet und geborgen, wie bei sonst keinem. „Man könnte es kaum treffender formulieren. Er hat nichts falsch gemacht. Wenn wir nicht den Anruf vom Präsidium bekommen hätten, wären wir immer noch in Armerika und würden die traute Zweisamkeit genießen.“ Sie hatte sich angeschmiegt und sah zu ihm hinauf. Obwohl sie so viel kleiner war, schaffte sie es, sich auf die Zehenspitzen zu stellen und ihm im Beisein aller einen Kuss auf die Lippen zu drücken, was Wataru einfach endgültig umhauen musste, weil er seine Schwester noch nie so gesehen hatte. Wie sie einen Mann küsste. Es machte Wataru sogar verlegener als den besagten Mann selbst. Dieser verzog keine Miene, aber genoss den kurzen Kuss wohl solange er andauerte in vollen Zügen. Miwako lächelte Wataru zu und wollte ihn mit ebendiesen Lächeln noch etwas mehr erweichen, obwohl diesem bei der Show die Argumente ausgingen und er dann doch lammfromm lächelte. „Was wäre ich für ein Bruder, wenn ich das nicht akzeptieren könnte? Ich sehe es jetzt auch, dass sie glücklich ist. Es freut mich für euch beide sehr. Dass sie bei dir in guten Händen ist, glaube ich. Trotzdem habt ihr mich ganz schön überfallen.“ „Ach, und jetzt, wo wir das Kreuzverhör hinter uns haben“, meinte Riina und lächelte ein bisschen fies, „erkläre mir doch einmal, wie die Beziehung zwischen dir und Miwako so ausschaut. Immerhin haben wir dir Rede und Antwort gestanden, jetzt bist du dran! Übernachtet sie hier, oder lässt du dich nur bekochen?“ Es war eine sehr freche Frage, das wusste sie. Wataru lief tiefrot an, weil seine Schwester so frech nachfragte. „Sie übernachtet hier seit knapp einer Woche“, gab er zu und wollte die Sache aber nicht weiter vertiefen, weil es nicht nur ihn in Verlegenheit brachte, sondern auch Miwako. Riina Takagi ließ sich nicht von roten Gesichtern beeindrucken und schritt auf Miwako zu, ehe sie sich an sie wendete. „Wataru ist mir lieb und teuer. Er ist mein allerliebster Bruder. Wenn du ihm das Herz brichst, nimm dich vor mir in Acht.“ Man konnte es als ernst gemeinte Drohung verstehen, denn es wäre nun nicht die erste Frau, die Wataru unglücklich machte. „Ich glaube, dass ich deine Schwester sehr mag“, verriet Miwako mit einem Seitenblick an Wataru, den sie glücklich anlächelte, dann sich aber wieder dessen Schwester zuwendete. „Keine Sorge. Es hat zu lange gedauert, deinen Hasenfuß von Bruder zu erobern, als dass ich riskieren würde, ihn wieder zu verlieren. Sei ganz beruhigt. Wir beide hatten einen langen und beschwerlichen Weg. Auch wenn man ihn manchmal ein bisschen zu seinem Glück zwingen muss…“ Sēiichī und Ryochi saßen nach dem Desaster noch kurz schweigend zusammen im Auto. Es brachte nichts, einen aufgewühlten, zerrütteten Freund weiterhin mit Worten zu bombardieren. Der Detektiv konnte sich denken, dass sein bester Freund gerade Heidenangst durchstand, das gestand er ihm auch zweifelsohne zu. Er war in einer sehr prekären Situation. Sie alle durften von Glück reden, wenn nicht doch noch einer zu Tode kam. Zum Glück waren Yuichis Verletzungen nur milde, aber der junge Mann dachte darüber nach, was noch geschehen könnte und vielleicht sogar würde. Was passieren würde, wenn er die Augen vor allem nicht lernte zu verschließen. Natürlich wäre, seinen Bruder nicht aus den Augen zu lassen, ihn mit nach Hause zu nehmen, wo er hingehörte. Ihn nicht der Organisation zurückzugeben, wie diese es sicherlich versuchen würde. Er wusste, dass er ihn gehen lassen musste und nicht festhalten konnte. Die Zeit, in der er davon erfahren hatte, was aus seinem großen Bruder geworden war, war eine harte Zeit. Einer der Ranghöchsten einer Organisation. Ein Killer. Es gab nur eine einzige gute Sache an der Geschichte. Man musste sich nicht allzu sehr um das Wohlbefinden desjenigen sorgen, so hatte ihm sein Bruder jedenfalls versichert. Denn er hatte sich in der Organisation wohl einen Namen gemacht, so dass es ihm möglich war, weit auszulegen, was er sich erlauben konnte und was nicht. Auf jeden Fall wesentlich mehr als so mancher dort. Es gab immer mehrere Seiten und viele würden Ryochi wohl auch nicht verstehen, wenn sie wüssten, wie viel er einfach unter den Tisch fallen ließ. Genauso wie Sēiichī, der zwar mit tödlicher Sicherheit die Organisation verriet, wie es kaum einer wagte, aber dennoch die Verschwiegenheit in Person war. Auch jetzt redete er nicht mit ihm, aber das war gut so. Ryochi wusste selbst viel zu viel über diese Organisation, dazu musste sein Freund nicht erst den Mund aufmachen. Das erwartete er auch nicht von ihm. Einzig und allein, dass er überlebte, das erwartete Ryochi von ihm. Er wollte nicht seinen Freund verlieren, nur weil er ihn dazu zwang, auszupacken. Es gab wahrscheinlich unheimlich viel, was der junge Kriminalist auf dem Kerbholz hatte, genauso wie sein Bruder Yuichi. Man stieg nicht im Rang, wenn man harmlos war, so viel war sicher… Trotzdem war ihm der eigene Bruder gerade ausgeliefert. Ihn erinnerte das an eine Geschichte, die das FBI vor knapp einem Jahr ebenfalls durchlebt hatte. Er hatte diese Sache beobachten lassen. Nicht so wie diese aalglatten Hunde damals Rena Mizunashi versucht hatten für ihre Zwecke zu benutzen, würde er seinen Bruder in Ruhe lassen. Ihn mit aller Gewalt festzuhalten, würde nur bedeuten, dass die Organisation am Ende der Meinung war, er habe versagt. Ryochi wusste, wie mit solchen Leuten verfahren wurde, da war egal wie hoch sie standen, oder? Ein Blick zu Sēiichī verriet ihm, dass dieser sich sehr viele Gedanken machte, über was genau konnte man nur mutmaßen. Die Tatsache, dass man versucht hatte ihn umzubringen, war schlimm genug, aber der 23-jährige fürchtete sich schon lang nicht mehr vor dem Tod, obwohl er das besser sollte, immerhin war Shina nicht die einzige Person in seinem Leben, die ihn brauchte. Sie war tot, das konnte keiner ändern, aber er hatte sich geschworen, den Schuldigen zu fassen und ihn dann für immer einzusperren. Seine Mutter würde ihm als Staatsanwältin sicher liebend gerne unter die Arme greifen, wenn er den Kerl endlich hatte. Dieser Mann würde nie mehr das Licht der Sonne erblicken, dafür würde er schon sorgen. „Mir ist zugetragen worden, dass du Vater geworden bist, Sēiichī. Dich zu beglückwünschen wäre wohl nicht angebracht, oder? Genauso wenig, wie ich fragen muss, wer die Mutter ist. Noch weniger möchte ich dich verurteilen oder dafür rügen, weil du so blöd bist, so einen Mist zu verzapfen. Ich hoffe nur, dass sich alles zum Guten für dich wenden wird. Dass du nicht als alleinerziehender Vater endest, oder sie als alleinerziehende Mutter. Beide Fälle sind nicht zweifelsfrei auszuschließen. Du darfst als Vater keine allzu großen Risiken mehr eingehen. Das wäre ungerecht gegenüber diesem Kind, was jetzt noch keine Ahnung hat, was es erwartet. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Kind in die Organisation hineingeboren wird. Das ist ein hartes Los für alle. Trotzdem möchte ich dich bitten, mich an deinem Leben ein wenig mehr teilhaben zu lassen, sofern das möglich ist.“ Ryochi wusste um das Ausmaß dieser Bitte. Diese Frage kam überraschend. Lustigerweise war der Einzige, der dieses Thema tatsächlich angeschnitten hatte, der Boss gewesen. Um seine Spielchen mit ihnen allen zu treiben und Sēiichī hatte so getan, als wüsste er von nichts. Das war sogar die halbe Wahrheit, in dem Moment wusste er wirklich noch nicht, dass es sein Sohn war. Ihm genügte jedoch ein Blick in das Gesicht des Kindes, um etwas zu ahnen. Innerlich war er sehr aufgewühlt gewesen und man hatte bestimmt die ein oder andere Sache in seinem Gesicht ablesen können – dummerweise. Gerade, weil er nichts gewusst hatte, war er unvorbereitet gewesen. Ihm war schlecht bei dem Gedanken, obwohl Sēiichī sich viel lieber freuen wollte. Kinder waren ja ein Geschenk Gottes, aber so weit konnte er noch nicht gehen. Es war gerade eher wie eine Strafe – wofür genau es eine war, war sich Sēiichī noch nicht bewusst. Ob Strafe an ihn, an sie oder an sie alle. „Ich habe es vom Boss erfahren… Jedenfalls indirekt“, verriet er in einem leicht bekümmerten Ton, denn seine mangelnde Freude konnte er nicht verbergen. „Fühlt sich ganz berauschend an, wenn man nicht mit einem Wort gesagt bekommt, dass man überhaupt Vater wird. Manchmal hasse ich es, wenn sie das macht, aber in dem Fall, wollte sie wohl nicht nur vor dem Boss alles verheimlichen, sondern auch vor mir. Sie wusste mit Sicherheit, dass das kein gutes Ende nimmt… das Resultat kennen wir ja nun.“ Nun musste er mit der Schuld leben, was ihm schon damals nicht leicht gefallen war. „Früher hätte ich gesagt, dass ich all das eben in Kauf nehmen kann und ich das aushalte, jetzt wäre ich vorsichtiger damit. Es wäre auch um einiges besser, wenn du einfach vergessen würdest, dass wir mal Freunde waren, denn ich weiß nicht, inwiefern ich aus dieser Schlinge wieder herauskomme. Aber ich kann dir sagen, dass es meinem Sohn gut gehen wird. Gerade vorhin habe ich eine Nachricht erhalten, dass er in Sicherheit ist. Dabei ist mir im Moment sogar egal, dass man uns das Kind weggenommen hat, weil es besser so ist.“ Sēiichī lehnte sich zurück, wirklich glücklich war er nicht, aber auch nicht sonderlich traurig. Ein Leben in der Organisation sollte man keinem Kind wünschen. Egal, wohin man Shawn brachte, dort würde es ihm gewiss besser gehen als an der Seite von zwei Menschen, die in einem Pulverfass saßen. Voll von Intrigen, Machtspielen und Grausamkeit. Das war keine Welt für ein Kind, zumindest keine, die man einem Unschuldigen wünschen sollte. Es war besser so. „Ich darf dem lieben Herrgott danken, dass wir all die Jahre noch damit durchgekommen sind, was wir so trieben. Dafür haben wir jede Schandtat begangen… Sie würde mich wieder auslachen, weil ich so einen Unsinn rede. Bestimmt käme so etwas wie, danke nicht dem Herrgott, sondern den Menschen, die dir geholfen haben. Damit würde sie wohl in erster Linie sich selbst meinen.“ Sēiichī lachte, obwohl es überhaupt nicht lustig war. Dennoch musste er dieser Frau zugestehen, dass sie zuweilen tapferer war als so mancher Mann. Auch er hatte jede Menge schwacher Momente, solche Fehler passierten einer professionellen Verbrecherin natürlich weniger. Aber auch sie hatte ihre schwachen Momente gehabt, das konnte sie nicht leugnen. Trotzdem würde Vermouth es nie zugeben. In den rechten Momenten konnte sie ihre Fassade aufrecht erhalten, aber ihm machte sie nichts vor. Sie hatte dieses Leben so satt und er wusste einfach, dass sie sich nach einem anderen Leben sehnte. Das musste sie ihm nicht direkt sagen. Sie hatte viele Seiten an ihm schweigend hingenommen. Nicht, weil es ihr egal war, sondern weil ihre beidseitige Situation danach verlangt hatte, nicht allzu hohe Ansprüche zu stellen. Er wusste mittlerweile selbst, dass einige seiner Handlungsweisen alles andere als ehrenhaft gewesen waren, aber es passte doch zu einem Killer. Was war er schließlich sonst? Er hätte sie auch nie direkt als seine Geliebte bezeichnet, viel mehr als seine Freundin, obwohl sich Cognac natürlich gerne mit seinen Eroberungen brüstete. Da war es doch amüsant, dass er mit seiner Beziehung zu ihr etwas geheimnisvoller umgegangen war. So ein Großkotz wie er musste doch eigentlich mit seinen Frauengeschichten angeben. Viele Jahre hatte er nicht gewusst, weshalb sie überhaupt mit ihm ins Bett ging. Er hatte vieles auf sein gutes Aussehen geschoben. Nach Calvados’ Tod musste er sich aber eingestehen, dass mehr dahinter stecken musste. Sie hatte diesem Typen keine Träne nachgeweint. Ihn hingegen hatte sie so oft gewarnt, dass er sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen sollte. Das war wahres Wohlwollen und aufrichtige Sorge. Sie wollte nicht auf ihn als Gefährten verzichten. Wie oft hatte er sich selbst gegenüber beschwichtigt, dass es nichts mit Liebe zu tun hatte. Sēiichī wusste heute gar nicht mehr, wann er wirklich angefangen hatte, sie wirklich zu lieben. Er könnte eine solche Frage nicht einmal beantworten. Das könnten wohl andere Leute besser für ihn tun… Vermouth wäre auch gar nicht so geheimnisvoll, wenn sie ihm alles immer sofort gesagt hätte. Es musste sich ja erst die Schlinge so richtig um seinen Hals legen, damit es überhaupt einmal ausgesprochen wurde. Mittlerweile fand er auch, dass es genügend Anzeichen gegeben hatte, dass sie ein Kind von ihm erwartete, so war ihr Verhalten ihm gegenüber sehr verdächtig gewesen. Ein bisschen zu nett, um genau zu sein. Er war ganz andere Dinge von ihr gewöhnt als liebevolle Momente oder dass sie sich irgendeiner Art von Romantik hingab, so wie an dem Tag, als er ihr gestanden hatte, aufgeflogen zu sein. Aber auch ihm sah nicht ähnlich, Liebesschwüre zu verkünden. Sie hatten sich alle verändert. Ob nun zum Positiven, oder Negativen, darüber konnte man sich nun wahrlich streiten. „Wir sind nun fast ein ganzes Leben befreundet, Sēiichī und ich weiß Dinge über dich, die könnten dich teuer zu stehen kommen. Ich könnte dich und auch Yuichi ins Gefängnis bringen, was wohl eher euren sicheren Tod bedeuten würde. Ich werde dich nicht fragen, obwohl ich mir sicher bin, dass sowohl du, als auch Yuichi ganz genau wissen, wer dieser Boss ist. Es gibt sehr viele Menschen, die alles dafür täten, um seine Identität herauszubekommen, nur damit all das endlich ein Ende hat.“ Ryochi kannte Sēiichī und wusste vieles über ihn. Egal wie wild er immer war. Oder wie machohaft er sich an Frauen herangemacht hatte. Sein Freund hatte das Herz am rechten Fleck. Es ginge mit dem Teufel zu, wenn er nicht versuchen würde, den Boss zu stürzen. Alleine dafür, um ihnen beiden ein neues Leben zu ermöglichen. Ryochi wusste, auch wenn sein Freund es verheimlichte, dass er sich doch nach einer Familie sehnte. Nach einer eigenen. Seine Gefühle für diese Frau hatten alles überstanden. Er wollte gar nicht zählen müssen, wie oft man versucht hatte Sēiichī die Sache auszureden, aber er war unbelehrbar und beharrte darauf. Er hoffte, dass Chris das auch wirklich zu schätzen wusste, wie ironisch er ihr doch irgendwie treu geblieben war. Für keine andere Frau hätte er je so viel riskiert. Vielleicht war es auch das, was sie seine Fremdgeherei so lange Zeit billigen ließ, obwohl er natürlich glaubte, dass Sēiichī mittlerweile doch ein bisschen ruhiger geworden war. Er wollte aber nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass er nicht immer noch Liebschaften hatte. Sēiichī schwieg, was die Boss-Sache anging. Er war unsicher, ob aus Unwissenheit oder weil er nicht reden wollte. „Viele stellen sich das sehr einfach vor. Den Obermacker eines riesigen Verbrecherclans zu fassen, ist kein Leichtes. Ich glaube noch nicht einmal daran, dass das ausreicht, um die Organisation für immer zu zerstören. Er hat mit Sicherheit vorgesorgt, für den Fall der Fälle.“ Ryochi war sich vollkommen im Klaren, dass wenn es wirklich so einfach wäre, nicht nur Sēiichī, auch so manch andere Person es probiert hätte. Alle, die es versucht hatten – denn die gab es mit Sicherheit – waren wohl eher nicht mehr unter ihnen. Zwar hatte er dieses Gespräch angefangen, aber wirkliche Antworten erwartete er eigentlich nicht. Obwohl man meinen könnte, es sei eine versteckte Frage. „Oh, dann unterschätzt man ihn gewaltig“, sagte Sēiichī schließlich knapp und klang dabei kühler, als er selbst bezweckte. Sēiichī konnte ausschweifender reden, als er es gerade tat, er verschränkte die Arme und wusste die Hilfe seines Freundes durchaus zu schätzen. „Ich war vor Jahren auch einmal so verrückt, zu glauben, dass ich den Boss treffen kann, um ihn dann postwendend zu verraten, aber er hatte leider sehr clevere Menschen an seiner Seite. Die meisten würden nie wagen, ihn zu verraten, weil sie Angst hätten, was es für Konsequenzen hätte. Nicht jeder in der Organisation hat das Glück keine Familie mehr zu haben, wie das vielleicht bei Vermouth der Fall ist. Sogar sie scheut sich davor, dem Kerl zu sehr ans Bein zu pissen. Sie machte doch ernsthaft einmal den Scherz, wenn sein Name publik wird, dann wird Japan in kürzester Zeit dem Erdboden gleich sein. Er würde nicht einmal davor zurückschrecken, eine Bombe zu zünden und alles auszulöschen, was ihm gefährlich werden kann. Sogar sich selbst.“ Sēiichī grinste und lachte anschließend. „Er ist paranoid und misstraut sogar seinen engsten Vertrauten möchte man meinen. Seinen richtigen Namen kennt so weit ich weiß nicht einmal sie. Dass sie sein Gesicht kennt, steht außer Frage und eine clevere Frau wie sie hat bestimmt nicht nur einmal versucht dahinter zu kommen, wer er wirklich ist. Eine Verkleidungskünstlerin wie sie sollte dazu ja auch in der Lage sein, ihresgleichen zu durchschauen. Sogar sie kann ihm anscheinend nichts anhaben. Ich kenne nicht nur einen Mann, der mich dafür auslacht, dass ich ihr all das glaube. Jamie zum Beispiel ist der festen Überzeugung, dass es jawohl reichen muss, diesen schmierigen Kerl einmal nur ins Bett zu kriegen, um ihn zu verraten. Dass es einfach wäre, ihn auszutricksen, gerade sie sollte dazu in der Lage sein. Vor 5 Jahren habe ich sie mit genau dieser Meinung konfrontiert und sie begann schallend zu lachen. Das Einzige, was sie wohl wirklich kann, ist ihn zu kennen und ihm alles zuzutrauen. Er würde lieber einen Auftrag in den Wind schießen, falls auch nur die kleinste Gefahr bestünde, aufzufliegen. Es machte mich schon stutzig, dass er mich einfach so in sein Büro gelassen hat. Er pokert gerne und verliert selten. Ich glaube sogar, dass sein Gesicht nicht einmal echt ist. Zu dem Gesicht, was ich gesehen habe, existieren nicht einmal Daten. Schlimmstenfalls benutzt er Vermouth auch für seine Deckung. Jamie würde jetzt wieder sagen, dass sie ihn dann ja nur verraten muss. Sie würde wieder schallend anfangen zu lachen…“ Sēiichī seufzte. Auch ihm war schwer gefallen, all das zu begreifen. „Es war jedoch nicht ganz umsonst, in diese Organisation einzusteigen, so habe ich viel herausbekommen, was ich unter anderen Umständen nie erfahren hätte.“ Ryochi hörte ihm zu, wollte ihm aber auch nicht widersprechen, er glaubte ihm. Sēiichī war ein guter Mensch und selbst er verriet die Organisation nur wage. Das, was in der letzten Zeit passiert war, ging ihm mit Sicherheit an die Substanz, aber dennoch machte er, was man von ihm verlangte. Es blieb ihm wohl auch kaum eine andere Wahl. „Ich denke selbst das Gefängnis würde Vermouth mehr gefallen, als in dieser Organisation zu sein.“ Damit überraschte er Sēiichī bestimmt. Er unterschätzte ihn. „In erster Linie klingt das alles schlimmer als jedes Hochsicherheitsgefängnis. Keiner wagt etwas zu tun. Das hat Gründe und die sind nicht zu verachten. Man muss jeder Zeit damit rechnen, dass man den nächsten Tag nicht mehr erlebt. Wie hast du das die ganzen Jahre ausgehalten? Das frage ich mich wirklich.“ „Die Frage ist leicht zu beantworten, Ryo. GAR NICHT!“ Es wäre erstunken und erlogen, wenn er behaupten würde, dass er alles, was geschehen war, einfach so weggesteckt hatte. „Ich war ein hirnverbrannter Vollidiot, der für ein bisschen Spaß sein Leben aufs Spiel setzte. Mir war egal, ob ich dabei draufgehe. Ich hatte mir ernsthaft in den Kopf gesetzt, diese Frau zu benutzen. Jamie hat mich gewarnt, dass sie das mit mir machen würde. So wie sie jeden ausnutzt. Es kümmerte mich nicht einmal. Mein Plan war auch sie eines Tages zu verraten. Leider sind mir da ein paar Dinge in die Quere gekommen. Ich habe mich in der Zeit sehr verändert. Heute kann ich nicht mehr sagen, was es genau war, was mich so verändert hat. Vielleicht war’s der Alkohol, den ich immerzu konsumierte, als ich kaum 20 war. Sonst wäre all das Elend nie zu ertragen gewesen. Ich sah damals nicht ein, auf eine gute Partie zu verzichten und habe nicht nur einmal jemanden umgebracht, um Vermouth zu beschützen. Vielleicht fand sie das am Ende beeindruckend, denn manchmal habe ich ihr unheimlich die Ohren vollgeheult, weil ich irgendetwas nicht ertragen habe. Es kam sogar einmal der gemeine Spruch, dass ich ein ganz schön armseliger Weichling bin… Das fand ich zu dem Zeitpunkt nicht so amüsant. Die Person, die das sagte, fand überhaupt nicht, dass wir zueinander passen. Sie bräuchte keinen Weichling an ihrer Seite und eines Tages würde sie mich vor Ärger noch umbringen…“ Sēiichī lachte, denn er hatte das mit einkalkuliert. „Ich würde sagen, dass ich mehr oder weniger klarkam. Aber in letzter Zeit ist so manches aus dem Ruder gelaufen. Meine Pläne, zum Teufel damit. Es ist wirklich alles mögliche eingetroffen, was ich nicht geplant hatte. Ich war der Meinung, dass ich jeden Zweifel ausgelöscht hätte. Es wäre aber mit dem Teufel zugegangen, dass ich meine Identität hätte geheim halten können, wo doch so viele alte Gesichter in dieser Organisation mit drinstecken. Es ist eher verwunderlich, dass all das solange gut gegangen ist. Ich habe nicht gefragt, aber wenn es nicht Vermouth selbst war, die all die Mäuler gestopft und am Reden gehindert hat, ich würde auch Yuichi zutrauen, dass er sich mit ihnen angelegt hat, um mich zu beschützen. Es würde mich jetzt nicht großartig wundern. Dass Takeshi, mein eigener Bruder, der mich wohl über alle maßen hasst, solange nicht ans Messer geliefert hat.“ Es war einfach lächerlich und er musste den Personen danken, die es so gut mit ihm gemeint hatten. Wer auch immer es gewesen war – vielleicht war es ja sogar mehr als nur einer. „Mittlerweile hat er dich wohl ans Messer geliefert … Schade nur, dass du offensichtlich einer Frau hast helfen können, wofür du in den Knast wandern könntest, aber nicht in der Lage warst, diesen Kerl auszuschalten.“ Ryochi fragte sich aber auch, wieso Yuichi nicht eingesprungen war, um dieses Problem zu beseitigen. Er wusste ja nicht, dass Sēiichī, so liebenswürdig und treudoof er eben war, ihn darum gebeten hatte, seinen Bruder leben zu lassen. „Machst du dich lustig?“ Die Frage konnte kaum rhetorischer sein, auch wenn er dabei doch versuchte zu lächeln. „Ich wollte nicht, dass er stirbt, weil ich bis zuletzt glaubte, es gibt einen anderen Weg. Obwohl ich natürlich kein Unschuldslamm bin, denn es gibt Menschen, die zu meiner Familie gehören, die ich aber nicht verschonen konnte.“ Wen er meinte, verschwieg er und baute doch darauf, dass Ryo nicht nachhakte. „Es wäre aber eine ungeheuere Frechheit, nur die eine Seite der Medaille zu sehen. Dass ich Morde begangen habe, um ihr zu helfen, ist die eine Seite. Die andere ist, dass ich ohne sie bestimmt schon nicht mehr hier wäre. Dabei schaudert es mich manchmal, wie weit sie bereit ist zu gehen. Bestimmt macht sie jetzt auch schon wieder ihre geheimen Pläne. Ich hoffe nur, dass ich deswegen nicht alleine zurückbleibe. Lieber würde ich auf der Stelle sterben, als dass das noch ewig so weit geht. Es widerstrebt mir, aufzugeben, aber meine Aussichten auf Erfolg tendieren gegen Null.“ Ganz so genau wollte es Ryochi eigentlich auch gar nicht wissen. Für ihn als seinen Freund war es schlimm, ihn so reden zu hören. ‚Nicht nur sie macht Pläne, um dich vor dem Tod zu bewahren. Yuichi wird das auch tun, sobald er die Augen aufmacht, ist doch das erste, was er tun wird, irgendwelche Leute einschalten, die das schlimmste verhindern. Auch wenn es fast nicht zu verhindern ist.’ Ryochi erinnerte sich an etwas, was das FBI bei einem flüchtigen Organisationsmitglied versucht hatte, aber sie war ein kleines Kind, was keinem etwas entgegen zu setzen hatte. Gerade würde er sich wünschen, dass Sēiichī ganz schnell das Land verließ. Aber er wusste, dass er diejenigen, die hier waren, beschützen wollte. Dass er nicht davonlaufen wollte. Es war zum Mäusemelken, denn der Detektiv wusste gar nicht, wie er ihn überzeugen konnte, genau das zu tun. „Natürlich wirst du nicht auf mein Bitten hin, alles daran setzen, um der Organisation zu entkommen, nicht wahr? Auch jetzt denkst du bloß an sie, und dass du sie alleine zurücklässt, wenn du einfach verschwindest. Ich kenne dich ziemlich gut. Du musst es auch gar nicht leugnen, ich weiß es.“ Während Ryochi das sagte, schwang ein trauriger Unterton in seiner Stimme mit, denn auch er war unfähig, einfach nur zuzusehen. „Wenn ich nicht auch schon Vater wäre… dann…“ Es waren sehr traurige Worte, von einem Freund, der ihm treu ergeben war, wie es nur noch selten Freundschaften auf dieser Welt gab. „Das würde Yuichi nicht gut finden.“ Mit diesen Worten wendete sich Sēiichī ab und schaute aus dem Fenster, wo ihm die Straße attraktiver vorkam, als das Gesicht seines Freundes. Gerade konnte er ihm unmöglich in die Augen sehen, denn so würde Ryochi sehen, wie verzweifelt sein Freund war. Wie sehr es ihn doch schmerzte, zu hören, er wäre bereit für ihn zu sterben. Zwar hatte Sēiichī das gewusst, denn dies beruhte auf Gegenseitigkeit, trotzdem ertrug er es nicht. Nur mit einem sehr eisernen Willen schaffte er es, die aufkommenden Tränen zu unterbinden, sodass er sie zwar in den Augen hatte, diese aber nicht verließen. „Hach, Yuichi wusste wieder ganz genau, was passieren wird. Fragt sich nur, ob ihm das die Bösen geflüstert haben, damit er dich am Ende tötet. Oder eher ein verzweifeltes Täubchen, das lieber sterben will. Am Ende ist zwischen den Bösen und den Guten nicht viel Unterschied. Wer auch immer Yuichi verraten hat, was du planst, er hatte einkalkuliert, dass er alles daran setzen würde, es zu verhindern. Vielleicht hat derjenige sogar gebettelt, dich umzulegen.“ Sēiichī war dämlich, wenn er glaubte, dass Ryochi die Frage wirklich stellte. Er war sich sicher, dass sein Freund selbst von Yuichi erwartet hatte, ihn in einem Akt der Verzweiflung umzubringen. ‚Du bist wirklich manchmal entsetzlich dumm. Wahrscheinlich hast du dir wieder eingeredet, du seiest nicht so wichtig, wie ich. Es gibt fast nichts, was ihn dazu treiben würde, dir ernsthaft etwas anzutun.’ Sēiichī hatte wohl wirklich bereits mit seinem Leben schon abgeschlossen und alles, was er machte, waren Verzweiflungstaten. Sēiichī zuckte, als er ihn hörte und antwortete mehr als leise auf die augenscheinliche Frage. „Ist das denn jetzt so wichtig? Es ist total egal, warum er das wusste.“ „Sein Eingriff hat deinen Auftrag fehlschlagen lassen. Jemand, dem das Wasser bis zum Hals steht, sollte aber keine Fehler machen. Es ist schon sehr unfair von dir, deinen eigenen Auftrag zu sabotieren und dann noch zu verlangen, dass man dich vergisst. Seine wahren Freunde vergisst man nie. Außerdem werde ich dich retten, so wie du mich gerettet hast. Egal, was es dann kostet.“ Ryochi wirkte sehr entschlossen, immerhin hatte er schon jemand sehr wichtigen verloren. Noch einmal wollte er das nicht erleben. „Ach, und wie willst du vorgehen? Mich einsperren und keinen reinlassen? Oder willst du dich wie vorhin vor mich stellen und dich von der Organisation durchlöchern lassen? Ich schwöre dir, Ryochi Akaja, wenn du so etwas Blödes noch einmal tust, ich folge dir! Und dann hast du nichts mehr zu lachen.“ Es war eine leere Drohung, eine weitere Verzweiflungstat. Der Schwarzhaarige mit Sonnenbrille hatte es geschafft. Der Boss hatte sich an dem Kaffee, den er bis eben genossen hatte, verschluckt und hustete. Es fiel ihm schwer, jetzt kein Grinsen zu zeigen, wo ihn die Tatsachen anscheinend so schockierten, dass ihm fast die Spucke wegblieb. Die Frau, ebenfalls anwesend im Raum war weniger davon schockiert, wie der ältere Mann. Er war ein Träumer und hatte bisher immer geglaubt, Vermouth sei ein Engelchen, oder? Männer konnten so dämlich sein mit ihren Einbildungen. Jeder Blinde wusste, dass diese Frau alles andere als ein Engel war… Sogar Cognac schien es begriffen zu haben, so sehr wie er sich von ihr distanziert hatte, nach all dem Mist, den er wegen ihr machen musste. „Wiederhol das, was bitteschön soll das heißen? Wenn ich Cognac wegen Vermouth umbringen will, muss ich dich auch umbringen? Habe ich etwas nicht mitbekommen?“ „Oh, nicht nur mich. Auch einige andere Männer, die auf ihre Anmachen hereingefallen sind! Sie können nicht ernsthaft glauben, dass diese Frau das zum ersten Mal getan hat. Mich würde brennend interessieren, wieso ausgerechnet das Ihnen entfallen ist? Außer, dass natürlich jeder Mann nach seinem Onenightstand mit ihr tapfer die Klappe hält, weil er Angst hätte, umgebracht zu werden. Nun ist es zu einem bedauerlichen Unfall gekommen, den der liebe Cognac schon wieder bereut. Es gibt Zeugen, die mitangehört haben, wie er sie zur Rede gestellt hat! Diese Frau hat ihn bloß ausgelacht. Das fand er gewiss nicht lustig, genauso wenig wie dafür nun ins Gras beißen zu müssen. Ich kann nichts dafür, dass die meisten Männer zu feige sind, zuzugeben, dass sie diese Pussy schon mal gebraucht haben.“ Natürlich musste dieser Mann äußerst vorsichtig sein, mit seinen Worten. Denn es konnte durchaus nach hinten losgehen, wenn man ihm zu sehr die Augen öffnete. Nicht nur könnte er Vermouth für ihre Untreue mehr als nur bestrafen, er könnte auch alle umbringen, die jemals gewagt hatten, ihre Hände an sie zu legen… Aber dieses Risiko ging der Schwarzhaarige ein, der mit einem schäbigen Grinsen doch sich etwas weit aus dem Fenster lehnte. Carpano hätte ihn geisteskrank genannt, wenn er ihn so gesehen hätte… Aber wer wollte nicht, dass jemand wie Cognac, der im letzten halben Jahr nicht nach dem Ansatz nach, die Organisation verraten hatte, für so etwas büßen musste. „Ich weiß, die Wahrheit tut weh. Aber bevor man Cognac als Verräter beseitigt, würde ich mal bei Vermouth anfangen, Fragen zu stellen. Zum Beispiel, inwiefern der gute Cognac zum Beispiel von dieser Schwangerschaft wusste, die sie wissentlich vor ihm vertuscht hat, um heimlich dieses Kind zu bekommen. Dazu gehört schon ziemlich viel, einem Mann so etwas zu verschweigen. Er soll so richtig geplatzt sein und sagte etwas wie, dass sie ihn bestohlen hätte. Anscheinend trieben sie es noch im Vollrausch und er hat es nicht mal bemerkt. Jedenfalls wollte er kein Kind, das wusste dieses Miststück ganz genau. Da hat sie es eben vertuscht. Was für eine liebenswürdige, treue Frau.“ Er lachte. „Was ist? Wollen Sie nicht schon meinen Tod planen? Es hätte genauso gut mir passieren können. Aber ich bin bei Frauen wie Vermouth vorsichtig. Zu vorsichtig, als dass mir so ein Malheur passieren würde. Cognac geht locker als Jamis Sohn durch, auch was seine Frauenbekanntschaften angeht. Er war schon immer verrückt und konnte nicht die Finger von schönen Frauen lassen. Liebe? Also wirklich. Wenn Sie das glauben, dass er eine Frau lieben kann, dann tut es mir wirklich Leid. Dann haben Sie wirklich keine Augen im Kopf.“ Nun hatte der junge Mann kein gutes Haar an so mancher Person gelassen, aber die Worte hatten Cognacs Situation in einem ganz anderen Blickwinkel dargstellt, als man sich das vorher vorgestellt hatte. Er hatte wissentlich Vermouth als die Böse hingestellt, was viele in der Organisation postwendend geglaubt hätten, nur der Boss der Schwarzen Organisation vermochte immer noch seine Augen davor zu verschließen, wie sie wirklich war... Allerdings musste man zur Verteidigung von Vermouth dazu sagen, dass sie nur sehr wenige Freunde hatte, gerade weil sie eben so weit oben stand und der Liebling von diesem Mann war. Dadurch bekam man vor allem eines – Neider und Intriganten, die ihr nichts Gutes wünschten. Es war also nur natürlich, dass der Ranghöchste nicht alles glaubte, was so mancher über sie zu sagen hatte. „War’s das?“ blieb er unbeeindruckt, obwohl die Wut in ihm nur so loderte. Hätte er gewusst, dass dieser Mann ihm auch noch frech ins Gesicht log, hätte er ihn auf der Stelle, noch hier, erschießen lassen. Er wollte das noch nicht einmal alleine entscheiden. Zum Pech der Betreffenden waren es vor allem Frauen, die ihm bei seinen Entscheidungen halfen. Kluge Frauen, die auf falsches Getue eher weniger hereinfielen. Nicht eine würde den Drang verspüren, einer Frau wie diesem Flittchen auch nur im Ansatz zu helfen. Dass der Boss sie umbrachte, war sowieso so gut wie ausgeschlossen, aber es konnte durchaus deftige Strafen hageln, die sie sehr begrüßen würden. Obwohl keiner von ihnen triftige Beweise gegen diese Frau in der Hand hatte, sägten sie doch nur zu gerne an ihrem Stuhl, beziehungsweise zogen sie in den Schmutz. Kapitel 14: One world – one dream ---------------------------------       ~Einblende~  Vor zwei Wochen~ Natürlich waren diese Kinder wieder beleidigt, weil sich Conan und seine kleine Freundin Ai allein amüsierten, was man ihnen gerne vorwarf. Sie wollten bei allem dabei sein, aber heute mussten beide sich anderen Dingen widmen. Wichtigeren Sachen, als Kleinkinder-Detektivspiele. Bisher hatte Conan seine Gefährtin mit Organisationsfragen in Ruhe gelassen. Er hatte reiflich darüber nachgedacht, ob er die Sache überhaupt zur Sprache bringen sollte. Seit geraumer Zeit, ermittelte er lieber alleine, trotzdem war sie immer noch eine wichtige Zeugin, die er zu mancher Sache auch befragen konnte. Er hatte seine Fragen eher an Ryochi gerichtet, aber das musste er der Kleinen ja nicht gleich auf die Nase binden. Er wusste etwas, konnte aber auch einmal scheinheilig so tun, als würde er all das nicht wissen. Nur um zu sehen, was sie zu diesen Dingen sagen würde. In erster Linie musste er ja auch herausfinden, ob sie etwas wusste. Professor Agasa hatte ihnen Tee und Gebäck serviert, danach gab er vor, sich für den Computer mehr zu interessieren als für die Beiden. Obwohl er eingeweiht war. „Ich wollte dich nicht beunruhigen, aber ich muss nun mit dir sprechen. Ich bin gestern einem von ihnen über den Weg gelaufen.“ Conan sagte das total cool, während er die wärmende Tasse Tee in der Hand hielt und sich einen der Kekse in den Mund stopfte, als würden sie über völlig Belangloses reden. Sofort zeichnete sich Angst in den Augen seiner Leidens-Gefährtin ab. „Keine Panik, der Typ weiß nichts davon…“ Conan hatte ein aufgesetztes, arrogantes Grinsen, mit dem er Ai Haibara ansah. „Ein Typ?“ Sie wirkte zwar interessiert, hatte gerade einen Keks in die Hand genommen, aber ihr war es vergangen. Nun bekam sie keinen Bissen mehr runter. „Du hast dich doch nicht wieder in deren Angelegenheiten eingemischt, oder? Du weißt doch, dass die Organisation schnell darin ist, zu töten…“ Conan besah sie rätselnd. Es war nichts Neues, dass sie sich ja ach so große Sorgen machte. „Ich war mit Ryochi unterwegs, also keine Panik…“ Er lächelte lammfromm und nippte an seinem Tee. Es war richtig kalt da draußen, er versuchte auch wieder etwas warm zu werden. „Der Typ hatte einen Sender und wir sind ihm dann nachgefahren. In Begleitung von Ryochi ist das doch gar nicht so gefährlich, nicht wahr?“ „Bist du verrückt? Hör auf damit!“ Ai war aufgestanden und wirkte richtig sauer. „Egal, wie viele dir beistehen, es ist immer gefährlich! Wie kannst du nur davon ausgehen, dass das etwas bringt?“ „Ich bin nicht zu nahe ran, aber ich kann diese Typen doch nicht einfach so weitermachen lassen. Außerdem kennt Ryochi die“, sagte er nüchtern und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, so wie immer eben. „Der Kerl nannte sich Cognac und sollte einen Polizisten von der Spurensicherung umbringen.“ „Du hast versucht es zu verhindern? Bist du des Wahnsinns? Dieser Cognac ist schneller mit dem Schießeisen, als mit allem anderen! Dieser Kerl hat schon so viele auf dem Gewissen! Er würde jeden einfach so erschießen, wenn der Boss es ihm befielt!“ „Kann es sein, dass du etwas gegen diesen Cognac persönlich hast?“ Conan wollte wissen, ob sie tatsächlich nur besorgt um ihn war. „Muss ja echt ein schlimmer Kerl sein! Er hat einen von der Organisation erschossen und ist selbst verletzt worden…“ Seine Augen veränderten sich und er sah aus, als wollte er sie besänftigen. „Wir waren in keinem Moment in Gefahr, ehrlich.“ „Verletzt worden?“ Ai blickte direkt in Shinichis Augen, die sie so faszinierten, die jede Wahrheit kennen wollten… „Meinst du nicht eher, er ist tot?“ Ai wirkte kühl, als sie ihre Annahme aussprach. „Nein! Offensichtlich ist Cognac wichtig genug, dass man ihn ärztlich versorgen lässt…“ „Tze“, meinte sie und wirkte fast sogar etwas verärgert. „Andere würden dafür den Gnadenstoß bekommen. Unglaublich, was so eine Affäre mit Vermouth für Vorteile mit sich bringt…“ „Soso… Vielleicht ist er auch einfach nur ein sehr guter Schütze? Oder er ist so skrupellos, dass er ihnen noch von Nutzen ist?“ Conan wollte unterschlagen, dass Cognac seinem Opfer hinterhergesprungen war, um es vor dem heranfahrenden Zug zu beschützen… Kein normaler Killer spielte den Helden.  „Du findest also, dass Cognac böse ist?“ „Also krank ist er auf jeden Fall, immerhin spielt er mit dem Feuer! Das sagen die Leute über ihn. Sogar Gin sagte wohl einmal, dass dieser Kerl nicht ganz bei sich sein kann.“ „Ein absoluter Irrer also? Und worin äußert sich das genau? Was macht er denn mit Vorliebe?“ „… Frauen aus der Organisation das Leben retten und sich dafür belohnen lassen. Ist ein widerlicher Typ.“ Sie wich nun Conans Blick aus, als sie das sagte. Eigentlich wollte sie über diesen Typen nicht einmal reden… Ai wusste nicht viel von ihm. Aber dass er Vermouth zugetan war – das gefiel ihr eben nicht, immerhin war diese Frau ja ein Psychopath. Jemand, der ihr zugetan war, konnte nicht ganz bei Trost sein.   Nach allem Ärger, nichts Bedrohliches, aber immense Schäden für seine Substanz saß der Grauhaarige da und genehmigte sich Gin, Jami, Cognac, Helios – dabei konnte er sich nicht so recht entscheiden, wen von all denen ihm am besten schmeckten. Es kam selten vor, dass er um seine Mitglieder trauerte, aber Gin war gewiss ein herber Verlust gewesen, möchte man meinen. Es würde ihn nicht wundern, wenn Vermouth ausrasten würde, bei dem, was ihm zugetragen worden war. Helios war ein gut aussehender Mann, der auch noch den Schneid aufwies, ihm so dumm vor die Hütte zu kacken. Das hatte bisher nur Gin gewagt und der war einer seiner besten, verlässlichsten Leute. Schon seit Monaten hatte er den Verdacht, dass niemand geringeres als sein Schätzchen ihm seinen Tod beschert hatte. Es wunderte ihn  nicht, bestimmt hatte er etwas herausgefunden und deswegen musste er leider gehen. So war diese Frau eben gestrickt – Chianti hatte ihn gewarnt, nicht allzu vorwitzig in dieser Sache zu agieren. Aber die meisten hielten Cognac für mehr als nützlich und brauchbar. Das interessierte ihn doch gerade überhaupt nicht. Er knabberte bitter daran, dass diese Frau die guten Leute auf ein Minimum reduzierte und er weigerte sich noch immer, mit ihr kurzen Prozess zu machen. Er wusste von Chiantis Groll gegen Vermouth, nicht erst seit gestern wetterte diese Frau gegen sie, sie könnte genauso gut lügen. Sie beide  hatten viele Feinde und kaum einer Menschenseele konnte man in dieser Welt noch trauen… Wenn es nach Valpolicella ginge, würden sie auf der Stelle nicht nur Cognac die Lampe ausblasen, auch Helios und Vermouth wohl allen voran. Sie war es lange Leid, dass er sie verschonte. Als dann auch noch Mérille so herumzickte und meinte, ihn belehren zu müssen, hatte er alle Frauenzimmer aus seinem Bürozimmer verbannt. Um sich seine Leute zu genehmigen, über die er nur zu gern die volle Kontrolle hatte. Aber ihm war bewusst, dass es einige gab, die gerne einmal quer schossen. Aus sicherer Quelle war ihm zugetragen worden, dass Ryochi Akaja lebte, ebenso wie Cognac, dafür aber Carpano zu Schaden gekommen war. Dieser Umstand ließ ihn so richtig platzen und man musste sogar froh sein, dass er nicht gleich das Büro sprengte in seiner Wut. So war die Sache nicht geplant gewesen und er war eigentlich felsenfest davon überzeugt gewesen, dass Cognac so etwas niemals wagen würde… Was genau geschehen war, wusste er nicht, aber der Auftrag war vereitelt – man konnte behaupten, dass dem Mann das sogar Recht war. Nicht, dass Carpano noch seinen Dienst quittierte. Er hatte Valpolicella sofort dahin geschickt, um die Lage zu checken, was sie von ihrem augenblicklichen Zorn auf Vermouth ein wenig ablenkte. Seine Handlungsweisen waren durchschaubar, ebenso wie jene der Ranghöchsten. Carpano war in jedem Fall wichtiger, als alles andere. Wie konnte dieses Miststück also wagen, ihm vorzuwerfen, dass er im Falle Vermouth sich ähnlich verhielt? Bisher hatte ihm keiner einen triftigen Beweis liefern können, dass sie eine Verräterin war. Ihn direkt hatte sie noch nie verraten, das stimmte zum Leidwesen aller zumindest. Er machte sich gern etwas vor. Dennoch war die Sache noch lange nicht abgehakt. Er hatte nicht vorgesehen, dieser Frau zu erlauben, sich Kinder anzulachen. Er wusste, ein Kind würde sie verweichlichen und alles nur kompliziert machen. Er konnte keine verweichlichte Profikillerin brauchen. Aber da waren auch noch andere weltbewegende Schwierigkeiten, die den jungen Cognac betrafen. Zum Beispiel die Quelle, von welcher er überhaupt erfahren hatte, dass er bei der Polizei von Osaka beschäftigt gewesen war. Jamis Befehl, dort den Dienst niederzulegen und ganz nach Tokyo zu kommen, hatte er jedenfalls ohne wirkliche Einwände oder Versuche dies abzuwenden, ausgeführt. Das alleine war vorerst genug gewesen, doch er hatte auch etwas erfahren, was ihn seine Pläne gründlich überdenken ließ. Er hätte nie seinen wahren Beweggrund durchsickern lassen, nicht mal zu Valpolicella, weshalb genau er das Leben des Jungen so lange verschonte. Man musste dem jungen Kerl eine gewisse Intelligenz zusprechen, trotzdem war er dumm genug, sich die falschen Freunde anzulachen. Eines war ihm jedoch klar, jemand, der Sēiichīs komplette Geschichte kannte, konnte man fast schon nicht mehr am Leben lassen. Er wollte weder ihn, noch sie töten, noch brauchte er sie. Von Sherry fehlte weiterhin jegliche Spur… Das Problem an der Sache war weniger, dass jemand etwas wusste, als der Umstand, um wen es sich dabei handelte. Allein die Möglichkeit, er könnte sein Wissen Silverbullet zutragen, bereitete ihm Kopfschmerzen. Nichts und niemanden fürchtete er, aber er war mit Vorsicht zu genießen. Er war ein gefährlicher Gegner geworden. Er wusste bereits viel zu viel und sie waren unfähig diesen Kerl aus dem Weg zu schaffen. Keiner von seinen Leuten, konnte es mit ihm aufnehmen. Seine Scharfschützen waren ihm nicht gewachsen. Er hatte früher geglaubt, sie seien es, aber Gin hatte ihn eines Besseren belehrt. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, zu was der Kerl fähig war. Er würde, aus 700 Yards Entfernung schaffen eine Kugel in sein Herz zu befördern, ohne direkt hier anwesend sein zu müssen. Er musste es nicht einmal in sein Büro schaffen. Wenn er erfuhr, wo er sich befand – und da war der Boss sehr einfältig, könnte er ihn mit einem einzigen Schuss töten. Dass das nicht Akais Ziel war, so weit funktionierte sein Menschenverstand nicht. Er fürchtete ihn wie keinen Zweiten und versteckte sich an vielen Orten. Nicht umsonst, musste seine Identität geheim bleiben. Diese Person – man musste sie schnell ausschalten kannte ihn und wäre in der Lage noch ganz andere Dinge ihm anzutun, wenn er davon erfuhr. Es war gefährlich geworden in den letzten Jahren. So viele hatten von ihnen erfahren, dass er wirklich äußerste Vorsicht walten lassen musste, um nicht aufzufliegen. Natürlich, auch für den Extremfall hatte er vorgesorgt, beziehungsweise sie. Dann würde sie die Macht übernehmen und er brachte sich in Sicherheit, um von weit fern, weiter zu regieren. Es war für alles gesorgt, sollte seine Identität auffliegen, gab es diese Stadt nicht mehr. Gotano brauchte aber genügend Zeit, um diese Sache vorzubereiten. Er arbeitete schon Jahre an diesem Projekt, deswegen wäre es fatal, wenn er jetzt anfangen würde aufzumucken, nur weil er eine Liebschaft von der Frau, die ihm etwas bedeutete, ermordete. Er hatte niemandem davon erzählt. Nicht Jami, nicht Gin, nicht Valpolicella. Noch nicht einmal seine engsten Vertrauten wussten davon. Dass er sich da in etwas verrannte, man könnte meinen, er sei wahnsinnig genug, zu glauben, dass all das möglich war. Aber in dieser schrecklichen Welt war nahezu alles möglich. Ihre Träume, ihre Ängste – Wunschfantasien, seien sie noch so utopisch, sie wagten sie alle zu träumen… Er war bereit bis zum Äußersten zu gehen. Das war gefährlich, für sie alle… Nur Mitglieder, die bereits Jahrzehnte in dieser Organisation waren, wussten von seinen Zukunftsvisionen. Der größte Jammer war, Vermouth war eine davon. Eine Geheimnisträgerin wie sie, die würde sich eher umbringen, als jemals den Mund aufzumachen, davon war er überzeugt. Wen wunderte es da noch, dass er sie nicht umbringen wollte? Das hatte weniger mit seinem weichen Herzen zu tun.   Es entsprach nun wirklich nicht der Wahrheit, dass Helios so angstlos war, wie er gewirkt hatte. Keiner wusste von seiner geplanten Aktion und er hatte dem Teufel ins Gesicht gelacht, hatte ihn gedemütigt und musste nun mit dem Allerschlimmsten rechnen. Egal wie kühl und unnahbar der alte Mann war und augenscheinlich nicht mal zugehört hatte – er wusste, kein Mann dieser Welt steckte weg, immer wieder nur betrogen zu werden. Natürlich würde Sēiichī jetzt total ausrasten und ihn fragen, ob er nun zum Rachsüchtigen werden würde. Seine Hilfe würde er ignorieren und nur sehen, dass er ihr geschadet hatte. Bestimmt würde irgendjemand nun eine Lawine lostreten. Höchstwahrscheinlich sonst wen über seinen Wahnsinn informieren und es würde bei Shannen enden, die ihm ordentlich die Leviten lies. Er hatte vieles überstanden, also machte ihm das Desaster dann auch nichts mehr. Es gab viele Geheimnisse innerhalb dieser Organisation. Obwohl er wegen Sēiichī dem Saftladen beigetreten war, so viele bekannte Gesichter hatte er noch nie irgendwo gefunden, wie hier. Als wenn sich die ganze Welt gegen sie verschworen hatte. Er hatte Cognac vieles verschwiegen, sehr viele Geschichten, die ihn brennend interessiert hätten. Nicht ein jede hatte mit Vermouth zu tun. Sie war ein Übel, aber nicht die Wurzel allen Übels. Er hätte Hypothesen aufstellen können, wer diesen Laden anführte, dafür kamen nur leider sehr viele in Betracht. Sie waren ihnen allen näher, als ihnen lieb gewesen wäre. Sie alle konnten von ganz großem Glück reden, noch hier zu sein, auch er. Dumm von ihm, sich dieser Sache anzunehmen, aber Sēiichī bedeutete ihm sehr viel. Jeder, der ihm nahe stand, würde bestimmt verstehen, dass er alles getan hätte, um ihn vor Unheil zu bewahren. Trotzdem würde jeder schimpfen und in große Sorgen verfallen. „Sollte ich Sēiichī jemals die ganze Wahrheit erzählen… Wer weiß, was dann geschieht?“ Er hatte seinen Wagen erreicht, der in absoluter Dunkelheit zu finden war. Der Ort kein öffentlich bekannter. Sein Wissen brachte ihn beinahe um. Kaum zu glauben, wie sehr man Menschen hassen konnte. Menschen, die er zu seiner Familie gezählt hatte. Vieles war auch ihm verschwiegen worden, aber er wusste jetzt wieder, wieso man ihn dazu hat drängen wollen, dem FBI beizutreten. Sein Glück, dass er sich dagegen gewehrt hatte. So blieb ihm zumindest erspart, viele aus seiner Familie zu ermorden. Er dachte seit Jahren, dass kaum einer noch lebte, doch dem war nicht so. Sēiichī wäre sicher mehr als nur verblüfft über dieses Wissen, aber Helios hatte nicht vor, ihm auch nur eine Sache davon zu erzählen. Es gab bestimmt nicht nur einen Grund, weshalb auch Vermouth ihm viel verschwieg. Sicher, Cognac prahlte immerzu, wie gut sie sich verstanden und wie viel er wusste. Na, wenn der wüsste… Er wusste ja noch nicht einmal, ob sie den Mut gehabt hatte, ihm ihr wirkliches Alter zu verraten, geschweige denn Familiengeschichten. Was wusste dieser Junge schon von ihr? Es machte ihn wütend, aber auch immer wieder traurig, dass sein Schweigen in erster Linie ihn schonte, obwohl er zu gerne gesehen hätte, dass der Junge diese Frau verabscheute. Mittlerweile war er nicht mehr sicher, ob ihm alles zu erzählen, etwas geändert hätte… Das ließ ihn dann doch diese Sachen für sich behalten.   Unterdessen, angefressen wie die Schwarzhaarige mit den grünen Augen war, musste sie dem Boss auch noch Rede und Antwort stehen. Sie verzichtete dankend, den Mund aufzumachen. Sie hatte dieses Kind entkommen lassen, Vermouth angegriffen… Sie konnte froh sein, wenn man sie verschonte. Es stieß ihr jedes Mal aufs Neue bitter auf, dass sie nicht zum Boss vorgelassen wurde. Dieses Privileg genossen andere, unter anderem Vermouth. Die höheren Leute. Es verursachte in ihr Übelkeit, ebenso wie ein unabwendbarer, abgrundtiefer Hass, der dadurch nur noch mehr angefacht wurde. Dass diese *Schlampe höher als sie stand, konnte sie einfach nicht ertragen. Deswegen musste sie mit dieser Schottin vorlieb nehmen, die ihr schon in einem der Büros mit ihrem hinterhältigen Lächeln begegnet war. Sie erklärte sachlich, ohne Miene zu verziehen, was zu tun war. Zum Glück wusste sie noch nichts von der Sache, die sie vergeigt hatte. Dann wäre sie wohl auf der Stelle verschwunden, ins Nirvana. Die Sprache auf das vermisste Kind kam also gar nicht erst, weil er dachte, sie hätte den Auftrag brav erledigt. Was der Boss, der Valpolicella als Sprachrohr benutzte, dann von ihr verlangen wollte, brachte sie innerlich zu einem Brechreiz. „Ich soll mich Cognac nähern, in Verkleidung und herausfinden, ob man die Wahrheit sagt.“ Sie wiederholte es für sich selbst, obwohl sie sehr genau verstanden hatte. „Unglaublich, dass man sich dieser Sache überhaupt annimmt“, sagte sie und fuhr sich eingebildet durch die Haare. „Ich dachte, die Sache sei bewiesen? Warum so viel Mühe mit einem arroganten Macho, der zwar als Killer ganz fähig war, aber offensichtlich doch nicht so loyal, wie man glaubte. Bestimmt platzt Cognac vor Ärger und wird mich auf der Stelle erschießen wollen…“ ‚Cognac ist noch nie auf meine Verkleidungen und Annäherungsversuche hereingefallen, er ist schlauer als so mancher glaubt. Also entweder das, oder er liebt sie wirklich, was ich sehr lachhaft finden würde. Wie kann man als Mann überhaupt auf die Idee kommen, sie zu lieben? Sie wird eines Tages jeden verraten. Man sollte sich lieber ihrer annehmen, statt sich weiterhin mit Cognac zu beschäftigen.’ Zu gerne hätte sie den Einfallspinsel verführt. „Falls er anspringt, darf ich doch sicher auch meinen Spaß haben, oder?“ fragte sie hinterhältig nach und ihre Augen nahmen gefährliche Züge an. „Soll ich ihn anschließend töten? Mir fiele da nämlich schon etwas sehr Nettes ein. So weit mir bekannt ist, soll er Sadomaso besonders gern haben. Ich könnte ihn fesseln und ihn dann Basic Instinct-like mit einem Eispickel erstechen.“ Man hörte die wachsende Freude an der Illusion, die sie sich ausgemalt hatte, obwohl sie einer Traumwelt entstammte, wo sie die bessere Schauspielerin war, die natürlich alle Männer abbekam – nicht Sharon. „Ist mir herzlich egal, wie du es dann machst. Ich lasse deiner Fantasie freien Lauf. FALLS er auf dich hereinfällt, Schätzchen…“ Es war ein perfider Trick. Sollte Cognac so dumm sein, darauf hereinzufallen, wäre es für sie Gewissheit, dass dieser ihr nicht so nahe stand, wie der Boss befürchtete. Er wurde am Ende trotzdem umgebracht, so viel war sicher – jedenfalls klang der Boss so, als wollte er ihn noch - wie einen Gegenstand -ein bisschen weiter verwenden... Natürlich bestand auch die Möglichkeit, dass Cognac Vermouth besser kannte, als ihnen allen lieb war. Sie wollte klarsehen. In erster Linie wollte sie Leid und Elend verbreiten. Ein einfacher Schuss wäre ihr zu billig, so etwas machte man im äußersten Notfall. Noch brauchten sie einen Deppen, der Akais Schützling wegschaffte, danach konnte der Boss auf ihn verzichten – jedenfalls hatte man ihr das eingeredet. „Ich würde fast zu lachen beginnen, wenn Vermouth Cognac lieben würde. So eine Lachnummer hatten wir lange nicht mehr.“ Valpolicella war böse, Baileys war verhasst. Zwei Dinge, die eine Frau zu allem möglichen hinreißen konnten. Die Rivalin von Vermouth hätte zu gerne mit Cognac geschlafen. Sie war sich niemals zu schade, die Liebhaber von dieser Frau zu bekehren. Gerade, wenn sie diesen liebte, hätte sie alles dafür getan, um ihm das Herz in Stücke zu reißen, nur damit ihre Feindin wieder litt. An dem Jungen als Person hatte sie wenig, bis gar kein Interesse, wenn man es genau nahm. Selbstverständlich, er war ein hübsches Kerlchen, aber für mehr war er nicht gut – fand Baileys, worin sie sich aber unglaublich täuschte. Denn man konnte kaum jemanden finden, der loyaler gegenüber seinen Personen war, als Cognac, Carpano und Helios. Sie zählte auch Plavac zu ihren Freunden, nannte ihn loyal gegenüber ihr selbst. Bis heute hatte sie noch keinen Grund, ihm zu misstrauen… Sie wünschte, sie könnte sich einfach verkleiden, in etwas, was Carpano gefiel, um dann über ihn herfallen zu können. Baileys hatte es richtig gut, so einfach in Vermouths Fußstapfen treten zu können, um sie nachzuäffen – das war lachhaft, wie gering ihr Selbstwertgefühl doch war, aber einfach so in die Schuhe von einer anderen Person, um dann etwas zu haben, was man sonst nicht hatte, war wirklich verlockend. Wenn sie je herausbekam, dass Kir an Carpano naschte, würde sie sie eines grausamen Todes sterben lassen, sie im Meer versenken… Dann würde sie diese Frau ersetzen, besser als sie sein, aber sie würde doch nie so weit gehen, sich ihr Aussehen anzueignen, dafür war sie zu stolz.   Schon seit Jamie mitbekommen hatte, wie Carpano seinen Albtraum in Form einer gut aussehenden, kranken Psychopathin hinter sich gelassen hatte, um in seine Wohnung in Misato zurückzukehren, damit dieser einfach endlich einmal einen Moment verschnaufen konnte, spielte Jamie mit dem Gedanken, ob er diesem Mann etwas von den Dingen erzählen sollte, die er wusste. Neue Erkenntnisse waren es nur bedingt, aber sie belasteten ungemein seine Seele. Allmählich raubte ihm all das die Luft zum Atmen. Es war nicht so, dass diese Dinge eine große Relevanz hätten, aber er trug sie immerzu mit sich herum, ohne sie je einer Person mitzuteilen. Bald konnte er das nicht mehr ertragen. Er brauchte immer jemanden an seiner Seite, dem er so etwas erzählen konnte. Diese Person musste ebenso verschwiegen, wie auch treu sein, um ihn am Ende nicht zu verraten. Doch dabei käme ihm nie in den Sinn eine Frau zu wählen, wie das vielleicht Sēiichī machen würde… Jamie war ihm bis zu einer Tiefgarage nachgegangen und hatte dann sogar entschlossen mit ihm zu fahren. Weil der Amerikaner dem Japaner nachgeschlichen war, wie eine streunende Katze auf der Suche nach Futter, warf dieser ihm natürlich erst einmal einen stechenden Blick zu. Es war dunkel und er hatte ihn nicht sofort erkannt. Leute, die ihm auflauerten oder nachschlichen, mochte er nicht. Paranoid war er noch nicht, hoffte derjenige zumindest, aber trotzdem löste das ein gewisses Unbehagen in ihm aus, weil die meisten Leute, die sich anschlichen, nichts Gutes im Sinn hatten. Das war ein nicht abzuwendender Fakt. Doch spätestens, als er ihn ansprach, legte sich das und er lehnte auch gar nicht ab, ihn in seinem Auto mitzunehmen. Valpolicella hatte sich nach seinem Zustand erkundigt und er konnte von Glück reden, bereits bei Bewusstsein zu sein, als sie sein Zimmer betreten hatte. Jamie hatte Kir vehement von diesem Zimmer ferngehalten und sie hatten sich in einem der Flure versteckt, wo sie eine kurze Konversation hatten. Nichts allzu Ausschweifendes, zumal sie geflüstert hatten. Es war nicht das erste Mal, dass sie ein Wort wechselten, aber er glaubte, dass sie Sēiichī mit am besten verstand, dass er an seiner großen Liebe festhalten wollte, egal was auch geschah. Kir tat nichts anderes, obwohl sie vieles schrecklich, geradezu furchtbar, fand, in ihrer aller Situation. Sie war noch nicht so lange in der Organisation, wie Jamie, Yuichi oder Sēiichī. Obwohl die beiden Männer jünger als er waren, waren sie viel früher in diesem Laden gelandet. Offensichtlich bewunderte sie beide dafür, dass sie so viel Menschlichkeit noch besaßen, bei all den Morden, die sie bereits begangen hatten. Sie hatte gelernt, solche Dinge zu ignorieren, immerhin tat sie auch alles dafür, ihre Mission erfolgreich abzuschließen. Sie hatte Shūichi Akai unwissentlich dabei geholfen, seinen Tod zu inszenieren. Es geschah im vollen Bewusstsein, als sie auf ihn schoss. Solche Dinge waren schlimm genug, fand er. Damit hatte sie dem FBI einen augenscheinlich vernichtenden Schlag verpasst – aber sie wollte ihre eigene Mission nicht gefährden und hätte dafür alles getan, damit der Tod ihres Vaters nicht umsonst gewesen war. Auch sie hatte in knappen drei Jahren viel zu viele schlimme Dinge durchmachen müssen, das sollte keine Frau. So etwas hinterließ Spuren, auch bei einer guten Frau wie Hidemi. Tja, wie könnte Jamie ihren richtigen Namen nicht kennen? Sein Erstgeborener war ein guter Freund von ihrem Bruder. Es kotzte ihn an, was das FBI mit Kir gemacht hatte. Wie sie ihr Leben riskiert hatten. James und sein widerlicher Nachfolger Shūichi. Wahrscheinlich wäre Jamie genauso geworden, wenn er plötzlich Gefühle für seinen Vater entwickelt hätte… Diese Geschichte, sie belastete ihn noch heute. Nicht einmal eine Träne nachweinen würde er James, würde die Organisation ihn eines Tages töten. Er durfte ja noch nicht einmal seinen richtigen Vater mögen – das hätte ihm das Genick gebrochen. Sogar Sēiichī wusste nichts davon – wie von so vielen anderen Dingen auch. Es ginge mit dem Teufel zu, dass keiner es wusste, doch diese Personen gab es. Auch Vermouth hatte ihm mal eine neugierige Frage gestellt und er hatte abgelehnt zu antworten, daraus schloss der Mann allerdings, dass sie sehr wohl wusste, wer sein Vater war. Sie hatte spezielles Interesse an FBI Typen wie James Black. Nicht, um mit denen irgendeine Art geheime Sache zu machen, wie es ihr ähnlich gesehen hätte, sondern um sich bewusst weit weg von denen zu befinden. Bevor sie aus der Tiefgarage fuhren, war Rena Mizunashi ihnen noch zugestiegen, wogegen beide nichts einzuwenden hatten. Die getönten Scheiben ließen ohnehin keinen Blick ins Innere zu.   Es kam keine wirkliche Konversation zustande. Unter anderem wegen der Frau im Auto wurde das noch vehement vermieden, aber auch andere Gründe schwangen dabei mit. Zaudern, Nachdenklichkeit gegenüber Dingen, die man verdrängt hatte. Yuichi merkte, schon seit sie zusammen im Auto saßen, dass Jamie in Gedanken war und abdriftete. Die ganze Zeit schwieg er und schaute doch gelangweilt wirkend aus dem Fenster. Rena kannte er schon so, sie wollte die beiden Männer, die vorne saßen, nicht stören, deswegen schwieg sie. Als sie gekommen war, saß Jamie bereits auf dem Beifahrersitz und sie hatte irgendwie das Gefühl, es wäre falsch, wenn sie nun ein Gespräch angefangen hätte. Beide Männer wirkten ernst, Jamie jedoch auch mit einem Hauch von Kummer in seinen Gesichtszügen. „Was ist los mit dir?“ fragte Yuichi, der empathisch genug war, um mitzubekommen, dass Jamie etwas beschäftigte. Noch wusste er nicht davon, was sein Freund vor knapp einer Stunde getan hatte. Wie viel er riskiert hatte. Überrascht und sogar etwas erschrocken reagierte der Schwarzhaarige, als der Jüngere ihn ansprach. „Ich habe über die Vergangenheit sinniert.“ Mehr war Jamie erst einmal nicht gewillt zu äußern und schaute weiter stur aus dem Fenster. ‚Kann nichts Gutes sein, so wie du aussiehst, Jamie…’ dachte Rena insgeheim und schlug die Augen nieder, aber sie wollte sich jetzt auch nicht einmischen, um nachzufragen. Es war ja schlimm genug, was sie über Jamie wusste. Von seiner Verbindung zu Sēiichī, oder seiner Abneigung gegenüber Vermouth, was diese stets totschwieg, als würde sie nicht existieren. Diese schien es noch nicht einmal zu kümmern, sie war sogar irgendwie auf widerliche Art scheißnett zu ihm. Aus welchen Gründen auch immer, sie neigte dazu, Streitereien mit ihm aus dem Weg zu gehen. Das war Kir schon oft aufgefallen. Jamie schnauzte Vermouth an und sie blieb kühl, oder schwieg ihn sogar an. Selbst wenn Sēiichī nichts mitbekommen hatte, die beiden pflegten eine merkwürdige Beziehung. Manchmal glaubte sie auch, die taten nur so… Den Zahn hatte Sēiichī Rena aber gezogen und behauptet, es lag an dem Typ Frau, der sie war, was aber eine glatte Lüge war, wenn man bedachte, welche Art von Frauen Jamie früher angezogen hatte, vor allem mit welchen er verheiratet oder liiert gewesen war. „Wenn es sich um eine rosige Vergangenheit handeln würde, hättest du bestimmt nicht so ein Gesicht, als wenn gerade jemand gestorben wäre. Keine Sorge, ich frage nicht weiter.“ Die knappe Antwort war aufschlussreich für den Jüngeren und ließ ihn wissen, dass der Andere nicht darüber reden wollte. Seine Wohnung befand sich im gut 30 Minuten entfernten Misato, in der Nachbar-Präfektur Saitama. In einer normalen Geschwindigkeit, denn er hatte es nicht eilig, würden sie noch eine Weile brauchen. Natürlich könnten sie nun die ganze halbe Stunde reden, aber da wieder Schweigen herrschte, ließ Yuichi es darauf beruhen. Damit sie sich nicht gänzlich langweilten, schaltete er das Radio an, wo gerade die Verkehrsmeldungen angesagt wurden. Sie hörten nur halb zu. Erst als wenig später eine Sondermeldung reinkam, es sei in Tokyo zu einer Schießerei gekommen, lauschten sie. Die Sprache war von einem Mann namens Takeshi Iwamoto, der mit mehreren Schüssen ermordet worden war. Beide Männer hatten keine große Lust den Details zu lauschen, taten es jedoch, um herauszufinden, inwiefern die Berichte Beweise lieferten. ~Der Täter, ein Mann Mitte dreißig ist derweil flüchtig. Sollten wir weiteres in Erfahrung bringen, melden wir uns wieder.~ Bestimmt hatte nicht nur Valpolicella bereits dafür gesorgt, dass nicht mehr als diese Meldung herausbekam, auch Jamie kam in Betracht, denn er war nun einmal in seiner Tarngestalt auch ein Journalist. Es war schon verwunderlich, wie man Fakten so verdrehen konnte. „Sēiichī konnte also fliehen, was für ein Wunder. Fragt sich nur, ob du ihm dabei geholfen hast, oder noch schlimmer, mein Bruder.“ „Ist nicht geflüchtet“, antwortete Jamie, „hat seelenruhig auf den Krankenwagen für dich gewartet und sagte der Polizei der Schuss sei Notwehr gewesen. Ryochi hat es bestätigt, dass dem so war. Sie dürften mittlerweile ihre Aussage im Präsidium machen. Ich denke, man kann ruhig bleiben. Ryochi wird schon dafür sorgen, dass Sēiichī keinen unnötigen Ärger bekommt. Es ist doch sowieso schon jemand ins Präsidium, um zu schnüffeln, was Sēiichī der Polizei erzählen wird, um ganz sicher zu gehen, dass er die Klappe hält. Valpolicella hat eine vertrauenswürdige Person dorthin geschickt…“ Mehr wollte Jamie jetzt nicht sagen und schlug die Augen nieder. „Wenn mir mehr passiert wäre, hätte sie das wohl gelassen und seinen Tod angeordnet.“ „Haben alle tierisch Schwein gehabt. Trotzdem weißt du so gut wie ich, mein Freund, dass die Sache damit nicht gegessen ist. Valpolicella jedenfalls ist ziemlich wütend über diese Spielereien. Sie scheint dich wirklich zu mögen, immerhin will sie dafür sorgen, dass man Ryochi, der ja so gar nichts weiß, in Ruhe lässt.“ „Wie dumm Liebe doch Menschen macht.“ Yuichi sagte es kühl und ohne die Miene zu verziehen, denn es war sehr dumm von ihr, seinen Bruder seinetwegen zu verschonen. Kir zog scharf Luft ein. „Oh, er ist ihr auch über alle Maßen dankbar…“ Die Ironie war deutlich aus ihrer Stimme zu vernehmen. „Ohja, über alle Maßen. Nie würde man es für möglich halten, aber sogar Cognac hat es nicht probiert, sie über’s Ohr zu hauen und hielt sich von ihr fern, wo sie doch ganz zweifelsohne seinen Geschmack trifft.“ Das sagte viel über Valpolicella aus. „Liegt daran, dass Sēiichī sich mit Frauen aus der Organisation umgibt, die keinen nervösen Finger haben, so wie Gin ihn hatte und beim leisesten Verdacht, ihn ermorden würden.“ Ganz richtig war es nicht, Cognac hatte schon oft bewiesen, dass er gern mit dem Feuer spielte und ihn Frauen wie Vermouth und Valpolicella gefielen. Nachdem er die ranghöchste ein bisschen geärgert und angeflirtet hatte, hatte er eines Tages die Quittung bekommen. Nach dieser heilsamen Geschichte glaubte er seinem Schutzengel dann wohl doch, dass sie Recht gehabt hatte, als sie ihm angeraten hatte, Valpolicella zu meiden.   Professor Agasa war mit einer sehr wichtigen Aufgabe betraut worden. Er sollte etwas überwachen und ihn sofort informieren und auf schnellstem Wege zu sich beordern, wenn er etwas Interessantes in Erfahrung bringen sollte. Conan musste leider den Vormittag in einer elenden Schule verbringen und die Schulbank drücken. Er hatte nicht wenig Lust, sich krank zu stellen, um für eine Weile fehlen zu können, denn was in letzter Zeit rund um Haido City passierte, gefiel ihm nicht. Er wollte nichts verpassen und hatte sogar beim letzten Entdecken von Kir in der Stadt, ihr vorsichtshalber einen Sender verpasst, um sie zu überwachen. Er hatte Shūichi Akai darüber nicht informiert, er konnte das ja immer noch, wenn er etwas herausgefunden hatte… Der alte Mann hatte sich eine Ladung Chips und Popcorn parat gestellt und kochte sich nebenbei Kaffee, als er etwas hörte, was ihn alarmierte. Er hörte Stimmen, eine recht tiefe, die eine andere ansprach. Kir war also mit ihnen zusammen und sie redeten… Schon als Yuichi Jamie fragte, was los sei und dieser meinte, er sinniere über die Vergangenheit, hatte er Shinichi sofort informiert, der in Windeseile hier aufgetaucht war. So konnte er wichtige Passagen aus dem Gespräch mitanhören. So viele Informationen hatte er noch nie erhalten. Fast schon zu unglaublich, um wahr zu sein, dass ausgerechnet ein anderer Detektiv zu plaudern begann. Zum Glück hatten sie nicht sofort im Auto so munter geplaudert, sondern wohl in einer Wohnung in Misato, wo sie auch postwendend hätten hinfahren können. Aber die Organisation plante nichts, also beließen sie es beim Zuhören…   Kurz darauf schwiegen die drei in Yuichis Auto sie wieder Stille und Kir glaubte sogar, dass sie diese einen Moment genießen könnte, denn es war in letzter Zeit zu viel Aufregung in ihrem Leben. Das war nicht immer so. Es kam vor, dass manchmal Monate lang nichts passierte, aber in letzter Zeit waren einfach so viele Dinge geschehen, außerdem plagten sie nach dem Schreck furchtbare Kopfschmerzen, weswegen sie sich die Hand gegen die Stirn legte und Ruhe in ihren Körper einkehren lassen wollte. Yuichi konzentrierte sich auf die Straße und Jamie blickte erneut aus dem Fenster. Er beobachtete die vorbei rauschenden Bäume und seufzte einmal. Ohne dass sie es merkten, ging die nächste halbe Stunde um und sie hielten vor dem Apartment, was nicht aussah, als hätten sie wenig Geld, aber auch nicht, als würde hier ein Reicher wohnen. Es war zweifelsfrei Standard. Sie begaben sich ins Haus und fühlten sich dann endlich sicher. Rena ging sofort in die Küche und holte den beiden Freunden gekühlte Getränke, keine alkoholischen, obwohl ein Bier gerade bei Männern sicher passend gewesen wäre. Beide waren jedoch keine starken Trinker und sie sollten auch keine werden. Sich selbst machte sie einen Espresso mit der Kaffeemaschine und bewirtete sie, verließ dann aber wieder den Raum, weil sie glaubte, dass sie bestimmt unter sich sein wollten. Das akzeptierte sie auch, obwohl es sie brennend interessiert hätte, von was Jamie gesprochen hatte, als er über seine Vergangenheit nachdachte… ‚Wer weiß, wie viele Menschen er getötet hat, um zu überleben und unter welchen Umständen er in die Organisation kam.’ sagte sie sich selbst bedrückt. Gute Menschen hatten immer dramatische Gründe für so etwas, da sprach sie aus Erfahrung… „Sagt mir, wenn ihr noch etwas braucht, ich brauche erst einmal eine Erfrischung.“ Mit den Worten ging sie zum Badezimmer und sperrte die Tür ab, so dass sie sich fühlten, als wären sie alleine. Beide hatten geschwiegen, bis Rena davongegangen war. „Sie wird mindestens 15 Minuten nicht wiederkommen. Wenn es dir also unangenehm ist, dass eine Frau uns hört, solltest du den Moment nutzen, wo sie weg ist. Ich bin nicht blöd. Dich beschäftigt etwas unglaublich und ich als dein Freund will’s mir gern anhören. Du wirkst, als musst du mal drüber reden.“ Es war total nett gemeint und Jamie war ihm wirklich dankbar, aber das hieß noch lange nicht, dass es ihm leichtfiel. „Ach… Die Vergangenheit holt einen so oft ein… Leider. Vielleicht sollte ich wenigstens in einer Sache auf Sēiichī hören. Er hat immer gesagt, man sollte im Hier und Jetzt leben, nicht in der Vergangenheit. Das Leben wäre kaum zu ertragen, wenn man immer nur in der Vergangenheit leben würde. Er war immer der Meinung, ich sollte die Vergangenheit ruhen lassen, doch irgendwie kann ich das nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn er die Vergangenheit von einigen Leuten nicht sogar als unwichtig erachten würde. Er hatte auch entschieden etwas dagegen, Menschen nach ihrer Vergangenheit zu beurteilen und meinte, jeder Mensch verdient die Chance, egal welche Vergangenheit er hatte, in der Zukunft sich zum Positiven zu ändern. Wahrscheinlich sagte er das, weil er seine Taten hinter sich lassen wollte, um nicht am Rad zu drehen. Sēiichī war schon immer seltsam.“ Dass Sēiichī in dem Fall Chris und ihre Gräueltaten meinte, glaubte Jamie nicht einmal. „Aber er hat Recht. Wir haben viele Dinge getan, wir sollten sie schnellstmöglich vergessen. Ich wusste immer, dass in deiner Vergangenheit viel geschehen sein muss, du hattest immer diesen unglücklichen Gesichtsausdruck, ohne deprimiert zu wirken. Aber ich weiß nicht, ob ich dich je lächeln sah. Immer wenn wir uns sahen, hattest du dieses neutrale Gesicht. Man hätte meinen können, du seiest bereits tot, Jamie. Sogar Vermouth ist das aufgefallen… Obwohl sie nun wirklich niemand ist, der allzu viel zum Lachen hat, im Gegensatz zu dir, hatte die mit so mancher Person Spaß und sei es auf die Kosten desjenigen.“ So wirklich verteufeln tat er sie nicht dafür. Auch er amüsierte sich über Idioten, die nicht anders verdient hatten, als verarscht zu werden. Davon gab es leider viele in der Organisation und sie lachten ihnen ins Gesicht. „Ein Lächeln könntest du dir schon mal erlauben, wirklich. Das Leben ist doch nicht immer nur schrecklich. Als sie das sagte, war ich doch allen ernstes verwundert, immerhin war sie immer diejenige, die sagte, dass das Leben ein einziges Trauerspiel sei. Ich weiß nicht, ob sie das nur sagte, um mich zu erweichen und auf ihre Seite zu ziehen, denn ich bin nicht darauf angesprungen… aber sie erzählte mir, was Sēiichī nicht erst neulich zu ihr sagte. Er wolle die Welt verbessern… Augenblicklich mochte er kein guter Mensch sein, aber er könnte trotzdem in Zukunft einer werden. Ich glaube, sie war beeindruckt oder so was von dieser Ansichtsweise. Ich glaube, dass unser Sēiichī doch einen großen Einfluss darauf hatte, was sie tat. Ich würde zu weit gehen, zu behaupten, dass er sie verweichlicht hat, aber zum Nachdenken angeregt hat er sie alle mal. Das ist aber schon so viele Jahre her… Damals hat Sēiichī immer noch bei mir mit seiner AFFÄRE geprahlt… Und dabei tat er jedes Mal so geheimnisvoll, er hätte Gründe, diese aufrecht zu erhalten. Es klang, als benutze er sie, aber das kann er dem Papst erzählen. Das war keine Zwecksverbindung. Ich kenne ihn zu lange, um darauf hereinzufallen. Vielleicht fällt er selbst auf seine eigenen Lügen herein, aber ich nicht.“ „…Lustig, dass Sēiichī sich nicht an sie erinnert… denn sie war da…“ Jamie flüsterte es nur und sank ein Stück tiefer in seinen Platz. Man könnte meinen, dass er gar nicht gehört werden wollte und sich deswegen kleiner machte.  Es war unglaublich, wie viel Lebensgeschichte man schon mit 34 Jahren hinter sich haben konnte, andere beschwerten sich, weil ihr Leben zu langweilig war. Damit konnte der Mann mit dem schwarzen Toupet nicht dienen. Er hatte zwei Frauen verloren, seine Familie basierte auf Lügen und man konnte nie sagen, wem von all denen man vertrauen konnte. Er war gebeutelt fürs Leben, deswegen konnte er nicht mehr an das gute Herz von Menschen glauben, so wie Sēiichī – dieser übertrieb in solchen Dingen auch maßlos. Das, was Jamie anscheinend kaum noch konnte, praktizierte der um 10 Jahre Jüngere en masse. Obwohl das gefährlich sein konnte, wäre es gelogen, nicht zuzugeben, dass er ihn dafür bewunderte. Nach all den Jahren in der Organisation, seinen Glauben an das Gute im Menschen noch nicht zu verlieren, war ein Ding der Unmöglichkeit. Gerade Sēiichī hatte doch bitterlich zu spüren bekommen, wie grausam die Menschen waren. Zu Anfang hatte Jamie sich sehr gegen diese enge Bindung zwischen den beiden Personen aufgelehnt, weil er gedacht hatte, es würde nichts Gutes dabei herauskommen, womit er nicht unbedingt falsch lag. Überall, wo Vermouth ihre Finger im Spiel hatte, floss Blut – das würde Jamie auch heute noch stock und steif behaupten. Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft sie Sēiichī aus der Scheiße geholt hatte, um ihn vor dem sicheren Tod zu bewahren. Jamie hätte damals auch immer behauptet, dass man ihr nicht danken musste, weil sie selbst schuld war, dass all diese Dinge überhaupt passierten. Er war voller Hass gewesen, noch mehr als heute. Vor genau zwölf Jahren hatte er seine große Liebe verloren. Sie war eine vollendete Schauspielerin und eine gute Freundin von Chris gewesen. Sie hatte immer Witze gerissen, weil sie beide ja fast den gleichen Namen trugen. Aber Chris Vineyard trug die Maske des Teufels und er konnte bis heute nicht verstehen, was genau seine Frau an dieser Dame gemocht hatte. Er jedenfalls hatte keinen Grund gefunden… Nun denn, Christina konnte Jamie diese Antworten nicht mehr geben, er wusste nur, dass seine zweite Frau nicht besser gewesen war, als Chris selbst. Dass sie ihn benutzt und betrogen hatte. Auch er war einmal jung und naiv gewesen, so wie Sēiichī heute… Deswegen hatte er ihn so viele Male gewarnt. Natürlich konnte man sagen, er war ungerecht, denn Sēiichī konnte vielleicht alles schönreden, so wie es ihm besser in den Kram passte, aber er war weder dumm, noch blind. So sehr viele dachten, seine Liebe zu Vermouth war gänzlich oberflächlich, er würde dafür heute nicht mehr die Hand ins Feuer legen. Man ließ sich von so einer Frau nicht so lange fesseln, wenn man nur ihr Äußeres gut fand. Der 34-jährige hätte auch nie geglaubt, dass diese Sache solange dauern würde. Er war es irgendwann leid, dieses dumme Kind zu erziehen, was einfach nicht hören wollte. Er hatte sich gesagt, irgendwann würde Sēiichī die Nase voll haben, wie von jeder Frau bisher. Diesen Tag hatte er vergebens herbeigesehnt. Jeder noch so kleine Streit, von dem er erfahren hatte, hatte ihn hoffen lassen, bis zuletzt. Jamie kannte Frauen wie Vermouth, die würden zum äußersten gehen, um zu verhindern, jemanden, der eine gute Partie war, wieder zu verlieren. Zu welchen Mitteln sie gegriffen hatte, um Sēiichī so abhängig zu machen, wusste er nicht und irgendwie wollte er es auch nicht wissen. Sie war eine Intrigantin, die viele Trümpfe im Ärmel hatte, um einem Mann den Verstand zu rauben. Sie umgab sich mit Geheimnissen, die sie interessanter machten. Dabei konnte sie genauso langweilig sein, wie der Rest der Frauenwelt. Aber das würde Sēiichī ihm eh nie glauben. In mancherlei Dingen war sie eben doch einfach nur eine Frau… Die wollten in erster Linie alle dasselbe. Ein zufriedenes Leben mit Kindern, mit einem anständigen Mann an ihrer Seite, kurz eine glückliche Zukunft. Doch Jamie bezweifelte, dass sie das einem Spinner wie Sēiichī so klar offenbart hatte. Dann wäre sie ja gewöhnlich gewesen…   „Ob nun der Umstand, dass Sharon Vineyard Vermouth ist und meine Cousine, oder die Tatsache, dass ich diese Frau mochte und womöglich sie zu sehr mochte, so wie sie damals war – ich vermag nicht zu sagen, was ich schockierender und grausamer finde, zu wissen. Oder ob ich doch am schlimmsten finden soll, dass sie den Mann meiner leiblichen Mutter getötet hat, die eine Affäre mit James Black hatte, der ich entsprungen bin… In meiner Vergangenheit waren stets Frauen das Problem. Frauen und ihre Mistkerle von Männern. Mein Vater, der intrigante FBI Boss, oder der Boss der Schwarzen Organisation – die geben sich gewiss nicht viel. Als ich ein kleiner Junge war, habe ich doch all das nicht verstanden. Ich wurde von der Schwester meiner Großmutter adoptiert. Damit sind Sēiichī und ich nicht einmal blutsverwandt, Yuichi. Du wirst mich wahrscheinlich ziemlich gut verstehen, dass er mir trotzdem wichtig ist, oder? Für dich ist Sēiichī ja auch ein bisschen wie ein kleiner Bruder, nicht wahr?“ Das hatte Jamie schon lange herausgefunden. „Das stimmt, ich verstehe dich. Und ich würde ihn immer beschützen wollen, mit allen Mitteln.“ Jamie bemühte sich wirklich, damit der Trübsinn aus seinem Gesicht wich und er lächeln konnte, wie Yuichi ihn gebeten hatte. Aber es war ein zutiefst trauriges Lächeln. „Die Mutter von Sharon war eine Moore und meine Tante. Als wenn das nicht schlimm genug wäre…“ Er raufte sich die Haare, denn per se hatte er nie einen Groll gegen sie gehegt, nur gegen das, was sie später geworden war. „Als Kind fand ich sie mehr als nur sympathisch. Ich war um die 10 Jahre alt und wir lebten im gleichen Land. Sēiichī war gerade erst geboren und obwohl ich seine Eltern alles andere als mochte, war ich sehr oft dort und passte auf den Kleinen auf. Mir war doch als Kind vollkommen egal, ob wir blutsverwandt sind oder nicht. Die Beiden hatten viel in der Universitätsklinik zu tun, wo irgendwelche Forschungen gemacht wurden. Eigentlich eine gute Sache, denn auf dem Gebiet der Forschung sei sehr viel möglich. Eines Tages würden Menschen nicht mehr einfach so an Krankheiten sterben, man würde sie retten können. Von diesen Sachen verstand ich nichts und wollte auch nichts davon verstehen. Sēiichī war viel alleine mit seinem älteren Bruder, Ersterer hat schon als junger Mensch so viel ertragen müssen. Seine Großmutter war die einzig normale in seiner Familie. Yohko Iwamoto hat Sharon stets versucht aus ihren Familienbelangen herauszuhalten. Jedes Mal, wenn die beiden sich trafen, gab es Streit und es kamen die wildesten Anschuldigungen, dass sie gefälligst verschwinden soll, ihr Kind kriegt sie nicht! Trotzdem war Yohko eine der wenigen Personen, die ich kannte, von denen ich wusste, dass die Sharon nicht mochten. Sie erfreute sich äußerster Beliebtheit. Bei Mann und Frau. Eine tolle Frau, ohne Frage. Das hätte damals jeder bestätigt… Dann kommt raus, dass sie mehr Leichen im Keller hat, als so manch anderer Mensch … Und Sēiichī? Der verschließt einfach die Augen vor Tatsachen. Ich könnte ihn so schockieren, aber ich tu’s nicht. Ich bin manchmal gemein, aber kein Unmensch. Es wäre nicht fair, wenn ich ihre Leichen aufzähle, um zu schauen, wie viel es braucht, um ihn abzuschrecken.“ Yuichi hatte sich zurückgelehnt und hörte weitestgehend nur zu. „Sie dachte, dass man ihr das Kind wegnehmen will… Interessante Geschichte, denn so weit ich weiß, ist Sēiichīs Mutter tot und ich würde Vermouth sogar zutrauen, dass sie es war.“ „Ehrlich gesagt, ich würde sie sogar dazu beglückwünschen“, gab Jamie betreten dreischauend zu. „Sēiichī sagte einmal, dass seine Mutter ihn zu sehr geliebt hat… Ich habe mich immer geweigert, darüber genauer nachzudenken, denn er fand es belastend. Eltern können ihre Kinder doch gar nicht zu sehr lieben. Das denken die meisten jedenfalls, aber in Yohkos Fall… Lassen wir das. Ich bekomme sonst Brechreiz.“ Jamie nahm sich, da er unglaublich viel redete jetzt einen Schluck Wasser, um seine Kehle zu befeuchten. „Schade, dass sie es dann nicht mehr mitbekommt, wie erfolgreich diese Frau damit dann wohl war. Auch ich will darüber mir keine näheren Gedanken machen. Denn sonst werfe ich ihr noch vorsätzlichen Mord vor. Merlot hätte sicher entschieden etwas dagegen, dass sie ihren Sohn bekommt – in welcher Weise auch immer.“ Yuichi war wirklich nicht gehässig, aber auch er war nicht komplett unwissend und wusste, was für ein Mensch Sēiichīs Mutter gewesen war. Bestimmt dachte Vermouth doch damals, dass diese Frau nicht mal ein Kind verdient hatte… und fragte sich, wieso sie so gestraft war, um nicht dieses Glück zu haben… Ja, wer weiß – aber es war nahelegend. „Sie wusste von Anfang an, wer Sēiichī ist und sie hat Chardonnays Plan, ihn zu erledigen, auch vereitelt. Warum und weshalb zählte für mich in dem Moment nicht. Denn sie hat ihn gerettet und ist dann ohne ihn abgehauen. Sie hat ihn nicht gleich einkassiert, so wie das sicher andere getan hätten. Ich muss euch auch wirklich danken, dass ihr euch um ihn gekümmert habt. Seine richtige Familie war ja nie da. Sie sind nach Japan gekommen, um hier ihre Studien weiter zu betreiben… Dann sind sie spurlos verschwunden und haben ihr einziges Kind alleine sitzen lassen.“ „…Das war nicht unbedingt etwas Schlechtes“, sagte Yuichi neutral, denn er hatte seine eigene Meinung dazu, ob es besser gewesen wäre, ihren kleinen Sohn mitzunehmen – in eine Organisation… Natürlich hätten sie zumindest dafür sorgen können, dass er irgendwo unterkommt, aber es war alles besser, als in die Organisation zu müssen, weil man keine Wahl hatte. „Das ist die eine Sache. Ich bin sehr zwiegespalten und auch leider vorbelastet, was schöne Frauen angeht, die alle um den Finger wickeln… Vor allem, wenn sie so tolle Schauspielerinnen sind, wie sie. Man weiß nie, wann sie nett ist und wann sie nett tut, ebenso wenig wie man ohne Zweifel sagen kann, dass sie all das Böse nur spielt. Außerdem ist jeder Mensch mal böse, sogar ich.“ Jamie war nun wirklich nicht die Ausgeburt des Bösen, aber auch er hatte seine schwarzen Gedanken, die ihn manchmal begleiteten. „Was mich wirklich so quält… Ich weiß nicht… vielleicht das Gesamtpaket.  Genauso, die Tatsache, wie ich von James Blacks Falschheit erfuhr und deswegen unter keinen Umständen zum FBI wollte, weil die schon immer falsch waren. Dass ich Sharon mochte und ihre Tochter Chris hasste, eine Sache, die sie sich geschafft hatte, um hineinzupassen…“ Er konnte sie immer noch nicht hassen, aber er wollte Sēiichī auch nicht sagen müssen, wer sie war…   Nicht weit entfernt war das Rauschen der Dusche lautstark zu hören, obwohl die junge Frau mit dem braunen Pferdeschwanz neben der Tür gelehnt stand und die Augen geschlossen hatte, während sie der Konversation lauschte. Aber sie war nicht die Einzige, die all das nun hörte… Kir wusste, dass Yuichi sicherlich entrüstet sein würde, ebenso wie schockiert. Sie war erleichtert darüber, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Dass nicht das FBI ihnen zuhörte… das hätte nichts Gutes für Jamie bedeutet. Wenn dieser James Black so schrecklich war, dann war es gut so, dass sie sich entschieden hatte, keine gemeinsame Sache mit dem FBI mehr zu machen. Yuichi hatte immer gesagt, dass das FBI fast so schlimm agierte wie Vermouth. Dass man nie wusste, was sie vorhatten. Das lag vor allem am Einstieg in die Organisation eines ihnen allen bekannten FBI-Mannes. Shūichi Akai. Auch ohne in ihre Köpfe zu sehen, wusste er, Kirs Attentat auf diesen Mann würde ihr eines Tages großen Schaden zufügen, wenn sie nicht jemand beschützte. Yuichi hatte ihr versprochen, dass er dann da war, um die nötigen Schritte einzuleiten, um seine Freundin zu beschützen. Wenn sie all das überstanden – der Ausgang der Sache war schließlich ungewiss. Valpolicella liebte Carpano – Kir liebte Yuichi. Diese Rotblonde würde sie mit Freuden opfern, noch lieber als sie Vermouth das Licht ausblasen wollte. Sie alle hatten ein hartes Los zu tragen. Der Fakt von Kirs Unwissenheit, dass sie den FBI-Agent nicht töten würde, ließ nur einen Schluss zu. Dass sie dieses Opfer in Kauf genommen hatte. Wer wusste schon, wie nachtragend das FBI am Ende war. Sie hatten die Frau ausgetrickst, aber es war trotz allem ein versuchter Mordanschlag. ‚Und du, Sēiichī… Welche Trümpfe hast du auf Lager, um Chris zu helfen? Ich hoffe ernsthaft für dich, dass du genauso schlau bist, wie du immer tust. Wenn du dir an der Sache schon derartig die Hände schmutzig machst, dann solltest du einiges im Petto haben… Bist du wirklich so unwissend? ’ Die Cia-Agentin konnte wenig für Vermouth tun, denn sie gehörte nun einmal einem Geheimdienst an, der zwar die Befugnis hatte, Informationen zu sammeln, aber ansonsten eher machtlos war. Das FBI könnte einfach so jemanden verhaften… Auch sie selbst. Sie musste Yuichi vertrauen, der ihr versichert hatte, Derartiges würde nicht eintreten. Selbst wenn, gab es jemanden, der sie von dort schnell wieder wegholen würde… Immer noch fragte sie sich, wer das wohl war. Oder vielleicht mehrere Personen? Auch ihr Freund barg Geheimnisse, trotz allem vertraute sie ihm. Er hätte keinen Grund sie zu hintergehen, immerhin tat er alles dafür, dass sie überlebte, nicht wahr? Er log nicht, wenn er ihr in die Augen schaute und ihr sagte, ich liebe dich. Sie hielt verzweifelt an dieser Liebe fest und niemand konnte sie vom Gegenteil überzeugen. Sie lächelte für einen Moment. ‚Ich kann dich so gut verstehen, Sēiichī… Ich lasse auch nichts auf ihn kommen.’   Jamies Augen füllten sich mit Tränen, obwohl er kein schwacher Mann war, dem das allzu schnell passierte. Man sah die Emotionen, die er tief in sich vergraben hatte. ~We can be both of god and the devil~ das passt eigentlich sogar dazu, was sie getan hatte. Sich total zu verändern. Zu einer Frau, die andere Menschen benutzte. Jamie sank nach vorne und so sehr er sich zusammenriss, so viele Male wie er es vermieden hatte, gerade kam so viel zusammen. „Dass ICH mit dieser Frau so eng vertraut bin. Oder schlimmer, dass James Black mein leiblicher Vater ist… Der gemeinsame Sache mit dem Kerl macht, den Sēiichī und ich so sehr hassen. Den wir beide zur Strecke bringen wollten… Sēiichīs Gründe, so etwas zu tun sind vielseitig. Er hat noch nie verstanden, was Männer dazu hinreißt, gewalttätig gegenüber Frauen zu sein. Sein Ziel war immer, die Welt zu verbessern, denn das ist auch mein Ziel. Er hat versucht es zu erreichen, indem er Frauen vor Männern rettete. Vergewaltiger, die braucht unsere Welt nicht, sagte er und erschoss sie. Schon damals hatte er sowohl das Potenzial ein Killer zu sein, ebenso wie er die guten Anlagen hatte, die einen Kriminalisten aus Leib und Seele ausmachen. … Tja und ich…? Ich bin so verhasst, auf so viele. Weil ich nun einmal Detektiv bin, stelle ich viele Ermittlungen an, auch verdeckte und ich habe so viel herausgefunden… Ich wünschte, dass ich die Wahrheit nie gekannt hätte… James Black schert sich nicht einmal darum, dass ich existiere…“ Seinem Vater war er egal, denn er leugnete seine Existenz noch immer. Die Wahrheit konnte wirklich wehtun, aber inwiefern Jamie nun wirklich die Wahrheit kannte, war mehr als fraglich. „Zum Glück habe ich mir nie sonderlich viele Gedanken um sie gemacht, ich denke, es war das Beste, was mir einfallen konnte.“ Wenn Yuichi Jamie so sah, der diese Frau eigentlich hasste, aber anscheinend dann doch nicht genug, um sie von ihrem armseligen Leben zu befreien, denn wie man es drehte und wendete, auch er wusste, wie verdammt satt Vermouth ihr Leben so manches mal gehabt hatte. Er hatte nie einen Grund erfahren, aber manchmal konnte man ernsthaft glauben, sie lehnte sich nur zu gerne aus dem Fenster und war mit Absicht frech. Geradezu als wenn sie austesten wollte, wie weit sie gehen konnte. Nach außen war sie so kühl, dass man ihr nachsagte, sie wäre nur schwer in Angst zu versetzen, beziehungsweise, würde so etwas gar nicht kennen. Aber JEDER Mensch, egal wie robust er war, jeder hatte Angst und jeder kannte sie. Nur der eine stärker, der andere weniger. „Mein eigener Vater… macht gemeinsame Sache mit einem Killer, nur weil er so eine Frau nicht fassen kann. Sie tanzt dem FBI seit Jahrzehnten auf der Nase herum. Er hat ja sogar einen Deal mit Chardonnay geschlossen. Sēiichī würde eine Bombe beim FBI zünden, wenn er das wüsste, was die beiden Scheißkerle miteinander zu tun haben. Er jagt sie ja alle so fein und schön und hetzt ihnen seinen Schoßhund Akai auf den Hals, genauso wie er Jodie schamlos ausnutzt… Glaub mir, ich würde lieber sterben als meinem Vater bei so etwas zu helfen.“ „Glaube ich sofort, denn es erübrigt sich, wenn man Chardonnays Leidenschaften kennt, was er mit so einer Frau gern tun würde.“ Jamie beruhigte sich nur wenig von seiner Verzweiflung, so dass Yuichi jetzt doch zu ihm heranrückte, ohne ihm zu nahe treten zu wollen und seine Hand aufmunternd auf dessen Schulter legte. „Ich verstehe dich vollkommen. Wir beide haben trotz allem immer noch einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, nicht wahr? Nicht, dass ich gerne den Retter für sie spielen würde, aber sie diesem Kerl ausliefern… Dazu gehört sehr viel Skrupellosigkeit. Da fragt man sich glatt, woraus der Deal bestand. Da muss Chardonnay ja auch etwas für ihn getan haben…“ Nicht direkt fragte er ihn, aber es hätte ihn jetzt doch interessiert. „James Black und Chardonnay sind alte Freunde… Diese Freundschaft hat er anscheinend genutzt, um Shūichi Akai in die Organisation zu schleusen. Nun ja, eine Hand wäscht die andere. Der Freund meines Vaters wollte nur eines, dass man ihm Vermouth schnappt, weil er alleine es nicht mit dieser Frau aufnehmen konnte. Sie hatte ihm schon früh tapfer die Stirn geboten und sich seinen Annäherungsversuchen entzogen. Sie konnte er nicht einfach missbrauchen, wie die anderen Frauen, ebenso wenig wie er sie hätte umbringen können. Sie hasste ihn aus den Gründen, die Frauen eben dazu bringen, Männer zu hassen. Diese Pläne, die waren meinem Vater bekannt und dennoch hätte er ohne mit der Wimper zu zucken, ihm Vermouth ausgeliefert mit dem Wissen, dass sie dann missbraucht wird. Ich mag es nicht einmal aussprechen, inwiefern er das getan hätte. Meine Verwandte, Joanne Moore, die Schwester von Sharons Mutter, die mich adoptiert hat... Sie hat diese ganze Scheiße überlebt. Liegt wohl daran, dass sie sich vom Vater ihrer Kinder getrennt hatte, um sich meilenweit in Sicherheit zu bringen, ehe die ganze Sache eskalieren konnte. Meine Mutter ist eine herzensgute Frau und es ist nur ihrem scharfen Verstand zuzuschreiben, dass sie überlebt hat.“ Jamie sprach ohne Zweifel nicht von seiner leiblichen Mutter. „Sharons Mutter hatte da nicht so viel Glück. Sie ist mit um die 30 schon gestorben, das ist fast 50 Jahre her. Danach ist ihr Vater total durchgedreht. Man kann sich darüber streiten, ob es an der Liebe zu seiner Frau lag, oder am Hass, der in ihm über die Jahre gewachsen ist, weil er alles verloren hat. Alle haben ihn für tot gehalten, nachdem er verschwand. Eine ähnliche Geschichte hat sich in Sēiichīs Leben auch ereignet. Was für ein Zufall… Seine Eltern sind auch spurlos verschwunden und ohne das Zutun von Chardonnay, dem ach so tollen Freund von James, wäre der junge Sēiichī bestimmt nicht so einfach in Kontakt mit der Organisation gekommen. Deine Entführung war nämlich nicht der Grund. Er wusste nicht, dass Chardonnay und das mysteriöse Verschwinden seiner Eltern, sowie die Sache, die man dir angetan hat, einen Zusammenhang hatte. Das hat er erst viel später herausbekommen, dass Chardonnay der Organisation angehört, die dich einkassiert hat. Was Sēiichīs Eltern angeht, er wäre sicher schon bei einem von uns gewesen, um seine Verzweiflung lautstark kundzutun, er war schon immer emotional.“ Das sagte der Richtige, der nun mit Tränen in den Augen sein Herz ausschüttete. „Wenn er alles wüsste, was ich weiß, dann… Sogar Vermouth hat zu der Sache geschwiegen, was mich aber auch nicht so sehr wundert. Ich bin nicht mal sicher, ob Sēiichī ihren richtigen Namen kennt. Den wollte sie ja mit ihrem alten Leben begraben. Vielleicht hätte er die Sharon, die ich kannte, auch gar nicht so sehr geliebt, wie das Miststück, zu dem sie in den vielen Jahren geworden ist. Sēiichī konnte schon immer Menschen überraschen, daher möchte ich nicht darüber urteilen, was wäre wenn… Vielleicht würde es ihm um ihr Schicksal leidtun. So viel besser als das Aktuelle wäre das wohl kaum.“ Yuichi wusste, dass viele Menschen Sēiichī unterschätzten. Es war alles sehr verworren und bestimmt wusste Jamie noch viel mehr über die ganze Familie. Auch in seiner Familie gab es eine Menge schwarze Schafe, da konnte man nur jeden beglückwünschen, wo nicht einer etwas mit der Organisation zu tun hatte und mit keinem unter der Decke steckte. „Weißt du… Ich weiß nicht, wie sie war, dafür bin ich zu jung. Vielleicht klingt das grotesk, aber Sēiichī ist mitfühlender, als ihm so mancher zuschreibt. Du bist ja auch nicht eiskalt. Natürlich würde ihm leid tun, was ihr vielleicht widerfahren ist… Es ist lächerlich, zu glauben, dass es nicht so wäre. Er hat ein Kind mit dieser Frau und würde im Augenblick sogar mit dem Teufel einen Pakt machen, um BEIDE retten zu können. Sēiichī ist nicht der Typ dafür, um seine Familie im Stich zu lassen. Er hat sich Jahrzehnte gesträubt, einzusehen, dass sein Bruder alles andere als seine Liebe verdient. Bei ihm verschloss er immerzu seine Augen… Dieser Kerl ist seinem Vater Chardonnay nicht unähnlich. Den hasst Sēiichī bis aufs Blut… Er würde alles geben, um ihn loszuwerden… Aber für seinen Bruder ist er zu weich.“ „…Gewesen…“ Yuichi wollte es nicht sagen, aber er wusste, dass Sēiichī zwar im Affekt gehandelt hatte, aber bestimmt schon wieder Gewissensbisse hatte. So war er eben…   Kir seufzte. So viele Dinge. Vor allem so grausame Dinge… Schon ihr Vater hatte gesagt, dass er vermute, die Organisation habe so gut wie in allem ihre Finger mit drin. Unter anderem in der Ermordung eines Politikers, dessen Tod bis heute noch nicht richtig aufgeklärt werden konnte. Er wollte alles aufdecken. ALLES rund um die Organisation. Das hatte die junge Frau nicht vergessen. Noch heute vermisste sie ihren Vater schrecklich, der sein Leben geopfert hatte, nur um seine Tochter zu retten.   Seitdem Ryochi und Sēiichī zusammen im Auto gesessen hatten, war nun eine ganze Stunde vergangen. Wie Jamie noch Yuichi erzählt hatte, verhinderte man das Schlimmste. Es war Jamies Freundin selbst, die sie ins Präsidium begleitet hatte. Eine junge, hübsche Frau, die Shina nicht unähnlich sah, was Ryochi einen Moment lang aus der Bahn geworfen hatte, aber nicht zu sehr. Sēiichī hatte ihn aufgeklärt, sie sei auf ihrer Seite, aber sie wollte beide nicht mitnehmen und ließ sie sitzen, während sie den Fall mit einer ranghohen Person besprach. Sie aus dieser Sache so auszuschließen… Ryochi war sauer, ernsthaft konnte man meinen und wollte nicht ausgeschlossen werden. Schon gar nicht, wenn die ranghohe Polizeiperson sein eigener Vater war. „Wie mir scheint, ist Vermouth nicht das Einzige, was du mir verschwiegen hast, oder wie? Allmählich bin ich echt sauer.“ Sēiichī fand es eher putzig, wenn er sich so aufregte, denn in dem Fall war er völlig unschuldig, auch wenn sein Freund ihm das wohl nicht glauben würde. „Reg dich nicht auf, ich bin genauso unwissend, wie du. Anscheinend hat Jamie sie geschickt, bestimmt macht er sich wieder Sorgen um mich…“ „Ich frage mich, was sie mit meinem Vater beredet.“ Als die junge, hübsche Frau wieder zu ihnen zurückkam, lächelte sie fröhlich und wirkte wie ein kleines Mädchen. Ryochi jedoch ließ sich nicht beeindrucken. „Also?“ verlangte er Antworten, woraufhin sich die Detektivin direkt neben ihn setzte. „Ihr Vater hat mir erlaubt, dass ich Sēiichī erst einmal mitnehme… Es war nicht einfach, ihn zu überzeugen, aber ich habe ihm hoch und heilig versprochen, dass ich auf ihn aufpasse.“ „Hey, auf mich muss man nicht aufpassen!“ erwiderte Sēiichī trotzig, aber die beiden Anderen wussten, wie falsch diese Annahme war. Sēiichī glaubte es wahrscheinlich nicht einmal selbst. Es widerstrebte ihm ja nur, dass wieder eine Frau auf ihn aufpasste. „Ja, vor allem keine Frau, nicht wahr?“ sagte sie geheimnisvoll, um ihn etwas zu ärgern, dabei lächelte sie ein bisschen bittersüß. „Warum ihr Männer immer glaubt, alles alleine schaffen zu müssen… Du bist in einer sehr misslichen Lage, mein Junge“, sagte sie und man merkte daran, dass sie älter als Sēiichī sein musste. Das stimmte so auch, sie wurde 32 und ihr Halbbruder war ein Kollege von Jamie. Trotzdem fand Sēiichī das gerade überhaupt nicht witzig. „Haha, ich habe selten so gelacht! Takeshi Akaja will mich also gehen lassen, obwohl ich ganz offensichtlich jemanden umgebracht habe! Wieso um alles in der Welt sollte er das tun? Was für Geschichten hast du ihm erzählt? Los rede!“ So unfreundlich gegenüber Frauen war man Sēiichī nicht gewohnt. „Jamie hat mir aufgetragen, dass ich dich wegbringe, also hör auf überflüssige Fragen zu stellen. Außerdem könntest du die Antwort sehr leicht selbst finden… Denk doch ein bisschen darüber nach, vielleicht kommst du dann darauf?“ Sēiichī schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich werde mich keinen Millimeter bewegen, wenn du mir nicht sagst, wie du das angestellt hast!“ Er war bockig, wie ein kleines Kind und sie schmunzelte. „Du bist richtig niedlich, wenn du schmollst.“ „Huh?“ Sēiichī sah sie verwirrt und perplex an, als sie das sagte, dann wurde er rot und schon war er aufgesprungen. „Ich bin nicht niedlich!“ Sie wirkten, als wollten sie über etwas total Belangloses streiten und Ryochi spielte den Beobachter. „Sie hat bestimmt gesagt, dass du meinem Bruder das Leben gerettet hast und da ist mein Vater gnädig gewesen… Außerdem weiß der ohnehin bescheid, was ihr beide treibt. Kaum zu glauben, für wie dämlich du *unseren* Vater hältst.“ Sēiichī seufzte und die Hellbraunhaarige nickte. „Wir sollten hier wirklich keine Wurzeln schlagen, Sēi-chan“, sagte sie jetzt etwas ernster, nachdem sie noch so strahlend gelächelt hatte. „Dein Auftrag ist fehlgeschlagen, deswegen wollte er dich auch eigentlich nicht gehen lassen. Katori hat auch mir und Jamie mitgeteilt, dass Shawn in Sicherheit ist. Das ist doch das Wichtigste, nicht wahr? Ich weiß sogar, wo sie ihn hinbringt.“ Sēiichī war einfach zu wütend in dem Moment, weil er so bemuttert wurde und schnaubte abermals. „Nenn mich nicht so! Das tun nur enge Freunde von mir, alle anderen haben nicht die Erlaubnis, meinen Namen zu verniedlichen.“ „Aber er passt doch zu einem niedlichen Kerl“, sagte sie, unbeeindruckt mit den Schultern zuckend. „Du bist wirklich ungehorsam, kein Wunder, dass Chris sich immer über dich aufregt! Irgendwann kriegt sie einen Herzinfarkt, dann darfst du dich verantwortlich fühlen, mein Lieber!“ „Wie bitte?“ Sēiichī war schockiert davon, was ihm da gesagt wurde. „Ungehorsam? Du überspannst den Bogen, meine Liebe!“ Sein Gesichtsausdruck wirkte ernsthaft wütend, das schaffte kaum eine Frau, ihn so aus der Fassung zu bringen, was Ryochi dann doch interessant fand. ‚Ich fühle mich, wie in einer Komödie. Wenn sie so weitermachen, finde ich noch Dinge heraus, die Sēiichī missfallen. Komm schon, provozier ihn noch ein bisschen mit Dingen, die ihn ärgern. „Oh, findest du? In the last two years, you give this woman a very hard time.” Sie klang sehr angreifend. „If you cannot protect yourself, other people will have to do this job. Jamie want you to come with me, so stop being stubborn.” Sie hatte von Japanisch zu Englisch gewechselt, was ihr aber nicht einfach so passierte, immerhin war sie Amerikanerin, so wie Jamie auch. „I am not that weak.“ Das schien Sēiichīs einziges Problem zu sein, jedenfalls wirkte es im ersten Moment so. Sein Anflug von Wut, mit dem er die 32-jährige für ihre Fürsorge verdammt hatte, verpuffte in dem Moment, obwohl sie nicht eindeutiger davon reden konnte, dass man ihn beschützen wollte. „It’s not my only problem. My real trouble is a promise I made to her long time ago. To be there and never leave her alone…” Er wirkte ruhiger, lehnte sich gegen die Wand und wirkte nachdenklich, auch wenn er die Arme verschränkt hatte. „Außerdem ist Weglaufen das Schrecklichste, was ich mir vorstellen kann.“ Sēiichī öffnete die Augen und wirkte fest entschlossen, sich nicht umstimmen zu lassen. Zwingen konnte ihn sowieso keiner. „What the fuck! Are you serious?! Geez, give me a break!” Der rasselnde Atem der Frau verriet, dass sie wirklich besorgt war. „Do you think, she cares? She breaks her promises too. If you don’t know that, you are blind, Sēiichī.” Ryochi beobachtete sie und fand, dass sie sich sehr aufregte. „Also wenn deine Beziehung zu Chris auch nur im Entferntesten so aussieht, kann ich verstehen, dass sie sich so manches Mal über dich aufregt. Du bist wirklich ein sturer Esel. Siehst du denn nicht, dass sie ernsthaft besorgt um dich ist? Jetzt sei nicht so stur und lass zu, dass man dir aus deiner beschissenen Lage hilft.“ „Ich will aber keine Hilfe! Warum denken immer alle, dass man mich retten muss? Vielleicht will ich ja gar nicht gerettet werden…?“ fragte Sēiichī, dabei sah er aus, als wenn er sehr genau wusste, was er tat, aber er tat oft stark, sogar dann, wenn er es nicht war. Nachdem man ihn so getadelt hatte und die Frau bereits ernsthaft wütend war, sie noch so zu ärgern, war einfach zuviel, vor allem bei dem, was er da vom Stapel ließ. Sie konnte einfach nicht mehr die Wut zurückhalten und weil er gerade nicht darauf gefasst war, landete ihre Hand in seinem Gesicht, ehe sie ihn wütend wie eine Furie anbrüllte. Dabei veränderten sich ihre Augen und man konnte wirklich Angst bekommen, so wie sie ihn runterputzte. „Das ist nicht alleine deine Entscheidung!“ Sie schnaubte und atmete schnell. Ja, sie war explodiert über so viel Stursinn und Idiotie. „Falls du es vergessen hast, Sēiichī…“ Ihre Stimme klang Furcht einflößend, aber sie hätte ihm nie wirklich etwas angetan. Dieser Mann, er zuckte nicht einmal, als sie ihn schlug. Ihre Hände griffen sich sein Hemd und sie zerknüllte es, dabei sah sie ihm wütend in die Augen. „Du hast doch keine Ahnung, wovon du da sprichst! Du bist kein Feigling, nur weil du das Weite suchst in solch einer Situation. Denk an Shawn. Ich glaube einfach nicht, was ich höre. Was soll denn werden, wenn euch keiner rettet? Soll dieses arme Kind, wie so viele ohne Eltern aufwachsen? Hast du denn kein Herz? Ist dir das denn gänzlich abhanden gekommen?“ Sie zerrte an ihm, dabei schüttelte sie ihn regelrecht und er wirkte weiter, als wollte er stur sein. „Mit keinem Wort sagte ich, dass ich mich umbringen lasse. Ebenso wenig, wie ich zulassen werde, dass ihr etwas geschieht. Sie ist die Liebe meines Lebens und die Mutter meines Kindes. Wie könnte ich sie denn in dieser Scheiße alleine lassen? Was wäre ich für ein Mann, wenn ich auch nur daran denken würde, zu fliehen?“ „Dann wärst du ein vernünftiger Mann.“ Die Worte kamen leicht bedrückt. „Wäre das so verwerflich für dich, einmal Vernunft walten zu lassen? Außerdem… Sometimes it isn’t like it seems…“ „… That’s true“, sagte er, einen Moment rang er mit sich und legte seine Hände an die der Frau, die ihn so verzweifelt schüttelte. „Ich muss für alle wie ein hirnverbrannter Vollidiot wirken.“ In seinen Augen standen die Tränen, mit diesen sah er der 32-jährigen direkt in die Augen. „Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Es tut mir um all die Menschen leid, die meinetwegen so viel ertragen müssen.“ Er nahm sanft ihre Hände von sich und bewies, welche Art Mann sich hinter ihm verbarg. Er wäre gegenüber einer Frau nie brutal geworden, sei es noch so eine große Furie. „Jamie sagte immer, dass du eine ruhige und besonnene Frau bist. Schon lustig…“ Er rang sich ein Lächeln ab. „Wir träumen immerzu von einer besseren Welt. Von einer Welt, in der wir frei sind. I cannot run away and leave behind, what is important to me. Das ist leider nicht nur Chris. Wenn ich weglaufe und dann etwas passiert, könnte ich mir das nie verzeihen.” „Sēiichī Iwamoto, du denkst wirklich, dass du unentbehrlich bist! Man, bist du eingebildet. Aber anderen vorwerfen, sie seien es. Jetzt komm mal runter von deinem hohen Ross! Es ist bereits für alles gesorgt! Wie viele Menschen willst du noch ermorden müssen? Glaubst du nicht, dass du sie sehr unglücklich machst, wenn du so viel riskierst? Du bist mit dieser Frau seit Jahren zusammen, gerade weil du sie glücklich machen wolltest, oder etwa nicht? Ist das nicht Grund genug, um ihr jetzt den Gefallen zu tun, artig das zu tun, was man dir vorschlägt. Glaube mir, sie ist kein bisschen böse auf dich…“ „Ach, und woher willst du das wissen, du Schlaumeierin? Hast du sie gefragt, oder was? Ihr wisst genau, dass ich es hasse, wenn Jamie und du so etwas hinter meinem Rücken tut!“ Er war absolut ungnädig, wie Frauen, die gerade ihre Periode hatten. „Übrigens…“ In dem Moment öffnete jemand die Tür, die zum Büro gehörte, aus welchem sie vor knappen fünf Minuten gekommen war und Takeshi Akaja kam heraus. Als er die kleine Gruppe sah, wirkte er ein wenig verstimmt und lief auf sie zu. „Du bist ja immer noch hier? Kannst du nicht einmal machen, was man dir sagt? Diese Frau hier hat mich förmlich angebettelt, dich mitnehmen zu dürfen. Tatsuji Fujimine wartet auf euch. Er wird die Sache übernehmen, denn ich will dich nicht in ein paar Tagen beerdigen müssen, du unmöglicher Kerl!“ Die Stimme des Hochrangigen klang besorgt und verstimmt. „Tu wenigstens mir den Gefallen, wenn du ihn schon meinem Sohn nicht tun willst. Wir alle wollen nur dein Bestes. Weißt du das nicht, Junge?“ Sēiichīs Augen wurden groß, als Takeshi ihn so rügte, aber dabei doch irgendwie noch sanft genug klang. „Aber ich habe so viel falsch gemacht…“ „Dann solltest du ab sofort das Richtige tun! Überleben für diejenigen, die dich brauchen.“ Immer größer wurden die Augen von Sēiichī und er schniefte einmal. „Aber… sie ist in einer absolut widerwärtigen Situation. Ich will sie nicht allein lassen, Vater. Denn wir brauchen sie ja noch. Ich will nicht, dass mein Sohn seine Mutter so früh verliert.“ „Ach, Sēiichī. Meinst du denn, dass ich das nicht weiß? Kein Kind sollte ohne die Mutter sein… So wie Yuichi und du. Also geh jetzt. Worauf wartest du? Ihr habt nicht die Zeit zu trödeln! Sie bringt dich erst einmal nach Hause, dort packst du alles nötige. Vor allem deinen Pass… und dann fahrt ihr gemeinsam zu Tatsuji Fujimine. Dein Junge wird dort sein. Das ist der Ort, wo du jetzt zu sein hast, findest du nicht?“ „Ich will ohne diese Frau nirgendwohin.“ „Du meine Güte… Hat irgendjemand gesagt, dass du das sollst? Also komm!“ Die Hellbraunhaarige griff nach seiner Hand und wollte ihn hinter sich herziehen. „Was meinst du denn damit?“ Es war nicht das erste Mal, dass Sēiichī den Zug verpasst hatte, was die Anwesenden seufzen ließen. „Sie weiß, dass du niemals ohne sie irgendwohin gehen würdest. Sie ist nicht blöd. Und jetzt mach endlich!“ Sēiichī warf Takeshi Akaja noch einen verwirrten, aber auch dankbaren Blick zu, der trotz allem auch so betrübt wirkte, denn er wollte auch ihn nicht einfach zurücklassen. „Bitte verzeih mir… alles…“ „Darum musst du mich nicht bitten, Sēiichī. Aber ich vertraue auf Tatsuji. Dass er es schafft, euch aus der Gefahrenzone zu bringen...“ Der junge Mann konnte einfach nicht anders, auch wenn sie noch so sehr an ihm zerrte, er riss sich los und stürmte zu Takeshi, dem er stürmisch in die Arme fiel und dabei fasst weinte. „Ich bin so dumm, wie konnte ich nur je denken, dass du mich hassen würdest?“ „Das frage ich mich auch.“ Takeshi benötigte Unmengen an Beherrschung, um nicht auch ein bisschen weich zu werden, er klopfte ihm auf die Oberarme. „Es ist niemals falsch, einer Frau in Not zu helfen… das habe ich dir ja auch beigebracht.“ „Danke.“ Er seufzte einmal theatralisch und wendete sich dann der Hellbraunhaarigen zu, ließ sich aber nicht wie einen Hund spazieren führen, so wie sie es geplant hatte. Sie konnte nicht noch einmal seine Hand ergreifen… Sie musterte ihn verwirrt, weil sein Gesicht ernst wirkte, aber auch immer noch leicht angesäuert. Weshalb ein so besonnener Mensch wie Sēiichī so dreinschaute, konnte sie beim besten Willen nicht verstehen… Was hatte sie denn bitte falsch gemacht? Er sagte nichts, lief neben ihr her, bis sie draußen waren und stieg sogar ganz brav ein, dabei wirkte er wirklich sehr bockig. Sie war erleichtert und seufzte, als sie neben ihm saß. „Oh man, nun sei doch nicht so. Kannst du mir mal verraten, warum du so sauer bist?“ Sēiichī schnallte sich wortlos an und schwieg noch einen Moment länger, dann begegneten ihr seine zornigen Augen. „Ganz einfach! Du hast mich versucht zu verarschen, dagegen habe ich etwas!“ „Verarschen?“ „Ja, ätzend so etwas! Als wäre es nicht schlimm genug, dass Baileys bei mir auftaucht, mir Honig ums Maul schmiert und so supersüß ist, dass ich fast brechen muss… Ich kann einfach nicht ausstehen, wenn man mich derartig linkt und mich dann auch noch anfasst!“ „Oh, wirklich?“ tat sie überrascht, denn Sēiichī war doch dafür bekannt, dass er keine Probleme damit hatte, wenn Frauen ihn anfassten. „Mir war so, als seiest du der Mann mit den Affären…“ „Ich war der Mann mit den Affären. Aber es gibt Geschöpfe auf dieser Welt, die mich auch in tausend Jahren nie anfassen dürften, ohne dass mir die Galle hochkommt. Baileys ist eine davon…“ Sēiichī verriet nicht wirklich, warum er so sauer war, seine Wut schien sich nach der Ansage auch nicht zu verflüchtigen. „Was versprichst du dir davon, dich als Chris auszugeben? Dachtest du, der dumme Sēiichī kommt dann ganz brav mit, weil du dich ein bisschen so verhältst, wie sie es täte? Oh bitte! Ihr haltet mich alle für vollkommen verblödet! Kommst hierher und tust so, als seiest du Chris, nur um mich umzustimmen.“ „Nein, nein, du irrst dich, Sēiichī. Weder ich, noch Chris halten dich für dumm, aber es blieb ihr leider keine andere Wahl! Die Zeit drängt wirklich, also reiß dich zusammen, du meine Güte! Sie wäre selbst gekommen, wenn da nicht gerade ein kleines Problem mit der Zeit wäre. In Gestalt von Chris Vineyard hat sie dann doch darauf verzichtet, ins Präsidium zu marschieren. Nicht, weil sie Angst hätte, dass man sie dort festhalten würde, sondern dass die falschen Personen das mitbekommen. Einige würden sich ja ins Fäustchen lachen, wenn sie sie bei so etwas erwischen. Es ist ihr nicht mehr erlaubt, im Alleingang zu handeln. Gerade würde sie so ein Risiko auch nicht eingehen wollen.“ „Ausgerechnet Jamies Freundin soll ihr helfen. Willst du, dass ich an einem Lachanfall sterbe oder so?“ Sēiichī war nicht so leicht zu beeindrucken, wie viele immer glaubten und war wirklich sauer, so harmlos mancher ihn fand. „Darüber hinaus, wieso sollte sie dir so viele Informationen über mich geben, dass du dich fast wie sie verhältst? Ich sollte denken, dass sie sich als DICH verkleidet hat…“ Er seufzte einmal und schüttelte den Kopf. Während er noch immer Streitlaune hatte, war sie losgefahren, denn obwohl Sēiichī sie wohl für eine Lügnerin hielt, hatte sie nicht gelogen. „Es stimmt, du solltest das denken und sie hat mir auch fast genau die Worte in den Mund gelegt, und wenn du dich quer stellst, hat sie mir sogar gesagt, darf ich ausrasten, weil sie das auch würde.“ Sēiichī glaubte es nicht, sein Mund öffnete sich voller Entsetzen. „Kaum zu glauben, wie weit die mal wieder geht… Warum erzählt sie nicht gleich der ganzen Welt, wie ich funktioniere…?“ Sēiichī drehte den Kopf zur Seite, war eingeschnappt und beleidigt – er hätte sogar behauptet, wie noch nie. Er ärgerte sich auch im Grunde über sich selbst, dass Chris ihn dermaßen durchschaute, dass sie einer anderen sagen konnte, wie sie sich zu verhalten hatte, damit ER dachte, derjenige sei sie. „Diese Frau wieder…“ Sein Kopf fiel gegen die Fensterscheibe, während er tief einatmete und ihr im Grunde nicht böse sein konnte, wenn all das stimmte, was Melissa gesagt hatte, dann war sie wirklich besorgt um ihn. „Kein Wort war gelogen?“ Seine Augen huschten zu ihr hinüber bei der Frage. „Nicht ein einziges? Tatsuji hilft uns, nicht nur mir?“ „Takeshi Akaja gab ich mein Wort. Jamie würde niemals etwas tun, um ihm in die Quere zu kommen. Ich bin loyal und…“ Sie senkte leicht den Blick, bei ihrem Gedanken, dabei überlegte sie, ob sie Sēiichī sagen sollte, was sie wusste. Über sich, über Jamie, über Sharon… Sie entschied, ihren Mund zu halten. Jamie würde sie rügen, wenn sie nun Familiengeschichten auspacken würde… Es gab gute Gründe, weshalb jemand wie sie, der so loyal gegenüber Jamie war, einer Frau half, die dieser verabscheute. Sie mochte es nicht, von Hass zu sprechen. Denn Hass war alles vernichtend. Jamies Abneigung, so sehr er es Hass nannte, für sie war es keiner… Die kleinen versteckten Hints in ihrem Verhalten, die so sehr dafür sprachen, dass sie Chris war, hatte er natürlich bemerkt, aber war nicht darauf eingestiegen, weil er sich todsicher war, dass sie es eben nicht war. So wirklich klar war ihm nicht, wieso er nicht darauf hereingefallen war. Vielleicht war es einfach die Tatsache, dass Vermouth in ihren Rollen versank und sich dann nie wie sie selbst benahm. Dieser Fehler passierte ihr einfach nicht. Sie hätte sich eher bemüht, so ganz und gar nicht zu wirken, als wäre sie es. So eine perfekte Schauspielerin und dann so viele Fehler. Sēiichī wusste, dass wenn sie es darauf anlegte, ihn anschmieren könnte. Wenn sie sich auch wirklich bemühte… Solange sie ihm nicht zu nah kam, würde er ihre Verkleidung nicht durchschauen. Was zu nah war, darüber ließ sich streiten. Zum Beispiel durfte sie ihn nicht küssen, er würde sie sofort erkennen. Aber es gab auch noch andere Dinge, die Sēiichī wirklich beschäftigten. Diese Frau hatte ihm immer wieder gesagt, dass sie nicht einfach fliehen konnte und nun wollte sie genau das tun… Das verstand er nicht. Hatte sie ihn belogen? Mit nicht fliehen können, meinte sie damit, nicht wollen? Er war total verwirrt und konnte sich daraus keinen Reim machen. Sie war eine Frau, trotz all der eisigen Kälte wusste er um ihre Schwächen. Wollte sie nun wirklich seinen Traum erfüllen? Mit ihm gemeinsam auszubrechen, so als glückliche Familie quasi? So gerne er träumte, sogar er bezweifelte, dass das einfach so ging. Sein Kopf drehte sich zu Melissa. Wusste sie, worauf sie sich da einließ? Einem Verräter und seiner heißgeliebten Verräterin helfen? Er wusste ja noch nicht einmal, was sie dazu bewog. Ihre Liebe zu Jamie wohl kaum. Vermouth schien ihr zu vertrauen, dabei vertraute die doch wirklich kaum einer Menschenseele…   Es gab viele Personen, die sich für ein kriminelles Verbrecher-Genie interessieren würden – für eine Person wie Vermouth. Die meisten jedoch würden sie versuchen zu benutzen. Etwas, was einige sogar als gerecht empfunden hätten. Von Yuichi wusste er, dass diese Meinung die meisten auch teilten. Praktisch hatte sie kaum Freunde. Die paar wenigen, die sie hatte, die würden eher vor ihr weglaufen, als ihr am Ende dann zu helfen. Das lag an den Intrigen, die sie innerhalb der Organisation spinnte. Manchmal hatte man sogar den Verdacht, der Boss selbst wusste nicht ganz, wer sie war. Es war geradezu gruselig, wie er ihr vertraute… Ein guter Kerl wie Yuichi würde nicht einmal sich darum reißen, ihr zu helfen, weil ihr helfen mit riesengroßen Ketten-Reaktionen verbunden war… Über diesen Satz hatte er lange nachgedacht, war aber zu keiner Lösung gekommen. Er konnte nicht ahnen, dass so manche Lösung näher war, als einem lieb war. Zum Beispiel benahm sich seine Freundin ganz merkwürdig, seit Yuichis Bekannte ihnen das Baby gebracht hatte. Riina war ein guter Mensch und er wusste, dass sie die Organisation kannte und nicht naiv war. Wieso also hatte sie so fröhlich reagiert, als er ihr offenbart hatte, wo das Kind hingehörte. Er hatte es nicht verstanden und sie anschließend gefragt. Sein Rotschopf hatte geantwortet, ob er sich das nicht denken konnte. Sēiichī sei eine gute Person, die eine große Entwicklung hinter sich hatte. Sie hatte ihn gern. Sie freue sich darüber, dass er Vater geworden war. Jemand, wie Sēiichī, der würde mit der Mutter seiner Kinder zusammenbleiben. Das fand sie gut. Die Gegenfrage, ob da total egal war, wer es war, hatte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln erwidert. Sie hielt Sēiichī nicht für dumm, sondern für brillant, wenn es darum ging, sich ins Herz von Menschen zu graben. Als sie 17 gewesen war, hatte Sēiichī sie betrogen und dennoch wünschte sie ihm nichts Böses. Es war für sie sogar okay gewesen, denn die Frau, mit der er damals Verkehr hatte, war niemand anderes gewesen als ebenjene Person, mit der er wohl jetzt immer noch eine Partnerschaft hatte. Acht Jahre waren eine lange Zeit für einen Sēiichī Iwamoto, der von Frau zu Frau rannte, um sich zu vergnügen, fand er nicht auch? Tatsuji musste ihr beipflichten. Er als Profiler wollte seine Verbrecher bestens kennen, aber ein Vermouth Experte war er nicht. Er war Experte bei anderen verkorksten Individuen. Wegen dieser Person war er auch wieder in Japan. Nach Shinas offensichtlichen Tod musste man damit rechnen, dass weitere Personen ums Leben kamen, was er natürlich verhindern wollte. Yukiko hatte ihn selbst auch gebeten, gut auf sich achtzugeben. Schon fast am Gehen hatte sie ihn noch um einen Gefallen gebeten und dabei so traurig ausgesehen… Riina war auch ein Mysterium für viele, für ihn jedoch nicht. Sie tat nichts ohne triftigen Grund. Inwiefern sie über Sēiichīs Familie bescheid wusste, hatte er auch erfahren. Sie wusste, dass sie denselben Halbbruder hatten. Ihr Vater und seine Affären. Sie verachtete ihn und lobpreiste jeden, der ihn bekämpfte. Daraufhin hatte Tatsuji lachen müssen und gesagt, dass das aber enorm sei. Sie entgegnete, dass es Personen gäbe, die alles getan hätten, um ihn zum Sturz zu bringen. Überraschend war dabei sogar, dass sie von der Feindschaft zwischen Sharon Vineyard und Chardonnay wusste. Damit hatte sie ihn verblüfft. Vermouth hätte in der Vergangenheit verhindert, dass Chardonnay erfolgreich jemanden aus der Familie in die Organisation holen konnte. Es handelte sich dabei um Riina selbst. Sie hatte damals gedacht, dass sie im Sinne von Sēiichī gehandelt habe, weil sie befreundet waren, Vertraute irgendetwas in die Richtung. Aber das war nicht der wirkliche Grund, höchstens eine Nebensache in dem Fall. Aus den diffusesten Gründen sollte sie eine Abneigung gegen den Kerl haben. Tatsuji brauchte nicht tief graben, welche Gründe das vielleicht waren. Einer davon war typisch Frau… Jamie hätte ganze Hymnen singen können mit Gründen, warum sie ihn so verabscheute. Es wunderte ihn, dass Chardonnay noch lebte. Jemand – vielleicht mehrere sogar – mussten es sehr gut mit ihm meinen…   Mittlerweile hatten sie die Person selbst hier und man könnte meinen, kaum ein Verbrecher konnte ruhiger und gelassener dasitzen, als sie. Sie hatten sie aufgelesen – mehr zufällig nebenbei, was schon schockierend genug gewesen war. Aber der 29-jährige konnte sich nicht vorstellen, dass Chris Vineyard ihn nicht kannte, oder glaubte, er wisse nicht, wer sie ist. Als sie die Tür geöffnet hatten, war ihm alles klar. Sie hatte sich absichtlich einsammeln lassen. Denn kaum, war die Tür offen, fragte sie mit regelrechter Euphorie, wo der Kleine war. Riina hatte die Tür geöffnet und war von der blonden Frau regelrecht über den Haufen gerannt worden. Sie stürmte wie ein Orkan zu dem Baby mit einem Lächeln im Gesicht, was viele Menschen noch nie an ihr gesehen hatten. „Oh mein Kleiner…“ Ihre Stimme klang mehr als glücklich und fröhlich. Sie hatte ihn rausgeholt, ohne sich die Erlaubnis zu holen – wären sie gemeine Menschen, hätten sie es ihr verboten. Es gab solche Leute, das wusste Tatsuji. Aber die beiden standen nur in der Tür und ließen ihr die Wiedersehensfreude. Es hatte den Anschein, als hätte sie bisher weniger die Gelegenheit gehabt, ihr eigenes Kind sich an die Brust zu drücken. Riina hatte Tatsuji versichert, dass man sie einen Moment außer Acht lassen konnte, sie würde ihr nichts antun… Einem sensiblen Mann wie Tatsuji legten sich einige Schalter um, als er die Frau und das Kind sah. Eine gefährliche Verbrecherin, ohne Frage, aber kaum hatte sie ihr Kind, gab es nichts Wichtigeres mehr… Es machte ihn traurig, auch ein wenig sauer, wie die Organisation mit solchen Menschen verfuhr. Von Yuichi kannte er da die schlimmsten Geschichten. Zwar hatte er Pläne ins Auge gefasst, was so manche Person anging, und er beriet das auch ganz brav mit seinen Teams, aber es gab da auch den ein oder anderen persönlichen Konflikt. Riina hatte sich vorher sehr gut um das Kind gekümmert, aber sie sah ein, dass sie gegen die richtige Mutter dann doch nicht ankam. Seine Freundin war zu ihm gekommen und hatte es zwar nur geflüstert, während sie sich an seinen Arm kuschelte. „Ich glaube, gerade ist sie glücklich. Das ist schön… So etwas mag ich… So sollte die Welt immer sein.“ Es waren so traurige Hintergründe in ihren Worten. Eine Welt voller Schmerz und Leid. Das hatte sie doch gemeint. Chris hatte alles erfolgreich und vollständig ausgeblendet, was nicht mit ihrem Sohn zu tun hatte. Sie hatte sogar vergessen, dass es ein fremdes Apartment war. Für sie zählte gerade nur, dass sie bei ihm sein konnte. Um genau zu sein hatte man ihr dieses Kind vorenthalten, sogar Sēiichī hatte ihn öfter gesehen, als sie. Man teilte ihr dann mit, sie müsse sich erst einmal verdienen, ihn sehen zu dürfen. Viele dachten, man durfte ihren Hass nicht schüren, denn der war wie eine kleine Flamme, die zu einem Großbrand werden könnte. Man musste nur die richtigen Mittel aufwenden, um aus einem kleinen Feuerchen mehr zu machen. Es gab Menschen, die fanden, dass der Boss sehr viel dafür tat, dass ihm bald die ganze Bude brannte. Aber er fand, es war das einzig Richtige bei einer Frau wie ihr, um sie unter Kontrolle zu bekommen. Gerade hatte er all seine Macht verloren. Und er wusste noch nicht einmal davon, weil Baileys sich vor Angst gerade in die Hose machte. Denn ihr Versagen hatte weitreichende Konsequenzen. Ein Mann mit seinem Kontrollzwang, würde durchdrehen, wenn ihm die Kontrolle flöten ging und er würde dann zu harten Maßnahmen greifen, um diese Kontrolle zurückzugewinnen. Zwar hatte er einige Trümpfe auf Lager, um eine Frau wie Vermouth über Jahre zu fesseln, aber ein Kind war das Schlimmste, was ihm passieren konnte. Er konnte sich nicht erlauben, dass sie schwach wurde. Hätte er sie gesehen, wäre ein direkter Tötungsbefehl bekommen. Aber wo denken wir hin? Nicht Vermouth hätte es getroffen, nein, das unschuldige Kind, was wagte, seine Pläne zu ruinieren.   Eine jung wirkende, wunderschöne Frau mit dunkelblondem Haar, was sich leicht wellte, war gerade in den Fluren der Forschungsabteilung einem ihrer Kollegen begegnet. Sie erschrak sich schrecklich und glitt gegen die Wand, als sie ihn sah. Sie benahm sich beinahe, als wäre sie einem Geist begegnet. Unmöglich… Konnte es sein? Entsprach das wirklich den Tatsachen? Er war hier? Am Leben? Das konnte doch nicht sein…   Seit guten zwanzig Minuten war der junge Mann nur gerannt. In seine Wohnung, wo er wirklich nur an das Wichtigste dachte, denn mittlerweile hatte er den Ernst der Lage auch selbst begriffen. Melissa gab ordentlich Stoff und fuhr mindestens so einen heißen Reifen wie Vermouth, wenn sie auf der Flucht vor etwas war. Mit quietschenden Reifen hielt das Auto vor der Tür des Apartments und er hämmerte gegen die Tür, als ginge es um Leben oder Tod – nun, ein wenig stimmte das ja auch. Tatsuji hatte die Tür geöffnet und sofort an Sēiichīs Atem bemerkt, dass er gerannt sein musste. Neben ihm stand Jamies Freundin mit einem zufriedenen Lächeln. Das Verhalten des jungen Mannes glich so ziemlich dem von seiner Freundin, als er sich an Tatsuji vorbeikämpfte und die Schuhe unordentlich in die Ecke pfefferte, um die Tür aufzureißen, neben der noch Riina stand. Er keuchte und sein Atem rasselte. Sein Blick fiel auf die blonde Frau und das Kind. Für einen Moment wirkte Sēiichī perplex und verwundert über das, was er sah, obwohl es ihn so sehr nicht wundern sollte… Er rannte nicht sofort zu Chris, wie er es sonst getan hätte, nach einer langen Zeit. Zum Beispiel, wenn sie am Flughafen angekommen war, nach einer 1-monatigen Abwesenheit. Dann wäre er ihr entgegen gerannt, um sie stürmisch an sich zu drücken. Doch gerade war er zu faszinierend von dem, was er sah. Nach einem Moment kam ein glückliches und zufriedenes Lächeln in seinem Gesicht auf. Er war so froh, dass sich ihm dieses Bild bot. Für einen Augenblick schien die Welt in Ordnung zu sein… Er besah beide. Den glücklichen Jungen, der endlich bei seiner Mutter sein konnte und die glückliche Frau mit dem schönsten Lächeln der Welt, dass es ihn so sehr berührte und ihm fast die Tränen kamen. Er war so glücklich wie noch nie, verteufelte all die Momente, wo er ihr unterstellt hatte, gemein zu sein. Obwohl Chris ihn nicht beachtete, war ihm das gerade einerlei, als er sie so sah. Wohl schien sie ganz fixiert auf den jungen Sohnemann zu sein. Sie sprach auf liebevolle Weise mit ihm, in seinen Augen war alles perfekt. Er bildete sich ein, dass kein Gott dieser Welt das hier zerstören wollen könnte. Ihnen all das wieder wegzunehmen, das wäre wahrlich grausam gewesen... Und er glaubte immer noch an ihn. Dass er ihn führte und leitete. Immerhin hatte er sie beide zusammen geführt. Aber er glaubte auch ans Schicksal. „Ich bin so froh“, sagte er leise und schaffte es dann doch dadurch ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ihr Blick wendete sich von dem Kind ab und fiel auf den Schwarzhaarigen, der verschwitzt in der Tür stand und sie mit einem Lächeln ansah. „Oh… Sēiichī…“, war sie verwundert. „Du hast mich gar nicht bemerkt…“, schmollte er spielerisch, lächelte dann aber absolut zufrieden und glücklich. Er würde ihr vergeben, dieses eine Mal… „Tut mir Leid“, sagte sie in wahrlich bedauernden Ton, dabei schweifte ihr Blick kurz zu dem Baby. „Es ist nur…“ „Du musst mir nichts erklären und dich auch nicht entschuldigen“, versprach Sēiichī, konnte dann aber nicht mehr an sich halten und lief in schnellen Schritten zu der Frau, die er so sehr liebte. Kaum, dass er ihr nahe genug war, drückte er ihren Kopf zu sich an die Brust, ohne dabei das kleine Würmchen zu quetschen, er nahm nur ihren Kopf, sonst nichts, dabei hatte sie den Oberkörper leicht seitlich gewendet und hielt das Kind. Aus der Ecke des Zimmers, Richtung Tür hörte man ein entzücktes Seufzen von Watarus Schwester, was fast ein wenig Peinlichkeit in der Blonden auslöste, weil Sēiichī so untypisch zu seinem sonstigen Verhalten war. Kein stürmischer Kuss, nur eine ganz zaghafte Umarmung. „Du hast lang gebraucht, mein Lieber – bestimmt warst du wieder bockig“, meinte sie mit einem kleinen Seufzen, woraufhin sie mit einem Schmollen angesehen wurde. „Es war ganz und gar biestig von dir, Chris, ihr aufzutragen, mich so zu veräppeln. Schämst du dich denn gar nicht?“ Die Hellbraunhaarige gab ein amüsiertes Lachen von sich. „Hat bestens funktioniert! Er hat sich tierisch aufgeregt und ich musste ihn am Ende sogar ohrfeigen.“ „Oh man“, meinte Chris resignierend, „du bist wirklich unverbesserlich.“ „Ich?! Ich bin unverbesserlich? Wer schickt mir denn Jamies Freundin, um mich hierher zu zerren? Was Besseres ist dir in deiner Verzweiflung wohl nicht eingefallen, wie?“ Seine vorwurfsvolle Stimme passte nicht ganz zu der Hand, die sich an ihre Schläfe legte und über ihr Haar strich. Unbewusst schmiegte sich ihr Kopf gegen die sanfte Hand, die sie berührte. „Wenn sie wenigstens sofort gesagt hätte, dass *du* mitkommst, wäre *ich* bestimmt weniger bockig gewesen, wie du so schön sagst. Das hat sie leider total vergessen, da musste ich mich auflehnen, immerhin habe ich hoch und heilig versprochen, dass ich *immer* bei dir sein werde, egal was geschieht. Und sei die Situation noch so brenzlig, ich würde dich nie allein zurücklassen. Wenn ich schon wie ein Feigling fliehe, dann niemals ohne dich mitzunehmen. Ich war entsetzt davon, wie du von mir so was erwarten kannst. Ich muss nicht fragen, warum es plötzlich okay ist…“ Er schloss die Augen und seufzte. Nachdem er sie mit Shawn gesehen hatte, musste er sie nicht fragen. In ihrem Kopf waren wahrscheinlich dieselben Sachen, wie in seinem. Sie hatten dieses Leben satt und wollten unter keinen Umständen, dass dieses Kind darunter leiden musste. So egoistisch ihre Träume und Wünsche auch waren, er schämte sich nicht einmal. Obwohl er niemanden enttäuschen und zurücklassen wollte. Er sah die beiden an und sie fand, er benahm sich ein wenig argwöhnisch. „Alles gut mit dir? Was schaust du mich so an?“ Sēiichī wagte nicht sofort eine Antwort zu geben, aber dann lächelte er auf schadenfrohe Art und Weise. „So wie gerade wollte ich dich schon immer mal sehen. Mit einem süßen Lächeln im Gesicht –“ Es war gemein, denn dass sie süß lächelte war bisher immer wie ein Wunschtraum gewesen. Aus seinem zunächst noch gemeinen Lächeln, was sie mit einem leichten Schmollen erwiderte, wurde wenig später ein sehr sanftes. „Ich wollte, dass du einmal diesen *Scheiß* hinter dir lässt. Ich bin so weit, wirklich zu glauben, dass wir es schaffen…“ Sēiichīs Blick fiel auf den älteren Braunhaarigen, den er mit einem fragenden, aber doch noch leicht besorgten, aufgewühlten Blick besah. „Wenn die Sache schiefgeht… dann…“ Der Boss würde erst ihn umlegen, dann sie. Oder? Zu gern wollte er den Starken spielen, aber auch jetzt noch hatte er Angst. Noch nie war ihm die Angst mehr in die Glieder gefahren, als jetzt. Lustig, oder? Sie hatten jetzt etwas zu verlieren. Sein Blick fiel wieder auf sie, dann auf seinen Sohn, dem er nun die andere Hand ans Köpfchen legte. „Ich wollte noch nie so sehr wie jetzt eine heile Welt… Mir war immer egal, was aus mir wird… Jetzt kann ich nicht mehr ohne Rücksicht auf Verluste drauflos stürmen.“ Sēiichī wurde gerade so richtig sentimental, aber sie konnte es verstehen. Sie war wie von Sinnen gewesen, als sie diesen Raum betreten hatte und ihn gesehen hatte. „Sehen wir es positiv, so hörst du wenigstens auf, dein Leben zu riskieren.“ Sēiichī seufzte und fragte sich, ob Chris die Sache von Anfang an geplant hatte… Damit er aufhörte, den Wilden zu spielen vielleicht? Mittlerweile traute ihr der Mann alles zu, jede Schandtat, um ihn unter Kontrolle zu bekommen. „Pff – du bist dir aber auch für nichts zu schade, um mich zu ärgern, oder?“ Obwohl es sehr beleidigt klang, dauerte dieses Beleidigt-sein schlappe zwei Sekunden, da nahm er ihr Kinn und presste seine Lippen auf die roten Lippen seiner Freundin. Er wollte gerne daran glauben, dass ihr Traum wahr werden würde… Dass sie wirklich schafften, unterzutauchen und sie nie wieder einen Fuß in das Büro von diesem aalglatten Kerl setzen mussten, der mit ihnen spielte und sie wie seine Marionetten benutzte… Es gab nichts auf dieser Welt, was er lieber wollte, als ihr den Gefallen tun, sie von dort wegzuholen. Da waren Dinge, für die es sich stets zu kämpfen lohnte. Um auch nur ein glückliches Lächeln von ihr zu sehen, hätte er jeden umgebracht. So schrecklich das war, so schockierend er sich selbst manches Mal fand. Er hätte so gut wie alles getan, damit sie glücklich war. Kaum zu glauben, wie brav er jetzt war. Ließ sich überreden, mit ihr das Land zu verlassen… Er hatte doch nie weglaufen wollen… Wenn er weiter auf stur geschaltet hätte, dann hätte sie bestimmt zu den fiesesten Methoden gegriffen, um ihn doch noch umzustimmen. Leider hatte sie alle Mittel, um ihr Ziel zu erreichen. Bestimmt würde Jamie ihr jetzt wieder unterstellen, dass sie das absichtlich machte. Selbst wenn – was sollte er schon dagegen machen? In der Liebe lag die Macht – deswegen hatte er sie so viele Jahre vermieden. Er wusste, wo das enden würde…   Do you believe in a world Where we can achieve The same goal, the same dream We know we can succeed Something inside so strong I know you got the heart Something inside so strong The heart to carry on One world, one dream Where everybody's free One heart, one team A world for you and me One world, one dream Where everybody's free One heart, one team A world for you and me Do you believe in yourself You know you can achieve Your goal, your dream Anything you want to be Something inside so strong I know you got the heart Something inside so strong The heart to carry on Inner peace and harmony A better world for you and me Inner peace and harmony A better world for you and me           Kapitel 15: Big Impact ---------------------- Es war später Abend. Die die 40 Jahre alte Hellbraunhaarige kam gerade aus der Dusche, als das Telefon klingelte. Sie wunderte sich schon, dass derjenige sie zu so später Stunde anrief, dabei sollte er doch schon lang im Bett liegen. Sie raste zum Telefon und hörte wenig später die Jungen-Stimme, die völlig gehetzt klang. „Kann ich vorbeikommen? Es ist dringend! Superdringend!“ sagte er an und seine Mutter merkte an der Aufregung in der Stimme ihres Kindes, dass er nicht übertrieb. Sofort wurde sie blass im Gesicht. „Ich bin zuhause! Wo bist du? Soll ich dich abholen?“ Sie machte sich sofort Sorgen, schließlich war der Junge einer gefährlichen Verbrecherorganisation auf der Spur. Sie würde jede Wette abschließen, dass er ihnen gefährlich nahe war, näher als es ihr behagte. Shinichi hatte immer furchtbar viele neugierige Fragen, aber sie hatte ihm nur bedingt weiterhelfen können. Sie wusste doch auch nicht, was in Sharon gefahren war. Manchmal glaubte sie, dass sie diese Frau nie gekannt hatte… Dann gab es Tage, da kam es ihr vor, als habe sie zumindest nicht alles erfunden und gespielt. Sie war sich diesbezüglich einfach nicht sicher – das konnte man auch nicht, denn eine perfekte Schauspielerin konnte doch jeden täuschen, auch ihre Freundin. Sie wollte sich nicht in etwas verrennen und ihren Sohn beeinflussen, dass er ihr half, wenn sie es vielleicht gar nicht so sehr verdiente, immerhin gehörte sie dieser Organisation an, was sie bis heute nicht verstand. „Ich bin gleich da! Ich wollte nur sicherstellen, dass du auch da bist.“ „Du klingst sehr aufgewühlt…“ „Damit magst du Recht haben, aber mach dir keine Sorgen… Bin gleich bei dir…“ Seit er das Gespräch in Misato mitangehört hatte, hatte sich sein Wissen um ein Vielfaches erweitert. Er hätte nie geglaubt, dass jemand mal reden würde, offensichtlich waren nicht alle so eisern im Schweigen wie Vermouth es war. Elf Uhr abends, draußen wehte ein kalter und erbarmungsloser Wind, der dem kleinen Jungen das Gesicht schnitt. Für einen Schirm hatte er keine Zeit gehabt und hoffte doch, dass er vor dem bevorstehenden Regenguss ihr Haus erreichte, ehe dieser einsetzte. Der Himmel war schon so trist und grau, direkt über seinem Kopf eine dicke Gewitterwolke. Gerade in dem Moment, als ihm ein Regentropfen auf die Nasenspitze tropfte, erreichte Klein-Shinichi das Haus seiner Eltern. Geradeso, denn eine Windböe fegte ihn fast von den Socken, ehe ein so kräftiger Regen einsetzte, dass er binnen Sekunden klatschnass gewesen wäre. Er schnaufte, seine Brust schmerzte, so schnell war er gerannt. Seine Mutter kam ihm schon entgegen, schenkte ihm einen besorgten Blick, den er mit einem sehr traurigen erwiderte. „Was ist passiert, Shinichi?“ Ihre todernste Frage ließ auf große Sorge schließen, ebenso wie das fehlende Verniedlichen seines Namens. „Zu viel“, sagte er mit einem Blick, der sich gegen Boden richtete. „Du solltest dich setzen, denn bei dem, was ich dir sagen will, solltest du es. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob du mir dann nicht zusammenklapst…“ In Yukikos Gesichtszügen spiegelte sich sofort Angst wider und sie folgte der Forderung ihres einzigen Sohnes. Sie begaben sich ins Wohnzimmer und seine Mutter saß auf der Couch, während ihr Sohn die Hände in den Hosentaschen vergraben hatte und stehen blieb. Er schloss die Augen und versuchte seine Gedanken zu koordinieren. Dabei überlege er, wo er anfangen sollte… „Diese CIA-Agentin, von der ich dir erzählt habe… Mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass ich durch sie so viel herausfinden würde. Vor kurzem habe ich sie überwacht, ich bin mir nicht sicher, ob sie keine Ahnung hatte, dass ich es tat, oder mir nicht ins Handwerk pfuschen wollte, bei meinem Plan. Du musst mir helfen… Ich verrate dir ein paar Sachen und du hilfst mir auf die Sprünge“, sagte er ernst, denn er wusste, dass seine Mutter ihn nicht belügen würde, jedenfalls glaubte er sie so gut zu kennen, dass sie nicht von ihm erwartete, irgendwen zu verschonen. „Ihr wohnt eine beachtliche Zeit in Los Angeles. Sind dir dabei jemals die Namen Joanne Moore und Jamie Moore begegnet?“ Aus irgendeinem Grund rechnete Yukiko eher damit, dass er die grausame Wahrheit über Sharon auspackte und sie gleich heulen würde… Mit Joanne oder Jamie rechnete sie nicht… Sie sah ihren Jungen rätselnd an und war dann fast ein wenig erleichtert, dass er nicht sofort wieder von ihr anfing… Am liebsten wollte sie alles vergessen, was sie über sie wusste und gar nicht mehr erfahren, so weit war sie schon… „Was ist denn mit Jamie? Er ist ein berühmter Detektiv in den vereinigten Staaten.“ „Wenn das nur alles wäre…“ Conan öffnete jetzt die Augen und diese begegneten seiner Mutter. „Er ist ein Mitglied der Schwarzen Organisation“, sagte er, dabei raschelte der mittlerweile tosende Wind in den Blättern der Bäume und das Prasseln des Regens gegen die Fenster wirkte wie ein bedrohliches Klopfen. Gepaart mit dem hell aufleuchtenden Blitz, der vom Himmel herabschnellte, wirkte die Atmosphäre für einen Moment sehr gespenstig. Er wollte seine Mutter nur ungern schockieren, aber es würde sich kaum vermeiden lassen. „Um dich zu beruhigen, Mutter… Jamie ist kein schlechter Mensch, ganz im Gegenteil. Er war mit Rena Mizunashi zusammen in einem Auto und sie fuhren zusammen zu einem weiteren Mitglied der Organisation. Es ist schade um sie alle, dass sie sich in einem solchen Laden befinden. Er kennt deine Freundin Sharon länger, als ihm lieb ist…“ Yukiko zuckte auf, als er nun doch von ihr sprach. Jetzt kam die erschreckende Wahrheit, oder? Sie krallte sich ins Polster ihrer Couch und fragte sich wie schlimm es wirklich war. „Deine Freundin hatte einen schweren Konflikt mit einigen Leuten aus ihrer eigenen Familie. Jamie erzählte davon, dass seine Tante wohl mit ihr aneinandergeraten ist, weil sie um deren Sohn herumgelauert haben muss. Dabei hat sie ihr wohl sogar gedroht, sie würde ihr nicht das Kind wegnehmen. Nun… Da stellt sich mir die Frage, wieso sollte sie das tun? Ich dachte im ersten Moment, dass Sharon es nicht möglich war Kinder zu bekommen, aber ich fürchte, sie hat entschieden, darauf zu verzichten. Denn offenbar kassiert die Organisation solche Kinder sofort ein und versucht aus ihnen etwas Passendes zu machen. Wenn sie nicht als Killer taugen, dann setzen sie sie anderweitig ein.“ Conan wollte es aber noch nicht dabei belassen. „Die Rede war auch von Keichiro Takagi“, sagte er, dabei war seine Stimme ein wenig leiser geworden, aber auch leicht verachtend. Dieser Name schockierte Yukiko noch ein kleines bisschen mehr, denn den würde sie bestimmt nie vergessen. Den Mann, der ihre Familie schon damals nie leiden konnte, weil sein Sohn Wataru und ihre Tochter Shina so gut befreundet gewesen waren. Außerdem hatte er alle Freunde seiner Kinder immer immens erschreckt. „Was ist mit diesem Mann? Ist der etwa auch in dieser Organisation, in der Sharon ist?“ „Ja, leider… Und das ist auch nicht alles. Sein bester Freund ist James Black vom FBI… Er wird also mit seinen grausamen Taten höchstwahrscheinlich davonkommen. Er hat James einen Gefallen getan… Und weil er ihm ja ach so dankbar ist, will er ihm auch einen tun. Es handelt sich dabei um so etwas wie ein Abkommen. Wenn das FBI Vermouth zu fassen bekommt, gibt er Chardonnay, der kein geringerer als der gute Keichiro ist, die Möglichkeit, sich noch einmal eindringlicher mit ihr zu befassen. Ich will überhaupt nicht darüber nachdenken, inwiefern dieser Mann das täte. Er ist verabscheuungswürdig. Anscheinend hat er so etwas wie einen Narren an ihr gefressen – weshalb auch immer. Vielleicht ein großer Fan…“ Ihr Herz raste und sie konnte nicht verbergen, dass sie der Gedanke an Keichiro es ihr angst und bange werden ließ. Sie erinnerte sich immer noch daran, als ihre Tochter bei den Takagis zuhause gewesen war, kaum dass sie 13 war. Wataru war aus irgendwelchen Gründen kurzzeitig verschwunden und Shina war alleine mit dem Vater gewesen. Ihre Tochter war nachmittags ganz unverhofft früher nach Hause gekommen und hatte verstört gewirkt, weshalb ihre Mutter von ihr wissen wollte, was geschehen war. Da hatte sie ihr gesagt, dass Keichiro versucht hatte sich an ihr zu vergehen… Yukiko war schlecht, sie machte dadurch auch einem Geist Konkurrenz, so weiß war sie im Gesicht. „Geht’s dir nicht gut?“ Natürlich musste der Detektiv so etwas nicht fragen, denn sie sah wirklich furchtbar aus und ihre Hand legte sich an ihren Mund, als müsste sie sich sonst jeden Moment übergeben. „Glaube mir, ich werde nicht zulassen, dass so ein Mann sie zu fassen kriegt. Ich habe etwas dagegen, dass ein Geisteskranker sich an einer Frau zu schaffen macht, egal was sie in ihrer Vergangenheit auch verbrochen haben sollte. Das geht mir gegen den Strich, deswegen werde ich die Zusammenarbeit mit dem FBI abbrechen. Rena Mizunashi muss selbst das Gespräch belauscht haben, denn durch den Sender, mit dem ich sie überwachte, hörte auch ich davon. Ich hörte sie nicht nur einmal den Atem stocken, als die beiden Männer sich über Jamies Familie und den Boss unterhielten. Sie wissen wohl offensichtlich auch beide nicht, um wen es sich dabei handelt. Dass Watarus Vater der Drahtzieher ist, ist zwar nahelegend, aber ich bezweifle das aus verschiedenen Gründen. Vermouth hasst ihn – vielleicht hasst sie ihn auch mit am meisten von allen, die ihr im Leben begegnet sind. Wundern täte es mich nicht.“ Nun schloss der kleine Shinichi die Augen. Er hatte von Akai erfahren, dass dieser vor ziemlich genau 3 Jahren Vermouth in Amerika gejagt hatte. Obwohl auch er in Rätseln sprach und vieles unter den Tisch fallen ließ, hatte sich Shinichi nur zu gut an die Zeit in Amerika erinnert, vor allem, was kurz vor ihrer Abreise geschah… Als Ran diesem Killer in die Arme gelaufen war… Weil es mittlerweile ein Fakt war, dass Yukikos Freundin Vermouth war, die damals noch mit ihren traurigen, depressiven, aber auch zutiefst verbitterten Worten einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatte, hatte er mittlerweile eins und eins zusammengezählt. Er seufzte und sah Yukiko etwas besänftigender an. „Anscheinend hat sie eine Schwäche für Ran entwickelt, denn sie schwirrt um uns herum wie ein Schatten und versucht uns vor allem Bösen zu bewahren. Du kannst also zumindest, was das angeht, beruhigt sein. Sie ist zwar Mitglied bei denen, aber mir erscheint es so, als wenn sie alles andere als Freude dort verspürt. Da wundert es mich nicht mehr, was sie damals gesagt hat. No angel has smiled upon me, not even once. Damit meint sie ohne Zweifel dieses schreckliche Leben in der Organisation – da ist sie auch nicht die einzige Person. Jamie wirkte, als sei ihm das gesamte Leben versaut worden. Außerdem ist er der Sohn von James Black. Seine Gefühle für den eigenen Vater halten sich so stark in Grenzen, dass er sich von ihm fernhält… Er beschützt einen Typen, der Sēiichī heißt – oder nennen wir ihn doch besser Cognac, den Fürchterlichen.“ Dabei holte er tief Luft und setzte sich neben seine Mutter, die so tödlich blass, wie sie war, sich jetzt den Kopf hielt. Er stellte ihr ein Glas Wasser hin. „Er ist Ryochis bester Freund und er schwört, er hat das Herz am rechten Fleck und hat auch wenig Freude im Leben. Lustigerweise ist eine der Freuden in seinem Leben wohl deine Freundin.“ Er lächelte und wollte mit dieser Sache seine Mutter ein klein wenig beruhigen. „Kann sein, dass Sharon in ihrer Vergangenheit nichts geschenkt wurde und sie wirklich viel Pech hatte, aber mittlerweile…“ Er gab sich ein wenig geheimnisvoll und lächelte dann sogar. „Sie und dieser Cognac sind wohl ein Liebespaar.“ Er sah sie mit einem fast schon strahlenden Lächeln an. „Sie scheint für ihn so etwas wie die Welt zu bedeuten. Die beiden haben ein Kind zusammen… Das sollte dich freuen. Ich habe Tatsuji zurate gezogen und er ist bereit, beiden zu helfen. Der gute Cognac hat nämlich mehr als nur ein ausgewachsenes Problem. Denn er war bei der Polizei.“ „Oh Gott, Shinichi, was sind das nur für Leute?“ „Gefährliche Leute… Jeder, der mit ihnen zu tun hat, hat wenig zu lachen. Siehst du ja an mir.“ Er meinte den Zustand, in dem er immer noch steckte. Dabei schweifte sein Blick ab, um seiner Mutter den traurigen Ausdruck in den eigenen Augen nicht anzutun. Es gab nichts Schlimmeres, als in einem Körper zu stecken, der nicht der eigene war. „Freut es dich wenigstens ein bisschen, zu wissen, dass sie einen Sohn hat. Nun gut, Tatsuji hat ihn gerade, aber so wird sie wenigstens brav das tun, was ich will“, sagte er und wirkte dabei zwar etwas gemeingefährlich, aber auch er musste ab und zu mal den Schein wahren. Er konnte ja nicht zugeben, dass ihn der Gedanke doch auch ein bisschen sentimental machte… ‚Selbst die brutalsten Mörder – Vermouth zähle ich zu den hinterhältigsten, aber nicht zu den brutalsten… Sogar die wirklich brutalen Killer verabscheuen Männer wie Keichiro Takagi, die sich an Kindern vergehen. In Gefängnissen hatten solche nichts zu lachen. Die Mörder verschworen sich gegen solche Leute… Nur, weil sie den Kerl bekämpft, ist sie kein guter Mensch… Aber vielleicht könnte sie einer werden, wenn diese Organisation einfach verschwindet… Tatsuji sagte so etwas, dass er sich vorstellen kann, viele Menschen würden besser werden, wenn es so etwas nicht gäbe. Er hat Ahnung auf dem Gebiet, immerhin ist er Profiler. Da werde ich ihm wohl vertrauen müssen… Sogar Ryochi hat mir gesagt, dass es immer zwei Seiten einer Medaille gibt. Sein Freund tötet Menschen… Weil er es muss… Auch noch die eigenen Leute. Das geht an die Substanz. Ich hoffe es ist noch nicht zu spät. Er scheint wirklich ein netter Kerl zu sein… Aber wo käme ich hin, wenn ich meine Täter bemitleiden würde? Das darf ich nicht. Aber sie sind auch Opfer, Opfer der Organisation… Ihnen allen wurde übel mitgespielt. Ich will, dass all das endlich ein Ende hat. Ich will keine Horrorschichten mehr hören über derartige Grausamkeiten…’ Zeitsprung – Eine Stunde später Dass Yukiko Kudō eine nahezu unkontrollierbare Frau war, wusste Yūsaku mehr als gut, diesmal jedoch bekam ihr Sohn Shinichi das zu spüren. Er wollte wirklich nett sein und weihte sie ein und was tat diese Frau? Kaum, dass herausgekommen war, wie gut es ihrer Freundin wahrscheinlich demnächst gehen würde, mit ihrem Gefährten und ihrem Sohn, da zwang sie Shinichi mit ihr zu Tatsuji zu fahren. Warum hatte er ihr das nur verraten? Jetzt hatte er den Salat. Er wollte seine Mutter dann auch nicht alleine losziehen lassen und man konnte ja die Sache mit dem Nützlichen verbinden. Er wollte sowieso noch einmal mit dieser Frau reden. Sie war für ihn doch eine wichtige Person, nicht weil er sie so gut leiden konnte, aber weil sie schon solange der Organisation angehörte und er sie dann doch noch gerne verhört hätte, wie alle seine Verdächtigen. Er würde ihr nicht zu viel von seinen Gefühlen zeigen, aber ein bisschen Dankbarkeit wäre schon angebracht, wenn sie ihr Leben aufs Spiel setzte. Er war nicht so skrupellos wie das FBI, was ohne Rücksicht auf Verluste handelte. Die Sache mit Akai war zwar auch auf seinem Mist gewachsen, aber mittlerweile fand er selbst, dass sie Kir übel mitgespielt hatten. Man hatte sie ausgenutzt, nach Strich und Faden und wusste noch nicht einmal, welche Konsequenzen das haben konnte. Aber so hatte Gin sie wenigstens nicht umgebracht, es war ein notwendiges Übel gewesen, da waren sie sich einig. Aber so knallhart war selbst Shinichi nicht – jetzt wo er das wusste. Immerhin war Ryochi mit seiner Schwester zusammen gewesen und sie hatten ein gemeinsames Kind – Shizuka. Er fand die Sache schrecklich und war nun selbst betroffen. Wenn er den Kerl erwischte, der seine Schwester auf dem Gewissen hatte, der konnte sich frisch machen. Wenn er gewusst hätte, wie nahe er der Spur dieses Killers war, dann… Wer wusste schon, was dann geschehen wäre? Vielleicht würde er eines Tages sogar selbst einen Mord begehen? Bisher hatte er sie alle nie verstanden, aber das lag daran, weil er nicht so viel gewusst hatte. Mittlerweile war er bei dem Punkt, wo er sie auf Teufel komm raus stoppen wollte. Egal, was es kostete. Diese Menschen, die diesem Verein treu ergeben waren, besaßen kein Herz. Jedenfalls bezweifelte er, dass sie eines hatten. Kein halbwegs vernünftiger Mensch würde so etwas gut finden… Seine Mutter hatte ihr Auto ein weiteres Mal fast zugrunde gefahren und die Reifen quietschten erneut, was wohl Tatsuji und Riina nun wirklich erschreckte, dass eine weitere Person ihr Auto mit derartigem Geräusch vor ihrer Wohnung parkte. Sie rechneten ja nicht mit einem weiteren Besuch. Jedenfalls hatte dieses Sēiichī und Chris auseinanderfahren lassen, als wäre der Satan höchstpersönlich erschienen… Man sah beiden eindeutig an, dass sie mit dem Allerschlimmsten rechneten. Wenn man der Blondine nicht sowieso ihre Waffe weggenommen hätte, hätte sie diese wohl sofort zur Hand genommen. In ihrer Situation durften sie nicht zögern, ihre Waffe zu gebrauchen, wenn es die Situation verlangte. Doch im Gegensatz zu Chris hatte Sēiichī seine Waffe, bemerkte ihren schockierten Gesichtsausdruck – die Angst, wie er sie genannt hätte, weil sie ohne Waffe war. Sein Blick traf ihren, mit einem Lächeln, was ihr klar vermittelte, dass sie sich keine Sorgen machen musste – er würde sie schon beschützen… Sie und ihn… Nach seiner vielsagenden Miene nahm er seine Waffe zur Hand und lud sie, was Riina schockiert große Augen bekommen ließ. Die Angst aller Beteiligten übertrug sich auf sie und sie klammerte sich an Tatsuji. „Wer kann das sein?“ Auch der Interpol-Agent rechnete mit dem Schlimmsten, als es dann an der Tür klopfte, wunderte er sich aber schon… Kein Verbrecher klopfte an die Tür, oder etwa nicht? Er würde die Tür eintreten, Derartiges, aber doch nicht klopfen. Durch den Türspion konnte er dann eine Frau mit hellbraunen Locken erkennen. Ein mittelschweres Seufzen kam über seine Lippen. Er drehte den Kopf zu Sēiichī. „Keine Panik, es ist Yukiko… Meine Tante…“ Sēiichī war verwirrt, denn er wusste nicht, was sie hier wollte… „Und jetzt?“ „Ich fürchte, dass ich sie reinlassen muss“, sagte er mit einem leichten Schweißtropfen an der Schläfe, der verriet, dass Yukiko wohl sehr beleidigt wäre, wenn er das nicht tat. Er fragte weder Sēiichī, noch Chris, ob es ihnen recht war, er öffnete die Tür und da standen sie. Tatsujis Blick ging nach unten zu der kleinen Person an der Seite von Yukiko. „Was für eine Überraschung…“ „Sie ließ sich nicht abhalten, Tatsuji! Und sie hat mich gezwungen, ehrlich!“ Auch Conan lief ein Schweißtropfen über die Wange, ehe Tatsuji den Kopf schüttelte. „Glaube ich sofort… Konntest du den Mund nicht halten, wie?“ Es gab sonst keinen guten Grund, weshalb sie ausgerechnet jetzt auftauchte und noch dazu in Riinas Wohnung. Yukiko drückte sich an Tatsuji vorbei und Conan lief mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen hinterher, wobei ihn Halbmondaugen zierten, als seine Mutter dann auch schon mit dem Theater anfing, kaum dass Tatsuji die Tür zugemacht hatte. „Wo ist dieser Sēiichī Iwamoto?“ fragte sie in einem verärgerten Ton, der Tatsuji aber schon verblüffte. „Ohoh…“ Er gab mit dem Daumen ein Zeichen Richtung des Genannten, der mit gezogener Waffe und schockierten Gesichtszügen dastand, neben ihm die Blondine, die sich hinter ihm versteckte. Es war das erste Mal, dass er Vermouth sich hinter einem Mann verstecken sah, was er schon irgendwie drollig fand. Chris kam nun hinter Sēiichī hervor, rollte dann aber mit den Augen, weil ihre Freundin wie immer maßlos übertrieb, sie verstand nicht einmal, warum sie so einen Wind machte… Und wieso verlangte die nach Sēiichī? „Was wird hier gespielt? Was willst du von ihm?!“ Ein leicht bissiger Ton war in ihre Stimme gefahren, ehe Yukiko zu ihnen rüberkam, Sēiichī nahm die Waffe gerade runter und seufzte erleichtert. „Madame, Sie haben uns einen gehörigen Schrecken eingejagt. Ich dachte, es kommt wer weiß wer…“ Yukiko besah den jungen Mann von oben bis unten, ignorierte Chris gekonnt und ging nicht auf ihre Frage ein. „Hallo?! Ich rede mit dir!“ sagte diese, aber Yukiko besah ihren Freund mit Argusaugen und vor allem wirkte sie kritisch. Hatte dieser freche Kerl sie gerade wie eine alte Schachtel mit Madame angesprochen? Erschreckt hatte sie ihn also. „Sagt der Richtige! Wie wär’s, wenn Sie die Waffe erstmal runternehmen?!“ Yukiko war irgendwie ziemlich garstig zu Sēiichī und Chris wusste nicht einmal, warum. Aber sie sah die Hellbraunhaarige wenig später doch ein bisschen misstrauisch an. „Was genau denkst du da zu tun, Yukiko?“ fragte die Blondine ihre alte Freundin, weil diese Sēiichī ja fast ins Gesicht sprang – das missfiel ihr dann doch ziemlich. „Ich nehme ihn unter die Lupe.“ Sharon entglitten gerade sämtliche Gesichtszüge und sie feuerte ein sehr entnervtes und aufsässiges „Was?!“ hervor, was nicht nur empört, sondern auch wütend klang. „Ganz schön jung und vorlaut, der Gute“, sagte Yukiko, dabei lächelte sie ein bisschen gemein. „Aber schnuckelig ist er.“ Sie warf Sēiichī einen überlegenen Blick zu. „Ich will doch bitten! Ich bin jünger als sie! Wusstest du das nicht?“ Yukiko war jetzt etwas frecher zu diesem Flegel, der sie Madame nannte… Sie konfrontierte Sēiichī gerade eiskalt damit, dass er mit einer alten Schachtel zusammen war, das fand Sharon nun wirklich unmöglich und alles andere als nett. Kein Mensch auf dieser Welt konnte sagen, wie der junge Mann darauf reagieren würde. Es war ja sogar ihr ein Rätsel. Er musste das nicht wissen… „Toller Fang, muss ich schon sagen…“ Yukiko grinste Sēiichī vielsagend an, der doch ein wenig große Augen hatte. War er schockiert? Aber wieso denn? Es dauerte einen Moment, dass er darauf reagieren konnte, weil die Frau ganz schön frech war, fand er. Ihn als tollen Fang bezeichnen und dann noch schnuckelig… Kurz darauf zierte Sēiichī ein sanftmütiges, aber auch gleichgültiges Lächeln. „Sie müssen sich irren, Miss Yukiko. Chris ist 31 und kein Jahr älter. Außerdem…“ Der Schwarzhaarige stockte, während er die augenscheinliche Freundin mit seinen raffinierten, klaren Meeresblauen Augen ansah. Diese Augen, die es schafften, dass man in ihnen versank. „…ihr Alter spielte für mich noch nie eine Rolle.“ Es war nicht unbedingt die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit, aber für hier und jetzt stimmte es. Es war ihr gegönnt, diesem Mann sehr tief in die Augen zu sehen, die verheißungsvoll funkelten, weil er sich wohl angegriffen fühlte. Es stimmte, er war jünger als sie… No matter what. Weil sie keinen Grund fand, an seinen Worten zu zweifeln, schenkte Yukiko dem Mann jetzt ein Lächeln, aber auch ihre Augen funkelten. „Herzallerliebst… Wie ich sagte, ein richtiger Schnuckel.“ Sie wendete den Blick von Sēiichīs Augen ab und die ihren erfassten jetzt das Eisblau ihrer Freundin, die sich regelrecht verhört fühlte, als Yukiko weitersprach. „Macht er dich glücklich?“ Diese Frage fühlte sich an, als wenn ihre Freundin sie damit überrollte. „Warum interessiert dich das?“ fragte sie die Hellbraunhaarige, was Tatsuji aus einigen Metern Entfernung schon ein wenig verblüffte. ‚Ist das ihr Ernst? Sie fragt so etwas allen Ernstes? Oh man… Hat sie denn ihren gesamten Glauben in die Menschheit durch diese elende Organisation verloren? Glaubt sie, dass alle ihr immer nur Böses tun wollen?’ Er beobachtete aber auch den total vom Donner gerührten Sēiichī, der sich doch bestimmt hart angegangen fühlte durch so eine Frage. Er musste sich doch fragen, wer diese Frau war, die wagte, so eine Frage zu stellen. „Würde ich dann fragen? Ich meine, er ist ein Mörder, oder nicht?“ Auch das wusste sie, damit schockierte sie Sharon jedoch erstrecht. Ihre Lippen pressten sich fest zusammen, als wolle sie verhindern, eine Antwort zu geben. Sie hasste, dass sie es fragte und wie sie es tat. „Nenn ihn nicht so…“ Es widerstrebte ihr, Sēiichī einen Mörder oder einen Killer zu nennen. „Guter Kerl ist passender.“ Sēiichī wunderte sich, dass sie da jetzt so kleinlich war und am liebsten wollte er sein Maul aufreißen, wie er es immer tat und dazu stehen, dass er das war, was Yukiko von ihm annahm. Ihre Freundin wollte gnädig sein, obwohl es ihr missfiel, dass er eine Waffe in der Hand hielt, die Sēiichī jetzt aber wieder wegsteckte, immerhin drohte ihnen keine Gefahr. Von der hübschen Frau ging keinerlei Gefahr aus, auch wenn sie ihn scharf anging, er könnte schwören, dass sie ihn sich genau anschaute, um zu erfahren, ob er es ernst mit ihr meinte. „Sie ist eine gute Freundin“, sagte er leise, fast geflüstert zu Chris, „sie macht sich Sorgen um dich, dass du dich mit dem falschen Mann einlässt.“ Er lächelte sie an und fand es süß, wie sie sich um seine Freundin kümmern wollte. Er schwenkte den Blick zu Yukiko. „Ich denke schon, dass sie glücklich ist, immerhin sind wir nun schon knapp 8 Jahre zusammen.“ Sēiichī wollte sie nicht fragen, er würde schwören, dass sie glücklich war, denn so strahlend wie vorhin hatte er sie noch nie gesehen. Es hatte ihm mehr als gut gefallen, da würde er natürlich alles dafür tun, dieses schöne Lächeln, was sie geziert hatte, erhalten zu können. Dass er jetzt so reden musste, auch weil Yukiko sie in so eine blöde Situation brachte, indem sie Sēiichī einfach sagte, sie sei eine alte Schachtel, kam eine leichte Röte in ihrem Gesicht auf. Sie schämte sich ein bisschen für Yukiko und hoffte, dass Sēiichī nicht gleich noch weiter ausholen würde. Das ging sie doch gar nichts an, so gut sie auch befreundet waren. „Acht Jahre? So lange hast du es mit meiner sturen Freundin ausgehalten? Das ist eine beachtliche Zeit, wirklich. Ich hörte, ihr beide habt einen Sohn zusammen.“ Jetzt wirkte Yukiko wesentlich sanfter und sah Sēiichī trotzdem mit einem drohenden Blick an. „Ich hoffe, dir ist klar, dass du jetzt für sie verantwortlich bist, oder? Pass mir gut auf meine Freundin auf und solltest du sie irgendwie unglücklich machen, bekommst du es mit mir zu tun.“ Sharons Gesicht färbte sich in einem immer dunkeler werdenden Ton, als sie Yukiko so sprechen hörte. „Bitte hör jetzt auf.“ „Mach ihr keinen Kummer, verstanden? Noch mehr Schicksalsschläge kann sie nicht brauchen. Kannst du mir das hoch und heilig versprechen?“ Vor einigen Jahren hätte Sēiichī jetzt reiß ausgenommen, wenn man ihm solch eine Frage gestellt hätte. Er hätte Angst nicht zu genügen, oder alles falsch zu machen und eine Enttäuschung zu sein, aber jetzt brachte er das nötige Selbstbewusstsein auf, um mit Sicherheit sagen zu können, dass er diese Forderung erfüllen konnte. Sein Blick ging trotzdem zu der Frau, die er liebte, die zum ersten Mal so etwas wie eine Schamesröte im Gesicht hatte, dass es ihn total faszinierte. Sein bewundernder Blick ruhte auf ihrem hübschen Gesicht und er griff sanft nach ihrer Hand, ehe er weitersprach. „Ich verspreche es.“ Erst jetzt schien Yukiko zufrieden, denn sie begann augenblicklich zu strahlen und hob beide Arme, um Sēiichī um den Hals zu fallen, was dann aber wirklich zuviel war. „Also Yukiko!“ meinte die Blondine entsetzt. „Das freut mich…“ Sie ließ sich von seinem guten Aussehen nicht beeindrucken. Da konnte ja jeder kommen. Die Hellbraunhaarige hoffte, dass der junge Mann einen guten Einfluss auf sie hatte und sie von Dummheiten abhalten konnte, genauso wie er hoffentlich stark genug war, sie zu beschützen. Mit der Knarre hatte er ja nicht lang gefackelt, aber ob sie das so gut finden sollte – sie war diesbezüglich ein wenig ratlos. „Yukiko, nun sei gnädig, ja?“ sagte Tatsuji, der sich das alles wie im Kino angesehen hatte. Er hatte nicht vor, Sēiichīs Fehltritte an Yukiko weiterzugeben, denn das hätte seine Tante mehr als nur nicht gut gefunden, zu wissen, was er in der Vergangenheit gemacht hatte. „Er ist doch erst 25, aber ich denke, er meint es ernst mit ihr. Sēiichī hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn – das sagt mein Freund immer, der kennt ihn schon gute zwanzig Jahre. Er wird ihn wohl kennen, so wie du sie kennst, nicht wahr? Ich denke, du kannst sie ihm ganz unbesorgt überlassen.“ ‚Wirke ich schwach und hilflos? Give me a break…’ Ein bisschen schmollig war sie schon, aber auf der andern Seite, welche Frau mochte keine starken Männer, die sie beschützen konnten? ‚Acht Jahre? Aber er ist doch erst 25… Ich sollte mir darüber jetzt keine Gedanken machen, was eine um die 50-jährige mit einem Kerl will, der als ihr Sohn durchgehen würde… Ein bisschen teilnahmslos stand er am Fenster und lauschte nur, wie seine Mutter den jungen Kerl so rund machte. ‚Oioioi. Sollte man nicht eher Sharon mal rund machen…’ Aber er war hier kein Richter, der sich ein Urteil erlauben konnte. ‚Naja, was soll’s? Kann man eh nicht mehr ändern.’ Der kleine Shinichi überließ die Erwachsenen sich selbst und zog dann Tatsujis und Riinas Aufmerksamkeit auf sich, als er einfach sich davonstahl und sich zum Tisch begab, wo ihm etwas aufgefallen war. Er kletterte hoch und hörte aus dem Körbchen ein Glucksen und ein kleines Lachen. Sie wollten also wirklich von hier verschwinden… Und dann? Auf und davon, hasta la Vista, als wäre nie etwas gewesen? Wenn das nur so einfach wäre… Oder würde diese Frau am Ende das Kind und Sēiichī irgendwohin verfrachten, um dann zurückzukommen, weil er weiter für Ärger sorgen wollte? Shinichi seufzte, es fiel ihm schwer zu glauben, dass sich etwas ändern konnte. Und der Kerl… Der war dieser Frau eindeutig hörig. Sollte er das gut finden? Auf der anderen Seite… Was würde er an ihrer Stelle machen? „Mich fragt ja keiner, aber ich frage mich schon, was sie geritten hat, so etwas zu machen?“ Seine unschuldigen, blauen Augen glubschten regelrecht hinter seiner Brille hervor, als der Junge wohl meinte, er müsse Kontaktfreudig werden und nach ihm fassen, lächelte er dann doch. Riina war zu Shinichi gegangen und lehnte sich über den Stuhl. „Na du?“ sprach sie Shawn an, dieser blickte neugierig mit seinen strahlend blauen Augen zu ihnen empor. „Ist er nicht süß, Shinichi?“ Erschrocken blickte er nach hinten zu Riina, die ihn anlächelte. „Ähm…“ Ein bisschen peinlich berührt war er schon, dass man ihn dabei erwischte, wie er das Baby begutachtete. „Ich glaube, um das zu verstehen, musst du nicht nur einmal wieder groß werden, sondern auch noch aus deinem Teenager-Alter wachsen“, sagte sie frech und grinste ihn an. Vielleicht machte Sēiichī sich weniger Gedanken, aber sie war noch in der Lage sich zu fragen, woher Yukiko überhaupt wusste, dass sie hier war. Sie blickte zur Seite, wo sich Conan sehr interessiert gab und Riina ihm wenig später Gesellschaft leistete. Yukiko wollte sie ja weiter blamieren, indem sie Sēiichī um den Hals fiel, was dieser wohl nur widerwillig mit sich machen ließ. ‚Stell dich nicht so an! Sie wirkt viel gefährlicher als sie wirklich ist…’ Er fühlte sich natürlich schon etwas genötigt. Es hätte nur noch gefehlt, dass Yukiko noch gebusselt hätte. Es schien ihr, als hätte Sēiichī gerade komplett vergessen, wie man sich gegen eine Frau wehrte. ‚Ach herrje, das kann man ja nicht mehr mitansehen. Du weißt aber schon noch, dass du ein Mann bist?’ Innerlich machte sie sich lustig, auch weil er jetzt so schüchtern reagierte. Wenn sie ihm damals mit knapp 17 um den Hals gefallen wäre, hätte er komplett anders reagiert, da war es doch wohl witzig, wie er unfähig war, Shinichis Mutter von sich zu lösen, dabei sah er richtig gequält aus. ‚Yuichi würde dich auslachen…’ Er wollte anscheinend nicht unhöflich sein, aber sie würde diesem Chaoten bestimmt nicht gegen ihre Freundin helfen. Außerdem fand sie viel spannender, dass Conan anscheinend Interesse an dem Korb hatte. Sie wusste, dass er zwar ruhig gewesen war, aber als stiller Teilnehmer der Konversation kein Wort überhört hatte. Auch nicht, dass sie ein Kind hatten. „Was beschäftigt ihn jetzt so?“ fragte sie sich leise flüsternd und beobachtete, wie Riina anscheinend den Kleinen etwas aufziehen musste. Weil sie eben doch ein Biest war, wollte sie dem noch die Krone aufsetzen… Deswegen ging Sharon zu den beiden Personen hinüber und lächelte Shinichi frech ins Gesicht. „Du musst mich für eiskalt gehalten haben. Aber glaube mir, kleiner Detektiv, KEINE Frau ist einfach nur eiskalt.“ Was genau sie damit meinte, erläuterte die Schauspielerin nicht genau, sie meinte noch nicht einmal sich selbst. Ihr fielen sehr viele Frauen innerhalb der Organisation ein, die sie zwar als bösartig einstufen würde, aber auch die hatten ihre Schwächen. Speziell dachte sie gerade an Valpolicella, die bei Carpano schließlich auch butterweich wurde… Sogar die… Conan fand das aber alles andere als lustig, dass Riina ihn erst ärgerte und Vermouth das wohl auch noch gut fand, er fühlte sich schon ein bisschen verschaukelt. „Glaubst du dir eigentlich selbst, was du da manchmal sagst? Wie oft stehst du vor dem Spiegel, wenn du dir diese Schwachheiten einredest, mhm?“ Damit verpasste er ihr einen ziemlichen Tiefschlag, zumal er wissend, aber auch ein bisschen geheimnisvoll lächelte. „Es gibt Menschen, denen kannst du tausend Lügen auftischen und egal wie brillant deine Schauspielkünste auch sind, sie werden sie dir noch in tausend Jahren nicht abkaufen…“ Er grinste, ziemlich fies sogar. Mit diesen Leuten meinte er keineswegs sich selbst, sondern die Leute, die sie wahrhaft gekannt hatten, so wie seine Mutter. Er bezweifelte, dass es die einzige war, nachdem was er gehört hatte. „Bedanke dich bei Jamie Moore, der einer davon ist, der dir die Show nur bedingt abkauft.“ „Woher kennst du den schon wieder?“ war die Schauspielerin jetzt doch ein bisschen beleidigt, damit hätte sie nun nicht gerechnet, außerdem war sie der festen Überzeugung, dass er selbst wohl auf ihre Schauspielerei hereinfiel. Jamie konnte sie aus diversen Gründen nicht ausstehen. Sie bezweifelte ja sogar, dass er je einen Gedanken an sie verschwenden würde, wenn es ihn nicht so sehr ärgern würde, wenn Vermouth sich an seinem Neffen vergriff. Pfah, bestimmt war er doch jetzt wieder in der übelsten Laune, weil er sie nicht mehr so einfach auseinanderbringen konnte. Das versuchte er immerhin seit Jahren. Nicht, dass sie ihm das verübelte, nein, er hatte gute Gründe dafür. Sie war schlecht, alles an ihr war schlecht und brachte nur Unheil mit sich, nicht? Wie könnte Jamie sie da mögen? „Kir hat zwei Männer belauscht, der eine war Jamie Moore. Anscheinend wollte er dem Anderen sein Leid klagen. Beide haben sich lange unterhalten – über sehr interessante Dinge, wie Sēiichī…“ Er blickte zu ihr hinüber, ohne den Kopf zu drehen, dennoch trafen seine Augen ihre. „…und Sharon. War schon sehr aufschlussreich, sie reden zu hören. Jamie war ganz schön redselig. Das, was er sagte, lässt mich daran zweifeln, dass du erfolgreich warst, sonst würde er sich gar nicht so viele Gedanken machen, sondern dich zum Teufel jagen. Sein Hass richtet sich auf andere… Zum Beispiel auf den eigenen Vater. Den findet er tausend Mal schlimmer als dich. Ach, und Chardonnay…“ Es kam ein schnippischer Laut von ihm, denn im Grunde konnte er all das nachvollziehen. Conan beobachtete die 31-jährige. Sie war eine ausgezeichnete Schauspielerin, sie lächelte geheimnisvoll, wohl weil sie sich denken konnte, mit wem Jamie gesprochen haben musste. Er glaubte, dass sie die Leute um sich herum sehr gut kannte. In der Tat wusste sie, um wen es sich handelte, aber dann erwähnte Shinichi einen Namen, der ihr das Lächeln aus dem Gesicht wischte. Als er von Chardonnay sprach, merkte man eindeutig den Missmut, den sie ihm entgegenbrachte. Ihr Gesicht veränderte sich nur sehr geringfügig, aber der verhasste Glanz in ihren Augen, den sah er sofort. Auch wie sie verbissen die Zähne aufeinander presste. „Ich kannte denjenigen, der sich hinter Chardonnay verbirgt schon…“, sagte er, „ich gebe zu, dass es mir kurz nasskalt den Rücken runterlief, ihn in eurer Organisation zu wissen. Obwohl er natürlich absolut hineinpasst. Mir ist noch kein schlechterer Mensch begegnet, als er“, gab er offen seine Meinung zu, obwohl er das nicht müsste. „Ach doch, das geht. Wie sagt man so schön? Schlimmer geht immer?“ An wen sie genau dachte, würde sie Shinichi nun nicht auf die Nase binden. ‚Valpolicella kann ihn toppen…’ Sharon schüttelte den Kopf. „Dass diese Männer auch nie schweigen können“, sagte sie. „Oh, ich glaube, Jamie hat lange genug geschwiegen, er wirkte regelrecht verzweifelt. Er macht sich vor allem Sorgen, dass die falschen Leute alles herausfinden.“ Conan blickte zu Sēiichī hinüber, der diesen Blick bemerkte und es endlich aus Yukikos Umklammerung geschafft hatte. Da er jetzt sowieso flüchten wollte und ihre Blicke sich trafen, begab er sich zu ihnen, dabei grinste Conan den 25-jährigen schäbig an. „Und, was glaubst du? Wirst du diesen Cognac vermissen?“ Sēiichī war regelrecht entrüstet, als dieses Gör ihn das fragte. Ein bisschen erinnerte er ihn schon an seine alten Zeiten, als er 17 du noch ein bisschen durchgeknallter war als jetzt. Er fragte sich mittlerweile wirklich, ob er Todessehnsucht gehabt hatte… Einer seiner Mundwinkel zog sich zu einem gefährlichen Grinsen nach oben und seine Augen blitzen gefährlich auf. „Ernsthaft?“ fragte er doch etwas belustigt, obwohl er schon entsetzt war, so eine Frage gestellt zu bekommen. Am liebsten wollte er den schwarzen Peter weiter schieben und sie das beantworten lassen… Er wusste, dass sie ihn absolut verabscheute, wenn er das machte… „Keiner weint diesem arroganten, eingebildeten, selbstherrlichen, lebensmüden, unsensiblen und bekloppten Cognac eine Träne nach. Auch ich nicht…“ Obwohl er Chris nicht ansah, wusste diese, dass er sie zitierte. Sie hatte ihm einmal eiskalt an den Kopf geworfen, dass sie ihn aus genau diesen Gründen hasste. „Da täuschst du dich, Sēiichī“, sagte die Blonde mit einem stichelnden Lächeln, obwohl sie den armen Kerl nicht damit nun auch noch ärgern sollte, weil es eigentlich schlimm war. „Es gibt jemanden, der ihn vermissen wird…“ Conan, Riina und auch Sēiichī blickten zu der Frau mit dem gemeinen Lächeln. „Ach? Vermouth oder was?“ feixte der Angesprochene, doch sie schüttelte den Kopf und entgegnete gehässig: „Unser Boss natürlich.“ Sie wurden Zeuge wie Sēiichīs Lächeln erstarb und man ihm ansah, wie wenig es ihm gefiel, dass sie das so sagte. „Er wird bestimmt einen anderen armen Idioten finden, mit dem er sein Spiel treiben kann…“ Ihm war schlecht, wieso musste sie das sagen? Shinichi, der bei seiner Frage vor allem an Ryochi gedacht hatte, der die Überzeugung lebte, sein Freund hasste, was Cognac tat, wunderte sich nicht. Aber dass Sēiichī sich selbst einen armen Idioten nannte, ließ den Jungen nun seufzen. „Vielleicht tröstet es dich, Sēiichī! Aber ich werde alles daransetzen, diesen Mann aus dem Verkehr zu ziehen, zusammen mit all seinen alkoholischen Anhängern. Mein Wort darauf.“ Ob es ihn tröstete? Sēiichī besah dieses Kind, blickte zu Chris und hatte kein gutes Gefühl dabei. Trotz allem, sie vertraute auf seinen scharfen Verstand und hatte ihre traumhaften Fantasien rund um Silverbullet. Er selbst glaubte noch nicht wirklich daran, dass dafür eine einzige Person ausreichte. „Nein, tut es nicht! Denn solange sie existiert, sind wir Gefangene. Wir können vielleicht abhauen, aber man könnte uns jeder Zeit wieder einsammeln. Wirklich frei sind wir erst, wenn dieser Laden dem Erdboden gleichgemacht wurde.“ Sēiichī holte tief Luft, denn seine Freunde und er versuchten seit Jahren dem Laden zu schaden, durch die ein oder andere Sache. Wirklich großen Schaden hatten sie nicht anrichten können, aber ihnen so manchen Auftrag versauen. Sēiichīs Worte trugen nicht gerade dazu bei, dass sich Vermouth gut dabei fühlte, was sie vorhatten. Es war kein Zufall, dass sie solange in Tokyo geblieben war. Sie hatte gern alles unter Kontrolle – ja, sie war mindestens genauso schlimm wie der Boss, der alles kontrollieren musste. Sie hasste es, wenn ihr etwas aus den Händen glitt. Man sah anhand ihres Gesichtes, dass sie nicht gerne ging, nicht gerne Menschen hier zurücklassen wollte. Sēiichī sah ganz genau, was sie dachte und fühlte in diesem Moment. Sie hatten sich geschworen, das gemeinsam zu schaffen. Als er diesen alles vernichtenden Gesichtsausdruck in ihrem Gesicht sah, wurde ihm ganz elend. Es war so etwas wie ein Traum. Ein Traum von Freiheit und einer besseren Welt. Auch Conan sah ihr an, dass sie all das nicht ganz so geplant hatte. „Auch, wenn du andere Pläne hattest. Denn das sehe ich dir an… Ich möchte dir danken für deine Bemühungen meine Familie zu schützen, jetzt ist es an der Zeit, deine zu schützen.“ Nachdem der Junge bisher eher fiese Sachen von sich gegeben hatte, wollte er zum Abschluss noch einmal nett sein. „Auf Tatsuji kann man sich verlassen, immerhin ist er ein Agent von Interpol. Dort seid ihr jedenfalls besser aufgehoben, als beim FBI. Jedenfalls habe ich das so entschieden…“ Er seufzte, denn die Geschichte mit Chardonnay und James Black hatte ihn wirklich erschreckt. Sēiichī war enorm beeindruckt von dem Zwerg. „Ich bin beeindruckt, kleiner Detektiv. Du bist eben schlau… Schlauer als ein gewisser jemand.“ Sie ließ den Blick zur Seite schweifen, wo Sēiichī aber dann doch noch so viel Klugheit bewies, ihre Spitze zu hören, die ganz eindeutig ihm galt. Womit hatte er das nur wieder verdient? Sie wollte ihn eigentlich nur ärgern, die Worte waren nicht direkt ernst gemeint, sie hielt ihn ja nicht für dumm, aber nicht für so schlau wie den Jungen. Sēiichī verschränkte die Arme. „Wie kann ein 9-jähriger schlauer sein als ich, he?“ „Oh – dir das zu erklären würde Stunden benötigen und die haben wir nicht, Sēiichī.“ Sie lächelte ihn an, dabei wirkte sie doch ganz schön fies, obwohl sie dieses Verhalten ein wenig unter Kontrolle gebracht hatte in letzter Zeit, weil er es gerade nicht verdient hatte, dass man so eklig zu ihm war. Nur Vermouth würde ihn weiter quälen, egal wie sehr er sich abrackerte, ihr zu gefallen. „Mach dir nichts draus, Darling~, du hast andere Qualitäten… Huehuehue.“ Der Angesprochene verzog sofort seine Miene zu einem Schmollen, als sie das so sagte. „Wahnsinnig witzig, ehrlich.“ Er hatte den unterschwellig mitschwingenden, unlauteren Ton gehört – der Junge doch hoffentlich nicht… Das sollte man ihm wirklich ersparen – ihre komischen Gedanken. Er hatte dann doch noch genug Anstand, sein Liebensleben nicht diesem Früchtchen unter die Nase zu reiben. So wenig es ihnen allen gefiel – vor allem Yukiko gefiel es in erster Linie nicht sonderlich – es hieß Abschied nehmen, denn Tatsuji hatte nicht vor, allzu lange zu warten, bis dem Boss vielleicht einfiel, dass er die Kontrolle verloren hatte. Wenn er das erst einmal bemerkt hatte, waren sie am besten ganz weit weg, damit sie die Detonation nicht mehr mitbekamen, die es auslöste, wenn man ihn derartig anschmierte. Sie hatten sich gegenseitig kurz in die Arme geschlossen, man wünschte sich Hals und Beinbruch und Dinge wie *gebt auf euch acht*, wurden gesagt, die man beschwichtigte, als sei alles nicht so wild. Trotzdem… als sie zum Flughafen fuhren, beschlich sie alle ein sehr mulmiges Gefühl. Yukiko hatte bei einer spärlichen Tarnung geholfen, wofür ihr die Freundin wirklich dankbar war, denn um ehrlich zu sein, sie hatte seit gut zwei Tagen kein Auge mehr zugemacht und fühlte sich ein bisschen zerschlagen. Aber da der Flug über zehn Stunden dauern würde, konnte sie ja bald ein Schläfchen machen. Sie wusste auch nicht, sie war eigentlich vieles gewohnt, aber in letzter Zeit waren so viele schlimme Dinge passiert, dass es auch einer Frau wie ihr an den Kräften zerrte. Oder wurde sie krank? Sie saßen in einem Taxi und schwiegen. Man sagte, eine Flucht würde immer Fehlschlagen, aber so ganz stimmte das nicht. Die meisten kamen nur wieder zurück – aus welchen Gründen auch immer. „Ich bin erst beruhigt, wenn wir in diesem Flugzeug sitzen… Wahrscheinlich werde ich auch dann noch das Gefühl haben, sie seien überall. Dass sie das Flugzeug zum Absturz bringen, oder so etwas…“ Zutrauen musste man der Organisation alles. Tatsuji, der fuhr, blickte in seinen Rückspiegel und sah dabei die Blässe in ihrem Gesicht und dass sie schwitzte. Sie fühlte sich auch gerade überhaupt nicht gut… Aber sie sagte nichts, wie käme sie dazu? Sie schob es auf das Unbehagen, was sie verspürte, immerhin war es eine riesen Aktion, abzuhauen und ein neues Leben zu beginnen. Sie mussten all ihre Spuren verwischen. Ihr gesamtes Leben umkrempeln. Sēiichī gab sich tapfer und ließ sich die Unruhe nicht anmerken. Er wollte nicht als Angsthase dastehen, obwohl jeder in ihrer Situation es sicherlich mit der Angst zu tun bekommen würde. Er hatte nicht wirklich so große Angst, dass diese Flucht fehlschlug. Mehr vor den Konsequenzen. Was passieren könnte, wenn… Er hatte viel mehr Angst um die beiden, als um sich selbst. Sein eigenes Leben war ihm mittlerweile egal, aber das hieß nicht, dass sein Überlebenswille nicht sehr groß war. So etwas würde er ihnen doch nie antun wollen… Sie näherten sich dem Airport. Bisher war nichts passiert. Sie waren unbemerkt bis ins Innere des Flughafens gelangt und ihnen war niemand begegnet, der sie kannte. Es schien sich nicht einmal jemand um sie zu scheren. Beim Einchecken wurde es erst so richtig schlimm. Ihr Atem rasselte, sie hielt sich die Stirn. Ihre Sinne rauschten. Die Augen so schwer, ihre Sicht verschwamm. Sie wollten gerade zu den Gates, wo Riina der Babykorb zugeschoben wurde, was sie zunächst nicht so ganz kapierte. Sēiichī verstand ebenso die Welt nicht mehr, als sie sich an ihn krallte und an seinem Hemd festhielt, dabei wankte sie ein bisschen gegen seine Schulter und er besah sie mit besorgter Miene. „Was ist?“ Wenn er es nicht besser gewusst hätte, er hätte geschworen, dass sie getrunken hatte… „Ich fühl mich nicht…“ Sie verharmloste unendlich, wie schlecht sie sich wirklich fühlte. „Du siehst auch irgendwie nicht gut aus“, sagte er und fragte sich, was sie ihm diesmal wieder verschwiegen hatte. Sēiichī war gewohnt, dass sie Verletzungen unter den Tisch fallen ließ, weil sie nichts mehr hasste, als vor ihm wie ein schwaches Frauchen dazustehen. Deswegen musterte er sie genauestens und versuchte abzuchecken, ob er etwas fand. Ihre Hand, die sich auf die linke Seite legte, fiel ihm zwar auf, aber als er sie wegnahm, ließ sie das fast willenlos zu. „Mich haut so schnell nichts um, mach dir keine Sorgen“, sagte sie noch, egal wie wacklig sie sich auf den Beinen fühlte. Diese ohrenbetäubenden Kopfschmerzen, die Umgebung schwankte und ihre Augen wollten immer weniger koordinieren. Sie stockte einmal und atmete hektischer, da blieb Sēiichī vollends stehen. „Irgendwas ist doch! Jede rede eben mit mir!“ „Ich…“ Mehr bekam sie nicht hervor, weil sie sich wenig später dann doch an die Brust griff und sich fragte, warum ihr diese so wehtat, sie hatte eine minimale Verletzung, was für sie so etwas wie einen Kratzer darstellte. Aber dann, als würde man in ihrem Inneren eine Trommel schlagen, blieb ihr die Luft weg und sie keuchte mehrmals. Sie konnte sich nicht länger auf den Beinen halten und dann entfuhr ihr ein markerschütternder Schrei, der wohl den ganzen Flughafen alarmierte, was gar nicht gut war, immerhin wollten sie relativ unbemerkt hier weg… Nicht nur Sēiichī bekam einen Heidenschreck, auch Riina und Tatsuji, die sich zu beiden herumdrehten. Da war es bereits passiert, ihr hatten die Beine nachgegeben und sie war eher glücklich in Sēiichīs Arme gefallen, der sie im allerletzten Moment noch hatte fangen können. „Chris, was hast du? Sprich mit mir?“ Sie konnte nicht. Nicht ein Wort entkam ihren bebenden Lippen. Ihr war heiß und zur gleichen Zeit kalt. Alles schwankte und alles Weitere bekam sie kaum noch mit. Wie sie fast leblos in Sēiichīs Armen hing, wie dieser in völliger Verzweiflung ihren Namen sagte. All dies fühlte sich an, als sei es in weite Ferne gerückt. So wie der Wunsch, von hier zu verschwinden. Tatsuji sah Chris. Er bemerkte, dass sie irgendeinen Schock haben musste. Erst trat Schaum hervor, dann röchelte sie. Er wusste nur eines, er musste handeln, so schnell wie möglich. Obwohl sie alle völlig ahnungslos gegenüber der Sache waren, die hier passierte. Sēiichī wusste ja nicht einmal, wieso sie so entsetzlich schrie, er war verzweifelt. So unendlich verzweifelt und glaubte, dass er noch nie solche Angst hatte aushalten müssen. Von ihrem Zusammenbruch bekamen sehr viele Menschen etwas mit, viele standen da und beobachteten die Szene. Wie sie fiel und wie der junge Mann sie fing… Wie die drei Personen um sie herum immer wieder versuchten mit ihr zu sprechen. Das ging knappe fünf Minuten, bis Sanitäter sich um sie kümmerten. Sēiichī wurde gewaltsam von seiner Freundin getrennt. Sein ganzer Körper zitterte und er merkte, wie ihm irgendwann die Tränen kamen. Die Sanitäter sprachen von einer kleinen Verletzung, die sie erlitten haben musste. Wer auch immer das gewesen war… er würde dafür büßen… das schwor er sich. Aber gerade hatte er einfach nur wahnsinnige Angst, dass sie sterben könnte. Er hatte noch nie in seinem Leben so etwas gesehen. Tatsuji wollte den armen Sēiichī, der sowieso schon so verzweifelt hinter den Sanitätern herrannte und diese anbettelte ihn mitzunehmen, nicht auch noch zusätzlich aufwühlen. Aber er, er wusste, dass das kein einfacher Anfall gewesen war, oder derartiges. Nein – die steckten dahinter. Riina konnte es kaum mitansehen und drückte sich gegen seine Brust, um es nicht mehr sehen zu müssen. Es war schrecklich. „Gift…“, murmelte er und Riina sah auf, erschrocken zutiefst erschüttert. „Was… Wie?“ war sie verwirrt. „Aber sie war doch die ganze Zeit bei uns…“ „Ich weiß es nicht, aber die Verletzung…“ Er nahm ihre Hand. „Komm! Wir fahren hinterher! Ich will wissen, ob sie etwas finden und was sie finden…“ Der Braunhaarige war zwar besorgt, aber die Ärzte hatten mit keinem Wort gesagt, dass ihr Leben auf dem Spiel stand, was ihn schon wunderte. Sie wussten alle nicht, welcher glücklichen Fügung sie es verdankten, dass sie bis ins Krankenhaus überlebte. Aber alles, wirklich alles konnten sie in die Tonne treten. Als sie im Hospital waren, stürmte schon förmlich die Presse den Laden, das fand er mit am schlimmsten. So etwas kriegten die immer zuerst raus. „Ich muss dringend telefonieren. Wenn die rauskriegen, um wen genau es sich handelt, brennt die Luft wirklich.“ Er ließ Riina nur ungern stehen, aber er musste das mit seinen Kollegen besprechen und zwar pronto… Ausgerechnet jetzt war der Aufzug überfüllt. Deswegen nahm Sēiichī die Treppe und rannte diverse Stockwerke hinauf, wobei er zwei Stufen auf einmal nahm und fast hinfiel. Als er oben angekommen war, stieß er die Tür auf und fiel fast über die Informationstheke. „Ein Notfall, gerade eingeliefert!“ Die junge Dame schaute den total verzweifelten, blassen Mann mit einem fragenden Blick an, weil er keinen Namen sagte. Hinter ihm kam gerade eine blonde Frau zum Stehen, die ihn am Arm zog und ihn sich wenig später herumdrehen ließ. Ihre Augen trafen sich und er glaubte diesen nicht trauen zu können... „Du… Du hier?“ stammelte er fassungslos, ehe er mehrmals sehr hektisch atmete und sie versuchte den armen Jungen wieder zu beruhigen. „Komm mit“, sagte sie ihm, wie selbstverständlich, als wenn sie wusste, was das einzige war, was ihn gerade interessierte… Er war noch zu sehr außer Fassung, als dass er sie davon abhalten konnte, dass sie ihn mitzog. Dazu kam auch, dass er dieser Person vertraute… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)